Ai no Scenario von Listle ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Es war bereits stockdunkel als KID sich weit genug vom Museum entfernt hatte um durchzuatmen. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen und er fischte das Auge von Belmont aus seiner Jackentasche. Der Diamant war wunderschön, ungefähr so groß wie seine Faust und absolut perfekt geschliffen. Er blickte kurz nach oben zum Himmel, aber der Mond war verdeckt von den Gebäuden, die um ihn herum aufragten. Also verstaute er den Stein wieder sicher im Inneren seiner Uniform, wissend, dass er die Verkleidung in der nächsten Mülltonne entsorgen würde. Es wäre zu gefährlich hier als Polizist rumzuschleichen. Andererseits trug KID unter seiner Uniform auch nichts anderes als sein Kostüm. Nur zwei Straßen weiter wartete jedoch Jii auf ihn, der ihn mit nach Hause nehmen würde. In dessen Wagen würde er sich umziehen und kontrollieren können, ob der Stein tatsächlich Pandora war oder nicht. Der Meisterdieb atmete tief durch und warf einen kurzen Blick über seine Schulter. Er fühlte sich unwohl in der dunklen Straße. Das letzte Mal, als er um diese Zeit in so einer Straße rumgelaufen war, war er von einem Vampir attackiert worden. Aber wie groß waren die Chancen, dass ihm das zweimal hintereinander passieren würde? „Außerdem hätte er mich gewarnt“, murmelte der Junge und zog die Polizeikappe tiefer in sein Gesicht, ehe er seinen Weg fortsetzte, „Wenn der Stein irgendeinem Blutsauger gehören würde hätte er mich sicher längst eingeholt.“ KID versuchte sich wieder zu entspannen und die Angst aus seinem Nervensystem zu verbannen. Er atmete tief aus und setzte seinen Weg fort. Er durfte nicht stehen bleiben, die Polizei war immer noch auf der Suche nach KID und so weit hatte er sich noch nicht vom Museum entfernt. Es waren Schritte, die hinter ihm laut wurden, die ihn dazu brachten inne zu halten. Er drehte sich ein Stück, sodass er einen Blick über seine Schulter werfen konnte, die Hand bereits beim Waffengurt. Er war ein Polizist, auf der Suche nach dem fliehenden Kaitou KID, das durfte er nicht vergessen. Wenn er sich das immer wieder ins Gedächtnis rief war sein Pokerface perfekt. „Wer ist da?!“, hallte seine Stimme in der stillen Nacht wider. Im Gegensatz zum letzten Angreifer legte dieser hier keinen Wert darauf sich heimlich anzuschleichen. Er trat aus dem Schatten in das Licht einer einzelnen Straßenlaterne. Er war nur mit einer Hose bekleidet, sein Oberkörper war nackt, tätowiert und weiß. Viel zu weiß um menschlich zu sein und KID wusste sofort was das zu bedeuten hatte. Es war ein weiterer Vampir. Wieso kamen die alle jetzt plötzlich aus ihren Nestern gekrochen? „Wie kann ich Ihnen helfen, Sir?“, fragte KID mit fester Stimme, die definitiv nicht nach seiner eigenen klang. Wenn Shinichi’s Sorge berechtigt war, dann war dieser Vampir der Massenmörder, der in letzter Zeit sein Unwesen trieb. Und Kaitou KID war definitiv jemand, der in sein Beuteschema fiel. „Verzeihung, Officer. Ich bin auf der Suche nach einem Dieb, der hier vorbeigekommen sein soll. Er ist komplett in weiß gekleidet, wie ein Magier…“ „Sie sprechen von Kaitou KID“, KID‘s Stimme war kühl, „Die Polizei sucht bereits nach ihm. Es ist ehrenwert, dass ein besorgter Bürger wie Sie uns unterstützen möchte, aber Sie sollten besser nach Hause gehen. Es ist bereits spät.“ Der Fremde legte seinen Kopf leicht schief und die schulterlangen Haare, welche seinen Kopf zierten – der Kerl erinnerte KID ein bisschen an Jesus – fielen ihm ins Gesicht. „Ihre Sorge ist lobenswert, Officer.“ Seine Stimme klang ruhig und KID erlaubte es sich, sich ein kleinwenig zu entspannen. Anscheinend wusste der Mann nicht wen er vor sich hatte, anscheinend kannte er seine Fährte nicht. „Ich tue nur meine Bürgerpflicht“, erwiderte der Polizist, fasste sich kurz an die Mütze als Zeichen der Verabschiedung und wandte sich von dem Fremden ab. Nur schnell weg hier. Doch da war sie wieder, diese übermenschliche Schnelligkeit der Vampire. Der Jesus-Verschnitt stand plötzlich genau vor ihm, seine Augen blutrot. Seine Lippen umspielte ein wahnsinniges Lächeln und mit einer Bewegung, die schon wieder viel zu schnell für KID‘s Augen war hatte er den Stein aus KID’s Tasche gerissen. Erschrocken machte der Dieb einen Sprung nach hinten und fasste sich an das Loch der Polizeiuniform. Ihm selbst war nichts passiert, aber seine Verkleidung sowie sein Hemd waren zerrissen. Der Typ schien nicht zimperlich zu sein. „Seit wann tragen Polizisten denn Diamanten bei sich…? …Kaitou KID.“ KID schaffte es gerade noch den Kopf zu heben als er auch schon einen harten Schlag in seinem Nacken spürte und kurz darauf zu Boden ging.   