Ai no Scenario von Listle ================================================================================ Kapitel 14: ------------ Shinichi’s Kopf schmerzte fürchterlich, was wohl daran lag, dass er zu viel hatte, über das er nachdenken musste. Der Tag im Tropical Land mit Ran und Sonoko war eine großartige Idee gewesen, da er endlich die Möglichkeit gehabt hatte sich zu entspannend und abzuschalten. Von dem Moment an, als er jedoch nach Hause gekommen war, war erneut Chaos über ihn hereingebrochen. Er hatte natürlich, sobald er von dem Ankündigungsschreiben gehört hatte, Kaito eine Textnachricht geschickt. Shinichi war klar, dass Kaito ein Ziel verfolgte, dass er einen ganz bestimmten Stein namens Pandora suchte und er deshalb nicht einfach aufhören konnte mit seiner Tätigkeit als Kaitou KID. Aber Shinichi hatte gedacht, dass die Dinge jetzt anders standen, wo er doch Bescheid wusste. Dass Kaito ihm schon vorab Bescheid geben würde. Nicht nur, weil Shinichi ein Geheimnisträger war. Kaito war immer noch in Gefahr, es konnte immer noch sein, dass Bram sich auf ihn stürzte, ihn jagte. Shinichi hatte gehofft, dass der Dieb keine Dummheiten machen würde, dass er nichts Unüberlegtes anstellen würde ohne sich vorher mit dem Vampir abzusprechen. Dass er, ohne Shinichi einzuweihen eine Ankündigung ausschickte überraschte den Detektiv etwas. Aber auf der anderen Seite stellte sich Shinichi die Frage, ob es Kaito’s Pflicht war ihm Bescheid zu sagen. Die beiden hatten zwar einiges zusammen erlebt, aber hatte der Detektiv vielleicht doch zu viel hineininterpretiert? Oder dachte Kaito, dass alle Rechnungen beglichen waren, und sie sich nichts mehr schuldeten? Eigentlich sollte Shinichi sich aus dem Überfall raushalten. Inspektor Megure hatte ihn zwar gebeten am nächsten Tag beim Präsidium vorbei zu schauen um einen Blick auf die Ankündigung zu werfen, aber hatte Shinichi Kaito nicht versprochen seinen Vorteil nicht zu nutzen, sich aus den Raubzügen rauszuhalten? Natürlich war der Detektiv nicht begeistert davon, dass Kaito stahl. Ein Verbrechen blieb ein Verbrechen, egal was die Gründe dafür waren, aber anstatt das er auf Kaito einredete, wollte er dem Ganzen einfach den Rücken kehren und sich auf die Mordfälle konzentrieren, zu denen er immer noch als Berater hinzugezogen wurde. Shinichi beschloss für sich, dass er der Polizei zwar helfen würde, die Ankündigung zu entschlüsseln, sich jedoch sonst nicht weiter einmischen würde. Doch Shinichi’s Entschluss begann zu wanken, nachdem er am nächsten Tag das Präsidium besucht hatte. Kaito hatte nicht auf seine Nachricht reagiert, hatte es nicht für nötig befunden ihm zu antworten. Also schickte ihm Shinichi eine weitere Nachricht. Eine Bitte sich bei ihm zu melden, ihm zu erklären warum er nicht über seine Pläne Bescheid gegeben hatte, eine Warnung, dass es zu gefährlich war mit Bram immer noch auf der Flucht. Doch auch nachdem Shinichi mit Inspektor Nakamori die verschiedenen Einbruchs- und Fluchtmöglichkeiten im Museum durchgegangen war, auch nachdem sie einen groben Plan entworfen hatten wie sie das Museum sichern konnten, auch da hatte Kaito auf seine Nachricht nicht reagiert. Der Vampir wurde unruhig. Ignorierte ihn der Dieb mit Absicht oder war ihm etwas zugestoßen? Eine kurze Textnachricht an die Zwillinge brachte Sicherheit, dass Kaito seine Nachrichten ignorierte. Er war in einer Billard-Halle, dem Blue Parrot, wie sie ihn informierten. Kaito verbrachte viele seiner Nachmittage dort, wie Shinichi über die letzten Tage hinweg feststellen musste. Und laut den Zwillingen schien es ihm auch gut zu gehen. Warum aber ignorierte Kaito ihn dann? Für den Bruchteil einer Sekunde zog der Detektiv es in Erwägung, bei Kaito vorbei zu schauen. Ihn persönlich zu konfrontieren. Doch als er am Abend mit Akihito und Miyoko sprach rieten diese ihm davon ab. „Solange Bram noch in der Stadt sein Unwesen treibt und auf der Jagd nach uns ist, ist es zu gefährlich, wenn du zu ihm gehst“, hatte Akihito ihn gewarnt. „Du ziehst Bram’s Aufmerksamkeit auf den Jungen.“ „Das Beste, das uns passieren kann“, hatte Miyoko mit sanfter Stimme hinzugefügt, „ist, dass der Mistkerl auf Kaito vergisst und den Jungen in Ruhe lässt. Dann muss er auch nicht in ständiger Angst vor einem Angriff leben.“ Shinichi wusste, dass die beiden recht hatten, dass es das Vernünftigste war den Jungen nicht unter die Augen zu treten solange Bram noch auf der Jagd war. Aber wenn Shinichi ehrlich zu sich selbst war, dann war das Vernünftigste nicht unbedingt das, was er hören wollte. Es hätte ihm mehr geholfen, wenn seine beiden Vertrauten ihm zugestimmt hätten, wenn sie ihn animiert hätten den Jungen zu besuchen, wenn sie ihm ihren Segen für die Unternehmung gegeben hätten. Aber das hatten sie nicht und damit musste der Schülerdetektiv nun leben. Als er an diesem Abend in seinem Bett lag versuchte er das erste Mal Kaito anzurufen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte, wenn, dann der Dieb ihn angerufen. Shinichi hatte es stets vermieden ihre Freundschaft zu sehr zu vertiefen, eine Verbindung zu einander aufzubauen, die vielleicht auch Ran oder Sonoko hätten bemerken können. Textnachrichten waren unauffälliger, Telefonate waren zu offensichtlich. Aber jetzt, wo er alleine in seinem großen Haus war, wo er alleine in seinem Bett lag und die Decke anstarrte, da machte es keinen Unterschied mehr. Niemand würde etwas davon mitbekommen, niemand würde etwas hinterfragen. Also rief Shinichi Kaito an. Doch dieser ignorierte den Anruf. Seufzend rollte der Vampir sich zur Seite, das Telefon auf dem kleinen Nachtkästchen neben sich. Es waren nur noch zwei Tage Zeit bis zu KID’s Überfall und er wusste nicht was er tun sollte, wenn er Kaito bis dahin nicht erreichen würde. Erschöpft schloss der Schülerdetektiv die Augen, die Energiereserven dank der steten Kopfschmerzen fast vollständig geleert. Er würde Kaito noch bis zum nächsten Tag Zeit geben, und wenn er bis nach dem Unterricht nichts von ihm gehört hatte würde er sich dem Inspektor anschließen und Kaitou KID eine Falle stellen.   