Asuka von Dudisliebling (Der Duft von Morgen) ================================================================================ Kapitel 15: 15. (Sesshomaru) ---------------------------- 15 (Sesshomaru) Der Schnee glitzerte wie an jenem Tag, als ich sie das erste Mal gesehen hatte. Als sie mich angerempelt hatte und einfach weitergelaufen war. Ihr hellbraunes Haar, zum Zopf gebunden, wehte im Wind meiner Vorstellung. Ihre meerblauen Augen lächelten mich an und ließen mich den Hauch der Vergangenheit spüren. Selbst nach all den Jahrzehnten konnte ich sie nicht vergessen. Mein Herz sehnte sich noch immer nach ihr. Meine Ohren sich nach ihrer Stimme. Meine Augen nach ihrem Gesicht. Mein Geruchsinn nach ihrem Duft. Diese Gier zu ihr war an manchen Tagen das schlimmste Gift und an anderen die größte Erlösung. Ich hatte in den letzten Jahren viel an der Erneuerung der Yokai gearbeitet. Zusammen mit Kakashi hatten wir die anderen gelehrt ihr Aussehen und ihre Aura zu ändern, um sicherer in dieser Welt zu leben. Selbst den Kindern, welche ein erstaunliches Geschick bewiesen. Sie kannten es auf diese Weise zu leben und würden sich so nie anders verhalten. Nur die alten Starrköpfe brauchten erst einen Befehl Tegos, um dieser Technik gefügig zu werden. An manchen Yokai biss Kakashi sich beinahe die Zähne stumpf. Doch diese Aufgabe war sein Weg gewesen zurück in unsere Gemeinschaft zu treten. Seine Schergen hatten sich aufgelöst. Es hatte nie mehr ein Kampf stattgefunden. Meiji regierte das Land exzellent und brachte den Fortschritt westlicher Länder hierher. Die Menschheit gedieh wie eh und je und wir Yokai wandelten unter ihnen, als wären wir nichts anderes. Wir hatten gelernt uns vollkommen anzupassen, ohne uns zu verstecken. Wir hatte den Mut unseren Daseinskampf zu führen, anstatt in einem Versteck auszuharren. Dass diesen Sinneswandel ausgerechnet eine junge menschliche Frau in mir und dadurch in allen ausgelöst hatte, war die Ironie selbst. Aber es war so. Asuka hatte mir gezeigt, wie mutig man sein musste, um etwas zu verändern. Normalerweise hielt ich seit jenem Tage einen großen Abstand zu Kyoto, doch ich musste meine Umgebung wechseln, damit mein jugendliches Aussehen nicht für Unruhe sorgte. Gemeinsam hatten wir Yokai so eine Art Rotationsmodell geschaffen. Und dies brachte mich nun nach Kyoto zurück. Ob sie wohl noch lebte? Wie ihr Leben verlaufen war? Ob sie Kinder hatte? Diese Fragen kamen mir oft in den Sinn und wenn ich sie intensiver anging, schämte ich mich meiner Gefühle. Wäre ich bei ihr geblieben, hätte sie ein wunderbares Leben geführt. Eine Schar Kinder hätte ihre Nerven auf die Probe gestellt und allesamt hätten den Schwertkampf gelernt. Wenn allerdings nur eines mit diesem Starrkopf ihrerseits gesegnet worden wäre... Ach, was dachte ich da? Sicher hatte sie ihr Leben genau so verbracht. Mit Yuto, anstatt mir. Aber mein Wissen, dass er sie ebenso liebte und begehrte wie ich, linderte meine Schuldgefühle. Er hatte sie sicher glücklich gemacht. Vielleicht sogar mehr als ich es je vermocht hätte. Einige Wochen war ich nun schon hier in Kyoto und doch passierte es heute Morgen, dass ich vor dem Haus angelangte, in dem ich sie damals gelehrt hatte. Es hatte sich kaum verändert, nur dass keine Wachen mehr davorstanden, die sie festhielten. Ich trug einen der neuzeitigen, westlichen Anzüge mit Hut und hatte das Schwert gegen den Gehstock getauscht. Schwerter brauchte heutzutage niemand mehr. Und allein meine Krallen reichten aus, um Schurken zu erledigen, die mir etwas tun wollten. Bewusst atmete ich durch meinen Mund. Ob ich es ertragen würde ihren Geruch wahrzunehmen? Sollte ich es probieren? Das fragte ich mich nun schon seit zwei Stunden. Im Haus waren drei Auren zu spüren, die ruhig waren. Ich konnte kaum etwas vernehmen, beobachtete jedoch die Bewegungen derer. Als zwei der Auren sich von der Dritten entfernten, trat ich durch das Tor der Mauer. Ich klopfte an der Haustür und wartete. Noch immer nutze ich meine Nase nicht und spürte nur die Bekanntheit der Aura, die mir die Tür öffnen würde. Grüne Augen hoben sich hinter der Schiebetür empor und erstarrten als sie mich sahen. Er war körperlich kleiner geworden, hatte Falten und eine ältliche Erscheinung angenommen. „Meister, Yamata.