Als KID die Augen das nächste Mal öffnete starrte er an die vergilbte Decke eines dreckigen Apartments. Er rümpfte die Nase über den Geruch und schloss die Augen wieder, um die tanzenden Lichtpunkte zu vertreiben. Er hatte einfach kein Glück. Seit dem Tag, an dem er erfahren hatte, dass Vampire existierten war er immer wieder in welche hineingelaufen. Es war als habe jemanden den Schleier der Illusion von seinen Augen weggerissen und er war nun in der Lage all das zu sehen, was früher so gut vor ihm verborgen lag. Und jetzt lag er hier, überraschend weich, in einem Apartment das stank nach Blut, Tod und Verderben und er wusste nicht ob es das jetzt für ihn gewesen war oder nicht. KID öffnete seine Augen erneut und wandte den Kopf zur Seite. Er hatte sich versucht dagegen zu wappnen, aber die halb verwesten Kadaver von Ratten und die vergilbten und schimmligen Wände ließen dennoch Übelkeit in ihm hochsteigen. Er öffnete seinen Mund und tat zwei tiefe Atemzüge um die Panik, die in ihm auftrat zu unterdrücken, schloss dann jedoch wieder den Mund als er merkte, dass es seine Übelkeit nur verstärkte. Er verzog das Gesicht etwas und versuchte sich aufzusetzen, doch keine Chance. Seine Handgelenke und seine Beine waren an das Bett gefesselt, auf dem er lag. „Verdammt“, KID war ein Meister des Entfesselns, aber wer auch immer die Seile an seinen Gelenken festgebunden hatte kümmerte sich einen Scheiß darum ob sie sich in seine Haut schnürten oder nicht. Wenn er versuchte sich zu bewegen konnte er spüren, wie sich die Haut unter den Fesseln löste. Er atmete tief aus und versuchte sich zu entspannen. Wenn dieser Kerl wirklich der Massenmörder war, von dem Shinichi versucht hatte ihn zu warnen musste er hier raus. Er versuchte ein weiteres Mal seine Arme zu bewegen, doch da ging auch schon die Tür auf und er Jesus-Verschnitt trat ein. Seine Augen waren immer noch blutrot und auf seinen Lippen lag ein süffisantes Lächeln. Kaito hasste es. „Du versuchst davonzulaufen? Lass das lieber gleich sein, sonst wird es am Ende nur noch schmerzhafter für dich.“ „Was willst du von mir?“, knurrte KID und stoppte seine Bemühungen sich zu befreien. Wenn er es schaffte das der Kerl seine Fesseln lockerte, nur ein kleines bisschen, dann hatte er auch eine reelle Chance davon zu kommen. „Was ich will? Ich will dein Blut“, erwiderte der Typ als wäre es das normalste auf der Welt. „Ich bin ein Jäger, du bist die Beute. Ich dachte, das ist offensichtlich.“ „Wäre mir neu, dass Menschen sowas wie Beute sind“, erwiderte der Dieb und spannte seine Armmuskeln etwas an. Er versuchte wenigstens eines seiner Handgelenke aus der engen Schlaufe zu winden. Nur eine Hand, wenn er nur eine Hand frei bekam hatte er eine Chance. Der Vampir lachte. „Nun, es ist wahr, dass Menschen in der heutigen Zeit nicht mehr sooft zur Beute werden wie das früher der Fall war. Aber ich habe einen Deal, weißt du? Ich jage nicht jeden Menschen, ich picke mir nur ganz besondere Menschen raus.“ „Ach? Und womit habe ich diese Ehre verdient?“ KID versuchte ihn weiter zu beschäftigten, seinen Fokus weiter von KID‘s Befreiungsversuchen abzulenken. Er spürte wie sein Handgelenk zu bluten begann und hielt inne, aber der Vampir schien nicht auf das Blut zu reagieren. Nach wenigen Augenblicke setzte KID seine Bemühungen fort, die Augen fest auf das Gesicht seines Gegenübers gerichtet. „Ich habe die offizielle Erlaubnis den Abschaum der Gesellschaft für meine Jagd zu nutzen“, verkündete der Pseudo-Jesus stolz und öffnete seine Arme, als würde er eine Predigt halten. Der Typ schien sich wohl wirklich für eine Art Erlöser oder so zu halten. „Ich kann mir schwer vorstellen, dass dein Boss so glücklich drüber ist, wenn du blutleere Leichen zurück lässt“, konterte der Dieb und verdiente sich damit einen eiskalten Blick aus blutroten Augen. Der Vampir schritt langsam näher. Seine Schritte waren lautlos, wie die einer Katze und KID konnte die Gefahr, die die Haltung des anderen ausstrahlte beinahe körperlich spüren. Er beugte sich über den am Bett gefesselten Jungen und grinste süffisant: „Wenn ich du wäre würde ich aufpassen was ich sage.“ Mit einer übermenschlich schnellen Bewegung hatte der Typ KID‘s Polizeiuniform von seinem Körper gerissen und in eine Ecke des Raumes befördert. Stattdessen lag er nun mit Hemd, Hose und Krawatte seines KID-Kostüms auf dem Bett. Ein tiefes Grollen drang aus der Kehle des Diebes. „Kaitou KID höchstpersönlich wird meine nächste Mahlzeit sein. Ich hätte niemals gedacht, dass mir so ein großer Fisch ins Netz geraten wird, aber sind wir mal ehrlich… am Ende bist du auch nicht mehr als ein einfacher Dieb und damit offiziell zur Beute freigegeben.“ Die Hand des Vampirs fand ihren Weg zu KID‘s Wange und sie fühlte sich eiskalt an. Die Anspannung in seinem Körper kam zurück und der Dieb presste sein Kiefer zusammen. Er erinnerte sich daran, wie der letzte Vampir, dem er begegnet war seinen Hals gebissen hatte, die Schmerzen die er empfunden hatte. Aber der hier schien anders zu sein. Sanfter. Und das machte ihn umso unheimlicher. „Weißt du“, begann er langsam und musterte den Jungen auf seinem Bett, ehe er mit einer schnellen Bewegung das blaue Hemd in zwei Teile riss, „Ich spiele gern mit meinem Essen. Ich weiß, Eltern erziehen ihre Kinder dazu, dass man das nicht tut, aber nachdem ich schon lange keine Eltern mehr habe kann es mir eigentlich egal sein. Und es macht so viel Spaß, wenn das Essen vorher noch etwas schreit…“ KID wollte gerade eine freche Antwort geben als er die scharfen und schmutzigen Nägel des Vampirs an seiner Brust kratzen spürte. Der Kerl musste seine Nägel angespitzt haben denn die federleichte Berührung hinterließ einen brennenden Schmerz und blutige Striemen auf seiner Haut. Gierig beugte sich der Vampir vor und begann das Blut von der Brust des Jungen zu lecken. „Blutgruppe B… sehr lecker, wirklich. Selten, außerdem.