Ai no Scenario von Listle ================================================================================ Kapitel 25: ------------ Einer der großen Vorteile, der sein Dasein als Vampir ihm brachte waren seine überaus schnellen Reflexe und das Tempo, mit dem er sich bewegen konnte. Einer der großen Nachteile, der sein Dasein als Vampir ihm brachte war, dass er aufpassen musste, dass er nicht entdeckt wurde, dass er nicht auffiel, wenn er sich schneller bewegte als es für einen Menschen möglich sein sollte. Shinichi wusste, dass er das Risiko nicht eingehen durfte, also hatte er sich eines der Taxis vor der Sunshine City geschnappt und ließ sich jetzt schnellstmöglich zum Museum fahren. Er hatte zwischenzeitlich auch versucht Hakuba zu kontaktieren, aber der Detektiv ging nicht an sein Telefon. Auch Jirokichi und Kogoro hoben beide nicht ab. Shinichi fühlte sich krank. Ihm war unwohl, sein Körper war angespannt. Er erinnerte sich an Hakuba’s Nachricht, an die Warnung, dass sich seltsame Gestalten beim Museum herumtreiben würden. Er glaubte nicht daran, dass die Gestalten zu KID gehörten. Kaito brauchte keine weitere Unterstützung neben Jii. Der Schülerdetektiv schloss die Augen und atmete tief durch. Akako’s Worte hallten in seinem Kopf wider. Kaito würde sterben. Er hatte gewusst, dass es zu spät war. Die Sunshine City war zu weit weg vom Museum, er würde nicht mehr rechtzeitig dort ankommen. Er hatte gespürt, dass die Angst auf seinem Gesicht sichtbar gewesen war, als die Panik von ihm Besitz ergriffen hatte. „Los jetzt!“, hatte die Hexe ihn angefaucht. „Wenn du dich nicht beeilst ist es zu spät!“ „Das ist es doch jetzt schon“, seine Stimme war heiser gewesen, er hatte Schwierigkeiten gehabt Sätze zu bilden. „Egal wie schnell ich bin, ich werde niemals rechtzeitig dort sein. Ich kann ihm nicht helfen.“ Er war überrascht, als er plötzlich eine Ohrfeige kassierte. Der Schmerz schoss ihm in die Wange, sein Kopf flog zur Seite. Natürlich nahm er als Vampir Schmerzen anders wahr als ein Mensch, aber die Überraschung durch den unvorbereiteten Schlag war gelungen. Entsetzt starrte er Ran an, die gerade ihre Handfläche pustete um die Hitze daraus zu vertreiben. „Shinichi Kudo“, ihre Stimme war streng. „Ich weiß nicht, was hier los ist. Oder in welcher Gefahr sich Kuroba-kun befindet. Aber ich kann es auf keinen Fall akzeptieren, dass du hier einfach rumstehst und in Selbstmitleid versinkst. Dass ist nicht der Shinichi Kudo, den ich kenne, verstanden?“ „Ran…“, der Oberschülerdetektiv hielt sich seine Wange. „Geh jetzt“, Ran wirkte wütend, aber Shinichi wusste, dass sie das nicht war. Sie war besorgt. Nicht nur um Kaito, den sie kaum kannte, sondern auch um ihn. „Wenn du nicht wenigstens versucht ihm zu helfen wirst du es dein Leben lang bereuen.“ Shinichi war wie erstarrt. Er wusste, dass Ran recht hatte. Er würde es sich niemals verzeihen, wenn er Kaito jetzt im Stich ließ und ‚ein Leben lang bereuen‘ war eine ziemlich lange Zeit, wenn man unsterblich war. „Geh!“ Ihre laute Stimme löste die Starre seines Körpers. Shinichi wandte sich wortlos ab und lief auf den Ausgang der Sunshine City zu, um sich dort ein Taxi zu nehmen. Er warf keinen Blick zurück auf die beiden Mädchen. Er sah deshalb auch nicht, wie Akako sich auf Ran zubewegte, wie sie ihr einen Finger auf die Stirn drückte, wie Ran daraufhin das Bewusstsein verlor. Er sah nicht, wie die Hexe sich darum kümmerte, dass das Mädchen in einen Wagen, der vor der Sunshine City geparkt war verfrachtet wurde, sah nicht, wie Akako begann mit Magie die Erinnerungen von Ran zu manipulieren um die Geschehnisse des Abends zu vertuschen, bevor ihr Fahrer sie bei der Detektei Mori ablud. Das Taxi raste durch die Straßen, aber Shinichi ging es nicht schnell genug. KID’s Überfall war bereits vor 20 Minuten angekündigt gewesen und es würde noch eine Weile dauern, bevor sie das Museum erreichten. Der Detektiv hatte die Kopfhörer, welche er in seiner Jackentasche verstaut hatte an sein Telefon angeschlossen. Er suchte fieberhaft nach einem Livestream des Überfalls, und tatsächlich: einer der Nachrichtensender hatte einen eingerichtet. Schnell lud er den Stream, krank vor Sorge wie es wohl zuging. Die Reporterin, eine Frau mittleren Alters, stand etwas abseits vom Gebäude. Soweit er wusste hatte Inspektor Nakamori es nicht gestattet die Medien in den Gebäudekomplex zu lassen, in dessen oberen Stockwerken der Stein ausgestellt war. Es war nicht bekannt welches Stockwerk es war, dass den Stein beherbergte, aber für Kaitou KID wäre es vermutlich kein Problem das binnen weniger Minuten herauszufinden. Shinichi’s Augen weiteten sich vor Entsetzen als er zwei Rauchsäulen bemerkte, die im Hintergrund vom Gebäude aufstiegen. Die Menschen vor dem Gebäude wirkten unruhig, manche schrien, manche liefen davon. Was, zum Teufel, war passiert? „Die zweite Explosion ereignete sich vor wenigen Augenblicken“, die Stimme der Sprecherin klang angespannt und ihr Blick glitt immer wieder zur Seite, in Richtung der Rauchsäulen. „Der Kontakt zur Polizei ist abgerissen, weder die KID Task Force noch der verantwortliche Inspektor konnten kontaktiert werden. Wir können noch nicht sagen, ob die gezündeten Bomben tatsächlich von KID waren oder ob jemand anderes involviert war.“ Shinichi verzog das Gesicht. Das war nicht KID. KID würde niemals das Leben von Menschen in Gefahr bringen, er würde es niemals riskieren Unschuldige zu verletzen. Die Bomben mussten von den Männern gezündet worden sein, von denen Hakuba gesprochen hatte. Etwas dämmerte in seiner Erinnerung, etwas, das Kaito ihm erzählt hatte, vor Monaten. Sie hatten über den Stein gesprochen, den Kaitou KID suchte, und über seinen Vater, der bei einem Zaubertrick ums Leben kam. Shinichi versuchte sich zu erinnern was es gewesen war, dass Kaito gesagt hatte. Eine gefährliche Organisation jagte nach dem Stein, war es das gewesen? Kaito versuchte den Stein vor ihnen in die Finger zu bekommen und zu zerstören. Der Detektiv biss sich auf die Unterlippe. Wenn die Hexe recht hatte und Kaito sein Ziel erreichen würde, wenn dieser Stein wirklich der war, den er die ganze Zeit über suchte, dann würde diese Organisation natürlich auch da sein. Sie würden versuchen den Stein vor Kaitou KID in die Finger zu bekommen und, im besten Fall, KID auch noch ausschalten. „Fahren Sie schneller!“, fauchte Shinichi den Fahrer an.   Die Staubwolke verzog sich nur langsam, was es schwer machte zu erkennen, was vor ihm lag. Er schloss die Augen und versuchte ein paar tiefe Atemzüge durch das Tuch, welches er auf seine Nase und seinen Mund presste zu nehmen, versuchte, sich auf seine anderen Sinne zu konzentrieren, wenn seine Augen ihn im Stich ließen. Er hörte die Stimmen von Männern, die durcheinander schrien, aber er wusste nicht ob sie Freund oder Feind waren. Wobei, in seiner momentanen Situation war jeder in diesem Gebäude ein Feind. Snake und seine Männer vom Syndikat würden nicht zögern ihn zu erschießen, sobald sie ihn sahen. Aber auch die Polizei würde sich auf ihn stürzen, ihm die Schuld an den Explosionen und den Verletzten geben. KID verzog leicht das Gesicht und öffnete die Augen wieder. Seine Sicht wurde wieder besser, die weggesprengten Fenster sorgten dafür, dass der Staub sich schneller verflüchtigte. Hoffentlich ging es Hakuba gut. Und Inspektor Nakamori. Hoffentlich war ihnen nichts passiert. Hoffentlich war Aoko nicht zum Überfall gekommen. Hoffentlich. KID schob die stummen Gebete beiseite. Er hatte keine Zeit sich von seinen Ängsten einnehmen zu lassen, er musste hier raus. Und zwar mit Pandora. Er holte noch einmal tief Luft als der Staub sich endgültig verzogen hatte und verließ sein Versteck. Er war bereits nach der ersten Explosion, die kurz nach der angekündigten Zeit für seinen Überfall detoniert war, vorsichtiger geworden. Er wusste, dass Nakamori niemals mit Bomben auf ihn warten würde, also konnte nur das Syndikat dahinterstecken. Die zweite Explosion war in unmittelbarer Nähe seines Verstecks hochgegangen. Er hatte Glück gehabt nicht die andere Seite des Raumes zur Deckung genutzt