“, krächzte es aus seinem Hals und ich neigte den Kopf. „Was tut Ihr hier?“ „Ich wurde nach Kyoto versetzt.“, erklärte ich und sah zu der Frau, die hinter ihm stand und mich merkwürdig musterte. Dasselbe Meeresblau stach mir entgegen, doch ihr Haar war so schwarz wie Yutos. Sie hatten also wirklich das Leben miteinander verbracht und ein Kind. „Das Schicksal spielt Euch wohl noch immer zu.“, lächelte Yuto schwach und schloss die Augen. „Kommt bitte herein. Sie erwartet Euch“ „Sie erwartet mich?“, fragte ich verwundert. „Schon seit jenem Tag.“, gab er Antwort und schritt voraus. Seine Haltung war gebeugt, seine Schritte schwach. Die Lunge pfiff kränklich als er mich zu dem Raum führte, in dem sie schon damals gewohnt hatte. „Ich muss Euch noch etwas sagen, Yamata-sama.“ „Nur zu!“, bekräftigte ich. Der Geruch prickelte bereits auf meiner Zunge, egal, wie sehr ich versuchte nichts zu riechen. Meine Handflächen kribbelten, spürten noch ihre Wärme von jenem Morgen, als ich sie nach Hause trug, hier in diesen Raum ablegte, sie küsste und ging. „Sie liegt seit zwei Tagen im Sterben. Ich weiß nicht, ob sie noch erfasst, dass Ihr es seid.“ Der Schock riss mich entzwei. Meine Nase zog die Luft ein und ich wurde von einer Welle der Ernüchterung erfasst. Ihr Geruch jedoch brachte mich wie die Rakete eines Feuerwerks in die Luft und ließ mich dort zerspringen. Wie konnte sie nach all dieser langen Zeit noch solch heftigen Gefühle in mir auslösen? Warum vermochte sie dies, in dem Moment, in dem sie so schwach war. Sofort erfassten meine Sinne ihren schwachen Atem, ihr ruhiges Herz. War ich so blind für das Offensichtliche gewesen? Natürlich hatte ich gewusst, dass sie gealtert sein musste, mich davor gefürchtet, dass sie längst nicht mehr lebte. Doch, dass ich genau in dieser Zeit ihres Todeskampfes hierherkam, kam Heuchlerei gleich. Da hatte ich mich ihr ganzes Leben nicht getraut hierher zurückzukommen. Hatte sie nach meiner Rettung damals einfach nach Hause gebracht und war verschwunden. Nun in diesem Moment vor ihrem Ableben von dieser Erde, kam ich also um sie zu sehen. Wie erbärmlich von mir. „Geht zu Ihr. Sie wird sich freuen.“, sprach Yuto mich an und holte mich aus meinen Gedanken. Er schob die Tür auf und mein Blick fiel auf den Futon. Wie damals, als ich sie beim Träumen erwischte, lag sie auf der Seite. Auch sie war kleiner geworden. Ihr Haar stach ebenso silberweiß hervor wie meines. Ganz automatisch trugen mich meine Beine zu ihr und ich ging neben dem Futon in die Hocke. Asuka schlief und doch brauchte es nur wenige Minuten, bis sie sich regte und schwach die Lider öffnete. „Ihr seid gekommen.“, wisperte sie leise und brachte mir Verwunderung. „Woran hast du mich erkannt?“, wollte ich wissen und legte den Gehstock neben mir ab. „Ich habe einiges dazugelernt.“, flüstere sie und ich hörte ihr Lächeln in der Stimme. „Kann ich Euch bitten mir zu helfen Euch anzusehen?“, fragte sie demütig. Ich hob meine Arme, schob diese sanft unter ihren Kopf und drehte sie so zu mir. Sie lag in meinem Arm, halb auf meinem Schoß. War dies verwerflich, weil ich nicht ihr Gemahl war? Ihre Augen hoben sich zu meinen, ich versank augenblicklich in den Wellen des Meeres, die darin auf mich einschlugen. Egal wie viel diese Augen gesehen hatten, Glückliches und auch Tragisches, sie hatten sich für mich nicht verändert. „Oh Kami, Ihr seht noch immer so aus wie damals.“ „Du weißt warum.“, lächelte ich und sie verzog die faltigen Lippen ebenso. „Wie geht es dir?“, fragte ich vorsichtig. „Ich werde den Abend wohl nicht mehr überstehen.“, antwortete sie und spürte selbst ihre Schwäche. „Seit wann so unsicher geworden den Kampf nicht zu gewinnen?