Boston Boys - Fragmente von Vampyrsoul (Kurzgeschichten zur Boston Boys Reihe) ================================================================================ Kapitel 18: Samsa – August 2015 I --------------------------------- »Hey, aufwachen.« Tino rüttelte mich an der Schulter, bis ich brummend die Augen öffnete. »Was ist los?« Er drückte mir einen Kuss auf die Wange. »Ich muss dich leider rausschmeißen. Ich bin zum Frühstück verabredet.« Ich gab einen unwilligen Laut von mir – ich war erst spät ins Bett gekommen und hatte sicher nicht lange geschlafen –, streckte mich und drückte mich dann an seine Brust. »Wie lange hab ich noch?« »Etwa eine viertel Stunde, dann solltest du weg sein.« Genervt brummte ich. Wirklich, er erwartete, dass ich in einer viertel Stunde so weit war? »Sorry. Ich hab nicht mitbekommen, dass du gestern noch hergekommen bist. Sonst hätte ich dich vorgewarnt.« »Schon gut.« War es nicht, aber ändern ließ es sich nicht. Langsam erhob ich mich. »Ich geh kurz duschen.« »Schaffst du das denn?«, fragte Tino skeptisch nach und stand ebenfalls auf. »Ja. Nur kurz zum Wachwerden.« Bittend sah ich über die Schulter zu ihm. Ich hatte noch nicht auf die Uhr gesehen, aber ich hatte vielleicht was – drei Stunden? – geschlafen. Wenigstens etwas kaltes Wasser, damit ich nicht ganz wie eine wandelnde Leiche durch die Stadt fuhr. »Na gut, aber beeil dich wirklich!« Streng sah er zurück. »Ich wollte eh gleich Kaffee kochen, willst du dir einen mitnehmen?« »Das wäre echt lieb! Danke.« Zügig begab ich mich ins Bad. Langsam drehte ich die Dusche immer kälter. Dabei brummelte ich meinen Unmut heraus. Ich war nicht böse, dass Tino mich rausschmiss, das war sein gutes Recht, aber es störte mich, dass es so kurzfristig war. Wer lud sich jemand zum Frühstück ein und stand erst 15 Minuten vorher auf? Und dann auch noch so unglaublich früh! Es war Sonntag, verdammt nochmal! Ich hielt mir den Wasserstrahl über den Kopf und brummte danach noch lauter. Ach Scheiße! Toll, jetzt durfte ich mir auch noch die Haare waschen. Wenn ich es nicht tat, sobald sie einmal nass waren, sah ich aus wie ein Wischmob. Nicht mein Morgen. Ganz eindeutig nicht mein Morgen. Seufzend ergab ich mich in mein Schicksal. »Mach hin, Samsa! Deine Zeit läuft ab!«, rief Tino von draußen, als ich mir das Shampoo gerade wieder ausspülte. Moment, hatte ich so lange gebraucht? Ja, vermutlich ... Ich war höllisch müde, genervt und hatte Kopfschmerzen, sicher hatte ich wieder erst minutenlang unter der Dusche gestanden und vor mich hingestarrt, bevor ich in der Lage gewesen war, irgendwas zu tun. »Ich bin gleich so weit«, rief ich zurück. Ich machte, dass ich aus dem Bad und in meine Klamotten kam, auch wenn das nicht so schnell ging, wie ich das gern gehabt hätte. Ich war unkoordiniert und verhedderte mich in meinen Klamotten. Zu früh! Zu wenig Schlaf! Der Stress verschlimmerte meinen Zustand nur noch. Als ich endlich in die Küche trat, klingelte es bereits an der Tür. Wütend funkelte Tino mir entgegen, nahm den Thermobecher vom Tisch und drückte ihn mir so heftig gegen die Brust, dass er mich mit dem gesamten heißen Kaffee überschüttet hätte, wäre es kein geschlossenes Behältnis gewesen. »Bist du jetzt zufrieden, ja? Mach, dass du rauskommst! Und werf den Schlüssel in den Briefkasten, wenn du das nächste Mal in der Nähe bist.« Für einen Moment starrte ich ihn nur an, dann packte ich den Becher, nickte und bedankte mich knapp dafür. Ich hatte so viel ihm Kopf, was ich ihm darauf entgegnen wollte, doch stattdessen presste ich die Lippen aufeinander und ging. Wortlos lief ich an der Person vorbei, die unten an der Tür stand, bedeutete ihr aber, dass sie rein konnte. Kurzentschlossen ließ ich den Schlüssel gleich im Briefkasten. »Ich versteh’s wirklich nicht, Toby! Was hab ich falsch gemacht?