Ai no Scenario von Listle ================================================================================ Kapitel 21: ------------ Akihito klopfte an die Tür des Gästezimmers. „Shinichi?“, seine Stimme war laut, sodass er sicher gehen konnte, dass der Junge im Schlafzimmer ihn auch hören würde, sollte er noch schlafen. „Shinichi, wenn du heute zur Schule gehen willst musst du langsam mal aufstehen.“ Keine Reaktion von drinnen. Keine Bewegung, kein Maulen, kein Murren. Akihito runzelte die Stirn. „Shinichi?“, der Vampir öffnete die Tür und betrat das Gästezimmer. Zu seiner Überraschung saß der Oberschüler bereits fertig angezogen und bereit zum Abmarsch auf der Bettkante. Er hatte den Kopf gesenkt, seine Schultern waren nach vorne gesackt. Er wirkte wie ein Häufchen Elend. Akihito seufzte lautlos auf und trat näher an den Jungen heran. Er ließ sich wortlos neben ihm auf der Bettkante nieder und betrachtete das leere Bett, welches an der anderen Seite des Raumes stand. Er sagte nichts. Akihito kannte solche Situationen, er war lange genug der Ziehvater von jungen Vampiren gewesen um zu wissen, dass Shinichi zu ihm sprechen würde, wenn er bereit dazu war. Es dauerte tatsächlich nur wenige Minuten bis der Oberschüler seinen Mund öffnete: „Warum, Akihito? Warum haben wir das getan?“ „Was getan?“, er sah aus den Augenwinkeln zu Shinichi, „Du meinst miteinander geschlafen?“ Shinichi hob seine Hände und vergrub sein Gesicht darin. Wenn er mehr getrunken hätte würde der Junge wahrscheinlich auch rot werden, aber Akihito wusste auch ohne der Farbe im Gesicht, dass es dem Detektiv peinlich war. Er wandte den Blick wieder ab und starrte erneut auf das Bett. „Weil wir Vampire sind, Shinichi“, begann er mit ruhigem, väterlichen Tonfall zu erklären, „Weil wir Raubtiere sind die von unseren Instinkten geleitet werden. Dass macht uns stark. Aber es macht uns auch schwach. Wir empfinden Gefühle viel intensiver als es Menschen tun. Wut, Hass, Zorn, aber auch Trauer, Liebe, Verlust. Wir empfinden diese Gefühle mit einer Intensität wie es kein Mensch je zu fühlen vermag.“ Shinichi gab einen Laut von sich, den Akihito nicht ganz einordnen konnte. Es war etwas zwischen einem Lachen, einem trockenen Schluchzen und einem Stöhnen. „Ich hasse es“, murmelte er schließlich und ließ die Hände wieder sinken. Er hob den Kopf und sah Akihito an und der Schmerz in den Augen des Jungen zerriss ihm fast sein väterliches Herz. Er legte einen Arm um die Schultern des Jungen und zog ihn näher zu sich, so wie es ein Vater mit seinem Sohn eben tat. „Ich weiß, Shinichi. Ich weiß. Aber bitte vergiss nicht: es gehören immer zwei dazu. Und ich weiß, dass du Kaito zu nichts gezwungen hast was er nicht auch wollte. So etwas würdest du nicht tun.“ Shinichi schloss die Augen und lehnte sich gegen Akihito's Schulter. Er presste seine Lippen hart aufeinander und ließ sich die Worte des Vampirs durch den Kopf gehen. Nach einer Weile öffnete er die Augen wieder und sah Akihito an: „Wie groß sind die Chancen, dass eine Beziehung zwischen einem Vampir und einem Menschen funktioniert?“ „Ehrlich? Die Chancen für so eine Beziehung stehen schlecht.“ Shinichi lächelte, aber es war ein müdes Lächeln. „Das habe ich fast befürchtet.“ Er senkte den Blick und starrte auf seine Handflächen. „Was wirst du seinetwegen tun?“, wollte Akihito wissen. Er kannte Shinichi's Pläne, den Schulabschluss zu machen, nach London zu gehen und sich dort von allen, die er kennt und liebt abzukapseln. Würde er es auch tun, jetzt, wo sich die Situation zwischen ihm und Kaito geändert hatte? „Was soll ich schon machen?“, erwiderte Shinichi und Akihito konnte den Schmerz in seiner Stimme hören. „Kaito hat mir geschrieben, dass er Zeit braucht darüber nachzudenken. Ich werde ihm diese Zeit geben. Und dann…“ Akihito beobachtete, wie Shinichi tief Luft holte. „Dann werde ich meinen Abschluss machen und das Land verlassen. Die Aufnahmeprüfungen sind zwar erst Mitten im Sommer, aber ich werde besser früher als später abhauen. Das macht es vermutlich für alle einfacher.“ „Also willst du ihn einfach zurücklassen? So wie du es mit allen anderen auch tust?“ Shinichi verzog das Gesicht, der Schmerz in den Zügen deutlich sichtbar. „Ich muss“, würgte er hervor, „Ich kann ihn nicht verwandeln. Ich bin kein Meister. Und ich… ich würde ihm die Bürde dieses Lebens nicht auferlegen wollen. Es ist besser so. Er wird jemanden finden, der ihn glücklich macht.“ Akihito wusste, dass Shinichi weinen würde, wenn er könnte, aber auch wenn sein Blick voller Schmerz und Einsamkeit war, seine Wangen blieben trocken. Der alte Vampir erhob sich langsam von der Bettkante und legte Shinichi eine Hand auf die Schulter: „Bis zu deinem Abschluss ist es noch ein paar Wochen hin. Komm, lass uns erst mal frühstücken.“   „Kudo Shinichi.