“ Er leckte sich genüsslich die Lippen und KID wurde schon allein von dem Anblick wieder übel. Solange der Typ mit seinen oberen Hautschichten beschäftigt war und ihn nicht zu schwer verwundete fokussierte der Dieb sich weiter darauf sein Handgelenk aus der Schlinge zu drehen. Er ging rücksichtsloser vor als zuvor, das zusätzliche Blut an seinem Handgelenk war nicht weiter auffällig, wenn der Mistkerl schon absichtlich Wunden auf seiner Brust hinterließ. Dem Vampir schien das nicht aufzufallen. Er grub seine Nägel erneut in den Körper des Diebes, diesmal an seiner Seite und hinterließ weitere, tiefe Kratzspuren. KID konnte einen Schmerzenslaut nicht unterdrücken und bäumte seinen Körper in einem hilflosen Versuch der Flucht leicht auf. Der Vampir grinste jedoch nur und leckte sich die blutigen Finger ab. „Du schmeckst himmlisch, hat dir das schon mal jemand gesagt?“ „Ja“, keuchte KID und der überraschte Blick des Vampires brachte ein süffisantes Grinsen auf sein Gesicht. „Was? Glaubst du wirklich du wärst der erste, der von mir trinkt? Lächerlich.“ „Oh? Nun, wenn du schon über uns Bescheid weißt brauch ich ja nicht mehr so geheimnisvoll tun.“ KID‘s Grinsen erstarb als er sah wie der Vampir seine Fangzähne wachsen ließ. Sie waren um einiges länger als die von Kudo. Oder hatte Kudo ihm einfach nie das volle Ausmaß gezeigt? Seine Muskeln verkrampften sich und die Erinnerung an den schmerzhaften Biss an seinem Hals kehrte zurück. Der Vampir beugte sich näher zu KID‘s Gesicht und dieser begann erneut eifrig seine Hand aus der Schlinge zu befreien. Die Zähne gruben sich tief in seine Schulter und ein brennender Schmerz schoss durch seinen Körper und seinen linken Arm. KID konnte einen lauten Schmerzensschrei nicht mehr unterdrücken doch er nutzte die aufsteigende Panik und riss mit einer schnellen Bewegung seinen rechten Arm frei. Dann nutzte er die immer noch vorhandene Kraft, die er hatte und den Überraschungsmoment auf seiner Seite und schlug dem Vampir mit der Faust gegen die Schläfe. Dieser, den Schlag nicht kommen sehend, ließ von KID‘s Schulter ab und sank bewusstlos zusammen. Der Dieb tat ein paar tiefe Atemzüge. Er wusste, dass er sich jetzt nicht entspannen konnte. Der Typ war immer noch ein Vampir, er würde sich von dem Schlag also schneller erholt haben als ein normaler Mensch. KID nutzte die freie Hand und fasste soweit es ging nach unten. Er hatte seine Pistole an seinem Bein befestigt, wenn er also nur ran kommen würde wäre er frei. Und tatsächlich, Lady Luck war ihm Hold und er konnte die Waffe aus der Halterung ziehen. Mit drei schnellen, gezielten Schüsse hatte er die Seile an seiner linken Hand und seinen Beinen durchtrennt und schob den bewusstlosen Vampir von sich weg. Seine Schulter brannte wie Feuer und sein Handgelenk pulsierte, doch er konnte jetzt nicht zögern. Er rappelte sich auf und stolperte aus dem Bett, als sein Blick auf den großen Diamanten fiel, welcher neben dem Bett auf einem kleinen Nachtkästchen lag. Er schnappte sich dein Stein ohne groß darüber nachzudenken und ließ ihn in der Hosentasche verschwinden ehe er auf die Tür zusteuerte, welche aus dem Apartment hinausführte. Lady Luck war ihm ein weiteres Mal Hold, denn die Tür war nicht verschlossen. Vermutlich hatte der Vampir nicht erwartet, dass seine Beute es schaffen würde zu fliehen. KID öffnete die Tür und stolperte auf den Gang. Er war leer und still, obwohl doch viele Wohnungen nebeneinanderlagen. Aber es war ein sauberes Gebäude, was KID etwas überraschte. Nach dem Zustand der Wohnung war er eigentlich davon ausgegangen, dass der Wohnblock abgelegen irgendwo in den Slums war. Aber nein, hier war es sauber und neu, so als wäre er in eine vollkommen andere Welt gestolpert. Aber KID durfte nicht stehen bleiben. Er stolperte durch den langen Gang, wobei er sich an der Wand abstützen musste. Die Schmerzen in seiner Schulter waren unerträglich, der Vampir schien nicht sonderlich sanft vorgegangen zu sein. Der Gang vor ihm begann sich zu drehen und KID befürchtete schon, der Blutverlust würde dafür sorgen, dass er das Bewusstsein verlor, doch nur einen Moment später fand er sich Aug in Aug mit seinem Jäger und die Sorge um die Bewusstlosigkeit war vollends verschwunden. KID seufzte auf und sank langsam zu Boden. Seine Flucht war in die Hose gegangen, und er wusste, dass alles, was jetzt kam nur noch schmerzhafter wurde. Also gab er nach und ließ die Schwärze ihn davontragen.   Als KID die Augen das nächste Mal öffnete war er wieder in dem widerlichen Apartment. Er befand sich jedoch nicht am Bett sondern saß auf einem Stuhl, die Arme und Beine zusammengebunden, ein Seil um seinen Körper geschlungen. Er fragte sich einen Moment lang, wieso der Vampir ihn nicht gebissen und getötet hatte als er noch bewusstlos war. Aber er hatte es ja bereits zuvor gesagt, er liebte es zu spielen. „Endlich wach?