Vogelfrei von lunalinn ================================================================================ Kapitel 21: Die Gefangenschaft ------------------------------ Still beobachtete er, wie das Blut an seinen Klauen für ein paar Sekunden blutige Schlieren im Wasser des Bachs zog. Von dem Hirsch, dem er aufgelauert und den er erlegt hatte, war nicht viel übrig geblieben. Immerhin war er nun nicht mehr hungrig, was seine momentane Situation aber nicht besser machte. Es war so sterbenslangweilig ohne die anderen. Ob diese mittlerweile angekommen waren? Schließlich war es fast zwei Tage her und er zu weit vom Schloss entfernt, als dass er seine Kameraden hätte wittern können. Seine Kameraden. Seine Federn bauschten sich automatisch bei dem Gedanken auf, denn noch immer erschien es ihm geradezu unwirklich, dass er Freunde gefunden hatte. Zwei Menschen und einen halben. Das war doch ein guter Durchschnitt? Er musste grinsen, wusch sich auch das restliche Blut aus dem Gesicht, während er hoffte, dass die anderen bald eintrafen und regelten, was auch immer sie regeln mussten. Oder Toshi. Immerhin hatte dieser hierher gewollt. Sie sollten hier sicher sein, jedoch nur, wenn sich Hawks bedeckt hielt – das würde wohl immer ein Problem sein, wenn sie unter Menschen kommen sollten. Etwas, das angesichts dessen, dass sowohl Enji als auch Toshinori Krieger waren, wohl recht häufig vorkommen würde, doch das ließ sich nicht ändern. Er würde schon damit klarkommen. Auf Zeit jedenfalls. Wobei er wieder beim Thema war – wie lange musste er noch warten? Wenn er sich dem Schloss vielleicht nur ein wenig näherte? Er musste ja nicht gleich vor den Toren stehen, doch wenn sie sich so viel Zeit ließen, mussten sie sich nicht wundern, dass er sich langsam Sorgen machte. Genau, er machte das nicht, weil er ungeduldig wurde, sondern weil er besorgt war. Das tat man doch unter Kameraden? Man sorgte sich um einander und half sich. Hawks musste grinsen, ehe er seine Flügel spannte und sich mit den Krallen vom Boden abstieß. Dann würde er die Gegend mal etwas genauer auskundschaften – natürlich nur, um nach seinen Freunden zu sehen. Das Gefühl des Fliegens war mit nichts vergleichbar. Der Wind in seinen Haaren und Federn…die Freiheit…schade eigentlich, dass er das Enji niemals würde zeigen können. Er hatte gerade mal Aizawa tragen können und das auch nur mit Mühe. Dieser war wesentlich leichter als der mürrische Rotschopf, doch diesen hätte ein kleiner Ausflug durch die Lüfte sicher sprachlos gemacht. Nun, träumen war erlaubt, mehr würde er da jedoch nicht kriegen. Er ließ den Blick über die Baumkronen unter sich schweifen, ehe er ihn zum Schloss gleiten ließ. Es stach wirklich hervor, wirkte gewaltig mit seinen hohen Türmen und Mauern. Toshinoris Heimat...dieser war hier als Krieger sicher hochangesehen, da war Sorge vielleicht doch fehl am Platz. Bereits jetzt sah er Enjis wütendes Gesicht vor sich und seufzte genervt; dieser würde auf jeden Fall wütend auf ihn sein, wenn er ihn so nahe dem Schloss erwischte. Daher nahm er noch mal an Tempo zu, ehe er einen dreifachen Looping vollführte und dann wieder in die entgegengesetzte Richtung flog. Jedenfalls hatte er das vor. Ihm war nicht entgangen, dass dort im Wald Menschen waren – jedoch hatte er angenommen, dass ihn diese nicht bemerken würden. Und selbst wenn, die