Unmei no akai ito von Rebi-chan (Der rote Faden des Schicksals) ================================================================================ Prolog: Oberstufe! Hier bin ich ------------------------------- Kennt ihr die Legende des roten Fadens? Der rote Faden des Schicksals verbindet zwei Herzen miteinander, sodass diese sich immer finden, egal wie groß die Entfernung auch sein mag. Ich glaube daran, dass das Ende meines roten Faden mit einer lieben Person verbunden ist. Ich muss sie nur noch finden. Dies ist meine Geschichte. Die Geschichte von Izuku Midoriya. .~*~. „Izuku?“ Die Stimme meiner Mutter drang leise an mein Ohr. Ich grummelte, zog die Decke über meinen Kopf und drehte mich mit dem Gesicht zur Wand. „Izuku! Steh auf! Du kommst sonst zu spät!“ Sie klopfte an meine Zimmertür und öffnete diese dann, streckte den Kopf in mein Zimmer. „Raus aus den Federn! Oder willst du gleich am ersten Tag zu spät kommen?“, fragte sie mich. Verschlafen blinzelte ich, als ich diese Worte hörte. 'Stimmt ja...', dachte ich. 'Ab heute bin ich ja ein Oberschüler!' Plötzlich war ich hellwach, schlug die Decke zurück und setzte mich auf, rieb mir den verbliebenen Schlaf aus den Augen. „Mach dich fertig und komm zum Frühstück“, wies meine Mutter mich an und schloss die Tür zu meinem Zimmer wieder. Ich blickte ihr nach, begann dann breit zu grinsen. „Also gut! Ab heute fängt mein Leben erst richtig an!“, rief ich und sprang aus dem Bett. Nach einem kurzen Ausflug ins Badezimmer, wo ich mir das Gesicht wusch und die Zähne putzte, schlüpfte ich wieder zurück in mein Zimmer. Schnell hatte ich dort meine neue Schuluniform der Yûei angezogen und strich über den grauen Stoff. Ich konnte stolz auf mich sein. An die Yûei zu kommen war gar nicht so einfach, trotz meiner guten Noten. Aber die Aufnahmeprüfung hatte es wirklich in sich und ich hatte bis zuletzt Zweifel an meinem Bestehen. Ich betrachtete mich im Spiegel, zupfte noch kurz an meiner Krawatte und nickte mir selbst zu. Mit meinem Rucksack über einer Schulter ging ich hinunter zu meiner Mutter, die bereits das Frühstück auf dem Tisch stehen hatte und auf mich wartete. Sie sah mich an und lächelte. „Ich bin so stolz auf dich, Izuku“, sagte sie und betrachtete mich in meiner Uniform. „Du siehst gut aus!“ Ich grinste verlegen, machte mich dann über das Frühstück her und verabschiedete mich schließlich von ihr. Beschwingten Schrittes brachte ich den Weg zum Schulgelände hinter mich und blieb kurz vor dem großen Schultor stehen, betrachtete es. Heute würde sie also wirklich beginnen. Meine Zeit als Oberschüler. Ich konnte es noch gar nicht wirklich glauben. Ob ich wohl hier jemanden finden würde, der am Ende meines roten Fadens auf mich wartete? Mit einem Mal wurde ich unsicher. Was, wenn es jemand wäre, mit dem ich überhaupt nicht klar kommen würde? Ich atmete einmal tief ein und aus und schüttelte den Kopf. 'Stopp! Keine negativen Gedanken!', tadelte ich mich selbst. „Aus dem Weg, Deku!“, hörte ich in diesem Moment eine mir nur allzu bekannte Stimme. Ich zuckte zusammen, drehte mich um und blickte direkt in zwei rote Augen. „Wird's bald? Ich wiederhole mich nicht gern!“, wurde ich angefahren und trat automatisch einen Schritt beiseite. „G-guten Morgen, Kacchan...“, begrüßte ich meinen ehemaligen Sandkastenfreund. Auch er, Katsuki Bakugô, hatte es auf die Yûei geschafft. Ich kannte ihn schon von klein auf. Wir sind zusammen aufgewachsen, waren in der Grund- und Mittelschule immer in einer Klasse gewesen. Unsere Mütter sind immer noch beste Freundinnen. Auch wir haben uns sehr gut verstanden, als wir noch klein waren. Doch irgendwann hatte sich das Blatt gewendet und Kacchan hatte seine helle Freude daran, mich zu schikanieren wo er nur konnte. Unsere Freundschaft zerbrach und alles was blieb waren Erinnerungen an vergangene, schöne Zeiten. Er bedachte mich mit einem genervten Blick, ging dann an mir vorbei und verschwand zwischen den anderen Schülern, die in das Schulgebäude strömten. Ich sah ihm hinterher und seufzte. Hoffentlich waren wir nicht wieder in einer Klasse. Es würde vermutlich genau so weiter gehen wie es in der Mittelschule geendet hatte. Ich biss die Zähne zusammen, betrat schließlich entschlossen die Schule und suchte mir meinen Weg durch die Gänge zum Klassenzimmer der 1A. Tbc... Kapitel 1: Alte und neue Bekanntschaften ---------------------------------------- Nachdem ich mehrere Minuten gesucht hatte, stand ich schließlich vor der Tür zum Klassenzimmer. Nervös starrte ich auf die Türklinke. Irgendwie hatte ich Angst davor, was mich dort drinnen erwarten würde. „Musst du auch da rein?“, fragte plötzlich jemand hinter mir. Ich schreckte zusammen, drehte mich um und blickte in ein rundes Gesicht, das von braunen Haaren eingerahmt war. 'Ein Mädchen!', kam mir das offensichtliche in den Sinn. Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden und schluckte. Ich hatte noch nie wirklich den Mut gehabt, mit einem Mädchen zu sprechen. Von einem angesprochen zu werden hatte daher ebenfalls bisher nicht auf meiner Tagesordnung gestanden. Etwas überfordert nickte ich einfach nur. Sie lächelte mich an. „Dann sollten wir vielleicht mal rein gehen. Wenn wir noch pünktlich sein wollen!“, forderte sie mich auf. Ich schaffte es, mich aus meiner Erstarrung zu lösen und drehte mich wieder zur Tür, legte meine Hand auf die Türklinke und drückte sie schließlich hinunter. Ich öffnete die Tür und trat zusammen mit dem Mädchen in das Zimmer dahinter. Dort hatten sich schon die meisten meiner neuen Mitschüler versammelt. Im Grunde genommen sogar alle, denn es waren nur noch zwei Tische unbesetzt. Bevor ich etwas sagen konnte, hatte sich das Mädchen bereits zu dem leeren Tisch an der Seite bewegt und stellte nun ihre Tasche darauf ab. Mein Blick wanderte zum letzten leeren Tisch an der Fensterfront und ich erstarrte erneut. 'Das darf nicht wahr sein...', dachte ich und schaffte es trotz allem mich darauf zu zubewegen. „Warum bin ich eigentlich ständig mit dir gestraft?!“, wurde ich kurz darauf auch schon angeschnauzt. Kacchan hatte den Tisch vor dem einzig verbliebenen leeren im Zimmer ergattert und blickte mich nun finster an. Wie üblich zuckte ich zusammen. „Das gleiche könnte ich auch sagen...“, murmelte ich ganz leise und ließ mich auf den Stuhl sinken. „Hah?!“, kam von ihm in seinem üblich aggressiven Tonfall. Eine Gänsehaut wanderte über meine Arme. Das konnte wirklich heiter werden. „Nichts...“, nuschelte ich und versuchte mich ganz klein und unauffällig zu machen. Ich wusste schon jetzt, was mir blühte, wenn ich Kacchan in die Quere kam. Was, zugegebenermaßen, überhaupt nicht schwierig war, da meine bloße Anwesenheit ihn schon zur Weißglut brachte. Noch ehe Kacchan etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür erneut und ein Mann mittleren Alters mit schwarzen Haaren und extrem müdem Blick betrat das Zimmer. „Mein Name ist Shôta Aizawa und ich bin euer Klassenlehrer...“, murmelte er und begann daraufhin die Klassenliste auf Anwesenheit durchzugehen. Ich versuchte zumindest ein paar Namen Gesichtern zuzuordnen. Das Mädchen, das mit mir zuletzt den Raum betreten hatte, hieß Uraraka. Dann fielen noch Namen wie Aoyama, Mineta, Kirishima und Kaminari. Nach etlichen anderen Namen schwirrte mir der Kopf und ich konnte mir nichts mehr merken, bis ein Junge aufgerufen wurde, dessen Äußeres ziemlich außergewöhnlich war. Er hatte, von der Mitte des Kopfes aus geteilte, rote und weiße Haare sowie unterschiedliche Augenfarben. Auf der linken oberen Gesichtshälfte zierte um das türkisfarbene Auge eine große Brandnarbe sein Gesicht. Shôto Todoroki wurde er genannt. Aufgrund seines Aussehens war es einfach, sich diesen Namen zu merken. Er machte mich neugierig. Ob er sich die Haare gefärbt hatte? Trug er vielleicht Kontaktlinsen? In seinem Gesicht konnte ich keine Gefühlsregung erkennen. Ein seltsamer, aber interessanter Junge, fand ich. Unbewusst strich ich mit meiner linken Hand über meinen rechten Handballen. Dort, an der Stelle, wo mein rechter Daumen aufhörte, befand sich ein kleines Muttermal, das aussah wie ein dreiblättriges Kleeblatt mit herzförmigen Blättern. Ich hatte als kleines Kind einmal meine Mutter gefragt, was das war und sie erzählte mir damals von der Legende des roten Fadens des Schicksals und dass Gerüchte besagten, dass solch ein kleines Muttermal den Anfang markiere. Das Ende dieses roten Fadens wäre ein eben solches Muttermal einer anderen Person. Ein Muttermal, das genauso aussah wie meines. Damals fand ich die Vorstellung, mit jemandem verbunden zu sein, beängstigend. Schließlich konnte man nie wissen, mit wem genau man durch diesen Faden verbunden war. Meine Mutter hatte mir damals ihres gezeigt. Es befand sich hinter ihrem linken Ohr und sah aus wie der Kopf eines Teddybärs. Ich war enttäuscht darüber, dass ich nicht mit ihr verbunden war. Sie hatte damals nur gelacht, mich in den Arm genommen und gesagt: „Sei nicht traurig. Du bist bestimmt mit einem ganz wundervollen Menschen verbunden, der dich ganz doll lieb hat.“ Inzwischen fand ich die Vorstellung mit jemandem auf diese Art verbunden zu sein gar nicht mehr so schlimm. Es war für mich eher geheimnisvoll und aufregend und ich war gespannt, wo mein roter Faden mich hinführen würde. Ob ich das Ende wohl bald finden würde? Ich spürte einen brennenden Blick auf mir und blickte nach vorne, genau in Kacchans Augen. Er sah kurz auf meine Hände, ließ ein abfälliges Murren hören und drehte mir dann den Rücken zu. Ich blinzelte verwirrt. Irrte ich mich oder hatte er mich gerade eingehend beobachtet? Und warum hatte er auf meine Hände geschaut? Ich blickte nun selbst auf meine Hände und musste lächeln bei dem, was ich da sah. Ich strich immer noch wie von selbst über mein Muttermal. Dennoch wunderte es mich. Kacchan kannte es doch. Er wusste, dass ich dieses Muttermal dort hatte. Ich hatte es schließlich schon seit ich ein Baby war. Mein Blick wanderte kurz nach vorne zu Aizawa-sensei, der vor der Tafel stand und irgendetwas organisatorisches herunter leierte. Er sah immer noch ziemlich müde aus, wenn nicht sogar noch schlimmer als zu Beginn der Stunde. Ich sah aus dem Fenster und beobachtete ein paar Minuten die Wolken, die am Himmel entlang zogen. „Oi, Deku! Hör auf zu schlafen!“, wurde ich mal wieder angeschnauzt. Unwillkürlich wurden meine Wangen heiß und ich sah Kacchan fragend an. Der knurrte nur genervt und warf mir dann einige Blätter Papier ins Gesicht. Erschrocken fing ich sie auf und blickte darauf. Es waren mehrere Exemplare eines Textes. Ich starrte die Schriftzeichen an, sah dann zu Kacchan und wurde mir plötzlich der Blicke der gesamten Klasse bewusst. Sofort fing mein Gesicht an zu glühen, ich schluckte und nahm mir eines der Blätter vom Stapel, reichte den Rest weiter. „Da nun alle wieder wach sind, können wir ja endlich weiter machen...“, ertönte Aizawa-senseis gelangweilte Stimme von vorne und leises Lachen ertönte von allen Seiten. Ich machte mich in meinem Stuhl noch kleiner als ich ohnehin schon war. Was für ein schrecklicher Einstieg! Wo war das nächste Loch, in das ich mich verkriechen konnte?! Peinlich berührt und darum bemüht nicht mehr aufzufallen konzentrierte ich mich nun auf den Unterricht und überlebte irgendwie die restliche Zeit der Doppelstunde. Ein melodisches Läuten verkündete das Ende der Stunde. „Hey, kommst du nicht mit raus? Hier soll es eine super Cafeteria geben!“, erklang eine Stimme direkt neben mir. Ich hob den Kopf und sah mich im Zimmer um. Die anderen aus der Klasse waren bereits aus dem Zimmer gelaufen und nur das Mädchen mit den braunen Haaren – Uraraka – stand noch neben mir. Fragend blickte sie mich an und lächelte. „Ich...“, begann ich. „Ochako Uraraka. Freut mich sehr deine Bekanntschaft zu machen!“, stellte sie sich vor und hielt mir eine Hand hin. Immer noch sah ich sie an und musste dann selbst lächeln. „Izuku Midoriya“, stellte ich mich vor und schüttelte ihre Hand. „Oh? Ich dachte, du heißt Deku-kun...“, überlegte sie laut. „Ah... nein. Izuku. Kacchan... eh... Bakugô nennt mich nur immer Deku um mich zu ärgern.“ Sie grinste. „Also gut. Izu-kun. Kommst du nun mit?“ Ich blinzelte sie an und spürte, wie meine Wangen erneut heiß wurden. Izu-kun? Hatte sie mich gerade wirklich so genannt? „Oh? Was ist? Hab ich etwas falsches gesagt?“, wollte sie wissen. Ich schüttelte schnell den Kopf und stand auf. „Nein, alles in Ordnung. Lass uns die Cafeteria unter die Lupe nehmen, Uraraka-san!“ Wieder grinste sie und gemeinsam verließen wir das Klassenzimmer. Dieses Mädchen war seltsam. Sie war freundlich und verurteilte mich nicht. Vielleicht würde ich mich mit ihr anfreunden können. Tbc... Kapitel 2: Erster Kontakt ------------------------- Ochako zog mich mit sich in die Cafeteria. Dort war es lebhaft und jeder redete irgendwie durcheinander, aber es gefiel mir. Wir holten uns etwas zu trinken aus einem der Automaten und fanden dann schließlich einige unserer Mitschüler. „Setzt euch zu uns!“, forderte uns ein Mädchen mit langen, grünen Haaren und großen Augen auf. Bei ihr saßen noch ein hochgewachsener Junge mit dunkelblauen Haaren, Brille und kantigem Gesicht und ein weiteres Mädchen mit fast schwarzen Augen und pinken, kurzen Haaren. Unweit von uns an einem Nachbartisch saßen weitere bekannte Gesichter, doch ich war mir nicht sicher, ob sie wirklich in meiner Klasse waren. Ich versuchte mich in das Gespräch einzubringen, das Ochako mit den anderen begonnen hatte. So lernte ich auch die Namen der drei. Das Mädchen mit den grünen Haaren stellte sich als Tsuyu Asui vor. Der Junge hieß Ten'ya Iida und das andere Mädchen mit den pinken Haaren war Mina Ashido. Ich fand sie auf Anhieb sympathisch, auch wenn Ten'ya eher ernsthaft war und nicht so fröhlich wie Mina oder Ochako. Ich freute mich, die Bekanntschaft der drei gemacht zu haben. Wie es schien hatte ich in dieser Klasse wirklich das Glück, dass nicht alle gegen mich waren, wie es in der Mittelschule der Fall gewesen war. „Uhm, Izu-kun?“, sprach mich Ochako an und riss mich aus meinen Gedanken. Ich blinzelte verwirrt. An diesen Spitznamen musste ich mich wirklich noch gewöhnen. „Ja?“ „Oh! Izu-kun! Das gefällt mir! Darf ich dich auch so nennen?“, klinkte sich Tsuyu ein und deutete auf sich. „Du kannst mich auch Tsuyu nennen!“ Meine Wangen wurden wieder einmal warm. Ich freute mich. „Ja, wenn du magst... Tsuyu-chan...“, lächelte ich verlegen. Ochako stupste mich mit ihrem Ellbogen in die Seite. „Hey, was hat dieser Bakugô eigentlich gegen dich, dass er dich Deku nennt?“, wollte sie wissen. Die anderen drei blickten mich überrascht an. Ich seufzte. „Keine Ahnung... Ich kenne Kacchan... eh... Bakugô schon seit ich klein war. Früher haben wir uns gut verstanden. Aber jetzt... nicht mehr...“, erzählte ich und lächelte traurig. Mir wäre es lieber gewesen, wenn Kacchan und ich uns weiterhin so gut verstanden hätten. Aber ich bezweifelte, dass dies jemals wieder der Fall sein würde. Auch wenn ich nicht wusste, was genau ich falsch gemacht hatte um ihn so zu erzürnen. „Das ist nicht sehr nett von ihm. Hat er denn keine Manieren?“, meckerte Ten'ya und schaffte es, mich etwas aufzuheitern. „Wie dem auch sei, wir müssen zurück. Der Unterricht geht gleich weiter“, scheuchte er uns mit einem Blick auf die Uhr auf. Er ging kurz an den Nachbartisch und scheuchte auch die drei Jungen, die dort saßen auf. Ich hatte also Recht gehabt. Die drei waren ebenfalls in meiner Klasse. Gemeinsam gingen wir zurück zu unserem Klassenzimmer und verteilten uns auf unsere Plätze. Der Unterricht ging weiter und langsam konnte ich mich auch auf den Inhalt konzentrieren. Kacchan ignorierte mich ebenfalls, sodass ich meine Ruhe hatte und nicht wie sonst aufpassen musste seinen Zorn abzubekommen. Zur Mittagspause kamen Ochako und Tsuyu an meinen Tisch noch bevor die anderen das Zimmer verlassen hatten. „Izu-kun~“, trällerten sie beide gleichzeitig, als hätten sie sich abgesprochen. Wieder spürte ich die Hitze in meinem Gesicht und fing einen Blick von Kacchan auf. Natürlich hatte er es mitbekommen. „Tsk... Izu-kun... lächerlich...“, grummelte er, nahm seinen Rucksack und verließ das Zimmer. Ich blickte ihm hinterher, wurde dann aber direkt von den Mädchen in Beschlag genommen. „Kommst du mit uns zum Mittagessen?“, fragte Tsuyu. Ich nickte. „Klar, warum nicht“, antwortete ich. Auch ich nahm meinen Rucksack und stand auf. Beim Hinausgehen fiel mein Blick auf Shôto, der immer noch auf seinem Platz saß und scheinbar nicht vorhatte, hinaus zu gehen. 'Vielleicht ist er schüchtern... genau wie ich auch...', dachte ich mir. Ochako bemerkte wohl meinen Blick, huschte an mir vorbei und blieb vor Shôto stehen. „Magst du auch mit kommen?“, hörte ich sie fragen. Neugierig beobachtete ich Shôtos Reaktion. Einen kurzen Moment sah er das Mädchen vor sich überrascht an, ehe sein Gesicht wieder ausdruckslos wurde. Er sagte nichts, sondern nickte nur. Dabei fiel mir auf, dass ich bisher nur einmal seine Stimme gehört hatte. Ochako kam mit Shôto im Schlepptau zu Tsuyu und mir und gemeinsam machten wir uns auf den Weg in die Cafeteria. Dort gab es zur Mittagszeit immer günstiges und leckeres Essen, wie uns Ochako berichtete. Die Mädchen liefen voraus. Shôto schlenderte neben mir her, sah mich allerdings nicht an. Die Stille, die zwischen uns herrschte, war irgendwie seltsam. Ich wusste aber auch nicht, wie ich ein Gespräch mit ihm beginnen konnte. Schweigend betraten wir die Cafeteria. Vor der Essensausgabe hatte sich bereits eine Schlange gebildet. „Ich suche uns schon mal einen Tisch. Meine Mutter hat mir ein Bento gemacht“, lächelte ich den Mädchen zu. Die beiden nickten dankbar und stellten sich in der Schlange an, während ich mich umsah und nach einem leeren Tisch suchte. „Dort hinten...“, hörte ich eine ruhige Stimme neben mir. Ich sah nach rechts und blickte Shôto an, der immer noch neben mir stand und auf einen leeren Tisch zeigte, welcher sich in einer Ecke des Raumes befand. Ich lächelte ihn an. Er konnte also doch sprechen. Und seine Stimme war wirklich angenehm, sofern man das nach den beiden Worten beurteilen konnte. „Dann lass uns dort auf die Mädchen warten“, erwiderte ich und ging voraus auf den Tisch zu. Shôto folgte mir und setzte sich schließlich neben mich an den Tisch. Ich packte mein Bento aus. „Isst du nichts?“, fragte ich ihn. Er hatte bisher keine Anstalten gemacht, sein mitgebrachtes Essen hervor zu holen oder sich etwas an der Essensausgabe zu holen. Er blickte mich mit seinen verschiedenfarbigen Augen an, wich meinem Blick aber direkt wieder aus und holte ebenfalls ein Bento aus seiner Tasche. „Deine Mutter kann es wohl auch nicht lassen...“, lachte ich leise und sah wie er den Kopf schüttelte. Bevor er antworten konnte kamen Ochako und Tsuyu bei uns an. Ihre Tabletts waren gefüllt mit Reis und anderen Leckereien. „Ihr glaubt nicht, was es da alles gibt!“, schwärmten die Mädchen, ließen sich uns gegenüber auf die Stühle fallen und beäugten dann erst unsere Bentos. „Oh, aber euer Essen sieht auch sehr lecker aus!“, lächelte Ochako. Wir wünschten uns einen guten Appetit und begannen mit dem Essen. Eine Unterhaltung mit Tsuyu und Ochako zu führen wurde für mich einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte. Die beiden waren witzig, sodass ich immer wieder lachen musste. Etwas schade fand ich allerdings, dass sich Shôto komplett aus unserer Konversation heraus hielt. Er hörte uns aber scheinbar aufmerksam zu, da ich ab und zu mal eine leichte Regung in seinem Gesicht sah, was man durchaus als Ansatz eines Lächelns bezeichnen konnte. Langsam neigte sich unsere Pause dem Ende zu und die Mädchen brachten ihre Tabletts weg, während Shôto und ich unsere Bentoboxen in unseren Taschen verstauten. „Es war schön die Pause mit dir verbringen zu können, Todoroki-kun. Vielleicht können wir das wiederholen?“, sprach ich ihn direkt an, als wir auf die Mädchen warteten. Er sah mich an. „Bist du dir sicher?“, wollte er wissen und musterte mich. Ich nickte. „Natürlich!“, lächelte ich. Shôto bedachte mich mit einem undefinierbaren Blick bis Ochako und Tsuyu zu uns kamen und wir gemeinsam wieder zurück zu unserem Klassenzimmer gingen. Der restliche Schultag endete mit allerlei organisatorischem Kram wie die Aufteilung für den Putzdienst. Als die Schulglocke den Tag für beendet erklärte wurde es laut in unserem Klassenzimmer. Alle redeten irgendwie durcheinander. Manche hatten sich sogar schon mit anderen angefreundet und verließen gemeinsam das Zimmer. Ich sammelte meine Sachen zusammen und packte sie in meinen Rucksack. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Kacchan das gleiche tat und dann das Zimmer verließ. Er hatte mich den Tag über in Ruhe gelassen, was mich wirklich etwas verwundert hatte. Aber ich blieb vorsichtig ihm gegenüber. Früher hatte er schließlich auch nicht davor zurück geschreckt, mich auf dem Heimweg zu ärgern. Da wir auch noch fast Nachbarn waren, war das für mich immer wie ein Spießrutenlauf gewesen. Ich ließ mir daher Zeit und verließ als letzter das Zimmer. So hatte er hoffentlich genug Abstand auf mich, damit ich wenigstens einmal ohne Blessuren davon kam. Und tatsächlich kam ich zu Hause an ohne Zwischenfälle. Zwar konnte ich ihn einige hundert Meter vor mir laufen sehen, aber er ließ mich in Ruhe. Ich entspannte mich erst, als die Haustür hinter mir ins Schloss fiel. Während ich mich meiner Schuhe entledigte, rief ich ein „Bin wieder da!“ in unsere Wohnung. Meine Mutter begrüßte mich und fragte mich natürlich direkt nach meinem Tag aus. Nebenbei begann sie mit den Vorbereitungen für das Abendessen. Ich half ihr, so gut ich es konnte. In der Küche war ich schon immer ein Tollpatsch gewesen, sodass meine Mutter mir lediglich erlaubte das Gemüse zu waschen und mich dann in mein Zimmer schickte um ihre Ruhe zu haben. Ich zog mich auch ohne Murren zurück, ließ mich auf mein Bett fallen und dachte über den Tag nach. Unterm Strich konnte ich sagen, dass er doch ganz gut verlaufen war. Ich hatte sogar sehr nette Mitschüler kennengelernt. Ochako und Tsuyu waren wirklich sehr nett und bestimmt würde ich mich mit den beiden anfreunden können. Am interessantesten fand ich aber immer noch Shôto. Er hatte etwas geheimnisvolles an sich, das mich wahnsinnig neugierig machte. Ich beschloss, dass ich die nächsten Tage versuchen würde, ihn etwas näher kennen zu lernen. Tbc... Kapitel 3: Es reicht! --------------------- Die folgenden Tage verliefen recht ruhig. Wir lernten unsere übrigen Lehrer kennen und aßen in der Cafeteria zu Mittag. Inzwischen hatte sich für mich auch herausgestellt, dass meine gesamte Klasse wirklich sehr nett war. Bis auf Kacchan behandelten mich alle freundlich. Kacchan bedachte mich weiterhin mit bösen Blicken und warf mir ab und an abfällige Kommentare vor die Füße, an die ich mich allerdings die Jahre über bereits gewöhnt hatte. Die restliche Zeit ignorierte er mich. Jedenfalls kam es mir so vor. Er hing viel mit Eijirô und Denki zusammen. Eijirô Kirishima war ein rothaariger Junge mit einem fast dauerhaften Grinsen im Gesicht. Denki Kaminari hatte blonde Haare mit einer schwarzen Strähne, die fast wie ein Blitz aussah. Beide entsprachen nicht der Gesellschaft, die Kacchan bisher geduldet hatte und doch hingen die drei ständig zusammen. Über Shôto Todoroki hatte ich bisher immer noch nicht wirklich etwas erfahren. Er aß zwar täglich mit uns zu Mittag, doch redete er nicht viel. Und von sich erzählte er schon gar nicht. Aber es freute mich dennoch, dass er sich immer wieder zu uns gesellte. Ich wollte ihn nicht ausfragen um mehr über ihn zu lernen, daher beließ ich es dabei, wenn er still neben uns saß und uns zu hörte. .~*~. Etwa eine Woche nachdem das Trimester begonnen hatte, stellte ich mit Erschrecken fest, dass Kacchan und ich zusammen Putzdienst hatten. Den ganzen Unterricht über war ich mehr als nur nervös, konnte es vor den anderen während des Mittagessens zwar verstecken, doch von den Gesprächen bekam ich kaum etwas mit. Die Nervosität nahm zu, als die Schulglocke das Unterrichtsende einläutete und alle aus dem Zimmer stürmten. Kacchan und ich blieben zurück. Mit zittrigen Fingern packte ich meine Sachen in meinen Rucksack, begann dann die Stühle auf die Tische zu stellen. „Hey, Bakugô! Wo bleibst du?“, rief jemand von der Tür aus. Ich sah auf und erblickte Eijirô und Denki. „Putzdienst“, knurrte Kacchan nur und ließ sich extra viel Zeit mit dem Einpacken seiner Sachen, wohl um weniger zu tun zu haben. Es ärgerte mich, dass ich vermutlich alles alleine machen durfte, verkniff mir aber einen Kommentar. „Ah, na dann sehen wir uns morgen!“, grinsten die beiden und verschwanden. Ich seufzte leise, warf einen Blick auf Kacchan, der immer noch damit beschäftigt war, seine Schulsachen einzupacken. „Tsk...“, hörte ich von ihm und zuckte zusammen, stellte weiter so leise ich nur konnte die Stühle auf die Tische. Als ich damit fertig war, holte ich einen Besen. Ich überlegte kurz, ob ich selbst fegen sollte, entschied mich aber dagegen. Kacchan hatte schließlich auch Putzdienst und sollte gefälligst was tun. Zuerst noch mutig, dann immer vorsichtiger ging ich zu ihm und hielt ihm den Besen hin, vermied aber ihm in die Augen zu schauen. „Was willst du, Deku... Kannst du das nicht alleine? Bist du selbst dazu nicht fähig?“, schnauzte er mich an. Es ging wieder los. Wie damals schon fing er an mich zu beschimpfen. Ich wurde immer kleiner. Meine Kehle war wie zugeschnürt und die Angst, dass gleich noch schlimmeres passieren würde, klammerte sich um mein Herz. „Unfähiger Nerd...“, knurrte er und entriss mir den Besen. Ich stolperte zwei Schritte zurück aus seiner unmittelbaren Nähe. Ich hatte damals schon gelernt, dass es für meine Gesundheit besser war, wenn ich ihm nicht widersprach. Zwar hatte ich trotz allem immer blaue Flecke gehabt, aber die waren meist nach wenigen Tagen schon wieder verschwunden gewesen. Schlimmer war es gewesen, wenn ich versucht hatte mich zu wehren oder Widerworte gab. Dann kam ich nicht drum herum, dass ich aus irgendeiner Wunde wieder blutete. Ich ließ ihn also fluchen und begann damit die Tafel zu reinigen. Der feine Kreidestaub ließ mich immer wieder niesen und husten. Was aber noch schlimmer war, war das Prickeln, das ich im Nacken spürte, wann immer ich einen Laut von mir gegeben hatte. Ich wusste, dass Kacchan mich beobachtete. Vermutlich suchte er nach einem neuen Grund mit dem er mich wieder fertig machen konnte. „Selbst zum Tafelwischen bist du nicht geeignet“, kam es schließlich von ihm. Ich hörte, wie eines der Fenster aufgeschoben wurde. Eine frische Brise wehte den Kreidestaub vor meinem Gesicht davon. Ich biss die Zähne zusammen und drehte mich zu ihm um. Er stand immer noch an seinem Tisch, hatte den Besen in der Hand, aber noch nicht einmal angefangen zu fegen. Ich schluckte meinen Ärger hinunter, widmete mich wieder der Tafel und kümmerte mich dann um den Müll, sammelte zerstreutes Papier zusammen und warf es in den Mülleimer. Wieder sah ich Kacchan an. Immer noch hatte er keinen Finger krumm gemacht und grinste mich nun an. „Hier, du kannst gerne weiter machen“, lachte er gehässig. Mit dem Mülleimer im Arm ging ich auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. Es reichte mir jetzt endgültig. Mit einem Anflug von Übermut funkelte ich ihn von unten her an. „Meinst du nicht, dass du auch was tun könntest? Wir haben schließlich gemeinsam Putzdienst!“ Ein kleiner Funke Überraschung blitzte in seinen Augen auf, wurde aber direkt von seiner üblichen Wut überschattet. „Du gibst also zu, dass du unfähig bist und Hilfe brauchst?“, stichelte er. Ich sah ihn an. Mein Geduldsfaden war bereits überspannt und kurz vor dem Zerreißen. „Anstatt hier dumm rumzustehen hättest du schon längst zusammenfegen können!“, fuhr ich ihn an, umklammerte den Mülleimer etwas fester. „Wer von uns beiden ist hier dumm?! Das bist ja wohl du! Versager!“ Mein Geduldsfaden riss nun endgültig und ich achtete nicht mehr auf meine Wortwahl, als ich ihn nun fast anbrüllte. „Ich bin kein Versager! Und ich lasse mir von dir nichts mehr gefallen! Du glaubst wohl, du wärst besser als andere, aber das bist du nicht! Ich hab zwar keine Ahnung, wann ich dir was mal angetan haben soll, aber ich hab es so satt, ständig von dir fertig gemacht zu werden! Ich hab verstanden, dass du mich hasst. Aber dann ignoriere mich wenigstens und lass deinen Frust nicht an mir aus! Und, weißt du was, Bakugô?!“ Ich machte eine kurze Pause, ließ meine Worte wirken. Ich hatte mich bewusst dazu entschieden, ihn beim Nachnamen zu nennen. „Ich hasse dich! Mach den Scheiß hier alleine fertig!“, brüllte ich ihn an und kippte ihm den vollen Mülleimer über den Kopf. Perplex sah Kacchan mich an und reagierte überhaupt nicht. So schnell ich konnte schnappte ich mir meinen Rucksack und stürmte aus dem Zimmer. Wenn er mich jetzt nicht einholte, würde er bestimmt morgen mit seiner Rache kommen. Ich fühlte mich jetzt schon schlecht. Nicht nur, weil ich ihn angebrüllt hatte, sondern auch weil ich gelogen hatte. Ich hasste ihn nicht. Ich hatte ihn noch nie gehasst. Meine Augen brannten und kleine Tränen bahnten sich ihren Weg über meine Wangen, während ich vom Schulgelände rannte. Wie sehr hatte ich mir immer gewünscht, dass sich zwischen Kacchan und mir wieder alles regeln lassen würde, dass wir vielleicht sogar wieder Freunde werden konnten. Aber ich hatte es wohl gerade gründlich vermasselt. Ich hatte geglaubt, dass es mich erleichtern würde, wenn ich ihm mal meine Meinung sagen würde, doch das tat es nicht. Ein unsagbar bedrückendes Gefühl schnürte mir die Kehle zu. Meine Beine wurden schwer und ich damit immer langsamer. Ich ließ den Kopf hängen, stolperte mehr als dass ich ging nach Hause. Ich wusste, dass meine Mutter heute erst spät von der Arbeit kommen würde. Daher verkroch ich mich direkt in meinem Zimmer und kam an diesem Abend nur kurz heraus um ein Bad zu nehmen. Appetit hatte ich keinen. Zu sehr plagte mich mein schlechtes Gewissen, welches ich Kacchan gegenüber hatte. Ich wusste, ich hatte ihm böse Dinge an den Kopf geworfen und es war so gar nicht meine Art gewesen. Aber andererseits ärgerte er mich schon jahrelang und irgendwann war wirklich einfach mal ein Punkt erreicht, an dem es zu viel wurde. Ich zerbrach mir den restlichen Abend den Kopf darüber, wie ich am nächsten Tag wohl heil aus der ganzen Sache herauskommen könnte. Am nächsten Morgen hatte ich im Spiegel dunkle Ringe unter meinen Augen vorgefunden. An Schlaf hatte ich natürlich nicht denken können und so war ich wach geblieben. Müde zog ich mich also um und ließ sogar das Frühstück ausfallen. Meine Mutter bedachte mich mit einem besorgten Blick, sagte aber nichts und drückte mir nur wie jeden Tag ein Bento in die Hand, welches in meinen Rucksack wanderte. Mit immer noch einem sehr beklemmenden Gefühl in der Brust machte ich mich auf den Weg in die Schule. Tbc... Kapitel 4: Gewissensbisse ------------------------- Ich kam als erster im Klassenzimmer an. Unbewusst registrierte ich, dass der Boden sauber war. Von meinem gestrigen Benehmen war nichts mehr zu sehen. Kacchan hatte wohl wirklich etwas getan und alles weg geräumt. Müde ließ ich mich auf meinen Platz sinken, legte den Kopf auf meinen Tisch und starrte aus dem Fenster. Nach und nach kamen die anderen ins Zimmer und setzten sich auf ihre Plätze, unterhielten sich miteinander. Ich wurde in Ruhe gelassen, was mich etwas wunderte. Ich hörte Ochakos Stimme, wie sie sich mit Ten'ya und Tsuyu unterhielt. Doch keiner der drei kam zu mir und begrüßte mich. Das Kratzen eines Stuhls, der direkt vor mir über den Boden gezogen wurde, ließ mich zusammenzucken. Kacchan war da. Jetzt bekam ich gleich was zu hören. Ich kniff die Augen zu und wartete wie ein Verurteilter auf meine Strafe. Doch sie blieb aus. Es kam... rein gar nichts von ihm. Blinzelnd hob ich leicht den Kopf und sah nach vorne. Direkt in seine roten Augen, die mich musterten. Schnell kauerte ich mich auf meinem Stuhl zusammen. Doch auch jetzt kam nichts von ihm. Verunsichert schluckte ich, wagte einen Blick zu ihm. Er hatte sich umgedreht und blickte nach vorne an die Tafel. Mit einem Mal war ich vollkommen überfordert mit der ganzen Situation. Sollte es endlich vorbei sein? Hatten meine Worte wirklich die Wirkung gehabt und Kacchan ignorierte mich nun statt seinen Frust an mir auszulassen? Oder überlegte er sich gerade, wie er sich am Besten an mir rächen konnte? Bestimmt würde er das ganze nicht auf sich sitzen lassen. Dazu war er viel zu stolz! Erneut strich ich unbewusst über mein Muttermal auf der rechten Hand, zeichnete mit meiner Fingerspitze die Ränder nach. „Murmel nicht zu laut, sonst bekommen es die anderen noch mit...“, hörte ich plötzlich. Ich schreckte auf. Kacchan hatte sich zu mir umgedreht und hielt mir auffordernd einen Stapel Papier unter die Nase. Ich blinzelte verwirrt und spürte die Hitze in meinem Gesicht. Ich hatte es schon wieder getan! Ich musste es mir unbedingt abgewöhnen. Aber viel wichtiger war, dass Kacchan mich leise darauf aufmerksam gemacht hatte. Es war so absolut untypisch für ihn, mich nicht wie sonst anzubrüllen. Mechanisch nahm ich den Stapel Papier entgegen und reichte ihn weiter nach hinten, behielt ein Exemplar davon auf meinem Tisch zurück. Kacchan hatte sich wieder nach vorne gedreht und beugte sich über das Blatt, auf welchem einige Geschichtsfragen aufgedruckt waren. Nun war ich gänzlich verwirrt. Penibel darauf achtend, nicht wieder mit dem Murmeln anzufangen, brütete ich über die Situation, die sich aus meiner Kurzschlussreaktion ergeben hatte. In diesem Zustand brachte ich die Zeit hinter mich bis zur Mittagspause. „Midoriya?