“ Langsam erhob er sich von seinem Platz und schritt durch die Menge an Menschen. Er spürte mit seinen feinen Sinnen, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Ein Prickeln in seinem Nacken warnte ihn nicht nachlässig zu sein, aber Shinichi wusste, dass er sich keine Sorgen machen musste. Hier würde ihn niemand angreifen. Als er die vorderste Front der Menge erreicht hatte blieb er stehen. Sein Blick ruhte auf dem Lehrer, welcher gebannt ein weißes Blatt Papier in seiner Hand anstarrte. Der Schülerdetektiv sagte Nichts sondern wartete einfach darauf, dass der Mann ihm Beachtung schenken würde. Es vergingen nur wenige Sekunden, die sich aber dank der Blicke in seinem Nacken wie eine Ewigkeit anfühlten, bis der Lehrer schließlich den Kopf hob und Shinichi mit einer gewissen Bewunderung ansah. „Ich muss schon sagen“, er reichte dem Oberschüler das Blatt Papier, „Mit solchen Noten brauchen Sie sich um die Aufnahmeprüfung in London keinerlei Gedanken machen. Respekt.“ Shinichi nickte leicht und nahm das Papier entgegen. Dann wandte er sich ab und schritt, unter den Blicken seiner Klassenkameraden, zurück zu seinem Platz. Lediglich Ran schenkte er ein kleines Lächeln, als er an ihr vorbei schritt. Dann setzte er sich hin und warf einen ersten Blick auf das Prüfungsergebnis seines Probe-Examens für seine Wunschuniversität in London. 98 von 100 Punkten. Der Oberschüler verzog leicht das Gesicht. Er war sich sicher, dass er die zwei Punkte lediglich deshalb nicht bekommen hatte, weil er ungenau gelesen hatte. Weil er nicht konzentriert genug war, gedanklich zu abgelenkt um die Angabe ordentlich zu lesen. Shinichi legte das Blatt mit der Note nach unten auf den Tisch. Dann zog er sein Handy aus der Tasche seines Blazers und warf einen kurzen Blick auf das Display. Immer noch keine Nachricht von Kaito. Shinichi steckte das Handy wieder ein und sah aus dem Fenster. Es war jetzt über einen Monat her, seit er und Kaito erfahren hatten, dass sie nicht mehr aneinandergebunden waren, dass sie freie Menschen waren. Und es war über einen Monat her, seit Kaito ihn gebeten hatte ihm Zeit zu geben um über alles nachzudenken. Shinichi hatte ihm die Zeit geben wollen, aber nach zwei Wochen hatte er es nicht mehr ausgehalten. Weihnachten war immer näher gerückt und er hatte gehofft den Heiligen Abend mit Kaito zusammen verbringen zu können, wenn auch nur als Freunde. Er hatte die Schule früher verlassen, unter dem Deckmantel eines neuen Falls, und war zu Kaito's Schule gefahren. Er hatte sich seine Fähigkeiten als Vampir zu Nutze gemacht um sich unentdeckt einen Weg in die Schule zu suchen, doch als er Kaito endlich gefunden hatte hatte er gesehen, wie dieser fröhlich und lachend mit einem hübschen, braunhaarigen Mädchen im Arm das Schulgebäude verlassen und über die gemeinsamen Pläne für den Weihnachtsabend gesprochen hatte. Die beiden hatten so vertraut gewirkt wie Shinichi und Ran es gewesen waren und sein totes Herz hatte sich schmerzhaft zusammen gezogen. Vermutlich war das der Grund, warum Kaito sich nicht gemeldet hatte. Er hatte sich jemand anderes gesucht, ein Mädchen, einen Menschen, jemanden, mit dem er eine Zukunft hatte. Shinichi war getürmt ohne sich dem Magier zu stellen, hatte so schnell wie möglich das Gelände verlassen und war nach Hause gegangen, hatte sich in seinen Büchern für die Aufnahmeprüfung vergraben. Der Unterricht endete ereignislos und Shinichi wollte sich gerade erheben um etwas frische Luft zu schnappen als Ran und Sonoko auch schon an seinem Tisch auftauchten. Die Millionenerbin schnappte sich in einer schnellen Bewegung den Prüfungsbogen von Shinichi: „Zeig mal her!“ Der Detektiv versuchte zwar schneller zu sein als sie – und wenn er seine Fähigkeiten eingesetzt hätte wäre er das auch gewesen – doch eigentlich war es ihm egal. Seufzend lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und ließ Sonoko die Zeit, die sie brauchte um seine Prüfung eingehend unter die Lupe zu nehmen. „98 Punkte“, sie stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Und das, obwohl die ganze Prüfung in Englisch ist. Sogar die Angaben. Das ist… wow.“ Er hob fragend eine Augenbraue an und beobachtete, wie sie seinen Test an Ran weiter reichte. „Was erwartest du?“, fragte er, amüsiert, „Ich trete in der Prüfung an meiner Wunsch-Uni gegen Menschen an, die Englisch als Muttersprache haben. Wenn ich nicht mindestens auf demselben Niveau bin kann ich mir das Studium in London gleich abschminken.“ „Bemerkenswert ist es trotzdem“, meinte auch Ran und reichte ihrem besten Freund den Test zurück. „Du hast wirklich hart gelernt das letzte Monat, nicht wahr?“ „Ja“, Shinichi verzog leicht das Gesicht und packte den Test weg, „Und viel auf Englisch gelesen.“ „Heh, man hat dich echt nie ohne einem Buch angetroffen“, erinnerte sich Sonoko zurück. Shinichi erhob sich wortlos und streckte sich leicht. „Ich hoffe ihr beide lernt genauso fleißig für die Aufnahmeprüfungen“, tadelte er grinsend, wissend, dass Sonoko definitiv nicht genug lernte um problemlos durch die Prüfungen zu kommen. Vermutlich würde sie die letzten Wochen vor der Prüfung bei Ran auftauchen und flehend um Hilfe beim Lernstoff bitten. Er fühlte Wehmut aufsteigen, als er daran dachte, dass er diesmal nicht dabei sein und den Mädchen lernen helfen würde, dass sie diesmal die Lerngruppe zu zweit und nicht zu dritt machen würden. Shinichi wandte den Blick ab, wollte nicht das Ran oder Sonoko sahen was er fühlte. Schnell wechselte er das Thema: „Jetzt, wo die Probe-Examen vorbei sind haben wir nicht mehr allzu viel Zeit bis zum Abschluss. Und dann heißt es lernen, lernen, lernen.“ Sonoko stöhnte auf und sank dramatisch auf Shinichi's Tisch zusammen: „Das heißt, keine Kirschblüten! Kein Hanami! Kein Picknick mit Freunden.