meisten Menschen verfügten nicht über eine solche Treffsicherheit, ihn vom Himmel zu holen. Nun…diese Menschen unter ihm schon. Er hörte das laute Zischen und verdankte es bloß seinen guten Reflexen, dass er den Pfeilen gerade noch ausweichen konnte. Er wollte schon triumphierend grinsen und auf seine Angreifer, welche sich unter den Baumkronen versteckten, zustürzen, als ihn ein scharfer Schmerz in seinem rechten Flügel aufkeuchen ließ. Ein weiterer Pfeil war geschossen worden, hatte seine Schwinge durchbohrt – und er verlor den Halt. Fluchend versuchte er, sich irgendwie in der Luft zu fangen, doch er wusste, dass es zu spät war. Er schlang die Flügel um seinen Körper, um sich vor dem Aufprall zu schützen, versuchte seinen Fall durch die Äste zu bremsen. Noch im Sinkflug stieß er einen lauten, schrillen Schrei aus, um seine Angreifer wenigstens kurzzeitig zu lähmen. Hawks stürzte durch die Zweige und Blätter, versuchte, sich irgendwo festzukrallen, um Halt zu bekommen, doch der Ast brach unter seinem Gewicht, war nicht dick genug. Ein heiseres Stöhnen entwich ihm, als er auf dem Boden aufkam, wobei er sich zumindest nicht zusätzlich verletzte. Direkt war er wieder auf den Beinen, sah sich gehetzt um und – stockte, als er seine Angreifer sah. Das Erste, das ihm auffiel, war, dass sie jung waren. Sehr jung…doch sie trugen Rüstungen und Waffen bei sich, wenn sich einige von ihnen auch noch die Ohren zuhielten, wohl von seinem Schrei benommen waren. „Keine Bewegung!“ Die Worte kamen von einem Jungen mit Sommersprossen und dunkelgrünen Haaren. Er hielt sein Schwert auf ihn gerichtet, blickte ihn mit zusammengepressten Lippen an. „Wir wissen nicht, wer oder was du bist, doch wir-“ „Verdammt, Deku! Rede nicht mit dem Vieh!“, zischte ein blonder Junge neben ihm, ehe er Hawks anfunkelte. „Ich hole mir seinen Kopf…“ „Aber Kacchan…“ „Bakugou hat Recht“, mischte sich ein Junge mit Brille ein, welche er soeben richtete. „Es stellt eine Gefahr dar, immerhin ist es um das Schloss herumgeschlichen!“ Hawks blinzelte, sah von einem zum anderen, bevor er schief grinste und die Klauen hob. Kam wohl nicht gut an, denn sofort griffen alle wieder zu den Waffen. Fünf waren es. Ein braunhaariges Mädchen und ein Junge mit stacheligen roten Haaren standen hinter ihm. Große Klasse… „Oi, beruhigt euch mal!“, richtete er das Wort an diese. „Ich bin keine Gefahr für euch, klar? Ich habe mich bloß etwas umgesehen. Ich habe nicht vor, irgendwem zu schaden.“ „Als ob wir einem Monster wie dir glauben würden!!“, fauchte ihm der Blonde, der wohl Bakugou war, entgegen. Mit dem konnte man wohl eher nicht reden, doch seine Begleiter schienen zu zögern. Gut für ihn, immerhin konnte er nicht einfach wegfliegen, nun, da sein Flügel verletzt war. Es würde ihn behindern und vermutlich zu einem leichten Ziel machen. Er wollte diese Kinder aber auch nicht töten, selbst wenn sie Krieger waren. Er würde sie wohl noch einmal mit seinem Schrei quälen müssen – was er ungern tat. Trommelfelle konnten so schnell platzen. Das Mädchen hinter ihm spannte seinen Bogen, er konnte es hören – doch sie zögerte, sodass er ruhig blieb. Keine hektischen Bewegungen, um sie zu provozieren. „Ich bin ein braves Vögelchen, versprochen.