Kaito hatte sich nicht gemeldet. Weder hatte er auf Shinichi’s Textnachrichten reagiert, noch hatte er zurückgerufen. Shinichi beschloss es noch einmal zu versuchen bevor er sich selbst auf den Weg zur Schule machen musste, doch wieder wurde sein Anruf nicht angenommen. Ran merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Shinichi war angespannt und ruhig, nicht nur am Morgen sondern auch in der Mittagspause. Er stocherte in seinem Bento herum und sein Blick war so konzentriert, dass es fast wirkte als wolle er den Reis mit bloßen Augen zum Verdampfen bringen. „Shinichi“, sprach sie ihn schließlich an, Sorge in ihrer Stimme, „Was ist denn los mit dir? Du bist den ganzen Tag schon so abwesend.“ Shinichi hob den Kopf und sah Ran fragend an. Er schien erst nicht ganz zu verstehen, dann trat die Erkenntnis auf sein Gesicht und mit ihr ein müdes Lächeln. „Es ist wegen Kaitou KID’s Ankündigung“, gab er offen zu. Er sah keinen Grund darin die Wahrheit zu verheimlichen. Dass seine Unruhe und seine Kopfschmerzen an KID lagen war eine Tatsache. „Wirst du mithelfen ihn zu schnappen?“, wollte Sonoko sofort wissen und Shinichi wusste, dass sie ihre Chance witterte einen Blick auf den mysteriösen Meisterdieb zu werfen. Shinichi nickte leicht. „Die Ankündigung besagt, dass KID nach Ende der offiziellen Besuchszeiten zuschlagen wird“, versuchte der Detektiv der Erbin sofort den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Keine Chance dich einzuschmuggeln, Sonoko. Tut mir leid.“ Enttäuschung breitete sich auf dem Gesicht des jungen Mädchens aus doch Shinichi hatte nur ein Schmunzeln für sie übrig. Stattdessen wandte er sich wieder dem Bento in seinen Händen zu und begann damit zu essen. Als er auch den Nachmittagsunterricht überstanden hatte machte sich der junge Detektiv sofort auf den Weg zum Präsidium. Er machte sich nicht die Mühe Inspektor Nakamori vorab über seine Kooperation zu informieren. Warum sollte er auch? Der Inspektor hatte ihn doch selbst um seine Mithilfe gebeten und wenn Kaito nicht auf dem klassischen Weg seine Kontaktversuche annahm dann würde Shinichi ihn eben dazu zwingen ihm gegenüber zu treten. Solang es Kaitou KID war und nicht Kaito Kuroba dem er begegnete, solange würde Bram auch keinen Verdacht schöpfen. Immerhin war er nur ein Mensch und kein Vampir. Er konnte Kaito nicht anhand seines Geruches erkennen, so wie Shinichi und die anderen Vampire es konnten. Bram würde auf altmodische Art und Weise, durch Deduktion, herausfinden müssen, wer Kaitou KID in Wirklichkeit war. Und nachdem Kaitou KID ihm nichts getan hatte würde es dafür wohl auch keinen Grund geben. Also war ein Gespräch zwischen Kaitou KID und Shinichi Kudo etwas vollkommen Ungefährliches. Inspektor Nakamori war nur milde überrascht als Shinichi am Nachmittag im Präsidium auftauchte. Im Gegenteil, er war erfreut darüber, dass der Detektiv beschlossen hatte mitzuhelfen. Hakuba hatte sich ebenfalls dem Inspektor angeschlossen, ein weiterer Versuch den Meisterdieb zu stellen. Eigentlich wollte Shinichi einen weiteren Royal Flush – so hatte er es das letzte Mal bezeichnet als die zwei Detektive mit den zwei Polizeiabteilungen zusammengearbeitet hatten – vermeiden, da es für KID einfach zu gefährlich wurde. Aber er konnte seine Chance nicht verspielen. Er würde seine geschärften Sinne und Vorteile, die er dadurch gewann nicht nur dafür einsetzen KID ausfindig zu machen, bevor er dem Rubin nahekam, er würde auch dafür sorgen, dass dem Meisterdieb keine Gefahr drohte von der Polizei geschnappt zu werden. Auch, wenn es nicht mit seinen Prinzipien einherging einen Verbrecher flüchten zu lassen, das Tier in ihm konnte es nicht zulassen, dass Kaito etwas geschah. Hakuba war ebenfalls anwesend als er das Präsidium erreichte und motiviert KID zu fangen. Er hatte sich bereits einige Pläne zu Recht gelegt, welche er natürlich sofort Shinichi vorlegte um dessen Meinung zu dem Ganzen einzuholen. Der Vampir war beeindruckt. Hakuba’s Pläne waren gut durchdacht und zeigten die verschiedensten Schwächen in KID’s Vorgehensweisen, welche genutzt werden konnten. Er hatte auch ein großes Wissen, wenn es um vergangene Überfälle ging. Natürlich wusste Shinichi, dass Hakuba gut war. Sonst wäre er früher schon nicht so nahe an den Meisterdieb herangekommen und auch der letzte Plan, welchen er geschmiedet hatte wäre vermutlich gelungen, hätte Shinichi selbst nicht den Plan manipuliert. Shinichi beschloss diesmal enger mit Hakuba zusammen zu arbeiten. Wo er das letzte Mal Großteils Desinteresse gezeigt hatte bemühte er sich diesmal umso mehr, was natürlich auch für den Briten eine willkommene Abwechslung war.   Kaito meldete sich auch die nächsten Tage nicht. Und es machte Shinichi wütend. Er hatte die Zwillinge öfter kontaktiert, als es nötig gewesen war, aber der Report war jedes Mal dasselbe. Kaito Kuroba ging es gut, er besuchte die Schule, er verbrachte Zeit in der Billard-Halle, er hockte Zuhause. Natürlich wusste Shinichi, dass die Zwillinge den Meisterdieb nicht 24 Stunden am Tag beobachten konnten, aber solange er wusste, dass es Kaito gut genug ging um in die Schule zu gehen war er beruhigt. Dennoch war er wütend. Er hatte aufgehört Kaito zu kontaktieren, es hatte ja doch keinen Sinn. Der Meisterdieb wollte nicht mit ihm sprechen, und diesen Wunsch würde er respektieren. Er hatte Hakuba und Nakamori gebeten seine Teilnahme an den Ermittlungen geheim zu halten. Er wollte nicht, dass Kaito darüber Bescheid wusste. Er wollte ihn unvorbereitet treffen, sodass er sich keinen Fluchtplan überlegen konnte. Wobei Shinichi wusste, dass das sowieso nichts bringen würde. Seine reine Existenz als Vampir machte es dem Meisterdieb unmöglich ihm zu entkommen, es sei denn er setzte Silber oder andere Waffen, die wirksam gegen Vampire waren, ein. Und Kaitou KID war kein Mann, der andere verwundete. Shinichi warf einen Blick auf die Uhr. Hakuba und er saßen in einem Café, nicht weit entfernt von dem Museum in dem der Überfall in wenigen Stunden stattfinden würde. Die Polizei hatte die Vorbereitungen bereits getroffen und während Shinichi nach der Schule beschäftigt war, die Suche nach Bram fortzusetzen (es war wirklich nicht einfach mehrere Pflichten parallel zu managen) hatte Hakuba sich um die Vorbereitung der Fallen gekümmert. Jetzt hieß es nur noch warten, bis die Polizei die Besucher aus dem Museum entfernt hatten. „Bist du sicher, dass es dir gut geht? Du bist ziemlich blass um die Nase“, fragte Hakuba erneut, bevor er an seinem Tee nippte. Shinichi seufzte leise, nickte jedoch: „Ich sagte doch schon, dass ist nur der Stress. Sobald wir im Museum sind geht es mir wieder besser.