zu haben, sonst wäre es wohl nicht so glimpflich ausgegangen. Aber KID wusste, dass es noch nicht vorbei war. Das konnte nicht die einzigen Bomben sein, die im Gebäude angebracht waren. Der Magier schob seine Verkleidung zurecht. Er war immer noch mit Schutzweste und Helm der Polizei getarnt, als ein Mitglied der KID Task Force. Er wusste nicht, ob Snake und seine Männer seine Verkleidung bereits durchschaut hatten, aber er würde sie nutzen, solang es ihm möglich war. Behutsam und auf jedes Geräusch bedacht schlich er sich durch das zerstörte Stockwerk in Richtung der Treppen. KID wusste, dass Pandora ein Stockwerk über jenem, in dem er sich gerade befand. Er hatte eigentlich vorgehabt durch ein Loch in der Decke das Stockwerk zu wechseln und so den Stein unbemerkt an sich zu nehmen, doch so, wie die Situation jetzt stand war das zu gefährlich. Außerdem war der nächste Stock voller Polizisten. Wenn er eine Chance haben wollte in der Menge zu verschwinden, dann war sie das. Zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass die Treppe unversehrt war. Natürlich ist sie das, schoss es ihm durch den Kopf. Auch Snake und seine Männer brauchten eine Möglichkeit zu dem Stein zu kommen. In einem zügigen Tempo joggte der Magier die Treppen nach oben, während er gedanklich noch einmal die Explosionen kalkulierte. Die erste Explosion geschah in den mittleren Stockwerken, knappe zehn Minuten nach der angekündigten Zeit. Vermutlich hatten sie gehofft so einen der Fluchtwege abzuschneiden, nämlich den nach unten in die Menge. Das war schlau, denn wenn KID erst in der Menge untergetaucht war wäre es sowohl für die Polizei als auch für das Syndikat unmöglich ihn zu finden. Die zweite Explosion war im Stockwerk direkt unter Pandora geschehen. Er wusste nicht, was sie damit bezweckten. Hatten sie versucht ihn auszuräuchern? Ihn aus seinem Versteck zu locken? Das war ihnen gelungen. Glücklicherweise musste er seine Tarnung nicht aufgeben. Wenn er richtig kalkulierte würde die nächste Explosion im Stockwerk mit Pandora stattfinden. Aber weit genug von dem Stein entfernt um ihn nicht zu beschädigen. Immerhin wollte ihr Boss den Stein unversehrt haben, er würde nicht glücklich sein, wenn das wertvolle Stück im Zuge einer Explosion in tausende Splitter zerbrach. Vermutlich würde die dritte Explosion dafür sorgen, dass die Polizisten vom Stein abgeschnitten waren. So konnten Snake und seine Männer problemlos Pandora einsammeln und mit einem Helikopter, der vermutlich auf sie wartete, vom Dach des Gebäudes fliehen. Und sollte KID ihnen zuvorkommen und den Stein einkassieren, dann würde er ebenfalls vom Dach fliehen müssen. Und dann müssten sie ihm einfach nur auflauern und ihm den Stein abnehmen. Egal wie er die Situation drehte und wendete, es stand nicht gut für ihn. Aber das hatte er ja schon gewusst. Der Valentinstag war schon immer sein Unglückstag gewesen. Als er das Stockwerk erreichte, in dem Pandora war, fielen ihm sofort die verletzten Polizisten auf, die bei der Stiege versammelt waren. Wie es schien hatten die KID Task Force sowie die Polizei es aufgegeben Pandora zu beschützen und hatten stattdessen versucht diejenigen, die von der Explosion mitgerissen wurden, zum Treppenabgang und weg vom Explosionsherd zu bringen. „Du!“ Nakamori’s Stimme donnerte durch den Gang und als KID den Kopf hob sah er, dass der Inspektor mit großen Schritten auf ihn zueilte. Angst überkam ihn, doch sie verschwand schlagartig als er realisierte, dass auch Nakamori verletzt war. An seiner Schläfe war getrocknetes Blut, vermutlich von einem Stein, der ihn getroffen hatte, und sein rechter Arm hing regungslos an seinem Körper. Er hielt ihn mit seiner linken Hand fest, vermutlich um die Schmerzen zu reduzieren. Anscheinend hatte die Explosion auch im Stockwerk oberhalb Schäden verursacht. Aus einem Reflex heraus salutierte KID. Solang er nicht mit Sicherheit wusste, dass Nakamori seine Verkleidung durchschaut hatte konnte er es nicht riskieren aus der Rolle zu fallen. „Wie ist die Situation bei den Treppen?!“ KID entspannte sich etwas. Nakamori’s Priorität war es nicht den Meisterdieb zu fangen. Vermutlich suchte er nach einem Weg aus dem Gebäude hinaus. „Die Treppen sind intakt, Sir. Es gibt ein paar leicht Verletzte, diese sind bereits auf dem Weg nach unten. Die Treppe führt jedoch nur bis in den 4. Stock, dort ist ebenfalls eine Bombe explodiert und hat sämtliche Ausgänge und Möglichkeiten zur Flucht zerstört.“ „Diese Mistkerle“, knurrte der Inspektor, „Sie wollten uns hier drinnen einsperren. Aber warum? Was haben sie davon uns daran zu hindern das Gebäude zu verlassen?“ „Ich denke nicht, dass die Bomben für uns bestimmt waren“, erwiderte Hakuba, welcher langsam näherkam. Er schien unverletzt zu sein, nur ein paar Kratzer im Gesicht und Dreck an seiner Kleidung. Er war wohl nicht so Nahe am Explosionsherd gewesen wie Nakamori selbst. Oder hatte der Inspektor den Junge beschützt? „Was meinst du damit, Hakuba-kun?“ „Ich denke, diese zwielichtigen Gestalten, die wir gesehen haben sind nicht KID’s Helfer. Ich denke, sie wollen ihn ausräuchern. Ihm sämtliche Fluchtwege abschneiden, sodass er nur die Möglichkeit hat seinen Gleiter zu verwenden.“ Der Blick des Detektivs wanderte von Nakamori zu KID, welcher immer noch regungslos vor der Treppe stand. Hakuba’s Blick traf seinen und KID wusste, dass er durchschaut war. „Ich denke, dass sie vor haben KID zu töten. Dass sie den Stein aus seinen leblosen Händen stehlen wollen. Sie werden vermutlich am Dach des Gebäudes auf ihn warten und ihm auflauern.“ „Tch“, Nakamori gab einen verächtlichen Laut von sich, „Als ob KID in so eine offensichtliche Falle tappen würde. Lächerlich.“ „Sie haben recht, Inspektor. Dennoch, wir sollten die verletzten Männer nach unten bringen. KID ist nicht wichtig, die Gesundheit der Menschen hat Priorität.“ Nakamori nickte zustimmend. Er wirkte nachdenklich, schwieg für einen Moment. Dann wandte er sich an den getarnten KID. „Du!“, seine Stimme war streng, „Lauf nach hinten und hol den Stein. Dann folgst du uns in die unteren Stockwerke des Gebäudes. Wir werden uns solange um die Verletzten kümmern.“ KID salutierte, wie es sich für einen gehorsamen Polizisten gehörte und wartete, bis Nakamori beiseite getreten war. Dann entspannte er sich und ging los, an Hakuba vorbei, in die Richtung in welcher Pandora lag. Hakuba packte ihn am Oberarm, zwang ihn so inne zu halten. „Sei nicht Leichtsinnig“, wisperte er leise, sodass niemand der Umstehenden ihn hören konnte. „Sie werden nicht zögern dich zu töten.“ „Das sollen sie erst mal schaffen“, knurrte KID und löste seinen Arm aus Hakuba’s Griff. Dann setzte er sich wieder in Bewegung und joggte in Richtung des Raumes, wo sein größter Schatz, wo der legendäre Stein Pandora auf ihn warten würde.   Als er sich dem Raum näherte sah er die Schäden, welche die Explosion im Stockwerk darunter angerichtet hatte. Eine der Wände in dem Raum, in welchem der Stein ausgestellt wurde, war eingestürzt, die Fenster geborsten. Das musste wohl auch der Ort gewesen sein, wo Nakamori und einige der verletzten Männer gestanden hatten. Schutt und Glassplitter lagen am Boden, durchzogen von Blutspritzern. Aber es war nicht der Kern der Explosion gewesen, lediglich der Ausläufer. Es lief KID eiskalt den Rücken runter. Wenn die Bombe in diesem Stockwerk explodiert wäre hätte das wer weiß was für Schäden angerichtet. Und vielleicht sogar Menschen getötet. Einige der unverletzten Polizisten befanden sich immer noch im Inneren des Raumes, rund um Pandora platziert.  Der blaue Saphir lag in der Vitrine, wunderschön und makellos. KID salutierte vor den Polizisten: „Inspektor Nakamori schickt mich. Alle verfügbaren Einheiten sollen helfen die verletzten über die Treppe nach unten zu bringen.“ „Und was ist mit dem Stein?“, die Männer warfen sich einen zögerlichen Blick zu, doch KID winkte ab. „Den Stein nehmen wir mit. Ich habe entsprechende Anordnungen erhalten. Und jetzt schnell, bevor hier noch eine Bombe hochgeht!