« Wie immer, wenn ich in zwischenmenschlichen Dingen nicht weiterkam, war ich, nachdem ich noch etwas geschlafen hatte, ins Fitnessstudio gegangen und hatte Toby um seine Pause im nahegelegenen Café gebeten. Toby zuckte mit den Schultern. »Aus deiner Sicht: Gar nichts. Aus seiner Sicht: Ich weiß es nicht. Vielleicht denkt er, du hättest extra getrödelt, um ihm das Date zu versauen? Ich meine, was hast du nochmal gesagt, hat er gesagt, als er dich rausgeschmissen hat?« »Ob ich zufrieden sei, dass ich gehen und den Schlüssel in den Briefkasten werfen soll.« Wenn man von der Erklärung ausging, dann machte der erste Satz durchaus Sinn. Nicht, dass ich verstand, wie Tino auf so etwas kam. Ich hatte keinen Grund, ihm das Date versauen zu wollen. Ich war ja nicht einmal sicher, ob es ein Date war. Er konnte sich mit sonst wem zum Frühstück treffen. »Und du bist einfach gegangen, ohne etwas zu sagen?« Ungläubig starrte Toby mich an. »Was hätte ich denn sagen sollen? Er hat vorher gesagt, dass ich mich beeilen soll. Wenn ich noch diskutiert hätte, hätte es nur noch länger gedauert.« »Zum Beispiel dass er so nicht mit dir reden kann?« Aufgebracht schüttelte Toby den Kopf. »Warum bist du denn jetzt wütend auf ihn?« Warum regte er sich auf? Ich wollte doch nur verstehen, welchen Fehler ich gemacht hatte. Tobys Wut flaute nicht ab. »Weil er dich ohne eine Erklärung rausgeschmissen hat!« »Es ist seine Wohnung. Toby, wirklich, deine Wut hilft mir gerade nicht.« Er seufzte. »Bist du überhaupt nicht sauer auf ihn? Ich dachte, du wärst in ihn verliebt. Er hat quasi mit dir Schluss gemacht. Verstehst du das nicht?« »Doch. Aber es ist okay.« Das hieß nicht, dass ich nicht enttäuscht war oder es nicht wehtat, aber es war eben trotzdem okay. »Er hat keine Verpflichtungen mir gegenüber. Wenn er mich nicht mehr sehen will, dann akzeptiere ich das. Toby, ich wollte wirklich nur verstehen, was da schiefgelaufen ist. Nicht mehr.« Skeptisch zog Toby die Augenbrauen zusammen. »Bist du sicher? Also, dass es okay ist?« »Ja.« Versichernd lächelte ich ihn an. »Vielleicht ändert sich das noch, keine Ahnung, vielleicht kommt das erst später und ich brauch noch etwas, es zu verstehen, aber im Moment ist das in Ordnung. Außerdem ... Ich überlege, ob ich ihm nachher schreibe. Wenn es wirklich so ein Missverständnis war, dann will ich das wenigstens kurz klären. Schließlich wollte er nur den Schlüssel zurück. Keine Ahnung, ich hab auch schonmal darüber nachgedacht, dass das schief laufen könnte, weil ich eben nicht weiß, wann er verabredet ist. Vielleicht ist das alles, was er wollte, und eigentlich will er weitermachen wie bisher?« Toby seufzte tief und legte mir die Hand auf den Unterarm. Vorsichtig lächelte er. »Pass bitte auf dich auf, okay? Das, was du da gerade sagst ... Ich mache mir ein wenig Sorgen um dich. Ich sage nicht, dass ich Tino das zutraue, ich fand ihn bisher echt nett, aber ich habe Angst, dass du dich auf ungesunde Art an ihn bindest. Er behandelt dich mies und du willst ihm hinterherrennen und hoffst darauf, dass er doch nicht Schluss gemacht hat ... Das kann schiefgehen.« Ich griff ebenfalls nach seinem Unterarm, strich mit dem Daumen darüber und nickte nachdenklich. Vielleicht hatte Toby recht. Vielleicht aber auch nicht. Dennoch hatte ich das Bedürfnis, das zu klären. Ich glaubte eher daran, dass Tino auf den Erklärungsversuch antwortete, dass er gar nichts mehr mit mir zutun haben wollte, als dass er mich ausnutzte. Andererseits hatte ich das schon einmal geglaubt ... »Danke, dass du dir Sorgen machst, aber ich hab das im Griff. Glaub ich.« Das Lächeln geriet etwas schief. »Was hältst du davon: Ich halte dich die nächsten Tage auf dem Laufenden und wenn du das Gefühl hast, da geht etwas schief, dann schnappst du dir Roger und Lance und ihr wascht mir den Kopf. Ich bin mir sicher, zusammen bekommt ihr mich zur Vernunft.« Toby lächelte. »Ist gut. Ich vertraut dir, dass du uns sagst, wenn etwas passiert.« »Tu ich.« Diesmal gelang mir das Lächeln ehrlich und ich lehnte mich über den Tisch, um ihn auf die Wange zu küssen. »Ich schreib dir, sobald ich etwas von ihm höre.« Toby erwiderte die Geste. »Ich drück dir die Daumen.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)