“ Eine ruhige Stimme, die ich im ersten Moment nicht zuordnen konnte, riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah, dass jemand rechts neben meinem Tisch stand und hob den Blick. Zwei ungleiche Augen blickten mich an. Shôto stand bei mir und musterte mich. „Kommst du mit in die Cafeteria?“, wollte er wissen. Ich blinzelte verwirrt, blickte mich im Zimmer um. Ten'ya, Tsuyu und Ochako standen an der Tür und blickten zu uns herüber. Alle anderen waren bereits gegangen. „Oh... äh... ja... ich denke schon...“, meinte ich leise. Ich hatte nicht mitbekommen, wie die Zeit vergangen war. Was hatte ich alles im Unterricht verpasst? War es aufgefallen? Warum hatte mich niemand ermahnt? Ich erhob mich langsam. Mein Körper fühlte sich schwer an. Der fehlende Schlaf machte sich bemerkbar. Ich gähnte, hielt mir schnell die Hand vor den Mund und warf mir dann meinen Rucksack über die Schulter. Zusammen mit Shôto ging ich zu den anderen und weiter in Richtung Cafeteria. „Geht es dir gut?“, wollte Shôto leise wissen. Er trottete neben mir den Gang entlang. Ich sah ihn an, nickte dann. „Ja, alles bestens...“, versuchte ich ihn mit einem schiefen Lächeln zu beruhigen. Er musterte mich wieder. Seine Augen verengten sich dabei. Ich sah ihm an, dass er mir nicht glaubte. Aber er beließ es dabei und bohrte nicht weiter nach. Ich war ihm dankbar dafür. Niemand musste erfahren, was für ein schrecklicher Mensch ich in Wirklichkeit war. Niemand durfte es erfahren! Natürlich blieb mein Verhalten auch den anderen nicht verborgen. Unvermittelt blieb ich stehen. „Ich geh mir kurz das Gesicht waschen...“, meinte ich leise und verschwand in der Jungentoilette, an der wir gerade erst vorbei gekommen waren. Vor dem Waschbecken blieb ich stehen, drehte das Wasser auf und warf mir zwei Hände voll der kühlen Flüssigkeit ins Gesicht. Einen kurzen Moment sah ich dem Wasser zu, wie es im Abfluss verschwand und drehte dann den Hahn wieder zu, blickte nach oben in den Spiegel. Das Bild, das sich mir zeigte, war erschreckend. Meine Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Dicke, dunkle Augenringe waren darunter zu sehen. Meine Haare standen wie immer in alle Richtungen ab. Sie zu bändigen hatte ich schon vor Jahren aufgegeben, daher ließ ich sie einfach so und achtete nur darauf, dass sich keine Knoten bildeten. Aber noch nicht einmal das hatte ich heute morgen fertig gebracht. Unwirsch fuhr ich mir mit meinen nassen Händen durch die Haare und schüttelte danach den Kopf. Mit Papiertüchern trocknete ich mir mein Gesicht ab. Einige Wassertropfen waren auf meiner Uniform gelandet. Aber es störte mich nicht. Es war nur Wasser und würde bald getrocknet sein. Mit einem tiefen Seufzen schlug ich mir selbst auf die Wangen und zwang mich zu einem Lächeln. Es sah eher gequält aus, doch zu mehr war ich gerade nicht in der Lage. Mit langsamen Schritten verließ ich die Toilette wieder und ging zu den anderen in die Cafeteria. Sie hatten mir einen Platz freigehalten und freuten sich, als ich mich neben Shôto auf den Stuhl fallen ließ. Wortlos und vor allem lustlos begann ich mein Bento zu essen. Mein Magen verlangte nach Nahrung, doch Appetit hatte ich immer noch keinen. Ich hing weiter meinen Gedanken nach, bis ich von Ochako angesprochen wurde. „Izu-kun?“, fragte sie und berührte mich über den Tisch hinweg am Arm, da ich nicht sofort reagierte. Ich erschreckte mich und sah sie mit großen Augen an. „Sorry, was meintest du gerade?“ Sie lächelte mich an. „Wir hatten es gerade davon, dass Mina die Idee hatte, dass wir klassenintern unsere Telefonnummern austauschen könnten.“ Ich ließ mir den Gedanken durch den Kopf gehen und nickte dann. „Ja, keine schlechte Idee.“ Ich gab ihr meine Nummer, die sie direkt in die Messenger-Gruppe, die Mina bereits erstellt hatte, hinzufügte. Ich warf kurz einen Blick darauf und lächelte sie dann an, ehe ich weiter in meinem Essen herumstocherte und meinen Gedanken erneut erlag. Das nächste Mal erschrak ich, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Die Pause war fast zu Ende und Shôto hatte mich aus meiner eigenen kleinen Welt zurück in die Realität gebracht. Er sah mich an und ich konnte in seinen Augen sehen, dass es ihm nicht gefiel, was er sah. Trotzdem sprach er mich nicht darauf an. „Lass uns zurück in den Unterricht gehen...“, meinte er ruhig und wartete, bis ich meine Bentobox im Rucksack verstaut hatte. Sie war noch fast komplett gefüllt. Viel gegessen hatte ich nicht. Ich folgte ihm schließlich zurück zum Klassenzimmer, setzte mich still hinter Kacchan auf meinen Platz, der mich erneut mit einem prüfenden Blick ansah. Aber auch diesmal kam nichts von ihm. Und trotzdem fühlte ich mich immer noch schlecht. Ich hatte das Bedürfnis mich bei ihm zu entschuldigen. Doch ich fand nicht den Mut dazu. Tbc... Kapitel 5: Sag mal, spinnst du?! -------------------------------- Mein Zustand hielt über zwei Wochen an. Ich versuchte immer wieder so wenig Kontakt mit Kacchan zu haben wie es nur ging. Es tat mir im Herzen weh, da ich es immer noch nicht geschafft hatte mich bei ihm zu entschuldigen. Fraglich war aber natürlich auch, ob er die Entschuldigung überhaupt annehmen würde um so mein Gewissen zu erleichtern. Er selbst sprach nur das allernötigste mit mir, reichte mir sonst wortlos die Unterrichtsmaterialien weiter und ging mir auch von sich aus aus dem Weg. Trotzdem spürte ich immer wieder seine Blicke auf mir. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Suchte er wieder nach einer Schwachstelle an mir? Einen Punkt, an dem er eventuell ansetzen konnte um mich doch wieder zu ärgern? Ich versuchte mir einzureden, dass das Schwachsinn war. Doch so ganz wollte ich mir selbst nicht glauben. Auch an diesem Tag verkündete die Schulglocke das Ende des Unterrichts und ich packte meine Sachen in meinen Rucksack. Das Klassenzimmer verließ ich eher schleichend. Die vergangenen zwei Wochen über hatte ich extrem wenig geschlafen und kaum etwas gegessen. Ich wusste, dass ich abgenommen hatte. Aber es war mir egal. Obwohl es mir nicht egal sein sollte. Aber ich glaube, die anderen hatten bisher davon noch nichts gemerkt. Ich konnte einfach nicht glauben, dass Kacchan meine Gedanken so sehr beherrschte. Zwar war er früher auch immer präsent gewesen, doch seit unserem Streit dachte ich nur noch an ihn. Im Eingangsbereich des Schulgebäudes öffnete ich mein Schuhfach und zog meine roten Straßenschuhe heraus. Ein Zettel fiel mir entgegen und glitt zu Boden. Ich blinzelte, hob ihn auf und entfaltete ihn. Nur drei Worte standen darauf: Bitte lächle wieder. Ich blickte mich um. Wer hatte mir diesen Zettel ins Fach gelegt? War derjenige noch in der Nähe? Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Auch wenn die Worte nicht bedrohlich waren, so waren sie mir dennoch unheimlich. Jemand musste mich ganz genau beobachtet haben. Und das schon über einen längeren Zeitraum hinweg. Ich steckte den Zettel in meine Tasche und wechselte meine Schuhe, bevor ich das Schulgelände verließ. Mit gesenktem Kopf und vollkommen in Gedanken machte ich mich auf den Heimweg. Von meiner Umgebung bekam ich nichts mehr mit. So sehr hatten mich diese drei Worte aus der Bahn geworfen. Ich grübelte weiterhin darüber nach, wer mir diese Nachricht wohl geschrieben haben könnte. .~*~. „Midoriya!“, rief jemand meinen Namen. Ich blieb stehen, drehte mich um und erstarrte. Ich stand mitten auf der Straße. Die Ampel war rot und die Leute auf dem Gehweg blickten mich verwundert an. In der Menge konnte ich Kacchan sehen, der mit schreckgeweiteten Augen auf mich starrte. Plötzlich wurde er zur Seite geschoben. Shôto drückte sich an ihm vorbei und kam auf mich zu gerannt. Es ging alles so wahnsinnig schnell, dass ich mich von ihm einfach mitziehen ließ. Und das war gut so. Denn nur wenige Sekunden später fuhr genau über die Stelle, an der ich gestanden hatte, ein Auto mit viel zu hoher Geschwindigkeit. Das alles realisierte ich erst, als ich gegen einen warmen Körper prallte und starke Arme um mich spürte, die mich festhielten. Ich blinzelte nach oben und sah in Shôtos gehetztes Gesicht. Er sah mich an und ließ mich los. Wir standen auf dem gegenüberliegenden Gehweg in Sicherheit. „Sag mal, spinnst du?!“, fuhr er mich sofort an. Ich zuckte zusammen und trat einen Schritt von ihm weg, wurde aber direkt wieder zu ihm gezogen, da ich der Straße erneut gefährlich nahe gekommen war. „Willst du dich umbringen?!“ Ich schluckte, schüttelte dann den Kopf. „Nein, ich...“, begann ich, verstummte dann aber. Die Fußgängerampel war auf grün gesprungen und die Menschen strömten von der anderen Straßenseite auf uns zu. Auch Kacchan kam zu uns herüber. Noch ehe er bei uns angekommen war, wurde auch er angeschnauzt. „Hättest du ihn nicht aufhalten können?!“ Kacchan sah erst Shôto, dann mich an. Sein Blick blieb an mir länger hängen als nötig gewesen wäre. Sein Gesicht war blass, so als wäre es ihm nicht egal was mit mir passieren würde. „Es tut mir Leid...“, begann ich wieder. „Ich war in Gedanken... Da war dieser Brief... Und...“ Ich blickte Shôto entschuldigend an. „Danke Todoroki-kun...“ Er atmete tief ein und aus. „Ist alles in Ordnung? Hast du dich verletzt?“, wollte er wissen und war nun wieder vollkommen ruhig. Ich nickte langsam. „Ich glaube nicht...“, meinte ich leise. Kacchan stand immer noch neben uns. Er starrte mich an, brachte aber weiterhin kein Wort heraus. „Warum hast du ihn nicht aufgehalten?“ Shôto fuhr Kacchan erneut an. Seine Augen funkelten. Kacchan sah ihn an, schüttelte dann nur den Kopf und setzte wortlos seinen Weg fort. Verblüfft sah ich ihm nach. Das sah Kacchan nun überhaupt nicht ähnlich. Die Anspannung fiel langsam von mir ab und ich merkte, wie meine Knie weich wurden. Ohne darüber nach zu denken krallte ich mich mit einer Hand Halt suchend an Shôtos Arm. „Hey, ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte er mich besorgt, legte mir einen Arm um die Taille und führte mich zur nächsten Bank. Ich setzte mich. Es war mir ein wenig peinlich, so schwach vor ihm zu sein. Doch ich konnte es gerade nicht ändern. „Ich glaube schon...“, meinte ich leise und ließ den Kopf hängen. „Tut mir Leid... wirklich...“ Er setzte sich neben mich. „Ist irgendwas vor zwei Wochen passiert? Zwischen dir und Bakugô?“ Als ich diese Fragen hörte, schrumpfte ich in mich zusammen. Ich zog den Kopf zwischen die Schultern und krallte meine Hände in meine Hosenbeine. „W-warum fragst du?“ Ich spürte seinen Blick auf mir. „Weil ihr seitdem beide anders seid.“ Ein Kloß hatte sich in meiner Kehle gebildet, der mich schlucken ließ. Ich haderte mit mir. Sollte ich ihm wirklich erzählen, was vorgefallen war? Wie würde er über mich denken, wenn er es wüsste? Würde er sich von mir abwenden? „Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht willst...“, hörte ich ihn dann sagen und hob den Kopf, sah ihn vorsichtig an. Er lächelte mich an. Noch nie hatte ich ihn so lächeln sehen. Es sah unglaublich aus. Es stand ihm wirklich! Und doch zeigte er es nie. Ich blinzelte ihn an, musste unwillkürlich ebenfalls lächeln und spürte, wie mein Herz ungewollt etwas schneller schlug. „Du solltest öfters lächeln. Es steht dir“, meinte ich leise. Er errötete, schüttelte heftig den Kopf und stand wieder auf. „Bleib sitzen und rühr dich nicht vom Fleck. Ich bin gleich wieder da!“, wies er mich an und verschwand Sekunden später in der Menge der umher laufenden Menschen. Ich blickte ihm nach. Seine Reaktion überraschte mich. Sicher, ich hatte bemerkt, dass er sehr zurückhaltend war. Sein Verhalten gerade eben, als er sowohl mich als auch Kacchan angeschnauzt hatte, war wohl eher auf die Situation zurück zu führen. In der Zeit, die ich mit ihm in den Pausen bisher verbracht hatte, war er immer ruhig gewesen und hatte seine Gefühle kaum zum Ausdruck gebracht. Dass ein einfaches Kompliment – denn nichts anderes war es, das ich ihm gemacht hatte – ihn so sehr aufwühlen würde, hätte ich nicht gedacht. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er außer Atem wieder vor mir stand. In den Händen hielt er je eine Waffel mit zwei Kugeln Eis. „Schoko-Vanille oder Erdbeer-Zitrone?“, fragte er mich. Ich sah ihn an. Seine Wangen waren immer noch gerötet. Doch diesmal konnte es auch von der Anstrengung sein. „Erdbeer-Zitrone?“, fragte ich und bekam eine der Eiswaffeln in die Hand gedrückt. „Iss!“ Sein Ton ließ keine Widerrede zu und so begann ich an meinem Eis zu lecken. Tbc... Kapitel 6: Shôto ---------------- Mit seinem eigenen Eis in der Hand setzte er sich wieder neben mich. Wir aßen schweigend. Aber es war keine unangenehme Stille. Nicht für mich. Auch wenn ich nicht viel über ihn wusste, so fühlte ich mich in Shôtos Nähe doch wohl. „Danke...“, meinte ich schließlich leise und sah ihn von der Seite an. „Wofür?“, wollte er wissen und leckte sich Schokoeisreste von der Oberlippe. „Dafür, dass du mein mickriges Leben gerettet hast...“ Wieder ließ ich den Kopf sinken. „Und für das Eis... Was schulde ich dir?“ Einen kurzen Moment blieb es still. „Ich habe das nicht getan, damit du in meiner Schuld stehst“, erklärte er mir und knabberte an seiner Eiswaffel. „Ich hab das getan, weil... naja... weil ich mir Sorgen mache...“, gestand er leise und wurde wieder rot. Ich musterte ihn von der Seite, stand dann langsam auf. Ich traute meinen Beinen noch nicht, doch meine Knie waren nicht mehr weich. „Hättest du... Lust noch mit zu mir zu kommen?“, fragte ich ihn schüchtern. „Also... zum Reden... dort ist es ruhiger...“ Ich wollte ihm alles erzählen. Alles, was vorgefallen war. Ich wollte nicht, dass er sich weiterhin Sorgen um mich machte. Überrascht blickte er mich an und nickte dann. „Reden...“, wiederholte er. Sein Gesichtsausdruck wurde wieder unlesbar für mich. Scheinbar hatte er auch so sein Päckchen, das er mit sich rumschleppte. Ich lächelte ihn an, wartete darauf, dass er sich erhob und mir folgte. Es war nicht mehr sehr weit bis zu mir nach Hause. Den Weg legten wir schweigend zurück. Ich schloss unsere Haustür auf und betrat mit Shôto die Wohnung. „Mama! Ich bin wieder da! Ich hab einen Freund mitgebracht!“, rief ich und zog mir meine Schuhe aus. „Fühl dich wie zuhause“, lächelte ich Shôto an und zeigte ihm, wo wir die Gästepantoffel aufbewahrten. Er entschied sich für ein Paar in hellblau und wechselte seine Schuhe, stellte sie ordentlich neben meine. „Willkommen daheim, Izuku!“, hörte ich die Stimme meine Mutter aus dem Wohnzimmer und gleich darauf ihre Schritte. Sie blieb im Türbereich zum Flur stehen und lächelte uns an. Ich ging zu ihr, drückte ihr wie üblich einen Kuss auf die Wange. Shôto folgte mir und verbeugte sich vor meiner Mutter. „Ich bin Shôto Todoroki. Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Midoriya-san“, stellte er sich höflich vor. „Oh, die Freude ist ganz auf meiner Seite. Es kommt selten vor, dass Izuku jemanden mitbringt“, lächelte sie. Ich grinste verlegen. „Mama... hör auf...“ „Ist doch wahr, Izuku... Wann war es, dass jemand da war? Das ist bestimmt schon Jahre her!“ Ich warf ihr einen Blick zu, der sie hoffentlich zum Schweigen bringen würde, doch sie plapperte einfach weiter. Ich sah ihr an, dass sie sich freute, dass ich jemanden als Freund bezeichnet hatte. „Wir sind in meinem Zimmer...“, unterbrach ich sie schließlich einfach. „Ist gut. Ich bringe euch gleich Tee und Kekse!“, grinste sie und verschwand in der Küche. Ich seufzte und grinste Shôto dann schief an. „Sorry...“ Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, als er den Kopf schüttelte. „Kein Grund sich zu entschuldigen.“ Ich zeigte ihm den Weg zu meinem Zimmer und bat ihn herein. Vor kurzem hatte ich erst auf- und umgeräumt. Die ganzen Fanartikel meines Lieblingshelden aus Kindertagen waren nun in einer großen Kiste in meinem Schrank verstaut und mein Zimmer selbst hatte sich in ein gewöhnliches Jugendzimmer verwandelt. Ich fand, da ich nun ein Oberschüler war, hatte diese Veränderung unbedingt sein müssen. Ich warf meinen Rucksack in eine Ecke neben meinem Schreibtisch und ließ mich dann auf mein Bett fallen. „Setz dich ruhig...“, lächelte ich Shôto an. Er nahm auf meinem Schreibtischstuhl platz und sah sich in meinem Zimmer um. Ich sah ihn an, musterte ihn und war mir erneut nicht sicher, ob ich ihm alles erzählen sollte. Meine Mutter wäre enttäuscht, wenn er das erste und das letzte Mal hier wäre. Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. „Izuku? Ich bringe euch den Tee und die Kekse“, erklang die Stimme meiner Mutter vom Flur. „Mach mir doch bitte mal auf.“ Ich stand auf und öffnete die Tür. Sie drückte mir ein Tablett in die Hand und grinste wieder, schob mich dann leicht beiseite. „Bleibst du zum Abendessen?“, fragte sie an Shôto gewandt. Dieser blinzelte etwas überfordert, schüttelte dann aber den Kopf. „Danke, sehr freundlich. Aber ich möchte keine Umstände bereiten. Außerdem erwartet mich meine Familie zum Abendessen zu Hause“, lehnte er höflich ab. „Hm, schade. Vielleicht ein anderes Mal“, erwiderte sie und winkte uns zu, ehe sie die Tür schloss und uns alleine ließ. Ich verzog das Gesicht und grummelte leise. Sie musste wirklich nicht so sehr übertreiben. Das Tablett wanderte auf meinen Schreibtisch. Ich goss uns Tee in die Tassen und nahm mir einen der Kekse. „Bedien dich“, lächelte ich. Eine kurze Weile knabberten wir Kekse und tranken Tee, ehe ich tief ein- und wieder ausatmete. „Ich hab mich vor zwei Wochen mit Kacchan gestritten...“, begann ich zu erzählen. „Also, mit Bakugô...“ Shôto sah mich an und nickte verstehend, blieb aber still und hörte weiter zu. Ich erzählte ihm alles, was in unserer Kindheit passiert war, wie er mich immer und immer wieder geärgert hatte und wie mir dann vor zwei Wochen der Geduldsfaden gerissen war und ich ihn beschimpft hatte. „Das Problem an der Sache ist, ich hasse ihn überhaupt nicht... Ich hab ihn angelogen... Und ich möchte mich dafür bei ihm entschuldigen, aber ich weiß nicht wie...“, brachte ich leise hervor. „Ich wünsche mir eigentlich nur, dass wir wieder Freunde werden könnten...“ „Du magst ihn“, sagte Shôto schlicht, als wäre es das normalste auf der Welt. „Ich... ja... Ich kenne ihn schon ewig... Und hab ihn immer bewundert... Er war mein bester Freund...“ Wieder nickte Shôto. „Und du weißt nicht, was passiert sein könnte, als er anfangen hat dich zu ärgern?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Er sagte immer nur, dass ich ein Versager wäre und nichts könne und nur nerven würde...“ Einerseits machte es mich traurig, darüber zu reden. Andererseits tat es gut, es jemandem zu erzählen. Wir sprachen noch eine Weile über die ganze Situation und Shôto versprach mir, dass er mir helfen würde. Irgendwann blickte ich ihn an. Zu gerne würde ich mehr über ihn erfahren. Er wusste nun ja auch sehr viel über mich. Aber ich traute mich nicht, ihn zu fragen. „Was ist?“, wollte er wissen, als er meinen Blick wahr nahm. Ich schluckte, wich seinem Blick aus. „Ich... weiß so gar nichts über dich...“, brachte ich dann heraus. „Du möchtest mehr über mich wissen?“ Ich nickte und sah ihn schüchtern an. „Ich glaube nicht, dass dir das gefallen würde...“, gab er distanziert zurück. „Wie meinst du das?“ „So, wie ich es sage. Bei mir ist es keine heile Welt...“ Er war aufgestanden und tigerte nun unruhig in meinem Zimmer hin und her. Scheinbar schien er mit sich selbst zu kämpfen. Ich krabbelte vom Bett, blieb vor ihm stehen und lächelte ihn an. „Wir sind Freunde, richtig?“ Er erwiderte meinen Blick. „Ich hoffe es...“, antwortete er unsicher. Mein Lächeln wurde breiter. „Weißt du, ich hatte Angst dir von meinem Streit zu erzählen. Was wäre gewesen, wenn du einfach gegangen wärst und nichts mehr von mir wissen wolltest? Und trotzdem hab ich es getan. Und ich bereue es nicht. Denn du bist immer noch hier und redest mit mir.“ „Wie könnte ich dich deswegen weniger mögen?“, fragte er mich. „Bakugô hat den Streit zwischen euch provoziert... Du hast dir das schon viel zu lange von ihm gefallen lassen... Und du hättest schon früher mit mir reden können...“ Er blinzelte, senkte dann den Blick. „Ich fürchte... das Gleiche gilt auch für mich...?“ Ich nickte, zog ihn dann zum Bett und setzte mich mit ihm dort hin. „Du kannst mir alles erzählen. Für so was hat man doch Freunde.“ Wieder sah ich, wie er mit sich kämpfte und schließlich verlor. Leise begann er zu erzählen. „Mein Vater hat einen ziemlich strengen Erziehungsstil. Wenn man nicht das macht, was er von einem möchte, wird man bestraft. Er hat es mit seiner Art sogar geschafft, dass meine Mutter in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Sie wurde so sehr von ihm unter Druck gesetzt, dass sie mir im Affekt kochendes Wasser ins Gesicht geschüttet hat.“ Erschüttert sah ich ihn an, hielt mir eine Hand vor den Mund. Er deutete auf seine Brandnarbe im Gesicht. „Das ist davon übrig geblieben. Durch einen Gendefekt habe ich dieses Aussehen. Die rechte Seite spiegelt meine Mutter wieder, die linke meinen Vater. Sie sah mich und wollte wohl die Gene meines Vaters in mir vernichten. Ich habe noch ältere Geschwister. Doch bei ihnen haben sich die Gene meiner Mutter durchgesetzt. Meine beiden älteren Brüder haben früh das Haus verlassen, weil sie mit meinem Vater nicht mehr zurecht kamen. Nur meine Schwester ist noch da und beschützt mich vor Vater...“ Ich betrachtete ihn. In seinem Gesicht konnte ich eine tiefe Traurigkeit erkennen, die ihm überhaupt nicht stand. Ich wollte ihn trösten, ihn in den Arm nehmen, war mir aber nicht sicher ob das so klug war. Vielleicht mochte er so etwas nicht. Ich ließ es und lächelte ihn daher nur aufmunternd an. „Du hast nichts falsch gemacht. Dein Vater ist ein Unmensch!“ Obwohl ich seinen Vater nicht kannte, mochte ich ihn schon jetzt nicht. Ich wusste nicht, wie ich reagieren würde, stände ich irgendwann einmal ihm gegenüber. Um Shôto doch irgendwie zu trösten lehnte ich mich mit der Schulter an seine. „Danke, dass du mir davon erzählt hast.“ Er sah mich an, schüttelte dann leicht den Kopf. „Das war nicht alles...“ „Noch mehr?“, wunderte ich mich und legte den Kopf schief. „Ja...“, antwortete er schlicht und senkte den Kopf. Wieder kämpfte er mit sich selbst, ballte seine Hände zu Fäusten und seufzte dann. „Mein Vater hat ein Problem damit, dass ich schwul bin.“ Tbc... Kapitel 7: Können wir ihn nicht adoptieren? ------------------------------------------- Ich blinzelte ihn überrascht an. „Oh...“, brachte ich im ersten Moment nur heraus. Er war leicht in sich zusammen gesunken und wagte es nicht, mich an zuschauen. Grübelnd betrachtete ich ihn. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann störte es mich nicht. Er war immer noch derjenige, den ich kennengelernt hatte. Und nur, weil ich jetzt mehr über ihn wusste, machte ihn das nicht zu einem anderen Menschen. Ich lächelte und zog ihn einfach in eine Umarmung. Ich wollte ihm zeigen, dass es mich nicht im Geringsten störte. Kurz versteifte er sich, als er meine Arme um sich spürte, entspannte sich allerdings schnell und lehnte sich in die Umarmung. „Es macht dir nichts aus?“, wollte er flüsternd wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Du bist immer noch du.“ „Und wenn ich mich in dich verliebe?“ Einen kurzen Moment dachte ich darüber nach. Es würde mich ebenfalls nicht stören. Nur wusste ich nicht, ob ich seine Gefühle erwidern konnte. Immerhin suchte ich ja denjenigen, der am Ende meines roten Fadens auf mich wartete. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass es mir dabei egal war, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handeln würde. Und selbst wenn ich mich in jemand anderen verlieben würde, wäre es wohl auch kein Drama. Wieder lächelte ich. „Dann ist es nun mal so.“ Er löste sich von mir, sah mich an und lächelte wieder. „So gefällst du mir schon viel besser“, grinste ich und ließ ihn dadurch wieder rot werden. Er rutschte etwas von mir weg. „Lass uns überlegen, wie du dich am besten bei Bakugô entschuldigen kannst. Ich mag nicht länger dabei zusehen, wie du noch dünner wirst...“ Nun war ich derjenige, der rote Wangen bekam. „Ist das so offensichtlich?“ Er musterte mich, nickte dann. „Ja.“ Ich blickte auf meine Hände, wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. „Du hast vorhin einen Brief erwähnt... Darf ich ihn mal sehen?“, wechselte Shôto das Thema. Ich blinzelte. „Ja, sicher...“, antwortete ich und durchsuchte meine Hosentasche nach dem Stück Papier. Etwas zerknittert zog ich es hervor und reichte es ihm. Er strich es glatt und betrachtete es. „Er ist nicht von dir, oder?“, wollte ich wissen, hätte mich aber sogleich selbst ohrfeigen können. Warum sollte er den Zettel sehen wollen, wenn er von ihm gewesen wäre? Shôto sah mich an und verzog das Gesicht erneut zu einem Lächeln. Er antwortete mit einem Kopfschütteln und betrachtete die Schriftzeichen. „Kommt dir die Schrift bekannt vor? Jemand, der die Zeichen so schreibt vielleicht?“, wollte er schließlich wissen und sah mich wieder an. Ich überlegte. „Nein, zumindest nicht auf Anhieb. Meinst du, es könnte jemand aus der Klasse geschrieben haben?“ „Das vermute ich jedenfalls. Aber ich bezweifle, dass es Uraraka, Iida oder Asui waren. Keiner der drei hat etwas in die Richtung erwähnt, auch wenn sie sich genauso Sorgen um dich gemacht haben wie ich.“ „Oh...“, brachte ich nur hervor und senkte beschämt den Kopf. „Tut mir Leid. Ich wollte niemandem Sorgen bereiten...“ Shôto legte eine Hand auf mein Knie. Ich hob den Kopf und sah ihn wieder an. „Es ist alles okay. Mach dir darüber keine Gedanken. Wir sind doch schließlich Freunde. Oder etwa nicht?“ Ich lächelte und nickte. „Danke.“ Wir beratschlagten uns, diskutierten verschiedene Möglichkeiten, wie ich mich am Besten bei Kacchan entschuldigen konnte und bemerkten dabei gar nicht, dass es langsam spät wurde. Ein leises Klopfen an meiner Tür riss uns aus unserer Planung. „Ja?“ Die Tür öffnete sich und meine Mutter schaute zu uns herein. Sie lächelte. „Das Abendessen ist fertig. Todoroki-kun, bist du sicher, dass du nicht mitessen möchtest? Ich würde dich später auch nach Hause fahren.“ Shôto und ich blickten uns an. So wie ich meine Mutter kannte hatte sie für drei Personen gekocht und auch schon den Tisch gedeckt. „Ich mache keine Umstände?“, fragte er schließlich schüchtern. Meine Mutter schüttelte den Kopf. „Keineswegs! Du kannst auch gerne bei dir zu Hause anrufen und Bescheid geben.“ Dagegen konnte er nichts sagen. Er nickte ergeben und lächelte meine Mutter an. „Vielen Dank!“ „Ach, schon in Ordnung. Geht euch das Gesicht waschen und kommt dann zu Tisch, bevor das Essen kalt wird“, wies sie uns an und ließ uns alleine. „Gehen wir essen?“, fragte ich Shôto und lächelte ihn wieder an. Er nickte. „Und danach tüfteln wir weiter an einem Plan, wenn wir dann noch Zeit haben!“ Ich zeigte ihm den Weg ins Badezimmer, wo wir uns Hände und Gesicht wuschen. Danach rief er von unserem Telefon im Flur aus bei sich zu Hause an. Sein Vater war natürlich nicht begeistert darüber und sagte ihm, dass er spätestens um 21 Uhr zu Hause sein sollte. Er sprach so laut, dass Shôto den Hörer vom Ohr weghalten musste und ich neben ihm jedes Wort verstehen konnte. Nachdem er aufgelegt hatte, seufzte er laut. „Dein Vater ist wirklich verdammt streng...“, murmelte ich und ging mit ihm in unser Esszimmer. „Hab ich ja gesagt...“ Wie bereits erwartet hatte meine Mutter den Tisch für drei Personen eingedeckt. Ich schüttelte gedanklich den Kopf darüber und setzte mich. Wir aßen gemeinsam zu Abend und unterhielten uns prächtig. Meine Mutter war richtig begeistert von Shôto. Ich konnte sie verstehen. Er war höflich und zuvorkommend, bedankte sich für alles artig. Aber auch Shôto schien sich bei uns wohl zu fühlen. Er verhielt sich so vollkommen anders als in der Schule, wo er sich immer verschlossen und unnahbar gab. Hier lächelte er so häufig, dass ich fast glaubte zu träumen. Es war wirklich schön mit anzuschauen. Nach dem Essen halfen wir noch meiner Mutter und verschwanden dann wieder in meinem Zimmer. Bis Shôto zu Hause sein musste hatten wir noch etwa eine Stunde, die wir sinnvoll nutzen wollten. „Meinst du, er würde sich auf ein Vier-Augen-Gespräch einlassen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Nicht, wenn er weiß, dass ich mit ihm reden möchte...“, gab ich zu bedenken. „Dann machen wir es anonym? Schreib einen Zettel und leg ihn in sein Schuhfach oder auf seinen Platz, wenn er es nicht mitbekommt. Und bitte ihn um ein Treffen“, überlegte Shôto und wanderte dabei durch mein Zimmer. „Aber wo sollte ich mich mit ihm treffen? Und wann?“, warf ich ein und seufzte leise. „Und was soll ich ihm sagen, wenn er wirklich auftaucht?“ „Nach dem Unterricht auf dem Schuldach?“, schlug er vor und setzte sich im Schneidersitz wieder vor mich. Ich ließ mir den Gedanken durch den Kopf gehen. „Neutraler Boden... Aber gefährlich... Das Schuldach ist hoch...“ „Wenn du möchtest, dann bleibe ich in der Nähe und greife ein, wenn er versucht, dir etwas zu tun?“ Ich schüttelte den Kopf. „Danke, aber den Kampf muss ich alleine bestreiten. Ich kenne ihn schon so lange. Bisher hat er mir nie ernsthaft weh getan. Ich meine, die blauen Flecken und Schürfwunden sind ja nichts lebensgefährliches...“ Ich lächelte ihn beruhigend an. „Trotzdem. Allein schon, dass er dich verletzt hat, reicht aus. Ich werde auf jeden Fall in der Nähe sein.“ Er sah mich ernst an und ließ sich auch nicht mehr davon abbringen. Bevor wir weiter diskutieren konnten, was ich zum Beispiel sagen könnte, klopfte auch schon meine Mutter an die Tür. „Es wird langsam Zeit“, sagte sie nur. Ein Blick auf die Uhr bestätigte dies. Ich verabschiedete mich von Shôto. Meine Mutter bestand darauf, dass ich daheim blieb und meine Hausaufgaben machte, während sie ihn nach Hause fuhr. Dennoch ließ ich es mir nicht nehmen, die beiden noch bis zum Auto zu begleiten. „Wir reden morgen weiter. Und vergiss nicht den Zettel“, lächelte Shôto mir zum Abschied zu und stieg zu meiner Mutter ins Fahrzeug. Ich blickte den roten Rücklichtern des kleinen Gefährts nach, begab mich dann wieder in mein Zimmer und legte ein Stück Papier vor mich. Lange überlegte ich, was ich Kacchan schreiben könnte, entschied mich dann aber für die kürzeste Variante: Bitte triff mich heute nach dem Unterricht auf dem Schuldach. Ich nickte bestätigend, faltete das Papier zweimal in der Mitte und steckte es in meinen Rucksack, damit ich es auch nicht vergaß. Dann erst holte ich meine Hausaufgaben hervor und begann zu schreiben. Eine dreiviertel Stunde später hörte ich meine Mutter nach Hause kommen. Sie klopfte nur Sekunden später an meine Tür und betrat dann das Zimmer. „Izuku, Izuku!“ Sie war ganz aufgeregt. Ich blinzelte sie an. „Was ist denn, Mama?“ Sie grinste. „Können wir ihn nicht adoptieren? Er ist so ein lieber Junge!“ Verblüfft sah ich sie an, ehe ich mich vor Lachen nicht mehr einkriegte. Sie stimmte mit ein. „Ich glaube nicht, dass sein Vater da mitspielen würde. Aber wenn es sich ergibt, würde ich ihn öfter mitbringen?“, grinste ich und wischte mir einige Lachtränen aus den Augen. „Ich bitte darum. Er scheint dir gut zu tun!“, erwiderte sie und umarmte mich. „Ach, was ich fast vergessen hätte. Mitsuki hat vorhin angerufen...“ Sie war nun wieder ernst und ließ mich los, musterte mich. Ich zuckte leicht zusammen. Tante Mitsuki ist die Mutter von Kacchan und mit meiner Mutter sehr gut befreundet. „Ach? Geht es ihr gut?“, versuchte ich in einem heiteren Ton, der mir aber wohl misslang. Meine Mutter sah mich durchdringend an. „Ja, es geht ihr und Masaru gut. Sie hat mir erzählt, dass Katsuki heute vollkommen durch den Wind war, als er heim kam. Und sich seit zwei Wochen schon seltsam verhält... Kommt dir das bekannt vor?“ Ich schüttelte den Kopf. Wohl etwas zu schnell, da meine Mutter eine Augenbraue hob und das Gesicht verzog. „Izuku? Ist was zwischen euch vorgefallen? Sei ehrlich zu mir...“ Ich schluckte, senkte den Blick. „Wir haben uns gestritten... Aber ich will mich bei ihm entschuldigen!“ „Warum könnt ihr nicht wieder so miteinander umgehen wie früher...“, murmelte sie und strich mir durch die Haare. „Ihr ward damals unzertrennlich...“ Ihre Hand verschwand aus meinen Haaren. Ich hob den Blick und sah, wie sie zu meinem Regal neben der Tür ging. Darauf stand neben unzähligem anderen Kleinkram auch ein Bilderrahmen mit einem Foto darin. Es zeigte Kacchan und mich, wie wir als kleine Kinder miteinander gespielt hatten. Onkel Masaru hatte damals den Schnappschuss gemacht. Meine Mutter nahm den Bilderrahmen und betrachtete das Foto einen Augenblick lang, stellte es dann wieder zurück auf seinen Platz und wünschte mir eine Gute Nacht, ehe sie das Zimmer verließ. Wehmütig dachte ich an die vergangene Zeit. Ich musste die Sache mit Kacchan unbedingt wieder in Ordnung bringen. Egal wie. Schnell erledigte ich noch die wichtigsten Aufgaben für die Schule, ging dann baden und schließlich ins Bett. Ich war müde vom Tag. Und zum ersten Mal seit zwei Wochen schlief ich auch ohne Probleme ein und die ganze Nacht durch. Tbc... Kapitel 8: Ruhe vor dem Sturm ----------------------------- Am folgenden Tag verließ ich bereits nervös das Haus. Ich hatte mir in einem Anflug von Nostalgie das Foto aus dem Bilderrahmen mitgenommen und hoffte, dass es mir irgendwie Mut machen würde. Viel zu früh traf ich in der Schule ein, blickte mich bei den Schuhfächern um. Es war weit und breit noch niemand zu sehen. Schnell zog ich den Zettel für Kacchan aus der Tasche und legte ihn in sein Fach. „Guten Morgen, Midoriya“, hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir und schreckte zusammen. Den Kopf zwischen die Schultern gezogen drehte ich mich um und blickte in das ungleiche Augenpaar von Shôto. Dieser stand grinsend vor mir. Ich hatte das Gefühl, als würden tausende Steine von mir abfallen. Ich seufzte auf und sah ihn dann finster an. „Musst du mich so erschrecken?