“ KID gab sich gar keine Mühe den Kopf zu heben. Seine Schulter und sein Handgelenk schmerzten und seine Waffe lang zerbrochen neben der Eingangstür. Er würde sich diesmal nicht so einfach befreien können, es würde diesmal weitaus mehr Tricks brauchen als zuvor. Aber er war erschöpft und müde. Zu müde. Zu schwach. Er würde diesmal nicht davonkommen. Hier würde er sein Ende finden. KID schloss die Augen. Er würde sterben und das bevor er den Mord an seinem Vater gerächt hatte. Er würde sterben, noch bevor er Pandora gefunden und zerstört hatte. Er würde sterben und das Erbe seines Vaters würde sich erneut im Nichts auflösen. Seine Mutter würde ihren Sohn verlieren und Jii würde seinen jungen Herren verlieren. „Verdammt…“, KID biss sich auf die Unterlippe um ein Schluchzen zu unterdrücken. Er würde keine Schwäche zeigen. Er würde stark sein und dem Tod mit Stolz entgegentreten. Etwas anderes blieb ihm ja nicht übrig. „Diesmal geh ich kein Risiko ein“, knurrte der Vampir hinter ihm. KID versuchte den Kopf ein kleines Stück zu drehen um den Mann hinter sich zu sehen, doch da bohrten sich auch schon wieder die Fangzähne des Vampires tief in seine Schulter. KID stieß einen lauten Schmerzensschrei aus und versuchte sich aus den Fängen des Vampirs zu winden, doch die scharfen Nägel an seinem Hals und seinem Brustbein, die sich tief ins Fleisch bohrte brachten ihn dazu inne zu halten. Der Schrei erstarb und wurde zu einem Wimmern, durch welches er schwach das Klopfen an der Tür vernahm. KID dachte erst, er hätte es sich nur eingebildet, der letzte Funke Hoffnung, welcher in ihm aufflammte, doch das war irrsinnig. Selbst wenn jemand an der Tür war, wenn der Vampir von ihm abließ, es würden vermutlich nur noch weitere Vampire sein, die sich auf ihn stürzen und ihn töten würden. Dennoch, sein Angreifer ließ von ihm ab. Er knurrte, nicht erfreut darüber schon wieder gestört zu werden, doch er verließ das Wohnzimmer und ging Richtung Tür. „Wer ist da?!“, rief er laut und genervt gegen die geschlossene Tür. „Hier ist Akihito! Mach die Tür auf, Takashi“, erwiderte eine laute, tiefe Stimme von draußen. KID hob den Kopf und versuchte etwas in dem dunklen Gang zu erkennen, doch sein Blick war verschwommen. Akihito. Der Name klang vertraut, aber er konnte ihn nicht zuordnen. Akihito. Wo hatte er diesen Namen schon mal gehört? „Was willst du hier Aki-ARGH!!!“ KID wusste nicht was vor sich ging. Er hörte, wie etwas gegen die Wand schlug, wieder und wieder, hörte lautes und tiefes Knurren, hörte den Vampir, der anscheinend Takashi hieß, schreien und die tiefe Stimme, die dem Mann namens Akihito gehörte wie er laut rief: „Hör auf! Junge, lass ihn los!“ Aber da schrie der Vampir wieder auf, laut und unter Schmerzensschreien. Dann wurde er zur Seite geschleudert und landete so halb im Wohnzimmer. KID‘s Körper spannte sich an und er war darauf vorbereitet gleich noch weiteren Angreifern gegenüber zu treten aber erschien auch schon ein junger Mann in der Tür, halb über den zu Boden gegangenen Vampir gebeugt, das Gesicht und die Hände mit Blut verschmiert. Seine saphirblauen Augen sahen sich panisch um doch die Panik verflog mit einem Mal als er KID an den Stuhl gefesselt sah. „Kudo?!“, keuchte der Meisterdieb überrascht auf. Shinichi zögerte nicht lange, er eilte mit ein paar großen Schritten zu dem gefesselten Jungen und ging vor ihm auf die Knie. Mit einer schnellen Bewegung löste er die Fesseln. KID spürte, wie die Seile nachgaben und sein Körper begann zu fallen. Shinichi stütze ihn, sodass er nicht am Boden aufschlug. „Was machst du hier?“, murmelte KID leise und entspannte sich etwas. Der Meisterdetektiv seufzte auf und befreite den Jungen von den restlichen Fesseln während er antwortete: „Dich hier rausholen. Was denn sonst?“ Ein Schmunzeln schlich sich auf die Lippen des Diebes: „Du hast dich in meine Arbeit eingemischt und die Generatoren manipuliert…“ Shinichi hielt in seinen Bewegungen inne. Er umfasste vorsichtig die Schultern des Jungen und schob ihn ein Stück von sich um ihn anzusehen. „Das ist das erste was du zu mir sagst nachdem ich dich vor deinem sicheren Tod rette? Ernsthaft?“ „Heh, unpassend, was? Tut mir leid“, der Dieb grinste leicht doch sein grinsen erstarb schon nach wenigen Augenblicken. „Kudo… ich bin müde. Können wir hier weg?“ Der junge Vampir sah schnell zu seinem Begleiter, welcher KID nun das erste Mal auffiel. Er wirkte nicht sehr viel Älter als KID oder Shinichi selbst, vielleicht Mitte Zwanzig. Er hatte die weißen Haare kurz geschoren und eine seiner behandschuhten Hände schloss sich um den Hals seines Angreifers. „Du solltest ihn mit zu dir nach Hause nehmen“, die Stimme des Vampirs namens Akihito war tief und beruhigend. Sie klang nicht wie die Stimme eines Raubtieres oder eines Mörders, sondern eher wie die Stimme eines Vaters. Dann fiel es KID wieder ein, woher er den Namen kannte. Dieser Mann war der Anführer von Shinichi’s Clan. „Takashi ist kein sehr sauberer Vampir. Es kann sein, dass sich die Wunden des Jungen entzünden. Ich schicke dir Miyoko mit Medikamenten und Nahrung vorbei, kümmere du dich so lange um ihn.“ „Wäre es nicht besser, wenn ich ihn in ein Krankenhaus bringe?“, fragte der Schülerdetektiv zögerlich doch Akihito hob nur fragend eine Augenbraue. „Und wie genau erklärst du die Bisswunden und die Bakterien in seinen Wunden?“ Shinichi biss sich leicht auf die Unterlippe, wandte sich dann jedoch wieder KID zu. Mit besorgter Stimme fragte er: „Kannst du gehen?“ KID stemmte sich zögerlich in die Höhe. Er spürte, wie ihn die Kraft verließ und wäre fast wieder zu Boden gesunken, doch Shinichi war da um ihn zu stützen. Der Schülerdetektiv seufzte auf: „Okay, ich ruf ein Taxi.“ „Nein“, KID legte seine gesunde Hand auf Shinichi’s Telefon, welches dieser bereits aus der Tasche gezogen hatte. Dann nahm er es ihm ab: „Ich habe eine bessere Idee.