Boston Boys - Fragmente von Vampyrsoul (Kurzgeschichten zur Boston Boys Reihe) ================================================================================ Kapitel 13: Samsa - November 2014 III ------------------------------------- »Soll ich hier warten?« Verwundert sah ich Tino an, doch es hatte nur den Effekt, dass es mich noch mehr verwirrte. Seitdem er von der Arbeit gekommen war, während ich gerade auf dem Bett die Nachricht schrieb, tat ich mich schwer, ihn anzusehen. Es war einfach ... So typisch ich. Natürlich hatte ich mir, nachdem ich bei Toby und Roger abgehauen war, einen Typen gesucht, der ihnen ähnelte: groß, Oberarme von der Größe meiner Oberschenkel, ein verschmitztes Lächeln und natürlich überführsorglich. Scheiße, wer bot seinem One- – nein, Three! – Night-Stand an, ihn zu seinem besten Freund zu fahren und dann auch noch zu warten? Ganz offenbar er ... »Ich kann auch wieder fahren. Ich dachte nur, weil auch nicht mehr so lange etwas fährt ...«, reagierte er auf mein resigniertes Seufzen. »Schon gut, ich kann von hier aus nach Hause laufen.« Es waren zehn Minuten. Davon würde ich nicht umkommen. Ganz im Gegenteil, es konnte mir gut den Kopf klären. »Ich weiß auch gar nicht, wie lange das dauert.« Skeptisch sah er sich um. Es war eindeutig, was er dachte: Seiner Meinung nach würde ich umkommen. »Es macht mir nichts aus.« Unruhig rutschte ich hin und her. Langsam wurde er mir zu aufdringlich. Auch das hatte er also mit Toby und Roger gemeinsam. Er seufzte. »Was hältst du davon: Ich warte und wenn du wirklich nicht gefahren werden willst, dann ignorierst du mich einfach, okay? Ich mache mir nur ein wenig Gedanken, weil du noch nicht ganz nüchtern wirkst und das mit deinem Freund scheint dir ziemlich zuzusetzen ...« »Okay, von mir aus. Wenn du unbedingt willst, dann warte hier.« Zufrieden nickte er. »Ich wünsche dir alles Gute.« Brummelnd stieg ich aus. Das Glück würde ich brauchen. Lance hatte nicht auf meine Nachricht geantwortet, ich wusste also nicht, ob er sie gelesen hatte und ignorierte oder ob er sogar schlief. Notfalls würde ich ihn aus dem Schlaf klingeln. Schlimmer konnte ich es eh nicht mehr machen. Bereits nach dem ersten Klingeln wurde der Türsummer betätigt. Lance wusste also, dass ich es war. Freude über meinen Besuch sah jedoch anders aus. Er hatte sich im Türrahmen aufgebaut und versperrte mir den Zugang zu seiner Wohnung. »Es tut mir leid, ich hab mich im Ton vergriffen. Es war total unnötig, dich so anzugehen.« Er sollte ruhig direkt wissen, dass ich nicht hier war, um mich erneut mit ihm zu streiten. »Ich wäre gern früher gekommen, aber ...« »Vögeln war wichtiger, ich versteh schon.« Nichts an seiner Position veränderte sich. Ich schluckte. So wütend hatte ich ihn nicht erwartet. »Jain. Ich hab verschlafen. ... Können wir vielleicht reingehen?« Nach einem schreiend ruhigen Moment trat er zurück und ließ mich ein. Im Vorbeigehen deutete er auf aus dem Wohnzimmerfenster. »Ich dachte nur, du willst eh sofort wieder gehen.« Vom Fenster aus konnte man hinunter auf Tinos Auto sehen. Lance hatte mich also schon dort gesehen. »Er besteht darauf, zu warten, damit ich nicht nach Hause laufen muss.« Lance schnaufte. »›Er‹ ... Ich wette, du weißt nicht einmal, wie ›er‹ heißt.« »Tino.« Dennoch fühlte ich mich ertappt. Es war absoluter Zufall, dass ich es mir gemerkt hatte. Spätestens in zwei Tagen wusste ich es sicher nicht mehr. Die Antwort brachte ihn aus dem Konzept. Sein Blick änderte sich, wurde weicher. »Du warst die letzten Tage bei ihm?« Ich nickte und sah weiter aus dem Fenster. Tino bemerkte nicht einmal, dass ich ihn beobachtete. Vermutlich kam ihm nicht einmal in den Sinn, dass man ihn sehen könnte. Er war vollkommen in ein Buch vertieft. »Und er ist der Grund, warum du mit Toby und Roger Schluss machst, ohne mit ihnen zu reden?« »Ich habe nicht ›Schluss gemacht‹. Wir waren nie zusammen; so sehr sie sich das auch wünschen.« Den letzten Teil flüsterte ich eher zu mir. Lance’ Kopfschütteln war fast zu hören. »Du weißt genau, was ich meine. Was ist passiert? Ist er der Grund?« »Nein. Es ist ... dasselbe wie immer. Sie versuchen schon wieder, mich in eine Beziehung zu drängen.« Genervt stöhnte Lance. Wie immer glaubte er mir nicht. »Wie denn diesmal? Haben sie dir wieder etwas geschenkt, dass du absolut überinterpretierst? Wollten sie mit dir irgendwohin fahren? Solltest du auf den Hund aufpassen?