“ „Na, wie du meinst“, murmelte der Brite und stellte seine Tasse ab. Dann fischte er seine Taschenuhr aus der Tasche seiner Jacke und warf einen kurzen Blick darauf. „Das Museum schließt in 11 Minuten und 27 Sekunden und KID sollte in 41 Minuten und 27 Sekunden auftauchen. Wollen wir rüber gehen?“ Shinichi nickte leicht und erhob sich von seinem Platz. Er hatte es vermieden das Museum zu betreten. Dank KID’s Ankündigung waren viel mehr Besucher dagewesen als es normalerweise der Fall gewesen wäre und Shinichi hatte sich nicht satt getrunken. Er hätte es zwar tun können, so wie am Tag als er mit Sonoko und Ran im Tropical Land gewesen war, aber Shinichi machte sich seinen Hunger zu nutzen. Er reagierte sensibel auf Kaito’s Fährte und je hungriger er war, desto leichter würde er sie aufspüren können. Natürlich war das zu vergleichen wie wenn ein Pokerspieler mit gezinkten Karten spielte, aber Shinichi schob seine Bedenken und sein schlechtes Gewissen zur Seite. Er nutzte seine Fähigkeiten ja nicht um KID auszuschalten. Er wollte lediglich eine Chance haben mit dem Jungen zu reden, ohne, dass er davonlaufen konnte oder er einen Vampirjäger auf ihn aufmerksam machte. Und was würde sich besser dazu eigenen als ein Raubzug, angekündigt und geplant von Kaitou KID selbst? Dennoch, mit größerem Hunger als er ihn sonst gehabt hätte und gedanklich abgelenkt hatte Shinichi es vermieden, das überfüllte Gebäude zu betreten. Deshalb hatte er Hakuba gebeten ihn für ein kurzes Update im Café neben dem Museum zu treffen. Dort waren weniger Leute und es war für Shinichi leichter sich zu konzentrieren. Auf dem Weg zum Eingang des Museums kamen ihnen die Menschenmengen entgegen. An der freien Luft war es einfacher die Fährten zu ignorieren und Shinichi begann sich zu konzentrieren. Er wusste nicht, ob Kaito schon da war oder ob er erst zur angekündigten Zeit auftauchen würde. Hakuba’s Erfahrungen mit dem Dieb, und auch Shinichi’s, bestätigten, dass KID’s Erscheinen immer wieder unterschiedlich war. Mal verbrachte er schon den ganzen Tag am Ort des Verbrechens, manchmal brauchten seine Raubzüge wochenlange Vorbereitung und manchmal reichte es am Abend des Raubens mit dem Gleiter auf dem Dach des Gebäudes zu landen und dennoch einen erfolgreichen Raubzug durchzuführen. Aber diesmal würde KID es nicht so leicht haben. Shinichi würde ihn finden, sobald er das Museum betrat. Er würde keinen Moment zögern, sobald er die Fährte des Diebes wahrnahm. Wenn es sein musste würde er den Raubzug schon vorab stören. Das Gespräch konnte nicht warten, er wollte nicht warten. Wer wusste schon, ob und wann er wieder so eine Chance bekommen würde? Shinichi und Hakuba warteten, bis die letzten Besucher hinausgeleitet worden waren. Sie wechselten einen kurzen Blick mit den Polizisten, die die Tür beachten. Nakamori‘s Männer. Nachdem die Männer kurz genickt hatten, ein stummes Zeichen, das alle Zivilisten entfernt worden waren und sich nur noch Mitglieder der Polizei und der KID Task Force im Gebäude befanden betraten die beiden Schüler das Gebäude. Sie machten sich ohne Umschweife auf dem Weg zu der großen Ausstellungshalle im Obergeschoss, wo auch der begehrte Rubin ausgestellt wurde. Shinichi, der bis zu diesem Moment die Luft angehalten hatte, atmete tief durch, kaum, dass er im Inneren des Ausstellungsraumes war. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Der Vampir stolperte einen Schritt zurück und presste die Hand auf seinen Mund. Er tat zwei tiefe Atemzüge ehe er die Atmung stoppte. Sein Blick glitt panisch durch den Raum, doch da war nichts. Nichts Ungewöhnliches. Nichts Besonderes. Da waren Exponate und Gemälde, Smaragde und Diamanten, Schmuckstücke, der Crimson Flower, der Raum war voller Männer der Polizei von Tokyo und Mitglieder der KID Task Force. „Kudo? Ist alles okay?“ Shinichi sah erschrocken zu Hakuba. Der besorgte Blick des Briten brachte den Schülerdetektiv wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Langsam ließ er die Hand, die er immer noch vor seinem Mund hielt, sinken und lächelte. „Ja. Alles in Ordnung, keine Sorge, Hakuba-kun.“ Hakuba zögerte erst etwas, nickte dann jedoch. Er wandte sich von Shinichi ab und setzte seinen Weg fort. Shinichi selbst zögerte ebenfalls erst einen Moment, folgte dem Jungen dann jedoch. Er hatte die Mitte des Raumes erreicht als er es wagte einen weiteren Atemzug zu nehmen. Erneut traf es ihn wie ein Schlag in die Magengrube, doch diesmal war er darauf vorbereitet. Er konnte ihn riechen. Konnte seine Fährte wahrnehmen, konnte ihn beinahe schon schmecken. Shinichi’s Blick wanderte zu seiner Linken. Da war Kaito. Zwei Schritte weiter schoss sein Blick zur Rechten. Jetzt war er dort. Shinichi schmunzelte leicht. Nein, Kaito war nicht hier und war nicht dort. Kaito war überall. Der Vampir öffnete langsam seinen Mund und tat einen tiefen Atemzug. Er hielt inne und blickte zur Decke, ein amüsiertes Grinsen auf den Lippen. „Du Bastard...:“, wisperte er zu Kaito, der sich irgendwo in diesem Raum verstecken musste. Ein Raum, der voll war von seiner Fährte. Ein Raum, den er so präpariert hatte, dass es die Sinne des Vampirs verwirrte. Aber wie hat er es gemacht? schoss es Shinichi durch