“, grummelte ich, konnte ihm aber nicht länger böse sein. Sein Grinsen wurde breiter. „Es bot sich an...“, neckte er mich und wechselte seine Schuhe. Ich lachte leise auf. „Guten Morgen“, begrüßte ich ihn nun richtig und tat es ihm gleich. Nach dem gemeinsam verbrachten Nachmittag und Abend war er sichtlich aufgetaut. Ich war gespannt, wie lange dies anhalten würde. Ob er es nur zeigte, wenn wir alleine waren und sonst seine teilnahmslose Maske wieder aufsetzte? Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu unserem Klassenzimmer. Die Gänge waren wie ausgestorben. Wir waren beiden sehr früh da. „Du scheinst geschlafen zu haben“, meinte er irgendwann. Ich sah ihn an und lächelte. „Ist das so offensichtlich?“ Er nickte. „Deine Augenringe sind verschwunden.“ Verlegen fuhr ich mir durch die Haare. „Danke, dass du mir gestern zugehört hast.“ Shôto schüttelte den Kopf. „Ich habe ebenfalls zu danken. Du bist der Erste, der mich nicht verurteilt...“ Ich sah ihn an, verblüfft über seine Aussage. Wir erreichten unser Klassenzimmer und betraten es. Außer uns war noch niemand da. Ich brachte meinen Rucksack zu meinem Tisch und ging zurück zu Shôto. „Ich habe Kacchan übrigens eine Nachricht ins Schuhfach gelegt. Heute nach dem Unterricht auf dem Dach“, meinte ich leise und lehnte mich hinter seinem Platz mit dem Rücken an die Wand. Er hatte sich zu mir umgedreht und sah mir in die Augen. „Ich werde da sein. Nur zur Sicherheit.“ Er lächelte mir aufmunternd zu. Ich nickte. „Was meinst du, soll ich sagen, wenn er wirklich kommt?“ Bevor er antworten konnte, betrat Ten'ya den Raum. Auch er war immer sehr früh da und wunderte sich, diesmal nicht der Erste zu sein. „Guten Morgen, Midoriya, Todoroki. Ihr seid aber heute früh hier...“, begrüßte er uns. „Guten Morgen, Iida-kun“, lächelte ich. „Morgen...“, murmelte Shôto und hatte sein Lächeln wieder verloren. Wie ich es mir schon dachte würde er es wohl nur zeigen, wenn wir alleine waren. Ich fand es ein wenig schade, beschwerte mich aber nicht. Wenn er nicht wollte, dass andere ihn so sahen, dann war das in Ordnung. Da wir noch etwas Zeit hatten, bis der Unterricht begann, lenkte ich unsere Gespräch auf ein anderes Thema. Ich wusste, Shôto war ziemlich gut in Mathe. „Ah Todoroki-kun, ich hatte gestern Probleme bei einer Aufgabe in Mathematik. Meinst du, du könntest sie mir erklären?“ Ich grinste und zwinkerte ihm zu. Er nickte nur und wartete, bis ich mein Heft geholt und ihm die betreffende Aufgabe gezeigt hatte. So konnte ich noch etwas Zeit mit ihm verbringen ohne dass es auffällig wirkte. Ich mochte nun mal seine Nähe. Wie erwartet erklärte er mir das Problem der Aufgabe in kurzen, aber verständlichen Sätzen. Ich nickte verstehend. „So löst man die Aufgabe also. Darauf wäre ich nicht gekommen! Vielen Dank!“, lächelte ich ihn an und notierte mir den Lösungsweg. Kurz sah ich von meinem Heft auf und ihn an, erkannte doch tatsächlich ein ganz kleines Lächeln auf seinen Lippen. Nach und nach strömten die übrigen Schüler unserer Klasse ins Zimmer. Auch Kacchan war darunter. Er blieb kurz in der Tür stehen, warf einen Blick auf Shôto und mich und ging dann zu seinem Tisch. Ich musterte ihn. Er sah erschöpft aus und wirkte ruhelos. Immer wieder blickte er jeden aus der Klasse an, wich aber jedem aufkommenden Blickkontakt geschickt aus. „Ich glaube, er hat den Zettel gefunden und sucht nun den vermeintlichen Übeltäter...“, murmelte ich an Shôto gewandt. Dieser nickte nur ganz leicht. Der Unterricht begann schließlich und ich begab mich zu meinem Tisch. Ich ignorierte Kacchan so gut ich konnte. Er sollte noch nicht wissen, dass der Brief von mir war. Wenn es herauskommen sollte, würde er vermutlich gar nicht erst auftauchen. Kacchan hingegen hatte es wohl aufgegeben mich zu ignorieren. Wann immer sich die Möglichkeit ergab spürte ich seinen Blick auf mir. Vielleicht hatte es etwas mit dem Vorfall von gestern auf der Straße zu tun, dass er nun solch ein Interesse an mir hatte. Ich blinzelte, als eine kleine Papierkugel mich am Kopf traf und vor mir über mein Heft kullerte. Schnell legte ich meine Hand darauf, ließ sie unter dem Tisch verschwinden und blickte mich unauffällig um. Kacchan sah mich an und ich war mir plötzlich ziemlich sicher, dass die Papierkugel von ihm stammte. Leise entfaltete ich sie, warf einen Blick darauf. Wie ich sehe ist dir gestern nichts passiert. stand darauf. Unwillkürlich musste ich lächeln, hob meinen Kopf und sah Kacchan wieder an. Ich nickte leicht. Er drehte sich wieder zur Tafel und verfolgte weiterhin den Unterricht. Ich hatte mich wohl nicht getäuscht. Sein Blick gestern, nachdem Shôto mich vor dem Auto gerettet hatte. Sein blasses Gesicht. Es war ihm wohl wirklich nicht egal, wenn mir etwas passierte. Irgendwie freute es mich. Trotz dass ich ihm so gemeine Sachen an den Kopf geworfen, ihn sogar angelogen hatte. Nun blieb nur zu hoffen, dass er nach dem Unterricht auch wirklich auftauchen würde. Und dass er mich zumindest ausreden ließ, damit ich mich vernünftig bei ihm entschuldigen konnte. .~*~. Während der Mittagspause saß ich wie immer mit Ochako, Tsuyu, Ten'ya und Shôto an einem Tisch. „Schön, dass du wieder lächelst, Izu-kun“, bemerkte Ochako irgendwann. „Wir haben uns schon Sorgen gemacht, wollte uns aber nicht aufdrängen...“ Ich bedachte sie mit einem schuldbewussten Blick, lächelte dann. „Tut mir Leid, dass ich euch Sorgen bereitet habe“, meinte ich verlegen und verbeugte mich vor den drei. „Hauptsache, dir geht es wieder besser“, winkte Tsuyu ab. Ich war froh, diese drei und auch Shôto zu meinen Freunden zählen zu dürfen. Ich unterdrückte das Bedürfnis, sie alle zu umarmen, und begnügte mich damit, sie der Reihe nach anzugrinsen. Die letzten beiden Stunden brachen an und verlangten von mir meine ganze Konzentration. Geschichte war noch nie mein Lieblingsfach gewesen. Ich brachte ständig alles durcheinander und es fiel mir schwer, mir irgendetwas zu merken. Aber auch diese Qual brachte ich irgendwie hinter mich. Die Schulglocke erlöste uns und ich packte nervös meine Sachen in meinen Rucksack. Unbemerkt der anderen fing ich einen Blick von Shôto auf, der mir aufmunternd zunickte. Ich nickte zurück, warf mir dann meinen Rucksack über die Schulter und verabschiedete mich mit einer Ausrede von den anderen. Mit wackligen Beinen machte ich mich auf den Weg zum Schuldach. Kacchan war noch von Denki und Eijirô aufgehalten worden, sodass ich einen kleinen Vorsprung hatte. Shôto war mir gefolgt und blieb am Treppenabsatz stehen. Ich sah ihn an, lächelte dann. „Du musst nicht warten. Ich weiß noch nicht mal, ob er überhaupt auftauchen wird.“ Er legte den Kopf schief und musterte mich. „Bist du dir wirklich sicher? Ich bleibe gerne.“ Ich nickte ihm zu. „Ja, ich bin mir sicher. Ich schreibe dir heute Abend, wie es ausgegangen ist, okay?“ Dank der Messenger-Gruppe, die Mina ins Leben gerufen hatte, hatte jeder die Nummern der ganzen Klasse. So kam es auch, dass ich Shôtos Nummer hatte. Das machte es sehr viel einfacher und ich musste nicht erst danach fragen. „In Ordnung. Auch wenn es mir nicht gefällt, dich mit ihm alleine zu lassen...“ Ich lächelte beruhigend. „Mehr als mich anbrüllen wird er wohl nicht machen“, winkte ich ab. „Na dann. Du schaffst das! Sag ihm einfach, was dein Herz dir sagt.“ Er grinste, klopfte mir auf die Schulter und verabschiedete sich dann von mir. Ich blickte ihm nach, atmete dann nochmals tief durch und öffnete die Tür zum Schuldach. Nervös ging ich gerade aus auf den Zaun zu, welcher der Tür gegenüber lag und blickte auf die Stadt hinunter. Tbc... Kapitel 9: Aussprache --------------------- Ein lautes Quietschen hinter mir ließ mich zusammen zucken. Ich schluckte, wagte aber nicht mich umzudrehen und blickte daher weiter stur auf die Stadt hinunter. Die Tür fiel wieder ins Schloss und es blieb einige zähe Momente still. „Was soll der Scheiß, Deku?!“, hörte ich schließlich Kacchan hinter mir. Ich krallte meine Hände in die Maschen des Zauns, drehte mich dann aber zu ihm um und sah ihn an. „Es tut mir Leid!“, antwortete ich. Ich sah ihm an, dass er genau das nicht hören wollte. Er hatte es schon zu oft von mir gehört. Viel zu oft. „Diesmal wirklich. Ich...“ Ich stockte, wusste plötzlich nicht mehr was ich sagen sollte. Ich senkte den Blick, starrte auf den Betonboden unter unseren Füßen. „Tsk! Du wiederholst dich. Was willst du von mir?“ Er hörte sich nicht so wütend an, wie ich es von ihm gewohnt war. Ich überlegte kurz. Was genau wollte ich von ihm? Plötzlich fiel mir etwas ein. Ich zog meinen Rucksack von den Schultern und kramte darin herum, bis ich das Foto gefunden hatte. Unsicher ging ich auf ihn zu, blieb aber ein paar Schritte von ihm entfernt stehen und hielt ihm das Foto hin. „Das möchte ich!“ „Hah?!“, kam von ihm. Er entriss mir das Foto und sah es sich an. „Du willst angeln gehen?!“ Ich blinzelte. Angeln? 'Ach so, auf dem Foto haben wir ja versucht Fische aus dem Bach zu angeln...' Ich kicherte. „Nein. Ich möchte wieder mit dir befreundet sein!“ Er sah mich an, sah noch einmal auf das Foto und gab es mir wieder. Ich hielt es an meine Brust gedrückt. Der Wind war hier oben stärker als gedacht und ich wollte nicht, dass es davon flog. Schüchtern blickte ich ihn an. Er hatte den Blickkontakt abgebrochen, ging nun an mir vorbei und stellte sich neben meinen Rucksack an den Zaun, sah nun selbst hinunter auf die Stadt. Ich folgte ihm, steckte das Foto wieder zurück in meinen Rucksack und lehnte mich mit dem Rücken an den Zaun. „Warum solltest du wieder mit mir befreundet sein wollen? Du hasst mich doch...“, kam es nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich von ihm. Ich musterte ihn von der Seite. Er sah irgendwie traurig aus. „Das... stimmt nicht... Ich habe gelogen... Ich habe dich noch nie gehasst...“, antwortete ich leise. „Es tut mir Leid. Ich wollte nicht lügen. Aber ich war in dem Moment einfach so sauer auf dich. Ich wollte von dir nicht mehr geärgert werden...“ Er hob den Blick und sah mich an. Er sah mich einfach nur mit seinen roten Augen an und ich hatte das Gefühl, als würde er mich durchschauen. Verunsichert sah ich ihn weiterhin an, war unfähig den Blickkontakt zu unterbrechen. Und dann unterbrach er das stille Band zwischen uns. „Warum? Warum willst du trotz allem, was ich dir angetan habe, wieder mit mir befreundet sein?“ Ich blinzelte, schluckte und sah mit einem Mal etwas in seinen Augen, das ich bisher bei ihm nie gesehen hatte: Unsicherheit. Ich lächelte und beschloss auf das zu hören, was Shôto mir mit auf den Weg gegeben hatte. Ich ließ mein Herz sprechen. „Weil ich dich mag. Du warst und bist für mich mein bester Freund, Kacchan...“ Seine Augen weiteten sich und ich war der Meinung eine ganz leichte Rotfärbung seiner Wangen erkennen zu können, als er seinen Kopf schnell wegdrehte. Allein dieser Anblick reichte aus um mein Herz, das vor Aufregung eh schon schneller geschlagen hatte als gewöhnlich, noch viel schneller schlagen zu lassen. Nun lag es an ihm, ob er mich erneut in seinem Leben zuließ, oder ob er weiterhin den Kontakt zu mir scheute. Er seufzte leise. „Ich werde dich ja ohnehin nicht los... Also was bleibt mir anderes übrig...“, murmelte er und sah mich wieder an. „Lass uns nach Hause gehen. Alleine kann man dich ja nicht mehr über die Straße gehen lassen“, neckte er mich und lächelte mich an. Überrascht blinzelte ich. Hatte er gerade wirklich zugestimmt, mich nicht mehr wie Dreck zu behandeln? Durfte ich ihn wieder als Freund ansehen? Ich musterte ihn, suchte nach einem kleinen Anzeichen dafür, dass ich mich doch irrte. Doch ich fand nichts. Fast hatte ich das Gefühl, der Kacchan aus der Vergangenheit stünde vor mir. Der, der mich damals immer beschützt hatte. Der mich sogar nach Hause getragen hatte, wenn ich mir meine Knie aufgeschlagen hatte und nicht mehr laufen konnte. Der, der mich getröstet hat, wann immer ich wieder einmal wie ein Schlosshund am Heulen war. Er hatte sich vom Zaun gelöst und ging nun langsam auf die Tür zu, warf erneut einen Blick zu mir nach hinten. „Kommst du?“ Einen kurzen Moment sah ich ihn an, schnappte mir dann meinen Rucksack und warf ihn mir über meine Schultern. Ich lief überglücklich auf ihn zu und fiel ihm einfach um den Hals, drückte mich an ihn. Überrascht stolperte er zwei Schritte zurück, schlang reflexartig seine Arme um mich. „Ich bin so froh...“, flüsterte ich neben seinem Ohr und drückte ihn noch einmal. „Hey, ich hab nicht gesagt, dass du kuscheln darfst! Wir sind keine vier mehr!“, knurrte er mich an und drückte mich dann von sich. Ich grinste, sah ihn an. Seine Wangen waren rot geworden und er wich meinem Blick aus. „Früher hat dir das nie was ausgemacht!“, schmollte ich, grinste ihn dann aber frech an und ging vor ihm her zur Tür, hielt sie ihm auf. „Übertreib es nicht, Deku. Ich kann meine Meinung auch wieder ändern...“, fauchte er nun. Ich lachte. „Ich freu mich doch einfach nur.“ „Tsk...“ Nebeneinander laufend verließen wir das Gebäude und schließlich auch das Schulgelände. Wir schwiegen, doch es störte mich nicht. Ich hatte mich mit Kacchan vertragen. Das reichte mir vorerst. Bestimmt würden wir im Laufe der Zeit wieder mehr miteinander unternehmen. „Es tut mir Leid...“, kam plötzlich von ihm. Überrascht sah ich ihn an, sagte aber nichts. Er sah so aus, als wäre er noch nicht fertig, brauchte aber einen Augenblick um die Worte, die er sagen wollte, richtig formulieren zu können. „Dass ich dich die ganze Zeit so schrecklich behandelt habe...“, brachte er schließlich ganz leise hervor. Ich lächelte ihn an. „Lass uns das einfach vergessen und nochmal von vorne anfangen“, schlug ich vor. Er hob den Blick und sah mich an. Schließlich nickte er. Kacchan brachte mich bis vor meine Haustüre und wartete sogar, bis ich im Haus war, ehe er zu sich nach Hause ging. Ich war so glücklich über das Ergebnis, dass ich in unsere Wohnung stürmte, meine Schuhe im Hausflur liegen ließ und direkt zu meiner Mutter rannte, sie überglücklich umarmte. „Huch, Izuku? Was ist denn passiert?“, fragte sie mich und ließ sich von mir knuddeln. „Kacchan und ich haben uns vertragen!“, teilte ich ihr mit und grinste von einem Ohr zum anderen. Sie lächelte, strich mir durch die Haare. „Das freut mich aber.“ Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich geh Hausaufgaben machen!“, rief ich und hüpfte zuerst ins Bad, dann in mein Zimmer und zog mich dort um. Meine Schuluniform legte ich zusammen, sodass sie keine Falten bekam und zog dann mein Handy aus dem Rucksack. Schnell suchte ich Shôtos Nummer heraus und begann zu tippen: »Hey, Todoroki-kun! Ich lebe noch. Kacchan hat meine Entschuldigung angenommen!« Ich drückte auf Senden und legte dann mein Handy beiseite. Gut gelaunt setzte ich mich an meinen Schreibtisch und begann mit den Hausaufgaben. Eine halbe Stunde später vibrierte mein Handy auf dem Bett. Ich blickte es kurz an. Das Display leuchtete, ging aber nach wenigen Sekunden wieder aus. Ich lächelte in mich hinein, widmete mich wieder meinen Hausaufgaben. Die Nachricht konnte warten, bis ich hier fertig war. Wenige Minuten später vibrierte mein Handy allerdings erneut. „Was ist denn heute los?“, fragte ich mich murmelnd, warf wieder einen Blick auf das Handy. Wieder nur eine Nachricht, die ebenfalls warten konnte. Bis ich alle Aufgaben erledigt hatte, waren zwei weitere Stunden vergangen. Erschöpft lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück und schloss die Augen. Es waren wirklich viele Aufgaben gewesen, die wir erledigen sollten. Zudem war einiges liegen geblieben, wozu ich bisher nicht die Muse hatte, es schon zu erledigen. Aber jetzt war ich mit allem fertig. Ich stand auf, streckte mich und räumte meine Unterlagen weg. Erst dann verließ ich mein Zimmer um mir in der Küche ein Glas Wasser zu holen. Meine Mutter war wie immer damit beschäftigt, das Abendessen zu kochen. Ich lächelte sie an, setzte mich an den Tisch und unterhielt mich ein wenig mit ihr. Erst sehr viel später, als es draußen bereits dunkel war und ich müde vom Baden, ging ich zurück in mein Zimmer und ließ mich aufs Bett fallen. Heute war so viel passiert. So viel gutes! Ich grinste, drehte mich auf die Seite und spürte plötzlich einen Gegenstand unter mir, der mich störte. Ich grummelte, verrenkte mich und zog das Ding unter mir hervor, hielt mein Handy schließlich in der Hand. „Ah, da war ja was...“, fiel mir ein. Ich öffnete den Messenger und erblickte zwei neue Nachrichten. Beide waren von Shôto. »Hey, Midoriya. Freut mich, dass ihr euch wieder vertragen habt!« lautete die erste Nachricht. Direkt darunter stand: »Wir sehen uns dann morgen.« Ich kicherte. Irgendwie waren diese Nachrichten so typisch für Shôto. »Bis morgen. Gute Nacht!« tippte ich ihm noch, ehe ich mein Handy ausschaltete und mich unter die Decke verkroch. Ich war so unglaublich müde und doch irgendwie wahnsinnig aufgeregt. Trotzdem siegte die Müdigkeit und ich schlief mit einem Lächeln ein. Tbc... Kapitel 10: Vorsichtiges Tasten ------------------------------- Am nächsten Morgen riss mich mein Wecker aus einem Traum. Ich konnte mich nicht daran erinnern, um was es genau in dem Traum ging, doch ich wusste, dass er schön gewesen war. Ich glaube, er hatte was mit Kacchan und Shôto zu tun, aber ich war mir wirklich nicht mehr sicher. Ich schob den Gedanken beiseite, machte mich für die Schule fertig und ging in die Küche. Auf dem Tisch stand eine Bentobox und ein abgedeckter Teller, daneben ein Zettel von meiner Mutter. Bin bereits zur Arbeit. Hab einen schönen Tag und pass auf dich auf! Mama Lächelnd machte ich mich über mein Frühstück her. Fünfzehn Minuten später verließ ich das Haus, schaltete mein Handy an und tippte den Pin ein, um es zu entsperren. Es dauerte nicht lange und es begann wie wild in meiner Hand zu vibrieren. Erschrocken ließ ich es fast fallen, starrte dann auf das Display. Eine Nachricht nach der anderen tauchte auf und schob die vorangegangene nach oben. „Was zur...“, begann ich und sah dann, von wem diese Nachrichten alle stammten: Kacchan! Ich öffnete den Chat. »Hey Nerd, wo bleibst du?« »Hey!« »Wo zur Hölle steckst du?« »Ich warte nicht mehr lange!« »Gleich kannst du alleine zur Schule gehen!« »...« »Hör auf mich zu ignorieren!« Ich blinzelte verwirrt. Was hatten diese Nachrichten alle zu bedeuten? Ich sah auf die Zeiten, wann sie versendet wurden. Die erste war vor fünf Minuten versendet worden. Die letzte lag gerade einmal 20 Sekunden zurück. »Beweg endlich deinen Hintern!« Die nächste Nachricht schob sich unter die anderen. »Dir auch einen schönen guten Morgen, Kacchan.« tippte ich und steckte mein Handy in die Tasche, lief los. Kaum war ich um die nächste Ecke gebogen, sah ich ihn auch schon. Kacchan stand an der Kreuzung, an der sich unsere Wege für gewöhnlich trennten und blickte mich mit funkelnden Augen an. Ich wunderte mich etwas darüber, dass er dort stand und offensichtlich auf mich wartete. Das hatte er... wann zuletzt getan? Noch nie! „Na endlich! Wie lange brauchst du denn, um in die Gänge zu kommen, Nerd...“, schnauzte er mich an, verzog dabei das Gesicht und machte sich dann auf den Weg in Richtung Schule. Ich blinzelte, sah einige Momente seinen Rücken an und schloss dann mit einigen schnellen Schritten zu ihm auf. „Wenn du mir gesagt hättest, dass du auf mich wartest, dann hätte ich mich beeilt...“, erwiderte ich und betrachtete ihn von der Seite. „Ich hab dir doch geschrieben!“ Unwillkürlich musste ich leise kichern. „Normalerweise gibt man Bescheid, bevor man wartet...“ Er warf mir einen Blick zu, den ich nicht einordnen konnte, und konzentrierte sich dann auf den Weg. Schweigend liefen wir nebeneinander her, bis wir die Schule erreichten. Etwas unsicher sah ich ihn an, als wir gemeinsam das Schulgebäude betraten und unsere Schuhe wechselten. Würden wir gemeinsam das Klassenzimmer betreten? Oder würde er mich ab jetzt wieder links liegen lassen wie zuvor? Ich hörte seine Schritte, die sich langsam von mir entfernten. Durch den Lärm der anderen Schüler waren sie bereits kurz darauf nicht mehr zu hören. Ich schluckte, stellte meine Straßenschuhe in mein Schuhfach und schulterte wieder meinen Rucksack, drehte mich dann um. Überrascht rieb ich mir über die Augen. Kacchan stand im Gang und blickte mich auffordernd an. Er hatte gewartet! Ein glückliches Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit, als ich zu ihm ging. „Immer muss man auf dich warten...“, nuschelte er und wich meinem Blick aus, ging dann wieder vor mir her zu unserer Klasse. Es fühlte sich seltsam an, so neben ihm das Klassenzimmer zu betreten. Ten'ya, Kyôka und Mina waren schon da und warfen uns überraschte Blicke zu. Mein Lächeln war immer noch nicht aus meinem Gesicht verschwunden. Ich wünschte den dreien einen guten Morgen und ging dann zu meinem Tisch, stellte dort meinen Rucksack ab. Kacchan hatte sich bereits hingesetzt und starrte auf sein Handy. Da ich mein Glück nicht überstrapazieren wollte, ging ich hinüber zu Ten'ya und begann ein Gespräch mit ihm. Nach und nach trudelten die anderen der Klasse ein, darunter auch Shôto, der von Ochako und Tsuyu begleitet wurde. Das braunhaarige Mädchen klinkte sich sofort in das Gespräch zwischen Ten'ya und mir ein und grinste mich dann irgendwann breit an. „Dir scheint es wieder richtig gut zu gehen, Izu-kun“, lächelte sie. Ich blickte sie an, nickte und lächelte dann verlegen. „Ja, ich hab alles wieder in Ordnung bringen können. Tut mir wirklich Leid, dass ihr euch Sorgen um mich machen musstet...“ Ich verbeugte mich vor den anderen. „Ich denke, wir haben alle verstanden, dass es nicht deine Absicht war, Midoriya...“, hörte ich eine ruhige Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und blickte direkt in Shôtos unterschiedlich farbige Augen. Die Andeutung eines Lächelns umspielte seine Mundwinkel. Erfreut lächelte ich ihn an. Es war das erste Mal, dass er einen solch langen Satz in Gegenwart der anderen von sich gab. Leider war es aber auch das einzige, das er zu diesem Gespräch beitrug. Er hörte uns wieder wie immer aufmerksam zu, sagte aber kaum noch etwas. .~*~. In der Mittagspause saßen wir wie immer gemütlich in der Cafeteria und ließen uns unser Essen schmecken. Gerade mitten im Gespräch spürte ich mein Handy in der Tasche vibrieren und zog es heraus. Eine Nachricht wurde auf dem Display angezeigt. Neugierig öffnete ich den Messenger und fand eine neue Nachricht von Kacchan. »Lass mich später nicht wieder so lange warten wie heute morgen!« Amüsiert begann ich leise zu kichern und erntete einen fragenden Seitenblick von Shôto, der als Einziger etwas mitbekommen hatte. Ich beugte mich zu ihm und sagte leise: „Kacchan traut mir wohl nicht mehr zu, alleine nach Hause zu kommen...“ Er sah mich ernst an und nickte. „Da kann ich ihm nur zustimmen...“, meinte er leise. „Eh? Aber...“, begann ich zu widersprechen, stoppte mich aber selbst und senkte den Kopf. „Das war doch nur das eine Mal...“, murmelte ich. Shôto schwieg und auch die anderen schienen nichts von unserer kleinen Unterhaltung mitbekommen zu haben. Den Rest der Pause war ich schweigsam. Ich war doch kein kleines Kind mehr, dass man nicht alleine auf die Straße gehen lassen konnte! Das musste ich unbedingt klar stellen! Sowohl bei Shôto als auch bei Kacchan. Ich brütete weiterhin darüber, wie ich es den beiden verdeutlichen konnte und bemerkte gar nicht, wie die Zeit verflog und der Unterricht endete. „Oi, Deku! Mach endlich!“, hörte ich Kacchans Stimme von der Tür her zu mir schallen. Ich zuckte zusammen, packte schnell meine Sachen ein und ging dann zu ihm. Immer noch schweigend lief ich neben ihm her. Wir wechselten unsere Schuhe und machten uns auf den Heimweg. An der Kreuzung, an der ich fast den Unfall gehabt hatte, lief ich wieder weiter ohne auf die Ampel zu achten. Ruckartig wurde ich zurück gezogen. Zwei rote Augen blitzten mich verärgert an. „Hör auf damit!“, wurde ich angefaucht. Ich blinzelte ihn an, ehe er mich ein Stück von der Straße wegzog. „Ich mach doch gar nichts...“, gab ich leise von mir. „Wenn du dich unbedingt umbringen willst, dann gibt es schönere Wege...“, fuhr Kacchan mich an. Entsetzt schüttelte ich den Kopf. „Das will ich doch gar nicht!“ „Und warum rennst du einfach auf die Straße? Das gleiche hast du vorgestern auch schon gemacht!“ Ich betrachtete ihn. Wir standen ein ganzes Stück von der belebten Kreuzung weg, sodass wir niemanden wirklich störten. „Meinst du, ich will mir mit ansehen müssen, wie du angefahren wirst?“, fragte er mich nun in einem ruhigeren Ton. Wieder senkte ich den Kopf, schüttelte ihn ganz leicht. „Kacchan, es tut mir Leid... Ich war in Gedanken und-“ „Dann hör auf zu denken...“ Vorsichtig sah ich ihn an. „Ich bin nicht immer da, um dich vor Dummheiten zu bewahren...“, nuschelte er und drehte sich halb von mir weg. Plötzlich musste ich lächeln. Er machte sich Sorgen um mich! Er sah mich kurz an und blickte direkt wieder weg. Seine Wangen nahmen ein zartes Rot an. „Danke...“, lächelte ich. Am Liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen. Aber ich ließ es. Wir blieben noch einige Augenblicke einfach so stehen. Ich betrachtete Kacchan. Es war ungewohnt ihn so ruhig zu erleben. Zusätzlich kam noch die sanfte Röte auf seinen Wangen. „Lass uns weiter...“, murmelte er schließlich und riss mich damit aus meinen Gedanken. Langsam ging er wieder auf die Kreuzung zu, achtete aber darauf, dass ich ihm folgte und auch wirklich neben ihm stehen blieb, bis die Ampel auf grün sprang. Schweigend gingen wir weiter und Kacchan ließ es sich nicht nehmen mich wieder bis vor die Haustüre zu begleiten. Unschlüssig blieb ich mit dem Schlüssel in der Hand am Gartentor stehen und sah ihn an. „Lass mich morgen früh nicht wieder so lange warten...“, murrte er in diesem Moment, vermied aber den Blickkontakt. Ich lächelte, denn ich wollte ihn gerade fragen, ob er wieder mit mir den Schulweg laufen würde. „Okay“, schmunzelte ich und ging dann zur Haustür. Kurz blickte ich mich noch zu ihm um, winkte ihm dann und schloss die Tür auf, betrat das Haus. Tbc... Kapitel 11: Zeichen ------------------- Es wurde zu einer Regelmäßigkeit. Kacchan und ich gingen jeden Tag gemeinsam zur Schule und wieder zurück. Als ich wieder einmal Putzdienst hatte, wartete er sogar auf mich ohne zu murren. Ich musste mir eingestehen, dass mir seine Gesellschaft noch besser gefiel als damals als wir noch klein waren. Er war immer noch aufbrausend und fauchte mich ab und zu an, jedoch weniger als er es bei Eijirô und Denki tat, die mir zeitweise fast neidische Blicke zuwarfen, wenn Kacchan sie wieder einmal anschnauzte und mich direkt danach freundlich behandelte. Nun ja, so freundlich wie Kacchan eben sein konnte in Gegenwart anderer. Mein Verhältnis zu Shôto verbesserte sich ebenfalls von Tag zu Tag. Auch wenn er immer noch nicht viel redete, wenn wir nicht alleine waren. Wir schrieben inzwischen Abends sehr viel über den Messenger und ich hatte so die Möglichkeit, ihn noch besser kennen zu lernen. Ich mochte ihn wirklich sehr. Und er mich scheinbar auch. .~*~. Es war Freitag Nachmittag. Wir hatten Sportunterricht gehabt und waren gerade auf dem Weg in die Umkleiden. Ich war ziemlich verschwitzt, da es draußen recht heiß war und wir die ganze Zeit in Bewegung gewesen waren. Ich entschloss mich zu duschen. Diesen Entschluss hatten wohl alle anderen auch gefasst, sodass ich etwas warten musste. Ich ließ mir daher Zeit und suchte mir in aller Ruhe meine Sachen aus meinem Spind, setzte mich dann, nur mit einem Handtuch um die Hüften gewickelt, auf die Bank und streckte meine Beine aus, massierte meine Waden. Shôto gesellte sich zu mir und ich grinste ihn an. Auch er hatte sich ausgezogen und bedeckte sich notdürftig mit einem Handtuch. „Du hast wohl auch vor zu duschen?“, fragte ich ihn. Er nickte. Auch er war verschwitzt. „Wir sind wohl alle auf die Idee gekommen...“, bemerkte er und deutete mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung. Ich folgte seinem Blick und sah Kacchan vor seinem Spind stehen. Auch er schien zu warten und fluchte leise vor sich hin. Ich kicherte, winkte ihm zu. Er warf mir einen leicht verstimmten Blick zu und wich sonst meinem Blick aus. „Er scheint nur glücklich zu sein, solange er was zu meckern hat...“, murmelte Shôto neben mir. Ich blickte ihn mit großen Augen an. So hatte ich das noch nie gesehen. Laut fing ich an zu lachen und fiel dabei fast von der Bank, hätte ich mich nicht an Shôtos Arm festgehalten. „Midoriya?“, fragte er mich und blickte mich verwundert an. Ich wischte mir einige Lachtränen aus den Augen und gluckste vor mich hin. „So könnte man es auch sehen...“, stimmte ich ihm mit einem Seitenblick auf Kacchan zu. Kacchan sah zu uns. Er hatte eine Augenbraue in die Höhe gezogen und warf dann einen seltsamen Blick auf meine Hand, die immer noch auf Shôtos Arm lag, an welchem ich mich festgehalten hatte. Stimmengewirr hallte uns entgegen und die Jungs, die bisher unter der Dusche gewesen waren, trotteten nun nacheinander zurück in die Umkleide um sich abzutrocknen und anzuziehen. Wir warteten noch, bis die anderen heraus kamen, sodass wir wirklich sicher sein konnten, auch eine freie Dusche ergattern zu können. Neugierig warf ich Shôto einen Seitenblick zu. Wie fühlte er sich wohl bei soviel nackter Haut? Keiner der anderen Jungs wusste schließlich, dass er mehr Interesse an ihnen haben könnte, als gut für sie war. Er bemerkte wohl meinen Blick. Blinzelnd sah er mich an, unterdrückte dann mühsam ein Lächeln und beugte sich leicht zu mir. „Keiner von den anderen ist so wirklich mein Fall...“, flüsterte er mir ins Ohr. Meine Wangen wurden warm und ich wusste, dass ich mal wieder rot geworden war, weil er mich ertappt hatte und wie ein offenes Buch hatte lesen können. „Ich dachte nur gerade, dass es dir vielleicht unangenehm sein könnte...“, murmelte ich, sodass es niemand sonst hören konnte. Shôto stand auf. Ich konnte seinen Blick auf mir spüren. „Kommst du?“, fragte er mich leise und seine nackten Füße machten tapsende Geräusche, als er in Richtung der Duschen ging. Ich sprang auf, folgte ihm dann. In der Gemeinschaftsdusche stellten wir uns nebeneinander. Die anderen waren schon fertig, sodass Shôto und ich nun die gesamte Dusche für uns alleine hatten. Ich stellte das Wasser auf eine angenehme Temperatur und seufzte wohlig auf, als die Tropfen auf meine Haut prasselten. Ein leises Kichern neben mir ließ mich blinzeln. Verwirrt wischte ich mir meine tropfnassen Haare aus den Augen und der Stirn und sah zu Shôto, der ebenfalls schon vollkommen nass war und mich nun angrinste. „Als wäre es draußen nicht schon warm genug. Musst du unbedingt heiß duschen?“, wollte er neckend wissen. Ich grinste breit. „Ich mags lieber warm, statt kalt...“, antwortete ich und spritzte ihn mit warmem Wasser nass. „Hey!“, empörte er sich und tat das gleiche. Erschrocken quietschte ich auf, als ein Schwall eiskaltes Wasser meine erhitzte Haut traf. Es war das erste Mal, dass ich Shôto wirklich lauthals lachen hörte. Er bespritzte mich weiter mit dem kalten Wasser. Es schien ihm Spaß zu machen, mich auf diese Weise zu necken. Ich wehrte mich, indem ich heißes Wasser in seine Richtung spritzte. Einige Momente neckten wir uns noch auf diese Weise, ehe wir uns wieder beruhigten. Ich musste zugeben, diese kleine Einlage hatte mich beruhigt. Ich war doch etwas nervös gewesen, wie Shôto reagieren würde, doch er war vollkommen normal. Ich seifte mich mit meinem Duschgel ein und augenblicklich flutete der Geruch von Pfirsich den kleinen Raum. „Das riecht aber gut...“, hörte ich neben mir. Ich hielt Shôto mein Duschgel hin. „Willst du?“ Er schüttelte den Kopf. „Passt zu dir besser. Ich bleibe bei meinem, danke.“ Er zeigte mir seines. Kräuter... Ja, das passte zu ihm. Ich grinste wieder, wusch mir noch die Haare und stellte dann das Wasser ab, nachdem ich den ganzen Schaum abgewaschen hatte. Notdürftig rubbelte ich mich trocken und wickelte mir mein Handtuch dann wieder um die Hüften. Auch Shôto war fertig und begleitete mich zurück zu den Umkleiden. Wir ließen uns Zeit mit dem Abtrocknen und Anziehen. Ich war allerdings schneller fertig als Shôto und betrachtete seinen bloßen Rücken, den er mir zugewandt hatte. Überrascht blinzelte ich. „Halt mal still...“, bat ich ihn, trat näher an ihn heran und beugte mich herunter, strich mit meinen Fingern ganz leicht über seine Haut. „Mi...doriya?“, fragte er und erschauderte leicht. Ich sah zu ihm hoch, bemerkte, dass er mit roten Wangen über seine Schulter blickte. „Seit wann hast du das?“, fragte ich ihn. Er blinzelte. „Seit wann habe ich was?“ Er drehte sich zu mir um und sah mich fragend an. Seine Wangen waren immer noch gerötet. „Das Muttermal.“ Erleichtert seufzte er auf und lächelte. „Ah, das hab ich schon immer. Warum fragst du?“ Ich hob meine rechte Hand und zeigte ihm mein Muttermal. „Weil es genauso aussieht wie meines.“ Einen Augenblick war es still zwischen uns. Ich senkte den Blick und schluckte. Konnte es sein, dass er es war? Dass Shôto mein Ende des roten Fadens war? Es musste so sein! Wenn man der Legende Glauben schenken konnte. Das leise Rascheln von Kleidung ließ mich wieder aufblicken. Shôto hatte sich nun vollständig angezogen und richtete gerade seine Krawatte. „Kennst du die Legende vom roten Faden des Schicksals?