“ Mit der Angst der Männer zu spielen war etwas, dass er nicht gern tat, aber er wusste, dass es der einzige Weg war sie schnell rauszubekommen. Er wartete, bis der letzte Mann den Raum verlassen hatte ehe sich der großen Sicherheitstür näherte, die den Ausstellungsraum mit dem Gang verband. Schnell, bevor jemand reagieren konnte, schloss er die Tür und kniete sich vor das Schloss. Es war nicht ungewöhnlich für ihn eine Tür aufbrechen zu müssen, aber dass er jetzt eine mithilfe seiner Einbruchswerkzeuge verschloss war neu. Es dauerte nicht lange, bis er das befriedigende Klicken des Schlosses hörte. Seufzend erhob sich der Magier aus seiner knienden Position und legte mit einer schnellen Bewegung seine Tarnung ab. Dann wandte er der Tür den Rücken zu und ging zu der Vitrine, in welcher der blaue Saphir ruhte. Auf dem Schild stand ‚Seele der Meere‘, aber KID konnte sich einfach nicht an den Namen gewöhnen. Für ihn würde dieser Stein für immer Pandora sein. Wenn du dein Ziel erreichst wirst du sterben. Akako’s Stimme hallte in seinem Kopf wider und der Magier zögerte einen Moment. War er wirklich bereit dazu sein Leben zu riskieren, nur um diesen Stein in Händen zu halten? War es das wirklich wert, sein eigenes Leben zu lassen nur um das Syndikat an der Unsterblichkeit zu hindern? War denn die Unsterblichkeit so gefährlich? KID dachte an den Vampir namens Takashi. Der Vampir, der ihn attackiert hatte, der in töten wollte. Der Vampir, der Unsterblich war und diese Unsterblichkeit zu seinem Vergnügen genutzt hatte. KID legte beide Hände an die Glasvitrine und öffnete sie. Er ließ den Deckel achtlos zu Boden fallen und steckte den blauen Saphir in seine Brusttasche. Niemand, der böse Absichten hegte, sollte mit Unsterblichkeit belohnt werden. Nur jene, die das Leben zu schätzen wussten hatten es verdient nie zu sterben. Die dritte Bombe zündete hinter ihm, direkt an jener Tür, die er zuvor noch verschlossen hatte. Er war nicht darauf vorbereitet gewesen und die Wucht der Explosion riss ihn zu Boden. Ein lautes Pfeifen hallte in seinen Ohren wider und ließ alle anderen Geräusche dumpf und wie aus weiten Ferne erklingen. Sein Kopf drehte sich und er hatte Schmerzen, primär an der Schläfe und der Schulter. Langsam rappelte sich der Magier auf und hob eine Hand zu seinem Gesicht, strich sich mit den Fingerspitzen über die Schläfe und die Wange. Blut mischte sich zu dem Dreck an seinen weißen Handschuh und er verzog angewidert das Gesicht. Diesmal war er nicht so glimpflich davongekommen. Vorsichtig versuchte der Magier seine rechte Schulter zu bewegen. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Körper. Gebrochen schien zwar nichts zu sein, aber die Befürchtung, dass eine Flucht mit dem Gleiter nicht möglich war stieg in KID hoch. Er warf einen kurzen Blick zur Seite und suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit aus dem Gebäude zu entkommen. Er entschied sich dafür an der Wand entlang zu wandern. Mit seinem Gehör beeinträchtigt war er leichte Beute für Snake, wenn er nicht darauf achtete, dass sein Rücken geschützt war. Der Weg zur Treppe war dank der Detonation kein Fluchtweg mehr. Er hoffte nur, dass die Polizisten auf der anderen Seite der Tür keinen Schaden genommen hatten. Die Aufzüge waren von den Polizisten schon vor Snake’s Bombenangriff außer Kraft gesetzt worden, und KID wagte es zu bezweifeln, dass sie jetzt noch funktionieren würden. Eine Möglichkeit wären die Lüftungsschächte. KID wusste, dass die Schächte im Stockwerk unter ihm ebenfalls zerstört worden waren, aber zu seiner Überraschung fand er einen intakten Schacht direkt neben der Liftanlage vor. Der Magier presste die Lippen aufeinander und ging gedanklich seine Optionen durch. Weder Snake noch seine Männer waren in einem der Stockwerke zu sehen gewesen. Das hieß dann wohl, dass sie auf dem Dach auf ihn warten würden. Und das hieß, dass er auf keinen Fall den Weg einschlagen dürfte, den sie erwarteten. Aber welchen Weg erwarteten sie? Sein Blick glitt zu der zerstörten Wand und den aufgesprengten Fenstern. Er atmete tief durch. Sie erwarteten gar nicht, dass er auf das Dach stieg. Sie erwarteten, dass er die Chance nutzen und mit dem Gleiter aus dem Fenster flüchten würde. Und dann würden sie ihn erschießen. Er wusste, wie gut Snake’s Ziel war. Der Mann hatte ihn schon einmal genau am Herzen getroffen und er war nur dank dem Blue Birthday mit dem Leben davongekommen. KID’s Blick wanderte zum Lüftungsschacht. Er würde sich dem Syndikat stellen müssen.   Als das Taxi endlich anhielt war bereits die dritte Bombe explodiert. Shinichi schmiss dem Fahrer das Geld zu ohne darauf zu achten und sprang aus dem Wagen. Er achtete nicht auf die Menschen um ihn herum sondern drängte sich rücksichtslos nach vorne. Normalerweise würde er sich entschuldigen und respektvoll sein, aber Shinichi hatte keine Zeit für Respekt. Die Rauchsäule der dritten Bombe verzog sich langsam, aber es war unbekannt ob es noch weitere Bomben gab. Die erste war etwa zehn Minuten nach KID’s angekündigter Zeit detoniert, alle weiteren waren in regelmäßigen Abstand nach der ersten Bombe hochgegangen. Wenn es tatsächlich noch weitere Bomben gab würden auch diese in absehbarer Zeit hochgehen. Der Oberschülerdetektiv schaffte es sich einen Weg nach vorne zu bahnen, indem er sich durch die Masse zwängte. Ein Polizist wollte ihn aufhalten, als er versuchte zu Sato und Takagi, die inzwischen ebenfalls eingetroffen waren, vorzudringen. Als der Mann jedoch erkannte, wen er da vor sich hatte ließ er Shinichi passieren. „Sato-san! Takagi-san!“ Die beiden drehten sich überrascht um als sie Shinichi’s Stimme hörten. Der Detektiv lief zu ihnen und stoppte abrupt auf Höhe der beiden Polizisten. Er atmete schwer, stützte sich auch mit den Händen auf den Knien ab. Ein Schauspiel, welches er spielen musste, da die beiden sonst Fragen stellen würden. „Wie“, Shinichi schnappte nach Luft, „Wie ist die Lage?!“ „Kudo-kun!“, Takagi klang erleichtert, so als würde Shinichi ihnen helfen können wo die Polizei nicht weiterwusste. „Wir hatten zwischenzeitlich den Kontakt nach drinnen verloren, aber wir konnten ihn wiederherstellen. Laut Hakuba-kun gibt es acht verletzte Polizisten, inklusive Inspektor Nakamori. Die Wunden dürften nicht schwer sein, sie sind alle bei Bewusstsein, aber die Treppe ist blockiert und die Mechanik der Aufzüge ist ebenfalls außer Betrieb. Wir versuchen gerade einen Rettungstrupp durch den Aufzugschacht nach oben zu schicken.“ „Sind Sie in Kontakt mit Hakuba?“, fragte der Oberschüler sofort. Sato nickte und deutete zu dem Telefon, mit welchem sie gerade sprach. „Halte uns am Laufenden, was die Rettungskräfte angeht“, sagte sie gerade zu dem Mann an der anderen Leitung. „Sie sollten bereits auf dem Weg zu euch sein. Der Bombentrupp ist auch dabei.“ Shinichi wusste, dass es unhöflich war, aber er trat an Sato heran und riss ihr wortlos das Telefon aus der Hand, presste es an sein eigenes Ohr: „Hakuba!“ „Kudo?“, erwiderte der Brite überrascht. „Du hier?“ „Wo ist er?“, Shinichi ging nicht auf Smalltalk oder ähnliches ein, dafür hatte er keine Zeit. „Wo ist KID?“ Takagi und Sato tauschten einen überraschten Blick aus. Es war der junge Inspektor, der dem Oberschüler eine Hand auf die Schulter legte und versuchte mit beruhigenden Worten auf ihn einzureden. Dass KID nicht weiter wichtig war, dass er vermutlich längst geflohen war. Aber Shinichi schüttelte seine Hand ab und wandte den beiden den Rücken zu. „Er ist oben“, kam Hakuba’s gedämpfte Stimme aus dem kleinen Gerät. Vermutlich versuchte er leise zu sprechen, damit er nicht belauscht werden konnte. „Kurz bevor die dritte Bombe explodiert ist hat er sich auf dem Weg zum Saphir gemacht. Ich habe nur gesehen wie er die Tür geschlossen hat. Wir haben begonnen die Verletzten auf eine tiefere Etage zu bringen, da ist plötzlich eine Bombe hinter der Tür hochgegangen. Ich weiß nicht ob es ihn erwischt hat oder nicht. Ich hoffe nicht…“ Shinichi wurde kalt. Es war nicht die Außentemperatur, denn obwohl es immer noch Februar war hatte er seine Jacke und seinen Schal im Schließfach der Sunshine City zurückgelassen. Es war eine Kälte, die aus seinem tiefsten Inneren kam. „Kudo-kun?