“ Shinichi hinterfragte nichts. Er beobachtete wie KID eine Nummer auf seinem Telefon eintippte und jemanden anrief. Kurze Zeit herrschte Stille, dann bat er einen Mann namens Jii-chan ihn abholen zu kommen. Als es um die Andresse ging half Shinichi aus, aber das Gespräch war kurz und ohne diesem Jii weitere Informationen mitzuteilen. Shinichi ließ das Telefon in seine Hosentasche gleiten. Dann entledigte er sich seiner Jacke und reichte diese an den Meisterdieb weiter. „Zieh die über. Muss nicht jeder das Blut an deinem Hemd sehen.“ „Das sagt genau der Richtige“, erwiderte KID mit einem frechen Grinsen und nickte in Richtung eines dreckigen Spiegels, welcher an der Wand hing. Shinichi warf einen kurzen Blick hinein und musste feststellen, dass sein Gesicht und Hals tatsächlich voller Blut waren. Er seufzte tief auf und ließ KID ein weiteres Mal auf dem Stuhl Platz nehmen. „Warte kurz.“ Er verschwand in einem der angrenzenden Räume, was bedeutete, dass KID alleine mit Akihito und seinem Angreifer war. Die beiden Männer tauschten einen kurzen Blick aus. „Was passiert mit ihm?“, wollte KID wissen und nickte zu dem immer noch bewusstlosen Vampir. Akihito senkte den Blick auf den leblosen Körper ehe er wieder zu dem Meisterdieb sah. „Ich werde mich um ihn kümmern. Er hat die Regeln gebrochen und unseren Clan in Gefahr gebracht, das kann ich nicht durchgehen lassen.“ KID nickte leicht. „…ich werde es auch nicht zulassen, wenn du unseren Clan in Gefahr bringst, Kaitou KID“, setzte Akihito plötzlich fort, sein Blick eiskalt. KID lief ein Schauer über den Rücken und erneut fühlte er sich, als würde er sich Aug in Aug mit einem Raubtier befinden. Würde Akihito sich auf ihn stürzen? Würde er ihn töten und das beenden, was Takashi nicht beenden konnte? „Du hast Glück, dass Shinichi sich für dich ausgesprochen hatte“, seufzte der weißhaarige Mann schließlich auf. „Normalerweise lasse ich niemanden Leben, der über unseren Clan und unsere Welt Bescheid weiß. Aber Shinichi hat für dich gebürgt. Du scheinst ihm am Herzen zu liegen. Ich rate dir nur, nutz das nicht aus. Sonst werde ich Shinichi’s Bitte ignorieren und mich höchstpersönlich um dich kümmern.“ „Ich habe nicht vor mich in eure Angelegenheiten einzumischen oder euch zu verraten, keine Sorge“, erwiderte KID erschöpft. Seine Schulter schmerzte immer noch und er wollte nur noch raus aus diesem widerlichen Apartment. Shinichi brauchte zum Glück nicht lange. Er kam zurück und half dem Meisterdieb hoch, gab ihm auch mit einem Arm halt da er sich noch nicht völlig eigenständig auf den Beinen halten konnte. Akihito zerrte Takashi an den beiden Jungs vorbei und warf seinen bewusstlosen und blutverschmierten Körper auf das dreckige Bett. Dann wandte er sich Shinichi zu: „Miyo sollte in den nächsten ein bis zwei Stunden bei dir daheim vorbeikommen. Sieh zu, dass du da bist.“ Der Schülerdetektiv nickte leicht ehe er sich mit KID in Bewegung setzte. Er führte den jungen Mann aus dem dreckigen Apartment, den Flur entlang wo zuvor KID selbst versucht hatte zu fliehen. Ein schwaches Grinsen schlich sich auf seine Lippen und er nickte zu einer Blutspur an der Wand: „Scheint, als hätte sich da jemand verewigt.“ „Ja. Es war wie ein Schlag ins Gesicht.“ KID wirkte verwirrt und suchte Shinichi’s Blick, doch sein Begleiter vermied Augenkontakt. Er konzentrierte sich auf den Weg und darauf, den Verwundeten schnellstmöglich aus dem Wohnkomplex zu entfernen. Dennoch sprach er weiter, so als würde er KID‘s fragenden Blick spüren: „Ich hatte schon geahnt das er dich attackieren wird, darum habe ich versucht deinen Fluchtweg zu sichern. Aber es ist nichts passiert, darum bin ich zurück zu Akihito. Ich wollte mit ihm über Takashi sprechen und darüber, dass er eine Spur von Leichen hinterlässt. Akihito wollte sich mit ihm diesbezüglich unterhalten.“ Der Schülerdetektiv atmete tief aus, seine nächsten Worte klangen gepresst. „Als wir aus dem Aufzug raus sind hab ich es sofort gerochen. Deine Fährte hat den ganzen Gang ausgefüllt. Ich… ich hatte Angst ich wäre zu spät.“ „Das warst du auch fast“, murmelte KID, ohne dabei vorwurfsvoll zu klingen. „Aber ich bin froh, dass du es noch rechtzeitig geschafft hast.“ Als sie das Gebäude verließen stand vor dem Gebäude bereits ein weißer Wagen. Ein alter Mann saß hinter dem Steuer und als er Shinichi und KID sah sprang er sofort aus dem Wagen. „Junger Herr…“, er wirkte, als würde er nicht wissen was er tun oder sagen sollte, doch KID winkte lediglich ab. „Schon ok, Jii-chan. Er weiß Bescheid.“ Jii zögerte noch einen Augenblick, öffnete dann jedoch die Tür zur Rückbank des Wagens. Shinichi half KID beim Einsteigen und schlüpfte schließlich ebenfalls in den Wagen. Der alte Mann stieg erneut hinter den Lenker und startete den Wage. „Junger Herr, sollen wir ins Krankenhaus-“ „Nein. Wir fahren zu mir“, unterbrich Shinichi schnell und gab dem Mann seine Adresse. Dann wandte er sich wieder KID zu und betrachtete seine Wunden. „Das sieht nicht gut aus“, murmelte er leise. „Fühlt sich auch nicht gut an“, erwiderte KID und verzog leicht das Gesicht. Der Vampir seufzte. „Ich kümmere mich darum, wenn wir bei mir sind.“ „Wäre nicht das erste Mal.“ „Junger Herr…“, begann der Fahrer langsam, doch KID winkte erneut ab: „Ich erklär dir alles ein andermal, Jii-chan. Versprochen.