“, fragte ich ihn. Er schüttelte den Kopf. „Nein? Was ist das für eine Legende?“ Ich setzte mich auf die Bank und begann zu erzählen: „Der rote Faden des Schicksals verbindet zwei Herzen miteinander. Und egal, wo auf der Welt sie sind, sie werden sich finden.“ Ich sah auf mein Muttermal. „Diese Muttermale sollen Anfang und Ende dieses roten Fadens markieren. Und damit sich die Herzen erkennen, haben diese Male die gleiche Form...“ Unsicher sah ich nun ihn an. Auch wenn ich an diese Legende glaubte, so musste Shôto nicht auch daran glauben. Er musterte mich mit großen Augen. „Du meinst...“, begann er leise und setzte sich neben mich. Ich nickte. „Ich glaube schon... Es könnte zumindest sein...“ Was er jetzt wohl von mir dachte? Ich wollte mich ihm nicht aufdrängen... Und trotzdem... Ich musste zugeben, dass ich nicht abgeneigt war. Shôto war lieb und umgänglich, wenn auch etwas zurückhaltend. Aber genau das gefiel mir bei ihm. Er fiel zudem nicht negativ auf. Selbst meine Mutter war von ihm begeistert. „Eine schöne Vorstellung...“, meinte Shôto schließlich. „Dass es für jeden den perfekten Partner gibt...“ Ich betrachtete sein Gesicht. Er lächelte traurig. „Was hast du?“, wollte ich wissen. Er musterte mich einen Augenblick stumm, ehe er antwortete: „Nichts. Es ist nur ein bisschen schade, dass das Schicksal gerade uns beide auserwählt hat...“ Verwirrt blicke ich ihn an. „Was meinst du damit?“, fragte ich, bevor mir eine Idee kam, was es sein könnte... „Oh... das...“ Tbc... Kapitel 12: Es ist kein Date!!! ------------------------------- „Deku!! Wo bleibst du?!“ Kacchans harsche Stimme unterbrach uns und ließ mich zusammenzucken. Ich hob den Blick und sah ihn in der Tür stehen. „Beweg deinen Hintern, ich will nach Hause!“, fuhr er mich an und umklammerte den Tragegurt seiner Tasche, der über seiner Schulter lag, ungeduldig fester. Entschuldigend lächelte ich Shôto an, stand dann auf und nahm meinen Rucksack. „Schönes Wochenende, Todoroki-kun! Wir sehen uns am Montag“, verabschiedete ich mich von ihm und ging dann zu Kacchan, der uns nur einen verärgerten Blick zuwarf. „Ja, bis Montag...“, kam die leise Antwort. Seine Stimme hörte sich bedrückt an. Ich blieb kurz stehen und sah ihn noch einmal an. „Mach dir nicht zu viele Gedanken. Es ist gut so wie es ist.“ Ich zwinkerte ihm kurz zu und sah, dass seine Wangen einen sanften Rotschimmer annahmen. In diesem Moment spürte ich auch schon, wie ich am Arm gepackt und weggezerrt wurde. „Komm endlich!“, knurrte Kacchan mich an. Ich stolperte leicht, doch ich stürzte nicht, da Kacchan mich immer noch am Arm gepackt festhielt. Sein Griff war aber alles andere als schmerzend. „Tut mir Leid, Kacchan...“, murmelte ich. „Ich wollte dich nicht warten lassen...“ Ich sah zu ihm hinauf. Sein Blick verlor sich vor uns, während er mich weiter zog. Etwas verwundert versuchte ich mit ihm Schritt zu halten, was gar nicht so einfach war. Immer wieder stolperte ich, bis er endlich etwas langsamer lief. Erst als wir das Schulgelände schon lange hinter uns gelassen hatten ließ er meinen Arm los und trottete neben mir her. „Bist du böse auf mich?“, fragte ich ganz leise. Ein kaum merkliches Zucken durchlief seinen Körper, bevor er mich anblickte und den Kopf schüttelte. „Nein...“, antwortete er genauso leise. Es war nur ein Augenblick, indem wir uns ansahen. Und da war etwas in Kacchans Blick, das ich bei ihm noch nie gesehen hatte und auch nicht benennen konnte. Es war... fast schon sanft, wie er mich anschaute... Doch der Augenblick währte nicht lange. Mit einem Wimpernschlag war er auch schon vorbei. Schweigend ging er weiter. Langsam, so als warte er darauf, dass ich zu ihm aufschloss. Lächelnd blickte ich seinen breiten Rücken an, holte dann mit einigen großen, schnellen Schritten zu ihm auf und lief neben ihm her. .~*~. „Hey, Nerd...“ Wir waren vor meinem Wohnhaus angekommen und ich wollte gerade das Gartentor öffnen, als er mich mit seinen Worten zurück hielt. „Hm?“ Fragend blickte ich ihn an. Er wich meinem Blick aus, kramte dann in seiner Tasche und zog einen Umschlag heraus, hielt ihn mir hin. Verwirrt sah ich erst ihn, dann den Umschlag und schließlich wieder ihn an. Eine leichte Röte lag auf seinen Wangen. Was passierte hier gerade? War es das, was ich glaube? Ich schluckte und spürte, wie mein Herz anfing einen neuen Geschwindigkeitsrekord im Trommeln aufzustellen. Kacchan... hatte nicht gerade vor... mir einen... Liebesbrief zu geben?! Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. Mein Mund wurde trocken. Was... sollte ich ihm antworten? Fühlte ich überhaupt das Gleiche wie er? Und wieso so plötzlich? Hatte es etwas mit dem Muttermal zu tun? Hatte er mitbekommen, dass ich bei Shôto das gleiche entdeckt hatte? Kannte er die Legende etwa? „Nimm schon...“, unterbrach er meine Gedanken. Wieder sah ich den Umschlag an. Er war weder rosa noch hatte er Herzen aufgemalt. Er war schlicht weiß und nicht zugeklebt. Mit zittrigen Fingern nahm ich ihm den Umschlag ab. Unschlüssig, ob ich ihn gleich öffnen sollte oder nicht, behielt ich ihn in der Hand. Kacchan seufzte, riss mir den Umschlag wieder aus der Hand und holte den Inhalt heraus. Er hielt mir ein bunt bedrucktes Papier vor das Gesicht. Blinzelnd blickte ich das Papier an. Mein Lieblingsheld aus Kindertagen grinste mir darauf breit entgegen. Eine Eintrittskarte! Für einen Kinofilm! „Eh...“, brachte ich nur hervor. „Ich hab zwei Karten für morgen Abend... Kommst du mit?“, wollte Kacchan ungeduldig wissen. Langsam verstand ich, was er eigentlich meinte. Mein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Glücklich fiel ich Kacchan um den Hals. „Natürlich!“, rief ich und drückte ihn. Nach einem kurzem Moment, indem er einfach nur überrascht dastand, schob er mich sofort von sich. Ich blickte ihn immer noch lächelnd an. Wie hatte ich nur so dämlich sein und glauben können, dass Kacchan mir einen Liebesbrief hatte geben wollen? Das war doch totaler Unsinn! Er würde niemals... Ich unterbrach mich selbst in meinen Gedanken, als ich einen kleinen Stich in der Brust spürte. Was war nur los mit mir? Ich ließ mir nichts anmerken und überspielte meine Verwirrung mit einem meiner perfekt einstudierten Lächeln. „Okay... Ich hol dich morgen um fünf ab...“, meinte Kacchan. Seine Wangen waren immer noch ganz leicht gerötet und gaben ihm etwas Unwirkliches. War das wirklich der Kacchan, den ich kannte? Ich nickte. „Ich freue mich schon!“ „Was auch immer, Nerd...“, erwiderte er weniger genervt als ich es erwartet hatte. Er drehte sich um und ging. Ich winkte ihm zum Abschied und blickte ihm kurz nach, ehe ich das Haus betrat. .~*~. Nach dem Abendessen saß ich in meinem Zimmer und schaute mir voller Vorfreude zum bestimmt tausendsten Male den Trailer zu dem Film an, den ich mit Kacchan anschauen würde. Den ganzen Nachmittag und Abend über hatte ich diese flatterhafte Vorfreude in meinem Bauch gespürt. Ich hatte den Film so lange schon sehen wollen, nur nie Karten dafür bekommen. Er war immer dann, wenn ich Zeit gehabt hatte, bereits ausverkauft gewesen. Ich schreckte zusammen, als mein Handy in meiner Hand plötzlich anfing zu vibrieren und sich eine Nachricht ins Bild schob. Ich öffnete neugierig den Messenger und fand eine Nachricht von Ochako. »Hey, Izu-kun! Hast du morgen Nachmittag schon was vor? Wir gehen zum Karaoke. Magst du vielleicht mitkommen?« Karaoke? Ich kicherte in mich hinein. Bei Ochako und Tsuyu konnte ich mir gut vorstellen, wie sie sangen. Aber bei Ten'ya? Ich brach für einige Augenblicke in schallendes Gelächter aus bei dem Gedanken, Ten'ya trällern zu hören. Erst als ich mich wieder beruhigt hatte, begann ich eine Antwort zu tippen. »Hey! Tut mir Leid, aber ich bin für morgen Nachmittag schon verabredet. Das nächste Mal komme ich aber gerne mit!« Ihre Antwort kam nur wenige Augenblicke später. »Oh! Du hast ein Date? Erzähl! Mit wem? Wo geht ihr hin? Kenne ich sie oder ihn?« Überrascht blinzelte ich. War es ein Date, das ich mit Kacchan hatte? Wir wollten doch nur ins Kino... Und wie kam Ochako überhaupt darauf, dass es auch ein Junge sein konnte? Ich überlegte mir, was ich am besten schreiben sollte und entschied mich dann für die Kurzfassung. »Kacchan und ich schauen uns einen Film im Kino an. Es ist kein Date.« Ich drückte auf Senden und hoffte, dass sie nicht weiter nachfragen würde. Ich startete den Trailer ein weiteres Mal. Doch noch ehe er wirklich anfangen konnte, erhielt ich einen Anruf. Ochakos grinsendes Gesicht schob sich über das Video und unterbrach es ein weiteres Mal. Ich seufzte und nahm den Anruf entgegen. „Izu-kun! Du hast ein Date!“, schallte es mir begeistert entgegen, bevor ich überhaupt etwas sagen konnte. „Eh... Uraraka-san... Es ist kein Date... Wir gehen nur ins Kino...“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Ach, und im Kino kann man kein Date haben? Im Dunkeln nebeneinander sitzen, sich Popcorn teilen und kuscheln ohne dass es jemand mitbekommt...“, fing sie an zu schwärmen. „Nein, nein, nein!“ Ich spürte wieder einmal die Hitze im Gesicht. „Das ist kein Date! Kacchan hat mich nur gefragt, weil... weil... er wohl sonst niemanden gefunden hatte! Er würde niemals freiwillig mit mir ins Kino gehen, wenn er eine andere Wahl hätte!“ „Izu-kun...“, unterbrach sie mich. „Ja?“ „Du kannst dir gerne einreden, dass es nicht das ist, was es ist. Aber es ist ein Date! Was hast du vor anzuziehen?“ Ich schluckte. Der Gedanke an ein Date mit Kacchan wollte mir nun irgendwie nicht mehr aus dem Kopf. Wenn man es von einer anderen Seite aus betrachtete, dann sah es wirklich danach aus! Aber... Kacchan hatte doch nichts davon gesagt...? Und er hatte auch keine Gefühle für mich... Leise wimmerte ich vor mich hin. „Izu-kun?“ Ochakos besorgte Stimme tönte aus meinem Handy. „Ist alles okay?“ Ich nickte, erinnerte mich aber sogleich daran, dass sie das nicht sehen konnte. „Ja, alles okay. Aber es ist wirklich kein Date...“ „Okay, okay, dann ist es eben kein Date...“, sagte sie versöhnlich. Trotzdem klang ihre Stimme so, als würde sie mir immer noch nicht glauben. „Was auch immer es ist, ich unterstütze dich!“ Ich konnte ihr Grinsen in ihrer Stimme hören. „Danke...“, erwiderte ich und seufzte leise. „Dann viel Spaß morgen im Kino. Und wenn du Hilfe beim richtigen Outfit brauchst, dann ruf einfach an!“ Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. „Ja, mache ich. Viel Spaß beim Karaoke!“ Nachdem wir das Gespräch beendet hatten, starrte ich noch einige Momente vor mich hin. Die Idee, es könnte doch ein Date sein, hatte sich in meinem Kopf festgesetzt. Ich spürte bei dem Gedanken daran wie mein Herz schneller schlug. Natürlich mochte ich Kacchan! Ich kannte ihn schon so lange und war mehr als nur glücklich, wieder mit ihm befreundet sein zu dürfen. Doch es war doch nur Freundschaft, das uns verband... oder? Tbc... Kapitel 13: Nervosität ---------------------- „Argh!“ Frustriert raufte ich mir die Haare. Ich musste dringend auf andere Gedanken kommen! Ich entschied mich für einen Spaziergang. Also lief ich zu meiner Mutter ins Wohnzimmer um ihr Bescheid zu geben. „Du gehst spazieren? Würde es dir etwas ausmachen bei den Bakugôs vorbei zu gehen? Mitsuki hat mir ein Buch geliehen, das ich schon lange zurück geben wollte...“, meinte sie und schaute mich mit einem Hundeblick an. Ich seufzte. Wie könnte ich ihr überhaupt etwas abschlagen... „Na klar...“, antwortete ich und ignorierte die Tatsache, dass ich so definitiv nicht auf andere Gedanken kommen würde... Sie brachte mir das Buch und wuschelte mir durch die Haare. „Danke, du bist ein Schatz...“ Ich lächelte sie an und verließ dann die Wohnung. Vor der Haustür ließ ich den leichten Abendwind über meine Haut pusten. Es fühlte sich gut an. Einen Augenblick überlegte ich, ob ich das Buch direkt abliefern sollte oder erst auf dem Rückweg. Ich entschied, dass ich es nicht die ganze Zeit mit mir herumschleppen wollte und machte mich deshalb schlendernd auf den Weg. Es war lange her, dass ich diesen Weg gegangen war. Und doch kannte ich ihn auswendig und würde ihn selbst blind und taub noch finden. Und vermutlich sogar im Schlaf! Daher dauerte es nicht lange, bis ich vor dem Haus der Bakugôs stand. Es hatte sich nicht verändert. Ich drückte auf den Klingelknopf neben dem Gartentor und wartete ab, doch nichts rührte sich. „Keiner da...?“, murmelte ich vor mich hin und wollte gerade noch einmal klingeln, als ich Schritte hinter mir hörte. „Hast du dich verlaufen, Nerd?“ Ich drehte mich um und wurde von einem roten Augenpaar taxiert. „Hi, Kacchan...“, brachte ich leise hervor und beobachtete, wie er näher kam. „Hi... Also? Hast du dich verlaufen?“, grinste er mich an. Wieder kam mir das in den Sinn, was Ochako mir vorhin gesagt hatte. Hatte ich ein Date mit Kacchan? Ich spürte meine Wangen heiß werden und blickte auf den Boden. „Meine Mutter... Sie hat mich gebeten, deiner Mutter das geliehene Buch zurück zu bringen...“, meinte ich unsicher und hielt es ihm hin ohne ihn anzuschauen. Ich spürte seinen Blick auf mir, als er mir das Buch aus der Hand nahm. „Sie ist noch nicht daheim. Ich geb es ihr...“, bot er an. Immer noch unsicher hob ich den Blick und sah ihn an. Er verhielt sich so anders... Seit wir uns wieder vertragen hatten, war er... freundlicher... ja schon fast zahm geworden. Wenn auch nur mir gegenüber. Alle anderen wurden immer noch genauso behandelt wie zuvor. Woran das wohl lag? Ich verzog meine Lippen zu einem Lächeln. „Danke.“ Wieder glaubte ich, einen zarten Rotschimmer auf seinen Wangen erkennen zu können. Er wich meinem Blick aus. „Ich geh dann mal wieder. Bis morgen, Kacchan...“, verabschiedete ich mich. „Hm...“, brummte er und machte sich am Gartentor zu schaffen. Inzwischen hatte ich keine Lust mehr spazieren zu gehen, daher schlug ich den direkten Weg zurück nach Hause ein. „Oi, Deku...“, hörte ich hinter mir Kacchans Stimme. Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um. Er stand immer noch am Gartentor und hielt das Buch in der Hand. „Ja?“, wollte ich von ihm wissen. Einen Moment dauerte es, bis er antwortete. „Ach, nichts... bis morgen...“ Ich musterte ihn etwas verwirrt, lächelte dann aber und winkte ihm, schlenderte zurück nach Hause. .~*~. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich so ausgeruht wie schon lange nicht mehr. Ich hatte lange geschlafen. Länger als ich es sonst tat. Gähnend rieb ich mir den restlichen Schlaf aus den Augen und kletterte dann aus dem Bett. Die Sonne schien bereits und es würde wohl recht warm werden. Ich hatte nichts anderes erwartet für Anfang Juni. Ich frühstückte zusammen mit meiner Mutter und informierte sie dabei auch gleich über meine Pläne am Nachmittag und Abend. Sie sah mich mit einem Lächeln an. „Es freut mich, dass du dich wieder so gut mit Katsuki verstehst.“ „Ja, mich auch! Er... hat mir wirklich gefehlt...“, gestand ich mir ein. „Dann hab viel Spaß heute Abend. Ich muss gleich noch zur Arbeit und komme erst spät wieder“, erwiderte sie und räumte den Tisch ab. Ich hielt sie zurück. „Lass nur, ich mach das“, bot ich ihr an und begann das Geschirr zu säubern. Meine Mutter tat so viel für unser Leben. Sie arbeitete meiner Meinung nach zu viel und schmiss dann auch noch den Haushalt. Ich wollte sie wenigstens in solchen Kleinigkeiten etwas unterstützen. „Das ist lieb, danke!“ Sie drückte mir einen Kuss auf die Stirn und machte sich dann fertig für die Arbeit. .~*~. Eine halbe Stunde später war ich alleine im Haus und überlegte mir, was ich mit meiner freien Zeit anstellen sollte. Meine Hausaufgaben waren bereits erledigt und auch sonst war die Wohnung aufgeräumt. Unschlüssig wanderte ich in meinem Zimmer umher, öffnete dann meinen Schrank und wühlte mich durch meine Kleidung. Was sollte ich heute Abend wohl anziehen? Es war warm und würde auch warm bleiben, wenn man dem Wetterbericht Glauben schenken durfte. Also wäre wohl luftige Kleidung angebracht... Ich zog verschiedene Hosen aus meinem Schrank, entschied mich dann aber für eine knielange, ockerfarbene Shorts. Darin würde mir sicher nicht zu warm werden. Die restlichen Hosen verstaute ich wieder ordentlich im Schrank. Als nächstes musste ich ein passendes Shirt finden. Am besten ein neutrales. Vielleicht einfarbig? Jedenfalls nicht zu bunt! Ich hielt kurz inne und musste über mich selbst lachen. Seit wann machte ich mir denn solche Gedanken über die Kleidung, die ich anzog? Normalerweise zog ich einfach irgendwas aus dem Schrank, schaute kurz ob es auch nicht zu albern aussah und damit hatte es sich erledigt. Aber nun verhielt ich mich so ganz anders, als ich es von mir selbst gewohnt war. War es, weil Ochako diesen Date-Gedanken in meinen Kopf gepflanzt hatte? Oder war es einfach, weil ich Zeit mit Kacchan verbringen durfte und ihm nicht auch noch mit meiner Kleidung auf die Nerven gehen wollte? Ich kratzte mich am Hinterkopf, durchsuchte meine Shirts und nahm mir dann ein weißes Halbarmshirt heraus. Es hatte keinen Aufdruck oder sonst irgendwas und war eher langweilig, aber ich wollte auch nicht den Eindruck vermitteln, als würde ich wirklich glauben, dass Kacchan mich auf ein Date eingeladen hatte! Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich immer noch massig Zeit hatte. Es war fast ein Uhr nachmittags. Ich aß eine Kleinigkeit und wanderte dann wieder in der Wohnung umher auf der Suche nach irgendetwas sinnvollem. Leider fand ich nichts... Gelangweilt warf ich mich auf das Sofa im Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Ich zappte durch die Programme, fand aber nichts Interessantes und schaltete ihn wieder aus. Seufzend blickte ich mich im Zimmer um. Durch das geöffnete Fenster wehte eine sanfte Brise. Es war angenehm, einfach nur hier zu sitzen und nichts zu tun. Ich schloss die Augen und entspannte mich. Ruhig lauschte ich auf die Geräusche um mich herum. Das Ticken der Uhr im Flur. Die Motorengeräusche der entfernt fahrenden Autos. Das Lachen der Kinder auf dem Spielplatz um die Ecke. Das Rauschen des Windes durch die Bäume... Das alles beruhigte mich so sehr, dass ich eindöste. .~*~. Das aufgeregte Bellen eines Hundes ließ mich aufschrecken. Verwirrt blickte ich mich um. Wie spät war es? Meine Augen fanden die kleine Uhr, die im Regal stand. Erleichtert atmete ich aus. Ich hatte nicht mal bemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. Es waren gerade einmal drei Stunden vergangen. Hatte ich wirklich so lange geschlafen? Dabei war ich doch ausgeruht gewesen... Ich streckte mich und stand auf. Ich hatte noch etwa eine Stunde, bis Kacchan mich abholen wollte. Eine leichte Nervosität machte sich in mir breit. Vielleicht sollte ich mich doch langsam mal fertig machen? Mit diesem Gedanken sprang ich unter die Dusche und genoss das kühle Wasser. Nachdem ich fertig und abgetrocknet war, ging ich in mein Zimmer und zog mir die Kleidung an, die ich mir zuvor ausgesucht hatte. Ich begutachtete mich im Spiegel, grinste dann und versuchte schlussendlich meine noch leicht feuchten Haare zu bändigen. Doch wie immer klappte es nicht, also ließ ich sie einfach so wie sie waren und bürstete sie nur um alle Knoten heraus zu bekommen. .~*~. Das Klingeln an der Tür ließ mich zusammenzucken. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Fünf Minuten vor fünf Uhr. War das etwa schon Kacchan? Mit zwei großen Schritten war ich an meinem Fenster, das offen stand und von welchem aus ich unsere Gartentür sehen konnte. Tatsächlich stand Kacchan davor und schaute ungeduldig zu mir hinauf. „Ich bin sofort da!“, rief ich zu ihm hinunter, schloss das Fenster und eilte in den Flur. Schnell schlüpfte ich in meine roten Lieblingsschuhe, nahm mir meinem Schlüssel von der Kommode und verließ das Haus. Tbc... Kapitel 14: Annäherung ---------------------- „Dass man immer auf dich warten muss...“, grummelte Kacchan mir entgegen noch während ich die Haustür abschloss. Ich ging zu ihm und betrachtete ihn. Die Schuluniform stand ihm schon sehr gut und gab ihm etwas erwachsenes. Aber das, was er da gerade trug, stand ihm noch viel besser. Er hatte eine knielange Jeansshorts an, dazu ein enganliegendes Shirt in einem hellen gelb. Ein rotkariertes Hemd, das er sich locker um die Hüften gebunden hatte, vervollständigte seinen Look. Ich lächelte ihn breit an. „Ich hatte noch fünf Minuten, als du geklingelt hast...“, verteidigte ich mich. Ein Funkeln zeigte sich in seinen Augen, als er nun mich betrachtete. Vielleicht gefiel ihm, was er an mir sah? Erschrocken schob ich diesen Gedanken ganz weit weg. Meine Wangen wurden warm und ich senkte den Blick. „Wann fängt der Film an?“, wollte ich leise wissen. Lieber etwas unverfängliches reden, als gar nichts... „Wir haben noch etwas Zeit...“, wich Kacchan meiner Frage aus. Ich hob den Kopf und sah, dass er an mir vorbei schaute. „Das heißt?“, hakte ich nach. „Dass wir uns nicht beeilen müssen...“ Wieder wich er aus. „Aber Wurzeln schlagen müssen wir hier trotzdem nicht...“ Er setzte sich in Bewegung und ich folgte ihm. Scheinbar wollte er nicht reden. Oder wusste er einfach nicht, über was er mit mir reden sollte? Schweigend ging ich neben ihm her, warf ihm dabei immer wieder verstohlen Seitenblicke zu. Kacchan blickte stur nach vorne, doch seine Wangen hatten wieder diesen leichten Rotschimmer angenommen. Ich lächelte. „Ich freu mich schon auf den Film...“, meinte ich einfach um die Stille zu durchbrechen. „Ich hatte schon befürchtet, dass ich gar nicht mehr dazu kommen würde, ihn mir im Kino anschauen zu können.“ Blinzelnd sah Kacchan mich an, blickte dann aber direkt wieder weg. „Und ich hatte befürchtet, dass du ihn vielleicht schon gesehen haben könntest...“, gab er brummend zurück. Überrascht blieb ich stehen, sah auf seinen Rücken und schloss dann wieder zu ihm auf. Hatte ich gerade wirklich richtig verstanden? „Kacchan?“ Er antwortete nicht, doch ich wusste, dass er mich gehört hatte, da er mich erneut kurz anschaute und dann wieder den Blickkontakt abbrach. Ich verwarf den Gedanken ihn zu fragen, ob er mich nur als Ersatz für jemanden anderen gefragt hatte und schüttelte dann den Kopf. „Egal. Lass uns einfach den Nachmittag genießen“, schlug ich vor und lächelte ihn an. Er blieb stehen und musterte mich nun eingehend. „Was wolltest du gerade sagen?“, fragte er leise. Ich blieb neben ihm stehen. Mein Lächeln verschwand kurz aus meinem Gesicht. Warum wollte er das nun wissen? Und warum war er so ruhig? Ich senkte den Blick. Wie würde er reagieren, wenn ich es ihm sagen würde? Kacchan räusperte sich. Als ich ihn wieder anschaute, hatte er den Kopf zum Himmel gehoben und sah den Wolken zu. „Komm nicht auf falsche Gedanken, Nerd... Sieh die Kinokarten als eine Art Entschuldigung an...“, murmelte er mit roten Wangen. Ich schmunzelte. Damit hatte er meine Frage indirekt beantwortet. Er sah mich nicht als Ersatz! „Kacchan... Du musst dich nicht auf diese Art bei mir Entschuldigen...“, lächelte ich, freute mich allerdings riesig darüber, dass ich ihm nicht egal war. Er funkelte mich grimmig an. „Ich wollte dir aber eine Freude machen!“, brach es aus ihm hervor. Sofort verstummte er, lief schlagartig rot an und drehte sich von mir weg. Und wieder hatte er mich überrascht und glücklich gemacht. Vorsichtig drehte ich ihn zu mir um und umarmte ihn. Innerlich machte ich mich bereits darauf gefasst, von ihm weggestoßen zu werden, doch es passierte eher das Gegenteil. Er nahm mich in den Arm und drückte mich kurz, ehe er mich dann doch von sich schob. Mein Herz klopfte wieder wie verrückt. Es tat so gut, sich nicht mit Kacchan zu streiten, sondern ihm einfach nahe sein zu dürfen. „Ich freue mich schon, wenn ich etwas Zeit mit dir verbringen darf...“, erklärte ich ihm. „Ich wollte den Film aber mit dir zusammen schauen...“, murmelte er verlegen. Schüchtern nahm ich daraufhin einfach seine Hand. „Dann lass ihn uns zusammen anschauen...“ Ich konnte noch sehen, wie sich sein ganzes Gesicht rot färbte, ehe er sich von mir abwandte. Meine Hand allerdings ließ er nicht los. Auch ich spürte wie meine Wangen heiß wurden. Was war das nur, das da gerade zwischen uns vor ging? Die ganze Zeit über war es doch vollkommen normal gewesen! Nun ja, so normal wie es zwischen Kacchan und mir sein konnte. Hatte Ochako doch Recht gehabt und war es für Kacchan ein Date? Verhielt er sich deshalb so anders? Ich schluckte, spürte dann wie seine Hand meine drückte und er mich weiter zog. Stolpernd setzte ich mich in Bewegung, ließ mich von ihm zum Kino führen. .~*~. Allmählich gewöhnte ich mich an diesen Gedanken. Schließlich mochte ich Kacchan. Sehr sogar. Also warum nicht ein Date mit ihm haben? Da ich die ganze Situation nun aus dieser Perspektive heraus betrachtete, beruhigte ich mich auch. Und nun endlich konnte ich den Nachmittag auch genießen. Kacchans Gesellschaft tat gut. Besser, als ich es je für möglich gehalten hatte. Ich entspannte mich endlich und das ließ ich Kacchan spüren. Ich lächelte ihn an, wann immer ich konnte, ließ das Herzklopfen zu, das er in mir auslöste und bemerkte, dass auch er sich langsam aber sicher entspannte. Im Kino hatten wir uns für eine große Portion Popcorn entschieden, die wir uns teilten. Während wir auf den Beginn des Filmes warteten, unterhielten wir uns als hätten wir nie etwas anderes getan. Ich knabberte nebenbei von unserem Popcorn und lächelte Kacchan immer wieder schüchtern an, wenn sich unsere Hände zufällig berührten, jedes Mal, wenn er sich im gleichen Moment wie ich am Popcorn bediente. Der Film selbst war spitze! Und ich konnte mir nichts besseres vorstellen, als ihn mir zusammen mit Kacchan anzuschauen! Wie ich war auch er ein großer Fan, wenn auch ein nicht ganz so großer wie ich. Doch wann immer ich während des Films zu ihm schaute, glänzten seine Augen vor Begeisterung. .~*~. Zweieinhalb Stunden später verließen wir das Kinogebäude. „Hast du gesehen, wie er die Schurken eingefangen hat?“, fragte ich Kacchan voller Begeisterung. „Ja! Und wie er sich mit ihnen geprügelt hat. Einfach nur klasse!“, erwiderte er mit gleicher Begeisterung und nahm dabei wie selbstverständlich wieder meine Hand. Ich verschränkte meine Finger mit seinen und grinste ihn an. „Was machen wir jetzt?“, wollte ich wissen und zog ihn mit mir die Straße entlang. „Wie wäre es mit etwas zu essen?“, schlug Kacchan vor. Ich blieb stehen und sah ihn an. „Selber kochen?“ „Ich hatte eher an etwas anderes gedacht... Aber wenn du selber kochen möchtest, dann können wir das auch tun...“, lächelte Kacchan mich an. „An was hattest du denn gedacht?“, fragte ich neugierig. Er grinste frech und deutete auf die andere Straßenseite. Ich folgte mit meinem Blick seinem Finger und erkannte meinen Lieblingsimbiss, in dem es das beste Katsudon der Stadt gab. Mit leuchtenden Augen sah ich Kacchan an. „Verschieben wir das Kochen auf ein anderes Mal?“ Er lachte nur und zog mich dann hinüber auf die andere Seite der Straße. Im Imbiss hatten wir das Glück noch einen freien Tisch in einer ruhigen Ecke ergattern zu können. Innerhalb weniger Minuten hatten wir unsere Bestellung bei einer Bedienung aufgegeben. Kacchan hatte sich ein extra scharfes Curry bestellt und ich natürlich mein Katsudon. Während wir warteten unterhielten wir uns vor allem über den Film, den wir gesehen hatten, aber auch über unsere Schule und Mitschüler. .~*~. „Hey Kacchan...“, begann ich schließlich und sah ihn über den Rand meines Glases hinweg an, aus welchem ich gerade einen Schluck getrunken hatte. Wir waren fertig mit dem Essen und ich war papp satt und ziemlich glücklich. „Hm?“ Ich lächelte, stellte das Glas ab und sah ihm direkt in die Augen. „Danke für den schönen Nachmittag.“ Einen kurzen Moment hielt er meinem Blick stand, ehe er vor sich auf den Tisch blickte und rote Wangen bekam. Ein verlegenes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. War das gerade wirklich Kacchan, der mir gegenüber saß? Sein Verhalten war mir so fremd, doch im gleichen Moment fand ich es auch wahnsinnig süß! Dieser Gedanke trieb mir ebenfalls die Wärme ins Gesicht und ließ mein Herz schneller schlagen. Was machte er nur mit mir? „Oi, Nerd...“, riss mich Kacchan aus meinen Gedanken. Ich sah ihn an und nachdem er wieder meine Aufmerksamkeit hatte, wich er erneut meinem Blick aus. „Danke, dass du mitgekommen bist...“, murmelte er. Tbc... Kapitel 15: Oh! Also doch ein Date... ------------------------------------- Den Rest des Abends bekam ich gar nicht mehr richtig mit. Nachdem sich Kacchan bei mir bedankt hatte, was er bisher noch nie getan hatte und es deshalb so wahnsinnig selten war, befand ich mich wie in Trance. Das Einzige, was ich bewusst wahrnahm war die angenehme Gesellschaft von Kacchan, wie wohl ich mich in seiner Nähe fühlte, wie sehr ich ihm bereits wieder vertraute. „Wenn das nicht mein vorlautes Balg und sein Date sind...“, riss mich eine bekannte Stimme zurück in die Wirklichkeit. Ich blieb starr neben Kacchan stehen, spürte schlagartig die Hitze in meinem Gesicht und blickte mich verwirrt um. Kacchans Mutter, Mitsuki, kam winkend auf uns zugelaufen. In ihrer Hand hatte sie eine große Einkaufstüte, die sie nun Kacchan in die Arme drückte. „Hier, mach dich nützlich“, grinste sie. Ich sah Kacchan an und sah, dass ihm diese Unterbrechung überhaupt nicht gefiel. „Behalt deinen Müll bei dir!“, keifte er und schob ihr die Einkaufstüte wieder zu. „Ach, sei still...“, schnauzte sie ihn an und lächelte mir dann zu. „Hey, Izuku. Wie war euer Date? Hat sich mein unbelehrbarer Sohn benommen?“ Mein Gesicht wurde noch heißer. „Hallo Tante Mitsuki... Ja... hat er...“, bekam ich heiser heraus. Tante Mitsuki sah mich etwas überrascht an, strich mir dann lächelnd über die Haare und wandte sich wieder Kacchan zu. „Wehe dir, wenn ich irgendwelche Beschwerden über dich höre... Vermassle es nicht!“ Sie nahm die Einkaufstüte und ließ uns stehen. Ich blickte ihr hinterher, ehe ich wieder zu Kacchan sah. Er starrte auf den Boden und kämpfte sichtlich damit, nicht auszurasten. Vorsichtig nahm ich seine Hand, die er zu einer Faust geballt hatte und löste seine verkrampften Finger. „Lass dich nicht von ihr ärgern...“, meinte ich leise und unsicher. „Das macht sie mit Absicht... um mich schlecht dastehen zu lassen...“, knurrte er, beruhigte sich allerdings wieder etwas. Er blickte auf unsere Hände, wurde dann wieder rot und vermied es mich direkt anzuschauen. Ich lächelte. „Das schafft sie nicht. Ich fand...“, begann ich und betonte die nächsten beiden Worte besonders, „... unser Date...“, meine Wangen glühten nun wieder, „sehr schön...“ Nun sah er mich doch an und ein winziges, erleichtertes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Doch der Augenblick währte nur kurz. Er wollte wohl nicht zulassen, dass ich seine sanfte Seite zu sehen bekam. Doch genau die interessierte mich! Ich wollte den Kacchan kennen lernen, der hinter dieser Fassade aus Wut und Ärger steckte. Doch wie konnte ich es ihm erklären? Er würde mir nicht glauben, würde es als einen Scherz abtun und sich noch mehr vor mir verschließen. Ich drückte seine Hand und lächelte ihn an. Wieder wand er den Blick ab. „Komm, ich bring dich nach Hause... Sonst macht sich Tante Inko noch Sorgen um dich...“, murmelte er. Gemeinsam gingen wir den Weg, den wir die letzten Wochen, seit wir uns wieder vertragen hatten, immer gegangen waren, entlang bis zu mir nach Hause. Vor dem Gartentor blieben wir stehen. Unschlüssig blickte ich zur Tür. „Also dann... wir sehen...“, begann Kacchan, doch ich unterbrach ihn. „Magst du noch mit rein kommen? Wir könnten uns noch einen alten Film anschauen...“, fragte ich ihn. Ich konnte sehen, dass ich ihn mit dieser Frage überrumpelt hatte. Was würde er antworten? Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann wollte ich nicht, dass der Abend jetzt schon endete. Ich wollte noch etwas länger Kacchans Nähe genießen dürfen. Doch wollte er das auch? Wollte er mich noch länger aushalten? Ich biss mir auf die Unterlippe, während ich auf seine Antwort wartete. Ein neckisches Grinsen zeigte sich auf Kacchans Lippen. „Eine Überdosis Nerd?“, wollte er wissen. Ich schluckte, löste meine Hand von seiner und öffnete das Gartentor. Natürlich wollte er mich nicht noch länger ertragen. Wie hatte ich das auch annehmen können? Mit einem meiner üblichen Lächeln versuchte ich das erdrückende Gefühl in meiner Brust zu verdrängen. „War nur so eine dumme Idee von mir. Danke für den Abend... Wir sehen uns dann am Montag...“ Ich drehte mich von ihm weg und machte zwei Schritte auf unser Haus zu. „Nerd...“, hörte ich Kacchans Stimme direkt hinter mir. Ich blieb stehen und spürte mit einem Mal seine Arme um mich. Sein warmer Atem strich über meinen Nacken und mein Ohr und verursachte eine kribblige Gänsehaut. „Ein anderes Mal gerne. Danke für deine Gesellschaft. Ich fand es auch schön“, murmelte er, während er mich an sich drückte. Ich hielt ganz still. „Bis Montag. Ich hol dich wieder wie gewohnt ab.“ Er löste sich wieder von mir und war dann verschwunden. Das Fehlen seines warmen Körpers an meinem Rücken ließ mich frösteln. Ich blickte mich um und sah ihn noch um die nächste Ecke biegen, bevor er komplett verschwunden war. Das Hochgefühl, das seine Umarmung in mir ausgelöst hatte, hielt an, als ich die Haustür aufschloss und unser Haus betrat. Als ich ihm Eingangsbereich meine Schuhe auszog und ordentlich hinstellte, fiel mein Blick auf den Spiegel über der Kommode. Ich lächelte, doch es war ein vollkommen anderes Lächeln als ich es von mir gewohnt war. Dieses konnte ich nicht ablegen! Es klebte förmlich in meinem Gesicht. „Hab ich doch richtig gehört... Willkommen zurück, Izuku!