1000 Ways to Die in the West von Hotepneith (Die Memoiren eines Flohgeistes) ================================================================================ Kapitel 17: ------------ Ein Herrscher, der nicht weise ist, kann auch nie weise beraten werden Sprüche Salomos   Ich blieb in dem weichen Schulterfell sitzen. Floh will ja nicht ausgerechnet einen Daiyōkai beim Nachdenken stören. Und, was hätte ich auch fragen sollen? Er wartete hier auf einen Schmied, dem er So´unga anvertraut hatte, das mit Sicherheit gefährlichste Schwert aller drei Welten. Hoffentlich verdiente der Schmied auch das Vertrauen und kam.   Ich weiß heute nicht mehr, wie viel Zeit vergangen war, als ein lautes Plopp mich vorsichtig aufsehen ließ. Der Inu no Taishō erhob sich geschmeidig. So war ihm fast nichts mehr anzumerken, aber ich konnte noch immer spüren, dass sein Yōki bei weitem noch nicht die Höhe erreicht hatte, wie damals, als wir uns das erste Mal trafen. Nun, das war eigentlich klar. Ein wenig erstaunt sah ich auf einen jungen Ochsen mit drei Augen, der offenbar gerade vom Himmel gekommen war. Von seinem Rücken glitt eindeutig ein Schmied, das verriet der Geruch, die Berufskleidung ebenso wie die Tatsache, dass er seine schwarzen Haare nach oben zu einem Zopf gebunden hatte – sicher, um sie nicht versehentlich im Feuer zu versengen. In seinen Händen lag eine Schwertscheide , die auf ein recht große Klinge hindeutete. Ja, fiel mir ein, der Herr trug sie ja auf dem Rücken. „Tōtōsai,“ lautete die sachliche Begrüßung, die mir den Namen des Schmiedes verriet. „Na, du hast ja vielleicht Nerven, Taishō!“ Die Antwort des Unbekannten ließ mich fast zusammenzucken. Der duzte einen Daiyōkai, einen Feldherrn, den Vater des derzeitigen Fürsten des Westens? Da fragte sich wohl eher, wer da Nerven hatte. Tōtōsai fuhr etwas gereizt fort: „Hier, nimm das Höllending wieder! Und ich sage dir, wenn du den ganzen Westens mir schenken würdest – ich rühre dieses Schwert nie wieder an!“ „Gab es Ärger?“ „Minimal. Ich meine, nur ein sehr dummer Schmied lässt sich von einem Schwert übernehmen, selbst, wenn er es nicht selbst geschmiedet hat. Aber das Ding redet in einer Tour und verspricht einem Himmel und Hölle.“ „Es lügt.“ Der Taishō schnallte sich seelenruhig die Scheide auf den Rücken. „Meine kleine Bitte hat dir also Ärger verursacht?“ „Wenn du nicht gebeten hättest, wäre ich nicht einmal in meinen Alpträumen auf die Idee gekommen, das anzurühren“ „Du bist nun einmal ein Genie.“ „Hrm.“ Tōtōsai schien geschmeichelt und beruhigte sich etwas, ehe er erneut Atem holte. „Und, was dich betrifft, du komischer Hund – weißt du eigentlich, dass der ganze Westen der Meinung ist, dass du im Kerker der Drachen sitzt, oder eher gerade umgebracht wirst? Dass der Heerbann zusammengerufen wurde? Und dann sitzt du hier seelenruhig unter einem Magnolienbaum, der noch etwas älter ist als du – und … Ach, wie nennt man so etwas?“ „Korrekt.“ „Was?“ „Ja, ich war im Drachenkerker und ja, ich sollte hingerichtet werden. Die Tatsache, dass ich dir So´unga gegeben hatte, war das Einzige, was Ryuichi davon abhielt in den Westen einzufallen. Nun, nicht nur.“ Ich sah, wie die Augen des ziemlich unhöflichen Schmiedes groß wurden. Aber er musste wirklich nicht nur ein Genie, sondern ein Unikat sein, wenn er nicht nur mit dem Höllenschwert umgehen konnte, sondern auch ungestraft so mit einem Daiyōkai reden konnte. „Hör mal Taishō, ich weiß nicht, was passiert, wenn ein Hundeyōkai manche bunte Pilze im Wald futtert, aber niemand entkam je dem Drachenschloss ….“ „Myōga.“ Der Befehl ließ mich aus dem Schulterfell kriechen und diesen Tōtōsai angucken. Der rang sichtlich nach Atem. „Gut, jetzt habe ich alles gesehen. Taishō, das ist ein Flohgeist!