den Kopf. Er beantwortete sich die Frage selbst. Kaito’s Fährte war nicht frisch. Nicht ausnahmslos. Er konnte ihn riechen, überall in diesem Raum. Kaito musste seine Freizeit genutzt haben sich hier aufzuhalten. Er musste jede freie Minute in diesem Raum, dem Raum in dem der Crimson Flower platziert war verbracht haben, musste die Samtabsperrungen und die Metallverkleidungen, musste die Wände und Türrahmen und den Boden berührt haben, sodass sein Geruch haftenblieb. Shinichi wandte den Kopf leicht zur Seite. Er näherte sich einem roten Samtvorhang, der als Dekoration vor den großen Fenstern angebracht war und berührte ihn behutsam. Da waren Spuren von Kaito’s Blut an dem Vorhang. Alte Spuren. Und frische. Er war vermutlich hier gewesen, auch an diesem Tag, und hatte eine frische Spur gelegt um den Vampir in die Irre zu führen. Es war verrückt, allein die Vorstellung, dass Kaito sich selbst verletzte und sein Blut in diesem Raum verteilt hatte um Shinichi eins auszuwischen. Es war verrückt und genial. Shinichi’s Hunger wuchs. Nicht der Hunger auf Kaito’s Blut, nein. Der Hunger auf den Jungen selbst. Ihm gegenüber zu stehen, in seine ozeanblauen Augen zu blicken, das süffisante Grinsen auf seinen Lippen. Er wollte es ihm vom Gesicht fegen, nicht mit Gewalt, sondern mit Nähe, wollte sein Pokerface von seinem Gesicht reißen, so wie er es immer verlor, wenn Shinichi ihm nahekam, seine Wange berührte, seinen Nacken. Shinichi’s Finger gruben sich in den roten Samt und er musste die Augen schließen. Der Hunger war überwältigend. „Kudo-kun“, erklang die Stimme eines der Polizisten hinter ihm, „Hakuba-kun bittet euch zu ihm zu kommen. KID’s sollte in etwa 23 Minuten hier auftauchen.“ Der Schülerdetektiv seufzte auf und ließ von dem Vorhang ab. Jetzt war keine Zeit im Hunger und der Sehnsucht zu schwelgen. Sie mussten vorbereitet sein, auf KID’s Erscheinen. Das hier war seine einzige Chance.   „Nur noch 4 Minuten und 52 Sekunden bevor KID zuschlägt“, murmelte Hakuba und schloss die Taschenuhr wieder, bevor er sie in seine Tasche gleiten ließ. Er hob den Kopf und sah Shinichi an. Der Schülerdetektiv des Ostens wandte sich von dem Briten ab. „Wo gehst du hin, Kudo?“, wollte Hakuba wissen. Der Vampir hielt noch mal inne und lächelte ihn über seine Schulter hinweg an. „Ich gehe zum Crimson Flower. KID weiß nichts von meiner Anwesenheit, ich möchte ihn, wenn möglich, beim Stehlen des Steins überraschen.“ Hakuba legte die Stirn in Falten und dachte einen Moment lang nach. Es schien fast so als wäre er nicht sehr glücklich über Shinichi’s Idee. Lag das vielleicht daran, dass er immer noch annahm, Shinichi sei beim letzten Überfall KID gewesen? Traute Hakuba ihm auch diesmal nicht? Nun, es wäre verständlich, wenn er misstrauisch wäre. Aber Nakamori hatte an seinem Gesicht gezogen. Und zwar mehr als einmal und so hart, dass es Schmerzhaft gewesen war. Das hatte den Detektiv aus England beruhigt. Shinichi schmunzelte leicht. Er fragte sich, ob Hakuba wusste, dass Shinichi und KID sich so ähnlich sahen, dass KID keine Maske brauchte um ihn zu imitieren. Aber das würde er garantiert nicht ansprechen. „Kudo“, der Schülerdetektiv hielt inne und sah den Briten an. Dieser warf ihm wortlos einen Gegenstand zu, welchen Shinichi natürlich problemlos auffing. Er sah die Gasmaske in seiner Hand an. „Vergiss das nicht.“ Shinichi hob den Kopf und sah Hakuba an, ein leichtes Grinsen auf den Lippen. „Danke, Hakuba.“ Dann wandte Shinichi sich wieder ab und machte sich auf den Weg zum Crimson Flower. Er trat näher an die Vitrine und betrachtete den Rubin. Für einen Laien wirkte der Rubin wie ein ungleich geschliffener Stein, wie ein misslungenes Meisterwerk. Doch wenn der Stein vom richtigen Winkel aus betrachtet wurde, mit dem richtigen Lichteinfall, dann erkannte man, dass die scheinbar ungleich geschliffenen Seiten und Kanten, die der Meister hineingearbeitet hatte in Wahrheit doch die Form einer Blume darstellen sollte. Was dem Stein auch zu seinem Namen verholfen hatte. Crimson Flower. Shinichi wandte sich von dem Stein ab und machte ein paar Schritte zur Seite. Sein Blick wanderte durch den Raum. Sie hatten alle Vorkehrungen getroffen, die zu treffen waren. Sie hatten die Lüftungsschächte versiegeln lassen. Sie hatten sechs Männer auf dem Dach positioniert und zwei an jedem Eingang. Auch die Fenster waren versiegelt, es gab keine Möglichkeit sie aufzubrechen, jedenfalls nicht ohne, dass es auffallen würde. Shinichi atmete durch. Keine Chance. Kaito’s Fährte überlagerte immer noch alles andere in diesem Raum, er konnte nicht erkennen ob der Meisterdieb bereits anwesend war oder nicht. Aber er musste anwesend sein. Er würde keine Möglichkeit haben dieses Museum zu betreten, wenn er nicht bereits anwesend war. Ein weiterer kurzer Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass es sich nur noch um Augenblicke handeln konnte, bevor Kaitou KID zuschlug. Shinichi’s Griff an der Gastmaske versteifte sich etwas und er hob den Kopf, ließ den Blick ein letztes Mal nachdenklich durch den Raum wandern. Und dann geschah es. Von einem Moment auf den anderen fiel das Licht im Museum aus und die Lüftung begann zu arbeiten. Shinichi hörte es noch vor den anderen und hob den Blick nach oben. Die Maschinen waren wie von selbst losgegangen und begannen ein dickes, weißes Gas in das Innere des Museums zu pumpen. Shinichi verzog leicht das Gesicht, er ahnte bereits, was es mit diesem Gas auf sich hatte. Hakuba hatte versucht in KID’s Überfällen ein Schema zu erkennen. Es war nicht leicht gewesen, da der Magier natürlich versuchte jeden Überfall einzigartig zu gestalten aber es gab ein paar Routinen, die sich herauskristallisieren zu schienen. Kaitou KID setzte niemals Schlafgas ein, wenn Zivilisten involviert waren. Er wollte niemanden ausschalten, den er als Publikum ansah. Wenn es jedoch ein Raubzug war, der nur die Polizei involvierte, dann schreckte der junge Magier nicht davor zurück einen ganzen Raum mit