Ai no Scenario von Listle ================================================================================ Kapitel 10: ------------ Als Kaito die Augen das nächste Mal wieder öffnete hatte Shinichi bereits die Lichter im Haus aufgedreht. Ein kurzer Blick aus dem Fenster verriet dem Dieb, dass die Dämmerung eingesetzt hatte und die Sonne bald gänzlich verschwunden war. Durch den Raum strömte der verführerische Duft nach Essen und Kaito, dessen Magen bereits begann sich zu beschweren, rappelte sich langsam auf. Ein kurzer Blick durch den Raum verriet ihm, dass Shinichi das Wohnzimmer verlassen hatte. Die Decke, mit welcher er den Vampir zugedeckt hatte war nun über ihm ausgebreitet worden und aus der Küche drangen Geräusche. Langsam erhob sich der Dieb, streckte sich kurz, und schlurfte schließlich gemächlich in die Küche, wo Shinichi gerade beschäftigt damit war Reis zu kochen und die Reste des Currys aufzuwärmen. „Oh man, das riecht so gut. Curry ist einfach das Beste.“ Der Vampir drehte den Kopf leicht zur Seite und schmunzelte: „Schon wach?“ „Sagt genau der Richtige. Du bist vor mir eingeschlafen.“ Shinichi lachte auf, wandte sich dann jedoch wieder dem Essen zu: „Stimmt. Ich bin es nicht gewohnt tagsüber so faul zu sein. Normalerweise beschäftige ich mich um nicht einzuschlafen, aber diese Vampirfilme waren so langweilig.“ „Ich weiß gar nicht was du hast. Ich fand sie großartig.“ Shinichi grinste leicht, sagte aber nichts mehr dazu. Stattdessen packte er den Deckel auf das vor sich her köchelnde Curry und wandte sich dem Dieb in seiner Küche zu: „Wie fühlst du dich?“ „Hervorragend!“, verkündete Kaito mit einem breiten Grinsen. Er sah, wie Shinichi näherkam und rührte sich nicht. Wie ein braver Schuljunge, der auf erhöhte Temperatur untersucht wurde, blieb der Magier regungslos stehen. Er schloss die Augen als Shinichi seine Lippen behutsam gegen seine Stirn presste. Sie waren kühl, aber weich. „Scheint als wäre das Fieber weg“, murmelte Shinichi gegen die weiche Haut des Diebes ehe er sich löste und ein paar Schritte weg von ihm machte. „Na, dann kann ich mich ja morgen schon auf den Heimweg machen, oder?“, fragte Kaito grinsend und Shinichi nickte. „Wenn das Fieber bis morgen nicht wiederkommt habe ich nichts dagegen einzuwenden, du großer Meisterdieb.“ Kaito nahm sich ein Glas Wasser und setzte sich wieder auf seinen Platz beim Küchentisch. Er schmunzelte. Sein Platz? So lange war er doch noch gar nicht hier, dass er das Recht hatte einen Platz an diesem Tisch als den seinen anzuerkennen. Aber so war Kaito eben. Er taute gegenüber anderen immer sehr schnell auf. Es dauerte nicht lange bis Shinichi einen Teller mit Curry und Reis vor ihm abstellte ehe er selbst Platz nahm. „Mahlzeit!“, freute sich Kaito und schnappte sich den Löffel um zu Essen zu beginnen, aber schon nach zwei Bissen hielt er inne. Er senkte den Löffel etwas und warf Shinichi einen nachdenklichen Blick zu. „Es ist seltsam, hier zu sitzen und zu essen, während du mich beobachtest.“ Der Schülerdetektiv blinzelte leicht, begann dann jedoch zu grinsen: „So gern ich dir auch beim Essen Gesellschaft leisten würde, leider kann ich es nicht.“ „Du könntest eine deiner Blutkonserven zu dir nehmen?“, schlug Kaito vor und begann langsam weiter zu Essen doch Shinichi blockte sofort ab: „Ich werde hier keine Blutkonserven öffnen, während du dein Abendessen isst.“ „Wieso nicht?“, fragte Kaito, nachdem er einen großen Bissen runtergeschluckt hatte. „Immerhin ist es doch auch nichts anderes für dich als das Curry für mich.“ „Es ist einfach nicht appetitlich. Nicht für dich“, murrte der Vampir und wandte den Blick etwas ab, „Und ich möchte es nicht vor anderen tun. Es ist mir unangenehm.“ Kaito sah Shinichi neugierig an. Er war ein Vampir, der sich von Blut ernährte. Es war für ihn das Natürlichste der Welt, so wie es für Kaito natürlich war Wasser zu trinken. Aber Shinichi wollte ja sein Dasein als Vampir nicht annehmen. Darum vermied er vermutlich auch in seiner Anwesenheit Blut zu trinken. „Ich will nur, dass du weißt, dass es mich nicht stört“, warf der Meisterdieb ein und aß dann sein Curry auf.   Der Abend verlief nicht sonderlich aufregend, doch Kaito hatte die verrückte Idee Shinichi’s Wahrnehmung zu trainieren. Er fand es faszinierend, dass der Vampir den Fluss der Zeit anders wahrnahm als Menschen und er sah die Möglichkeiten dieser Fähigkeit, wenn Shinichi nur einen Weg finden würde es zu kontrollieren. Shinichi selbst verstand nicht ganz wie Kaito das trainieren wollte, aber der Junge war nicht auf den Kopf gefallen. Er fragte nach nicht mehr als nur einiger einzigen Münze, welche Shinichi ihm auch gerne zur Verfügung stellte. Dann nahmen die beiden Jungs auf der Couch Platz, so, dass sie sich ansehen konnten und Kaito hob die Münze, gehalten von zwei Fingern hoch. „Ich lass die Münze verschwinden und du sagst mir wie ich es mache“, erklärte der Magier. Shinichi hob fragend eine Augenbraue an. „Und wie genau soll mir das Helfen meine Sicht zu trainieren?