Schatten über Kemet von Moonprincess ================================================================================ 44. Kapitel ----------- Yugi erwachte erst, als Ra sich schon über Geb erhoben hatte. Er fühlte sich angenehm erholt und sprang fast aus seinem Bett. Seine Familie und Ryou schliefen offenbar noch und Yugi beschloß, ein großes Frühstück auszulassen. Er aß nur etwas Brot und einen Granatapfel, spülte alles mit Milch hinunter und machte sich dann auf den Weg. Sein Körper zitterte vor Ungeduld und seine Beine preschten von alleine vor. Er fand den richtigen Eingang und folgte den zahllosen Gängen ins Innere, bis sich vor ihm die riesige Horusstatue erhob. Ihre Augen aus Lapislazuli blitzten in einem Lichtstrahl und Yugi fühlte sich getröstet. Er war nicht allein. Respektvoll neigte er seinen Kopf vor dem mächtigen Gott, berührte seine Ohrstecker, die dessen Ebenbild zeigten.   Als er aufblickte, hatten die Leibwachen ihm schon die Tür ins Innere geöffnet. Keiner stellte Yugi eine Frage, keiner sah ihn seltsam an.   Yugi trat durch die Tür in die Privatgemächer des Pharaos. Er fühlte den Teppich unter seinen nackten Zehen, der Duft von Jasmin und Lotos umschmeichelte seine Nase. Yugi folgte dem Teppich durch die Wohnräume Atems, vorbei an Statuen, Wandteppichen, kostbaren Vasen und verzierten Zeremonienwaffen. Vorbei an der Dienerschaft, die sich durch harte Arbeit und Diskretion ihren Platz in diesen Gemächern verdient hatte. Und dann stand er vor Atems Schlafgemach.   Yugi schluckte trocken, dann streckte er die Hand aus und öffnete die Tür. Die Mitte des Raumes nahm noch immer das Bett ein, dessen Beine zu Löwenfüßen geschnitzt worden waren, darüber ein hoher Betthimmel, von dem durchscheinende Tücher hingen, um den Schläfer vor lästigen Insekten zu schützen. Die Tücher waren weit genug aufgeschlagen, daß Yugi sofort sah, daß Atem noch immer mit blaßer Haut auf dem Bett lag. Er atmete, aber sonst regte er sich nicht.   „Das kann nicht sein“, wisperte Yugi und preßte die Lider zusammen. Da hörte er das Rascheln von Stoff und fuhr herum.   „Ich bin es nur.“ Eine hochgewachsene Gestalt trat aus einer der Ecken, das Gesicht hager vor Kummer.   „Meister Aknadin!“ Yugi unterdrückte ein Schaudern, als er das goldene Auge durch einen Schleier schlohweißen Haares hervorblitzen sah.   Der älteste der Priester legte Yugi eine Hand auf die Schulter. „Mahaad wird bald wieder hier sein und einen neuen Zauber wirken.“   „Also hat die Krone nichts geholfen?“ brachte Yugi es auf den Punkt.   „Wir könnten etwas übersehen haben.“   Yugi blickte zu Atem und es zog an seinem Herzen. Kein lachender Atem, der endlich aufstehen konnte und sicher riesigen Hunger haben mußte. Kein Wort, kein gar nichts. Mit einer Hand rieb Yugi sich über die Augen. Armer Atem!   „Yugi, würdest du für ein paar Minuten auf den Pharao acht geben? Ich muß kurz etwas erledigen.“   „Natürlich. Gerne“, murmelte Yugi abgelenkt und trat zum Bett. Zu diesem riesigen Bett, auf dem Atem so klein wirkte, so schmal und zerbrechlich. Yugi streichelte sanft über dessen Arm, spürte den langsamen Puls. Aber ein Puls… Atem atmete, sein Herz schlug… „Wieso können wir dich nicht aufwecken?