“ Vielleicht war sein Lächeln nicht so hilfreich, wie er gehofft hatte, was möglicherweise an seinen spitzen Zähnen liegen konnte. Menschen waren wahrlich leicht zu verschrecken. Jedenfalls glaubten sie ihm nicht, das las er in ihren Gesichtern. „Ich möchte das wirklich lieber friedlich lösen.“ „Und wir wollen dir den Kopf von den Schultern trennen!“, zischte der aggressive Blondschopf wieder, was Hawks seufzen ließ. „Davon bin ich leider gar nicht begeistert…“ Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, schlug er mit den Flügeln aus, in der Hoffnung, dass es ihnen die Waffen aus den Händen riss. Er ignorierte den stechenden Schmerz in der verletzten Schwinge und stieß gleichzeitig seinen schrillen Schrei aus, der ihm einen Vorsprung verschaffen sollte. Hektisch fuhr er herum, spannte erneut die Flügel und versuchte, sich vom Boden abzustoßen, doch er gewann kaum an Höhe und die Bäume standen zu dicht beieinander, sodass er schließlich nur noch rannte. Wenn er genügend Vorsprung hatte, würde es- Hawks fuhr herum und fing den Pfeil noch in der Luft, ehe er seine Schulter durchbohren konnte. Der nächste flog knapp an seinem Kopf vorbei. Und wenn er seinem Gehör traute, waren sie ihm bereits wieder auf den Fersen. Diese Kinder zu unterschätzen, konnte wohl tatsächlich seinen Tod bedeuten. Verdammt. Er konnte und wollte hier nicht sterben. Der nächste Pfeil traf noch beim Ausweichen seinen verletzten Flügel und sandte erneute Wellen des Schmerzes durch seinen Körper. Für wenige Sekunden war er wie gelähmt, ächzte gequält, während die Schritte näher kamen. Nein, er konnte einem Kampf nicht mehr aus dem Weg gehen. Also bleckte er die Zähne, bereit, auf Konfrontation zu gehen. Den Rotschopf fing er mit einem Sprung ab, rammte diesen mit seinem Körper gegen den Baum, was ihn hoffentlich bewusstlos werden lassen würde – die anderen griffen sicher nicht an, solange sie Gefahr liefen, ihren Kameraden zu treffen. Er schleuderte diesen in Richtung des Blonden, der wider Erwarten fluchend sein Schwert fallen ließ und seinen Kameraden auffing. Zwei von fünf. Er fuhr herum und merkte zu spät, wie sich etwas um seine Beine schlang und ihm das Gleichgewicht nahm, sodass er fiel. Eine Art Seil, an dem Steine befestigt waren? Er schlug nach hinten aus, traf das Mädchen mit den Flügeln und schleuderte sie von sich – als ihm im nächsten Moment ein Schwert in die Seite gerammt wurde. Hawks spuckte Blut, während er in die grünen Augen des Jungen sah, der vorhin noch gezögert hatte. Nun, anscheinend nicht, wenn es um seine Freunde ging. Er lächelte bitter, während er die Klinge umklammerte, welche noch in seinem Fleisch steckte, und den Blick fest erwiderte. Er wollte sie wirklich nicht töten. Aber er wollte auch nicht sterben. Gerade als er erneut schreien wollte, wurde das Schwert noch tiefer hineingestoßen und etwas stülpte sich von hinten über seinen Kopf, nahm ihm Luft und Sicht. Er schrie gegen den groben Stoff, wehrte sich mit Klauen und Schwingen, auch wenn er damit nicht nur die Kinder, sondern auch sich selbst damit verletzte, doch es war sinnlos. Hawks spürte, wie Arme, Beine und Flügel zusammengeschnürt wurden, bis er sich nicht mehr rühren konnte. In seinen Ohren rauschte es, während die Panik in ihm aufstieg. Sie würden ihn töten. Er hörte sie reden. Diskutieren. Nein. Er wand sich und zappelte, doch es brachte nichts. „…direkt töten.“ „Es kann sprechen, Kacchan.“ „Na und?!“ „Und es hat Kirishima-kun nicht zerfetzt, obwohl es das hätte tun können.