“ „Na na, Sonoko“, versuchte Ran das junge Mädchen zu beruhigen und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter, „Ich bin sicher, wenn wir jetzt fleißig lernen finden wir zum Hanami trotzdem die Zeit uns die Kirschblüten anzusehen. Nicht wahr, Shinichi?“ Shinichi nickte nur bestätigend. Sein Blick wanderte aus dem Fenster, zu den Bäumen, die immer noch braun und leblos dastanden. Bald würden sie zu blühen beginnen und grüne Blätter würden sprießen und dann würde es nicht mehr lange dauernd bis die ganze Stadt in allen möglichen Rosatönen erstrahlen würde. Aber Shinichi würde nichts davon mitbekommen. Er würde das Land verlassen noch bevor die Kirschblütensaison ihren Höhepunkt erreicht hatte. Ihr Schuljahr endete Anfang März und Akihito hatte bereits seine Abreise organisiert. Aber das würde er Ran und Sonoko nicht verraten. Er würde es niemanden verraten, ließ alle in dem Glauben das er das Land erst im Sommer verlassen würde. Ferien waren in Europa anders geregelt als in Japan und das war etwas, dass Shinichi vor hatte sich zu nutzen zu machen. Als die Glocke die nächste Unterrichtsstunde ankündigte ließ Shinichi sich wieder auf seinen Stuhl sinken und auch die beiden Mädchen kehrten zurück an die ihnen zugewiesenen Sitzplätze.   Shinichi zog den Schal um seinen Hals enger als er zusammen mit seinen beiden Freundinnen das Schulgebäude verließ, obwohl es unnötig war. Als Vampir konnte er Temperaturschwankungen zwar spüren, aber er litt nicht mehr darunter, wie es die Menschen taten. Dennoch, der Schal war ein selbstgemachtes Weihnachtsgeschenk von Ran gewesen und solange es seine beste Freundin glücklich machen (und seine Tarnung als normaler Mensch unterstützen) würde, solange würde er bei diesen unangenehmen Temperaturen den Schal auch tragen. „Ich kann es kaum erwarten, bis es wieder Frühling wird“, meckerte Sonoko vor sich her und vergrub ihre behandschuhten Hände tiefer in den Taschen ihrer Jacke. „Ich hasse dieses triste Wetter.“ „Aber Frühling bedeutet auch Examen, das ist dir bewusst, oder?“, konterte Shinichi mit einem frechen Grinsen auf den Lippen und brachte die Erbin damit zum Aufstöhnen. „Erinnere mich nicht daran!“ Ran lachte amüsierte. Sie störte sich nicht an dem kalten Wetter, das wusste Shinichi. Sie genoss es mit einer heißen Tasse Kakao vor dem Fenster zu sitzen und ein gutes Buch zu lesen. Früher hatte sie das öfter bei ihm zuhause gemacht, in der Bibliothek seines Vaters, aber seit der Sache mit Conan hatte der Oberschülerdetektiv es nicht mehr gewagt seine Kindheitsfreundin zu sich nach Hause einzuladen. Noch weniger jetzt, wo er ein Vampir war und sein Kühlschrank voller Blutkonserven steckte. Wenn Ran unabsichtlich eine davon finden würde wüsste er nicht wie er das erklären sollte. „Es wird sicher bald wieder schöner, Sonoko“, versuchte Ran ihre Freundin zu trösten, „Keine Sorge.“ Sonoko wollte gerade wieder zu meckern beginnen als das Klingeln ihres Telefons sie unterbrach. Überrascht zog sie das kleine Elektrogerät aus der Jackentasche und warf einen kurzen Blick auf den Bildschirm. Dann nahm sie eilig ab und begrüßte den Anrufer mit freudiger Stimme: „Onkel Jirokichi! Wie geht es dir?! Bist du von deiner Reise zurück?!“ Weder Shinichi noch Ran konnten die Antwort des berühmten Onkels hören. Natürlich könnte Shinichi das Gespräch belauschen, wenn er denn wirklich gewollt hätte. Seine Sinne waren fein genug, mit ein bisschen Konzentration hätte er es vermutlich geschafft mitzuhören. Aber warum? Was würde er davon haben ein Gespräch von Sonoko und ihrem Onkel zu belauschen? Stattdessen wandte er sich Ran zu und grinste leicht: „Im Kino spielt es einen neuen Film, ein Krimi. Ich hab überlegt ihn mir anzusehen, möchtest du mitkommen?“ „Du weißt das mich Krimis nicht wirklich interessieren“, erwiderte Ran und rollte leicht mit den Augen. Shinichi konnte jedoch genau sehen, dass sie versuchte sich ein Lächeln zu verkneifen. „Aber ich komme gerne mit. Wir waren lange nicht mehr im Kino.“ „Ja, das stimmt.“ „Shinichi Kudo? Ja, der steht neben mir.“ Überrascht sahen Ran und Shinichi zu Sonoko, die die beiden ebenfalls mit einem nachdenklichen Blick betrachtete, immer noch am Telefon mit ihrem Onkel. Ran legte fragend den Kopf schief doch die Erbin zuckte nur leicht mit den Schultern. Dann wandte sie sich wieder etwas ab: „Ja, Ran ist auch hier. Wieso fragst du? ... Oh, wirklich? … Ahhh, das klingt großartig!! Und wann soll- wie? Heute? Uhm, klar, warum nicht. Wann denn? ..jetzt? Oh, okay. Ja, ich denke das sollte gehen. Bis dann, Onkel Jirokichi.“ Sonoko legte auf und ließ das Mobiltelefon in ihre Tasche gleiten. Dann wandte sie sich wieder ihren beiden Freunden zu, die mit fragendem Blick dastanden. „Onkel Jirokichi ist von einer Reise zurück und hat einen ziemlich interessanten Stein gefunden, der im Museum ausgestellt wird. Einen Cordierite.“ „Was ist das für ein Stein?“, harkte Ran nach doch noch bevor Sonoko etwas sagen konnte hatte Shinichi das Wort ergriffen: „Kein sonderlich wertvoller. Er ist bekannt dafür, dass er je nach Lichteinstrahlung verschiedene Färbungen aufweist. Am beliebtesten sind violett-blaue bis blaue Färbungen. Je nachdem wie gut der Schliff ist werden die Farben klarer, aber der größte Stein der je gefunden wurde hat lediglich 5 Karat. Nichts was einer Ausstellung wert wäre.