“ Dann entschied der Fahrer erneut zu schweigen und auch Shinichi entschied, dass es fürs erste das Beste war den Mund zu halten. Die Fahrt zu Shinichi’s Haus dauerte nicht allzu lange und darüber war der junge Vampir sehr froh. Kaito’s Wunden waren noch nicht verheilt und der süße Geruch seines Blutes füllte den Wagen. Der Hunger in Shinichi wuchs, doch er beherrschte sich, bis der Wagen schließlich innehielt. „Wir sind da, junger Herr.“ „Danke, Jii-chan“, erwiderte der Meisterdieb, „Du kannst nach Hause fahren. Ich werde mich bei dir melden, versprochen.“ Shinichi wartete nicht auf die Reaktion des Mannes, sondern öffnete die Beifahrertür und half KID aus dem Wagen. Nachdem die Tür wieder geschlossen hatte setzte sich der Wagen auch schon in Bewegung und fuhr weg. Der Vampir wartete, bis er das Fahrzeug nicht mehr sah, dann wandte er sich an seinen Begleiter. „Wer war der K-“ Kaito sank zusammen und Shinichi war es nur seiner schnellen Reflexe zu verdanken, dass der Junge nicht auf dem Boden aufschlug. Er zog den Meisterdieb in eine Art Prinzessinnengriff und bewegte sich auf die Eingangstür zu. „Ich bin kein Mädchen“, murrte KID, doch er machte keine Anstalten sich zu wehren. Ihm war klar, dass er zu schwach war um selbst zu gehen, zu erschöpft. Er schloss die Augen und öffnete sie erst wieder, als er sich auf einer ihm nicht ganz unbekannten Couch wiederfand. Kaito drehte den Kopf ein Stück doch Shinichi war weg. Langsam rappelte der Junge sich wieder auf und schälte sich aus der Jacke, die der Schülerdetektiv ihm gegeben hatte. Er ließ sie achtlos auf den Boden fallen und sank wieder zurück. Ein tiefes Seufzen verließ seine Lippen. „Dein Outfit hat ja ordentlich was abbekommen“, stellte der Schülerdetektiv fest. Er kniete sich neben KID auf den Boden, den bereits vertrauten Erste-Hilfe-Kasten in seiner Hand. Der Schülerdetektiv öffnete ihn und begann darin herum zu kramen. „Es wird wieder weh tun, oder?“, murrte KID leise, beschwerte sich aber ansonsten nichts. Shinichi schmunzelte leicht als er eines der Tücher in Desinfektionsmittel tränkte. „Du kennst das ja schon“, murmelte er und wandte sich dem Jungen auf seiner Couch zu. Er ließ seine Augen eindringlich über den Körper des anderen wandern und sein Blick verdüsterte sich. Dann begann er behutsam die Bisswunden an KID‘s Schulter zu behandeln. „Das wird länger dauern bis es verheilt ist“, stellte der Detektiv fest und beobachtete wie KID‘s Gesicht sich vor Schmerz verzerrte. „Vor allem wird es diesmal gefährlicher… es könnte sich entzünden.“ „Und wieso ist die Entzündungsgefahr diesmal größer?“ Shinichi hielt einen Moment inne und hob fragend eine Augenbraue. „Hast du seine Wohnung nicht gesehen?“ KID verzog das Gesicht. „Doch.“ Der Schülerdetektiv schüttelte leicht den Kopf ehe er seine Arbeit an der Schulter des Jungen fortsetzte: „Takashi ist ein widerwärtiger Vampir. Er legt keinen Wert auf Hygiene. Dass bedeutet natürlich auch, dass sein Körper Bakterien entwickelt die man… normalerweise nur an Leichen findet. An sich sind diese Bakterien nicht gefährlich solang man sie nicht in eine offene Wunde bekommt aber nach dem was er mit dir gemacht hat…“ „Also könnten sich die Wunde entzünden und ich kann nicht ins Krankenhaus, weil ich nicht erklären kann wie Bakterien einer Leiche in meinen Körper kommen, richtig?“, schlussfolgerte der Dieb und Shinichi nickte. Dann wanderte er mit dem Desinfektionsmittel zu den Wunden an KID‘s Brust und seiner Seite. Sein Blick war düster, seine Schultern angespannt. „Du bist dem Typen an die Kehle gesprungen, dort in dem Apartment“, stellte KID mit ruhiger Stimme fest. Shinichi hielt erneut kurz inne, für einen kurzen Augenblick, ehe er sein Tun fortsetzte. „Ja.“ Das Brennen der Wunden ließ nicht nach aber die Art des Schmerzes veränderte sich. Es war das Desinfektionsmittel, welches der Schülerdetektiv tief in die Wunden einmassierte. KID wusste, dass er das tat um die Chance auf eine Infektion zu verringern, aber er fragte sich wie schwer es ihm wohl fallen musste nicht über KID herzufallen und ihn zu beißen. „Deine Selbstbeherrschung ist bemerkenswert.“ „Findest du? Für mich fühlt es sich an wie Folter“, erwiderte Shinichi mit gepresster Stimme. KID fühlte sich mit einem Mal ziemlich schlecht. Er wusste natürlich, dass es nicht seine Schuld war, dass Shinichi so stark auf sein Blut ansprach aber das KID hier blutend vor ihm saß machte es nicht besser. Der Dieb zögerte etwas, dann hob er schließlich sein verletztes Handgelenk ein Stück. „Willst du trinken?“ Kaito hatte nicht gesehen wie schnell er sich bewegt hatte, doch mit einem Mal war Shinichi drei Schritte von ihm entfernt und starrte ihn aus vor Schreck geweiteten Augen an. „Bist du verrückt?!“, zischte er und KID sah, dass die Fangzähne des Vampires gewachsen waren. Shinichi’s Brust hob und senkte sich schnell, so als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. Er wandte den Blick ab und versuchte seine Beherrschung wiederzufinden. KID war überrascht, er hatte den anderen noch nie so außer Kontrolle erlebt. „Hey… sorry. Ich wusste nicht, dass dich der Vorschlag so aufregt.“ „Würdest du es zulassen?