“ „Wenn du es schaffst den Fluss der Zeit zu verlangsamen, dann solltest du auch in der Lage sein den Trick zu durchschauen. Und zwar nicht nur in der Theorie, sondern Bewegung für Bewegung.“ Shinichi nickte leicht. Das machte Sinn. Er wusste ja, wie diese Münzen-Verschwinde-Tricks funktionieren. Es war keine große Magie, es war einfach nur Fingerfertigkeit. Der Schülerdetektiv lehnte sich leicht nach vorne und beobachtete Kaito’s Hände: „Okay, ich bin bereit. Leg los.“ Es war nicht mehr als ein paar schnelle Bewegungen, aber die Münze verschwand spurlos aus Kaito’s Händen und tauchte erst Augenblicke später wieder auf. Shinichi blinzelte. Er hatte es natürlich nicht geschafft seine Instinkte anzupassen. Nachdenklich legte er seine Stirn in Falten. „Noch mal.“ Also wiederholte Kaito die Übung, genauso wie er es zuvorgetan hatte. Und wieder ließen ihn seine Instinkte im Stich, die Münze verschwand und tauchte wieder auf „Noch mal.“ Auch beim dritten Mal tat sich nichts. Egal, wie gut der Schülerdetektiv sich konzentrierte, Kaito’s Fingerfertigkeit war bemerkenswert. Seine Bewegungen waren flüssig und schnell und er konnte die Münze verschwinden und auftauchen lassen, als wäre es für ihn das Natürlichste auf der Welt. Der Vampir lehnte sich ein bisschen zurück und rieb sich die Augen. „Wenn mein Vater wüsste, was ich hier mache“, kommentierte Kaito plötzlich amüsiert, „Ich breche hier eines von Thurston’s Prinzipien.“ „Du meinst, niemals denselben Trick zweimal in derselben Show aufführen?“ Kaito nickte leicht, begab sich jedoch mit der Münze wieder in die Ausgangsposition. „Versuch dich auf die Münze zu konzentrieren“, gab der Magier als Hinweis, „Lass sie nicht aus den Augen.“ Shinichi atmete aus. Er richtete seinen Blick nicht auf Kaito’s Hände, sondern auf die Münze. Er schärfte seinen Blick und versuchte sich die Details des kleinen Gegenstandes einzuprägen. Als er bereit war nickte er leicht und tatsächlich, die ersten Bewegungen von Kaito’s Hände passierten langsam und zähflüssig. Eine überschwängliche Freude stieg in dem Vampir auf und sofort war die Konzentration dahin und die Zeit lief normal weiter. Shinichi stöhnte frustriert auf. „Was? Das war erst der vierte Versuch, wir schaffen das schon! Komm, noch mal!“ Es war bewundernswert, wie motiviert Kaito war und wie sehr er sich bemühte dem Jungvampir zu helfen, aber auch nach über einer Stunde, in welcher Kaito immer wieder denselben Trick vorführte gab es einfach keinerlei Fortschritte. Der Magier ließ, nach einem weiteren Fehlversuch, die Münze sinken und begann seine Finger zu dehnen. Es war offensichtlich, dass er eine Pause brauchte. „Deine Fingerfertigkeiten sind bemerkenswert“, gestand Shinichi, „Aber anscheinend bin ich echt zu verklemmt um irgendwelche Fortschritte zu machen.“ „Solange du einsiehst, dass du verklemmt bist, ist das schon mal der erste Schritt in die richtige Richtung“, erwiderte Kaito mit einem schelmischen Grinsen. Er lehnte sich seitlich gegen die Lehne der Couch, vorsichtig natürlich, da seine Wunde immer noch schmerzte und beobachtete den Vampir dabei wie er seine Augen rieb. „Ich wünschte ich wüsste, was der Auslöser ist. Warum sehe ich manchmal den Fluss der Zeit langsam und manchmal nicht?“ Kaito dachte nach: „Hm… vielleicht können wir ja rausfinden was der Auslöser ist. Was waren denn die letzten Situationen, als deine Sicht sich verändert hat?“ „Gestern, als du in der Küche zu schnell aufgestanden bist“, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Dann dachte der Detektiv nach welchen Situationen ihm noch einfielen: „Als Takashi die Tür zu seinem Apartment geöffnet hat habe ich auch alles sehr langsam gesehen. Oder als dieser Söldner dich angegriffen hat. Oh, und in der Schule ist es auch schon passiert. Ran hat eine Treppe übersehen und wäre fast gestürzt. Und in der Bibliothek. Sie hat ein Buch aus dem Regal gezogen und ein paar andere kamen mit.“ „Scheint als wärst du jedes Mal unvorbereitet erwischt worden. Außer bei Takashi. Ich meine, du wusstest, dass er da sein würde, warum sollte dich das überraschen?“ Shinichi’s Mundwinkel zuckte leicht: „Ich war überrascht.“ „Wieso?“ Er senkte den Blick. „Als Takashi die Tür öffnete hat mich deine Fährte wie eine Ohrfeige mitten ins Gesicht getroffen. Ich hatte gar keine Zeit zu registrieren was los ist, da war ich ihm schon an die Kehle gegangen.“ „Hoooooh.“ Kaito legte die Stirn in Falten und dachte über Shinichi’s Worte nach. „Aber in der Nacht, als du verwandelt worden bist, da hast du dich auch so unglaublich schnell bewegt. Und ich habe nichts getan um dich zu überraschen. Ich hab mich lediglich von dir weggedreht.“ „Kuroba-kun…“, Shinichi’s Stimme klang gepresst, „Ich hab dir doch erklärt, dass ich mich an die Nacht nicht erinnere.“ „Und genau das verstehe ich nicht. Du warst völlig klar. Du hast mit mir gesprochen, du hast meine Fragen beantwortet. Hast auf meine Bewegungen reagiert. Ich meine, du warst nicht ganz du selbst, das gebe ich zu aber…“ Kaito stockte. „Hey, Kudo. Dieser Vampir in dir, wie du es immer bezeichnest… der hat keine eigenständige Persönlichkeit, oder? Du bist nicht schizophren oder so?