“, Sato’s Stimme war sanft. Sie schien zu spüren, dass etwas mit dem Jungen nicht stimmte. Sie stieß einen erschrockenen Laut aus als Shinichi’s Kopf sich ruckartig zu ihr wandte. Er fixierte sie mit strengem Blick, seine Haltung angespannt. „Ich brauche Details“, zischte er, nicht nur zu ihr, sondern auch zu Hakuba am Telefon. „Gibt es einen Weg ins Gebäude?“ Shinichi ließ das Telefon sinken und betätigte den Lautsprecher-Knopf, sodass Hakuba mit horchen konnte. „Die Rettungskräfte haben einen Weg vom Erdgeschoss in den vierten Stock durch den Aufzug geschaffen. Sie sind gerade noch dabei die Türen im vierten Stock aufzustemmen.“ „Die Treppe ist im vierten Stock kollabiert, aber von hier aus kommt man locker bis nach oben. Die zweite und die dritte Detonation haben die Verbindung zwischen der Treppe und dem Aufzug unterbrochen. Ich habe die Theorie, dass die Bomben darauf abgezielt haben KID aus der Deckung zu locken.“ „Dann wurden die Bomben gar nicht von KID angebracht?“, fragte Takagi überrascht und erntete sofort einen bösen Blick von Shinichi. „Kaitou KID würde niemals das Leben Unschuldiger in Gefahr bringen“, zischte er leise. Dann wandte er sich wieder dem Telefon ins einer Hand zu: „Ich komme zu euch, Hakuba. Ich lasse nicht zu, dass sie mit dem Stein entkommen.“ „Bist du verrückt, Kudo?“, keuchte der Brite überrascht auf. „Das hier ist gefährlich! Wir wissen nicht wo noch weitere Bomben angebracht sind oder wann sie explodieren.“ „In zwei Minuten explodiert die nächste. Und von da an habe ich in etwa zehn Minuten Zeit. Bis gleich.“ Er warf das Handy Sato zu und wandte sich ab, noch bevor die beiden Polizisten ihn aufhalten konnten. Er drängte sich durch die Menge an Einsatzkräften und Verletzten. Als er den Aufzug erreichte, wo die Rettungskräfte immer noch damit beschäftigt waren die Tür zum vierten Stock zu öffnen ertönte die nächste Explosion. Das Gebäude bebte, der Boden zitterte. Shinichi rührte sich nicht, versuchte sich darauf zu konzentrieren, was er mit seinen Instinkten aus dem Geräusch und der Erschütterung lesen konnte. Die Detonation fand nicht im Gebäude statt, dazu waren die Schwingungen zu schwach. Auch das Geräusch, welches die Explosion ausgelöst hatte klang seltsam. „Der Aufzugschacht“, wisperte Shinichi leise. Schnell riss er den Kopf nach oben, starrte in die Dunkelheit des Schachtes. Der Aufzug schien irgendwo im achten Stock festzuhängen. Er bewegte sich, minimal, und kleine Schuttreste rieselten auf die Einsatzkräfte, aber es schien als würde der Aufzug halten. „Keine Chance“, rief einer der Männer von oben. „Die Tür klemmt.“ „Lasst mich ran“, knurrte der Oberschüler und schob sich an den Männern vorbei. Einer versuchte noch ihn aufzuhalten, aber ein kurzer Blick aus eiskalten Augen brachte den Mann zum Schweigen. Zehn Minuten hatte er Zeit bevor die nächste Bombe hochgehen würde. Mit schnellen Bewegungen, aber nicht zu schnell um unmenschlich zu wirken, hangelte sich Shinichi an der provisorischen Leiter nach oben, bis er schließlich im vierten Stock ankam. Er sah die Stelle, an der die Männer versucht hatten die Tür mit einer Brechstange aufzustemmen und kläglich gescheitert waren. „Aus dem Weg!“, warnte er die Männer an seiner Seite, welche sich sofort aus dem Weg lehnten. Shinichi schob seine Fingerspitzen zwischen die Aufzugtüren. Er atmete einmal schwer durch und sammelte seine Kräfte, spannte seine Arme an ehe er schließlich die Tür aufstemmte. Erst tat sich nichts, und die Männer dachten schon es wäre vergeblich. Aber Shinichi war ein Vampir und als solcher war er stärker als ein normaler Mensch es sich vorstellen konnte. Er öffnete die Tür, stemmte die beiden schweren Metallteile auseinander und stieß dabei ein tiefes Knurren aus. Als die Tür endlich geöffnet war zögerte der Oberschüler nicht sondern kletterte sofort in den Gang des vierten Stocks, wo er einen überraschten Hakuba und ein paar verwundete Polizisten und Mitglieder der KID Task Force traf. „Kudo“, Hakuba wirkte ehrlich überrascht. „Hast du etwa gerade die Tür mit bloßen Händen aufgedrückt?“ „Adrenalin“, erwiderte Shinichi knapp. „Ich hab keine Zeit. In acht Minuten geht die nächste Bombe hoch.“ Hakuba nickte leicht. Er machte einen Schritt an den Oberschüler heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Sei vorsichtig“, er klang ruhig, gefasst, doch als er erneut zu Shinichi sprach war seine Stimme gedämpft, besorgt, „Und hol ihn da raus. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ihm etwas passiert.“ „Das brauchst du mir nicht zweimal sagen“, erwiderte Shinichi, ebenso leise, ehe er sich von den Männern abwandte und im Laufschritt Richtung Treppe davoneilte bevor ihn noch jemand aufhalten konnte.   KID fühlt sich eingeengt, hatte Probleme zu atmen. Er war es gewohnt durch Lüftungsschächte zu kriechen, sich in absoluter Dunkelheit fortzubewegen. Wobei, eine absolute Dunkelheit war es nicht. Zwischen den Zähnen hielt er eine kleine Taschenlampe, die ihm den Weg vor sich beleuchtete, wenigstens für ein paar Meter. Doch das Pfeifen, welches immer noch in seinen Ohren nachhallte, und die dadurch fehlenden Geräusche seiner Umgebung machten ihn nervös. Die letzte Explosion hatte sich weit weg angefühlt. Er hatte kaum etwas gehört, das Beben des Gebäudes war schwach gewesen. So, als wäre die Bombe irgendwo außerhalb detoniert. Aber das konnte nicht sein, oder? Der Magier hielt inne und atmete tief durch. Er war schon eine Weile in den Lüftungsschächten unterwegs, vermutlich würde er bald im obersten Stockwerk ankommen. Er hatte beschlossen den Lüftungsschacht zu verlassen und stattdessen die Treppe nach oben zu nutzen. Wenn er sich dem Syndikat schon stellen musste, dann wollte er es wenigstens vorbereitet tun und nicht eingezwängt in einen Metallschacht. Behutsam bewegte er seine rechte Schulter etwas, versuchte den Schmerz abzuschätzen. Es tat immer noch weh, aber wenn er sich zusammen riss konnte er vielleicht sogar seinen Gleiter verwenden. Er musste es lediglich vom Dach runter und sicher auf den Boden schaffen, nachdem er die Scharfschützen ausgeschaltet hatte, dann wäre alles okay. Seufzend setzte sich KID wieder in Bewegung, robbte weiter durch die Dunkelheit, in der Hoffnung den Weg nicht mit einer weiteren Bombe zu kreuzen.   Shinichi hielt inne, als er das Stockwerk, auf dem sich der Stein befunden hatte, erreichte. Er sah sofort die verschlossene Sicherheitstür und die Risse in der umliegenden Wand. Das musste die Stelle sein, an der die dritte Bombe explodiert war. Der Detektiv warf einen Blick auf die Uhr seines Telefons. Es waren bereits 12 Minuten seit der letzten Explosion vergangen. Er war sich nicht sicher, was das bedeutete. Entweder hatten die Männer nicht mehr als vier Bomben angebracht, oder die zeitlichen Abstände waren tatsächlich nur Zufall gewesen. Oder, schoss ihm plötzlich ein Gedanke durch den Kopf, die Bomben werden manuell gezündet. Aber das würde wiederum bedeuten, dass sie genau wussten wo Kaitou KID sich befand. Und das würde die ganze Sache noch um einiges Gefährlicher machen als es ohnehin schon war. Shinichi atmete durch, versuchte die Fährten in dem Stockwerk in sich aufzunehmen, bevor er es betrat. Da waren die Gerüche der KID Task Force, die Fährten der Polizisten, der Mitarbeiter. Jirokichi  war hier gewesen, und Hakuba. Nakamori hatte wohl Blut verloren, seine Fährte war intensiver als die der anderen. Und über allen anderen Fährten lag eine, die er jederzeit und überall erkennen würde. Kaito. Langsam bewegte Shinichi sich auf die geschlossene Sicherheitstür zu. Hakuba hatte gesagt, dass KID dahinter verschwunden war, dass es das letzte Mal gewesen war, dass er ihn gesehen hatte. Behutsam legte der Detektiv seine Hand auf den Türknauf und versuchte sie zu öffnen, aber vergeblich. Die Tür war verschlossen. Aber daran störte der Oberschüler nicht. Da er allein war konnte er das Risiko eingehen und Dinge vollbringen, die einem Menschen nicht möglich waren. Er spannte seine Schulter und seinen Arm an und zog erneut an der verschlossenen Tür. Es war nicht