“ wisperte Yugi und blinzelte gegen die Tränen an. So lange… So lange waren sie getrennt gewesen. Yugi hatte alles getan, um mit einem Heilmittel zurückzukehren. Er hatte gekämpft, gestohlen, geschauspielert, sogar einen Drachen gereinigt. Mana hatte ihre Ka-Bestie zu beschwören gelernt und Mokuba das Mischen von Heilmitteln. Soviel war geschehen, daß Yugi gar nicht mehr wußte, wohin mit seinen Gefühlen. Doch Atem noch immer in den Fängen eines schwarzen Fluchs gefangen zu sehen, es war einfach zuviel. Yugi sank auf die Knie, den Oberkörper auf dem Bett, und weinte. Atem verdiente es nicht, zu sterben! Er verdiente es nicht, zu leiden. „Oh, Sachmet, Hathor, warum wollt ihr euren Sohn nicht heilen? Warum nicht? Bitte… Bitte helft meinem Atem. Er wird von so vielen geliebt und gebraucht. Ich liebe und brauche ihn auch! Er hat es verdient, glücklich zu sein. Oh bitte!“   Yugi schluchzte, schniefte. Mit beiden Händen hielt er sich an Atem fest, als würde er diesen sonst verlieren. „Wir haben doch alles getan… Alles, um ihn zu retten. Bitte… Ich liebe dich, Atem. Bitte wach auf!“ Yugi hickste, er konnte kaum noch durch die Nase atmen.   Da fühlte er eine angenehme Wärme an seinem rechten Arm und dann drang ein Leuchten durch seine geschlossenen Lider. Yugi riß die Augen auf und starrte auf seinen Armreif. Dieser leuchtete fliederfarben und vor Yugis erstauntem Auge wurde das abgeschabte Metall zu glänzendem Gold, die Steine zu Juwelen, die Kratzer zu Hieroglyphen. Der Reif löste sich von Yugis Arm, schwebte ohne Halt in der Luft, während das Schmuckstück breiter wurde, größer. Aus der Mitte sprossen zwei daumendicke, goldene Äste, wölbten sich, formten ein Kuhgehörn. Dazwischen erstrahlte eine Sonnenscheibe aus gehämmerten Gold.   Yugi starrte, den Mund geöffnet, voller Ehrfurcht auf das Gebilde. Auf die drei Amethyste in der Mitte des Reifs, die in sich etwas Altes trugen, etwas Mächtiges. Das Gebilde senkte sich dann in Yugis Hände und durch diesen pulste genau diese Kraft. Alt, mächtig, ein Teil der Menschen und der Götter. Yugi stand auf, wie in Trance beugte er sich über Atem und hielt die Krone über dessen Herz, neben das Millenniumspuzzle.   Die Krone erglühte in sanftem Violett. Yugi schloß halb die Augen. Sanft bewegte er sich hin und her, spürte, wie die Krone ihn durchpulste. Spürte, wie es auch Atem durchdrang. Tief und tiefer, bis auf eine Ebene, für die Yugi keinen Namen kannte. Sterne zogen an ihm vorbei, Orte, so schwarz wie Obsidian und doch voll unbekannter Wärme. Yugi fiel und flog zugleich. Er sah die Milch, die Hathor über den Himmel gespritzt hatte, um alle Wesen zu nähren. Er spürte die Berührung sanfter Finger auf seiner Haut, hörte ein leises, beruhigendes Muhen.   Yugi war in seinem Körper, in Atems und doch gleichzeitig sah er Welten, die wohl nur wenige Menschen jemals hatten sehen dürfen. Schwarze Partikel tanzten in dem violetten Licht, lösten sich auf, bis nichts übrig blieb als ein stetiges, beruhigendes Glühen. Darin lag nun der Schlüssel. Yugi mußte ihn nur greifen und herumdrehen. So viel Licht… Yugi murmelte ein Wort des Glücks. Bis Yugis Augen auf anderes Violett trafen, geöffnetes, verwirrtes, aber geheiltes Violett. Mit einem Lächeln sank Yugi auf das Bett, die Krone noch immer in Händen.   Er hatte so viel gesehen eben, alles, was es zu sehen gab. Und alles lag allein in Atem, der ihn auffing und seinen Namen rief. Yugi schloß die Augen und erneut umfing ihn sanfte Wärme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)