Schlafgas zu fluten. Und das war genau, was KID an diesem Abend zu tun gedachte. Der Raum füllte sich mit dem weißen Gas, welches die Polizisten um ihn rum schläfrig machen sollte. Doch Hakuba war vorbereitet gewesen. „Masken aufsetzen“, bellte der Brite durch den Raum und natürlich folgten alle seiner Anweisung. Auch Shinichi zog sich die Maske über das Gesicht, auch wenn er wusste, dass es eigentlich unnötig wäre. Er konnte einfach aufhören zu atmen, dann würde das Gas keinerlei Wirkung auf ihn haben. Shinichi runzelte leicht die Stirn. Er wunderte sich für einen kurzen Moment lang, welchen Effekt das Schlafgas wohl auf seinen Körper haben würde. Er war kein Mensch mehr, er war ein Vampir. Vielleicht würde das Gas gar keine Wirkung haben. Aber er konnte es nicht austesten. Nicht hier und nicht heute. Ein leises Knacken ertönte zu seiner Rechten und er betrachtete den Polizisten, der neben ihn stand. Verwirrt beobachtete er wie der Mann sich erst nicht rührte ehe er langsam zu Boden sank. Weitere Knackgeräusche ertönten von zwei Männern zu seiner Linken und auch sie gingen Augenblicke später zu Boden. Shinichi runzelte die Stirn. Was passierte hier? Es wurde ihm klar, was vor sich ging, als das Knackgeräusch aus nächster Nähe ertönte. Shinichi’s Augen weiteten sich und er zog sich in einer fließenden Bewegung die Gasmaske vom Kopf. Er betrachtete sie eingehend und stellte überrascht fest, dass der Filter im Inneren der Maske zerbrochen war. Shinichi runzelte die Stirn und nahm die Maske in einer schnellen Bewegung auseinander. Ein Schmunzeln schlich sich auf seine Lippen. In der Maske, dort wo der Filter saß, der die Männer davor bewahrte einzuschlafen, war eine Art Sprengvorrichtung angebracht worden. Winzig klein, harmlos für den Träger der Maske. Aber es würde reichen um den Filter zu zerstören und das Gas durch die Maske eintreten zu lassen. Shinichi hob den Blick und sah wie um ihn herum die Männer zu Boden gegangen waren. Die meisten von ihnen waren bereits eingeschlafen und die letzten paar Männer, die es noch schafften, dem Gas zu widerstehen waren auch kurz davor sich ins Land der Träume zu verabschieden. „Kein schlechter Schachzug“, murmelte Shinichi leise und entfernte sich ein paar Schritte vom Crimson Flower. Er wollte nicht sofort von KID entdeckt werden, wenn dieser auftauchte. Wenn KID ihn sehen würde, würde er am Ende noch einen Rückzieher machen oder ihn anderweitig ausschalten. Also wartete Shinichi in der Nähe eines der großen Fenster, halb verdeckt hinter einem der Samtvorhänge und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis die Lüftungsgeneratoren ihre Arbeit stoppten und seltsame Geräusche laut wurden. Anfangs konnte Shinichi sie nicht zuordnen. Dann realisierte er, dass jemand eine der großen Fließen an der Decke entfernte. Einen Augenblick später, das Gas hatte sich inzwischen wieder verzogen, landete eine weißgekleidete Figur elegant auf dem Boden, genau vor der Vitrine die den Crimson Flower beherbergte. „Kinderspiel“, erklang KID’s Stimme in der Dunkelheit des Raumes und Shinichi beobachtete, wie der junge Mann sich übe die Glasvitrine lehnte. Er konnte nicht warten. Wenn er den Stein erst hatte gab es für ihn keinen Grund mehr zurück zu bleiben und Shinichi anzuhören, also machte er einen Schritt aus seinem Versteck: „KID.“ Der weißgekleidete Magier wirbelte herum und fand sich Aug in Aug mit seinem Widersacher. Shinichi versuchte im Gesicht des Jungen zu lesen, aber da war nichts. Sein Pokerface saß perfekt. „Also bist du doch hier, Kudo“, stellte der Meisterdieb mit einem gelangweilten Tonfall fest, „Und wie es scheint nutzt du deinen Vorteil. Hätte ich mir denken können, dass das Schlafgas dich nicht jucken wird.“ Shinichi schritt langsam auf den Magier zu während er sprach: „Ich bin dennoch beindruckt. Du hast meine Sinne komplett verwirrt. Deine Fährte war überall, ich konnte dich nicht finden.“ „Nur, weil du einen Vorteil besitzt, den ich nicht habe heißt das nicht, dass ich dich nicht austricksen kann“, erwiderte KID und zuckte leicht mit den Schultern. Shinichi blieb direkt vor ihm stehen und die zwei sahen sich an. „Wieso bist du wirklich hier?“, KID’s Stimme war emotionslos. Er wusste, dass es dem Detektiv nicht darum ging ihn aufzuhalten. „Kannst du dir das nicht denken?“ Shinichi bewegte sich zu schnell für KID’s Augen und bevor der Magier registriert, was genau passierte, war einer seiner Handschuhe auch schon wieder verschwunden und seine warme Hand lang in der kalten des Vampirs. KID schluckte schwer. Es kostete ihn Mühe seine Gefühle nicht durch sein Pokerface scheinen zu lassen, aber er wollte nicht, dass Shinichi ihn durchschauen konnte, dass er wusste, was der Dieb fühlte. „Was hast du nur getan…“, Shinichi’s Stimme war voller Schmerz und er hob KID’s Hand zu seinem Mund. Behutsam küsste er die Pflaster, die KID an seinen Fingern und Handfläche angebracht hatten. Es waren die Wunden, die er sich selbst zugefügt hatte um sein Blut im Museum zu verteilen. „Ich bin ein Meister meines Faches. Und als solcher gehe ich auch größere Opfer ein, wenn es hilft das Publikum zu blenden“, erwiderte KID trocken. Es fiel ihm schwer sich zusammen zu reißen, sich Shinichi’s Berührungen nicht zu entziehen. Seine Lippen waren kühl gegen die erhitzte Haut des Magiers. Als Shinichi den Kopf hob und Kaito ansah war sein Blick voller Trauer. „Ich möchte nicht, dass du dich meinetwegen selbst verletzt.“ KID schnalzte leicht mit der Zunge und wandte den Blick ab. Es tat ihm weh zu wissen, dass Shinichi seinetwegen traurig war, und das ärgerte ihn. Er war so wütend gewesen auf den Detektiv, so verletzt das er sich nicht gemeldet hatte, dass er ihm erst geschrieben hatte als er die Warnung rausgeschickt hatte. Er hatte gehofft, dass Shinichi Emotionen zeigen würde, wenn sie sich gegenüberstanden, dass es Hinweise gab, dass KID ihm nicht egal war aber jetzt, wo es soweit war, wo sein Wunsch erfüllt wurde fühlte er sich schlecht dabei. Die kalte Hand des Detektivs fand ihren Weg in Kaito’s Nacken und er spürte, wie Shinichi mit den Fingern zart durch seine Haare glitt. Mit sanfter Strenge drehte er den Kopf des Diebes zu sich, sodass sie sich wieder in die Augen sehen mussten. „Wieso hast du mich ignoriert?