“ „Natürlich nicht“, Shinichi rollte mit den Augen, „Ich bin immer noch ich, okay? Die Verwandlung verändert nicht deine Persönlichkeit, sondern deinen Körper. Wir werden von Jäger und Sammlern zu Raubtieren.“ Kaito lehnte sich ein bisschen vor, näher zu Shinichi, und in seinem Gesicht leuchtete ehrliches Interesse auf: „Erklär mir das.“ „Unsere Instinkte werden schärfer. Als Raubtier brauchst du feine Sinne, Tempo, Kraft. Aber im Gegensatz zu einem Löwen oder einem Wolf verlieren wir unsere Menschlichkeit nicht. Wir gewinnen nur sehr starke Instinkte. Das Problem, dass manche Vampire haben ist, dass sie diesem animalischen Trieb unterliegen. Sie können gegen die Instinkte nicht ankämpfen und beginnen ihre Menschlichkeit freiwillig abzulegen und das Leben als Raubtier zu akzeptieren. Dass ist es, was ich vermeiden möchte. Auch, wenn meine Sinne schärfer geworden sind, ich kann nicht zulassen, dass diese animalischen Triebe überhand gewinnen“ „Sonst wärst du nicht besser als ein Tier, hm?“, endete der Magier den Satz und Shinichi nickte. „Das macht es nicht einfacher“, seufzte Kaito auf. Er grübelte ein paar Augenblicke über etwas nach, ehe er sich wieder an den Hausbesitzer wandte: „Hast du zufällig ein paar Spielkarten hier? Vielleicht können wir deine Instinkte besser schulen, wenn wir von Verschwinden und Auftauchen zu schnellen Bewegungen wechseln.“ Shinichi erhob sich von der Couch und brachte Kaito das gewünschte Kartendeck. Während er es sich wieder auf seinem Platz gegenüber dem jungen Magier bequem machte hatte dieser die Karten bereits aus ihrer Hülle entfernt und begann sie behutsam zu mischen. Nichts Besonderes, soweit der Detektiv das beurteilen konnte, er schien die Karten einfach nur zu mischen. Dann begann Kaito die Karten in seiner Hand zu drehen und Shinichi verstand was er da tat. Er versuchte ein Gefühl für das fremde Deck zu bekommen. Dann hielt er für einen Moment inne. Die Karten lagen, wieder zu einem Stapel geformt in seiner Hand. Kaito atmete kurz durch und begann erneut zu mischen. Aber nicht einfach nur mischen, wie er es zuvorgetan hatte. Seine Hände bewegten sich so schnell und gezielt, dass Shinichi Probleme hatte den Bewegungen zu folgen. Seine Augen weiteten sich leicht vor Erstaunen. Natürlich wusste er, dass Kaito ein großartiger Magier war. Immerhin war er Kaitou KID und hatte als eben jener bereits die wundersamsten Dinge geschehen lassen. Er war durch die Luft spaziert, hatte sich mitten aus der Kreuzung von Kinza rausteleportiert, er hatte die unglaublichsten Wunder wahrgemacht und die schwersten Herausforderungen gemeistert. Aber ihn hier zu sehen, lediglich mit einem Stapel voller Spielkarten und zu beobachten, wie geschickt er im Umgang mit ihnen war, wie schnell seine Hände arbeiteten, war schlichtweg faszinierend. Leider brachte der Wechsel des Materials gar nichts. Shinichi und Kaito saßen eine weitere, gefühlte Ewigkeit, wobei Kaito immer und immer wieder dieselben Bewegungen durchführte. Als die Zeiger der Uhr sich langsam auf Mitternacht zubewegten beschlossen die Jungen, dass es Zeit war aufzuhören. „Das wird nichts mehr“, murrte Shinichi und rieb sich die Augen, die ihm vom starren schon weh taten. Er erhob sich von der Couch und streckte sich etwas, um die Steifheit aus seinen Muskeln zu bekommen. Kaito selbst verstand den Vampir nur zu gut. Er fühlte sich auch erschöpft und seine Finger sowie seine Augen brannten leicht. Doch als Shinichi sich von ihm abwandte kam dem Meisterdieb noch eine andere Idee. Shinichi hatte gesagt, dass alle Situationen etwas gemeinsam gehabt hatten. Er war überrascht worden. Eine Idee keimte in Kaito’s Kopf, etwas, dass er aufgrund von Bequemlichkeit schon lange nicht mehr getan hatte, worin er aber immer noch gut war. Er legte den Großteil des Kartendecks beiseite und behielt nur ein paar wenige Karten in seiner Hand. Normalerweise würde er das nicht mit seinen bloßen Händen machen, sondern mit seiner Kartenpistole, aber beim letzten Zusammenstoß mit einem Vampir war diese zerstört worden. Er musste erst eines seiner Reserveexemplare aus seinem Versteck holen und bis dahin würde er mit bloßen Händen arbeiten müssen. Er erhob sich langsam von der Couch, in seiner Hand die Karten, sein Blick auf Shinichi geheftet. „Hey, Kudo.“ Der Moment als Shinichi begann sich umzudrehen war für Kaito das Zeichen die Karten mit aller Kraft, die er hatte in Richtung des Vampirs zu schleudern. Und der junge Magier hatte viel Kraft. Und ein gutes Ziel. Er hatte genau auf das Gesicht des Vampirs gezielt, ein großes Risiko, wenn dieser nicht ausweichen würde. Doch wie durch Zauberhand verfehlten alle drei Karten Shinichi‘s Gesicht und blieben hinter dem Detektiv in der Wand stecken. Shinichi sah die Karten an ehe er seinen schockierten Blick zu Kaito wandte. „Was sollte das?!“ „Wie bist du ihnen ausgewichen?“, lautete die abrupte Gegenfrage des Magiers. Shinichi runzelte leicht die Stirn: „Ich hab mich einfach aus dem Weg gelehnt. Wieso?