“ „Das stimmt. Mir tun zwar die Knochen weh, aber sonst bin ich echt glimpflich davongekommen.“ „Wir sollten es zum Schloss bringen.“ „Damit andere unseren Ruhm ernten?! Träum weiter, Mondgesicht…“ „Uraraka-kun hat Recht. Es liegt nicht an uns, diese Entscheidung zu fällen. Der König soll darüber entscheiden.“ „Tse.“ „Dann sind wir uns einig?“ „Oi! Ich will jetzt seinen Kopf!“ „Kacchan…“ Hawks stöhnte gegen den Sack, der ihm über den Kopf gezogen worden war. Konnte der Kerl aufhören, darauf zu bestehen, dass er ihn umbringen wollte? Auch wenn Hawks nicht sicher war, ob es so viel besser war, dem König vorgeführt zu werden. Er bezweifelte, dass Toshinori so viel Einfluss besaß, dass er ihn vor der Hinrichtung bewahren konnte. Nach allem war er immer noch ein Dämon. „Ihr macht einen Fehler“, nuschelte er gegen den groben Stoff, doch sie zurrten ihn nur fester zusammen. Er spürte, wie das Blut aus seiner Wunde tropfte. „Einem Dämon darf man nicht trauen! Das sagt Todoroki-sama immer! Also versuch es erst gar nicht!“, hörte er die Brillenschlange und atmete schwer aus. Dafür konnte er sich dann also später bei Enji bedanken. Toll. Wirklich ganz toll. Er zischte, als sie ihn unsanft packten und auf seinen zusammengebundenen, verletzten Flügeln hinter sich her schliffen. Über den Boden. Vermutlich der aggressive Blondschopf. „Kacchan, auch wenn er vielleicht unser Feind ist, sollten wir ihn nicht so behandeln. Sein Flügel muss schmerzen…und seine Wunde blutet stark.“ Danke, grünhaariger Junge. Wenigstens einer scherte sich um ihn. Wenn auch nur, was den Transport anging. „Huh?! Na und?! Sieht das Vieh aus, als sei es empfindlich?!“ „Deku-kun hat schon Recht, Bakugou-kun. Kommt, wir tragen ihn alle zusammen zu den Pferden! So schwer ist er ja gar nicht…und wir sollten die Wunde zumindest notdürftig verbinden!“ Danke, Mondgesicht-Mädchen. Hawks seufzte stumm, während sie ihn hoch hievten; mehr als das konnte er wohl nicht erwarten. Dennoch, er würde nicht einfach aufgeben. Da er sich nicht wehren konnte, machte er das, was er am besten konnte – die Kinder voll quatschen, um sie so davon zu überzeugen, ihn gehen zu lassen. Bis zum Schloss brauchten sie ja noch eine Weile… „…also ist das eigentlich ziemlich engstirnig von euch! Mich einfach zu verurteilen, ohne mich richtig zu kennen! Bei euch Menschen denk ich ja auch nicht, dass ihr alle schlecht seid! Und es gibt echt richtig schlechte Menschen, dagegen bin ich ein wahrer Engel! Ich töte nicht mal Menschen! Also nicht, um sie zu fressen oder so – da halte ich mich an Wild. Meistens. Jedenfalls töte ich Menschen nur aus Notwehr! Jetzt mal im Ernst! Wenn ihr-“ „Meine Fresse, kannst du endlich mal den Schnabel halten?!“, fauchte unverkennbar der Blonde. „Er redet wirklich viel“, murmelte der Rotschopf resigniert. „Nun, er hat seine Lage erkannt und es ist nur verständlich, dass er sein Leben zu retten gedenkt, indem er uns zu überzeugen versucht. Ich meine, wir können das Risiko nicht eingehen, aber er besitzt anscheinend Verstand und ich frage mich daher, ob es wirklich recht ist, ihn einfach zu töten, immerhin stimmt es schon, dass wir dann nicht besser sind und er-“ „Schnauze, Deku!! Keiner will dein blödes Gefasel hören!