“, wisperte der Detektiv und beugte sich näher, sodass Kaito seinen Atem hätte spüren müssen, wenn der Vampir geatmet hätte. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“ KID verzog leicht das Gesicht, schaffte es aber nicht den Blick abzuwenden. Er wusste, dass sein Pokerface risse bekam, dass der Schmerz, den er in sich trug langsam aber sicher in seinen Augen sichtbar wurde. Sein Vater wäre enttäuscht, wenn er das wüsste. „Das sagt genau der Richtige…“, zischte der Meisterdieb, was Shinichi’s Mimik minimal entgleiten ließ. Er sah aus, als hätte KID ihn auf frischer Tat beim Stehlen von Süßigkeiten ertappt. Dieser nutzte die kurze Schwäche des Vampirs und entzog seine Hand dem Griff des anderen. Stattdessen krallte er beide Hände in das Hemd des Oberschülers und zog ihn näher, sein Blick wütend: „Die ganze Zeit über bist du mir nahe, berührst mich, nippst von mir, und dann gebe ich dir mein Blut, freiwillig, ohne zu zögern oder zu zweifeln und du verschwindest einfach. Verschwindest mit deinen Leuten und siehst es nicht mal notwendig mir zu Schreiben. Du jagst einem gefährlichen Mann hinterher, der dich beinahe getötet hätte und ich weiß nicht wo du bist, weiß nicht wie es dir geht, du bist einfach weg und du… du meldest dich nicht.“ Kaito’s Schultern zitterten leicht und die Flamme der Wut loderte hoch. Er verkrampfte seine Hände noch fester in das Hemd des Detektivs und er musste gegen das Gefühl in seinen Augen ankämpfen, das verräterische Brennen von Tränen die sich ihren Weg nach außen bahnten. „KID“, Shinichi’s Stimme stockte, anscheinend war er von dem Ausbruch des Jungen überrascht. Doch dann geschah etwas im Gesicht des Vampirs. Sein Ausdruck änderte sich, von Mitleidig zu Ernst und in einer schnellen Bewegung – schon wieder zu schnell um es zu sehen – presste er KID gegen die Vitrine des Crimson Flower. Die Hand in KID’s Nacken stabilisierte seinen Kopf während die andere ihren Weg zu KID’s Kinn fand, welches er fast schon ein wenig grob umfasste, sodass der Dieb sich nicht wegdrehen konnte. „Deshalb hast du meine Anrufe ignoriert?!“, zischte er gegen die Lippen des weißgekleideten Magiers, „Deswegen auf meine Nachrichten nicht geantwortet? Weil du sauer warst, dass ich mich nicht gemeldet habe?“ Kaito’s Herz raste. Er hatte Shinichi noch nie wütend gesehen, nicht auf ihn. In den saphirblauen Augen flackerte etwas auf, etwas Vertrautes und ein Gefühl der Wärme begann sich in seinem Körper breit zu machen. KID hielt die Luft an, sein Blick starr auf das Gesicht des Detektivs geheftet. „Ich wollte dich beschützen“, Shinichi beugte sich nahe, ganz nahe, sodass ihre Gesichter nur Millimeter voneinander entfernt waren, „Ich wollte dich aus der ganzen Sache raushalten. Dir sollte nichts passieren. Wenn ich mit dir geredet hätte, mit dir Zeit verbracht hätte, dann wäre Bram doch nur auf dich Aufmerksam geworden. Ich konnte dich diesem Risiko nicht aussetzen.“ KID verzog das Gesicht: „Warum…“, begann er langsam, stockte dann jedoch in seinen Worten. Warum warst du dann mit Ran Mori im Tropical Land? Warum kannst du Zeit mit ihr verbringen, aber nicht mit mir? Warum gelten für sie nicht dieselben Regeln wie für mich? Warum? Shinichi verzog das Gesicht leicht. KID hatte seine Frage nicht ausgesprochen und er wusste nicht, was genau die Frage bedeutete. Was das Warum war, auf das KID eine Antwort wollte. Aber er wusste, dass er nicht mehr dazu kommen würde, denn an den verschlossenen Türen zu diesem Raum wurde plötzlich Tumult laut. Sofort stolperten KID und Shinichi ein paar Schritte auseinander, beider Blicke starr zur Tür gerichtet. Dann wandte sich der Detektiv wieder an den Dieb. „Geh.“ KID verzog das Gesicht: „Ich werde nicht gehen. Das Gespräch ist noch nicht beendet.“ Aber Shinichi war das egal. Er konnte die Sicherheit des Meisterdiebes nicht gefährden, also wandte er sich ab. „Sie werden die Tür gleich aufgebrochen haben. Entweder du nimmst den Crimson Flower und verschwindest oder sie werden dich hier schnappen.“ „Und was hast du vor?“, fragte KID nach einer Weile und beobachtete, wie Shinichi seine Maske in die Hand nahm und sich überzog. Dann setzte er sich bequem auf den Boden. Nachdem er fertig war hob er den Kopf und drehte sein Gesicht in Richtung des Diebes, doch KID konnte seine Mimik durch die Maske nicht erkennen: „Ich schlafe, was sonst? Immerhin hast du den Raum mit Schlafgas gefüllt.“ Dann entspannte sich der Körper des Detektivs und sein Kopf sank auf seine Brust. Sein Oberkörper hob und senkte sich langsam und es sah tatsächlich aus als würde er nur schlafen. KID wollte noch etwas sagen, wollte die Sache nicht so im Raum stehen lassen, doch die Geräusche an der Tür wurden gefährlich laut. Also wandte er sich von Shinichi ab und entfernte die Vitrine des Rubins, ehe er sich diesen schnappte und flüchtete, genau in dem Moment als die Tür aufging und die restlichen Polizisten in den Raum strömten. Alles, was sie sahen war ein weißer Umhang, der durch das Loch in der Decke entschwand.   