“ „Also hast du die Karten in Zeitlupe gesehen?“ Shinichi nickte leicht. Dann dämmerte es ihm: „Du hast versucht mich zu überraschen.“ „Und anscheinend hat es auch geklappt“, der Magier grinste leicht. „Auch, wenn ich zugeben muss, dass ich ziemlich erleichtert bin, dass die Dinger dich nicht im Gesicht getroffen haben.“ „Ja, darüber bin ich auch erleichtert“, murmelte Shinichi und blickte noch mal die Karten an, welche in der Wand steckten. Dann wandte er sich wieder zu Kaito, sein Blick verblüfft: „Du hast die Karten mit der Hand geworfen, oder? Das ist Wahnsinn. Ihnen so ein Tempo zu geben, dass sie in der Wand stecken bleiben.“ Kaito zuckte leicht mit den Schultern: „Mit meiner Pistole wären sie noch schneller und gefährlicher gewesen, aber die ist hin. Wie auch immer, wir sollten versuchen in Zukunft mit dem Überraschungseffekt zu arbeiten. Und du musst versuchen herauszufinden, wie dein Körper das macht, dann kannst du die Technik vielleicht auch bewusst einsetzen.“ Shinichi hob fragend eine Augenbraue an, sagte jedoch nichts. Er ging nur schweigend zu den Karten und zog sie aus der Wand. „Wir sollten schlafen gehen, Kuroba-kun.“   Kaito hatte eine unruhige Nacht. Er träumte von Pandora, welchen er in Händen hielt und vom Syndikat, welches jagt auf ihn machte. Er träumte von Vampiren, die sich ihm in den Weg stellten und von Shinichi, der ihm mehrfach das Leben rettete, weil Kaito trotz seiner Fähigkeiten als KID nicht gegen die natürlichen Instinkte und Reflexe der Vampire ankam. Als sein Wecker klingelte um ihn für die Schule zu wecken wollte er eigentlich sauer sein und sich über seine Dummheit ärgern, dass er vergessen hatte den Wecker am Vorabend abzustellen, aber die Erleichterung darüber, aus diesen wirren Träumen befreit worden zu sein war stärker. Der Meisterdieb dreht sich zur Seite und atmete schwer aus, als ihm ein süßer Geruch in die Nase stieg. Er runzelte leicht die Stirn. Warum kam ihm dieser Geruch so bekannt vor? Kaito entschied, dass er nach diesen schrecklichen Träumen sowieso nicht mehr schlafen wollte und beschloss sich anzuziehen und einer kurzen Katzenwäsche zu unterziehen, ehe er seinen Weg in die Küche antrat wo er, zu seiner Überraschung, den Hausbesitzer kochend hinter dem Herd vorfand. „Was machst du da, Kudo?“, fragte er überrascht. Shinichi warf einen kurzen Blick über seine Schulter auf den jungen Dieb, ehe er sich wieder der Pfanne in seiner Hand zuwandte. „Ich male“, antwortete der Detektiv. Kaito hob fragend eine Augenbraue an. War das Sarkasmus? „Ich meinte, warum kochst du?“, korrigierte der Meisterdieb seine Formulierung, „Soweit ich informiert bin ernähren sich Vampire von Blut und nicht von… warte mal… sind das Pancakes?!“ Shinichi bewegte seine Hand in einer eleganten, schwungvollen Bewegung und Kaito konnte beobachten, wie der Pancake eine saubere Drehung in der Luft machte, ehe er wieder in der Pfanne landete. „Ich konnte nicht schlafen“, erklärte Shinichi, „Nach dem Nickerchen gestern Nachmittag war ich schon relativ früh wieder wach. Und was soll ich schon anderes machen außer rumsitzen und an die Decke starren?“ „Und da dachtest du dir ‚Hey, ich könnte Frühstück für meinen liebsten Rivalen machen, auch, wenn ich selbst nichts davon essen kann‘?“, fragte Kaito überrascht. „Wie kannst du überhaupt kochen? Du kannst doch gar nicht abschmecken, oder?“ „Ich glaube, Pancake-Teig bekomm ich noch ohne Abschmecken hin. Also los, setz dich.“ Kaito tat wie ihm geheißen. Er wanderte zu seinem Platz und ließ sich auf den Stuhl sinken. Shinichi war mit zwei Schritten bei ihm und stellte ihm wortlos eine Tasse schwarzen Kaffee vor die Nase, was den Meisterdieb zum Lächeln brachte. „Daran könnte ich mich echt gewöhnen“, seufzte er genießerisch und tat einen kleinen Schluck von dem heißen Getränk. „Mit einem Vampir zusammenleben?“ „Quatsch. Mit dir zusammenleben.“ Stille legte sich über die beiden Jungs, da Shinichi auf die Aussage nicht einging. Er schien konzentriert zu sein, darauf achtend, dass die Pancakes nicht anbrannten, aber Kaito wusste, dass die Stille mit seiner Aussage zu tun hatte. Aber er hatte es so gemeint. Kaito hatte immer noch Mühe sich mit dem Gedanken abzufinden, dass Shinichi nicht mehr bei seinen Überfällen anwesend sein würde um ihn aufzuhalten, dass er nicht mehr das Publikum sein würde, um seine nächste große Show zu beobachten. Ihre ganze Dynamik als Mondschein Magier und Holmes der Neuzeit war hinüber durch das, was Shinichi jetzt war. Aber durch seine Verwandlung zum Vampir hat sich eine andere Dynamik aufgetan. KID und Kudo wurden jetzt zu Kaito und Shinichi. Sie schrieben sich Textnachrichten und telefonierten, sie schauten zusammen Filme und frühstückten gemeinsam. Es war seltsam, aber es war eine Dynamik an die Kaito sich gewöhnen konnte. Wenn der Schülerdetektiv nur nicht entschied das Land zu verlassen. Kaito’s konstantes Lächeln erstarb und er starrte in seinen Kaffee, welcher schon zur Hälfte geleert war. Er wusste, dass es lächerlich war sich