die Tür, die nachgab, oder die Scharnieren. Es war die Wand, welche plötzlich in sich zusammen brach und auf Shinichi niederregnete. Seinen Reflexen verdankte er es, dass er gerade noch rechtzeitig aus dem Weg sprang als die Tür und der Bauschutt in einer riesigen Staubwolke auf ihn hernieder prasselnden. Der Lärm, welcher dabei entstand, klang beinahe wie eine Explosion und er hoffte, dass die Männer, die KID jagten es nicht gehört hatten. Langsam betrat Shinichi den Raum hinter der Sicherheitstür und wurde sofort mit KID’s Fährte begrüßt, viel intensiver als zuvor. Das konnte nur bedeuten, dass er verletzt worden war. Der Detektiv ließ seinen Blick durch den Raum gleiten, nahm die Informationen, die ihm die Überreste gaben in sich auf und fügte die Einzelteile zusammen. Die Bombe war wohl an der Tür angebracht worden und explodiert, als KID sich den Saphir unter den Nagel gerissen hatte. Die zerbrochenen Fenster und eingestürzte Wand verleiteten beinahe dazu mit dem Gleiter einfach in die Dunkelheit der Nacht zu verschwinden. Aber Shinichi wusste, dass KID diesen Fluchtweg nicht genutzt hatte. So sehr er sich früher darüber beschwert hatte, dass er Kaito erschnüffeln konnte wie ein Spürhund, so erleichtert war er nun darüber diese Fähigkeit zu besitzen. Er atmete tief ein, durch die Nase und den Mund, und ließ die Gerüche des Raumes auf sich wirken. Da war Blut vor einem der Fenster, also musste KID wenigstens kurz dort gestanden haben. Aber das war nicht die einzige Stelle mit seinem Duft. An der Vitrine waren ebenfalls Flecken und, was Shinichi am meisten überraschte, am Lüftungsschacht. Mit ein paar schnellen Schritten war er dort und entfernte das Gitter, mit einer unmenschlichen Leichtigkeit. Jemand hatte es aufgeschraubt und sich keine Mühe gemacht es wieder zu fixieren. Das konnte nur Kaito gewesen sein. Shinichi steckte den Kopf in den Lüftungsschacht und konzentrierte sich. Es war ein leises Geräusch in einiger Entfernung, so als würde sich etwas Schweres durch die Rohre bewegen. Kaito, schoss es dem Vampir durch den Kopf. Der Weg durch die Lüftungsrohre würde zu lange dauern, der Magier war bereits fast am Dach des Gebäudes angekommen. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Shinichi wandte sich von dem Lüftungsschacht ab und rannte zurück zu den Treppen.   KID atmete erleichtert aus, als er endlich den Lüftungsschacht verlassen konnte. Das Gefühl des Gefangen-Seins viel von ihm ab und seine ganze Haltung entspannte sich etwas. Auch sein Gehör war wieder zurück gekehrt, das Summen verstummt. Er konnte Schritte am Dach über sich hören, und Stimmen die einander unverständliche Dinge zuriefen. Eine dieser Stimme gehörte eindeutig Snake. Der Meisterdieb tastete seinen Anzug ab. Er kontrollierte, ob seine versteckten Hilfsmittel noch alle da waren, ob noch alles funktionierte und einsatzbereit war. Er würde nicht unvorbereitet in die Höhle des Löwen marschieren. Der letzte Griff erfolgte an seiner Brusttasche. Zärtlich strich KID mit den Fingerspitzen über Pandora. Das war es also. Das große Finale. Das war alles, worauf er die letzten Jahre hingearbeitet hatte. Er würde Pandora zerstören und somit das Ziel von Snake und dem Syndikat für immer zu Nichte machen. Selbst, wenn es ihn sein Leben kostete. KID atmete tief durch. Er straffte seine Schultern, auch wenn die Rechte dabei etwas protestierte, und machte sich auf den Weg, die letzten Stufen erklimmend, ehe er schließlich durch die Tür hinaus auf das Dach des Gebäudes trat. Die kalte Luft überraschte ihn, als er auf das schwach beleuchtete Dach hinaus trat. In der Hitze des Lüftungsschachtes war es einfach zu vergessen wie kalt es werden konnte, wenn die Sonne sich verzogen hatte. Aber KID hatte keine Zeit sich um die Temperaturen Gedanken zu machen. Er sah die Männer sofort, kaum, dass er den ersten Schritt ins Freie tat. Snake stand am Rand des Daches, in der perfekten Position ihn zu erschießen, hätte er die Flucht mit dem Gleiter aus dem unteren Stockwerk gewählt. Zu seiner linken und seiner rechten standen Männer, Snake inkludiert fünf an der Zahl und einer von ihnen hatte ein Scharfschützengewehr auf seiner Schulter. Zweifelsohne würden am Boden des Gebäudes weitere Männer auf den Meisterdieb warten. „Ich fühle mich geschmeichelt“, KID’s Stimme war durchdringend, selbstsicher. Er klatschte einmal in die Hände und hielt in seinem Schritt inne, ein breites Lächeln auf den Lippen. Sein Blick wanderte über die Männer, welche dem Rand des Hausdaches den Rücken zugewandt hatten und wohl schon für eine Weile den Treppenaufgang und den Aufzug beobachteten. Vermutlich hatten sie gesehen, dass KID nicht davongeflogen war und waren davon ausgegangen, dass er die Flucht über das Dach wagen würde. „Dass du es geschafft hast trotz dem Valentinstag so viele Männer zu versammeln, Snake. Und das alles nur meinetwegen. Welch eine Ehre.“ KID ließ seine Hände sinken und wanderte ein paar Schritte zur Seite, so als versuche er die Männer des Syndikats zu umrunden. Aber diese zögerten nicht lange, richteten sofort ihre Pistolen auf KID. Der Magier hielt inne und hob abwehrend die Arme. „Ups. Bitte, meine Herren, wir können doch normal miteinander reden.“ „Rück den Stein raus, KID. Du hast ihn doch sicher mitgenommen, als wir die Bombe hinter dir gezündet haben, nicht wahr?“ Der Magier verzog leicht das Gesicht. Dann waren die Bomben also nicht zufällig gezündet worden, sondern manuell. So etwas in die Richtung hatte er bereits vermutet gehabt. „Habt ihr euch in das Überwachungssystem eingehackt um zu beobachten, wo ich mich aufhalten und dementsprechend die Bomben zu zünden, nicht wahr? Wie viele habt ihr noch in dem Gebäude angebracht?“ „Genug um dich und jeden, der sich hier drinnen befindet ins Jenseits zu befördern“, erwiderte Snake mit tiefer Stimme und Kaito konnte die Selbstzufriedenheit daraus triefen hören. Der Magier verzog leicht das Gesicht. Das war nicht unbedingt das, was er hatte hören wollen. „Also habt ihr die Treppe im vierten Stock nicht nur meinetwegen gesprengt?“ „Natürlich nicht. Wir wollten die Polizisten hier festhalten. Immerhin würde Kaitou KID niemals zulassen, dass Unschuldige ums Leben kommen, nicht wahr?“ KID war immer stolz darauf gewesen niemanden in seine eigenen Probleme zu involvieren. Er hatte stets darauf geachtet Unbeteiligte außen vor zu lassen, war stets erpicht darauf, andere Menschen aus seinen Raubzügen raus zu halten. Und genau diese Vorsicht gegenüber anderen, diese Liebe zu den Menschen war es, die ihm jetzt zum Verhängnis wurde. „Das bedeutet also“, schlussfolgerte der Meisterdieb, „Wenn ich sichergehen will, dass niemand verletzt wird, dann muss ich euch Fünf ausschalten und euch den Fernzünder für die Bomben abnehmen. Habe ich das richtig erkannt?“ Snake lachte auf. „Als ob du das einfach so schaffen könntest.“ Der Dieb zog einen Mundwinkeln nach oben, ein süffisantes Schmunzeln zierte sein Gesicht. „Du unterschätzt mich, mein Lieber“, seine Stimme klang amüsiert und er wusste, dass es Snake wütend machte. Er sah, wie der Schussarm des Mannes zuckte, und er reagierte schnell. Bevor sie den Abzug ziehen konnten hatte er Pandora aus seiner Jackentasche gefischt und über seinem Kopf hoch in die Luft geworfen. Wie er es erwartet hatte schossen die Blicke von Snake und seinen Männern sofort nach oben. KID nutzte die kurze Unachtsamkeit und zündete Rauchbomben, um seine Präsenz zu verschleiern. Das Syndikat reagierte auf den Rauch. Sie begannen wie wild um sich zu schießen, mitten in die Rauchwolke hinein, nicht darauf achtend ob sie jemanden trafen oder nicht. Aber das hatte der Magier bereits erwartet und als der Rauch sich schließlich verzog und Pandora achtlos zu Boden fiel war KID auch schon wieder verschwunden. „Ist er getürmt?“, fragte einer der Männer. Snake näherte sich dem Stein zu seinen Füßen und hob ihn hoch. „Nein“, knurrte er, ein zufriedenes Grinsen auf den Lippen, „Der Stein ist echt. Er würde niemals ohne ihn abhauen.“ „Aber ist es auch Pandora?