“ Meine Mutter stand in der Tür zur Küche und begrüßte mich lächelnd. Ich sah sie an und grinste. „Bin wieder da!“ Mit wenigen Schritten war ich bei ihr und umarmte sie. „Hast du Hunger?“, wollte sie wissen. „Ich wollte mir gerade ein Sandwich machen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Kacchan und ich waren nach dem Film noch etwas essen.“ Sie strich mir über die Haare und ging wieder zurück in die Küche. Ich folgte ihr, füllte mir ein Glas mit Saft und setzte mich an den Tisch. „Habt ihr euch gut amüsiert?“ Ich trank einen Schluck Saft und spürte wie meine Wangen warm wurden, als ich an die vergangenen Stunden dachte. „Ja, es war sehr schön“, erwiderte ich. „Ihr scheint euch wirklich endlich wieder besser zu verstehen...“, plapperte meine Mutter vor sich hin. „Mich würde wirklich interessieren, was damals passiert ist... Ihr ward als Kinder schließlich immer unzertrennlich...“ Während meine Mutter ihr Sandwich aß und ich meinen Saft austrank, unterhielten wir uns noch über die Schule, ihre Arbeit, den Film, den ich zusammen mit Kacchan gesehen hatte und diverse andere Dinge. Es tat gut ihr mal wieder alles zu erzählen und auch von ihr zu erfahren, was sie so alles bewegte. Ich verabschiedete mich aber dennoch relativ zeitig von ihr und verschwand in meinem Zimmer. Ich legte mich auf mein Bett und starrte an die Decke. Erneut ließ ich mir die ganzen Geschehnisse mit Kacchan durch den Kopf gehen. Es war schon eigenartig, wie sehr Kacchan sich mir gegenüber gewandelt hatte. Doch ich fand es schön. Endlich waren wir wieder Freunde. Und... vielleicht sogar mehr als das? Zum wiederholten Male spürte ich meine Wangen warm werden. Beschämt verbarg ich mein Gesicht in meinen Händen. Ich drehte mich auf die Seite und zog die Beine leicht an meinen Körper. So blieb ich mehrere Minuten liegen und versuchte einfach an überhaupt nichts zu denken. Weder an Kacchan, noch an den Abend oder an die Schule. Als ich meine Hände wieder vom Gesicht nahm fiel mein Blick auf mein Muttermal. Und sofort waren meine Gedanken bei Shôto. War er nun das Ende meines roten Fadens? Was genau fühlte ich für ihn? War es nur Freundschaft? Ein weiteres Mal war ich nun vollkommen verwirrt. Mir schwirrte der Kopf und es machte mich müde. Erschöpft schleppte ich mich ins Bad, wusch mich und zog mich um. Wenig später krabbelte ich wieder zurück in mein Bett und schlief trotz der wirren Gedanken nach wenigen Minuten ein. .~*~. Der Sonntag kam und ich wachte aus wirren Träumen auf. Undeutlich konnte ich mich noch an Bruchstücke erinnern, die aber immer mehr verschwammen, desto wacher ich wurde. Eines wusste ich aber ganz genau. Die Träume hatten von Kacchan und von Shôto gehandelt. Und damit hatte ich erneut die beiden in meinem Kopf und schaffte es nicht sie los zu werden. Die Nachricht von Ochako, die ich kurz nach dem Aufwachen auf meinem Handy vorgefunden hatte, ignorierte ich vorerst. Sie wollte auf ihre neugierige Art wissen, wie mein Date gelaufen war. Ich hatte nicht den Nerv, mich jetzt mit ihr auseinander zu setzen. Sie würde mir in der Schule auch dann nicht meine Ruhe lassen, wenn ich ihr jetzt schon alles brühwarm erzählte. Also konnte es genauso gut noch einen Tag warten. Um mich abzulenken half ich meiner Mutter bei der Wäsche und dem Aufräumen der Wohnung. Es brachte mich zumindest für einige Stunden auf andere Gedanken. Im Anschluss an die Hausarbeit stürzte ich mich geradezu auf meine Schulbücher und arbeitete unzählige Aufgaben durch, bis es dunkel wurde. Meine Mutter musste mich fast schon mit Engelszunge dazu überreden etwas zu essen, danach zu baden und dann schlafen zu gehen. Um ihr keine Sorgen zu bereiten tat ich, was sie mir auftrug und verkroch mich dann wieder einmal in meinem Bett. Auch wenn ich es geschafft hatte, mich den Tag über abzulenken, so kamen meine Gedanken nun ohne Tätigkeit wieder zur Ruhe und schlugen, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen konnte, wieder eine bestimmte Richtung ein: Kacchan, Shôto und mein roter Faden. Was wohl ab jetzt passieren würde? Mit dieser unbeantworteten Frage schlief ich irgendwann ein. Tbc... Kapitel 16: Können wir reden? ----------------------------- Einige Stunden später riss mich mein Wecker erbarmungslos aus dem Schlaf. Ich schlug mit der flachen Hand darauf um das nervige Piepsen verstummen zu lassen, gähnte dann herzhaft und streckte mich. Verglichen zur vorhergegangenen Nacht hatte ich diesmal richtig gut geschlafen. Ich fühlte mich ausgeruht und fit für den Tag. Auch wenn ich mich doch etwas fürchtete, die ganzen Fragen von Ochako beantworten zu müssen. Doch hier im Bett zu bleiben würde auch nichts bringen. Früher oder später musste ich mich ihr stellen, ob ich wollte oder nicht. Also kletterte ich aus dem Bett, öffnete das Fenster und atmete die frische Morgenluft ein. Die Sonne war gerade dabei aufzugehen und zauberte ein wunderschönes Orange an den Himmel. Ich lächelte, verzog mich dann ins Badezimmer und streifte mir anschließend meine Schuluniform über. Nachdem ich meinen Rucksack gepackt hatte, schloss ich das Fenster wieder und ging zu meiner Mutter in die Küche. Sie hatte das Frühstück bereits fertig auf dem Tisch und wartete nur auf mich. „Guten Morgen, Mama“, begrüßte ich sie, gab ihr einen Kuss auf die Wange und setzte mich an den Tisch. Gemeinsam frühstückten wir und unterhielten uns ein wenig. Während ich meine Bentobox einpackte, blickte ich auf die Uhr. Kacchan würde bald auf mich warten. Sollte ich ihn heute vielleicht überraschen und ihn bei sich abholen? Würde ihn das freuen? Ich verabschiedete mich von meiner Mutter und verließ das Haus. Noch während ich darüber nachgrübelte, ob ich einfach an der Kreuzung warten oder ihm doch entgegenlaufen sollte, wurde mir die Entscheidung bereits abgenommen. Kacchan stand schon ungeduldig wartend an der Kreuzung. Ich musste schmunzeln und lief auf ihn zu. „Guten Morgen, Kacchan“, lächelte ich ihn an. „Morgen, Nerd...“, erwiderte er und wich meinem Blick sofort aus. Auf seinen Wangen zeichnete sich ein zarter Rotschimmer ab. Unsicher blickte ich ihn an. Hatte ich etwas falsch gemacht? War es ihm nun doch peinlich mit mir gesehen zu werden? Ich biss mir auf die Unterlippe und senkte den Blick. Ohne etwas zu sagen setzte er sich in Bewegung. Ich folgte ihm und blieb hinter ihm. Ich traute mich irgendwie nicht, neben ihm zu laufen. Unvermittelt blieb er stehen, sodass ich gegen seinen Rücken lief und überrascht einen Schritt nach hinten stolperte. Er drehte sich zu mir um und bedachte mich mit einem verärgerten Blick, sagte aber nichts sondern nahm meine Hand und zog mich neben sich. „Ich dachte, aus der Phase wären wir schon raus...“, murmelte er und seine Wangen verfärbten sich wieder mit einem sanften Rot. Mein Herz setzte einen Schlag aus als ich das hörte und ihn so sah. „Ich war mir nicht sicher...“, gab ich ganz leise zurück, freute mich aber innerlich wie ein kleines Kind über den ersten Schnee im Winter. Kacchan brummte vor sich hin und setzte sich wieder in Bewegung, zog mich mit und war wohl nicht gewillt meine Hand los zu lassen. So kamen wir vor der Schule an. Den ganzen Weg über hatten wir kein Wort gesprochen, sondern uns nur an der Hand gehalten. Und wenn ich ehrlich war, so brauchte es auch keine Worte. Allein schon das bisschen Körperkontakt reichte aus um mir ein Lächeln auf mein Gesicht zu meißeln. Und auch Kacchans Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er sah entspannter aus als sonst. Am Schultor löste er allerdings den Kontakt. Ich fand es etwas schade, doch konnte es auch verstehen. Ich hatte genauso wenig Lust blöde Kommentare oder neugierige Blicke zu bekommen wie er. Nebeneinander gingen wir zu den Schuhfächern, wechselten dort unsere Schuhe und gingen gemeinsam zu unserem Klassenzimmer. Dort waren wir nicht die ersten. Ten'ya war wie immer da. Ob er überhaupt ein Zuhause hatte oder sich doch schon ein Zimmer hier in der Schule eingerichtet hatte? Ich gluckste bei dem Gedanken belustigt, begrüßte ihn und brachte meinen Rucksack an meinen Tisch. Nach und nach trudelten die anderen aus unserer Klasse ein. Und wie nicht anders zu vermuten war, winkte mich Ochako direkt zu sich und zog mich aus dem Zimmer in eine stille Ecke. „Erzähl!“, verlangte sie mit einem Glitzern in den Augen und roten Wangen. Ich schluckte. „Da gibt es nichts zu erzählen. Wir haben uns nur einen Film anschaut... Und waren danach noch essen...“, murmelte ich verlegen. Sie quietschte auf, als sie das hörte und hüpfte vor mir auf und ab. „Also war es ein Date! Ich hatte recht! Es war ein Date~“, trällerte sie vergnügt. „Sch!!!“, zischte ich. Sie war etwas zu laut geworden und zwei vorbeilaufende Mädchen warfen uns kichernd Blicke zu. Ich spürte die Hitze in meinen Wangen und wusste nicht, was ich darauf weiter erwidern sollte. Glücklicherweise rettete mich die Schulglocke, die den nahenden Unterrichtsbeginn ankündigte. „Du musst mir später alles ganz genau erzählen!“, verlangte Ochako und zog mich wieder zurück in unser Klassenzimmer. Ich ging wortlos zurück an meinen Tisch und sah in der Spiegelung im Fenster mein extrem rotes Gesicht. Kacchan musterte mich, lehnte sich ein Stück zurück, als ich mich gesetzt hatte. „Alles okay, Nerd?“, fragte er leise, sodass nur ich es verstehen konnte. Ich nickte leicht. „Uraraka-san ist zu neugierig...“, antwortete ich genauso leise und versuchte mich zu beruhigen. Kacchan warf einen verärgerten Blick auf die andere Seite des Zimmers, wo Ochako saß und uns wissende Blicke zuwarf. Aizawa-Sensei unterbrach unser stilles Blickgefecht und begann mit dem Unterricht. Er gab uns einige Aufgaben, die wir still bearbeiten sollten und setzte sich dann in eine Ecke des Zimmers. Bestimmt würde er gleich einschlafen, so müde wie er auch heute wieder aussah. Das passierte ihm ständig im Unterricht, aber keiner von uns Schülern beschwerte sich darüber. Während ich meine Aufgaben löste, kullerte plötzlich eine kleine Papierkugel über mein Heft. Ich legte die Hand darüber, bevor sie auf den Boden rollen konnte und blickte mich um. Shôto lächelte mich an und nickte. Neugierig entfaltete ich das Stück Papier. Es war tatsächlich von Shôto. Können wir später reden? S.T. Ich sah wieder zu ihm und nickte. Erleichtert seufzte er still auf und widmete sich dann wieder seinen eigenen Aufgaben. Etwas beschäftigte ihn. Und es war nicht die Schule. Hatte es vielleicht mit seinem Vater zu tun? Oder mit mir? .~*~. Für den Rest der Stunde schaffte ich es nicht mehr mich zu konzentrieren. Ich grübelte vor mich hin und jedes Mal, wenn ich leise anfing vor mich hin zu murmeln, holte Kacchan mich wieder in die Wirklichkeit zurück, in dem er ganz leicht mit seinem Stuhl an meinen Tisch stieß. Keiner der anderen schien das alles mit zu bekommen. Als Aizawa-Sensei vom Läuten der Schulglocke geweckt wurde und die Stunde für beendet erklärte, beugte ich mich zu Kacchan vor und flüsterte ihm ein 'Danke' zu. Ich konnte sehen, wie seine Ohren ein wenig roter wurden. Er brummte nur als Antwort und ließ sich dann von Eijirô und Denki in ein Gespräch verwickeln. Ich hingegen stand auf, streckte mich und ging zu Shôto. Dieser blickte mich an, stand ebenfalls auf und gemeinsam verließen wir das Zimmer. Viel Zeit hatten wir nicht, bevor die nächste Stunde begann. Aber trotzdem schien es, als würde Shôto nicht zur Ruhe kommen, ehe er nicht mit mir geredet hatte. Wir verzogen uns auf das Schuldach. Dort waren wir alleine. „Worüber wolltest du mit mir reden?“, fragte ich Shôto, nachdem die Tür hinter uns zugefallen war. Er blickte mich an, nahm dann meine rechte Hand und tippte mit einem Finger auf mein Muttermal. „Darüber...“ Ich sah auf seine Hände, die meine Hand hielten und sich so schön kühl und weich auf meiner Haut anfühlten. Ganz anders als Kacchans Hände. Seine waren stark und eher rau, aber ungemein wärmer als Shôtos. „Ah... Mach dir keine Gedanken darüber...“, wehrte ich ab und spürte die Wärme in mein Gesicht kriechen. „Das ist nur eine alte Geschichte. Niemand weiß, ob überhaupt etwas daran wahr ist...“ Mein Herz zog sich zusammen, als ich das sagte. Warum sagte ich so etwas, obwohl ich doch fest vom Wahrheitsgehalt überzeugt war? Ich wich seinem Blick aus, entzog ihm meine Hand und lehnte mich mit dem Rücken an die Wand neben der Tür. „Du glaubst doch daran, oder?“, wollte Shôto plötzlich wissen. Für einen Moment schloss ich die Augen, nickte und sah ihn dann wieder an. Ein zartes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Aber du kannst dir nicht vorstellen, mich als Partner zu haben...“ Tbc... Kapitel 17: Erzähl uns die schmutzigen Details! ----------------------------------------------- Fast schon entsetzt sah ich ihn an und schüttelte heftig den Kopf. „Das ist es nicht! Ich... ich meine... also...“ Ich verstummte verlegen und biss mir auf die Unterlippe. „Ist schon okay... Ich kann es verstehen...“ Ein trauriges Lächeln hatte nun in seinem Gesicht Einzug gehalten. Ich blinzelte, schüttelte diesmal leicht den Kopf. „Todoroki-kun...“, begann ich. „Das ist es wirklich nicht... Ich... kann es mir vorstellen... Aber... Ich hätte nicht gedacht, dass ich das Ende meines roten Fadens jetzt schon finde, verstehst du? Ich hab keine Ahnung, wie es weiter gehen soll... Aber... eins weiß ich ganz sicher! Ich möchte dich näher kennen lernen. Und herausfinden, was werden kann...“ Mein Herz klopfte mit einem Mal ganz heftig, als ich ihn nun wieder schüchtern lächeln sah. Dieses Lächeln stand ihm soviel besser und ließ meinen Bauch sogar kribbeln. „Dann darf ich mich weiterhin mit dir unterhalten?“, fragte Shôto nun zurückhaltend. Ich lachte leise auf. „So viel und so oft du magst!“ Sein Lächeln wurde breiter und verstärkte das Kribbeln in meinem Bauch nur noch mehr. Das gleiche Kribbeln, das ich auch spürte, wenn ich Zeit mit Kacchan verbrachte. Die Schulglocke rief uns zurück in die Klasse und unterbrach unser Gespräch damit. Ich stieß mich von der Wand ab und öffnete die Tür. „Kommst du, Shôto-kun?“, fragte ich und zwinkerte ihm zu. Er lief urplötzlich rot an, stammelte ein „Ja“ und folgte mir dann. Bevor wir unser Klassenzimmer betraten, hielt er mich zurück. „Darf ich dich ab jetzt auch Izu-kun nennen?“, wollte er mit immer noch roten Wangen wissen. Ich grinste breit und nickte. „Natürlich!“ Gemeinsam betraten wir das Klassenzimmer, ernteten natürlich direkt neugierige Blicke von Ochako und auch von Kacchan, obwohl dessen Blicke eher verärgert statt neugierig waren. „Wo warst du, Nerd?“, wollte er wissen, als ich mich an meinen Tisch setzte. „Ich hatte was mit Shôto-kun zu besprechen...“, erklärte ich und lächelte ihn an. „Sag nicht, du hast mich vermisst?“ Seine Wangen flammten auf. „Davon träumst du wohl...“, knurrte er und drehte mir den Rücken zu. Überrascht sah ich ihn an, kicherte dann leise vor mich hin. War er eifersüchtig? Irgendwie war das ja richtig süß von ihm. Aber vollkommen unbegründet. .~*~. In der Mittagspause wurde ich von Ochako belagert. Sie ließ mir keine Sekunde zum Durchatmen, bis ich ihr alles erzählt hatte, was am Samstag passiert war. Mit roten Wangen hüpfte sie quietschend vor mir auf und ab. „Das ist so süß!“, grinste sie und war nun soweit zufrieden, dass wir endlich in die Kantine konnten um dort etwas zu essen. Wie üblich saßen wir mit Ten'ya, Tsuyu und Shôto an einem Tisch und unterhielten uns. Und weil der Zufall natürlich manchmal böse Spielchen spielte, saßen Eijirô, Denki, Mina und Hanta am Nachbartisch. Kacchan, der etwas länger an der Essensausgabe gebraucht hatte, stand nun mit fragendem Gesichtsausdruck bei uns. Ich sah ihn an, lächelte und rückte mit meinem Stuhl etwas näher an Shôto heran, der zu meiner linken Seite saß. „Hol dir einen Stuhl und setz dich neben mich Kacchan“, bot ich ihm an. Er beäugte den Abstand, der zwischen Shôto und mir nun herrschte, mit kritischem Blick, stellte sein Tablett aber wortlos neben mich und zog von einem anderen Tisch einen leeren Stuhl heran um sich zu setzen. Alle anderen am Tisch blickten uns überrascht an. Sie hatten wohl zumindest mit einem Murren gerechnet, aber es kam überhaupt nichts von Kacchan. Still begann er zu essen. Ich lächelte zufrieden und unterhielt mich mit Ochako über den Karaokesamstag. „Das nächste Mal komme ich auf jeden Fall mit, versprochen!“, grinste ich breit. Ten'ya sah mich gequält an. „Damit wäre ich vielleicht nicht mehr der einzige, der sich dann blamiert...“ „Also ich fand, du hast dich gut geschlagen“, versuchte Ochako ihn aufzuheitern und lächelte ihn an. Ich kicherte leise, während ich mich über mein Bento hermachte. Ich hatte also mit meiner Vermutung, dass Ten'ya beim Karaoke eine komische Figur machen würde, recht behalten. .~*~. Als die Schulglocke das Ende der Pause verkündete hatten wir viel gelacht und geredet. Satt und zufrieden packte ich meine Bentobox zurück in meinen Rucksack und schlenderte dann zusammen mit den anderen in Richtung unseres Klassenzimmers. Hanta und Denki hatten Kacchan in ihre Mitte genommen und redeten mit ihm über irgendwelche Computerspiele, die sie unbedingt spielen mussten. Mina und Eijirô ließen sich zurückfallen, bis sie neben mir liefen. Mina grinste mich an, hüpfte vor mich und hielt mich so vom Weiterlaufen ab. Verwirrt sah ich sie an. „Sollten wir nicht zurück ins Klassenzimmer?“, fragte ich unsicher und versuchte an ihr vorbei zu gehen, doch Eijirô hielt mich am Arm fest, ohne mir allerdings weh zu tun. Beide grinsten nun breit. „Ja, sollten wir... Aber vorher verrätst du uns, was am Samstag zwischen dir und Bakugô gelaufen ist. Und leugnen bringt nichts, wir haben euch gesehen!“, säuselte Mina und klimperte mit ihren Wimpern. „Er selbst wollte nichts dazu sagen, aber du wirst uns doch wohl nicht unwissend sterben lassen, oder, Midoriya-kun?“, meinte nun Eijirô und versuchte sich an einem Hundeblick, der aber irgendwie gewaltig daneben ging. Ich verdrehte die Augen und seufzte. „Nicht ihr auch noch...“, murrte ich und zuckte mit den Schultern. „Wir haben uns...“, begann ich, wurde aber unterbrochen indem ich an der Hand genommen und weggezogen wurde. „Ich hab euch schon mal gesagt, dass euch das nichts angeht!“, schnauzte Kacchan und zog mich hinter sich her. Ich stolperte, hielt mich an seinem Arm fest, damit ich nicht fiel. Er wurde langsamer, zog mich aber weiter von Mina und Eijirô weg, die schließlich anfingen zu lachen und zu kichern. „Kacchan...“, sprach ich ihn leise an. „Ist doch unsre Sache, was wir in unsrer Freizeit machen...“, grummelte er und drückte meine Hand etwas mehr als notwendig gewesen wäre. Er war stehen geblieben und hatte den Kopf gesenkt. Ich lächelte ihn an, erwiderte den Druck seiner Hand. „Ist es denn schlimm für dich, wenn jemand weiß, dass wir zusammen weg waren?“, wollte ich wissen. Überrascht sah er mich mit seinen roten Augen an, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein... Aber ich mag es nicht, wenn man es so an die große Glocke hängt...“ Ich kicherte und zog ihn dann zum Klassenzimmer. „Wenn sie erst mal Bescheid wissen, werden sie auch keine Fragen mehr stellen.“ Im Klassenzimmer ging ich direkt zu Eijirô, der uns mit einem Grinsen bedachte. Kacchan zog ich weiterhin hinter mir her, sodass jeder aus der Klasse sehen konnte, dass wir uns immer noch an den Händen hielten. „Kirishima-kun...“, begann ich und grinste frech. „Natürlich möchten wir vor allem dich nicht unwissend sterben lassen...“ Denki, der einen Tisch vor Eijirôs saß, begann zu lachen. „Da musst du ihm aber noch viel beibringen, damit er nicht mehr unwissend ist...“ Alle Umsitzenden fingen nun ebenfalls an zu lachen und auch Kacchan versuchte mit Mühe ein Lachen zu unterdrücken, wie ich aus den Augenwinkeln heraus sah. „Hey...“, begann Eijirô und bekam rote Wangen. „So schlimm ist es nun auch wieder nicht...“ Ich kicherte. „Kacchan und ich waren nur einen Film angucken und etwas essen. Ein normaler Nachmittag als Freunde eben“, erklärte ich dann und hob meine und Kacchans Hand. „Und das machen wir schon seitdem wir klein sind. Also stört euch nicht dran, das ist bei uns normal.“ Ich zwinkerte Kacchan zu, welcher leicht rot wurde und sich weg drehte. „Wie langweilig...“, kommentierte Mina. „Erzähl uns lieber die schmutzigen Details!“ Bevor weder Kacchan noch ich reagieren konnten wurde die Tür zum Zimmer zugezogen. „Ich für meinen Teil ziehe es vor keine schmutzigen Geheimnisse meiner Schüler zu kennen. Auf eure Plätze!“, donnerte Aizawa-Sensei. Kacchan und ich zuckten synchron zusammen und huschten an unsere Tische. Der Unterricht ging weiter und lenkte von uns ab. Ich war dankbar darüber und hoffte, dass die anderen aus unserer Klasse es einfach so akzeptieren würden. Wobei... was die anderen dachten war mir eigentlich so ziemlich egal. Nur bei einem war es mir nicht egal... Shôto... Immer wieder während der restlichen Stunden versuchte ich eine Reaktion von ihm zu erhaschen, doch er konzentrierte sich scheinbar auf den Unterricht und blendete alles andere aus. .~*~. Auch nach dem Unterricht ließ Shôto sich nichts anmerken. Etwas betrübt ging ich neben Kacchan nach Hause. Wie immer schwiegen wir, aber es störte mich nicht. „Bis morgen, Nerd...“, durchbrach Kacchan schließlich die Stille und ich bemerkte, dass wir bereits vor meinem Zuhause angekommen waren. „Ja, bis morgen, Kacchan...“, murmelte ich abwesend und winkte ihm zum Abschied, ehe ich das Haus betrat. Meine Mutter war noch auf der Arbeit, wie ich ihrer Notiz entnehmen konnte, die sie mir auf dem Küchentisch hinterlassen hatte. Ich zerschnitt einen Apfel in Schnitze und verkroch mich damit in meinem Zimmer. Dort versuchte ich mich an den Hausaufgaben, konnte mich aber nicht konzentrieren. Es machte mir viel zu sehr zu schaffen, dass ich nicht wusste, was Shôto dachte. Frustriert warf ich mich auf mein Bett. Eine Weile starrte ich an die Zimmerdecke, bis ich hörte, wie meine Mutter nach Hause kam. Vielleicht wusste sie Rat? Aber dann würde ich ihr alles erzählen müssen und das war mir doch etwas peinlich. Zumal ich selbst immer noch nicht wusste, was das genau war, was gerade mein Leben durcheinander brachte. Trotz allem stand ich auf und ging zu ihr, begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange. Tbc... Kapitel 18: Mama ist die Beste ------------------------------ Wie immer berichtete sie mir von ihrem Tag und auch ich erzählte ihr von der Schule, ließ allerdings Dinge, die Kacchan oder Shôto betrafen bewusst aus. „Mama?“, fragte ich sie schließlich und spielte mit dem Saum meines Shirts. „Hm? Was ist denn, Izuku?“, fragte sie und wurde hellhörig. Ich schluckte und blickte auf meine Hände, betrachtete dabei mein Muttermal. „Du hast mir doch mal von dieser Legende mit dem roten Faden des Schicksals erzählt...“, begann ich. „Ja. Was ist damit?“ „Was wäre... wenn ich mein Ende des roten Fadens gefunden hätte?“ Einen Moment lang blieb es still, ehe sie zu mir kam und mich in den Arm nahm. Ich klammerte mich an sie, spürte sofort wie ich ruhiger wurde. „Izuku, das ist doch wunderbar...“, lächelte sie und drückte mich fest an sich. „Magst du mir erzählen, wer es ist?“ Sie ließ mich los und ging vor mir in die Hocke, betrachtete mein Gesicht. „Du sieht nicht so begeistert aus...“, murmelte sie und strich mir über die Wange. Ich lächelte gequält. „Ich bin... nur verwirrt... Ich weiß nicht, ob das wirklich alles so richtig ist...“ Aufmunternd lächelte mich meine Mutter an. „Erzähl doch einfach mal... Kenne ich sie?“ 'Sie...', hallte in meinem Kopf wider. Ich presste die Lippen zusammen. Sollte ich wirklich? „Ihn...“, korrigierte ich sie, bevor ich weiter darüber nachdenken konnte. Überrascht sah meine Mutter mich an. „Oh... Ein Junge also?“ Ich nickte und wich ihrem Blick aus. Was sie jetzt wohl von mir dachte? „Erzähl mir von ihm. Ist er nett?“, fragte sie und nahm meine Hände in ihre. Unsicher sah ich sie an und fand sie lächelnd vor. „Es stört dich nicht?“, wollte ich ungläubig wissen. „Ach Liebling... Solange du glücklich bist ist es doch egal, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist, findest du nicht auch?“ Mit einem Mal kamen mir die Tränen und ich schaffte es nicht, sie zurück zu halten. Stumm rollten sie über meine Wangen und tropften auf unsere Hände. „Izuku?“ Es war, als wäre gerade ein riesiger Stein von mir gefallen. Die Erleichterung brach über mich herein und ließ mich leise schluchzen. „Was ist? Geht es dir nicht gut? Tut er dir weh?“, wollte meine Mutter besorgt wissen. Ich lächelte, wischte mir mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. „Das ist es nicht... Ich bin nur so erleichtert, dass es dich nicht stört...“, schluchzte ich und neue Tränen rollten wieder über meine Wangen. Sie nahm mich wieder in den Arm, strich mir beruhigend über meinen Rücken. „Was wäre ich für eine Mutter, wenn ich dich für so etwas verurteilen würde...“, murmelte sie. „Auch wenn ich gerne Oma geworden wäre...“ Ihr letzter Satz ließ mir die Hitze ins Gesicht schießen. Ich versteifte mich in ihren Armen, was sie wohl spürte. Sanft drückte sie mich von sich weg, musterte mich und zwinkerte mir dann zu. „Ein zweiter Sohn ist doch auch was. Also. Erzähl. Wer ist es? Spann mich nicht auf die Folter!“, forderte sie mit einem Grinsen. Ich begann zu kichern. Wie konnte ich nur denken, dass sie mich deswegen nicht mehr lieb haben könnte? „Du hast ihn bereits kennen gelernt...“, begann ich und wischte mir die restlichen Tränen aus den Augen und von den Wangen. Neugierig sah sie mich an und setzte sich dann mir gegenüber an den Tisch. „Todoroki-kun...“, erzählte ich ihr. „Der Junge, der letztens bei uns war...“ Ihr Gesicht erhellte sich. „Ich erinnere mich. Er ist so ein lieber Junge!“, kommentierte sie und ließ mich dann weiter erzählen. „Er hat das gleiche Muttermal, kannte aber die Legende nicht... Ich hab sie ihm erzählt...“, ließ ich sie wissen. „Und?“ Ich blinzelte sie an. „Nichts und. Er sagt, er findet den Gedanken schön, dass es für jeden jemanden vorbestimmten gibt...“ Meine Mutter musterte mich eingehend. „Lass mich raten. Er hätte aber lieber ein Mädchen als Gegenpart?“ „Er... er hat kein Interesse an Mädchen...“, klärte ich sie auf. „Aber ich weiß nicht, ob ich...“ „Ob du was? Auf Jungs stehst? Der Richtige für ihn bist?“, hakte sie nach und traf damit genau auf den Punkt. Ich nickte betrübt und senkte den Blick. „Ich will ihn nicht enttäuschen, wenn ich am Ende doch nicht das in ihm sehe, was er vielleicht in mir sehen könnte...“ 'Und dann ist da auch noch Kacchan...', fügte ich in Gedanken hinzu. „Ach Izuku... Setz dich nicht zu sehr unter Druck. Lernt euch doch erst einmal richtig kennen und schaut, was sich so entwickelt“, versuchte sie mich zu beruhigen. „Ihr seid beide noch jung und habt alle Zeit der Welt. Und im Übrigen ist das alles ja auch nur eine Legende. Niemand weiß, ob sie wahr ist... Es könnte auch sein, dass du morgen zur Schule gehst und jemanden triffst in den du dich dann auf den ersten Blick verliebst!“ 'Verlieben...' Das Wort kreiste in meinem Kopf. Wie fühlte es sich überhaupt an verliebt zu sein? Wann wusste man, dass man in jemanden verliebt ist? Ich hatte von so etwas natürlich keine Ahnung. Bisher hatte ich mich immer auf die Schule konzentriert und an Beziehungen nie auch nur einen Gedanken verschwendet. „Wann weiß man, dass man verliebt ist?“, fragte ich meine Mutter. Überrascht blickte sie mich an und strich sich dann eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Hm... Also man bekommt in der Gegenwart des anderen Herzklopfen und feuchte Hände. Und ein Lachen oder Lächeln kann einen ganzen Schwarm Schmetterlinge in deinem Bauch loslassen. Das kribbelt dann so schön, als hätte man zu viel Brause gegessen“, erzählte sie und geriet fast schon ins Schwärmen. „Und am Liebsten magst du ganz viel Zeit mit demjenigen verbringen.“ Irgendwie erinnerte mich diese Beschreibung extrem stark an das, was ich neuerdings fühlte, wenn Kacchan in meiner Nähe war. Ich schluckte und spürte wieder wie mein Gesicht heiß wurde. War ich etwa in Kacchan verliebt? Aber auch Shôto schaffte es mit einem seiner seltenen Lächeln mir dieses Kribbeln in den Bauch zu zaubern... Und das bereits, bevor ich von seinem Muttermal wusste. Hatte ich auch solch eine Wirkung auf ihn? „Zerbrich dir nicht zu sehr den Kopf darüber, was sein könnte. Warte doch einfach ab und schau was passiert“, riet mir meine Mutter. Ich lächelte sie dankbar an. Sie hatte meine Situation nicht nur akzeptiert, sie gab mir nun auch Tipps! Ich stand auf, ging zu ihr und umarmte sie. „Du bist die Beste“, murmelte ich und drückte sie ganz fest. .~*~. Die nächsten Tage versuchte ich mich so normal wie möglich zu verhalten. Kacchan begleitete mich weiterhin zur Schule und auch nach Hause. Ich genoss die Zeit, die ich so mit ihm alleine verbringen konnte und achtete ganz bewusst auf meine eigenen Körperreaktionen. Allein schon seine Anwesenheit verursachte nun bei mir ein Kribbeln im Bauch. Früher hätte ich gesagt, dass es einfach nur Angst sein könnte. Doch ich musste nun keine Angst mehr vor ihm haben. Er war inzwischen so freundlich und zuvorkommend mir gegenüber, dass die anderen aus unserer Klasse ihm immer wieder irritierte Blicke zuwarfen. Zu ihnen war er nämlich so wie sonst immer: laut und grummelig und genervt. Während der Schule vor allem in den Pausen verbrachte ich Zeit mit Shôto. Auch um ihn näher kennen zu lernen. Sobald wir alleine waren blühte er regelrecht auf, lächelte öfters und redete manchmal wie ein Wasserfall. Auch bei ihm spürte ich dieses Kribbeln. Hieß das nun, dass ich sowohl in Kacchan als auch in Shôto verliebt war? Das Ganze verwirrte mich ungemein, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und das Beste aus der jeweiligen Situation zu machen. Was mir aber immer wieder auffiel waren die Blicke. Kacchan warf Shôto böse Blicke zu, wenn ich mit diesem in den Pausen redete. Und Shôto blickte finster drein, wenn Kacchan und ich gemeinsam das Schulgelände betraten oder verließen. Und nicht nur mir fielen diese Blicke auf. Bald schon zog mich Ochako beiseite. „Izu-kun, sag mal... Findest du nicht auch, dass Todoroki-kun und Bakugô-kun sich seltsam verhalten?“ Ich sah sie fragend an. „Wie meinst du das?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Naja... man könnte fast meinen, die beiden wären eifersüchtig... Bakugô-kuns Blicke könnten Todoroki-kun töten, wenn du mit ihm redest...“ Ich ließ mir das Gesagte durch den Kopf gehen und musste ihr zustimmen. Aber war es wirklich Eifersucht? Tbc... Kapitel 19: Eifersucht ---------------------- Drei Wochen nach dem Gespräch mit meiner Mutter war es so warm geworden, dass Kacchan und ich uns auf dem Heimweg ein Eis gönnten. Wir hatten uns im Park eine Bank im Schatten gesucht und saßen nun nebeneinander darauf und leckten an unserem Eis. „Hey, Izu...“ Kacchan hatte inzwischen aufgehört, mich Nerd oder Deku zu nennen sondern nutzte nun eine verkürzte Version meines richtigen Namens. Als er mich so das erste Mal genannt hatte, hatte es mich wahnsinnig gefreut und mein Herz höher schlagen lassen. „Hm?“, fragte ich und leckte weiter an meinem Eis. Er hatte seines bereits aufgegessen und sah mich nun an. Auf seinen Wangen zeigte sich wieder einmal eine süße Rotfärbung. „Du hast da was...“, meinte er, legte seine Hand auf meine Wange und strich mit seinem Daumen über meinen Mundwinkel. Dies tat er mit einer Zärtlichkeit, die ich ihm nie zugetraut hätte. Die Berührung alleine schaffte es schon, mein Herz aus dem Takt zu bringen. Doch was er dann tat, ließ mich fast daran zweifeln, ob ich wirklich wach war! Er löste seine Hand von meiner Wange und leckte sich seinen Daumen ab. „Erdbeere“, grinste er. „Lecker!“ Ungläubig starrte ich ihn einen Moment an, ehe ich mich wieder auf mein Eis konzentrierte und das gerade Geschehene versuchte so gut es ging auszublenden. „Du hattest da Eis...“, erklärte er. Scheinbar fand er meine Reaktion seltsam. „Ach so...“, antwortete ich. Mein Eis hatte ich schließlich aufgegessen und knabberte nun die Eiswaffel. Das Knuspern war das Einzige, das zwischen uns zu hören war. Danach kehrte eine Stille ein, die erdrückend war. Ich starrte abwesend auf meine Hände, strich aus reiner Gewohnheit über mein Muttermal. „Ich möchte nicht, dass du so viel Zeit mit diesem Kerl verbringst...“, sagte Kacchan plötzlich. Ich blickte ihn an und verstand im ersten Moment nicht, wen er genau meinte, doch dann fiel der Groschen. Er meinte Shôto. „Ich bin aber mit ihm befreundet. Du kannst mir nicht verbieten, Zeit mit meinen Freunden zu verbringen...“, erwiderte ich. Er hatte in den Himmel geblickt und drehte sich nun mir zu. „Ich möchte es dir nicht verbieten. Ich möchte nur, dass du nicht mehr so viel Zeit mit ihm verbringst...“, meinte er leise. Ich betrachtete sein Gesicht, hob dann meine Hand und zeigte ihm mein Muttermal. „Ich kenne die Legende... Aber er ist es nicht“, begehrte Kacchan auf noch bevor ich etwas sagen konnte. Mit einem Ruck stand er auf, trat direkt vor mich und stellte sein linkes Bein neben mich auf die Bank. Ich wollte ihn gerade belehren, dass man so etwas nicht tat, als er sein Hosenbein ein kleines Stück hinauf zog und seinen Knöchel entblößte. Ungläubig starrte ich auf das, was ich dort sah. Er hatte ein Muttermal. Aber nicht irgendeines! Es sah genauso aus wie meines oder das von Shôto. Was hatte das zu bedeuten? Verwirrt sah ich ihm ins Gesicht. Er durchbohrte mich förmlich mit seinem Blick. „Ich bin es. Nicht er. ICH!