Shinichi rührte sich nicht, als die Polizisten den Raum stürmten. Das Gas hatte sich inzwischen verzogen, aber die Männer schliefen noch, ihre Gasmasken tragend. Doch auch, wenn er die Augen geschlossen hatte und sich nicht bewegte, seine Sinne halfen ihm die Geschehnisse um sich herum wahrzunehmen. Wie die Polizisten besorgt zu ihren Vorgesetzten und Kollegen stürmten. Wie sie diese behutsam an den Schultern rüttelten um sie aufzuwecken. Wie einer nach dem anderen langsam aus seinem Schlummer erwachte. Shinichi ließ sich Zeit. Er wollte keinen Verdacht auf sich ziehen, indem er zu schnell aus seinem vermeintlichen Koma erwachte, also wartete er bis auch er sanft von einem Polizisten wachgerüttelt wurde. Er ließ sich von dem Mann auf die Beine ziehen und zog sich fahrig die Gasmaske vom Kopf. Verwirrt sah er sich im Raum um. Nakamori war bereits bei der leeren Vitrine angekommen und auch Hakuba war, benommen vom Schlafgas, auf dem Weg dorthin. Shinichi entschied sich den beiden Gesellschaft zu leisten. Die Polizisten, die versucht hatten KID zu verfolgen kehrten langsam aber sicher zurück. Anscheinend waren die Männer auf dem Dach ebenfalls ausgeknockt worden und der Meisterdieb hat sich mit seinem Gleiter davongemacht. Für die Polizisten blieb jetzt nur noch die Spurensicherung. Hakuba indes war fasziniert von der Vorgehensweise des Diebes. Sie hatten ziemlich spontan beschlossen Gasmasken zu besorgen und hatten bei einer Firma bestellt, die Hakuba ausgesucht hatte. Das KID es dennoch geschafft hatte sämtliche Masken zu manipulieren bedeutete, dass er Hakuba’s Gedankengang vorhergesehen hatte und sich vorab in die besagte Firma eingeschlichen hatte um die Bestellung zu manipulieren. Woher KID gewusst hatte welche Firma die Polizei wählen würde war ebenfalls ein Rätsel dem es nachzugehen hieß. Doch das würde Shinichi Inspektor Nakamori und seinen Männern überlassen. Er hatte selbst genug zu tun und das Treffen mit KID war nicht ganz so gut verlaufen wie er es sich erhofft hatte. Er wusste jetzt zwar, dass Kaito wütend war, weil Shinichi sich nicht bei ihm gemeldet hatte, aber war das wirklich der einzige Grund warum er ihn ignorierte? Er hatte sich selbst ja genauso wenig gemeldet, wieso also nahm es den Magier so sehr mit, wieso verletzte es ihn so sehr? Was lief da falsch? Und warum war er selbst auch unruhig, unzufrieden? Nachdem er seinen Bericht abgegeben und sich mit Hakuba und Nakamori für die weitere Vorgehensweise rückgesprochen hatte beschloss Shinichi, dass es Zeit war für ihn zu gehen. KID war entkommen und für ihn gab es keine Gründe mehr noch länger am Tatort zu verweilen. Zwar war es Nakamori gar nicht recht, dass der Schülerdetektiv sich als einer der Ersten davonstehlen wollte, doch nachdem er noch einmal kräftig an Shinichi’s Wange gezogen hatte um sich zu versichern, dass er nicht der verkleidete Kaitou KID war, der zu fliehen versuchte war es dem Schülerdetektiv des Ostens dann auch endlich gestattet das Museum zu verlassen. Shinichi nickt den Polizisten als Abschied zu, als er an ihnen vorbeischritt, die Hände in der Hosentasche, weg vom Museum. Er war erschöpft und seine Kopfschmerzen hatten nach KID’s Verschwinden wiedereingesetzt. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie zwischenzeitlich verschwunden waren. Er wollte gerade um die Ecke biegen als er ein verdächtiges Geräusch aus einer der Seitenstraßen neben dem Museum hörte. Der Vampir hielt inne und blickte in die Dunkelheit der Straße. Dank seiner geschärften Sinne konnte er etwas ausmachen, in einiger Distanz. Etwas, dass schnell näherkam. Mit einer geschickten Bewegung seiner rechten Hand fing er die Karte auf, welche genau auf sein Gesicht zugesteuert hatte und ließ sie wortlos in seine Jackentasche gleiten. Er brauchte nicht nachsehen, ob etwas drauf geschrieben stand – er wusste woher die Karte kam. Mit einem kurzen Blick nach rechts und links versicherte er sich, dass niemand ihn beobachtete. Dann verschwand Shinichi in der Dunkelheit der Straße.   „Was soll das?“, zischte er, das Herz-Ass zwischen seinen Finger haltend. Er war wütend und das sollte sein Gegenüber auch ruhig wissen, aber er war auch aufgeregt und diese Aufregung durfte er nicht zeigen. Doch KID schien sich nicht daran zu stören, dass der Vampir wütend war. Er lehnte lässig an der Wand, die Arme vor der Brust verschränkt, seine Kartenpistole immer noch in der Hand. „Ich hab doch gesagt ich war noch nicht fertig“, wisperte er und stieß sich leicht von der Wand ab, ließ dabei die Pistole im Inneren seiner Jacke verschwinden. Shinichi war mit zwei großen Schritten bei ihm und knallte eine Hand neben ihm gegen die Wand. Er beugte sich nahe zum Gesicht des anderen: „Und ich hab dir gesagt, geh. Es ist zu gefährlich für dich, wenn du hierbleibst. Hakuba und Nakamori sind der Meinung, dass du dich hier noch rumtreibst. Sie suchen dich.“ KID verzog leicht das Gesicht, reagierte aber nicht darauf. Sein Blick verdüsterte sich etwas bei Shinichi’s Worten, doch er schreckte nicht zurück. „Ich bin bereit das Risiko einzugehen.“ Shinichi seufzte auf. „Schön“ murrte er und löste sich langsam von der Wand, gab KID so etwas an persönlichem Raum zurück. „Also? Worüber möchtest du reden?“ Shinichi konnte trotz der Dunkelheit sehen wie eine feine Röte auf KID’s Wangen schlich. Er wandte den Blick schnell ab, etwas verlegen, und schwieg. Shinichi drängte ihn nicht dazu zu sprechen. Vermutlich war er davon ausgegangen, dass Shinichi ihn wegjagen würde, dass das Gespräch gar nicht zustande kommen würde, und jetzt, wo es doch geschah wusste er nicht, wie er anfangen sollte. „Warum…?“, begann der Meisterdieb langsam, stockte dann jedoch wieder. Shinichi runzelte die Stirn. Er hatte genau dasselbe im Museum gefragt. Hatte die Frage offen im Raum hängen lassen, ohne zu spezifizieren was er damit meinte. „Warum was?“, harkte er diesmal nach. „Du musst die Frage zu Ende stellen, sonst weiß ich nicht was du hören willst.“ KID senkte den Blick und das überraschte den Detektiv. Sonst war der Magier immer voller Selbstvertrauen und Zuversicht, es war ungewohnt für ihn das er so eingeschüchtert war. Shinichi legte eine Hand an sein Kinn und hob es etwas an, sodass KID ihn wieder ansehen musste. „Hey“, die Stimme des Vampirs war sanft und seine Hand glitt von KID’s Kinn zu seiner Wange, über welche er zärtlich strich. Er beobachtete, wie der Dieb die Augen zur Hälfte schloss und seine Wange leicht gegen die Berührung des Vampirs lehnte. KID atmete schwer durch: „Du warst am Samstag im Tropical Land, mit Sonoko… und Ran.