“ „Stimmt.“ In der Stimme meines Daiyōkai lag gewisse Erheiterung. Der wusste wohl, mit wem er redete und wollte den auf den Arm nehmen. „Und du bist ein Hund, ein Daiyōkai noch dazu.“ „Das stimmt auch, mein guter Tōtōsai.“ „Was glaubst du eigentlich, was deine Gefährtin sagt, wenn du ihr Flöhe aus dem Drachenkerker in ihr schickes Schloss schleppst?“ „Danke, vermute ich.“ Der Herr der Hunde wurde ernst. „Tōtōsai, das ist Myōga, mein Berater. Und du wirst dich gegenüber ihm anständig benehmen.“ Tōtōsai warf mir einen Blick zu. „Berater, ja? Kannst du auch reden, Berater Myōga?“ „Ich rede nur, wenn ich gefragt werde,“ gab ich hoheitsvoll zurück. Berater, das klang gut. Und, verrückt oder nicht, es stand außer Frage, dass der Schmied eine Art Freund des Daiyōkai war. Und dem hatte er mich so vorgestellt! „Fast.“ Ein sanftes Lächeln des Taishō galt mir. „Nun, sagen wir, in Notfällen.“ Ja, das musste ich zugeben, ich hatte ihn angeredet, angeschrien, ihn gestochen, beleidigt – aber alles nur zu dem Zweck ihn wach zu bekommen und aus dem Kerker. Aber davon sollte wohl Tōtōsai nichts erfahren. Mein Daiyōkai richtete sich auf und spürte anscheinend. „Du solltest gehen, Tōtōsai. Dein Auftritt und der meine haben Krieger alarmiert. Sie werden gleich hier sein. Und … natürlich.“ Erneut ein Lächeln, fast mit Zuneigung, das sichtlich keinem von uns beiden galt. Ich konnte es nicht deuten, aber Tōtōsai wurde merklich blass. „Sie kommt?“ „Sie weiß stets, wenn sich ein Daiyōkai im Westen aufhält und die Grenzen durchbricht.“ „Äh, naja, dann ...wir sehen uns, Taishō. Viel Spaß mir ihr, Myōga!“ Keine Minute waren Ross und Reiter, natürlich Ochse und Reiter, verschwunden. So erlaubte ich mir einen fragenden Blick. „Die Regentin des Westens. Sie weiß, dass ich entführt wurde, aber nun ahnt sie gewiss nicht, dass ich zurück bin und will den Eindringling stellen.“ „Eine Frau?“ „Sie ist die Regentin. Und lehrtest du mich nicht, auch sie zu beachten? Ich kam nur durch den Bannkreis, weil ich ihn kenne. Umso alarmierter wird sie sein. Und sie ist eine besorgte Mutter, nicht zu vergessen. Auch ein anderer Daiyōkai hätte erhebliche Probleme mit ihr. Und einem kleinen Geschenk, das ich ihr zur Geburt unseres Sohnes überreichte. Verschwinde in meinem Panzer. Die Krieger brauchen dich einstweilen nicht kennen zu lernen.“ Aber die Regentin, war daraus zu schließen. Na, hoffentlich ging das gut. Immerhin sollte mich mein gerade erworbener Status als Berater doch vor der Dame schützen? Aber als Regentin war sie doch eigentlich wohl dem Taishō gegenüber befehlsbefugt? Gut, eigentlich der Sohn. Na, das konnte ja sowieso etwas werden, wenn der Sohn schon in der Wiege dem Vater Befehle erteilen könnte? Oder konnte er eben nicht, weil Vater zu Kind immer etwas anderes war? Nun ja, ich würde ja merken, wie sie den Welpen erzogen. Wie der wohl war? Jedenfalls war ich erst einmal in Sicherheit, falls mein Daiyōkai nicht auf den spontanen Einfall kam einen Rachefeldzug gegen Ryuichi zu unternehmen und mich mitzunehmen. Das würde ich ihm wohl ausreden müssen.   Ich konnte es so nicht sehen, aber da stürmten mehrere Dämonen auf die Lichtung, dem Yoki nach zu urteilen. Das sie hastig unterdrückten, vermutlich, als sie sahen, wer sich zu ihnen umdrehte. „Herr!“ Wahrscheinlich warfen sie sich zu Boden. „Wir glaubten ….“ „Ihr glaubtet, Ryuichi wäre in der Lage mich aufzuhalten.