“ „Mann, Bakugou, jetzt sei doch nicht immer so gemein zu ihm. Was er sagt, stimmt halt auch…“ „Fängst du jetzt auch schon so an?! Euer scheiß Mitleid bringt uns am Ende allen den Tod, verdammt! Oder habt ihr schon vergessen, dass wir mit dem Überraschungsangriff eine einmalige Chance hatten?! Was glaubt ihr, passiert, wenn das Ding freikommt? Ich hab keinen Bock, dass es mir die Kehle aufschlitzt!“ „…so sehr ich Bakugou-kuns Ausdrucksweise auch missbillige, leider hat er Recht. Körperlich sind wir einem Dämon unterlegen.“ „Ich weiß auch nicht. Irgendwie ist an allem etwas Wahres dran“, murmelte das Mädchen unschlüssig. „Lasst uns an unserem Plan festhalten und den König entscheiden lassen.“ Hawks wünschte sich, sie würden dies nicht tun. Es war wirklich zum Verzweifeln. Wenn er erstmal die Schlossmauern passiert hatte, war es vermutlich aus mit ihm. Nicht mal eine Gruppe Kinder hatte er überzeugen können, wie also den Herrscher dieses Landes? Verdammt, er konnte und wollte nicht sterben. Nicht jetzt, nachdem endlich einmal alles gut für ihn lief. Jetzt, da er Freunde gefunden hatte. Sein Versuch, das Pferd scheuen zu lassen, indem er seine Beine in dessen Bauch rammte, gelang halbwegs. Er endete jedoch damit, dass er auf seinen Flügel fiel und ihn die Kinder nun wieder selbst ins Innere des Schlosses trugen, um dort die Wachen zu alarmieren. Ja, er war erledigt. Sie legten ihm zusätzliche Eisenfesseln an und seine kurze Erleichterung, den Sack loszuwerden, wurde schnell wieder gedämpft. Um seinen Schrei zu verhindern, stopften sie ihm ein Stück Stoff in den Mund und legten ihm einen Lederriemen an. Es spannte…und ehrlich gesagt, fühlte er sich allmählich gedemütigt. Wie niederes Vieh. Er hasste es. Da er sich kaum noch rühren konnte, blieb er einfach liegen, schloss resigniert die Augen. Die Blicke und das aufgeregte Getuschel um ihn herum verursachten ihm Magenschmerzen. Es machte ihm wieder einmal deutlich, dass er nicht hierher gehörte. Unter die Menschen. „Was ist das für ein Aufruhr?!“ Hawks öffnete die Augen wieder, als er die fremde Stimme vernahm – und er schluckte hart, als er hinter dem alten Knacker Enji, Toshinori und Aizawa erkannte. Er wusste nicht, ob er sich freuen sollte – bei Enjis zorniger Miene wohl eher nicht. Die anderen beiden wirkten eher geschockt, überlegten sicher, wie sie hier herauskamen. Sie befanden sich mitten im Zentrum des Hofs, um sie herum standen etliche Leute. Nein, an Flucht war nicht zu denken. „Aufruhr?!“, entkam es dem Jungen namens Bakugou und er grinste breit. „Wir haben einen Dämon gefangen! Einen echten! Er wollte das Schloss angreifen, doch wir haben ihn vom Himmel geholt und ihn gefangen genommen!“ „Wenigstens erwähnt er uns“, murmelte das Mädchen und die anderen nickten in stiller Zustimmung. „Einen Dämon, ja?“, kam es skeptisch von dem Greis und er bohrte Hawks seinen Stock in die Seite. „Wahrhaftig. Das habt ihr wohl. Hätte nicht gedacht, dass Grünschnäbel wie ihr zu solch einer Tat in der Lage seid. Ich werde mir eure Belohnung durch den Kopf gehen lassen – der Dämon wird noch heute hingerichtet.“ Hawks ächzte gegen den Knebel, während er den alten Mann anblickte. Er traute sich nicht, die anderen weiter anzusehen, denn wenn diese wegen Hochverrats ebenfalls hingerichtet wurden…nein. „Haltet ein!“ Hawks blinzelte, als Enji mit finsterer Miene vortrat und auch der Rest des Pulks wandte sich nun ihm zu. Was zur Hölle sollte das nun werden? „Tut mir ja leid, euch enttäuschen zu müssen, aber diesen Dämon zu fangen, ist keine große Herausforderung.