“, fragte einer der anderen Männer. Snake’s Blick suchte den Himmel ab, doch die Wolken, welche sich vor den Mond geschoben hatten machten es unmöglich den Stein zu überprüfen. „Wir werden ihn wohl mitnehmen und später überprüfen müssen. Am besten jagen wir einfach das ganze Gebäude in die Luft, dann müssen wir uns keine Sorgen ums Spuren verwischen machen.“ Snake wandte sich seinen Männern zu. Sein Blick weitete sich vor Entsetzen, als er sah, dass zwei der vier bewusstlos zu Boden gesunken waren. „Was zum Teufel ist passiert?!“ Die beiden übrig geblieben Männer wirbelten erschrocken herum. Sie realisierten erst jetzt, dass ihre Gefährten außer Gefecht gesetzt und das Scharfschützengewehr sowie die Handfeuerwaffen spurlos verschwunden waren. „Das muss KID gewesen sein“, fauchte Snake und stopfte den Stein in seine Jackentasche. Dann ließ er den Blick über das Dach wandern. „Der Mistkerl versteckt sich hier irgendwo. Seht zu, dass ihr ihn aus seinem Versteck jagt und tötet!“ Die beiden verbliebenen Männer machten sich natürlich sofort an die Arbeit. Niemand wollte Snake’s Zorn auf sich ziehen. Der Mann zögerte nicht auch die eigenen Leute zu erschießen, wenn sie ihm in die Quere kamen. KID wusste, wie gefährlich sie waren. Er hatte Glück gehabt, dass er zwei der fünf außer Gefecht setzen konnte, aber er hatte immer noch drei Männer vor sich. Er würde keinen von ihnen verletzen oder töten wollen, das war einfach nicht in seinem Interesse. Aber der 14. Februar war sein Unglückstag, und wenn er nicht aufpasste und versuchen würde die fünf direkt zu konfrontieren, dann würde das definitiv nicht gut ausgehen. Er musste schnell handeln, bevor die Männer sein Versteck entdeckten. Das Dach bot nicht viele Möglichkeiten in Deckung zu gehen. Neben dem Stiegenaufgang befanden sich einige Lüftungsschächte, ansonsten war da nichts was ihm hätte Schutz geboten. Snake stand immer noch in der Mitte des Daches, er ließ den Blick suchend über die Ebene gleiten, die Hand an der Tasche in welcher Pandora ruhte. KID konnte ihn dank dem Nachtsichtgerät, welches er bei sich trug, problemlos sehen. Die anderen beiden Männer suchten nach dem Dieb. Sie hatten beinahe das gesamte Dach umrundet, es blieben nicht mehr viele Möglichkeiten übrig um unentdeckt zu bleiben. Wenn er sich nicht schnell etwas überlegte würden sie ihm auf die Schliche kommen. „Hm?“ Er hörte die Stimme einer der Männer nahe an seinem Versteck. Er wusste, würde der Mann noch ein paar Schritte nach vorne tun und über die Kante des Daches blicken, dann würde er KID dort hängen sehen. „Was ist das?“ Er musste handeln. KID zog seine Pistole aus der Jackentasche und zielte genau an die Kante des Daches. Er schloss eines seiner Augen und wartete, lauerte, für den richten Augenblick. Als er die Stirn des Mannes sah, welcher sich über die Kante lehnte um nach unten zu sehen schoss er den Enterhaken ab. Der Mann schrie erschrocken auf und stolperte nach hinten, doch mit einem gezielten, festen Ruck an dem Seil schaffte KID es den Enterhaken zum Fallen zu bewegen. Das Seil schlang sich um den Fuß des Mannes und noch bevor er reagieren konnte hatte KID ihn mit einem Ruck über die Kante befördert. Der Mann schrie erneut als er das Gleichgewicht verlor und stürzte in die Tiefe. Kaito wusste, dass er das Leben des Mannes riskierte, also umfasste er das Ende des Seils mit beiden Händen und verknotete es, so gut er konnte, am Fensterrahmen des Fensters neben ihn. Er war nicht schnell genug und musste einen Teil des Gewichts des fallenden Mannes mit der Kraft seiner Arme abfangen, was ihm einen stechenden Schmerz in der bereits beleidigten Schulter einbrachte. Vor Schmerz stöhnend verknotete KID das Seil, ehe er den Sicherheitsgurt von seiner Brust löste und sich schnellstmöglich nach oben hangelte. Er war zu langsam, das wusste er. Gerade als er sich über den Rand des Daches hievte fand er sich auch schon Snake gegenüber, welcher die Waffe direkt an die Stirn des Magiers hielt. „Vom Rand des Daches baumeln“, der schwarzgekleidete Mann lachte auf, „Keine schlechte Idee. Aber leider hat es dir nichts gebracht. Hattest du wirklich erwartet, dass du es schaffst alleine fünf von uns auszuschalten?“ „Wie wärs, wenn du das mit dem zählen noch mal probierst“, bellte jemand wütend hinter Snake. KID konnte nicht sehen, wer es war, da der Verbrecher ihm die Sicht versperrte. Als der angesprochene jedoch erschrocken herumwirbelte hatte auch der Dieb die Chance den Neuankömmling zu betrachten. Er keuchte erschrocken auf. „Shinichi?!“ Der Oberschüler gab dem Mann, welcher vor ihm stand einen Schubs, sodass er vor Snake zu Boden fiel. Erst als er das Gesicht des Mannes sah realisierte KID, dass der Mann nicht gestanden hatte. Er war bewusstlos. Shinichi hatte seinen Körper als Schild benutzt. „Was willst du hier, Junge?“, fragte Snake, höhnisch. „Denkst du etwa, nur weil ihr zu zweit seid könnt ihr etwas gegen mich unternehmen?“ Der Detektiv reagierte nicht. Er fixierte Snake lediglich mit den Augen, sein eigener Blick eiskalt. KID wusste nicht, was Shinichi vorhatte. Er musterte den Oberschüler, ließ den Blick von seinem Gesicht über den Oberkörper, seine Jacke, immer tiefer wandern. Eine Bewegung an Shinichi’s Hand zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er gab ihm ein Zeichen. Verschwinde. Da Snake die Waffe inzwischen auf Shinichi gerichtet hatte nutzte der Magier die Gelegenheit und rappelte sich auf. Seine rechte Schulter schmerzte stärker als zuvor. Behutsam versuchte KID den Arm zu heben, scheiterte jedoch kläglich. „Und was genau sollte mich daran hindern euch beide einfach zu erschießen? Ich habe Pandora, was sollte ich mir über euch den Kopf zerbrechen?“ „Bist du sicher, dass es Pandora ist, der sich da in deiner Tasche befindet?“, erwiderte Shinichi, ein wissendes Lächeln auf den Lippen. „Vielleicht ist es ja nur ein ganz gewöhnlicher Saphir.“ Er provozierte Snake, und das in voller Absicht. Der Verbrecher knurrte, offensichtlich genervt von Shinichi und zog mit der freien Hand den Stein aus seiner Tasche. Er hob ihn ein Stück an und versuchte hindurchzusehen, doch der Mond war immer noch von Wolken verhangen. Sein Blick glitt zurück zu Shinichi und die beiden starrten sich an. „Weißt du was, Junge?“ Snake hob die Waffe. „Du nervst.“ Und noch bevor Shinichi oder KID reagieren konnte drehte sich der Mann zur Seite und schoss. Shinichi’s Augen weiteten sich. Sein Plan war es gewesen Snake zu provozieren, KID eine Chance zu geben zu fliehen. Er wollte die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, hatte sogar darauf spekuliert, dass er auf ihn schießen würde. Snake wusste nichts davon, dass er ein Vampir war. Er würde keine Silberkugeln besitzen. Aber Snake war nicht dumm. Er kannte Shinichi nicht, wusste nichts über den Detektiv, sein Interesse an dem Stein, seine Gefühle für Kaito. Und trotzdem hatte er sie gefunden, hatte seine Schwachstelle entdeckt und sie eiskalt gegen ihn ausgenutzt. KID presste sich seine behandschuhten Hände auf die Wunde, das Blut, welches aus seinem Körper quoll färbte sein schneeweißes Kostüm rot. Die Kräfte verließen ihn und er sank zu Boden. „KID!!“ Shinichi atmete ein und die Intensität von Kaito’s Fährte fegte über ihn hinweg wie ein Orkan. Sein Körper reagierte auf die Instinkte bevor sein Kopf ihnen folgen konnte. Er bewegte sich, zu schnell für das menschliche Auge, und streckte Snake mit einem gezielten Schlag in den Magen nieder. Der Mann sank keuchend zu Boden, der blaue Saphir glitt aus seinen Händen, aber Shinichi war das egal. Er packte den Körper des Mannes und schleuderte ihn mit Leichtigkeit von sich, direkt in die Mitte des Daches, weg von ihm, weg von Kaito. Kaito. Shinichi war sofort an seiner Seite, stützte ihn vorsichtig. Er hatte seinen Zylinder verloren, die braunen Haare standen wirr in alle Richtungen ab. „Kaito“, wisperte der Vampir leise und berührte vorsichtig die weiße Hand, welche fest auf die Wunde presste. „Warum bist du hier?