“ „Das sagst du, mein liebe Shinichi Kudo“, erwiderte Sonoko und stemmte die Hände in die Hüften, „Onkel Jirokichi hat mich informiert, dass der Stein von einem Meister seines Faches geschliffen wurde. Der Schliff ist so perfekt, dass der Stein einen Katzenaugeneffekt aufweist. Auch seine Reinheit ist von mehreren Quellen hoch gelobt worden! Das ist vermutlich der teuerste und wertvollste Cordierite der je gefunden wurde!“ Shinichi hob fragend eine Augenbraue an, die Arroganz aus jeder Pore seines Körpers strömend. Er registrierte, wie Sonoko dieses Verhalten wütend machte, wie er sie damit provozieren konnte, aber er schwieg. In Wahrheit war er beeindruckt. Es war nicht einfach von einem Stein, der nicht sonderlich wertvoll war ein so wertvolles Exemplar zu finden, dass es einer Ausstellung würdig wäre. Er würde zu gern einen Blick auf den Stein werfen. „Wann beginnt die Ausstellung? Ich würde ihn mir gern ansehen“, warf Ran zu seiner Rettung ein. So musste er sich wenigstens nicht selbst die Blöße geben und Sonoko selbst nach dem Datum fragen. Sonoko's Zorn wurde durch Ran's Worte ebenfalls gedämpft und sie wandte sich mit einem breiten Lächeln an ihre beste Freundin: „Morgen! Aber Onkel Jirokichi hat uns eingeladen den Stein heute schon in Augenschein zu nehmen! Er ist gerade im Museum, gemeinsam mit ein paar Polizisten um die Sicherheitsmaßnahmen zu besprechen. Wir können vorbeikommen und ihn uns ansehen.“ „Oh, das wäre großartig“, freute sich Ran und wandte sich gleich an Shinichi, „Du kommst doch auch mit, oder?“ „Wenn es für den alten Suzuki kein Problem ist, klar.“ Sonoko's Lächeln verschwand und sie verzog das Gesicht, wandte sich dann jedoch an den Schülerdetektiv: „Onkel Jirokichi hat mich dezidiert gebeten dich mitzunehmen. Anscheinend will er mit dir über etwas sprechen.“ Das überraschte Shinichi. Seit er wieder der Oberschülerdetektiv war hatte er nicht viel mit dem alten Suzuki zu tun gehabt. Der alte Mann hatte zwar gejammert, dass Conan, der KID Killer, nach Amerika gegangen war, aber er hatte es hingenommen und war selbst wieder auf Reisen gegangen. Shinichi selbst hatte noch nie mit Jirokichi zusammengearbeitet, also würde dieser ihn wohl kaum wegen seinen Fähigkeiten als Detektiv anheuern wollen. Oder? „Na dann, gehen wir doch gleich hin!“, unterbrach Ran seinen Gedankengang und mit neuer, überschwänglicher Energie machte sich die Gruppe auf den Weg.   Shinichi war überrascht zu sehen, wie groß das Polizeiaufgebot war, als sie beim Museum ankamen. War der Stein etwa tatsächlich so wertvoll, dass so viele Männer nötig waren? Oder plante der alte Suzuki schon wieder irgendwas Dummes? Der Detektiv fühlte sich in seinem Verdacht bestätigt als er Nakamori im Inneren des Museums antraf. Also hatte Suzuki doch vor Kaitou KID ein weiteres Mal herauszufordern. „Oh, Sonoko, da bist du ja!“, freute sich der alte Mann, als er seine Nichte sah und kam sofort freudestrahlend auf die kleine Gruppe zu. Nakamori wirkte keineswegs begeistert davon, dass noch mehr unautorisierte Besucher das Museum betraten, aber er schwieg. Der Bereich, in dem sie sich befanden war für reguläre Besucher ohnehin nicht zugänglich, da die Ausstellung rund um das neue Exponat erst am Wochenende starten würde. Die paar Zivilisten würde Nakamori ja wohl doch noch im Auge behalten können. „Onkel Jirokichi! Danke für die Einladung, ich finde es großartig das wird den Stein schon vorab sehen dürfen!“ Der alte Mann lachte: „Keine Ursache, keine Ursache.“ Dann wandte er sich Ran und Shinichi zu. „Es ist schön dich wiederzusehen, Ran-chan. Und du musst der berüchtigte Meisterdetektiv des Ostens sein, Shinichi Kudo. Man hört ja nur Gutes über dich!“ „Tatsächlich?“, Shinichi schmunzelte leicht und schüttelte die Hand des Mannes. Es war irgendwie befremdlich sich noch mal vorzustellen, wo er doch eigentlich schon sehr vertraut mit dem Mann gewesen war. Aber das war eben Conan gewesen und nicht Shinichi. „Natürlich! Der KID Killer hat immer von dir gesprochen. Shinichi-niichan hier, Shinichi-niichan da. Er meinte, er hat alles, was er weiß von dir gelernt, darum bin ich gespannt was der Lehrmeister des Killers selbst so auf dem Kasten hat.“ Shinichi überkam ein ungutes Gefühl, doch als Jirokichi deutete ihm zu folgen tat der Schülerdetektiv dies auch. Sie traten an eine Vitrine heran in welcher ein etwa faustgroßer, dunkelvioletter Stein lag, welcher in verschiedenen Spektren der Farbe Violett schimmerte. „Ist er nicht wunderschön?“, fragte der alte Mann andächtig und Shinichi nickte leicht. Dann hob er den Blick und sah Jirokichi direkt an. „Sonoko meinte, der Stein hat einen Katzenaugeneffekt, aber davon sehe ich nichts. Ist es der Schliff?“ Der alte Mann grinste selbstzufrieden, nickte jedoch. Er fischte aus der Tasche seines Blazers ein paar Baumwollhandschuhe, welche er sich überzog ehe er die Vitrine öffnete. „Der Mann, der den Stein bearbeitet hat, hat sein Leben darauf verwendet den perfekten Cordierite zu schaffen, der so wertvoll sein wird, dass er es in ein Museum schafft. Er hat viele andere Steine geschliffen und eine ganz einzigartige Technik dabei entwickelt. Das Farbspektrum, in welchem dieser Stein sich bewegt ist größer als es üblich ist.