einzureden, dass die beiden eine neue Dynamik entwickeln konnten. Shinichi würde nicht nur seine Welt als Schülerdetektiv verlassen, er würde auch diese Welt als Mensch verlassen. Es war eine Welt, in die Kaito ihm nicht folgen konnte, es sei denn er würde selbst Teil von ihr werden und würde sein menschliches Dasein aufgeben. Aber das konnte er nicht tun. Das wollte er nicht… Kaito verzog leicht das Gesicht. Wollte er es wirklich nicht? Der Griff um seine Tasse wunder fester. Er musste es sich eingestehen, er konnte es nicht länger leugnen. Shinichi war ihm wichtig. Er war ihm wichtig gewesen, als er Conan gewesen war. Er war ihm so wichtig gewesen, dass er sich mehr als einmal in Gefahr gebracht hatte um diesen dummen Detektiven das Leben zu retten. Sei es, dass er für ihn aus einem Luftschiff sprang oder fast unter der Erde begraben wurde. Er hatte seinen Hals wieder und wieder riskiert um den Jungen am Leben zu erhalten. Nicht, weil es das Richtige zu tun war, sondern weil er KID wichtig war. Und das hatte sich auch nicht geändert als der Schülerdetektiv sein wahres Aussehen zurückbekommen hatte. Natürlich, als Shinichi war es für ihn leichter gewesen selbst Gefahren zu entgehen und auf sich aufzupassen, aber KID hatte es dennoch genossen ihn herauszufordern, ihn zu verzaubern, ihm mit seiner Magie die Fassung zu rauben. Shinichi war ein unersetzlicher Teil seines Lebens geworden. So wie es auch sein Vater gewesen war. Ein Teller mit Pancakes, der vor ihm abgestellt wurde riss ihn aus seinen Gedanken. Der Dieb starrte die frischgemachten Süßwaren an und griff, wie in Trance, zu seiner Gabel. „Ich hoffe, sie taugen was“, hörte er Shinichi’s Stimme, als dieser sich neben ihn setzte, „Es ist schon ewig her, seit ich welche gemacht hab.“ Kaito nickte leicht, sagte jedoch nichts. Er nahm den ersten Bissen von den Pancakes und war überrascht. Dafür, dass Shinichi keine Lebensmittel mehr zu sich nehmen konnte waren sie wirklich gut geworden. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Das sind die ersten Pancakes, die ich seit acht Jahren esse“, wisperte er leise, „Und sie schmecken genauso wie die von meinem Dad.“ Shinichi sah überrascht auf. Er wollte schon fragen, ob das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung sein soll, aber Kaito’s Blick sprach für sich. Er hatte sein Pokerface verloren und seine Augen waren voller Emotionen. Es war fast so, als wäre der Dieb nicht in der Lage sie zu verstecken. Oder wollte er es einfach nicht? Er nahm einen zweiten Bissen und schloss die Augen. Shinichi fühlte sich unwohl. Er war es nicht gewohnt, dass Kaito Verletzlichkeit zeigte. Selbst als Takashi ihn verwundet hatte, selbst als der Söldner ihn attackiert hatte, er war immer frech und vorlaut gewesen, hatte nie sein Pokerface abgelegt. Warum tat er es jetzt plötzlich? „Mein Vater war ein großartiger Magier, der viel unterwegs war und überallhin eingeladen wurde“, begann Kaito plötzlich zu erzählen, ohne, dass der Schülerdetektiv nachgefragt hatte. „Ich habe ihn oft tagelang nicht zu Gesicht bekommen, manchmal auch wochenlang. Es war nicht leicht, wenn er weg war. Ich habe ihn sehr vermisst. Aber immer, wenn er zurück nach Hause gekommen ist hat er uns am Tag nach seiner Rückkehr Frühstück gemacht.“ Kaito nahm einen weiteren Bissen. Shinichi drängte ihn nicht weiter zu sprechen. Kaito öffnete sich ihm gegenüber und das musste er respektieren, musste ihm sein eigenes Tempo lassen. „Meine Mum liebt es zu reisen. Die beiden haben sich in Paris kennen gelernt, aber sie war davor überall auf der Welt unterwegs gewesen. Ihr liebstes Frühstück war American Breakfast, also hat mein Vater sich von einer seiner Schülerinnen, die selbst viel in Amerika war, ein Rezept geben lassen um für meine Mum die perfekten Pancakes zu machen. Deine Pancakes, Kudo…“ Kaito atmete schwer. „Es ist dasselbe Rezept. Die Pancakes, die mein Dad immer gemacht hat. Das Rezept, dass er von Yukiko Kudo bekommen hat.“ Shinichi’s Augen weiteten sich leicht. Er wusste, dass seine Mutter Unterricht bei einem Magier genommen hatte, wenn es um das Verkleiden ging. Dass dieser Magier Kaito’s Vater war hatte er auch bereits gewusst. Es war nicht so schwer zu Schlussfolgern gewesen. Aber, dass Kaito’s Vater dasselbe Rezept benutzt hatte, dass auch Shinichi’s Vater regelmäßig verwendet hatte, wenn er und seine Frau von einem längeren Amerika-Aufenthalt zurückgekommen waren und Shinichi eine Freude machen wollten war dann doch schon ein ziemlich großer Zufall. „Tut mir leid, Kuroba-kun. Ich wusste das nicht.“ Kaito sah überrascht auf und blinzelte leicht. „Warum entschuldigst du dich?“ Ein breites Lächeln erschien auf Kaito’s Lippen und Shinichi wunderte sich einen Moment lang, ob es echt war oder lediglich das Pokerface des Jungen. „Die Pancakes schmecken großartig!