“, wollte ich sie aufziehen und brachte sie zum erstickten Lachen. „Ich habe so viel in meinem Leben gekämpft, dass es irgendwann auch mal genug ist, Meister.“ „Sesshomaru.“, bat ich und sie nickte. „Stimmt. Entschuldige“ „Hat er dir ein gutes Leben bereitet?“, fragte ich in Bezug auf Yuto, welcher sicher noch an der Tür stand und wartete. „Ja, das hat er. Wir haben ein Jahr später geheiratet, nachdem er Vater monatelang bekniet hatte. Gemeinsam haben wir zwei Söhnen und einer Tochter das Leben geschenkt. Ein Dojo für alle Geschlechter wurde unsere Aufgabe.“ „Yuto hat anderen die Schwertkunst unterrichtet?“ „Wo denkst du hin?!“, kicherte sie und begann dann heftig zu husten. Sie suchte zitternd nach einem Taschentuch, welches sie in ihrem Kragen versteckt hielt und hielt es sich vor den Mund. Blutgeruch mischte sich unter ihren und ich erkannte, dass es wirklich zu spät für sie war. Sie war einer Krankheit verfallen. Nachdem sie sich beruhig hatte, lehnte sie ihr schweißbedecktes Gesicht an meine Brust. „Ich lehrte die Kinder.“ „Ein Glück. So wurden wenigstens anständige Schwertkämpfer aus ihnen.“ „Lass das nicht Yuto hören!“ „Ich werde achtgeben.“, versprach ich und lauschte ihren freudigen Lauten. „Wieso...“, begann sie und ich wusste sofort, welche Worte nun folgen würden. „Wieso bist du damals gegangen?“ „Ich hatte eine Aufgabe, die es zu erledigen galt und du einen fähigeren Mann an deiner Seite.“, antwortete ich die Worte, die ich einstudiert hatte. „Waren deine Gefühle nicht stark genug, mir dies zu erklären?“, warf sie mir vor und fixierte meinen Blick. „Ich wollte einen klaren Schnitt machen.“ „Du hattest Angst.“, erfasste sie und lächelte verstohlen. „Ich sehe es an deinem Blick.“ „Du hast wirklich dazugelernt.“ „Ich bin alt geworden. Dennoch hätte ich es gerne gewusst.“ „Was gewusst?“, wollte ich ihr entlocken. „Ob du mich damals genauso geliebt hast, wie ich dich?!“, fragte sie. Mein Blick erstarrte. Oh ja, das hatte ich. Einer der Gründe, warum ich ging. Ich hätte es nie übers Herz gebracht, sie altern zu sehen. Hätte ich nun gewusst, dass sie im Sterben lag, wäre ich sicher weiter geflüchtet. Geflüchtet vor meinen Gefühlen für diese Frau. „Ich habe dich geliebt und tue es noch immer.“ Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und sie schloss die Augen. Ihre Hand hob sich an mein Hemd und klammerte sich daran. Sie weinte bittere Tränen der Freude. Bitter, weil wir kein gemeinsames Leben geteilt hatten. Freudig, weil ich ihr Wissen bestätigt hatte. Meine Gefühle für sie aufrichtig und ehrlich waren. „Bitte halte mich.“, bat sie und ich tat es. Der Schnee setze einige Stunden später ein und sie bat mich die Tür etwas zu öffnen und mit ihr, eingewickelt in ihre Decke auf der Veranda zu sitzen. Yuto ließ sich nicht einen Moment blicken. Asukas Herz wurde ruhiger und ihr Atem stiller während mein Körper den ihren stütze und ich mein Gesicht an ihren Kopf lehnte. Ich nahm all ihren Geruch in mich auf, umklammerte sie mit meinem Armen, gab ihr stumm meine ganze Liebe. „Ich liebe dich!“, hauchte ihre Stimme, bevor sie den letzten Atemzug tat. Ihr Herz, welches so gleichmäßig in meinen Ohren gehallt hatte, verstummte. Ihr Kopf lehnte plötzlich schwerer an mir, ebenso ihr Körper. Meine Umarmung wurde fester. Ich wollte sie nicht gehen lassen. Wollte ihr zeigen, dass es mir leidtat. Dass ich geflohen war, sie aber nie vergessen hatte. Ich hatte ihr ein Leben voller Liebe und Freude, mit Kindern und dem alt werden gegeben. Ohne die Angst vor Yokai oder dem Gedanken, dass ich sie überleben würde. Alles Glück der Welt hatte ich ihr offengelegt. Ihrer menschlichen Welt, meiner dämonischen, unserer gemeinsamen. Ich drückte ihr einen Kuss auf die starren Lippen, strich ihr eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht und vergrub dann meine Nase an ihrem Hals, wie ich es damals getan hatte. Doch in diesem Moment verflog der letzte Hauch ihres Geruches und mein einstiger Duft von Morgen wandelte sich in eine Brise des Meeres meiner Erinnerung. Owari Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)