“ „Was?!“, zischte der Blonde direkt, während Hawks gar nichts mehr verstand. Noch weniger, als sich Enji, ohne zu zögern, neben ihn kniete und ihm den Knebel abnahm, was allgemeines Entsetzen auslöste. „Nicht! Wenn er schreit, platzt einem fast das Gehör!“, kam es panisch von Kirishima, doch Enji ignorierte es. Hawks war froh, als der blöde Knebel aus seinem Mund verschwunden war, auch wenn er fürchtete, dass das hier übel enden würde. Er stockte, als Enjis Pranke seine Haare packte und seinen Kopf daran in den Nacken riss. „Dieser Dämon ist harmlos.“ War wohl besser, den Mund zu halten, auch wenn ihn die Aussage etwas ärgerte. Er war ja wohl gar nicht harmlos. Nicht, wenn er nicht harmlos sein wollte. „Toshinori und ich haben ihn auf unserer Reise bezwungen und ihn unter Folter abgerichtet wie einen Hund. Er wird es nicht wagen, irgendjemanden anzugreifen, ohne dass wir den ausdrücklichen Befehl dazu geben. Er spürt für uns Dämonen auf und treibt sie aus ihren Löchern. Daher ist er unheimlich nützlich. Verstanden?“ Es wurde ein wenig seltsam, als Enji ihm die freie Hand vor die Lippen hielt. Sollte das jetzt der Beweis sein, dass er kein blutrünstiges Monster war, sondern ein zahmer Dämon? Na dann duckte er sich wohl mal besser weg vor der Pranke und zeigte Demut. Oder Angst. Gott, das war so peinlich. Er ächzte, als sein Kinn grob zusammengedrückt wurde, doch er wehrte sich nicht dagegen. Wenn das hier nach hinten losging, hatten sie ihre letzte Chance vertan. Um sie herum tuschelten die Leute, tauschten skeptische und teils ängstliche Blicke miteinander. „Es wäre blanke Verschwendung, diese Kreatur zu töten, wenn man sie stattdessen benutzen kann“, fuhr Enji fort. „So abscheulich sie auch sein mag.“ Gut, jetzt hätte er ihm gern in die Finger gebissen. Das war doch Absicht, weil er sich hatte fangen lassen! Frechheit! Für ein paar Sekunden herrschte absolutes Schweigen auf dem Platz. Keiner schien sich zu trauen, das Wort zu ergreifen, während der König mit ernster Miene und gerunzelter Stirn zu ihm herunter sah. Hawks versuchte, besonders gebeutelt auszusehen – was eigentlich nicht seine Art war. „Entspricht das der Wahrheit? Toshinori?“, kam es langsam von dem alten Mann, woraufhin sich der Blonde räusperte. „Natürlich! Es ist, wie Enji sagt…von dem Dämon geht keine Gefahr mehr aus. Er…eh…ist uns hörig. Nicht wahr, Aizawa-san?“ So angesäuert, wie dieser schaute, musste er sich wohl überwinden, diese Scharade mitzuspielen, aber anders ging es nun mal nicht. „…sicher.“ „Der junge Bakugou und seine Freunde haben zweifelsohne im Interesse unseres Reiches gehandelt und verdienen dafür unsere Anerkennung“, fügte Toshinori noch an, was vor allem Bakugou mit den Zähnen knirschen ließ. „Und warum war das Vieh allein unterwegs, huh?!“ „Das…war ein Befehl von uns. Er...sollte in der Nähe bleiben, um niemanden zu verschrecken.“ „Hat ja super geklappt!“ „Kacchan…“, murmelte der Grünhaarige nervös, doch der Genannte knurrte nur ungehalten. Das tat Hawks aber leid, dass man ihm in die Suppe gespuckt hatte… „Diese Kreatur wird sich innerhalb unseres Reiches nicht frei bewegen. Ich hoffe, dies ist euch klar. Sie wird in den Kerker gebracht und dort eingesperrt, bis ich entschieden habe, wie mit ihr zu verfahren ist! Die Sicherheit unseres Volkes hat oberste Priorität und auch, wenn ich zumindest euch beiden vertraue, Toshinori, Todoroki-kun…so kann ich dieser Kreatur nicht trauen.