“ Der Taishō klang eisig und wohl nur ich erriet, dass das nicht dem besorgten Redesprecher galt, sondern dem Drachenkönig samt ältesten Sohn. „Dem war offenkundig nicht so,“ sagte eine weibliche Stimme, deren Besitzerin einen Schwall an Energie vor sich herschob, der mich fast erschreckte. Das musste die Regentin sein. „Ich werde der Herrin des Schwebenden Schlosses Bericht erstatten. Allerdings wäre es wichtiger den Heerbann, den Ihr freundlicherweise bereits gerufen habt, in Richtung Drachen zu führen. Ryuichi schien mir ein wenig ...angespannt, als ich entkam. Der Westen muss geschützt werden.“ „Natürlich, Taishō. Ich darf sagen, dass ich erfreut bin, dass Euer Yōki rein ist.“ Ich wusste nicht, was sie meinte, aber mein Daiyōkai nickte. „Sie haben mir Schmerz zugefügt, waren aber nicht in der Lage mich zu übernehmen. Später dazu mehr, wenn Ihr gestattet. - Geht ihr nun und alarmiert den Heerbann. Wir treffen uns an der Grenze zu den Einöden des Hoyama.“ Ich konnte spüren, dass die Krieger hastig davon liefen. „Myōga.“ Ich sprang gehorsam aus dem Panzer und setzte mich auf sein Schulterfell. Das also war die Regentin? Hu! Die Yōki war wirklich nicht von schlechten Eltern und ihre goldenen Augen musterten mich ebenso eisig wie es die des Taishō vermochten. Sie war jung, schön und mächtig, das war schon mal klar. Die weiße Boa um ihre Schultern war sicher ebenso ein Rangabzeichen wie der Sichelmond auf ihrer Stirn. Schneeweiß fiel das Haar. Ich guckte lieber zu meinem Daiyōkai, denn sie sah mich so an, dass ich nicht annahm auch nur noch fünf Minuten zu leben, wenn ich dessen Schulter verließ. Ein Mundwinkel zuckte erheitert hoch. „Ja, das dachte ich auch, als ich ihn das erste Mal sah, Teuerste. Das ist Myōga, ein Flohgeist. Ich habe ihn zu meinem Berater ernannt, denn er ist einer der klügsten, aber sicher der mutigste Mann, den ich je außerhalb eines Daiyōkai traf.“ Ich wollte fast etwas über diesen Ausschluss protestieren, aber dann fiel mir ein, dass der Taishō sicher nicht den verstorbenen Fürsten beleidigen wollte. Sie hob die schmalen Augenbrauen. „Mutig?“ „Ohne ihn wäre ich nicht hier. Er folgte mir in den Kerker der Drachen und zeigte mir den Weg hinaus. Lasst es Euch erzählen, während ich ein Treffen mit Ryuichi und vor allem Ryutsubasa habe. Sie wollten So´unga von mir, nun sollen sie den Höllendrachen kennen lernen. - Ich habe So´unga zufällig verborgen gehabt.“ Das war gelogen, aber er wollte wohl nicht, dass sie von Tōtōsai erfuhr, vielleicht auch nur jetzt nicht. „Zu ihr, Myōga.“ Ich sprang und spürte schon in der Landung, wie sich die Härchen der Boa unter ihrer Energie aufrichteten. Na, begeistert war sie nicht einen Floh in dem tadellosen Pelz zu haben. Aber immerhin zuckte sie weder zusammen noch hob die Klaue. Da der Feldherr, leider, verschwand, immerhin ohne auf die Idee gekommen u sein, ich solle ihn in iene Schlacht begleiten, sah ich fragend etwas empor. Sie musterte mich. Erst nach einer Weile, in der mir der Schweiß ausbrach, sagte sie: „Du schweigst, Floh?“ „Ihr hattet mich nicht zu Sprechen aufgefordert,“ erschien mir die beste Antwort. Der Taishou mochte ja nett sein, aber, wie ich damals schon ahnte und später nur zu gut feststellte, alle Hundeherrschaften waren impulsiv und spontan. Und skrupellos. Sie wandte sich um. „Wie hast du ihn kennengelernt?“ Ich wollte schon fragen, was sie meinte, als mir es einfiel. Er hatte ja gesagt, ich sei ihm in den Kerker der Drachen GEFOLGT – also mussten wir uns zuvor bereits begegnet sein. Da war jemand von schneller Auffassungsgabe. „Vor einigen Jahren, werte Dame.“ Ach herrje. Es gab da bestimmt den einen oder anderen Prunkt, den ich nicht erwähnen sollte, aber, wie sollte ich das unselige Abflussrohr umgehen? Ach du armer Floh!   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)