« Ich knurrte. Für ihn war das vielleicht lächerlich, für mich aber nicht! »Wir hatten Sex im Schlafzimmer.« »Was?! Du willst mich veraschen!« Ich drehte mich um und starrte ihn wütend an. Das war kein Witz! »Okay, erklär es mir«, lenkte er ein. Ich ließ mich auf dem Sofa fallen und erklärte ihm, welche Regeln ich mit Toby und Roger vereinbart hatte und wie sie diese immer weiter verschoben hatten. Erst hatten wir gemeinsam oben im Schlafzimmer geschlafen, dann waren wir immer öfter gemeinsam im Wohnzimmer eingeschlafen, hinterher sogar bei ihnen im Schlafzimmer. Selbst wenn ich als Freund dort war, hatten sie immer mehr meine Nähe gesucht, mich geküsst und mich berührt. Zuerst war es mir nicht aufgefallen, ich hatte es gemocht, doch es führte nur dazu, dass die Grenzen immer weiter verschwammen, dass nicht mehr deutlich war, warum ich dort war. Dann waren die Blicke gekommen. Sie hatten deutlich gezeigt, dass sie von mir nicht nur als einen Freund und eine Affäre dachten. Ich hatte nichts dagegen, die Regeln etwas aufzuweichen, doch das war zu viel. Mehrmals hatten wir sie komplett zurücksetzen und den Kontakt einschränken müssen, damit es wieder klappte. Dazu kamen die von Lance geschilderten Situationen; außer der Sache mit dem Hund, das war vollkommen übertrieben. Doch diesmal waren sie eindeutig zu weit gegangen: Sie hatten es geschafft, dass ich alles ignorierte und mich von ihnen in ihrem Schlafzimmer verführen ließ. Auch nach der Erklärung schüttelte Lance ratlos den Kopf. »Aber es gefällt dir? Oder nicht?« »Ja klar.« »Dann erklär mir eins: Warum ist es ihre Schuld? Du machst genauso mit. Du könntest ihnen auch sagen, dass du das nicht möchtest, statt einfach zu gehen. Oder endlich akzeptieren, dass ihr eine Beziehung führt. Ziemlich verquer und für mich nicht verständlich, aber genau das.« Ich sprang auf. »Wir sind nicht zusammen!« Lance grollte. »Okay, ist mir egal, wie du es nennst. Aber du hast ihnen wehgetan! Sie lieben dich! Und so sehr du es auch leugnest: Du liebst sie auch. Du kannst nicht einfach gehen und dich in die Arme des nächstbesten Typen schmeißen.« »Doch kann ich! Genau das kann ich tun. Weißt du warum? Weil wir keine fucking Beziehung führen! Ich kann gehen wann und wohin ich will und ich kann ficken mit wem ich will!« »Isaac! Hörst du dich eigentlich selbst reden? Alter, du klingst wie ein scheiß verfickter, bockiger Teeny! Du bist fucking 30! 30, nicht 13. Fang endlich an, Verantwortung zu übernehmen! Du möchtest keine Beziehung? Okay, schön, aber dann mach richtig mit ihnen Schluss! Das bist du ihnen schuldig, nachdem sie sich jahrelang den Arsch für dich aufgerissen haben! Du kannst sie nicht ewig ausnutzen!« »Ich nutze sie nicht aus!« Lance’ Gesicht gefror zu Stein, seine Stimme nahm eine eisige Kälte an. »Doch! Genau das tust du. Du rennst jedes Mal zu ihnen, sobald dir etwas nicht in den Kragen passt und wegen jedem Scheißdreck, der dich an Peter erinnert, aber sobald ... Nein, Isaac, hör auf zu flennen! Du bekommst von mir kein Mitleid. Reiß dich endlich zusammen! Genau das meine ich: Sie ziehen dich ständig aus dem Dreck, aber du arbeitest kein Stück mit, sondern hängst dich an dieser Sache fest. Und zum Dank bekommen sie jedes Mal einen Arschtritt von dir! An ihrer Stelle hätte ich dich schon längst zur Hölle geschickt! Du hast es absolut nicht verdient, dass sie dir nach alldem noch helfen.« Ich zog die Beine an und legte den Kopf darauf ab. Lance hatte doch keine Ahnung! Glaubte er wirklich, ich würde es nicht versuchen? Aber es ging nicht. Ich hielt die Nähe nicht aus. Es fühlte sich nicht gut an, nicht wie andere es behaupteten. Es war einfach nur beengend. Immer wenn sie mir Gefühle zeigten, hatte ich den Druck, es zu erwidern, ihnen entgegenzukommen, selbst wenn ich das nicht wollte. Mit jedem Mal, das sie mir etwas von ihrer Liebe entgegenbrachten, war von meiner weniger übrig. Als würden sie sie ersticken, ihr den Platz zum Leben nehmen. Warum konnte das niemand verstehen? »Was ist? Hast du dazu nichts mehr zu sagen? Glaubst du, es hilft, rumzuflennen?« »Lance, bitte. Hör auf.« Nur mühsam bekam ich das zwischen dem Schluchzen heraus. Der undefinierte Laut von ihm machte deutlich, dass er durchaus noch etwas zu sagen hatte, doch er schwieg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)