“ Hawks japste auf und sein erster Impuls war es, erneut loszuschreien, bis ihnen die Ohren bluteten – bei Enjis Blick jedoch wagte er dies nicht. Anscheinend hatte dieser erkannt, was er vorhatte. Erschreckend, wie gut er ihn mittlerweile lesen konnte. Einerseits wollte er es ignorieren und sein Leben retten. Wenn sie ihn erstmal festgesetzt hatten, gab es keine Garantie, dass man ihn nicht dort unten ließ – Toshinori und Enji mochten den König kennen, doch sie hatten hier nicht das Sagen. Was, wenn ihn jemand dort unten abstach? Er war ihnen ausgeliefert. Andererseits, wenn er hier einen Aufstand machte und ihnen die Bestie gab, die sie erwarteten, wäre das das Ende. Auf jeden Fall das Ende ihrer Kameradschaft und dazu war Hawks nicht bereit. Also war er ein braver Vogel, der seinen Schnabel hielt und den Kopf demütig senkte. Er würde sich seinem Schicksal ergeben müssen, auch wenn alles in ihm danach schrie, aus dieser Situation auszubrechen. „Das verstehen wir und sind natürlich einverstanden“, kam es von Enji, womit er wohl Toshinori zuvorkam. Diesem stand der empörte Protest ins Gesicht geschrieben, doch es war wohl besser so. Für sie alle. Er musste sich das nur überzeugend genug einreden und die Panik niederkämpfen. Enji und die anderen würden ihn nicht im Stich lassen. Sie würden das klären. Hawks wusste, dass er an seiner Lage selbst schuld war; er musste es also hinnehmen und auf die anderen vertrauen. „Wachen! Sperrt den Dämon in den Kerker! Sorgt dafür, dass er dort unten sicher untergebracht wird, bis ich entschieden habe, wie mit ihm verfahren wird. Toshinori, Todoroki-kun, ihr kommt mit mir. Unsere Unterhaltung war noch nicht beendet. Es gibt eine wichtige Angelegenheit, in der ich euch beide sprechen muss. Allein.“ Und mit diesen Worten kam Bewegung in die bewaffneten Männer, was Enji dazu zwang, ihn loszulassen und sich wieder zu erheben. Moment. Er würde von irgendwelchen Fremden weggebracht werden?! Sein Herz begann zu rasen und die Panik schien erneut ihre Hand um seinen Hals zu legen. Jedenfalls bis er Enjis Blick sah, der kurz darauf zu Toshinori und dann zu Aizawa glitt. Vernehmlich räusperte sich der blonde Mann, woraufhin er die Aufmerksamkeit des alten Knackers bekam. „Aizawa-san sollte die Wachen begleiten. Er weiß mit dem Dämon…umzugehen, falls es Komplikationen gibt, und er genießt mein vollstes Vertrauen, wie Ihr wisst. Nur bis der Dämon…uhm…sicher untergebracht ist.“ Ein genervtes Schnauben kam von dem alten Mann, jedoch winkte er ab. „Schön. Von mir aus…und jetzt genug davon. Es gibt Wichtiges zu besprechen! Bringt endlich dieses Vieh weg, na los!“, knurrte er die Wachen an und wandte sich zum Gehen um. Hawks‘ Ängste wurden dadurch nicht gerade besänftigt, doch da Aizawa mit ihnen kommen würde, schaffte er es irgendwie, nicht durchzudrehen. Auch wenn er nahe dran war, als man ihm wieder den Knebel in den Mund schob und diesen festzurrte. Das war so erniedrigend… Während sie ihn davon schliffen, hörte er, wie die jungen Krieger Toshinori in Beschlag nahmen. Dieser musste ja eine große Nummer sein, wenn sie so ehrfurchtsvoll mit ihm sprachen. „Yagi-sama! Seit wann seid Ihr zurück? Habt Ihr wirklich mit Todoroki-sama einen Dämon gezähmt?! Das ist ja unglaublich! Es kam uns gleich so seltsam vor, dass er meinte, dass er niemanden töten will! Das war also, weil Ihr Euch seiner angenommen hattet! Das ist beeindruckend!