“ Dann wandte sich der Dieb wieder dem Essen zu, welches er sichtlich genoss, und Shinichi beschloss, dass es egal war ob es ein Pokerface war oder nicht. Solang sein Gast das Essen genießen konnte war alles in Ordnung. Shinichi selbst hatte schon gefrühstückt. Es war eines der ersten Dinge, die er getan hatte, bevor Kaito aufgewacht war. Es war ihm immer noch unangenehm vor dem anderen Blutkonserven zu sich zu nehmen, weswegen er das gleich am Morgen erledigt hatte. Shinichi hatte jedoch zu seinem Bedauern festgestellt, dass er bald keine Konserven mehr hatte. Also würde ein Anruf bei seinem Clan nicht vermeidbar sein. Vielleicht war es sowieso keine schlechte Idee Miyoko einzuladen, damit sie noch einmal ein Auge auf Kaito warf und sicherging, dass seine Wunden gut verheilten. Wobei, Shinichi selbst wechselte jeden Tag die Verbände des Jungen. Er wusste, dass seine Wunden gut verheilten. Die Kratzer waren bereits vollständig mit Krusten überzogen und auch die etwas tieferen Bisswunden an seinem Hals verschwanden sichtbar. Auch Kaito’s Schmerzen waren weniger geworden und mit dem ausbleibenden Fieber hieß das wohl, dass der junge Meisterdieb bald wieder auf Raubzug gehen konnte. Als Kaito sich schließlich von seinem Platz erhob sah auch Shinichi auf. Er beobachtete, wie sein Gast das Geschirr im Geschirrspüler verstaute. Shinichi war froh, dass seine Mutter darauf Wert gelegt hatte so ein Gerät in der Küche zu haben, da sie selbst kaum wirklich Zeit gefunden hatte um abzuwaschen. Das erleichterte auch ihm die Arbeit. Er beobachtete, wie Kaito sich ein Glas Wasser eingoss und brav, wie Miyoko es verlangt hatte, seine morgentliche Tablette einnahm. Dann wandte er sich an den Vampir und grinste leicht: „Mein Fieber ist nicht wiedergekommen, also kann ich nach Hause gehen, oder?“ Überrascht hob Shinichi eine Augenbraue an, nickte jedoch leicht: „Das war die Abmachung, ja.“ „Sehr gut“, Kaito rieb sich die Hände und wandte den Blick leicht ab. „Dann danke noch mal, dass du mir schon wieder das Leben gerettet hast und mich hier aufgenommen hast. Und danke für deine Bemühungen um meine Gesundheit und das Kochen und alles. Ich hoffe, wir sehen uns bei meinem nächsten Raubzug. Ich lass dir die Klamotten schicken sobald sie gereinigt sind. Bis dann.“ Shinichi erhob sich schnell aus seinem Stuhl doch Kaito hatte die Küche schon mit ein paar großen Schritten verlassen. Der Detektiv verfluchte den anderen für seine langen Beine und die großen Schritte, die er machen konnte, doch der Überraschungseffekt löste Shinichi’s Instinkte aus und im nächsten Moment hatte er auch schon Kaito’s Handgelenk umfasst und hielt ihn davon ab die Haustür zu öffnen. „Was denkst du eigentlich, was du da machst?“, wollte er mit gepresster Stimme wissen. Kaito, der gerade in eine Jacke geschlüpft war, wirkte einen Moment lang überrascht und Shinichi dämmerte es, dass er sich wohl wieder schneller bewegt hatte als es möglich war, doch das tat jetzt nicht zu Sache. Als der Dieb ihm nicht antwortete verstärkte der Vampir seinen Griff etwas. „Kuroba.“ Kaito wandte den Blick ab und schmunzelte leicht. „Ich bin kein Fan von Abschieden“, gab er zu, „Und ich dachte mir, es wäre einfacher, wenn ich es wie bei einem Pflaster mache. Schnell und schmerzlos.“ „Das kann ich leider nicht zulassen“, erwiderte der Detektiv und lockerte seinen Griff etwas. Der Meisterdieb sah ihn an, doch Shinichi schmunzelte nun seinerseits. „Ich habe Jii-san und Miyo versprochen auf dich aufzupassen. Natürlich hält dich nichts mehr hier, wenn dein Fieber weg ist, aber wenn du nach Hause möchtest, dann lass mich dich nach Hause bringen.“ „Das musst du nicht.“ „Ich möchte aber.“ Shinichi griff nach der Jacke, die neben der Tür an der Garderobe hing und schlüpfte hinein. „Aber es ist Tag“, versuchte Kaito es erneut, „Das muss doch anstrengend für dich sein.“ „Ich zerfalle nicht zu Staub, also nein. Für mich ist es einfach ein gemütlicher Spaziergang.“ Kaito grinste leicht, wartete dann aber bis Shinichi seine Jacke angezogen hatte ehe er die Tür öffnete und gemeinsam mit dem Detektiv nach draußen an die Sonne trat.   „Und was hast du jetzt mit den restlichen Sachen im Kühlschrank vor?“, fragte Kaito nach einer Weile, in der sie schweigend nebeneinander hergegangen war. Der Detektiv sah zu seinem Begleiter, welcher die Hände tief in den Hosentaschen vergraben hatte. Die Frage war eigentlich komplett sinnbefreit, aber vermutlich wollte Kaito schlichtweg etwas Smalltalk machen. „Na ja“, der Detektiv wandte seinen Blick wieder nach vorne, „Vielleicht bring ich die Sachen zu Professor Agasa, dann braucht er nicht einkaufen gehen. Oder ich lade Ran zum Essen ein und Koche für Sie.“ „Aber das würde bedeuten, dass du auch mit ihr Essen müsstest“, erwiderte der Meisterdieb. Shinichi verzog leicht das Gesicht: „Das ist wahr.“ „Ich meine, ich könnte dir aushelfen“, bot Kaito an und zuckte leicht mit den Schultern, „Du versteckst dich in der Küche und kochst und ich setz mich mit Ran ins Wohnzimmer und esse deine Portionen. Das fällt ihr garantiert nicht auf.“ „Aha. Also ich die Arbeit, du das Vergnügen, oder wie?“, fragte Shinichi und hob eine Augenbraue an. Der Dieb grinste ihn nur frech an. „Ist doch ne gute Lösung für alle, findest du nicht? Ran bekommt ein Date mit dir, du musst kein Essen runterwürgen und ich bekomme Abendessen serviert.