“ Tränen waren in seine Augen getreten. Tränen der Verzweiflung. Hatte er Angst mich zu verlieren? Er wischte sich über die Augen, drehte sich um und lief davon. Perplex sah ich ihm hinterher, unfähig ihn aufzuhalten. .~*~. Es war das erste Mal seit mehreren Wochen, dass ich nun alleine nach Hause laufen musste. Und es fühlte sich falsch an. Unheimlich. Beängstigend. Ich hatte mich doch tatsächlich schon so sehr daran gewöhnt, ständig in Kacchans Begleitung zu sein, dass sich das hier vollkommen falsch anfühlte. Er fehlte einfach! Betrübt kam ich zu Hause an und verkroch mich wieder einmal in meinem Zimmer. Was genau war überhaupt passiert? Warum war Kacchan einfach weggelaufen? Hatte er so große Angst? Hätte er sich dann nicht an mich klammern müssen? Hätte er mir dann nicht das Versprechen abringen müssen, mich nicht mehr mit Shôto zu treffen? Hätte... ja... was hätte er denn tun sollen? Ich kam zu keiner Lösung. Schon alleine deswegen nicht, weil ich nicht wusste, was Kacchan dachte. Daher konnte ich mir noch so sehr den Kopf darüber zerbrechen, es änderte nichts. In einem Anflug von Verzweiflung nahm ich mein Handy und öffnete den Chat mit Kacchan. »Hey, Kacchan... Ich wollte nur fragen, ob du mich morgen früh wieder zur Schule begleitest... Alleine Heim zu laufen hat sich irgendwie falsch angefühlt...« Ich schickte die Nachricht ab und wartete. Doch auch nach einer halben Stunde kam keine Antwort. Ich seufzte und versuchte mich weiter an meinen Hausaufgaben, die ich in der Zwischenzeit begonnen hatte. Doch ich schaffte es nicht mich zu konzentrieren. Wieder einmal kreisten meine Gedanken um Kacchan, diese Legende und um Shôto. Ein Klopfen an meiner Tür riss mich schließlich aus meiner Gedankenwelt. „Izuku? Kommst du zum Essen?“, hörte ich meine Mutter auf der anderen Seite der Tür. „Ja, Mama, ich bin gleich da!“, antwortete ich ihr und schlug meine Hefte zu. Vielleicht konnte ich später etwas klarer denken. Nach dem Abendessen und einem entspannenden Bad betrat ich wieder mein Zimmer und setzte mich erneut an meinen Schreibtisch. Diesmal gingen mir die Hausaufgaben leichter von der Hand, sodass ich doch noch alles schaffte, was ich mir vorgenommen hatte. Ermattet von der ganzen Denkarbeit fiel ich müde auf mein Bett. Kurz blickte ich noch auf mein Handy und antwortete auf eine Nachricht von Ochako. Doch von Kacchan hatte ich weiterhin keine Antwort bekommen. Ich würde wohl den nächsten Morgen abwarten müssen und dann sehen, ob er da war oder nicht. .~*~. Der nächste Tag begann mit Kopfschmerzen der übelsten Art. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren. Jedes Geräusch verstärkte den Schmerz noch. Selbst das Gezwitscher der Vögel war fast unerträglich. Ich quälte mich ins Badezimmer, dann in meine Schuluniform und anschließend in die Küche, schluckte zwei Schmerztabletten und hoffte, dass die Wirkung bald einsetzen würde. Meine Mutter war bereits zur Arbeit gefahren und hatte mir wie immer ein Bento hergerichtet, welches ich in meine Tasche verfrachtete und mich dann auf den Schulweg begab. An unserer Kreuzung blickte ich mich suchend um. Das Tageslicht stach in meine Augen und ließ meine Kopfschmerzen pulsieren. Ich senkte wieder den Blick. So war es erträglicher. Kacchan war noch nicht da und da ich noch etwas Zeit hatte beschloss ich zu warten. Vielleicht hatte er sich einfach nur ein wenig verspätet... Zwanzig Minuten später war ich immer noch alleine und langsam wurde die Zeit knapp. Wenn ich nicht bald los laufen würde, würde ich zu spät kommen. Langsam trottete ich los. Wieder überkam mich dieses ungewohnt unheimliche Gefühl, weil ich mich zu sehr an Kacchans Anwesenheit gewohnt hatte. Es stimmte mich traurig, dass er auf Abstand ging. Gerade nach dem, was gestern passiert war. .~*~. Ich schaffte es tatsächlich noch rechtzeitig zur Schule. An den Schuhfächern wurde ich von Shôto begrüßt, der mich musterte. „Ist was passiert, dass du getrennt von Bakugô-kun zur Schule kommst?“, wollte er mit leiser Stimme wissen, als wir zum Klassenzimmer liefen. Ich zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was er hat...“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Vor dem Klassenzimmer hielt er mich zurück. „Du siehst blass aus... Geht es dir gut?“ Er war besorgt um mich. Ich lächelte ihn beruhigend an. „Nur Kopfschmerzen. Die gehen bestimmt bald weg...“, winkte ich ab. Shôto nickte und rang mir das Versprechen ab mich sofort bemerkbar zu machen, sollte es schlimmer werden. Gemeinsam betraten wir das Zimmer. Wie von selbst suchte ich sofort nach Kacchan, der auf seinem Platz saß und sich mit Eijirô unterhielt. Ich winkte Shôto kurz zu und ging dann an meinen Tisch. „Guten Morgen...“, wünschte ich Eijirô und auch Kacchan. „Hey, Midoriya! Alles fit?“ Eijirô war energiegeladen wie eh und je und begrüßte mich mit einem breiten Grinsen. Ich konnte gar nicht anders, als ihn anzulächeln. „Ja, natürlich...“ Allein schon die Lautstärke, die er an den Tag legte, ließ meine Kopfschmerzen erneut aufblühen. So gut es ging versuchte ich den Schmerz zu ignorieren und sah Kacchan an, der mich kurz anblickte und dann direkt wieder vor sich auf seinen Tisch starrte. Seine Reaktion versetzte mir einen gewaltigen Stich mitten ins Herz. Na toll... Jetzt tat nicht nur mein Kopf weh, sondern auch noch meine Brust... Seufzend setzte ich mich an meinen Tisch und versuchte dem Unterricht zu folgen, welcher nun begann. Wirklich mit kam ich nicht bei dem, was unser Lehrer versuchte uns gerade verständlich zu erklären. Das Puckern in meinem Kopf war zu einem Hämmern angeschwollen und trieb mir die Tränen in die Augen. Ich unterdrückte mühsam immer wieder ein leises Wimmern. „Sensei! Midoriya geht es nicht gut. Kann ich ihn ins Krankenzimmer bringen?“, hörte ich Kacchans Stimme wie durch Watte gedämpft. „Oh ja. Natürlich...“, antwortete unser Lehrer. Der Stuhl vor mir kratzte leise über den Boden als Kacchan aufstand und mich am Arm sanft auf die Beine zog. „Komm mit...“, bat er leise und führte mich aus dem Klassenzimmer hinaus. Ich hatte Schwierigkeiten mein Gleichgewicht zu halten und war froh, dass ich mich an jemanden lehnen konnte. Schweigend wie immer brachte er mich so zum Krankenzimmer. Die Schwester dort verfrachtete mich sofort in eines der Betten, nachdem ich ihr knapp geschildert hatte, was los war, und dunkelte den Raum ab. Sie gab mir zwei Schmerztabletten und legte mir einen kühlen, feuchten Lappen auf die Stirn. „Ruh dich aus...“, wies sie mich ruhig an. „Und du gehst besser wieder zurück in den Unterricht“, sagte sie an Kacchan gerichtet. „Nein, ich bleibe hier...“, widersprach er. Ich öffnete meine Augen ein klein wenig und sah wie er sich an mein Bett setzte. Die Krankenschwester seufzte und ließ uns alleine, zog die Vorhänge um das Bett herum zu. „Es tut mir Leid...“, murmelte ich leise. Mit einem Mal war ich wahnsinnig müde, so als hätte ich tagelang nicht geschlafen. „Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest... Schlaf ein bisschen...“, meinte Kacchan genauso leise. Seine Stimme war so angenehm, wenn er so ruhig war. Ich spürte seine Hand an meiner, wie sie sie sanft festhielt. „Ich bin ein Idiot... Ich werde ab jetzt nicht mehr weglaufen...“, flüsterte er. Schwach drückte ich seine Hand, lächelte und war wenige Minuten später eingeschlafen. Tbc... Kapitel 20: Hört auf zu streiten! --------------------------------- Ich wurde von gedämpften Stimmengewirr geweckt. Wie lange ich geschlafen hatte konnte ich im ersten Moment nicht sagen. Das Zimmer lag immer noch im Halbdunkeln und meine Kopfschmerzen waren verschwunden. Erleichtert atmete ich durch und setzte mich auf. Genau in diesem Moment schob sich der Vorhang zur Seite und die Schwester sah mich an. „Ah, du bist wieder wach. Was machen die Kopfschmerzen?“, fragte sie mit einem Lächeln. „Sind vollständig abgeklungen...“, antwortete ich ihr. Sie nickte und hielt mir ein Glas Wasser hin, welches ich direkt austrank. „Wie viel hast du gestern getrunken?“ Ich überlegte kurz und seufzte. „Zu wenig...“ „Dann werden die Kopfschmerzen wohl von zu wenig Flüssigkeit und der Hitze gestern entstanden sein. Denk bitte immer daran ausreichend zu trinken, auch wenn du keinen großen Durst verspürst...“, belehrte sie mich. Ich nickte. „Ja, werde ich tun. Vielen Dank...“ Das Stimmengewirr wurde lauter und artete in einen Streit aus. Ich konnte Kacchans Stimme erkennen. Und Shôtos... „Diese beiden...“, seufzte die Schwester. Ich sah sie fragend an. „Ich musste sie hinauswerfen, weil sie sich gezankt haben... Und das tun sie jetzt wohl immer noch...“, erklärte sie. „Du kannst übrigens gehen, wenn du möchtest...“ Ich nickte noch einmal und bedankte mich überschwänglich, ehe ich langsam aufstand. Neben dem Bett stand mein Rucksack. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich ihn mitgenommen hatte, hob ihn hoch und öffnete die Tür um das Krankenzimmer zu verlassen. Im Flur war der Streit noch lauter. Ich ging unruhig in die Richtung, aus der ich die Stimmen hörte, bog um eine Ecke und sah schließlich Kacchan und Shôto. Sie standen sich gegenüber, hatten sich halb ausgezogen, zeigten sich gegenseitig ihre Muttermale und schrien sich an. „Ich sag es dir ein letztes Mal! Lass die Pfoten von ihm! Und das da kannst du direkt abwaschen! Er ist mein und wird es bleiben!“, keifte Kacchan mit roten Wangen. Seine Stimme war bereits kratzig. Auch Shôto war laut, wenn auch nicht so laut wie Kacchan, doch sehr viel lauter als ich es von ihm gewohnt war. Auch seine Wangen waren rot von der Aufregung. „Nachdem was du ihm alles angetan hast traust du dich noch in seine Nähe zu kommen? Er ist mit mir doch viel besser dran! Ich behandle ihn so wie er es verdient!“ Unruhig blickte ich von einem zum anderen. Das Schauspiel, das sich mir gerade bot, war so unwirklich. Stritten die beiden etwa um mich? Mein Herz begann wieder in meiner Brust zu klopfen bei dem Gedanken, dass die beiden womöglich mehr als nur einen Freund in mir sahen. Es machte mich... irgendwie glücklich! Was mich aber ganz und gar nicht erfreute war die Tatsache, dass sie immer noch stritten. Ich ließ meinen Rucksack fallen, lief auf die beiden zu und hielt Kacchan am Arm fest, mit dem er gerade ausholen wollte, während ich Shôto eine Hand auf die Brust legte und ihn von Kacchan wegdrückte. „Hört auf!“, rief ich und kniff die Augen zu. Urplötzlich wurde es still. Nur unsere Atemzüge waren noch zu hören. „Izu-kun...“, sagte Shôto schließlich und seine Stimme hörte sich so sanft an wie ich sie bisher gekannt hatte. „Ich will nicht, dass ihr streitet... Bitte... hört auf...“, bat ich. Ich spürte, wie Kacchan seinen Arm, den ich hielt, senkte. Die Spannung, die ich in seinen Muskeln gespürt hatte, verschwand. „Okay, Izu... Wir sind friedlich...“, meinte er nun. Ich begann zu zittern und sank nun langsam zwischen den beiden auf die Knie. „Hey!“, riefen die beiden wie aus einem Mund, knieten sich neben mich und redeten auf mich ein. „Was ist los?“ - „Geht's dir nicht gut?“ - „Tut dir was weh?“ Die Fragen kamen so schnell hintereinander und so durcheinander, dass ich keine davon beantworten konnte. Daher nahm ich einfach von jedem eine Hand und drückte sie. Beide verstummten. Langsam hob ich den Kopf und sah sie an. „Alles gut...“, sagte ich leise und lächelte etwas schief. „Aber bitte streitet nicht mehr...“ „Ist okay. Wir streiten nicht mehr...“, sagte nun Shôto und strich mir über die Wange. „Nicht weinen...“, flüsterte er, legte einen Arm um mich. Ich blinzelte einige Tränen aus den Augen. Dass ich angefangen hatte zu weinen wurde mir erst jetzt bewusst. Halt suchend lehnte ich mich an Shôto und versuchte mich zu beruhigen. „Ich bring dich nach Hause... Kannst du aufstehen?“, wollte Kacchan nach einigen Minuten wissen. Er hatte sich damit begnügt meine Hand zu halten und über meinen Handrücken zu streichen. „Wir bringen dich nach Hause...“, korrigierte Shôto ihn. Ich hatte überhaupt kein Mitspracherecht in dieser Angelegenheit. Egal was ich gesagt hätte, die beiden waren stur und würden sich nicht davon abbringen lassen. Daher nickte ich nur und ließ mich von den beiden auf die Füße ziehen. Auf dem Weg nach draußen sammelte Kacchan meinen Rucksack auf und hängte ihn sich über die Schulter. Die beiden nahmen mich in ihre Mitte. Kacchan links und Shôto rechts von mir. Sie griffen beide nach meinen Händen und hielten sie fest, nachdem wir das Schulgelände hinter uns gelassen hatten. Für mich fühlte sich ihre Nähe erst ungewohnt an. Auch wenn ich an Kacchan gewohnt war, dass nun Shôto mit dabei war machte es so viel anders. Aber auch um so viel schöner. Dennoch war ich mir nicht sicher, ob das mit den beiden gut gehen würde. So wie sie sich vorhin gestritten hatten... Das wollte ich nicht noch einmal sehen und hören. „Was machen deine Kopfschmerzen?“, fragte Kacchan mich irgendwann. Ich lächelte ihn an. „Sind wieder weg. Die Schwester meinte, ich hätte wohl nur zu wenig getrunken gestern...“, erwiderte ich. Shôto seufzte erleichtert auf. „Dann müssen wir wohl dafür sorgen, dass du mehr trinkst?“, neckte er mich. Ich drehte den Kopf zu ihm und grinste. Ob er bewusst 'wir' gesagt hatte oder eher unbewusst war mir nicht klar. „Ich versuche es nicht mehr so weit kommen zu lassen... Die Schmerzen waren richtig eklig...“ Ich verzog das Gesicht in Erinnerung an das Pochen in meinem Kopf. Wir verfielen wieder für ein paar Minuten in ein Schweigen und liefen einfach still nebeneinander her. Ich versuchte die Blicke zu ignorieren, die uns von manchen Passanten zu geworfen wurden. „Wann kommt deine Mom nach Hause?“ Wieder war es Kacchan, der die Stille durchbrach. Ich blickte auf die Uhr. „Sie hatte heute Frühdienst und müsste schon zu Hause sein...“ Er nickte nur und ging weiter neben Shôto und mir her. .~*~. Als wir vor meinem Zuhause ankamen, zog Kacchan wie selbstverständlich meine Schlüssel aus meinem Rucksack. Ich blickte ihn überrascht an, ließ mich dann von ihm zur Tür ziehen und da ich immer noch auch Shôtos Hand hielt, wurde er direkt mitgezogen. „Tantchen, wir sind wieder da!“, rief Kacchan ins Haus hinein, nachdem er die Tür aufgeschlossen hatte. Als wäre er hier zu Hause streifte er sich seine Schuhe ab und blickte uns auffordernd an. Ich musste kichern, nickte Shôto beruhigend zu, der sich augenscheinlich nicht ganz wohl in seiner Haut fühlte. „Willkommen zu...rück?“ Meine Mutter stand im Flur und blickte uns drei verwirrt an. „Hallo Katsuki, hallo Todoroki-kun... Izuku, du hättest mir ruhig sagen können, dass du Besuch mitbringst...“ Ich grinste schief. „Tut mir Leid... Das war spontan...“ „Katsuki, weiß Mitsuki, dass du hier bist?“, fragte meine Mutter Kacchan. Dieser winkte nur ab. „Als ob es sie interessieren würde...“, gab er murrend zurück und kassierte dafür einen Klaps auf den Hinterkopf von meiner Mutter. „Du weißt wo das Telefon steht. Ruf sie an oder schreib ihr zumindest eine Nachricht... Du ebenfalls, Todoroki-kun...“ Kacchan gab ohne Widerworte klein bei und tippte schnell eine Nachricht an seine Mutter. Auch Shôto hatte sein Handy in der Hand und tippte darauf herum. „Meine Schwester weiß Bescheid und wird es meinem Vater sagen... Er arbeitet noch...“, erklärte Shôto meiner Mutter, die nun zufrieden lächelte. In diesem Moment besann sich Shôto wohl auf seine guten Manieren, verbeugte sich vor meiner Mutter. „Hallo, Midoriya-san. Ich hoffe, wir bereiten Ihnen keine Umstände...“ „Nicht doch, nicht doch! Fühlt euch ganz wie zu Hause“, lächelte sie nun. Tbc... Kapitel 21: Entscheidungen und Komplimente ------------------------------------------ Meine Mutter verschwand wieder im Wohnzimmer und ich zog Kacchan und Shôto in mein Zimmer. Etwas unschlüssig blieben wir alle drei mitten im Zimmer stehen, bis Kacchan mich zum Bett zog und darauf nieder drückte. Er selbst schnappte sich meinen Schreibtischstuhl und setzte sich verkehrt herum darauf und so, dass er mich anschauen konnte. Shôto nahm sich eines der Sitzkissen und setzte sich im Schneidersitz darauf auf den Boden vor das Bett. Wir sahen uns an und blieben einige Minuten still. „Wir sollten wirklich darüber reden...“, begann schließlich Shôto. „Es gibt nichts zu reden. Wasch dir den Fleck vom Rücken und verschwinde...“, grummelte Kacchan. Ich blinzelte und blickte zwischen den beiden hin und her. „Und wenn... wenn ihr beide...“, begann ich leise und vorsichtig. „Ich mit dem da? Nie im Leben...“, unterbrach mich Kacchan. In diesem Moment klopfte es an der Tür und meine Mutter betrat das Zimmer mit einem Tablett. Ich hatte sie nicht darum gebeten, doch sie hatte uns von sich aus Tee und Kekse gebracht. „Lasst euch von mir nicht stören...“, grinste sie, stellte das Tablett auf meinen Schreibtisch. „Danke, Mama“, lächelte ich und blickte sie auffordernd an. „Schau mich nicht so an, Izuku... Ich bin ja schon wieder weg... Katsuki, Todoroki-kun, bleibt ihr zum Abendessen?“, fragte sie in die Runde. Die beiden blickten mich an und nickten dann synchron. „Wenn es keine Umstände bereitet“, sagten beide gleichzeitig und verstummten erschrocken. Ich unterdrückte ein Kichern. Meine Mutter lächelte und ließ uns wieder alleine. Als die Tür hinter ihr zugefallen war, konnte ich nicht mehr anders und fing an zu lachen. Ich kugelte mich regelrecht auf dem Bett und bekam sogar Schluckauf davon. Kacchan war vom Stuhl gesprungen und hatte sich neben mich gesetzt, versuchte mich zu beruhigen indem er mir über den Rücken strich. Shôto saß weiterhin mit großen Augen auf dem Boden, wurde dann aber von meinem Lachen angesteckt und begann ebenfalls verhalten vor sich hin zu kichern. Kacchan sah uns beide an, schüttelte den Kopf und begann dann auch zu grinsen. Es dauerte einige Minuten, bis wir drei uns wieder beruhigt hatten. Ich lag inzwischen nach Luft schnappend mit dem Rücken auf dem Bett und versuchte meinen Schluckauf unter Kontrolle zu bringen. „Ihr macht mich fertig...“, gluckste ich und atmete mehrere Male tief ein und aus. Ich richtete mich wieder auf und blickte die beiden an. Sie hatten rote Wangen vom Lachen. Vermutlich sah ich nicht anders aus. Ich hätte niemals gedacht, dass wir drei zusammen in einem Zimmer sitzen und ausgelassen lachen würden. Doch es fühlte sich gut an. Ich lächelte zu Shôto hinüber. Ihn hatte ich noch nie so kichern gehört. Immer hatte er es versteckt gehabt oder sich nicht getraut. Dabei gab es dazu doch überhaupt gar keinen Grund! Und auch Kacchan hatte ein sehr schönes Lachen. Aber genauso wie Shôto zeigte er es viel zu selten. „Ihr solltet öfters lachen“, meinte ich und grinste. Shôtos Wangen wurden noch roter und Kacchan fand irgendeine Ecke meiner Zimmerdecke plötzlich wahnsinnig interessant. Mit einem Mal spürte ich Kacchans Blick wieder auf mir. Er rutschte näher und blieb wenige Zentimeter von mir entfernt sitzen. „Was hast du jetzt vor?“, fragte er mich ganz direkt und ernst. Ich blinzelte verwirrt. „Was sollte ich denn vor haben?“ Kacchan verzog das Gesicht. „Die Muttermale. Du glaubst doch an die Legende...“ Ich seufzte und senkte den Blick. „Ja... ich glaube daran... aber ich weiß nicht, was jetzt sein wird...“ „Du hast nun die freie Wahl...“, meinte er leise. Ich sah ihn an. „Willst du, dass ich mich jetzt sofort entscheide? Das kann ich nicht...“ Ich schüttelte den Kopf. „Das will ich nicht...“ Mir war schon wieder zum Heulen zu mute... Wollte Kacchan wirklich, dass ich mich jetzt sofort entschied? Ich wusste doch noch nicht einmal, ob ich mich überhaupt in einen der beiden verliebt hatte! Oder ob ich einen der beiden wirklich glücklich machen konnte! Ich presste die Lippen zusammen und senkte wieder den Blick. Mit aller Kraft hielt ich die Tränen zurück. Shôto gesellte sich zu uns aufs Bett und zog mich einfach in seine Arme. Kacchan protestierte mit einem grummeligen 'Hey!', sagte aber nichts weiter. „Niemand verlangt von dir, dass du dich entscheidest... Du hast alle Zeit der Welt... Und ich für meinen Teil bin schon zufrieden, wenn ich weiterhin ein bisschen Zeit mit dir verbringen darf...“, beruhigte er mich. Ich lehnte mich an ihn. Es fühlte sich nicht falsch an, aber etwas fehlte. Etwas entscheidendes. Etwas unsagbar wichtiges! Doch ich konnte es nicht benennen. Kacchan grummelte leise. „Nein... du musst dich nicht entscheiden... Obwohl es klar ist, wen du wohl wählst...“ Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Na, dich sicher nicht... Nachdem, was du alles angestellt hast...“, konterte Shôto und schlang seine Arme besitzergreifend um mich. Etwas überfordert schaute ich zwischen den beiden hin und her. Sie stritten doch tatsächlich um mich! „Ich hatte meine Gründe...“, knurrte Kacchan. Er hatte sich wieder verspannt und war kurz davor Shôto an den Kragen zu gehen. Da Shôto aber nicht gewillt war mich los zu lassen, nahm ich einfach Kacchans Hand. „Hab ich nicht gesagt, dass ihr aufhören sollt zu streiten?“, meldete ich mich zu Wort. Wie durch ein Wunder verstummten beide wieder und entspannten sich. Ich lächelte in mich hinein. Nie hätte ich gedacht, dass ich solch eine Wirkung auf jemanden haben könnte. Sanft befreite ich mich aus Shôtos Umarmung, rutschte vom Bett und ging zu meinem Rucksack. „Was haltet ihr davon, wenn wir den Nachmittag nutzen und Hausaufgaben machen?“, fragte ich. Etwas unverfängliches wäre jetzt vermutlich genau richtig! „Was für ein Nerd...“, lachte Kacchan. Shôto verkniff sich ein Lachen, lächelte mich aber sanft an. „Ihr könnt meine Mitschriften haben. Ihr habt ja den Großteil vom Unterricht verpasst...“, bot er an und rutschte ebenfalls vom Bett. Aus seinem Rucksack zog er seine Hefte und hielt sie mir hin. Ich nahm sie dankend an und begann seine Mitschriften in meine Hefte zu übertragen. Kacchan fügte sich mit einem Grummeln. Ihm war es wohl überhaupt nicht recht etwas von Shôto anzunehmen. Eine Zeit lang war nur das Kratzen unserer Stifte auf dem Papier zu hören. Es dauerte eine Weile, bis ich alles fehlende aus Shôtos Hefte in meine übertragen hatte. „Man könnte meinen, du wärst ein Mädchen...“, murmelte Kacchan irgendwann während dem Schreiben. Shôto und ich blickten uns fragend an. „Was genau meinst du?“, wollte er wissen und rutschte neben Kacchan, der sich auf den Boden gesetzt hatte. Ein leichter Rotschimmer legte sich auf Kacchans Wangen, als er Shôto so dicht neben sich spürte. „Deine Schrift... Nur Mädchen haben so eine schöne Handschrift... Schau dir die von Izu an... die reinste Sauklaue...“, erklärte er ganz leise. Überrascht sah ich ihn an. Ich wusste, dass ich nicht die schönste Handschrift hatte. Aber sie war gut zu lesen. Doch Kacchan hatte recht! Shôto hatte wirklich eine sehr schöne Handschrift. Shôto war still geworden. Er hatte den Kopf gesenkt. Unter seinen Haaren konnte ich sehen, dass er rot geworden war. Ich grinste, stand von meinem Stuhl auf und kniete mich neben ihn, stupste ihn leicht an. „Wenn Kacchan so etwas sagt, dann ist das ein Kompliment. Und er macht selten Komplimente. Also nimm es an und freu dich einfach...“ „Red keinen Unsinn... Das war eine Feststellung... Nichts weiter...“, gab Kacchan verlegen von sich. Ich lachte leise auf. Vielleicht würde es doch gar nicht so schlimm werden mit den beiden, wie ich anfangs vermutet hatte. Ein Klopfen an der Tür ließ uns aufhorchen. „Jungs?“, ertönte die Stimme meiner Mutter gedämpft von der anderen Seite. Ich stand auf und öffnete ihr die Tür, sah sie fragend an. Sie lächelte und warf einen Blick ins Zimmer. „Das Essen ist fertig, kommt ihr bitte?“ Sofort standen Kacchan und Shôto auch schon hinter mir und schoben mich aus dem Zimmer. Wir alle hatten Hunger, stürmten das Esszimmer und setzten uns an den Tisch. „Das hat was von einer Raubtierfütterung...“, lachte meine Mutter, setzte sich zu uns und gemeinsam begannen wir zu essen. Das Essen meiner Mutter schmeckte immer sehr lecker. Doch heute hatte sie sich irgendwie übertroffen. Oder lag es an der Gesellschaft, die wir hatten? Lag es an Shôtos und Kacchans Anwesenheit und dem Kribbeln in meinem Bauch, welches die beiden auslösten, dass das Essen heute so viel besser schmeckte als sonst? Tbc... Kapitel 22: Im Hause Midoriya ----------------------------- Nach dem Essen verzogen wir uns wieder in mein Zimmer. Ich bestand darauf weiter Hausaufgaben zu machen und wurde natürlich von Kacchan direkt damit aufgezogen. „Kann ja nicht jeder so begabt sein wie du. Manche müssen für ihre guten Noten auch richtig was tun!“, rügte ich ihn mit einem sanften Lächeln, um ihm zu zeigen, dass ich es nicht ernst meinte. Kacchan verstand es glücklicherweise und grinste mich frech an. Shôto beobachtete uns mit einem Schmunzeln, das sofort verschwand, als Kacchan ihm einen Blick zuwarf. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es nicht einfach werden würde mit den beiden... Aber vielleicht irrte ich mich da auch einfach... Die nächsten zwei Stunden verbrachten wir damit unsere Hausaufgaben zu erledigen und bemerkten, dass wir uns gegenseitig sehr gut helfen konnten. Shôto war gut in Mathe und erklärte Probleme einfach und verständlich. Kacchan hatte mit Sprachen, sei es nun mit dem Japanischen oder Englischen, weniger Probleme als Shôto und ich und half uns in diesen Fächern. Meine Stärken lagen in Chemie und Biologie, wo ich ihnen helfen konnte. So glichen wir die Defizite untereinander aus. Als wir fertig waren fielen wir erschöpft auf mein Bett. Ich lag in der Mitte zwischen Kacchan und Shôto und hatte die Augen geschlossen. „Hätte schlimmer sein können...“, murmelte Kacchan unvermittelt. „Stimmt...“, bestätigte Shôto. Ich blinzelte und sah die beiden abwechselnd an. Sie hatten ebenfalls die Augen geschlossen und lagen entspannt neben mir. Ich spürte, wie sich ein Lächeln in mein Gesicht schlich. „Dann können wir das ja wiederholen!“, meinte ich gut gelaunt. Wieder warf ich abwechselnd Blicke zu den beiden. Sie sahen mich nun an und nickten lächelnd. Das Klingeln eines Handys ließ uns zusammenzucken. „Tut mir Leid!“, rief Shôto direkt, stürzte zu seinem Rucksack und holte das Telefon heraus, nahm den Anruf entgegen. Man konnte ihm ansehen, dass er wenig begeistert war über denjenigen, der am anderen Ende der Leitung brüllte. Kacchan und ich sahen uns erschrocken an. Er setzte zu einer Frage an, doch ich schüttelte den Kopf. Ich konnte mir denken, wer das gerade war, der Shôto da anbrüllte. Ich stand auf, ging zu ihm und blieb neben ihm stehen. Seine ungleichen Augen waren angsterfüllt und geweitet. Sein Gesicht blass, sodass die Narbe noch deutlicher hervorstach. Sanft nahm ich seine Hand und drückte sie. „Ja... ja... ich bin gleich zu Hause... ja... tut mir Leid... ja...“, murmelte Shôto immer wieder in das Telefon und klammerte sich regelrecht an meine Hand. Als das Gespräch endlich endete, sah er mich an. Sofort zog ich ihn in eine Umarmung und spürte, wie die Kraft aus ihm schwand. Wir sanken gemeinsam auf den Boden und blieben dort sitzen. „Dein Vater ist ein Idiot...“, murmelte ich und strich ihm beruhigend über den Rücken. Shôto drückte sich an mich und versteckte sein Gesicht an meiner Schulter. „Tut mir Leid, dass ihr das mitbekommen habt...“, hauchte er mit zittriger Stimme. In diesem Moment nahm ich eine Bewegung neben uns wahr und sah auf. Kacchan hatte sich neben uns gesetzt und sah irgendwie verloren aus. „Was war das denn für ein Psycho?“, fragte er, schließlich wusste er noch überhaupt nichts. Shôto sah auf und ihn an, seufzte dann leise und senkte den Blick. „Mein Vater... Er will, dass ich auf der Stelle nach Hause komme...“, erklärte er nun. „Ich frage meine Mutter, ob sie dich nach Hause fahren kann...“, bot ich an. Shôto nickte dankbar und lächelte matt. „Aber nur, wenn es keine Umstände macht...“ Ich drückte ihn noch einmal kurz an mich. „Keine Sorge, das macht ihr sicher keine Umstände. Sie ist total in dich vernarrt“, ließ ich ihn grinsend wissen und stand auf. Mit eiligen Schritten lief ich zu meiner Mutter und schilderte ihr kurz, was gerade vorgefallen war. „Natürlich fahre ich ihn!“, sagte sie sofort. Im gleichen Moment hörte ich wie die Spülmaschine anfing zu piepsen. „Danke Mama! Kacchan und ich räumen derweil die Spülmaschine aus“, lächelte ich und hoffte, dass Kacchan sich nicht quer stellen würde. Wir gingen gemeinsam zu meinem Zimmer. Kacchan und Shôto saßen immer noch auf dem Boden und unterhielten sich leise miteinander. „Komm, junger Mann. Wir wollen doch deinen griesgrämigen Vater nicht noch länger warten lassen...“, lächelte meine Mutter an Shôto gerichtet. Er sah sie an und lächelte dann. „Danke! Ich hoffe, ich bereite keine Umstände...“ „Nicht im geringsten!“, erwiderte meine Mutter. Shôto verabschiedete sich von Kacchan und mir, nahm seinen Rucksack und eilte meiner Mutter hinterher. Ich sah Kacchan an. In seinen Augen konnte ich eine gewisse Wut sehen. „Er hat es dir erzählt?“, fragte ich leise und kniete mich neben ihn. Er nickte und sah mich an. „Wie kann ein Vater nur so sein...?“, wollte er leise wissen. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht...“ Kacchan seufzte leise und ließ die Schultern hängen. Ich stupste ihn sanft an und lächelte. „Die Spülmaschine ist fertig. Hilfst du mir beim Ausräumen?“ Kacchan sah mich an und auf seinen Wangen zeigte sich wieder ein Rotschimmer. Er nickte nur und stand auf. Gemeinsam räumten wir das saubere Geschirr in die Schränke und waren bereits wenige Minuten später fertig. Meine Mutter war immer noch unterwegs und würde es auch noch die nächsten zwanzig Minuten sein, sodass wir nun alleine waren. Fast schon schüchtern sah Kacchan mich an. „Izu...“, begann er. Wir standen noch in der Küche. Also zog ich ihn ins Wohnzimmer auf die Couch, wo es bequemer war und sah ihn abwartend an. „Es tut mir Leid, dass ich heute morgen nicht auf dich gewartet habe... Und dass du Kopfschmerzen hattest war sicher auch meine Schuld...“ Blinzelnd sah ich ihn an, rutschte dann näher an ihn heran und nahm eine seiner Hände. „Du hattest an den Kopfschmerzen überhaupt keine Schuld. Ich hab gestern einfach zu wenig getrunken...“, beruhigte ich ihn. Er sah mich an und zog mich dann in seine Arme. „Du bist mein Ende des roten Fadens... Und ich laufe nicht mehr davor weg...“, flüsterte er. Mein Herz begann heftig in meiner Brust zu schlagen. Was genau wollte er mir damit sagen? Ich versteckte meine glühenden Wangen an seiner Schulter. Mich an ihn zu schmiegen fühlte sich so verdammt gut an, dass ich ihn im Moment gar nicht loslassen wollte. „Das heißt, wir gehen weiterhin zusammen zur Schule und nach Hause?“, nuschelte ich. „Und ich darf bei dir bleiben?“ Sein Griff um meine Taille verstärkte sich. Er zog mich noch näher an sich und nun spürte ich, dass auch sein Herz schnell schlug. „Kannst du mir denn verzeihen, was ich dir angetan habe?“, wollte er wissen. Ich ließ mir mit der Antwort einen Moment Zeit. „Du hattest doch deine Gründe...?“ Ich hatte diesen Satz normal formulieren wollen, doch er hörte sich trotzdem an wie eine Frage. Kacchan nickte und im gleichen Moment spürte ich seine Lippen an meinem Hals. Unsicher hauchte er dort einen winzigen Kuss hin. „Ich wollte nicht, dass du merkst, wie viel du mir bedeutest... Und ich wusste mir nicht anders zu helfen, als mir selbst einzureden, dass ich dich gar nicht lieb habe...“ Ich hielt ganz still. Seine Lippen hinterließen ein Kribbeln an der Stelle, das sich in Windeseile in meinem ganzen Körper ausbreitete. „Ich verzeihe dir...“, flüsterte ich. „Aber von jetzt ab darfst du es mir gern zeigen...“ Wir saßen noch eine Weile Arm in Arm auf der Couch und kuschelten miteinander, bis meine Mutter wieder nach Hause kam. Schimpfend ließ sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Verwundert sahen wir sie an, als sie zu uns ins Wohnzimmer kam. „Dieser Mann ist eine Zumutung!“ „Shôtos Vater?“, fragte ich und stand auf um für uns alle drei Tee zu machen. „Ja! So jemand sollte sich überhaupt nicht Vater nennen dürfen! Der arme Junge...“ Meine Mutter war richtig aufgebracht. So hatte ich sie noch nie erlebt. Sie beruhigte sich allerdings nach einigen Minuten, in denen sie sich über Shôtos Vater ausließ. „Aber seine große Schwester ist ein Goldstück! Das vollkommene Gegenteil und so lieb!“, begann sie zu schwärmen. Kacchan sah sie überrascht an. Ich lachte nur leise über diese Wandlung. Ich hatte mich wieder neben ihn gesetzt, hielt aber ein wenig Abstand. Als unser Telefon klingelte, sprang ich auf. Kacchan unterhielt sich gerade angeregt mit meiner Mutter. Auch wenn Tante Mitsuki und sie sehr gute Freundinnen waren, so war Kacchan schon lange nicht mehr bei uns gewesen und meine Mutter war nun mal neugierig. Ich nahm den Anruf entgegen. „Ah, hallo Izuku!“, hörte ich Tante Mitsuki am anderen Ende ins Telefon flöten. „Ich wollte mich nur mal erkundigen, ob sich Katsuki heute noch bequemt seinen Hintern nach Hause zu schwingen oder ob er dafür zu faul ist und bei dir übernachten will.“ Ich lachte leise. „Moment, ich frage mal eben, was ihm vorschwebt...“, vertröstete ich sie, legte den Hörer beiseite und ging wieder ins Wohnzimmer. „Kacchan, deine Mom fragt, ob du hier übernachten willst oder doch lieber nach Hause kommst“, grinste ich breit. Er sah mich an und schien zu überlegen. „Ich glaube, es ist besser, ich gehe nach Hause...“, erwiderte er dann. Ich nickte ihm zu und ging wieder zum Telefon zurück. „Tante Mitsuki? Kacchan kommt demnächst nach Hause“, informierte ich sie. Sie bedankte sich bei mir und wünschte noch einen schönen Abend. Ich legte den Hörer wieder auf die Gabel und sah, wie Kacchan in meinem Zimmer verschwand um seine Sachen zu holen. Ich folgte ihm und beobachtete ihn dabei. Tbc... Kapitel 23: Lotteriegewinn! --------------------------- Als er fertig war, blieb er vor mir stehen. „Wir sehen uns dann morgen zur gewohnten Zeit am gewohnten Ort...