“, faselte dieser Deku los, kaum dass sich die Menschenmenge aufgelöst hatte. „In der Tat! Wie es sich für den Sohn des Königs gehört!“, stimmte der Typ mit der Brille zu. Was zum…Toshinori war der Sohn des Königs?! Das hätte dieser ja ruhig mal erzählen können. „Wir hätten ihn gar nicht so schlimm verletzt, wenn wir das vorher gewusst hätten“, meinte Kirishima entschuldigend. Toshinori lächelte gezwungen und hob abwehrend die Hände. „Schon gut, ihr…konntet es ja nicht wissen und Vorsicht ist besser als Nachsicht, von daher…uhm…gut gemacht!“ Er zeigte ihnen den Daumen hoch und rieb sich den Nacken, woraufhin Aizawa ein Schnauben von sich gab. „Das ist doch völliger Mist!“, zischte Bakugou und wandte sich ab. „Das tu ich mir echt nicht länger an…ein Dämon als Haustier. Tse…“ „…ich glaube, der verlorene Ruhm macht ihm etwas zu schaffen“, mutmaßte Uraraka und sah ihm besorgt nach. „Ach, der beruhigt sich schon wieder“, wiegelte Kirishima ab. Mehr bekam Hawks nicht mit, da er außer Hörweite gezerrt wurde. Aizawa folgte ihnen mit wachsamem Blick wie ein Schatten – jedenfalls bis sie im Kerker angelangt waren. „Wir haben den Dämon unter Kontrolle, Fremder. Ihr könnt gehen.“ Man sah Aizawa an, dass er damit nicht einverstanden war. Es wunderte Hawks, dass er so ruhig blieb, lediglich die Augen verengte und sich dann abwandte. Er würde ihn nicht einfach verlassen, oder? Nein. Das sah Aizawa nicht ähnlich. Vermutlich würde er versuchen, eine Möglichkeit zu finden, wie er weiter nach ihm sehen konnte. Bestimmt. Hawks stöhnte in den Knebel, als über den Steinboden gezerrt wurde – und auch in seiner vergitterten Zelle gab es lediglich eine dünne Schicht Stroh. Er verzog das Gesicht, als man ihm einen Eisenring um den Hals legte und die Kette mit der Wand verband. Seine Klauen wurden ebenfalls an der Wand festgemacht, die Flügel weiter fest auf seinen Rücken gezurrt. Er konnte sich so nicht mehr viel bewegen, sah missmutig auf seine zusammengebundenen Füße. Nein. Allein kam er hier nicht mehr raus. Er atmete durch die Nase aus, lehnte sich dann gegen das Gestein in seinem Rücken. Wenigstens bewahrheitete sich seine Befürchtung nicht, dass sie ihn quälen wollten. Vielmehr schienen sie Furcht vor ihm zu verspüren. Er roch ihre Angst, vernahm das Zittern derer, die ihn berühren mussten. Nur ein Mann blieb zurück, um ihn und andere Gefangene zu bewachen. Hawks blickte vor sich hin, während er die Erschöpfung in seinen angeschlagenen Gliedern spürte. Es war kalt und modrig hier unten, aber es sollte wohl auch nicht komfortabel sein. Enjis Blick ging ihm nicht aus dem Kopf und er ahnte schon, dass er sich dafür noch was würde anhören dürfen. Nun, besser so, als wenn sie ihm morgen doch noch den Kopf abschlugen. Wie bitter. Er senkte die Lider und versuchte, eine einigermaßen bequeme Position zu finden – sowie auszublenden, dass da ein Stück Stoff in seinem Mund steckte. Vielleicht konnten Enji und Toshinori den König überzeugen…und ihn hier herausholen. Er hoffte, dass es schnell geschehen würde… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)