“ „Wer sagt denn überhaupt, dass Ran mit mir ein Date will?“ Kaito wandte seinen Blick von Shinichi ab und blickte ebenfalls gerade aus, beobachtete die Welt um sich herum. „Na ja“, begann er schließlich langsam, „Als du noch Conan wars hat es auf mich den Eindruck gemacht, als wäre sie unsterblich in dich verliebt. Hat sich das geändert?“ „Wer weiß…“ Kaito wandte den Blick wieder zur Seite, aber Shinichi schien ebenfalls fasziniert von seinem Umfeld. Der Dieb wandte den Blick ab und musste ein leichtes Lächeln unterdrücken. Er wusste nicht wieso, aber er fühlte sich erleichtert, dass zwischen Ran und Shinichi wohl nichts lief. Wobei er es sich eigentlich hätte denken können. Shinichi hatte öfter Andeutungen gemacht, dass sich aus seinen Gefühlen für seine Kindheitsfreundin nichts entwickelt hatte. Im nächsten Moment wunderte sich der Dieb wieder warum ihn das so glücklich machte, doch er schob den Gedanken schnell zur Seite. Als sie den belebteren Teil der Stadt erreichten wanderte sein Blick zu dem Detektiv: „Und das ist wirklich okay für dich?“ „Klar“, Shinichi zuckte mit den Schultern, „Ich hab immerhin ausgiebig gefrühstückt.“ Damit konnte Kaito leben. Die beiden nahmen diesmal kein Taxi, sondern öffentliche Verkehrsmittel, was zu Kaito’s Überraschung weniger Probleme darstellte, als er erwartet hatte. Er beobachtete den Vampir an seiner Seite genau und musste ab und zu schmunzeln, wenn Shinichi’s Instinkte überhandnahmen. Es waren nur kurze Momente, unscheinbare Situationen. Eine junge Frau, die an ihnen vorbeischritt, ganz knapp, und Shinichi verspannte sich. Oder das Gesicht, dass er verzog, als sie an einem jungen Burschen vorbei liefen der anscheinend eine Blutgruppe hatte, die Shinichi gar nicht gefiel. Oder wenn er den Kopf rumriss und einen intensiven Geruch wahrnahm, wie frisch geschmolzene Schokolade oder Blumen, Sekunden bevor der Duft auch Kaito’s Nase traf. Es war amüsant und faszinierend und Kaito begann sich zu fragen, wie Shinichi wohl bei Mordermittlungen vorgehen würde, wie er einen Raum betreten und sofort wissen würde, wer der Täter war, nur durch den Geruch der Anwesenden. Er würde zu gerne Mäuschen spielen, nur ein einziges Mal, in so einer Situation. „Du schlägst dich wacker“, stellte Kaito fest als sie die öffentlichen Verkehrsmittel verließen und erneut den Weg durch die Stadt einschlugen. Shinichi schmunzelte leicht, zuckte jedoch mit den Schultern: „Ich nehme es als Training. Immerhin möchte ich noch eine Weile ein normales Leben führen, da ist es gut, wenn ich mich abhärte.“ „Wann hast du vor von hier wegzugehen?“ Shinichi sah Kaito an. Irgendetwas an seiner Stimme war seltsam, aber der Schülerdetektiv konnte nicht sagen was. Er beobachtete das Gesicht seines Gegenübers kurz, wandte sich dann jedoch ab als er antwortete: „Ich werde meinen Abschluss noch machen. Das ist nicht mehr so lange hin und es wäre ganz schön auffällig, wenn ich davor verschwinden würde. Außerdem gibt es mir eine gute Ausrede das Land zu verlassen. Ich meine, ich hab meine Wunsch-Universitäten zwar schon abgegeben aber mit Akihito’s Hilfe komm ich vielleicht in eine Universität in London. Das würde es auch leichter machen meine Bande zu lösen.“ „Und wann würdest du zurückkommen?“ Shinichi runzelte die Stirn. Der seltsame Unterton war immer noch da, doch er sprach Kaito nicht darauf an, sondern antwortete lediglich: „Nicht allzu bald. Diese Stadt ist voller Menschen, die mir wichtig sind. Und ich bin auch nicht gerade ein unbekanntes Gesicht. Wenn ich nach einem Jahr oder so hier auftauchen würde wäre das ganze Weggehen von hier komplett umsonst gewesen. Ich werde vermutlich lange wegbleiben, so lange, bis mich die Menschen hier vergessen haben.“ „Das ist ziemlich lange.“ Shinichi wandte den Kopf zur Seite und sah Kaito wieder an. Irgendwas stimmte hier nicht. Der Dieb vermied es seinen Begleiter anzusehen. Seine Körperhaltung wirkte entspannt aber seine Stimme klang nicht so. Es klang, als würde er etwas verheimlichen, etwas hinter seinem Pokerface verstecken. Shinichi wollte ihn gerade darauf ansprechen, als er einen Bettler, der an ihm vorbei ging anrempelte. Erschrocken über den Aufprall umfasste Shinichi den Oberarm des Mannes um zu verhindern, dass er zu Boden fiel, während er mit der zweiten Hand schnell ein paar Münzen aus der Luft fing, die der Mann hatte fallen lassen. Der Detektiv atmete erleichtert auf und lächelte leicht als er den Bettler losließ und die Münzen zurückgab: „Tut mir leid, ich hab nicht aufgepasst wo ich hingehe.“ „Nein, nein, mir tut es leid“, entschuldigte sich der ältere Herr und nahm mit zittrigen und schmutzigen Händen die Münzen entgegen. „Meine Augen sind nicht mehr so gut, wissen Sie?“ Shinichi nickte leicht. Dann verabschiedete er sich kurz und schloss zu Kaito auf, der ein paar Schritte entfernt stehen geblieben war. „Gut, dass er nicht mehr so gut sieht“, murmelte der Dieb, als die beiden sich wieder in Bewegung setzten, „Deine Hand hat sich so schnell bewegt, dass du die Münzen aus der Luft gefangen hast.