Boston Boys - Fragmente von Vampyrsoul (Kurzgeschichten zur Boston Boys Reihe) ================================================================================ Kapitel 9: Eloy – April 2014 ---------------------------- »Hey, da bist du ja endlich! Du wolltest doch schon vor einer halben Stunde hier sein.« Ich ging zu Mat und nahm ihm reichlich verwundert die Einkaufstüte ab. »Sorry, ich war noch einkaufen.« »Ja, seh ich. Aber du sollst doch nicht ... Wo ist Chico?« Erst jetzt merkte ich, dass unser Hund nicht hinter ihm in die Wohnung kam. »Hier«, erklärte er, doch mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde sein Ausdruck unsicherer. Schließlich rief er in die Wohnung: »Chico?!« »Scheiße, willst du mich verarschen?! Du warst mit Chico draußen!« Fluchend drückte ich ihm den Einkauf wieder in die Hand und griff nach meiner Jacke. Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Eloy, es tut mir leid. Ich ... Warte, ich helfe dir.« »Nein! Du bleibst hier!« Demonstrativ zog ich die Wohnungstür mit einem lauten Rumms zu. Noch immer fluchend ging ich vorsichtshalber in meine eigene Wohnung. Doch natürlich war Chico nicht dort. In dem Versuch, mich wenigstens etwas zu beruhigen, stieß ich jedes Schimpfwort aus, das mir einfiel. Wie oft hatte ich ihm gesagt, er sollte nicht mit Chico einkaufen? Tausende Male. Er konnte den Hund nicht einfach anbinden und hoffen, dass ihn schon niemand mitnahm! Verdammt, Chico müsste man nicht einmal anfüttern! Und dann merkte dieser tarado noch nicht einmal, dass mein Hund weg war! Dieser ... ARGH! Okay, durchatmen! Sicher war Mat beim Supermarkt in der Straße gewesen. Das waren knapp fünf Minuten Fußweg. Wenn Chico sich losgerissen hatte, würde er den Weg problemlos selbst finden, alles andere würde ich sowieso beim Markt selbst erfragen müssen. Noch während ich das Haus verließ, suchte ich deren Telefonnummer online heraus und rief an. »Guten Abend, mein Partner war gerade bei Ihnen einkaufen. Er hatte unseren Hund dabei, schwarz, ohne Fell, und hat ihn sicher vor dem Laden angebunden. Können sie mir sagen, ob er noch da ist?«, erklärte ich der freundlichen Stimme am anderen Ende. »Sie meinen den netten Herrn mit der Glatze, der öfter mit dem Hund hier ist? Der ist gerade raus. Sah ziemlich durch den Wind aus. Moment, ich schau gerade mal ... Oh! Ja, der Hund ist auf dem Parkplatz. Wie ...« Erleichtert atmete ich auf. Wenigstens hatte Mat ihn nicht auf der Seite der Hauptstraße angebunden. »Danke! Können sie vielleicht ein Auge auf ihn haben? Ich bin in ein paar Minuten da und hole ihn ab.« Ich beschleunigte meinen Schritt, nachdem mir bestätigt wurde, dass sie Chico über die Überwachungskamera im Auge behalten und nur mir übergeben würden. Ich war noch nicht ganz wieder zur Tür rein, da kam Mat in den Flur gestürmt. Für mich hatte er nur einen kurzen Blick übrig, bevor er sich auf Chico stürzte und ihn umklammerte. Der Hund, der die überschwängliche Freude kaum verstand, erwiderte sie dennoch und schleckte ihm das Gesicht ab. Ich strich Mat zärtlich über den Kopf. Meine Wut war Erleichterung gewichen und die Erklärung gegenüber der Kassiererin war zum Glück auch angenommen worden. Es hatte gereicht, ihr zu sagen, dass Mat einen schlechten Tag und beim Rausgehen einfach nicht an Chico gedacht hatte. Mit roten, verquollenen Augen sah Mat auf. »Es tut mir leid.« Ich ging ebenfalls auf die Knie und nahm ihn in den Arm. Dafür erhielt ich von Chico einen Schmatzer auf die Wange. »Ist schon gut. Du hast es nicht mit Absicht gemacht. Es tut mir leid, dass ich dich angeschrien hab. Das hätte nicht passieren dürfen.« Mat schüttelte den Kopf und schniefte. »Nein, du hast ja recht. Ich hätte Chico nicht mitnehmen dürfen. Du hast jedes Recht, mich anzuschreien.« »Nein, habe ich nicht.« Ich küsste ihn auf den Kopf. »Du kannst nichts dafür.« »Aber es ist so frustrierend!« Er gab einen kläglichen Schrei von sich. Ich seufzte. Ja, war es. Jedes Mal, wenn mein Handy klingelte, wenn er zu spät dran war, befürchtete ich einen Anruf meiner Kollegen oder des Krankenhauses, dass man Mat orientierungslos aufgefunden hatte. Noch vertraute ich darauf, dass er lange genug in der Wohnung wohnte, um automatisch hierherzukommen, aber lange würde es nicht mehr funktionieren. Einmal war er bereits bei seinem Bruder aufgeschlagen. »Als ich letzte Woche etwas für die Kids unterschreiben musste, hab ich mit meinem alten Namen unterschrieben. Erst als man mich darauf hingewiesen hat, hab ich mich daran erinnert, dass wir geheiratet haben«, gestand Mat leise. Ich nahm ihn fester in den Arm. Für ihn musste das noch viel schlimmer sein. Noch bekam er mit, was ihm nicht mehr gelang, und er schämte sich dafür. Mein einst so stolzer Ehemann zerbrach an seinem viel zu schnell nachlassenden Körper und Geist. »Ich bin für dich da.« Er schluchzte und lachte gleichzeitig. »Auch noch, wenn ich nur noch in der Lage bin zu brabbeln, keine Ahnung mehr habe, wer du bist, und mir in die Hose mache? Wenn nicht meine Lunge früher aufgibt.« Er stupste die kleine Tasche mit der Sauerstoffversorgung an. »Auch dann noch.« Ich küsste ihn zärtlich. »Ich wusste, worauf ich mich einlasse und ich werde das Versprechen«, ich drehte leicht an seinem Ring, »nicht brechen. Ich bleibe bis zum Schluss bei dir.« »Danke.« Er ließ sich gegen mich sinken und brachte mich damit ins Schwanken. Ich landete auf dem Hintern, ließ mich davon aber nicht irritieren, sondern hielt ihn weiter an mich gedrückt. Bis er sich entschied zu gehen, würde ich an seiner Seite bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)