“, nuschelte der Magier und hob den Blick. Shinichi sah sofort, dass der junge Mann Schmerzen hatte. Sein Blick war glasig, Schweiß glänzte auf seiner Stirn, seinen Wangen. „Die Hexe hat mich angerufen“, murmelte der Vampir und wandte den Blick von Kaito’s Gesicht ab, wandte sich stattdessen wieder der Wunde zu um diese zu untersuchen. „Die Kugel steckt noch in dir, oder? Wir müssen dich hier runter bringen, so schnell wie möglich.“ „Heh“, Kaito stieß einen amüsierten Laut aus. „Akako also. Verdammte Hexe.“ „Hör auf zu reden, das verstärkt nur die Blutung. Ich trag dich runter.“ Der Detektiv erhob sich langsam. Er versuchte den Magier auf die Beine zu ziehen, merkte jedoch schnell das KID nicht selbstständig gehen konnte. Also würde er ihn tragen müssen. Behutsam versuchte er den jungen Magier in seine Arme zu heben, doch eine plötzliche Erschütterung des Gebäudes ließ die beiden zu Boden sinken. Erschrocken wandte Shinichi sich um und sah das Snake eine Art Fernbedienung in der Hand hielt. Auf seinen Lippen lag ein diabolisches Grinsen. „Wenn wir hier nicht wegkommen, dann nehmen wir euch mit“, knurrte er und sank ihm nächsten Augenblick in die Bewusstlosigkeit. Shinichi's Blick flog zum Treppenaufgang und den Lüftungsschächten. Sie waren kollabiert und Staub quoll aus den Überresten. Also waren die Bomben so platziert worden um sämtliche Fluchtwege vom Dach aus abzuschneiden. Shinichi wandte sich erneut zu Kaito. Die Haut des Magiers war blass, sein Atem ging schwer. Das Blut an seiner Jacke wurde immer mehr. Shinichi atmete schwer, Kaito’s Fährte seine Sinne benebelnd. „Ich hätte doch auf Akako hören sollen“, der Magier verzog leicht das Gesicht. „Sie hatte mich gewarnt. Sie hat mir gesagt, dass ich sterben würde.“ „Du stirbst nicht“, knurrte Shinichi und half dem Magier dabei sich mit dem Rücken gegen den Rand des Daches zu lehnen. Dann begann er behutsam die Jacke und das Hemd seines Kostüms zu öffnen um einen besseren Blick auf die Wunde zu bekommen. „Du hast mir nicht geantwortet“, murmelte KID leise, die Hand immer noch fest auf die Wunde gepresst. „Warum bist du hier? Akako hat dich angerufen, gut. Aber das ist kein Grund.“ Shinichi verzog leicht das Gesicht. Er rückte etwas näher zu Kaito und schob behutsam die Hand des Magiers zur Seite. „Ich hatte Angst um dich“, antwortete er trocken. Er spürte einen dicken Kloß in seinem Hals, als er einen besseren Blick auf die Wunde hatte. Sie blutete stark, der Geruch des Blutes umnebelte seine Sinne. Schnell schälte der Vampir sich aus seinem Hemd, knüllte es zusammen und presste es fest auf die Wunde. KID stöhnte gequält auf. „Das tut weh!“ „Sorry“, Shinichi schloss die Augen. „Ich hätte schneller sein müssen. Dann wäre das nicht passiert. Dann wärst du nicht verletzt.“ „Ach was“, KID grinste leicht. Dann nickte er in Richtung Snake. „Bring mir lieber Pandora. Ich muss sicher gehen, dass er zerstört wird.“ Shinichi zögerte erst etwas. Er wollte nicht von Kaito’s Seite weichen, nicht einen Augenblick. Der Magier legte seine inzwischen blutgetränkte Hand auf das Hemd des Detektivs und presste es auf seine Wunde. Er sah Shinichi bittend an. Der Detektiv seufzte. Langsam erhob er sich aus seiner Position und trat näher an den bewusstlosen Snake heran. Er nahm sich den Saphir, der am Boden vor dem Mann lag und brachte ihn zu Kaito, ließ sich vor dem Magier in die Hocke sinken. KID streckte seine freie, ebenfalls in Blut getränkte Hand nach dem Stein aus und Shinichi überreichte ihn. Behutsam und offensichtlich unter Schmerzen hob KID den Stein über seinen Kopf, dem Mond entgegen und sah ihn an. Die Wolken schoben sich zur Seite, beinahe so als wollten sie dem Magier einen Gefallen tun, als wollten sie ihn in seiner Suche unterstützen. Die blassen Strahlen des Mondes reflektierten sich im Weiß der Kleidung des Magiers und Shinichi war starr vor Faszination. Wie der Mond die blassen Gesichtszüge des Jungen in ein weiches Licht tauchten, wie das Rot sich in kräftigen Farben von der weißen Kleidung abhob. Wie das Blau des Saphirs in seinem Handschuh schimmerte. Der entsetzte Blick. „Was ist los?“, fragte Shinichi sofort, sorge in seinem Blick. KID antwortete nicht. Seine Hand fiel zu Boden und sein Kopf kippte zur Seite. „KAITO!!“ Panik ergriff von Shinichi besitzt und er beugte sich vor, versuchte in das Gesicht des Jungen zu blicken. Was war geschehen? Hatte er das Bewusstsein verloren? Er berührte Kaito’s Wange und spürte etwas Nasses an seinen Fingern. Blut? Nein. Er hob das Kinn des Jungen an. Tränen. „Er ist es nicht“, hauchte KID erstickt und öffnete die Augen. Er sah Shinichi an, der Blick voller Unglaube und Verzweiflung. „Es ist nicht Pandora.“ „Wie? Es ist nicht Pandora?“, wiederholte der Detektiv verwirrt und KID schüttelte den Kopf. Er hob seine Hand in welcher er den Stein hielt und warf ihn – was ihm sofort ein schmerzhaftes Aufstöhnen und ein zusammensacken einbrachte. „Ich sterbe“, er lachte auf, die Stimme voller Verzweiflung, „Ich sterbe, weil ich mich für einen absolut wertlosen Stein in Gefahr gebracht habe. Ich sterbe, weil ich den Worten einer Hexe glauben geschenkt habe. Das ist doch…“ „Du stirbst nicht“, erwiderte Shinichi streng, doch er wusste, dass es nicht wahr war. Die Blutung hörte nicht auf, sein Hemd war bereits getränkt in Kaito’s Blut. Er berührte erneut Kaito’s Wange und konnte spüren wie kalt er war. „Shinichi“, seine Stimme war so leise und schwach, dass es die Angst des Vampirs nur noch weiter in die Höhe trieb. Kaito gab den Kampf auf, er hatte sein Ziel nicht erreicht. Er hatte seinen Willen verloren. „Ich bin froh… dass du hier bist. Dass ich dich noch einmal sehen kann. Wirklich.“ „Red keinen Scheiß“, knurrte Shinichi und presste seine Hand auf Kaito’s, in einem vergeblichen Versuch die Blutung zu stoppen. „Du wirst mich noch viel öfter sehen. Du wirst noch genug Zeit haben mir deine Zaubertricks zu zeigen und mir von deinen genialen Raubzügen zu erzählen. Also reiß dich gefälligst zusammen.“ KID lachte auf, aber es war ein müdes Lachen. „Du weißt, dass das gelogen ist“, wisperte er leise. „Selbst, wenn ich das hier überleben sollte… du gehst weg. Du gehst nach England und wir werden uns nie wiedersehen.“ „Kaito…“, Shinichi fühlte sich krank. Er wusste, dass es keine körperliche Erscheinung war, dass es sich lediglich in seinem Kopf abspielte, aber das Gefühl war schrecklich. Er erinnerte sich, was Ran gesagt hatte. Er würde es ein Leben lang bereuen, wenn er Dinge nicht klarstellte. „Kaito“, seine Stimme war plötzlich wieder fest, Entschlossenheit erfüllte ihn und machte ihn stark. Der Meisterdieb sah den Vampir an. Die Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Behutsam legte Shinichi seine Hand in Kaito’s Nacken, glitt sanft mit seinen Fingerspitzen durch die weichen Haare des Jungen. Er beobachtete, wie der Magier genießend die Augen schloss, sich der Berührung hingab. Shinichi lehnte sich vor, strich mit seinen Lippen zart über die des Magiers. „Ich liebe dich“, hauchte er. Kaito riss erschrocken die Augen auf. Er starrte Shinichi an, seine Augen so blau wie der Ozean. „W-Was?!“, er keuchte mehr als das er sprach, die Schmerzen machten es ihm schwer. Shinichi lächelte leicht und wiederholte seine Worte: „Ich liebe dich. Es tut mir leid, dich angelogen zu haben. Die Wahrheit ist, ich habe dich die ganze Zeit über geliebt. Vermutlich schon viel länger als es mir bewusst ist.“ „Shinichi…“ Kaito hob seine Hände von der Wunde und umfasste das Gesicht des Vampirs mit seinen blutigen Händen. „Was machst du da?!“, Shinichi wurde laut und presste seine Hände auf das blutige Hemd, versuchte die Blutung zu stoppen. „Beiß mich“, wisperte Kaito. Der Detektiv legte die Stirn in Falten. „Was?“ „Beiß mich“, wiederholte Kaito. „Verwandle mich. Bitte.“ „Das kann ich nicht“, presste Shinichi zwischen den Lippen hervor. „Das wäre nicht richtig.“ „Shinichi, ich verblute hier gerade“, knurrte der Magier. Ein Fehler. Die Anstrengung in seinem Hals brachte ihn dazu zu husten und Shinichi stellte erschrocken fest das Blut über die Lippen des Magiers lief. Als der Hustanfall zu Ende war hob Kaito den Blick. Seine Augen waren glasig, er würde nicht mehr lange durchhalten. Egal wie schnell er war, selbst wenn er einen Weg nach unten finden würde, selbst wenn die Polizei mit einem Helikopter kommen und sie retten würde, KID würde vermutlich längst das Bewusstsein, wenn nicht sogar sein Leben verloren haben. Er würde ihn nicht retten können. Was Kaito blieb war der Tod. „Ich kann dich nicht verwandeln“, Shinichi’s Stimme klang fremd in seinen Ohren, die Angst lähmte seine Glieder. „Ich bin kein Meister. Selbst wenn ich es versuche, du wirst sterben.