“ Shinichi’s Hand zuckte leicht, er fühlte sich ertappt. Er bemühte sich seine Emotionen nicht durchscheinen zu lassen, doch KID schien es gespürt zu haben. Der Blick des Diebes richtete sich auf das Gesicht des Detektivs und in seinen Augen funkelte etwas. Zorn. Und… Hunger? „Du hältst mir große Reden, dass wir nicht zusammen gesehen werden dürfen, dass du gejagt wirst, dass es für mich gefährlich werden kann und dann läufst du mit zwei Mädchen im Vergnügungspark herum und hast die Zeit deines Lebens? Während ich mir den Kopf darüber zerbreche ob dir etwas passiert ist, ob es dir gut geht, ob dich dieser Jäger vielleicht erwischt hat? Ich kann nächtelang nicht schlafen, liege wach vor Sorge um dich und du… du…“ Shinichi spürte das KID sich in Rage redete, hörte, wie die Stimme des Jungen immer lauter wurde. Er würde sich verraten, würde sie beide verraten, also tat er das, was seine Instinkte ihm befahlen. Er machte einen Schritt nach vorne und drängte den Magier gegen die Wand, eine Hand über dem Mund des Jungen. „Sei leise“, zischte er, „Oder willst du, dass sie uns entdecken?!“ Shinichi bereute die Worte gesagt zu haben in dem Moment, als sie draußen waren. Er hatte KID noch nie so erlebt, so unbeherrscht, so komplett ohne Pokerface, die Emotionen pur und unverfälscht auf seinem Gesicht. Er bewegte sich schnell als er sich aus Shinichi’s Griff wandte und nach dem Hemd des Oberschülers griff. Seine behandschuhten Finger gruben sich in das weiche Material und einen Augenblick später fand Shinichi sich gegen die Wand gedrückt, der Körper des Diebes an seinen gepresst, ihre Gesichter nahe bei einander. „Hör auf mich wie ein Kind zu behandeln“, zischte KID wütend, „Hör auf mich mit Samthandschuhen anzufassen, hör auf dir Sorgen zu machen, wenn du dich doch nur umdrehst und gehst. Ich hab keinen Bock darauf. Tagelang denke ich an dich, tagelang sorge ich mich um dich, und du, du scherst dich einen Dreck darum. Für dich zählt KID, nicht der Mann hinter der Maske, für dich zählt das Blut und nicht der Mensch. Wenn es dir also nur darum geht, dass deinem Lieblingsdrink nichts passiert, dann halt einfach den Mund und hör auf dich als der große Held aufzuspielen, der du nicht bist.“ Shinichi spürte die Hitze in ihm aufsteigen und in einer schnellen Bewegung – zu schnell für KID um zu reagieren – hatte er sich aus dem Griff des Meisterdiebs befreit. Er drehte sie rum, sodass KID erneut gegen die Wand gepresst stand, seine Hand im Nacken des Jungen, seine Finger in den braunen Haaren des Diebes verkrallt. Die zweite Hand hatte er neben KID’s Gesicht an der Wand abgestützt. Shinichi musste ihn nicht festhalten um ihn an der Flucht zu hindern, der reine Druck seines Körpers gegen den des anderen Jungen, seine reine Kraft als Vampir reichte vollkommen aus. „Du denkst es geht mir nur darum?!“, fauchte er gegen KID’s Lippen, ein zorniges Funkeln in den Augen, „Du denkst es geht mir nur darum dein Blut zu beschützen?! Das du nicht mehr bist als ein Spielzeug für mich? Etwas, für mein Amüsement?!“ „Was sollte es sonst sein?!“, fauchte KID zurück. Erneut hatte Shinichi das Gefühl, jemand würde einen Schalter in seinem Kopf umlegen und der Schülerdetektiv verschwand und was zurück blieb war das Tier in ihm. Das Tier, dass sich so sehr nach KID sehnte, das Tier, dass nur nach seinen Instinkten lebte und so gab er auch diesmal nach, ließ sich von seinen Emotionen wegreißen, von seinem inneren Drang, dem Hunger, und ehe KID auch nur irgendwas sagen konnte hatte Shinichi ihn auch schon näher gezogen und presste seine Lippen hart auf die des Diebes, fing ihn ein in einen tiefen, leidenschaftlichen Kuss. Er hatte damit gerechnet, dass der Dieb ihn von sich stoßen würde, dass er angewidert und angeekelt sein würde doch KID’s Finger verkrampften sich in seinem Hemd und er zog den Vampir noch näher, presste seine Lippen dem anderen verzweifelt entgegen. Er keuchte in den Kuss, so hilflos, dass es Shinichi wahnsinnig machen und ehe er sich versah hatte er den Kuss auch schon vertieft. Seine Zunge glitt über die Lippen des Magiers, bettelte um Einlass und als er diesen bekam erkundete er das Innere seines Gegenübers, seinen Geschmack, und KID ließ es zu, ließ ihn gewähren, und Shinichi kostete es in vollen Zügen aus. Nur ungern löste sich Shinichi von KID, doch der junge Magier brauchte Luft zum Atmen und der Anblick, der sich Shinichi bot machte das Beenden des Kusses völlig wett. KID’s Wangen waren tiefrot, seine Lippen leicht geschwollen und in seinen Augen glänzten Hunger und Sehnsucht, sodass der Detektiv nicht anders konnte als sich erneut vor zu beugen, die Lippen des Jungen erneut mit seinen eingefangen. Ein Geräusch am Ende der Straße ließ die zwei auseinanderfahren. Nach Luft ringend standen sie da und starrten in die Dunkelheit. Shinichi fokussierte seinen Blick, versuchte mehr zu sehen als KID sah. „Da kommt jemand“, murmelte er und wandte sich dem Dieb zu. „Du musst hier weg.“ KID sah nicht glücklich darüber aus und Shinichi konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er machte einen Schritt auf den Magier zu und strich zärtlich über seine Wange. „Ich melde mich. Versprochen. Aber jetzt musst du weg, sonst schnappen sie dich.“ KID verzog leicht das Gesicht, nickte jedoch leicht. Er berührte Shinichi’s Hand an seiner Wange mit seiner eigenen, nur kurz, ehe er sich abwandte und in der Dunkelheit der Nacht verschwand. Shinichi selbst wartete noch zwei Atemzüge lang ehe er sich abwandte und in die entgegengesetzte Richtung ging, wo ihm auf halben Weg ein Polizist mit Taschenlampe entgegenkam. „Oh, Kudo-kun. Was machst du noch hier? Wolltest du nicht nach Hause gehen?“, fragte der Mann überrascht und Shinichi nickte leicht. „Ich war eigentlich auch am Weg, aber ich habe seltsame Geräusche aus der Gasse gehört. Ich dachte, vielleicht ist es KID.“ „Und?“, fragte der Polizist und versuchte an dem jungen Detektiv vorbei zu schauen, „War er es?“ Doch Shinichi schüttelte nur den Kopf und verließ die Gasse, zusammen mit dem ahnungslosen Polizisten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)