“, lächelte er, sodass meine Knie weich wurden. Ich nickte und lächelte ihn ebenfalls an. „Komm gut nach Hause und bis morgen früh.“ Einen langen Moment blickte er mir in die Augen, nahm dann mein Gesicht in beide Hände und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. Er ließ mich wieder los und verschwand, bevor ich etwas sagen konnte. „Sei vorsichtig auf dem Heimweg, Katsuki! Und richte deiner Mutter liebe Grüße aus!“, hörte ich meine Mutter noch rufen, dann fiel die Haustür zu. Mein Herz wummerte in meiner Brust und ich rutschte an der Wand entlang auf den Boden. Dieser Kuss hatte bewirkt, dass meine Knie nun wirklich aus Butter waren und ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Meine Wangen glühten wieder. Ich versuchte ruhig ein und aus zu atmen und mich zu beruhigen. Seit wann hatte Kacchan so eine Wirkung auf mich? Meine Mutter riss mich aus meinen Gedanken, als sie an meiner Zimmertür klopfte. „Izuku? Das Badewasser ist eingelassen. Geh baden und dann ins Bett“, forderte sie mich auf. Ich warf einen Blick auf meine Uhr und stellte fest, dass ich zehn Minuten so gesessen hatte ohne mich zu rühren. Dafür war ich jetzt aber wieder ruhiger. „Ja, mach ich Mama. Danke“, antwortete ich ihr, rappelte mich auf und ging ins Badezimmer um das warme Wasser zu genießen. In dieser Nacht schlief ich das erste Mal seit langem wieder vollkommen traumlos und startete so ausgeruht in den nächsten Tag. .~*~. In den folgenden zwei Wochen stellte sich langsam eine angenehme Routine zwischen Kacchan, Shôto und mir ein. Wie schon zuvor traten Kacchan und ich den Schulweg gemeinsam an. In der Schule selbst gesellte er sich dafür immer häufiger zu Shôto und mir, sodass wir meist zu dritt irgendwo saßen und uns unterhielten. Nach der Schule gingen wir dann oft zu mir um Hausaufgaben zu machen oder Videospiele zu spielen. Kacchan freute sich beim Spielen immer diebisch, wenn Shôto sich geschlagen geben musste und verlor. Doch er war ein guter Verlierer, sodass sich meistens doch Kacchan im Nachhinein wieder darüber ärgerte. Es war ein lustiges Schauspiel zwischen den beiden, das ich mir immer wieder gerne anschaute. Sie verstanden sich inzwischen auch sehr viel besser, nachdem Shôto auch Kacchan alles erzählt hatte, was bei ihm zu Hause so vorfiel. Wir beide hatten ihn davon abhalten müssen nicht aufzuspringen und zu den Todorokis zu gehen um Shôtos Vater die Meinung zu sagen. Shôtos Schwester Fuyumi hatten wir ebenfalls kennenlernen dürfen. Sie hatte sich bereit erklärt, Shôto immer abzuholen, damit sein Vater nicht ständig ausrastete. Wie meine Mutter bereits gesagt hatte, war sie wirklich eine sehr liebe Person. .~*~. Eines Nachmittags kam meine Mutter freudestrahlend nach Hause. Kacchan, Shôto und ich saßen gerade am Esszimmertisch und lernten für eine Klausur. „Ihr werdet nicht glauben, was gerade passiert ist...“, begann sie und stellte eine Papiertüte mit Einkäufen auf die Arbeitsflächen in der Küche. „Erzähl schon, was ist passiert?“, fragte ich grinsend. Sie kam auf mich zu und drückte mir auf jede Wange einen dicken Kuss. Ein wenig peinlich war es mir schon, so von Kacchan und Shôto gesehen zu werden, doch inzwischen kannten sie meine Mutter und auch sie blieben nicht verschont. Erbarmungslos drückte sie auch ihnen auf jede Wange einen Kuss. „Mama?“, fragte ich erneut. Sie grinste breit und geheimnisvoll, blieb vor unserem Kalender stehen und fuhr mit dem Finger auf den Zahlen entlang. „Ihr drei nehmt euch für das übernächste Wochenende nichts vor“, begann sie dann und drehte sich zu uns um. „Wir drei?“, fragte Kacchan und sah Shôto und mich fragend an. Wir zuckten nur mit den Schultern. Das Grinsen meiner Mutter wurde noch breiter. „Ich habe vorhin in der Lotterie gewonnen. Ein Wochenende für sechs Personen in einem Onsen!“ Perplex sah ich meine Mutter an, bis das gerade Gesagte zu mir durchgedrungen war. Jubelnd sprang ich auf und umarmte meine Mutter. „Wirklich?“ „Ja! Wenn ich es doch sage!“, bestätigte meine Mutter. Gemeinsam sprangen wir im Wohnzimmer vor Freude auf und ab. Mein Blick fiel auf Kacchan und Shôto, die immer noch nicht wussten, wie sie gerade mit der Situation umgehen sollten. Ich hüpfte freudig zwischen die beiden. „Freut euch! Wir fahren in einen Onsen!“ Unruhig begann Shôto auf seinem Stuhl herum zu rutschen. „Midoriya-san, das kann ich nicht annehmen...“, meinte er leise und senkte den Kopf. Die Freude meiner Mutter und mir wurde sofort gedämpft. „Machst du dir Sorgen wegen deinem Vater?“, fragte sie ihn. Er nickte. Meine Mutter zog einen Stuhl neben ihn und setzte sich. „Mit deinem Vater werde ich schon reden. Du wirst mitfahren“, versprach sie ihm und sah dann Kacchan an. „Mit Mitsuki habe ich bereits geredet. Sie fährt ebenfalls mit, nur dein Vater ist an diesem Wochenende auf Geschäftsreise.“ „Muss die alte Schachtel wirklich mit?“, murrte Kacchan. „Na hör mal... Denkst du so etwa auch über mich?“, fragte meine Mutter ihn. Kacchan zuckte zusammen und sah sie schuldbewusst an. „Nein, Tantchen...“ Triumphierend grinste meine Mutter ihn an. Sie wusste einfach, wie man mit ihm umgehen musste. Ich überlegte einen Moment und sah Shôto dann an. „Also wenn wir drei mitfahren, dazu Mama und Tante Mitsuki... Dann wären wir zu fünft und hätten noch einen Platz frei...“ „Denk nicht mal dran meinen Vater zu fragen!“, zischte Shôto noch ehe ich meine Idee aussprechen konnte. Ich runzelte die Stirn und gab ihm einen leichten Klaps auf den Arm. „Nun lass mich doch mal ausreden. Als wollte ich, dass dein Vater mitgeht... Ich dachte an deine Schwester! Wenn wir Fuyumi-san mitnehmen, wird dein Vater sicher nichts dagegen haben“, erklärte ich. Shôtos Gesicht hellte sich auf. „Meinst du wirklich?“ „Aber sicher! Ich werde sie anrufen und direkt fragen“, bemerkte meine Mutter und lief zum Telefon. Noch während sie mit Shôtos Schwester sprach, hielt sie einen Daumen nach oben und grinste wieder breit. Erfreut legte ich einen Arm um Shôtos Schultern und drückte ihn. „Siehst du?“, sagte ich leise an seinem Ohr und sah, wie seine Wangen eine sanfte Röte annahmen. Er lächelte nun ebenfalls. Nur Kacchan schien wenig begeistert darüber zu sein, dass seine eigene Mutter mitkommen würde. Ich ließ Shôto los und umarmte dafür Kacchan. „Freu dich bitte... Wir können ein ganzes Wochenende zusammen sein...“, flüsterte ich ihm ins Ohr und ließ auch ihn damit erröten. „Ein Königreich für deine Gedanken, Bakugô...“, grinste Shôto frech, als er das sah. Meine Mutter hatte inzwischen das Telefonat beendet und kam zu uns zurück. „Deine Schwester würde mitkommen und versucht es deinem Vater so schonend wie möglich beizubringen. Ich denke nicht, dass er etwas dagegen haben wird, wenn sie dabei ist“, meinte sie und lächelte. „Dann würde ich gerne mitkommen...“, erwiderte Shôto und lächelte verlegen. Unvermittelt drückte Kacchan mich von sich weg und murmelte etwas von Hausaufgaben und Klausur. Ich sah ihn an und grinste noch breiter. Er war ziemlich rot im Gesicht und versuchte es nun so gut es ging zu überspielen und zu verstecken. Aber ich stimmte ihm zu. Wir sollten wirklich noch etwas lernen. Also setzte ich mich wieder an den Tisch und konzentrierte mich auf die Aufgaben. .~*~. Am nächsten Morgen erfuhren wir von Shôto, dass seine Schwester wohl Wunder bewirken konnte und sein Vater zugestimmt hatte, solange Fuyumi ein Auge auf ihn haben würde. Unsere Freude war nun nicht mehr überschattet von Shôtos Vater. Selbst Kacchan nickte wohlwollend, als er davon erfuhr. Das geplante Wochenende rückte mit großen Schritten näher und ich wurde immer aufgeregter. Mehrmals packte ich meine Tasche, räumte sie wieder aus und packte sie erneut. Dabei fuhren wir nur für zwei Übernachtungen weg, sodass ich gar nicht so viel brauchen würde. Geplant hatten wir mit einem gemieteten Wagen, der groß genug war, um uns alle unter zu bringen, am Freitag Nachmittag los zu fahren. Die Fahrt würde etwa drei Stunden in Anspruch nehmen, sodass wir gegen Abend im Onsen ankommen würden. Tbc... Kapitel 24: Onsen ----------------- An besagtem Freitag beeilten Kacchan, Shôto und ich uns um zu mir nach Hause zu kommen. Fuyumi hatte sich bereit erklärt, Shôtos gepackte Tasche mitzubringen. Treffpunkt war Kacchans Zuhause, da Tante Mitsuki sich um den Wagen gekümmert hatte und auch fahren würde. Meine Mutter mochte es nicht, längere Strecken zu fahren, doch Tante Mitsuki machte dies nichts aus. Zuhause angekommen, begrüßten wir meine Mutter und Fuyumi, die bereits eingetroffen war und mit meiner Mutter einen Kaffee trank. Während Kacchan und Shôto bei den beiden blieben, verzog ich mich in mein Zimmer und schälte mich aus meiner Schuluniform. Da es draußen wieder kühler geworden war, entschied ich mich für eine dunkelblaue Jeans und ein weißes T-Shirt mit etwas längeren Ärmeln und einem bunten Aufdruck eines Films. Ich gesellte mich wieder zu den anderen und überließ Shôto mein Zimmer, wo er sich nun ebenfalls umzog. Bisher hatte ich Shôto immer nur in unserer Schuluniform gesehen. Die legere Kleidung, die er nun trug, als er wenige Minuten später zu uns zurück kam, sah ungewohnt und doch wahnsinnig gut an ihm aus. Auch er trug eine lange Hose aus einem dünnen Stoff in einem dunklen grau. Dazu ein hellblauer dünner Pullover mit Rundhalsausschnitt. Ich lächelte ihn an, als er sich zu uns setzte. Auch Kacchan beäugte ihn neugierig. Dadurch, dass die beiden die letzten Wochen immer zusammen mit mir Zeit verbracht hatten, verstanden sie sich nun viel besser. Das Thema mit dem Muttermal rückte in den Hintergrund. Zumindest sprach weder Kacchan noch Shôto davon. Sie verlangten auch nicht, dass ich eine Entscheidung fällte. Trotzdem verhielten sie sich nicht so, wie ich es jetzt von normalen Freunden erwartete. Beide schienen besorgt um mich zu sein, wenn es mir nicht gut ging. Und sie taten alles, damit ich mich wohl fühlte. Allerdings auch alles um mir zu gefallen. Und ich musste zugeben, dass es zugleich ungewohnt und schön war, so von ihnen umschwärmt zu werden. Beide schafften es immer wieder, mein Herz höher schlagen oder meine Hände feucht werden zu lassen. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es wurde langsam Zeit. Tante Mitsuki würde uns bald erwarten. „Sollen wir langsam gehen? Du könntest dich vorher noch umziehen, Kacchan“, schlug ich vor. Alle Anwesenden nickten zustimmend. Wir nahmen unsere Taschen und Jacken, zogen unsere Schuhe an und nachdem meine Mutter unsere Haustür abgeschlossen hatte, gingen wir gemeinsam zu Kacchan nach Hause. Tante Mitsuki stand schon fix und fertig in der Haustüre und erwartete uns mit einem Grinsen. „Da seid ihr ja endlich!“, rief sie uns entgegen und winkte. Bei ihr angekommen schlüpfte Kacchan an ihr vorbei ins Haus um sich ebenfalls umzuziehen und seine Tasche zu holen. Fünf Minuten später stand er wieder bei uns. Er hatte sich für ein Halbarmshirt in schwarz und eine hellblaue Jeans entschieden. Diesmal war es Shôto, der neugierige Blicke in Kacchans Richtung warf. Bildete ich mir das nur ein oder mochten die beiden sich doch mehr als sie sich eingestehen wollten? Ich schmunzelte und zog beide mit mir zum Auto, wo wir uns zu dritt auf die Rückbank setzten. Kacchan links von mir, Shôto rechts von mir. Tante Mitsuki setzte sich hinter das Steuer. Auf dem Beifahrersitz nahm meine Mutter platz und Fuyumi setzte sich auf einen Sitzplatz vor uns, sodass neben ihr sogar noch ein Platz frei war. Unsere Taschen hatten wir zuvor schon hinter der Rückbank im Kofferraum verstaut. Gut gelaunt fuhren wir los. Doch das Schaukeln des Autos, die Unterhaltung der drei Frauen und die Musik, die im Hintergrund lief, ließen mich irgendwann schläfrig werden. Zudem hatte ich in der Nacht zuvor nicht viel Ruhe bekommen, da ich viel zu aufgeregt gewesen war. Mir fielen die Augen zu, obwohl ich krampfhaft versuchte nicht einzuschlafen. Fast zeitgleich fühlte ich plötzlich auf meinen Schultern ein ungewohntes Gewicht. Ich blinzelte müde und sah, dass auch Shôto und Kacchan mit der Müdigkeit gekämpft hatten und ihre Köpfe nun an meinen Schultern lehnten. Lächelnd schloss ich wieder die Augen. Wenn sie schlafen konnten, dann durfte ich das wohl auch. .~*~. Tatsächlich hatten wir es geschafft die ganze Fahrt über zu schlafen. Geweckt wurden wir von Fuyumi, die uns breit grinsend mit ihrem Handy in der Hand fotografierte. Als ich realisierte, wie wir hier saßen, spürte ich direkt die Hitze in mein Gesicht schießen und wollte es in meinen Händen verstecken. Doch im Schlaf hatten Kacchan und Shôto es geschafft, meine Hände in ihre zu nehmen und hielten sie nun fest. „Ihr seid so süß zusammen...“, lächelte Fuyumi und begann nun ihren Bruder zu wecken. Ich selbst bekam kein Wort heraus. Es dauerte nicht lange und Shôto war soweit wach, dass er sich gähnend aufsetzte. Etwas verdutzt sah er seine Schwester an, die ihn angrinste. „Du gehst ja ganz schön ran, Brüderchen“, neckte sie ihn. Er blinzelte, wurde rot und sah mich dann entschuldigend an. Fuyumi grinste noch einmal breit und verließ dann das Fahrzeug um beim Ausladen zu helfen. Auch Kacchan wurde nun wach, schmiegte sich aber noch etwas an mich und drückte meine Hand. So verschmust kannte ich ihn überhaupt nicht, doch es war eine angenehme Abwechslung zu seiner sonstigen Art. „Wir haben dich wohl beide als Kissen missbraucht...“, murmelte Shôto neben mir, als er Kacchan so sah. „Bin ich denn ein bequemes Kissen“, fragte ich leise. Er hielt immer noch meine Hand. Daher nahm ich mir die Freiheit mit dem Daumen über seinen Handrücken zu streicheln. Prompt bekam er rote Wangen und lächelte verlegen. „Ja sehr bequem. Ich könnte mich daran gewöhnen“, erwiderte er frech und machte nun mich verlegen. „Jungs, wollt ihr etwa im Auto übernachten?“, rief in diesem Moment Tante Mitsuki zu uns ins Auto. Kacchan war immer noch nicht ganz wach. Ich lächelte zu ihm, strich ihm über die Wange. „Kacchan, hey... Aufstehen, wir sind da...“, sprach ich ihn an. Er regte sich und rutschte noch ein ganzes Stück näher zu mir. „Wenn du nicht aufsteht, dann gehen Shôto und ich ohne dich baden...“ „Darf man nicht einmal ein bisschen kuscheln...?“, grummelte er, schlug die Augen auf und sah uns an. „Das können wir später auch noch...“, grinste Shôto. Kacchan lugte zu Shôto hinüber, grinste dann. „Das hört sich doch mal nach einem Plan an...“, meinte er und setzte sich schließlich wieder aufrecht hin. Ich verzog das Gesicht. „Na wenn ihr miteinander kuscheln wollt, dann kann ich ja baden gehen...“, neckte ich sie und hüpfte aus dem Auto. Hinter mir konnte ich ein Grummeln und Japsen hören und kicherte in mich hinein. Meine Mutter übergab mir meine Tasche und nachdem Shôto und Kacchan es endlich geschafft hatten auch auszusteigen, schloss Tante Mitsuki den Wagen ab und wir meldeten uns bei der Hausverwalterin an. Es war eine ältere Dame, die uns herzlich begrüßte und uns auf unsere Zimmer brachte. Auf dem Weg dorthin zeigte sie uns gleich auch, wie wir zu den Bädern kamen. Meine Mutter teilte sich mit Tante Mitsuki und Fuyumi ein Zimmer, sodass Kacchan, Shôto und ich ein weiteres Zimmer für uns hatten. Wenn Shôtos Vater das gewusst hätte, wäre er wohl an die Decke gegangen. .~*~. Unschlüssig standen wir mitten im Zimmer und trauten uns nicht einander anzuschauen. Eine Stille war zwischen uns eingetreten, die sich seltsam anfühlte. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dass sich an diesem Wochenende einiges ändern würde. „Und nun?“, fragte ich schüchtern und knabberte nervös an meiner Unterlippe. „Ich weiß nicht...“, murmelte Shôto, stellte seine Tasche ab und ging zu der Schiebetür um sie zu öffnen. Das Onsen war ein altes Haus im japanischen Stil. Als Shôto die Tür geöffnet hatte, offenbarte sich ein schön gepflegter Garten. Aus der Ferne konnte man Wasser plätschern hören und ein Bambusrohr, das in regelmäßigen Abständen ein dumpfes 'Klonk' von sich gab, jedes Mal, wenn es gefüllt war und auf die andere Seite kippte um sich wieder zu entleeren. Vereinzelt konnte man Zikaden zirpen hören. Eine angenehme Ruhe befiel mich, sodass ich die Augen schloss und die ganzen ungewohnten Geräusche in mich aufnahm. „Müde?“, fragte Kacchan leise neben mir. Ich öffnete die Augen und blickte ihn an, schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, überhaupt nicht. Es ist nur so angenehm hier...“ „Als wäre man in einer anderen Welt...“, fügte Shôto hinzu und drehte sich zu uns um. Kacchan nickte langsam. Auch er stellte seine Tasche ab und streckte sich. Ich stellte nun meine Tasche ebenfalls neben die beiden anderen. Die Stille, die sich nun über uns legte, war eine vollkommen andere. Nicht mehr seltsam wie zuvor, sondern angenehm. Eine Stimme vor unserer Tür erregte unsere Aufmerksamkeit. Kurz darauf wurde die Tür aufgeschoben und Fuyumi erschien im Türspalt. „Wollt ihr mit uns zu Abend essen?“, fragte sie und lächelte. „Oder habt ihr besseres vor?“ Sie wackelte zweideutig mit ihren Augenbrauen. Sofort schoss mir die Hitze in die Wangen. „Schwester!“, zischte Shôto. Auch er und Kacchan hatten rote Wangen bekommen. „Essen hört sich gut an...“, meinte ich und ging zu ihr. Hinter mir hörte ich, wie Shôto die Tür zum Garten zuzog. Dann kamen zwei unterschiedlich laute Schrittmuster auf mich zu. Eines eher schnell und tapsig, das andere ruhig und langsamer. Überrascht bemerkte ich, dass Shôto der tapsige auf den Tatamimatten war und Kacchan der ruhige. Ich lächelte die beiden an und gemeinsam folgten wir Fuyumi den Gang hinunter in ein weiteres Zimmer. Wir setzten uns im Schneidersitz an den Tisch zu unseren Müttern, die bereits auf uns warteten. Das Essen, das uns serviert wurde, war reichhaltig und sehr lecker. Tbc... Kapitel 25: Geständnis #1 ------------------------- Nach dem Essen beschlossen wir alle, dass es nun endlich Zeit war zu baden. Die Bäder waren Geschlechtergetrennt, also gingen Kacchan, Shôto und ich in den Bereich für Männer, während Tante Mitsuki, Fuyumi und meine Mutter im Bereich für Frauen verschwanden. Wir zogen uns aus und ich versuchte mich so normal wie möglich zu verhalten, auch wenn es nicht ganz einfach war. Die Tatsache, dass sowohl Kacchan als auch Shôto die ganze Zeit nackt sein würden, trieb mir wieder das Blut in den Kopf. Und ich musste sagen, glücklicherweise dorthin und nicht woanders hin... Wir wuschen uns schweigend, schlangen dann unsere kleinen Handtücher um die Hüften, die fast mehr zeigten, als sie verdeckten, und betraten den Bereich mit den heißen Quellen. Dieser lag draußen und war riesig! Eine große Holzwand versperrte uns die Sicht auf den gesamten Bereich, doch da ich von der anderen Seite aus die Stimmen von unseren Müttern hören konnte, nahm ich an, dass sich dort das Bad der Frauen befand. Ich legte mein kleines Handtuch zusammen und auf meinen Kopf, wie es in Onsen üblich war, und glitt langsam in das heiße Wasser. Hinter mir hörte ich es Plätschern. Auch Shôto und Kacchan waren nun im Wasser. Jetzt erst traute ich mich wieder sie anzuschauen. Es sah schon lustig aus, wie wir alle drei mit den Handtüchern auf den Haaren im Wasser saßen. Wir setzten uns gemeinsam an den Rand und entspannten uns. Wie immer saß ich zwischen den beiden. „Das ist so angenehm hier...“, murmelte ich und schloss die Augen. Neckende Finger legten sich unter Wasser über meine, strichen leicht darüber. Ich lächelte, griff nach der Hand und hielt sie fest. Ich wusste, es war Kacchans Hand, schließlich saß er auf dieser Seite. Und auch Shôto nahm nach wenigen Minuten schüchtern meine Hand. Eine Weile saßen wir so da und genossen das Wasser und auch die gegenseitige Nähe. Langsam wurde mir schummrig. „Ich glaube, ich gehe dann mal raus...“, meinte ich leise. Mir war ziemlich warm. „Sollen wir dich begleiten?“, fragte Shôto. Ihm schien die Hitze nichts auszumachen. Ich schüttelte den Kopf. „Nicht nötig, genießt noch das Wasser ein bisschen“, lächelte ich beruhigend. Langsam rutschte ich Richtung Ausgang, stand dann auf und schlang mir mein kleines Handtuch erneut um die Hüften. Auf wackligen Beinen verließ ich den Quellenbereich. Hinter mir hörte ich tapsenden Schritte. Als ich mich umblickte, standen Kacchan und Shôto vor mir. „Als würden wir dich je alleine lassen...“, brummte Kacchan mit roten Wangen. Wir trockneten uns ab und schlüpften dann in dunkelblaue Yukatas, die angenehm leicht auf der Haut lagen. Als wir das Bad verließen, sahen wir Fuyumi und meine Mutter, die Tante Mitsuki in ihre Mitte genommen hatten und stützten. „Mama? Was ist passiert?“, fragte ich und lief zu ihnen. Meine Mutter lächelte uns an. „Mitsuki ist die Hitze zu Kopf gestiegen. Vielleicht war es auch der Sake, den sie getrunken hat. Macht euch keine Gedanken, sie braucht nur ein wenig Ruhe“, erklärte sie. Tante Mitsuki hatte sehr rote Wangen und lächelte beschämt. „Typisch...“, murrte Kacchan hinter mir. Als ich ihn ansah, bemerkte ich einen Augenblick lang einen besorgten Gesichtsausdruck bei ihm, der aber direkt wieder verschwand. „Nie weißt du, wann es genug ist...“ Sanft schob ich Kacchan zur Seite um die drei Frauen durchzulassen und lächelte ihn beruhigend an. „Das sagt der Richtige... Du hast das von ihr...“, neckte ich ihn. Fast schien es, als wollte er mich mit seinen roten Augen aufspießen, bis sein Blick sanfter wurde. Ich hatte das Gefühl, als würde ich von seinem Blick gefesselt werden und unfähig mich von ihm abzuwenden. Zudem stand ich ziemlich dicht vor ihm, sodass ich den Luftzug seines Atems auf meinem Hals spüren konnte. „Lasst uns aufs Zimmer gehen...“, schlug Shôto in diesem Moment vor. Kacchan blinzelte und unterbrach damit den Bann, den er auf mich gelegt hatte. Peinlich berührt wich ich einen Schritt zurück und folgte Shôto auf unser Zimmer. Wieder stellte sich diese seltsame Stille zwischen uns ein. Als wir in unserem Zimmer angekommen waren, sahen wir, dass nun drei Futons zusammengelegt an einer Wand lagen. Da es schon spät war breiteten wir sie nebeneinander aus und legten uns schlafen. Es war ungewohnt, noch jemanden im Zimmer zu haben und so tat ich, als wäre ich eingeschlafen, lauschte auf die Atmung rechts und links von mir. Erst als ich wirklich sicher war, dass beide eingeschlafen waren, öffnete ich die Augen und starrte an die Decke. Nach wenigen Minuten hielt ich es nicht mehr aus, stand leise auf und verließ das Zimmer über die Tür, die zum Garten führte. Ich setzte mich neben das Zimmer auf die Veranda und zog die Beine an. Nachdenklich blickte ich so in den Garten hinaus und vergaß vollkommen die Zeit. .~*~. Da ich die Tür zu unserem Zimmer nicht komplett zugezogen hatte, hörte ich auch nicht, wie jemand das Zimmer verließ. „Was machst du denn hier draußen?“, hörte ich Kacchans Stimme. Ich blickte ihn an und schüttelte den Kopf. „Ich konnte nicht schlafen...“ Er setzte sich neben mich und nahm wie selbstverständlich meine Hand. Wieder vergingen Minuten, in denen wir nichts sagten. „Izu...“, begann Kacchan schließlich. Ich blickte zu ihm und sah, dass er auf den Garten starrte. Sanft drückte ich seine Hand um ihm zu signalisieren, dass ich ihm zuhörte. Doch er sprach nicht, sondern seufzte nur. „Kacchan?“, fragte ich leise und lehnte mich an ihn. „Ich will nicht, dass sich etwas ändert... Aber ich möchte, dass du es weißt...“, sagte er leise. Ich nickte und schmiegte meine Wange an seine Schulter. „Es wird sich nichts ändern...“ „Auch nicht, wenn ich dir sage, dass ich dich liebe?“, gestand er und schloss die Augen. Ich blinzelte, hob meinen Kopf und sah ihn an. Erst jetzt öffnete er seine Augen wieder und blickte mich an. „Izuku Midoriya, ich liebe dich. Und das nicht erst, seit ich von dieser Legende und den Muttermalen weiß. Ich liebe dich schon seit so langer Zeit...“, flüsterte er. Sprachlos sah ich ihn an. Dass er mich mochte wusste ich ja bereits. Aber dass er mich liebte? So wie meine Mutter meinen Vater liebte? Oder doch eher wie einen kleinen Bruder? Ich schluckte, öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. „Ich liebe dich. Nicht wie einen kleinen Bruder, sondern wie jemanden, mit dem ich gerne alle Höhen und Tiefen gemeinsam erleben möchte...“ Wieder hatte sein Blick mich gefesselt. Mein Herz klopfte wahnsinnig schnell in meiner Brust und ich hatte fast das Gefühl, dass es mir gleich ein paar Rippen brechen würde. „Kacchan... ich...“, begann ich, wurde aber von ihm direkt unterbrochen. „Nein, sag bitte nichts... Ich weiß, dass du meine Gefühle nicht erwiderst... Ich muss es nicht hören... Lass uns bitte weiterhin Freunde sein...“, bat er leise und mit gequälter Stimme. Nun klopfte mein Herz nicht mehr so heftig. Dafür schmerzte es umso mehr. Er ließ meine Hand los und verbarg sein Gesicht in seinen Händen. „Ich habe alles kaputt gemacht...“ Schloss er das etwa aus meinem Schweigen? Ohne groß darüber nachzudenken kniete ich mich neben ihn, drückte seine leicht angezogenen Beine nach unten und setzte mich rittlings auf seine Oberschenkel. Kurz zupfte ich den Yukata zurecht und zog dann sanft seine Hände von seinem Gesicht, drückte eine davon an meine Wange und schmiegte mich daran. Er blickte mich ängstlich an, doch ich lächelte beruhigend. „Wenn du mich ausreden lassen würdest, dann wüsstest du, dass du nichts kaputt gemacht hast...“, begann ich und überlegte kurz, wie ich ihm meine Situation verständlich erklären konnte. „Um ehrlich zu sein bin ich verwirrt... Ich weiß gerade gar nicht, was genau ich fühle. Aber ich kann jetzt schon sagen, dass es über reine Freundschaft hinaus geht. Du hast mich gerade so wahnsinnig glücklich gemacht, dass ich es nicht in Worte fassen kann...“ Er sah mir tief in die Augen und ich konnte sehen, dass in ihm ein Stückchen Hoffnung wuchs. Wieder schmiegte ich mich an seine Hand. „Ich weiß, dass ich gerade sehr egoistisch bin und dich damit vermutlich verletzen werde, obwohl das das Letzte ist, das ich überhaupt möchte... Aber ich würde gerne weiterhin so viel Zeit mit dir verbringen. Und ich will immer noch mit dir befreundet sein...“ Kacchan fing an zu lächeln, legte dann seine freie Hand auf meine Taille und zog mich etwas näher zu sich. „Ich werde warten. Egal wie lange es dauert oder wie oft du mich verletzen solltest. Ich werde warten, bis du eine Antwort gefunden hast...“, hauchte er. Tbc... Kapitel 26: Kribbeln -------------------- Glücklich schlang ich meine Arme um seinen Hals und schmiegte mich nun komplett an ihn. Wieder verrutschte der Yukata ein Stückchen, doch in diesem Moment störte es mich nicht. Ich schloss die Augen, kuschelte mich in seine Arme und genoss diese Nähe. „Wie gerne würde ich dich jetzt küssen...“, hörte ich Kacchan gegen meine Haare hauchen. Ich blinzelte, kicherte leise. „Was hält dich davon ab?“ Irgendetwas ließ mich mutig werden. Und neugierig. Wie sich wohl Kacchans Lippen anfühlen würden? Ich schluckte, als er mit zarten Berührungen meinen Kopf anhob und mir in die Augen schaute. „Ich will nichts tun, was du nicht auch möchtest...“, flüsterte er. In seinem Blick sah ich Unsicherheit. Ich lächelte, schlang meine Arme um seinen Hals und zog ihn zu mir. „Du wirst es merken, wenn ich etwas nicht möchte...“, ließ ich ihn wissen. Es dauerte keinen Wimpernschlag, da spürte ich bereits seine Lippen auf meinen liegen. Sie waren weich und warm und bewegten sich ganz leicht gegen meine. Ich hatte keine Ahnung, wie man richtig küsste, also beschloss ich mich einfach von Kacchan leiten zu lassen. Meine Augen schlossen sich wie von selbst und ich ahmte seine Bewegungen nach. In meinem Bauch begann es zu kribbeln. Er zog mich näher an sich, schlang beide Arme um mich und vertiefte den Kuss. Im ersten Moment etwas überfordert, seufzte ich dann wohlig auf. Das tat gut! So nah bei Kacchan zu sein, seinen Körper so dicht an meinem zu spüren, ihn zu schmecken! Meine rechte Hand vergrub sich sanft in seinen Haaren. Auch er seufzte auf, leckte dann zögerlich kurz über meine Unterlippe. Unwillkürlich musste ich lächeln und gewährte ihm somit Einlass. Fast schon schüchtern begann er meinen Mund zu erkunden, strich mit der Zungenspitze meine Zähne entlang und verwickelte dann meine Zunge in ein neckendes Spiel. Das Kribbeln wurde noch stärker und es tat so gut, dass ich mit Mühe ein leises Stöhnen unterdrücken musste. Bevor es noch ausarten konnte, löste sich Kacchan schließlich von mir. Ich spürte seinen Blick auf mir als er mich betrachtete. Seine Lippen waren leicht geschwollen und so verführerisch in diesem Moment, dass ich ihn am Liebsten weiter küssen wollte. Doch ich hielt mich zurück. Lächelnd schmiegte ich mich wieder an ihn. Einige Minuten blieben wir so mit geschlossenen Augen sitzen und beruhigten uns. Kacchan hatte immer noch eine Hand auf meinem Rücken liegen, die andere strich ganz leicht über meinen nackten Oberschenkel. Ob von der kühlen Nachtluft oder seinen zarten Berührungen hervorgerufen bildete sich eine Gänsehaut auf meinen Beinen. Er schien es zu spüren und drückte mich an sich. „Lass uns ins Bett gehen, sonst erkälten wir uns noch...“, flüsterte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Ich nickte, rutschte von ihm herunter und stand auf. Etwas wacklig auf den Beinen hielt ich mich an Kacchan fest, der ebenfalls aufgestanden war. Er bedachte mich mit einem besorgten Blick. „Alles okay?“ Ich nickte und lächelte. „Ja, alles Bestens. Nur etwas steif...“, sagte ich schneller als ich darüber nachdenken konnte und spürte schlagartig die Hitze in meinen Wangen. „Also... ich meine... vom langen Sitzen... meine Beine und so...“, stammelte ich verlegen. Kacchan kicherte leise, beugte sich zu mir und hauchte mir wieder einen Kuss auf die Stirn. „Schon klar...“, neckte er mich. Gemeinsam betraten wir leise unser Zimmer um Shôto nicht zu wecken, welcher friedlich in seinem Futon schlief. Wir krabbelten unter unsere Decken. Ich schloss die Augen und spürte plötzlich suchende Finger von Kacchans Seite zu mir wandern. Lächelnd kam ich seiner Hand entgegen und verschränkte meine Finger mit seinen. So schliefen wir schließlich ein. .~*~. Am nächsten Morgen wurde ich vom Vogelgezwitscher wach. Noch immer hielt Kacchan meine Hand, war sogar etwas näher an mich gerutscht und schlief noch. Auf meiner anderen Seite lag Shôto zusammengerollt und mit dem Gesicht zu mir. Er war schon wach und beobachtete mich. „Guten Morgen“, flüsterte ich und lächelte ihn an. Er erwiderte das Lächeln. „Guten Morgen, Izu-kun...“ Vorsichtig befreite ich mich von Kacchan, der daraufhin leider wach wurde und mich grummelnd an sich zog und als Kissen missbrauchte. Ich kicherte, strich ihm durch die Haare und schob ihn abermals von mir. „Kacchan, lass mich aufstehen...“, bat ich, entkam dann schließlich auch seinen Armen und flüchtete auf die Toilette. Als ich zurück war, hatten sowohl Shôto als auch Kacchan es endlich geschafft aus dem Bett zu kommen und saßen nebeneinander auf der Veranda, ließen die Beine hinabbaumeln und unterhielten sich leise miteinander. Einige Momente lang beobachtete ich die beiden und freute mich wahnsinnig, dass sie sich scheinbar doch inzwischen gut verstanden. Das war meine größte Sorge gewesen, dass die beiden sich ständig streiten würden. Ich ging leise zu ihnen und setzte mich neben Kacchan. „Habt ihr Lust ein wenig die Gegend mit mir zu erkunden?“, fragte ich und blickte in den Himmel. Dieser war strahlend blau mit vereinzelten Schönwetterwölkchen. Nach Regen sah es jedenfalls definitiv nicht aus. „Klar, gerne“, antwortete Shôto sofort. „Wenn's dich glücklich macht...“, gab Kacchan in seinem üblich mürrischen Ton von sich. Ich grinste breit. „Ja, tut es!“ .~*~. Wir zogen unsere Freizeitkleidung an und gingen dann zum Frühstück. Dort setzten wir uns zu unseren Begleiterinnen. Tante Mitsuki sah schon viel besser aus. „Hättet ihr was dagegen, wenn wir ein bisschen die Gegend erkunden?“, fragte ich schließlich, als wir fertig waren. Meine Mutter tauschte mit Tante Mitsuki und Fuyumi einen kritischen Blick. „Versprecht ihr uns spätestens zum Abendessen wieder hier zu sein?“, verlangte Tante Mitsuki schließlich. Kacchan klickte mit der Zunge. „Sehen wir etwa aus wie kleine Kinder? Natürlich...“, grummelte er. Ich unterdrückte ein Kichern. „Ich nehme mein Handy mit für den Notfall“, versprach ich. „Und benimm dich, Katsuki!“ Man konnte Tante Mitsuki ansehen, dass die Widerworte ihres Sohnes ihr nicht gefallen hatten. „Wir passen auf ihn auf! Bis heute Abend!“, rief ich und zog Kacchan hinter mir her aus dem Raum, bevor es noch einen Streit gab. Shôto folgte uns und zu dritt machten wir uns auf den Weg. .