“ Shinichi wurde neugierig. Natürlich war er kein Experte, wenn es um Edelsteine ging, aber soweit er wusste war das Spektrum, in welchem dieser Stein seine Farbe wechseln konnte, je nach Schliff, beschränkt. In Jirokichi's Händen wirkte er genauso wie in der Vitrine, dunkelviolett, mit verschiedenen Facetten und Reflexionen. „Sieh zu, was passiert, wenn wir ihn der Sonne aussetzen“, hauchte der alte Suzuki mit andächtiger Stimme und entfernte sich ein paar Schritte von der Vitrine. Shinichi folgte ihm und beobachtete, wie der Mann den Stein gegen das Sonnenlicht hob. Das Violett verschwand und der Stein nahm eine neue Farbe an. Das Tiefblau des Ozeans an seinem sonnigen Tag. Shinichi spürte ein flaues Gefühl im Magen und sein Herz wurde ihm schwer. Der Stein war wunderschön, perfekt geschliffen und funkelte in der Hand des Mannes. Die Farbe erinnerte ihn an die Farbe von Kaito's Augen, die unendlichen Weiten des Meeres, in denen er zu ertrinken drohte. Der Schülerdetektiv senkte den Blick. „Kein Katzenaugeneffekt“, sagte er lediglich trocken. Jirokichi ließ den Stein sinken und lachte auf. Während er sich abwandte und den Stein wieder in der Vitrine verstaute sprach er zu dem Oberschüler: „Gut beobachtet. Aber die blaue Farbe ist auch nicht das, was den Stein besonders macht.“ „Und was ist es dann?“ Als der alte Mann sich umdrehte und die Handschuhe auszog zierte ein breites Grinsen sein Gesicht. „Es ist das Mondlicht“, erklärte er. „Das Mondlicht macht den Stein so besonders. Wenn man ihn dagegen hält verschwindet das Blau fast gänzlich und nur das Katzenauge bleibt. Das Mondlicht macht ihn zu einem Wassersaphir.“ „Ein Wassersaphir?“, erklang Ran‘s verwirrte Stimme hinter Shinichi doch dieser reagierte nicht. Seine Augen waren vor Überraschung leicht geweitet. „Es gibt einen Meister, der das vollbringt?“, fragte er, beinahe ein bisschen entsetzt. „Ein Schliff, der bei Mondlicht aus dem Cordierite einen Wassersaphir macht?“ Jirokichi nickte. „Das macht den Stein so wertvoll. Und das macht das blaue Prisma auch zur perfekten Beute.“ Ein ungutes Gefühl machte sich in seinem Magen breit, aber noch bevor Shinichi etwas sagen konnte war auch schon Inspektor Nakamori an seiner Seite: „Suzuki-san, Sie müssen die Idee aufgeben! Kaitou KID herauszufordern geht nie gut, er wird den Stein stehlen und dann haben wir den Salat!“ Also hatte der Detektiv recht gehabt mit seinem Verdacht. Jirokichi wollte KID erneut herausfordern. „Tch, Inspektor Nakamori, wenn ich Sie erinnern darf befinden sich, dank Conan, alle Edelsteine aus jeder Herausforderung immer noch in meinem Besitz!“ „Ja, aber der kleine Knirps ist nicht da! Wie können Sie also sicher sein, dass Sie auch diesmal gewinnen werden!?“ „Weil wir diesmal jemand noch besseres als den KID Killer auf unserer Seite haben“, erwiderte der alten Mann selbstsicher und drehte sich mit einem breiten Grinsen zu Shinichi. „Shinichi Kudo, der Mann, der Conan alles beigebracht hat.“ Auch Inspektor Nakamori wandte seinen Blick zu Shinichi. Die beiden kannten sich natürlich, hatten schon mehrfach zusammengearbeitet, hatten bereits mehrfach versucht KID aufzuhalten. Im Gegensatz zu Jirokichi kannte Nakamori ihn. Doch Shinichi hob abwehrend die Hände: „Ich mach da nicht mit.“ „Huh?“, machten die beiden Männer zeitgleich, überrascht. Jirokichi kam einen Schritt näher: „Was heißt das, du machst da nicht mit?!“ „Ich will mit dieser Herausforderung nichts zu tun haben“, erklärte Shinichi. „Ich habe mich oft genug mit KID gemessen, es reicht. Ich werde nicht dabei helfen den Stein zu beschützen, schon gar nicht wenn Sie vorhaben KID aktiv herauszufordern.“ „Sehen Sie!“, erwiderte Nakamori euphorisch, „Der Junge ist auch dagegen! Also blasen Sie die Sache ab!“ „Das ist unmöglich“, erwiderte Jirokichi, sein Blick streng. „Ich habe die Herausforderung bereits an sämtliche Tageszeitungen weitergeleitet. Sie wird in jeder einzelnen Morgenausgabe in ganz Tokyo zu finden sein.“ Shinichi seufzte. Dann wandte er sich von den beiden Männern ab. „Dann tut es mir leid, Suzuki-san“, seine Stimme war ruhig als er sprach, aber entschlossen. „Ich hoffe, Sie können den Stein beschützen. Ich werde mich an der Jagd nach KID jedoch nicht beteiligen. Danke für die Möglichkeit das blaue Prisma zu sehen, aber ich muss jetzt los.“ Dann schritt er davon. Sonoko und Ran sahen Shinichi überrascht nach. Sie tauschten einen kurzen, vielsagenden Blick aus ehe Ran ihrem besten Freund nacheilte. Sonoko indes trat an ihren Onkel heran, welcher wirklich betroffen von Shinichi's Abfuhr wirkte. „Keine Sorge, Onkel Jirokichi“, versuchte Sonoko ihn aufzuheitern, „Sobald KID eine Antwort geschrieben hat wird er zurückkommen und mitmischen wollen. Eine Chance auf den Meisterdieb lässt sich Shinichi Kudo garantiert nicht entgehen.“ „Ich hoffe, du hast Recht, Sonoko“, erwiderte Jirokichi und wandte sich wieder dem Inspektor zu. Ran hatte indes den Detektiv eingeholt und versuchte mit ihm Schritt zu halten. Shinichi hatte es nicht eilig, sein Tempo war gemütlich, entspannt, aber sein Gesicht war emotionslos. „Shinichi, warum bist du denn einfach so gegangen?