“ „Das werde ich sowieso“, Kaito’s Hände glitten langsam von Shinichi’s Wange. Fast schon reflexartig umfasste Shinichi eine von Kaito’s Händen und legte sie an seine Wange, störte sich nicht an dem Blut, welches er dadurch auf seiner Haut verteilte. „Ich will dich nicht alleine lassen“, wisperte Kaito leise und senkte den Blick. Seine Lider fühlten sich schwer und eine unglaubliche Müdigkeit überkam ihn. „Nicht jetzt, wo du mir gesagt hast, dass du mich liebst. Ich möchte bei dir sein.“ „Sag so etwas nicht“, Shinichi war verzweifelt und er wusste, dass er es nicht gut versteckte. „Wenn ich dich beiße und es geht schief, dann stirbst du. Dann habe ich dich getötet.“ „Shinichi…“, er sah, wie den Magier die Kraft verließ, „Bitte…“ Wie konnte er da nein sagen? Wie konnte er zusehen, wie der Mann, den er liebte in seinen Armen starb, wenn er doch die einzige Chance für ihn war zu überleben? Auch wenn diese Chance weniger als 10% betrug, auch wenn die Chance nur minimal war. Sie war da. „Verdammt, du Idiot“, knurrte der Vampir. Er ließ Kaito’s Hand los und schlang den Arm stattdessen um den Körper des Jungen. Behutsam zog Shinichi ihn näher zu sich, hielt ihn sicher fest. „Bitte, Kaito… bleib bei mir.“ Der Vampir öffnete seinen Mund und ließ seine Fangzähne wachsen. Er beugte sich zu dem weißgekleideten Magier hinab und grub seine Zähne behutsam in den weichen Hals seines Opfers. Kaito’s Blut schoss ihm entgegen, heiß und süß und so unglaublich berauschend. Er trank es, gierig, in großen Schlucken, der einzigartige Geschmack des Jungen seine Sinne benebelnd. Er spürte, wie Kaito’s Körper bebte, er hörte, wie das Herz des Jungen zu rasen begann. Es versuchte den Blutverlust auszugleichen, versuchte immer mehr und mehr Blut in die lebenswichtigen Organe zu befördern, aber Shinichi hörte nicht auf. Er trank immer weiter, auch als er die ihm inzwischen bekannte Grenze erreichte, trank über die Grenze hinaus, immer mehr von Kaito’s Blut in seinem eigenen Körper. Er spürte, wie ihm warm wurde, wie das Blut des Jungen in seinen eigenen Adern zu rauschen begann. Er fühlte das Leben in sich und trank weiter. Kaito indes wurde schwächer. Sein Herz, nachdem es erst immer schneller geworden war, versagte langsam seinen Dienst. Es wurde schwächer, immer schwächer, und bevor es endgültig aufhörte zu Schlagen riss Shinichi sich los. Er betrachtete den blassen Jungen, der wie tot in seinen Armen lag. Blutige Tränen liefen über seine Wangen und tropften auf die Wange des Magiers. Er durfte nicht zögern. Er hatte es noch nie getan, aber Akihito hatte es ihm erklärt, hatte es versucht ihm beizubringen. Shinichi hob eine seiner Hände zu seinem Mund und riss sich mit den Fangzähnen die Ader auf. Dann presste er das blutige Handgelenk gegen die Lippen des Magiers, massierte dabei mit der zweiten Hand behutsam den Hals des Bewusstlosen um Kaito's Schluckreflexe zu aktivieren. Erst wenn er das Vampirgift in sich aufgenommen hatte, erst wenn er das Blut seines Meisters getrunken hatte konnte er sich verwandeln. Also massierte Shinichi weiter den Hals des Jungen, öffnete und schloss parallel dazu seine Finger um mehr Blut aus seinem eigenen System in Kaito’s zu schaffen. Der Junge war blass, beschienen vom Mondlicht, und nach einer gefühlten Ewigkeit, in der sich nichts geändert hatte gab Shinichi schließlich auf. Er löste sein Handgelenk von Kaito’s nun blutverschmierten Lippen und ließ den leblosen Körper des Meisterdiebs behutsam zu Boden gleiten. Er beugte sich über ihn, berührte zart die Wangen des Jungen. „Kaito“, Shinichi’s Stimme klang erstickt, er bekam die Worte kaum über die Lippen. „Es tut mir so leid, Kaito. Bitte. Bitte, wach auf.“ Er legte seine Finger an den Hals des Jungen, aber da war kein Puls. Seine Augen waren geschlossen, die Haltung entspannt, so als wäre er friedlich eingeschlafen. Auf seinen Lippen ruhten die schwachen Züge eines Lächelns. Shinichi spürte wie weitere, blutige Tränen ihren Weg über seine Wangen suchten, wie sie zwischen Kaito und ihm zu Boden fielen. Er schluchzte erstickt auf. Die Prophezeiung war eine Lüge gewesen. Kaito hätte nicht sterben dürfen, er hätte nicht sein Leben verlieren dürfen. Die Prophezeiung hatte gesagt, er würde sterben, wenn er sein Ziel erreichte. Aber er hatte sein Ziel nicht erreicht. Er hatte Pandora nicht gefunden. Und jetzt war er tot. „Kaito…“, Shinichi legte den Kopf in den Nacken und starrte den Mond an. Er hasste ihn, für seine Schönheit, für seine Reinheit, hasste ihn dafür wie er das Dach des Wohnhauses in ein sanftes Licht hüllte, wie er Kaitou KID’s blasse Züge transparent erscheinen ließ. Er hasste ihn dafür, dass er auf sie herab lächelte, so unschuldig, als wäre all das nur ein böser Traum. „Pandora…“ Erschrocken riss Shinichi den Kopf herum, starrte den leblosen Jungen neben sich an. Kaito’s Augen waren geöffnet, nicht weit, nur einen Spalt breit, und sein Blick war auf Shinichi gerichtet. Langsam, fast schon in Zeitlupentempo, hob er seine Hand, streckte sie nach Shinichi’s Gesicht aus. „Ich hab… ihn gefunden…“ Der Detektiv schnappte Kaito’s ausgestreckte Hand mit seiner eigenen und hielt sie fest. Er beugte sich näher zum Gesicht des Magiers, welcher doch so schwach wirkte, so ausgezehrt. „Wo?“, fragte er mit unendlich sanfter Stimme. „Wo hast du ihn gefunden?“ Kaito lachte. Es war ein ersticktes Lachen, ein leises, schwaches Lachen. Aber es war ehrlich. „Meitantei, du bist es. Du bist… Pandora.“ Shinichi verstand nicht. Pandora war der Stein, den KID suchte, der Stein, der einen zweiten Stein im Inneren trug, welcher nur durch das Mondlicht sichtbar wurde. Wie konnte er denn dieser Stein sein? „Deine Augen“, wisperte Kaito und es hatte fast den Anschein, als würde seine Stärke zu ihm zurück kommen. Er versuchte sich aufzusetzen und Shinichi war sofort zur Stelle um ihm zu helfen. Der Detektiv stützte den Magier, half ihm sich in eine aufrechte Position zu bringen. „Was ist mit meinen Augen?“, fragte er verwirrt. KID lachte erneut. „Sie sind rot“, erklärte der Magier. „Tiefrote Rubine, umrandet von blauen Saphiren. Genau wie Pandora. Und…“ Kaito beugte sich näher zum Gesicht des Detektivs, leckte dort zärtlich etwas Blut von seiner Wange. „Deine Tränen schenken dem, der sie trinkt, Unsterblichkeit.“ Shinichi’s Augen weiteten sich leicht als er zu verstehen begann. „Das Mal eines Meisters?“ KID nickte. „Das heißt, du…?“ KID nickte erneut, ein breites Grinsen auf den Lippen. „Scheint fast so als hätte es funktioniert.“ Shinichi konnte sich nicht zurückhalten. Er zog den Magier in seine Arme und umarmte ihn, vergrub sein Gesicht im Nacken des Jungen. „Also wirst du jetzt bei mir bleiben?“, fragte er, mit erstickter Stimme. „Für immer?“ „Für immer“, erwiderte Kaito und schlang seine Arme um Shinichi. Für eine Weile saßen sie nebeneinander, regungslos. Als jedoch die Geräusche von Helikoptern laut wurden lösten sie sich langsam voneinander. „Wir müssen hier weg“, stellte Shinichi fest und half KID auf die Beine. „Wenn uns die Polizisten hier finden haben wir ein Problem.“ „Das sollte kein Problem sein. Meine Schulter und die Schusswunde sind durch die Verwandlung wohl wieder vollends verheilt. Du bist zwar kein kleiner Junge mehr, aber ich denke mein Gleiter sollte uns beide tragen können.“ „Dann lass uns besser verschwinden“, erwiderte der Detektiv und trat gemeinsam mit KID an die Kante des Daches. Der Magier lies auf wundersamerweise seinen Gleiter erscheinen und umarmte den Detektiv an seiner Seite fest. „Wenn wir unten sind brauche ich was zu essen“, murrte der Dieb plötzlich. „Mein Hals brennt wie Feuer.“ Shinichi lachte auf. Dann sprangen sie zusammen vom Dach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)