~*~. Die kleine Stadt, die etwa eine halbe Stunde Fußmarsch vom Onsen entfernt lag, hatte einen schönen Park, in dem wir uns die meiste Zeit aufhielten. Einen alten Tempel fanden wir ebenfalls. Es machte sehr viel Spaß Zeit mit den beiden zu verbringen. So lernte ich mehr über Shôto und auch Kacchan gab uns kleine Einblicke in seine Geheimnisse, von denen selbst ich nicht alle kannte. Mit wachsender Begeisterung beobachtete ich, wie sich die beiden immer besser verstanden und auch, dass Shôto es schaffte in Gegenwart von Kacchan zumindest ein Lächeln zustande zu bringen. Um die Mittagszeit herum suchten wir uns einen Imbiss, wo wir eine Kleinigkeit aßen. Was mich die ganze Zeit wunderte, war die Tatsache, dass Kacchan sich nicht das Geringste anmerken ließ, welche Gefühle er für mich hegte. Einerseits war ich ihm dankbar dafür, dass er mich zu nichts drängte. Andererseits machte es mich auch etwas traurig, weil ich mir doch insgeheim wünschte, dass er mir ab und zu vielleicht mit kleinen Gesten zeigte, was ich ihm bedeutete. Und dann war da noch Shôto. Was ich für ihn fühlte, war mir ebenfalls nicht klar. Ich mochte ihn. Sehr sogar. Und zwar mehr als nur einen gewöhnlichen Freund. Doch auch er ließ sich nichts anmerken, ob er vielleicht Interesse an mir hatte. Am späten Nachmittag machten wir uns wieder auf den Weg zurück zum Onsen, zogen uns dort wieder die leichten Yukata über und da wir noch etwas Zeit hatten bis zum Abendessen beschlossen wir vorher noch einmal baden zu gehen. Das heiße Wasser fühlte sich wie immer wahnsinnig gut an und entspannte uns. Auch hier nutzten weder Kacchan noch Shôto die Gelegenheit mir näher zu kommen. Sie blieben beide zwar dicht neben mir sitzen und hielten auch meine Hände, doch sonst passierte nichts. Nach dem Abendessen waren wir so müde, dass wir uns in unser Zimmer verzogen. Kacchan setzte sich mit seinem Handy auf die Veranda und spielte ein wenig. Shôto und ich ließen ihm seine Ruhe. Ab und an etwas Abstand war vielleicht gar nicht verkehrt. Shôto zog ein Buch aus seiner Tasche und ich hörte ein wenig Musik, während ich ein wenig auf meinem Handy im Internet surfte. Bis zum Schlafen gehen lag eine seltsame Stille über uns, die nur vom Rascheln von Kleidung oder Futons durchbrochen wurde. Und wieder konnte ich an diesem Abend nicht schlafen. Die Erinnerungen an den Kuss, den ich am Abend zuvor mit Kacchan geteilt hatte, kamen mir wieder in den Sinn und ließen meine Wangen heiß werden. Ob er mich jemals wieder so küssen würde? Ich lauschte und es schien, als würden sowohl Kacchan als auch Shôto bereits schlafen. Also stand ich ganz leise auf und beschloss noch einmal die heißen Quellen zu nutzen. Vielleicht würde mich das heiße Wasser so müde machen, dass ich dann schlafen konnte. Tbc... Kapitel 27: Geständnis #2 ------------------------- Im Quellenbereich suchte ich mir eine Stelle, die etwas abseits gelegen war, setzte mich dort ins Wasser und schloss die Augen. Ich versuchte mich auf meine Atmung zu konzentrieren und an nichts zu denken. Wie lange ich so alleine dagesessen hatte wusste ich nicht. Mein Zeitgefühl war vollkommen durcheinander. Ich blinzelte, als ich leises Geplätscher auf mich zukommen hörte und spürte schlagartig die Hitze wieder in mein Gesicht kriechen. Shôto stand vor mir und sah mich fragend an. „Darf ich dir ein wenig Gesellschaft leisten?“ Unfähig etwas zu sagen nickte ich nur. Er setzte sich neben mich und wieder war es einige Minuten still. „Izu-kun? Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst?“, begann Shôto schließlich leise. Ich sah ihn an und nickte. „Ist es so auffällig, dass ich mit den Gedanken wo anders bin?“ Er lächelte mich an. „Ja, aber nur wenn man dich wirklich ganz genau beobachtet...“ Ich verzog mein Gesicht zu einer Grimasse. „Darf ich ehrlich zu dir sein?“, meinte er plötzlich und starrte auf seine Knie. „Das solltest du wissen...“, entgegnete ich und stupste ihn sanft mit dem Ellbogen an. „Okay...“, murmelte er und presste die Lippen zusammen. Ich betrachtete ihn von der Seite, ließ ihm aber seine Zeit, die er brauchte um wohl die richtigen Worte zu finden. „Ich erwarte keine Antwort von dir, ich möchte es einfach nur los werden“, begann er, schaute mich dabei aber nicht an. „Ich weiß, dass da etwas zwischen dir und Bakugô ist... Und ich möchte dir nicht im Weg stehen... Ich... fand es schön, irgendwie mit dir verbunden zu sein durch diese Legende... Es ist das erste Mal, dass mich jemand vollkommen Fremdes einfach so akzeptiert, wie ich bin... Und ich würde gerne weiterhin einfach mit dir befreundet sein, wenn es denn für dich okay ist...“ Mit einem solchen Wortschwall hatte ich nicht gerechnet. Ich hörte ihm still zu und ließ seine Worte auf mich wirken. „Izu-kun... Ich hab mich in dich verliebt...“, flüsterte er plötzlich. Ich sah ihn an, betrachtete sein Gesicht. Er traute sich nicht, mich anzuschauen und starrte stattdessen weiterhin auf seine Knie, die er nun an seinen Körper zog und die Arme darum schloss. „Es tut mir Leid...“, hauchte er und schloss die Augen. In meinem Bauch fing es wieder an zu kribbeln. Das gleiche Kribbeln, das auch Kacchan in mir auslöste. Das Kribbeln, das mich nervös machte und welches ich bisher nicht einzuordnen vermochte. Vorsichtig lehnte ich mich leicht an ihn, nahm dann seine Hand in meine und hielt sie fest. „Es gibt nichts, was dir Leid tun müsste“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Ich überlegte, was genau ich ihm sagen wollte ohne seine Gefühle zu verletzen. „Um ehrlich zu sein... Ich weiß gerade gar nicht, was ich fühlen soll... Ich meine, ich hab dich sehr gern... Genauso wie Kacchan... Und es ist für mich bei euch beiden keine normale Freundschaft mehr... Aber ich möchte euch beide nicht verletzen... Deshalb kann ich dir keine Antwort geben...“ Seine Hand verkrampfte sich kurz in meiner und ließ dann wieder locker. Er legte seinen Kopf gegen meinen und ich spürte sein Nicken. „Das ist in Ordnung. Ich hatte nicht mehr erwartet...“ Ich schielte zu ihm und sah einen Wassertropfen seine Wange hinabkullern. Ob es eine Träne war oder doch eher vom heißen Wasser aus der Quelle konnte ich nicht sagen. Langsam löste ich mich von ihm, sah ihn an und strich ihm den Wassertropfen mit dem Daumen weg. Mein Blick blieb an seinen Lippen hängen und das übermächtige Gefühl ihn jetzt in diesem Moment unbedingt küssen zu müssen, ließ mich schlucken. Wie sich ein Kuss mit ihm wohl anfühlte? War es wie bei Kacchan? Oder doch vollkommen anders? Neugierig sah ich ihm in seine ungleichen Augen und überbrückte den Abstand zwischen uns. Schüchtern streifte ich mit meinen Lippen seine, wartete kurz und spürte dann seine Hände. Eine vergrub sich in meinen Haaren, die zweite legte sich auf meinen unteren Rücken. Er zog mich ein Stückchen näher und küsste mich. Ich schloss die Augen und erwiderte den Kuss, spürte sogleich das bereits bekannte Kribbeln wieder in meinem ganzen Körper. Leise seufzte ich auf, legte meine Hände auf seine Schultern um mich ein wenig abzustützen. Er küsste so sanft, so vorsichtig. Er drängte mich zu nichts, sondern ließ mich immer den ersten Schritt machen, sodass ich es war, der schließlich über seine Lippen leckte und Einlass forderte. Shôto gewährte mir diesen und begann schüchtern mit meiner Zunge zu spielen. Wieder seufzte ich auf. Unbewusst verglich ich ihn mit Kacchan und erst als ich wirklich bemerkte, dass ich es tat, löste ich mich mit einem erhitzten Gesicht von ihm. Auch er hatte rote Wangen, blickte mich geradewegs an. „Es tut mir Leid...“, flüsterte ich, sprang auf und flüchtete aus dem Quellenbereich. In Windeseile hatte ich mich abgetrocknet und angezogen und ging zurück in unser Zimmer. Glücklicherweise schlief Kacchan, sodass ich mich einfach auf meinen Futon legte und die Decke über den Kopf zog. Einige Minuten später hörte ich Shôto zurück kommen. Er sprach mich nicht an, legte mir nur kurz eine Hand auf die Schulter und rollte sich dann neben mir ein. Ich zog die Beine an den Körper und schlang meine Arme darum. Was hatte ich nur getan? Warum hatte ich das getan? Wie sollte es jetzt weiter gehen? Ich würde den beiden nie wieder in die Augen sehen können! Das Gefühl sowohl Kacchan als auch Shôto hintergangen zu haben brach über mich herein und ließ mich leicht zittern. Kleine, heiße Tränen rollten aus meinen Augen und tropften auf das Kissen. Ich unterdrückte ein Schluchzen und schlief so irgendwann ein. .~*~. Am Morgen darauf wachte ich spät aber vor allem alleine auf. Die Futons, die Kacchan und Shôto benutzt hatten, lagen zusammengelegt an einer Wand. Ich rieb den restlichen Schlaf aus meinen Augen und ging ins Badezimmer. Erschrocken blickte ich mein Spiegelbild an. Meine Augen waren gerötet und geschwollen vom Weinen. Verzweifelt wusch ich mir das Gesicht in der Hoffnung, die verräterischen Spuren verschwinden zu lassen. Keiner sollte mitbekommen, was wirklich in mir vorging. Ganz schaffte ich es nicht, wieder normal auszusehen, doch das konnte ich gerade nicht ändern. Ich schlug mir mit beiden Händen auf die Wangen, sodass diese leicht gerötet waren und lächelte mein Spiegelbild an. Seufzend schüttelte ich den Kopf. Wem wollte ich denn eigentlich etwas vor machen? Meine Mutter würde es sofort merken, mich aber wohl erst zu Hause ausquetschen. Tante Mitsuki und Fuyumi kannten mich beide nicht so besonders gut, vielleicht waren sie die einzigen, die sich nicht wundern würden. Kacchan? Er merkte es sofort. Genauso wie Shôto. Ob die beiden aber fragen würden, konnte ich nicht sagen. Manchmal fiel es mir wahnsinnig schwer, die beiden einzuschätzen. In Gedanken trottete ich zum Mittagsessen, denn das Frühstück hatte ich bereits verpasst. Unser Plan sah vor, dass wir uns nach dem Mittag auf den Weg nach Hause machen wollten, sodass wir am späten Nachmittag dort sein würden. Ich bemerkte die teils besorgten, teils verwunderten Blicke und rutschte unbehaglich auf meinem Stuhl hin und her. Ich wartete nur darauf, dass mich jemand mit Fragen bombardierte, doch es kam nichts. Von niemandem. Und obwohl ich Shôto am Abend zuvor einfach so sitzen gelassen hatte, so verhielt er sich mir gegenüber als wäre nichts passiert. .~*~. Nach dem Mittagessen verstauten wir unser Gepäck wieder im Auto und setzten uns in der gleichen Konstellation ins Auto wie schon auf dem Hinweg. „Izuku-kun, du siehst müde aus...“, meinte Fuyumi beim Einsteigen. Ich lächelte sie schwach an. „Bin keine Futons gewöhnt...“, redete ich mich raus. Auch wenn es stimmte, dass ich nicht daran gewöhnt war so hatte ich dennoch ziemlich gut geschlafen. Aber ich konnte ja schlecht mit dem wahren Grund heraus rücken... Sie nickte verständnisvoll. „Ja, das glaube ich dir gerne. Vielleicht solltest du dich auf der Fahrt noch etwas ausruhen...“, schlug sie vor. Ich lächelte noch einmal, schnallte mich dann mit dem Sicherheitsgurt an und lehnte mich zurück. Wenn ich mich schlafend stellte, würde ich wohl unangenehmen Fragen aus dem Weg gehen können. Und obwohl ich nicht vorgehabt hatte wirklich zu schlafen, döste ich nach kurzer Zeit schon ein. Richtig wach wurde ich erst, als Tante Mitsuki den Wagen vor dem Haus der Todorokis anhielt und Shôto sich neben mir bewegte. Müde blinzelte ich und bemerkte, dass ich Kacchans Schulter als Kissen missbraucht hatte. „Sorry“, murmelte ich leise zu ihm und setzte mich wieder gerade hin. „Wir sehen uns morgen“, sagte Shôto an uns gerichtet, ging dann zum Fenster der Beifahrerseite und verbeugte sich. „Vielen Dank, dass meine Schwester und ich mitkommen durften.“ Meine Mutter winkte ab. „Es war mir ein Vergnügen.“ Fuyumi hatte ihre und Shôtos Taschen aus dem Kofferraum geholt und schlug die Tür dort wieder zu. Beide winkten uns nach, als wir weiter fuhren. Nur zwanzig Minuten später waren wir auch schon in unserem Wohngebiet. Tante Mitsuki parkte den Wagen und stieg mit meiner Mutter aus. Als auch ich aussteigen wollte, wurde ich sanft am Arm zurück gehalten. Kacchan blickte mich mit seinen roten Augen an. „Du hast versprochen, dass sich nichts ändern würde...“, erinnerte er mich. Ich nickte. „Ich weiß...“, gab ich zurück. Den ganzen Tag war ich abweisender als sonst gewesen. Ich wusste einfach nicht, wie ich im Moment mit den beiden umgehen sollte. Ganz normal wie bisher ging nun nicht mehr. Sanft zog Kacchan mich in eine Umarmung. „Danke für das schöne Wochenende. Ich hole dich morgen wie gewohnt ab. Lass mich nicht zu lange warten...“, sagte er leise und ließ mich los. Ich blickte ihm nach als er aus dem Auto stieg und seiner Mutter ihre Taschen abnahm. Auch ich krabbelte vom Rücksitz, streckte mich und nahm meiner Mutter unsere beiden Taschen ab. Nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten, ging ich mit meiner Mutter nach Hause. Sie bedachte mich immer wieder mit sorgenvollen Blicken, sagte aber nichts. Zuhause angekommen machte sie uns ein paar Sandwichs, schickte mich nach dem Essen zum Baden und dann ins Bett. Dankbar umarmte ich sie und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Sie war wirklich die beste Mutter überhaupt! Tbc... Kapitel 28: Abstand ------------------- Der nächste Morgen kam mit viel Sonnenschein, der mich noch weckte, bevor es mein Wecker tat. Ausgeruht räkelte ich mich im Bett, stand dann auf und packte meine Schultasche. Im Badezimmer betrachtete ich mein Gesicht. Ich sah wieder vollkommen normal aus, ohne gerötete Augen. „Du bist ja schon wach, Izuku...“, wunderte sich meine Mutter als ich über eine halbe Stunde früher als gewohnt im Esszimmer erschien. Ich lächelte sie an. „Ja, guten Morgen, Mama.“ Ich drückte sie kurz und machte mir dann eine Schüssel mit Müsli, goss mir ein Glas Orangensaft ein und brachte es zu ihr an den Tisch. „Dir scheint es wieder besser zu gehen. Das freut mich“, sagte sie und schlürfte ihren Kaffee. „Die Futons... du weißt schon...“, grinste ich verlegen. Meine Mutter nickte verstehend. Auch sie war ihr weiches Bett gewohnt. Ich löffelte mein Müsli zu Ende und brachte dann mein Geschirr in die Küche, bevor ich mir noch einen Apfel nahm und mich von meiner Mutter verabschiedete. Ich verließ das Haus und machte mich auf den Weg zu unserer Kreuzung. Je näher ich dieser kam, desto mulmiger wurde mir. Würde Kacchan wirklich da sein? Und wenn ja, würde er mich ausfragen? Als ich um die Ecke bog stand er bereits da und wartete auf mich. Das mulmige Gefühl in meinem Bauch wurde stärker, doch verschwand vollkommen, als er mich anlächelte. „Morgen, Izu“, begrüßte er mich. Ich lächelte zurück und spürte wie mein Bauch nun anfing zu kribbeln. Gott, was war nur mit mir los? Das konnte doch wirklich nicht mehr normal sein! Wie immer nahm er meine Hand und gemeinsam gingen wir zur Schule. Entgegen meiner Erwartungen kamen keine Fragen, keine besorgten Blicke, sondern nur ein Lächeln, das er sonst nie zeigte. Es verschwand allerdings auch, als wir das Schulgelände betraten, doch er wich mir nicht von der Seite. Im Klassenzimmer erwartete uns Shôto bereits und verwickelte uns beide in ein Gespräch. Die Blicke der anderen, die nach und nach ins Zimmer strömten, waren göttlich. Von Verwirrung bis Bestürzung war alles dabei. Langsam entspannte ich mich und fand zu meinem alten Lächeln zurück. In der Mittagspause saßen wir wie üblich am gleichen Tisch. Eijirô und Denki konnten immer noch nicht fassen, was mit Kacchan passiert war, denn er hatte sie heute noch kein einziges Mal angeschnauzt. Nach der Schule ging ich wieder neben Kacchan her, der sich weiterhin nichts anmerken ließ. .~*~. Nach diesem Schema verlief die ganze Woche. Weder Shôto noch Kacchan ließen sich irgendetwas anmerken, suchten aber weiterhin meine Nähe und ließen mich selten alleine. Ich spürte ihre Blicke dauerhaft auf mir, doch keiner von beiden tat etwas, das auf ihre Gefühle schließen ließ. Mein schlechtes Gewissen hingegen wuchs mit jedem Tag. Ich wusste, dass ich so nicht weiter machen konnte und durfte. Ich musste endlich Klarheit in meinen Kopf bringen, musste endlich für mich selbst herausfinden, wer von beiden mir so wichtig war, dass ich den anderen womöglich verletzen würde. Doch das schaffte ich nicht, wenn sie ständig bei mir waren. In meiner Verzweiflung rief ich am Freitag nach der Schule Ochako an und bat sie um Hilfe. Sie stimmte einem Treffen zu und ich verabredete mich mit ihr für den folgenden Tag im Kaufhaus. Im Gegenzug für ihre Hilfe sollte ich ihr beim Shoppen behilflich sein. .~*~. Am Samstag fand ich Ochako schließlich am vereinbarten Treffpunkt vor dem Kaufhaus und folgte ihr in unterschiedliche Läden. Sie zeigte sich mir in unterschiedlichen Outfits und ich sollte ihr auf einer Skala von eins bis zehn sagen, ob ich es an ihr mochte oder eben nicht. Den Grund für diese Shoppingtour wollte sie mir erst am Ende verraten. Als sie schließlich genug hatte und ihre drei kompletten Outfits an der Kasse bezahlt hatte, drückte sie mir ihre Taschen in die Hände. „Also dafür wolltest du mich dabei haben? Als Packesel?“, neckte ich sie lachend und folgte ihr. „Genau! Nur deswegen“, grinste sie frech und steuerte auf einen Verkaufsstand zu, der Softeis verkaufte. Sie erstand zwei Tüten, hielt mir eine davon hin und nahm mir gleichzeitig eine der beiden Taschen ab, sodass ich eine Hand frei hatte für mein Eis. Ich lächelte sie dankbar an und gemeinsam machten wir uns auf den Weg aus dem Kaufhaus hinaus in einen Park, wo wir uns unter einen Baum auf eine Bank setzten und unser Eis aßen. „So, dann erzähl mal. Bei was brauchst du meine Hilfe?“, wollte sie schließlich wissen. Ich hatte ihr am Telefon nichts erzählen wollen, weil ich Angst hatte, dass es vielleicht falsch rüber kam. Ich seufzte und begann zu erzählen. Ich erzählte ihr alles. Angefangen bei der Legende, über die Muttermale, bis hin zu dem Wochenende im Onsen und was dort passiert war. Tiefere Details ließ ich aus, da ich mich selbst nicht traute, diese zu erzählen. „Und nun bin ich total verwirrt. Ich weiß nicht, für wen ich mehr empfinde. Ich mag beide sehr gern und will keinen verletzen. Und so wie es im Moment läuft kann es nicht weiter gehen. Aber solange die beiden so an mir kleben kann ich auch keinen klaren Gedanken fassen...“, schloss ich meine Erzählung. Ochako nickte verständnisvoll. „Dann müssen wir dafür sorgen, dass die beiden dich mal für eine Weile in Ruhe lassen, damit du vielleicht herausfinden kannst, wen von beiden du nun liebst...“ Überrascht blinzelte ich sie an. Sie lächelte und leckte an ihrem Eis. „Es stört dich nicht, dass ich... anders bin?“, wollte ich wissen. Sie zog eine Augenbraue in die Höhe und musterte mich kritisch. „Wäre doch langweilig, wenn jeder normal wäre. Wobei man gar nicht genau definieren kann, was wirklich normal ist. Liebe ist Liebe, egal wo sie hinfällt“, erklärte sie und hörte sich an wie eine Erwachsene, die schon ihr halbes Leben hinter sich hatte. Ich kicherte leise. „Danke, du bist die Beste.“ „Weiß ich“, grinste sie frech. „Aber nun wieder zum Thema... Am Besten wäre es wohl, wenn wir noch mehr Leute von unserer Klasse mit ins Boot holen würden. Ich alleine kann mich nicht um beide kümmern, zumal Bakugô mich nicht so wirklich leiden kann... glaube ich... Um ihn sollten sich vielleicht Kirishima und Kaminari kümmern. Die beiden haben meiner Meinung nach einen besseren Draht zu ihm. Und ich könnte mich zusammen mit Iida oder Tsuyu-chan um Todoroki kümmern. Wir müssen den anderen ja nicht sagen, um was es genau geht. Einfach, dass du ein bisschen mehr Luft zum Atmen brauchst und nicht ständig unter Beobachtung stehen möchtest, du aber das den beiden nicht so vor die Füße werfen möchtest...“, schlug sie vor. Ich ließ mir ihren Vorschlag durch den Kopf gehen und nickte dann. „Das würde wohl schon helfen... Ich meine, ich bin gern bei den beiden, aber so fühle ich mich ständig hin- und hergerissen zwischen ihnen.“ Ochako nickte bestätigend. „Ich werde das mit den anderen klären. Und deine Aufgabe für Montag wird sein, ohne Bakugô zur Schule zu gehen. Wenn du damit anfangen willst, dann richtig. Also erst mal so wenig wie möglich Kontakt haben. Und wenn einer der beiden fragt, ob ihr etwas unternehmen könnt, dann rede dich heraus. Sag, du hast schon was vor.“ Ich lächelte traurig. „Ich lüge nicht gern...“ „Du schaffst das schon... Denk einfach daran, dass du danach womöglich mehr mit deinen Gefühlen anfangen kannst“, beruhigte sie mich und nahm ihre beiden Taschen. Dankbar umarmte ich sie kurz. „Wozu brauchst du eigentlich ein neues Outfit?“, wollte ich noch wissen. Sie lächelte und wurde tatsächlich rot. „Iida hat mich um ein Date gebeten. Und da wollte ich mich ein bisschen aufhübschen.“ „Wirklich?“, fragte ich nochmals und freute mich wirklich für sie. Ten'ya und sie würden sicher ein süßes Paar geben. „Dann wünsche ich dir viel Erfolg und vor allem Spaß!“ Sie bedankte sich mit roten Wangen und winkte mir zum Abschied. „Ich schreibe dir, sobald ich mit den anderen geredet habe!“, rief sie mir noch zu und verschwand dann um eine Ecke. Nun etwas erleichterter machte ich mich auf den Heimweg. Natürlich blieb mein schlechtes Gewissen, doch ich musste unbedingt etwas Abstand gewinnen. Ich brauchte Klarheit. .~*~. Am Sonntag Abend stellte ich mir meinen Wecker eine Stunde früher um nicht doch auf Kacchan zu treffen. Ochako hatte sich noch am gleichen Abend gemeldet und mir berichtet, dass alle eingeweiht und bereit waren mir zu helfen. Erleichtert schlief ich an diesem Abend ein. Der nächste Morgen kam viel zu früh, doch ich wollte es unbedingt durchziehen. Müde schleppte ich mich ins Badezimmer, warf mir eine Ladung kaltes Wasser ins Gesicht und war danach wach. Meine Mutter wunderte sich, dass ich nun noch früher auf den Beinen war, erzählte ihr aber, dass ich mich vor dem Unterricht noch mit jemandem aus der Klasse treffen wollte um noch ein paar Aufgaben durchsprechen zu können. Sie stellte mir wie immer lächelnd meine gefüllte Bentobox hin und wünschte mir einen schönen Tag. Als ich das Haus verließ war ich wirklich um gut 40 Minuten früher unterwegs als üblich. An unserer Kreuzung sah ich daher auch noch niemanden. Mein Herz pochte schmerzend in meiner Brust, als ich einfach alleine zur Schule ging. Hoffentlich würde Kacchan nicht allzu sauer auf mich sein. Wie nicht anders zu erwarten war, war ich natürlich der Erste, der im Klassenzimmer saß. Ten'ya kam allerdings nur etwa zehn Minuten nach mir an. Fünfzehn Minuten vor Unterrichtsbeginn bekam ich plötzlich eine Nachricht auf mein Handy. Ich entsperrte es und fand eine Nachricht von Kacchan: »Hey, Izu! Wo bleibst du? So langsam mache ich mir Sorgen...« Ich schluckte und schrieb ihm eine Antwort: »Sorry, Kacchan. Ich bin schon in der Schule. Hatte noch was zu erledigen.« Mein Herz tat weh bei dieser Notlüge und ehe noch eine weitere Nachricht kam, schaltete ich mein Handy aus und schob es in meinen Rucksack. Wie versprochen verwickelten Ochako und Tsuyu Shôto in ein Gespräch, sodass er gar nicht die Gelegenheit bekam in meine Nähe zu kommen. Ich hingeben unterhielt mich mit Ten'ya. Eine Minute vor Unterrichtsbeginn kam ein abgehetzter Kacchan ins Zimmer und warf seine Tasche auf seinen Platz. Er warf mir einen fragenden Blick zu und wollte wohl schon ansetzen um mich auszufragen, als die Tür aufging und unser Lehrer eintrat. Ich atmete auf. Für den Moment war ich gerettet. Blieb nun abzuwarten, ob es weiterhin so gut laufen würde. Und tatsächlich nahmen Eijirô und Denki in den Pausen Kacchan in ihre Mitte und lenkten ihn von mir ab. Auch Shôto war vollauf mit Ochako und Ten'ya beschäftigt, sodass ich meine Ruhe hatte. In der Mittagspause verzog ich mich aufs Dach, was ich aber nach kurzer Zeit schon wieder aufgab und mich in die Cafeteria zu den anderen gesellte. Auf dem Dach war es mir zu einsam. Und zu offensichtlich, dass ich Shôto und Kacchan weitestgehend aus dem Weg gehen wollte, sollte es auch nicht sein. Tbc... Kapitel 29: Das Ende meines roten Fadens ---------------------------------------- Es dauerte bis in die ersten Tage der nächste Woche hinein, in denen ich versuchte auf Abstand zu bleiben. Meine Gedanken konnte ich in der Zwischenzeit sortieren und war zu dem Schluss gekommen, dass es wohl besser war, die beiden überhaupt nicht mehr zu sehen. Meine Gefühle waren für beide gleich. Ich liebte sie. Aber wie sollte das funktionieren? Ich konnte mit keinem der beiden zusammen sein. Und mit beiden? Das würden sie nicht mitmachen... Genauso wenig wie sie es weiterhin mitmachten, Abstand von mir zu halten... Am Donnerstag Nachmittag nach der Schule liefen sie mir beide nach und hielten mich noch auf dem Schulgelände auf. „Izu, warte bitte...“, bat Kacchan und hielt mich vorsichtig an der Hand fest. Ich wusste, dass es irgendwann zu einer Aussprache kommen würde. Doch dass es so früh schon sein musste, darauf war ich nicht vorbereitet. Ich zuckte zusammen, als er meine Hand berührte. „Haben wir irgendetwas falsch gemacht?“, wollte Shôto wissen. Ich drehte mich zu ihnen um, wagte aber nicht sie anzuschauen. „Rede bitte mit uns... Wir finden für alles eine Lösung...“, meinte Kacchan sanft. Langsam hob ich den Kopf. „Es geht nicht...“, begann ich leise. Meine Stimme zitterte. Unruhig blickte ich mich um und senkte wieder den Blick als einige Schüler in unserer Nähe vorbei liefen. „Komm mit... bitte...“, flüsterte Kacchan. Er stand plötzlich ganz nahe bei mir, nahm meine rechte Hand und hielt sie fest. Shôto nahm meine linke und drückte sie sanft. Für einen Moment schloss ich die Augen und genoss ihre Nähe. Wie sehr hatte ich das vermisst... Widerstandslos ließ ich mich mitziehen. Die beiden wussten wohl, wo sie hin wollten und nur zehn Minuten später befanden wir uns in einem kleinen Park, der bis auf ein älteres Ehepaar, das gerade dabei war zu gehen, leer war. Wir setzten uns auf eine Bank. „Wir sind alleine... Bitte erzähl uns, was genau nicht geht...“, bat Shôto und strich mit seinen Fingern über meinen Handrücken. Ich konnte nun die Tränen nicht mehr zurück halten. „Das mit euch... Ich...“, ich schluckte, löste meine rechte Hand aus Kacchans Umklammerung und wischte mir mit meinem Ärmel über die Augen, ließ dann meine Hand auf meinen Schoß sinken. „Ich will keinen von euch verletzen... Aber ich will mich auch nicht entscheiden... Ich kann mich nicht entscheiden...“, schluchzte ich leise. „Ich wollte Abstand haben um endlich Klarheit zu bekommen... Um herauszufinden, wen von euch beiden ich wirklich lieb habe... Aber ich kann keinen von euch beiden wählen... Weil ihr es beide seid... Ich liebe euch beide...“, brachte ich erstickt hervor, löste nun auch meine linke Hand von Shôto und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich hörte ein Rascheln auf meiner linken Seite und spürte dann, wie meine Hände von meinem Gesicht gezogen wurden. Shôto hielt mir ein Taschentuch hin, welches ich annahm und meine Nase putzte. Ich wagte nicht, die beiden anzuschauen. „Und daher ist es wohl das Beste, das Ganze hier zu beenden...“, flüsterte ich. Sanft nahm Kacchan wieder meine rechte Hand, drehte sie so, dass die Innenseite nach oben zeigte und strich über mein Muttermal. „Das haben wir alle drei...“, meinte er leise. „Diese doofe Legende ist doch Schuld daran...“, murmelte ich. „Findest du?“, fragte Shôto und legte einen Arm um meine Schultern. „Diese doofe Legende hat uns doch erst zusammen gebracht... Und wir wissen, wie wichtig sie dir ist...“ Auch Kacchan legte einen Arm um mich und seine Stirn an meine Schläfe. „Glaub nicht, dass du dir alleine Gedanken darüber gemacht hast... Auch wir haben viel nachgedacht und uns darüber unterhalten, was wohl am Besten ist...“ Ich schniefte leise. Wieder war ich innerlich vollkommen zerrissen. Ihre Nähe fühlte sich so wahnsinnig gut und richtig an, doch trotzdem hatte ich Angst vor dem Ergebnis, zu welchem die beiden wohl gekommen waren. „Izu-kun... Wenn du damit einverstanden bist und dich darauf einlassen möchtest...“, meinte Shôto und auch er legte seine Stirn an meine andere Schläfe. „Lass es uns zu dritt versuchen...“, sprach Kacchan schließlich aus, was ich nie für möglich gehalten hatte. Ich blinzelte überrascht. Die beiden lösten sich von mir, drückten mir je einen Kuss auf die Wangen und grinsten mich dann an. „Wenn das Schicksal das für uns vorgesehen hat...“, meinte Shôto und beugte sich vor mir zu Kacchan hinüber. Dieser kam ihm entgegen. „...dann wollen wir das Schicksal nicht enttäuschen...“, beendete Kacchan den Satz. Die beiden sahen sich kurz an und überbrückten dann den Abstand zwischen einander. Mit großen Augen sah ich zu, wie sie sich nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht küssten. Ihre Hände fanden meine und drückte sie. Konnte es wirklich sein? Durfte ich wirklich hoffen, dass wir drei wirklich vom Schicksal füreinander bestimmt waren? Je länger ich ihnen beim Küssen zuschaute, desto mehr hegte ich den Wunsch, ebenfalls mitmachen zu dürfen. Wieder kullerten Tränen über meine Wangen. Doch diesmal vor Erleichterung. Die beiden lösten sich von einander und sahen mich erschrocken an. „Izu? Bitte... Das darfst du nicht falsch verstehen...“, begann Kacchan. Ich lächelte ihn mit Tränen in den Augen an und schüttelte den Kopf. „Ich bin nur so erleichtert...“, gestand ich. Shôto strich über meine Wange, drehte mein Gesicht ein wenig zu sich und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. „Dann möchtest du es probieren?“ Ich nickte und bekam daraufhin auch einen Kuss von Kacchan auf die Lippen gehaucht. „Ich hätte nie gedacht, dass ihr beide...“, meinte ich und verstummte dann. Kacchan lachte leise auf und grinste zu Shôto hinüber. „Wir haben die letzte Woche ziemlich viel Zeit miteinander verbracht, weil wir uns einfach nicht erklären konnten, warum du plötzlich nichts mehr mit uns zu tun haben wolltest...“ „Und dabei ist uns klar geworden, dass es auch so funktionieren kann“, lächelte Shôto und zog mich in eine Umarmung. Ich schmiegte mich an ihn, zog dann Kacchan zu uns, sodass auch er kuscheln konnte. .~*~. Und so begann ich mit den beiden eine Beziehung zu dritt. Anfangs war es ungewohnt, da die beiden nun keinen Hehl mehr daraus machten, was zwischen uns ablief. Ochako war begeistert, als ich ihr davon erzählte. Sie erklärte ihren Plan zu einem vollen Erfolg und auch die anderen, die nach und nach von unserer seltsamen Beziehung erfuhren, waren nicht wie erwartet angewidert sondern wünschten uns viel Glück. .~*~. Sechs Jahre später waren wir immer noch zusammen und hatten nun auch beschlossen zusammen zu ziehen. Nachdem wir lange nach einer passenden Wohnung gesucht hatten, fanden wir sie schließlich in der Nähe meiner Arbeitsstelle. „Kacchan! Bringst du bitte noch die restlichen Kartons rein? Wir müssen den Transporter heute Abend bis 17 Uhr wieder zurück gebracht haben...“, rief ich durch das Fenster hinaus auf die Straße. Kacchan lehnte an die Ladefläche und nahm gerade einen großen Schluck aus einer Wasserflasche. Er hatte eine kurze Hose an und ein Tanktop, welches seinen durchtrainierten Oberkörper betonte. Die schweren Möbel wie Sofagarnitur und Bett, sowie viele Elektrogeräte, die man alleine nicht schleppen konnte, hatten wir schon einen Tag zuvor mit Eijirôs und Denkis Hilfe in die Wohnung geschafft. Nun waren nur noch die kleineren Sachen übrig. „Izuku, welche Seite vom Schrank wolltest du noch einmal haben?“, hörte ich Shôtos Stimme gedämpft aus einem angrenzenden Zimmer. Ich ging zu ihm durch das große Schlafzimmer in die kleine Abstellkammer, die wir in einen begehbaren Kleiderschrank umgewandelt hatten und deutete auf eine Seite. „Diese hier, aber im Grunde ist es doch egal, oder?“, lächelte ich Shôto an und stibitzte mir einen Kuss von ihm. „Schon, aber willst du wirklich, dass Katsuki deine kleinen Shirts zerreißt, wenn er sie mit seinen verwechselt?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue. Kacchan hatte inzwischen ziemlich an Muskelmasse zugelegt. Er brauchte es auch. Als Polizist war es immer von Vorteil fit und kräftig zu sein. Und außerdem gefiel es mir, wie seine Muskeln unter seiner Haut arbeiteten. Shôto hingegen war zwar immer noch größer als ich, hatte aber bei weitem nicht so viel Muskelmasse wie Kacchan. Die war auch bei ihm nicht nötig. Er machte gerade ein Medizinstudium, da er vorhatte Arzt zu werden. Und ich war der Schmächtige von uns dreien und auch der kleinste. Aber weder Kacchan noch Shôto störten sich daran. Sie fanden es meistens sogar richtig toll mich durch die Gegend zu tragen um dann ins Bett zu verfrachten, wo wir oft zu dritt unseren Spaß hatten. So passte auch mein Beruf, den ich ergriffen hatte, besser zu mir. Ich hatte mich für eine Ausbildung zum Erzieher entschieden und bereute meine Entscheidung keinen Moment lang, da ich es einfach liebte mit Kindern zu arbeiten. „Weiht ihr den Kleiderschrank schon ein? Ohne mich?“, grummelte plötzlich Kacchan hinter uns und schlang seine Arme um meine Taille, hauchte mir sanft einen Kuss auf die Wange. Sofort schmiegte ich mich in seine Umarmung. „Das heben wir uns für später auf...“, kicherte ich. Er löste eine Hand von mir und zog Shôto am Kragen zu uns, küsste ihn leidenschaftlich, ehe er sich von ihm löste und auch von mir einen genauso leidenschaftlichen Kuss einforderte. „Jetzt hab ich wieder genug Kraft um den Rest noch reinzubringen“, lachte er, gab mir einen Klaps auf den Hintern und verzog sich wieder. Ich blickte ihm Kopfschüttelnd hinterher. „Den Kleiderschrank einweihen... Hm... keine schlechte Idee...“, dachte Shôto laut nach und begann dann die Regalbretter, die wir montiert hatten, mit unseren Klamotten zu füllen. Grinsend verzog ich mich wieder ins Wohnzimmer, wo ich mich an den Aufbau eines Regals machte, welches ich dann mit unterschiedlichen Dingen aus unserer Jugend füllen wollte. Während Shôto lieber Dinge einsortierte, die nichts mit Dekoration oder Stil zu tun hatten, widmete ich mich der wohnlichen Gestaltung des Wohn- und Essbereichs, sowie des Schlaf- und Badezimmers. Shôtos Arbeitszimmer, in dem er seine ganzen Bücher für das Studium untergebracht hatte, war sein eigenes Reich. Und Kacchan hatte sich freiwillig für die Küche entschieden. Zwar konnten wir alle drei kochen, doch sein Essen schmeckte immer noch am Besten. Und er liebte es einfach, Shôto und mich kulinarisch zu verwöhnen. .~*~. Dies war nun also meine Geschichte. So fand ich mein Glück. Mein roter Faden verband mich mit den beiden wundervollsten Menschen, die man sich nur erhoffen konnte. Und ich bete jeden Tag dafür, dass dieses Glück für immer anhalten würde. .~ Ende ~. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)