“ Shinichi seufzte schwer und rieb sich mit einer Hand die Stirn: „Ich muss das dringend in den Griff kriegen, sonst verrate ich mich früher oder später noch.“ „Wäre nicht schlecht. Wenn du magst kann ich weiter mit dir trainieren“, schlug Kaito grinsend vor. Shinichi war ein bisschen überrascht von dem Vorschlag. So schnell, wie der Meisterdieb am Morgen sein Heim verlassen wollte hatte es auf Shinichi eher gewirkt, als wäre Kaito seiner Überdrüssig. Dass er ihm jetzt anbot ihm zu helfen widersprach sich mit seinem vorhergehenden Verhalten. „Manchmal versteh ich dich einfach nicht“, gab der Detektiv zu und legte seine Stirn noch mehr in Falten, doch Kaito lachte nur: „Anders wäre es doch auch langweilig, meinst du nicht?“ Das klang jetzt wieder ganz nach dem Kaitou KID, den er auch kannte. Der Schülerdetektiv schüttelte leicht den Kopf und steckte die Hände in die Jackentasche. „Trotzdem seltsam“, murmelte Shinichi plötzlich leise und zog so Kaito’s Aufmerksamkeit auf sich, „Der Kerl war der Erste, in den ich heute reingerannt bin. Sonst bin ich jedem ausgewichen.“ „Ist es so seltsam, dass Leute dich anrempeln?“ Shinichi schüttelte den Kopf: „Das nicht. Aber normalerweise passiert es, weil ich nicht ausweichen kann. Aber der Kerl? Ich hab ihn gar nicht bemerkt bis zu dem Moment, als wir kollidiert sind.“ „Huh. Das ist wirklich komisch“, bemerkte auch der Meisterdieb und verschränkte die Arme hinter den Kopf. Sie schlenderten noch ein paar Minuten durch die volle Innenstadt, schweigend und jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend bis Kaito schließlich den Weg entlang eines Flusses einschlug. Shinichi betrachtete aufmerksam die Umgebung: „Richtig schön hier.“ „Ruhig. Ein bisschen zu ruhig, wenn ich ehrlich bin. Man kann hier kaum was machen“, bemerkte Kaito und winkte mit einer Hand leicht ab. Shinichi schmunzelte leicht. Er dachte dasselbe über sein eigenes Zuhause. Vermutlich war es so ein Ding der Jugend. Niemand war mit der Gegend zufrieden, wo er lebte, weil alles andere immer so viel interessanter wirkte. „Das letzte Mal, als wir hier waren, war es mitten in der Nacht“, stellte Shinichi fest und erinnerte sich zurück, als er Kaito in ein Taxi gesetzt und ihn nach Hause gebracht hatte. Er hatte damals kaum etwas gesehen, weder von der Gegend, in welcher der Meisterdieb lebte noch von seinem Haus. Shinichi erinnerte sich nur daran, wie er den Jungen vor der Haustür abgesetzt und seine Hand geküsst hatte. Dann hatte er sich darum gekümmert, dass der gestohlene Edelstein zurück zu seinem Besitzer gebracht wurde und sämtliche Söldner, die auf der Jagd nach KID waren abgezogen wurden. Diesmal war niemand hinter ihnen her, diesmal war er als er selbst hier, als Shinichi Kudo, und konnte den Spaziergang und die Ruhe genießen. Es war nicht viel los, was wohl daran lag, dass es eigentlich Zeit für die Schule war. Das machte den ganzen Spaziergang noch viel angenehmer, auch jetzt, wo sie die Stadt verlassen hatten und schweigend neben den Fluss entlang spazierten. „Wirst du deinen Eltern sagen, was passiert ist?“, fragte Kaito nach einer Weile in die Stille hinein. Der Detektiv schwieg, starrte gedankenverloren in den Himmel. Nach einer Weile antwortete er ihm, zögerlich: „Ich denke nicht. Ich meine, was soll ich ihnen schon sagen? Mum, Dad, euer Sohn ist jetzt ein unsterbliches Raubtier? Am Ende würden sie vermutlich noch einen Weg suchen wollen um das Ganze rückgängig zu machen.“ „Rückgängig? Ist sowas denn möglich?“ „Nein“, Shinichi lächelte müde, „Jedenfalls gibt es keine bekannte Methode, meinte Akihito. Keinen Weg das, was mir passiert ist umzukehren oder zu beenden.“ „Oh, natürlich gibt es einen Weg das zu beenden.“ Shinichi und Kaito hielten überrascht inne. Langsam drehten sich die beiden um, zu der rauen, kratzigen Stimme die hinter ihren Rücken gesprochen hatte. Es war derselbe Bettler, in den Shinichi nur Minuten zuvor reingelaufen war. „Was reden Sie da?“, begann der Vampir mit einem milden Lächeln auf den Lippen. „Sie wissen doch gar nicht wovon wir sprechen.“ Der Mann kicherte. „Du willst doch einen Ausweg, mein Junge? Ich kann dir einen geben. Den Ausweg, den ich jedem Vampir gebe.“ Kaito’s Augen weiteten sich bei den Worten des Mannes, aber was dann geschah passierte so schnell, dass er kaum Zeit hatte es wahrzunehmen. Shinichi’s Körperhaltung neben ihm änderte sich plötzlich zu einer angespannten Haltung, der Haltung eines Raubtieres, so als wolle er den Mann gleich anspringen. Der Mann zog zeitgleich etwas aus seiner zerschlissenen Jacke, mit einem Tempo, das Kaito ihm niemals zugetraut hätte. Gerade als Shinichi einen Satz zur Seite machen wollte ertönte auch schon ein lautes Zischen und ein Schmerzensschrei. Kaito’s Körper reagierte instinktiv. Er warf eine Blendgranate vor den Augen des Mannes zu Boden und als das grelle Licht sich verzog waren die beiden Jungs verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)