“, fragte sie besorgt. Der Detektiv wandte sich dem Mädchen zu und lächelte. „Jirokichi wollte mich nur als jemandem, der ihm dabei hilft KID zu schnappen, aber die Zeiten sind vorbei. Ich habe Wichtigeres zu tun als einem Möchtegern-Dieb hinterherzujagen.“ „Wichtigeres als Kaitou KID zu schnappen?“, wiederholte Ran überrascht. „Was könnte für den Meisterdetektiv des Ostens wichtiger sein als das?“ „Nun“, Shinichi wandte den Blick ab und hob eine Hand ehe er begann aufzuzählen, „Da wären zuerst mal die Abschlussprüfungen. Dann gibt es noch meinen Umzug nach England. Diverse Mordfälle zu denen ich von Inspektor Megure gerufen werden. Professor Agasa, dem ich doch bitte zur Hand gehen soll bei seiner neusten Erfindung. Und am wichtigsten ist ja wohl Zeit mit meinen Freunden zu verbringen, solang ich noch in derselben Stadt wie sie wohne.“ Shinichi grinste Ran fröhlich an. „Waren das genug Gründe, die gegen KID sprechen?“ Auch Ran konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Ja. Das waren genug.“   Wie Jirokichi es versprochen hatte zierte seine Herausforderung gegen Kaitou KID am nächsten Morgen das Titelblatt sämtlicher Tageszeitungen in der ganzen Stadt. Da Jirokichi nicht wusste wo genau der Meisterdieb lebte war das natürlich der beste Weg um sicher zu stellen, dass er die Nachricht auch sehen würde. Aber natürlich sah nicht nur Kaitou KID die Herausforderung. Auch sämtliche anderen Bewohner von Tokyo bekamen die große Ankündigung direkt ins Gesicht geklatscht. „Der Junge wäre dämlich, wenn er sich auf so eine offensichtliche Falle einlässt“, kommentierte Akihito und schlug die Zeitung auf. Er saß zusammen mit Miyoko und Shinichi beim gemeinsamen Frühstück. Natürlich sparten sich die Vampire ein großes, familiäres Frühstück, da sie eine Blutkonserve schnell mal im Vorbeigehen leer tranken, aber Shinichi genoss es morgens wenigstens für ein paar Minuten mit den anderen Zusammen zu sitzen, bevor jeder seiner Wege ging. Es war etwas, dass er nicht mehr allzu oft getan hatte, seit er wieder den Körper von Shinichi zurückbekommen hatte. Als Oberschüler, der alleine Zuhause lebte, war gemeinschaftliches Frühstücken etwas Ungewohntes. Aber er genoss es. „Er wird sich auf jeden Fall auf diese Herausforderung einlassen. Er ist zu stolz um sie zu ignorieren“, erwiderte Shinichi und blätterte durch den Sportteil, welchen Akihito ihm gereicht hatte. Wirklich interessante Ergebnisse gab es jedoch nicht zu lesen. „Was hast du heute noch so vor, mon chéri?“, wandte sich die rothaarige Schönheit an den Oberschüler. Shinichi legte die Zeitung, die er gelesen hatte zur Seite und lächelte sie an: „Ran und ich gehen ins Aquarium. Sie haben ein paar neue Fische bekommen, die sie sich unbedingt anschauen möchte.“ „Wäre es nicht besser, wenn du dich noch etwas hinlegst?“, fragte Miyoko besorgt. „Akihito und du, ihr wart gestern die ganze Nacht auf um die Suche nach diesen seltsamen Männern in Schwarz voran zu treiben. Du musst komplett erledigt sein.“ Sie wusste, dass sie Recht hatte. Sie konnte Shinichi ansehen, dass er nichts gegen ein paar Stunden Schlaf einzuwenden hatte, aber der Oberschüler winkte nur grinsend ab: „Mir geht's gut, mach dir keine Sorgen.“ „Was wirst du wegen KID unternehmen?“, fragte Akihito und ließ die Zeitung sinken. Shinichi sah den Weißhaarigen an. Akihito's Blick war ernst, aber auch voller Neugierde. „Nichts“, erwiderte er und gab den Sportteil an den Besitzer der Tageszeitung zurück. Dann erhob er sich langsam: „Ich habe keine Zeit für so was.“ „Keine Zeit?“, Akihito klang amüsiert. „Das ist eine ziemlich miese Ausrede. Was ist der wirkliche Grund, dass du nicht hingehst?“ Shinichi schwieg, also beantwortete Akihito sich seine Frage selbst: „Ist es, weil er dir geschrieben hat, dass er Zeit braucht? Dass er sich bei dir meldet, sobald er sich über alles im Klaren ist? Wartest du tatsächlich immer noch darauf, dass er sich zuerst meldet?“ Shinichi ballte die Hand zur Faust, schwieg jedoch weiterhin. „Junge, geh doch einfach zu ihm und rede mit ihm!“, forderte Akihito. Er ließ seine Hände mit der Tageszeitung sinken und richtete sich etwas auf, mit geradem Rücken, wodurch er selbst sitzend eine ziemlich eindrucksvolle Statur abgab. „Il faut donc provoquer l‘occasion qui ne présente pas elle-même.” Shinichi sah Miyoko überrascht und sichtlich verwirrt an. Akihito schmunzelte und erklärte: „Ein Sprichwort. Frei übersetzt bedeutet es: Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg gehen.“ „Ihr meint also, ich soll hingehen und mit ihm reden?“ Die beiden Vampire nickten und Shinichi seufzte auf. „Das wird nicht passieren“, murmelte er und schnappte sich sein Mobiltelefon, welches vor ihm auf dem Tisch lag. Er steckte es ein und zog sich noch eine Jacke über. Schnell wickelte er sich Ran's Schal um den Hals und wollte schon das Apartment verlassen als er noch einmal innehielt: „Das, was zwischen ihm und mir war, ist vorbei. Er hat seine Wahl getroffen und ich meine. Für einen Menschen und einen Vampir gibt es keine Zukunft.“ Dann verließ der Oberschüler das Apartment. Akihito und Miyoko tauschten einen kurzen Blick aus. „Nur zusehen?“, fragte Akihito und hob langsam eine Augenbraue an, „Kein einmischen?