“ Die Frage überraschte KID etwas. Er hatte es ja wohl kaum angeboten, wenn er es nicht zulassen würde, oder? Shinichi’s Gesicht verzog sich zu einer kurzen Grimasse. Er schritt langsam näher auf die Couch zu und sank neben ihr auf die Knie. Er streckte seine freie Hand aus und umfasste die Hand, welche KID ihm zuvor dargeboten hatte. Behutsam zog er sie näher an seinen Mund und presste seine Lippen gegen das geschundene Handgelenk. Er begann zart an der Wunde zu saugen, ohne dabei seine Zähne einzusetzen. KID erschauderte, zog jedoch seine Hand nicht zurück. Langsam ließ Shinichi von der Wunde ab und öffnete seine Lippen einen Spalt um seine Zähne wachsen zu lassen. Ruckartig riss KID die Hand zurück und presste sie, schwer atmend, an sich. Shinichi saß auf dem Boden, seine Haltung entspannt, die Lippen immer noch ein Stück geöffnet und die Fangzähne noch sichtbar. Ein schwaches Lächeln schlich sich auf seine Lippen und er schloss den Mund, seine Zähne wieder auf normale Größe schrumpfend. „Verstehst du jetzt?“, fragte er mit sanfter Stimme, eher sich wieder dem Desinfektionsmittel zuwandte. Er tränkte ein neues, sauberes Tuch damit und behandelte die Wunden an Kaito’s Seite. „Du wurdest zweimal gebissen, auf ziemlich brutale Weise. Ich kann mir vorstellen, dass das keine angenehme Erfahrung war. Darum bitte… biete mir so etwas nicht an. Es ist so schon schwer mich zurück zu halten, solche Angebote machen es nicht gerade einfacher.“ Kaito verzog das Gesicht leicht zu einer Grimasse, schwieg jedoch. Er wartete, bis Shinichi mit seiner Seite fertig war und das Desinfektionszeug zur Seite legte. Der junge Detektiv holte Verbandszeug und Wundpflaster aus dem Erste-Hilfe-Kasten und begann Kaito’s Oberkörper ein zu bandagieren. Der Dieb half mit soweit es ihm in seiner momentanen Position möglich war. Als Shinichi schließlich begann das geschundene Handgelenk zu behandeln und ebenfalls ein zu bandagieren fand der Dieb seine Stimme wieder: „Hey, Kudo… tut mir leid. Ehrlich.“ Shinichi konzentrierte sich auf seine Arbeit. Nachdem KID‘s Handgelenk auch versorgt war erhob sich Shinichi wieder und packte den Erste-Hilfe-Kasten zusammen. „Ich bring dir was zum Anziehen, warte hier.“ Der Meisterdetektiv verlies den Raum und KID sank auf der Couch in sich zusammen. Er fühlte sich jetzt noch schlechter als vorher. Er hatte Shinichi nicht quälen wollen und er hatte nicht vor ihm zurückzucken wollen. Aber die beiden Male, die er gebissen worden war waren wirklich nicht angenehm gewesen. Was, wenn es einfach an dem Biss der Vampire lag? Was, wenn Shinichi’s Biss genauso schmerzhaft war? Der Vampir brauchte nicht lange um die versprochene Kleidung neben dem Dieb auf die Couch fallen zu lassen. „Heh, wird langsam zur Gewohnheit, dass ich deine Sachen trage, oder?“, scherzte Kaito sofort, begann aber sich aus dem zerschlissenen, blauen Hemd zu schälen. Shinichi sank neben der Couch in einen bequemen Fernsehsessel und erlaubte es sich endlich selbst ein kleinwenig zu entspannen. „Scheint so. Gut, dass wir dieselbe Größe haben.“ Es dauerte eine Weile bis KID in die Sachen reingekommen war, aber er war zu Stolz um den Detektiv um Hilfe zu bitten. Shinichi amüsierte sich ein wenig dabei seinen Gast zu beobachten, wie er mit der Hose und dem Shirt kämpfte, wo doch sein gesamter Oberkörper einbandagiert war und schmerzte. Der Vampir hob seinen Kopf als es an der Tür klingelte und erhob sich. „Warte hier“, kommandierte er dem Dieb und machte sich auf den Weg zur Haustür. Als er diese öffnete stand vor ihm eine junge Frau mit wallendem, rotem Haar. „Hallo Shinichi“, begrüßte sie ihn mit dem Tonfall einer Lehrerin, den sie hatte. „Guten Abend, Miyo.“ Er machte einen Schritt zur Seite und ließ sie ein. Obwohl sie ihm gerade Mal bis zu den Augen reichte wirkte sie durch ihre Haltung einfach so viel älter als sie aussah. Oder vielleicht lag es auch daran, dass sie tatsächlich sehr viel älter als er war? „Ich hab hier was für dich“, sie drückte Shinichi eine undurchsichtige Tüte in die Hand. Dann wandte sie den Blick ab: „Wo ist mein Patient?“ „Im Wohnzimmer“, Shinichi führte die junge Dame zu Kaito, welcher immer noch entspannt auf der Couch saß. Als er den Besucher bemerkte versuchte er sofort aufzuspringen, sank jedoch mit einem schmerzhaften Stöhnen wieder zurück auf die Couch. „Mann, Kudo“, murrte er mit schmerzverzerrtem Gesicht, „Du kannst doch nicht so eine Schönheit hier rein lassen ohne mich vorzuwarnen. Das geht nicht.“ Miyo hob überrascht eine Augenbraue an: „Ich dachte Akihito hat euch vorgewarnt, dass ich komme?“ KID wusste erst nicht was sie meinte, dann fiel es ihm wieder ein. Akihito hatte angekündigt, dass jemand vorbeikommen würde. Jemand mit Medikamenten und Nahrung. Sein Blick wanderte zu Shinichi, welcher mit einer undurchsichtigen Tüte in der Hand dastand und dann wieder zurück zu dem Mädchen, welches vor ihm stand. Sie setzte sich neben dem Dieb auf die Couch und schenkte ihm ein sanftes Lächeln. Sie streckte ihre Hand zu dem Gesicht des Jungen aus, hielt dann aber inne: „Mein Name ist Miyoko. Akihito hat mich gebeten einen Blick auf dich zu werfen. Darf ich?“ „Natürlich“, erwiderte Kaito sofort. Wie konnte er bei einem so schönen Gesicht auch nein sagen? Die junge Frau schmunzelte leicht ehe sie mit ihrer kalten Hand seine Wange berührte. Sie beugte sich etwas näher und drehte sein Gesicht von rechts nach links, der Blick fest auf seine Augen gerichtet. Dann lies sie wieder ab von ihm und betrachtete eingehend seinen Hals. Als sie auch dort fertig war mit der Untersuchung lehnte sie sich etwas zurück und wandte ihren Blick zu Shinichi. Dieser hatte die Tüte, welche er vorhin noch in Händen gehalten hatte inzwischen irgendwo verstaut. „Ich verstehe dein Problem mit dem Jungen“, Miyo’s Stimme klang amüsiert, „Er riecht wirklich sehr lecker.