“ „Vergiss, was ich gesagt habe“, murmelte die junge Frau und erhob sich von ihrem Stuhl. Mit ein paar schnellen Schritten war sie bei der Garderobe und warf sich ihre Jacke über. „Ich geh zu ihm und rede mit ihm.“ „Ich komme mit“, erwiderte der Weißhaarige und legte die Zeitung zur Seite. Er erhob sich von seinem Stuhl, aber da war auch schon seine Gefährtin bei ihm und legte ihm behutsam eine Hand auf die Schulter. „Nein“, ihre Stimme war sanft, aber entschlossen. „Du bleibst hier und ruhst dich aus. Du tust schon genug für Shinichi, indem du ihm dein Versprechen gegeben hast diese gefährliche Organisation auszuschalten. Überlass dieses kleine Gefühlschaos mir.“ „Bist du dir sicher?“, sie sah ihm an, dass er nicht glücklich darüber war sie alleine gehen zu lassen, „Was ist, wenn wir es nur schlimmer machen als es ist?“ „Das werden wir nicht.“ Miyoko's Augen glänzten vor Freude. „Ich war in ihren Köpfen, Aki. Vertrau mir, ich gebe ihnen nur einen kleinen Schubs. Sie sollen sich wenigstens aussprechen bevor sich ihre Wege trennen, sonst wird Shinichi es für immer bereuen. So wie du und Shigure…“ Akihito verzog das Gesicht. Sie hatte einen wunden Punkt getroffen, dass wusste sie, aber es musste sein. Er musste verstehen, wie wichtig das war, nicht für ihn, nicht für sie, aber für Shinichi und sein Leben als Unsterblicher. Die Anspannung verließ seinen Körper und er schüttelte grinsend den Kopf: „Gegen dich komme ich einfach nicht an. Gut, dann gibt dein Bestes und wasch dem Bengel den Kopf. Ich kann es nicht ertragen Shinichi noch länger leiden zu sehen.“ Miyoko nickte. Sie gab ihrem Gefährten einen kurzen, flüchtigen Kuss ehe sie sich abwandte und das Apartment verließ.   Sie war zwar nur einmal dort gewesen, aber Miyoko erinnerte sich an den Weg zu Kaito's Haus. Sie stand vor seiner Tür und klingelte, bereits zum dritten Mal, doch niemand rührte sich. Das Haus lag ruhig da, aber das musste nichts heißen. Wenn Kaito sie gesehen hatte und nicht mit ihr sprechen wollte, dann musste er lediglich still sitzen bleiben und sie würde nicht wissen ob er da war oder nicht. Nach einigen Minuten des Wartens wandte Miyoko sich schließlich ab und entfernte sich von der Haustür, ein schweres Seufzen auf den Lippen: „Wo bist du nur, Kuroba-kun…“ „Huh? Suchen sie etwa Kaito-kun?“ Überrascht hob die junge Frau den Kopf. Natürlich war sie nicht wirklich überrascht. Sie hatte die Anwesenheit des Mannes gespürt und geschmeckt, aber Menschen reagierten immer gleich mit Misstrauen, wenn man sich ihnen gegenüber unnatürlich verhielt. Also täuschte Miyoko Überraschung vor. „J-Ja“, ihre Stimme überschlug sich leicht doch sie fasste sich schnell wieder und verbeugte sich leicht. „Mein Name ist Miyoko Roux, ich arbeite in dem Krankenhaus, in dem Kuroba-kun letztes Jahr im Dezember war. Er hat seinen Kontrolltermin letzte Woche nicht eingehalten also wollte ich nach ihm sehen.“ „Oho?“, der Mann mit dem Schnauzbart war überrascht. „Mein Name ist Ginzou Nakamori. Es ist sehr aufmerksam von Ihnen nach dem Jungen zu schauen. Es ist selten, dass Ärzte ihren Patienten nachlaufen, wenn diese einen Termin verpassen.“ Miyoko blinzelte überrascht. Dann lächelte sie. „Der berühmte Inspektor Nakamori, Leiter der KID Task Force?“ „W-Woher wissen Sie das?!“, war es nun an Nakamori überrascht zu sein. Miyoko lachte: „Ich bitte Sie, Inspektor. So jemand Bekanntes wie Sie kennt man doch. Gerade vorhin erst habe ich mit meinem Mann über KID's nächsten Raubzug gesprochen. Jirokichi Suzuki's Herausforderung an den Dieb ist ja schwer zu übersehen.“ Das war dann wohl der wunde Punkt des Mannes, denn Nakamori verschränkte die Arme vor der Brust und grummelte vor sich hin. Schnell wechselte er das Thema: „Warum machen Sie sich die Mühe hierher zu kommen und nach Kaito zu sehen? Nur weil er seinen Kontrolltermin versäumt hat?“ „Der Junge erinnert mich an meinen Neffen, wissen Sie? Ich kann meine Sorge um ihn einfach nicht abstellen. Sie wissen nicht zufällig, wo er sich gerade aufhält?“ Die Haltung des Inspektors entspannte sich etwas und er rieb sich nachdenklich das Kinn: „Meine Tochter hat etwas von Billard spielen geredet. Vermutlich sind sie im Blue Parrot, das ist eine Billardbar nicht weit von hier. Die beiden verbringen öfter mal ihre Freizeit dort.“ Miyoko nickte leicht und bedankte sich für die Auskunft. Dann wandte sie sich ab und ließ den Inspektor in der Straße stehen. Er war ein guter Mann, das hatte sie ihm ansehen können. Er kümmerte sich um Kaito und sorgte sich um den Jungen. Wie eine Familie. Das würde ihm helfen, wenn Shinichi erst das Land verlassen hatte, dessen war sich Miyoko sicher. Das Blue Parrot war tatsächlich nicht sonderlich weit vom Haus des Jungen entfernt und, im Gegensatz zum Carpe Noctem, wirkte es schon von außen sehr einladend. Als sie das Lokal betrat fiel ihr jedoch sofort der Mangel an Fährten auf. Anscheinend befanden sich nicht viele Gäste in diesem Etablissement. Sie öffnete die Tür, welches in den Gastraum der Billardbar führte und wurde von dämmrigen Licht und sanfter Swing-Musik begrüßt. Ihr Blick wanderte über die Bar, wo ein älterer Herr stand, der gerade dabei war ein Glas zu polieren über die dezente aber geschmackvolle Einrichtung des Lokals. Das Geräusch eines am Boden aufschlagenden Köö zog ihre Aufmerksamkeit auf sich und ihr Blick fiel auf einen der Tische etwas näher bei den Fenstern. Dort stand ein hübsches, junges Mädchen, etwa im Alter von Shinichi und Kaito, mit langem, schokoladenbraunen Haaren und einem süßen, runden Gesicht. Der blumige Duft ihrer Fährte wehte Miyoko entgegen und ein leichtes Prickeln in ihrem Nacken verriet ihr, dass das Mädchen genau die richtige Blutgruppe hatte. Dann glitt ihr Blick zu dem Jungen neben ihr, die Augen vor Schreck geweitet, die leere Hand in der Luft, seine Stimme überschlug sich fast als er ihre Namen sagte: „Miyoko?!