“ Shinichi rollte mit den Augen und Kaito konnte ein Grinsen nicht verbergen. Er roch wohl nicht nur gut, sondern auch stark. Er hatte versucht seinen Geruch mit Parfum zu überdecken, aber er war sich sicher gewesen, dass Shinichi ihn dennoch bemerkt hatte. Dennoch schien die junge Dame nicht so sehr auf sein Blut anzusprechen wie Shinichi, schien nicht dieselben Probleme mit der Selbstbeherrschung zu haben. KID fragte sich einen Moment lang, ob sie ihn wohl beißen würde, wenn er ihr sein Blut anbot und musste dabei erneut daran denken wie sanft Shinichi mit seinem Handgelenk umgegangen war. Shinichi war immer sanft zu ihm. Er hatte seine Lippen sooft mit so viel Zärtlichkeit gegen Kaito’s Haut gepresst, dass er sich nicht wundern würde, wenn er ihn irgendwann auch küssen würde. Miyo schmunzelte, schelmisch. Der Dieb blinzelte verwirrt über diesen Blick, sagte jedoch nichts dazu als die junge Dame plötzlich begann in der Tasche ihrer Jacke zu kramen. „Ich habe hier etwas für dich“, ihre Stimme klang plötzlich wie die Stimme einer Mutter. Es jagte Kaito einen leichten Schauer über den Rücken, aber er wurde nicht nervös. Miyo klang wie eine Mutter, die ihrem Kind nur Gutes wollte. Sie zog eine Packung Medikamente aus der Tasche und reichte sie dem Jungen. „Ich will, dass du die Antibiotika dreimal am Tag nimmst. Du beginnst jetzt mit der ersten und nimmst dann immer jeden Tag drei, jeweils zu den Mahlzeiten. Und zwar so lange, bis die Packung leer ist.“ Kaito nickte leicht, die Anweisung war immerhin nicht allzu schwer zu verstehen. Miyo wirkte zufrieden, wandte sich dann jedoch wieder an Shinichi. „Ich werde morgen vor meiner Schicht noch mal vorbeikommen und nach ihm sehen. Sollte es wirklich zu einem Infekt kommen wird es wohl oder übel erst nach der Inkubationszeit zu sehen sein. Und sollte es zu einer Sepsis kommen…“ „Dann rufe ich dich an und bringe ihn sofort ins Krankenhaus“, beendete Shinichi den Satz, so als wären die Anweisungen selbstverständlich für ihn. Kaito runzelte leicht die Stirn. „Wäre es bei der Gefahr einer Sepsis nicht besser, wenn ich im Krankenhaus unter Beobachtung bleibe?“ „Shinichi’s Nase wird eine Sepsis viel früher erkennen als irgendwelche medizinischen Geräte. Vor allem, wenn er wirklich so stark auf dein Blut anspricht wie es den Anschein hat.“ Der Meisterdieb nickte leicht und beobachtete, wie die junge Dame sich wieder erhob. Sie schenkte Kaito ein kurzes Lächeln ehe sie auf den Detektiv zuschritt. Fasziniert beobachtete Kaito wie die zierliche Frau ihre Hand nach dem größeren Jungen austreckte und zärtlich mit den Fingern über seine Wange glitt. Shinichi schloss seine Augen und genoss die Berührung. „Du solltest bald etwas trinken, chéri. Du bist schon ganz blass…“ Kaito wandte den Blick ab. Er fühlte sich, als würde er einen ganz intimen Moment unterbrechen und das wollte er auf keinen Fall. Erst als die Besucherin sich von Shinichi löste und sich mit ein paar kurzen Worten verabschiedete wagte der Meisterdieb es wieder den Kopf den beiden zuzudrehen. Er beobachtete, wie sie den Raum verließen. Langsam rappelte Kaito sich auf und fasste nach der weißen Hose, die immer noch neben ihm auf der Couch lag. Er wühlte einen kurzen Moment in der Tasche ehe er schließlich einen faustgroßen Diamanten herauszog. Mit langsamen Schritten bewegte er sich zum Fenster neben der Couch und sah sich nach dem Mond um, welchen er zu seinem Glück auch von dieser Position aus sehen konnte. Er hob den Diamanten gegen das Licht des Mondes und suchte nach Pandora, doch der Diamant war leer. Kaito seufzte tief auf, als Shinichi das Wohnzimmer betrat. „Was ist los?“, fragte der Detektiv und kam langsam näher. Er sah wie der Dieb sich zu ihm drehte und plötzlich zu schwanken begann. Im nächsten Augenblick stand Shinichi auch schon neben ihn und stützte ihn. „Du solltest dich ausruhen“, sprach er mit strenger Stimme. „Komm, du nimmst die erste Tablette und dann gehst du schlafen.“ „Ja, ist okay“, Kaito wandte sich dem Detektiv zu und grinste leicht. Er steckte ihm den Diamanten in die Hosentasche und ließ sich dann von dem Hausbewohner aus dem Wohnzimmer die Treppe nach oben in eines der Gästezimmer führen. Er ließ KID am Bett Platz nehmen. „Ich hol dir ein Glas Wasser, warte kurz.“ Kaito wartete, bis Shinichi den Raum verlassen hatte. Dann schälte er sich erneut aus seiner Hose und dem Shirt. Er fühlte sich zwar immer noch dreckig aber er war einfach zu müde um noch eine Dusche zu nehmen. Also kroch er in das fremde Bett und zog sich die Decke über den Körper. Shinichi erschien wenige Augenblicke später mit dem versprochenen Glas Wasser in der Zimmertür. Er stellte es behutsam auf dem Nachtkästchen neben dem Bett ab und wartete bis Kaito die erste Tablette genommen hatte. „Mein Zimmer liegt am Ende des Ganges an der gegenüberliegenden Wand. Wenn du was brauchst, komm einfach rüber, okay?“ Kaito nickte leicht. Die beiden Jungen wünschten sich noch eine gute Nacht ehe sich schließlich friedliche Stille über das Haus legte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)