“ Sie lächelte leicht und kam langsam näher. „Hallo, Kaito-kun.“ „Kaito“, wisperte das braunhaarige Mädchen doch Miyoko hörte ihre Stimme so klar und deutlich als würde sie in normaler Lautstärke sprechen, „Du kennst diese schöne Frau?“ „Was?! Uh-uhm, ja. Sie arbeitet im Krankenhaus“, stotterte der Magier verwirrt und hob den Köö, den er fallen hat lassen wieder hoch. Als Miyoko vor ihm stehen blieb sah er sie an, der Blick verwirrt und voller Zweifel: „Was machst du hier?“ „Du hast deinen Kontrolltermin verpasst, mein Lieber“, erwiderte die junge Frau neckend. Das Mädchen war verwirrt und auch über Kaito's Kopf schienen die Fragezeichen zu schweben. Miyoko lächelte jedoch nur: „Wir müssen reden. Hast du ein paar Minuten für mich?“ Kaito zögerte etwas. Er warf einen kurzen Blick auf seine Begleitung, aber die schien das stumme Signal zu verstehen. Sie verschränkt die Arme hinter dem Rücken und lächelte die beiden an: „Ich setz mich zu Jii-chan an die Bar.“ Miyoko beobachtete, wie das Mädchen sich wegbewegte und an der Bar auf einem der Barhocker Platz nahm. Der alte Mann kümmerte sich sofort darum ihr ein Getränk zu servieren. Dann wandte die rothaarige Schönheit sich wieder an Kaito und bedeutete ihm zum Fenster am anderen Ende des Lokals zu folgen, weit weg von den beiden Menschen. Als sie das Ende des Raumes erreicht hatten lehnte der Magier sich gegen die Wand und steckte die Hände in seine Hosentaschen: „Wie kann ich dir helfen, Miyo?“ Sie musterte das Gesicht und die Haltung des Jungen, aber natürlich, sein Pokerface saß perfekt und es war schwer ihn zu lesen. „Hast du heute schon die Zeitung gelesen?“, fragte sie und versuchte ihren Ton dabei beiläufig klingen zu lassen. Überrascht hob der Magier eine Augenbraue an. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihn darauf ansprechen würde. „Findest du nicht auch, dass Kaitou KID ziemlich dumm wäre, wenn er in eine so offensichtliche Falle tappt?“ „Es wäre nicht das erste Mal, dass er eine Herausforderung von dem alten Suzuki annimmt und ihn komplett bloßstellt“, erwiderte Kaito und zuckte leicht mit den Schultern. Miyoko konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er war immer noch genauso frech wie erwartet. Dann verschwand das Lächeln und ihre Miene wurde ernst. „Wie lange willst du ihn noch warten lassen, Kaito-kun? Wie lange muss er noch auf deine Gnade hoffen?“ Es war nur minimal, für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar, aber Miyoko war kein Mensch. Sie war ein Tier, ein Jäger, mit Sinnen so fein, dass sie ihre Beute selbst in tiefster Dunkelheit ausmachen konnte. Das Zucken, welches dank ihrer Worte durch seinen Körper lief blieb ihr nicht verborgen und das wusste er. Kaito lockerte seine Haltung und senkte den Blick etwas. Fühlte er sich schuldig? „Das ist nicht… ich wollte nicht…“, begann er, aber es wirkte fast so als würde er nicht die richtigen Worte finden. Wollte er sich rechtfertigen? Sein Verhalten erklären? Kaito wusste, dass das unnötig war. Er musste sich ihr nicht erklären. Er musste sich Shinichi erklären. „Erlöse ihn“, bat sie, und ihre Stimme klang dabei so sanft, so liebevoll. „Egal, wie deine Entscheidung ausfällt, ich werde dich dafür nicht verurteilen. Niemand wird das. Aber so, wie es jetzt ist geht es nicht weiter. Er wartet, er hofft und er leidet. Ich ertrage es nicht ihn so zu sehen, verstehst du?“ „Ich… j-ja. Ja, ich verstehe das.“ Kaito gab es auf seine Gefühle vor ihr zu verstecken und verzog seinen Mund, so als hätte er Schmerzen. Er zog eine Hand aus der Hosentasche und rieb sich die Stirn. „Ich werde mich bei ihm melden. Ich denke… ich denke, dass es Zeit wird das wir reden. Aber ich weiß nicht ob Kaito Kuroba das kann. Ich weiß nicht ob Kaito Kuroba stark genug dafür ist. Darum… darum wird KID mit ihm sprechen, ihm alles erklären. Das macht es einfacher.“ Miyoko verstand. KID war seine Maske, sein Schutzmantel. Alles, was ihn persönlich schmerzte, ihn jagte, ihm Angst machte, all das konnte er hinter sich lassen, wenn er sich seiner zweiten Persona hingab, seinem zweiten Ich, dem selbstbewussten Magier, dem Meisterdieb, dem alles gelang. „Es ist egal, wer von euch beiden mit ihm spricht. Ihr seid ihm beide wichtig. Er macht keinen Unterschied.“ Kaito nickte, doch er vermied es immer noch Miyoko anzusehen. Sie bedachte ihn mit einem liebevollen Blick. Dann trat sie näher an ihn heran und strich sanft über seinen Kopf. „Danke, mon chéri“, wisperte sie leise und Kaito riss überrascht den Kopf hoch, starrte Miyoko verwirrt an. Doch die Vampirdame lächelte nur und zwinkerte ihm kurz zu ehe sie sich abwandte und die Bar wortlos wieder verließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)