Schatten über Kemet von Moonprincess ================================================================================ 35. Kapitel ----------- Ihre kleine Gruppe verließ das Palastgelände noch in dunkler Nacht und nahm das nächste Tor aus der Stadt. Während Waset hinter ihnen zurückfiel, breitete sich vor ihnen die Wüste aus. Yugi saugte die kalte Nachtluft tief in seine Lungen. Er dachte an Atem, an seine Mutter und seinen Großvater. Im Stillen schwor er ihnen, sobald es ging zu ihnen zurückzukehren, heil, gesund und vor allem mit der Krone Hathors, die dämonische Wesenheiten vernichten konnte und hoffentlich ebenso dämonische Krankheiten zu heilen vermochte.   Sie ritten gut zwei Stunden, bis sie ihre erste Rast einlegten. Mit Waset hinter ihnen wurde es Zeit, ihre Verkleidungen zu vervollständigen. Während die Pferde und der Esel ruhten, entfachte Ryou ein kleines Feuer. Mana und General Mai holten zwei Stoffsäcke vom Karren und verteilten den Inhalt unter ihnen allen. Abgetragene Tuniken, Kleider und Schürze, abgeschabter Schmuck, geflickte Sandalen… Alles, um den Eindruck einer Händlerfamilie zu erwecken, die eine schwere Zeit gehabt hatte, aber sich langsam wieder nach oben kämpfte.   Mai hatte sogar einen nagelneuen, wenn auch schlichten, Armreif besorgt, den Mana tragen sollte. Ein Hochzeitsgeschenk ihres geliebten Gemahls nach der Hochzeitsnacht, wie Mai mit einem Zwinkern erklärt hatte.   Yugi fand in den Bündeln an Tarnkleidung und Schmuck ein kleines Etwas, in Tuch eingeschlagen. Es stellte sich als ein Paar Ohrstecker heraus, die Horus’ Falkenkopf zeigten. Yugi wog sie einen Moment in der Hand, dann ging er zu Ryou, der über dem Feuer etwas zubereitete, das nach Pflanzen und Pisse stank. Yugi wollte lieber nicht wissen, gegen was dieses Mittel half, statt dessen hielt er Ryou die Ohrstecker hin. „Kannst du mir Löcher dafür stechen?“   Ryou musterte Yugi, dann den Ohrschmuck. Seine Augenbrauen verschwanden unter seinem Pony. „Sicher?“   „Ganz sicher!“   Yugi hatte erwartet, daß es schmerzte, aber die Nadel glitt durch seine Ohrläppchen ohne daß er auch nur einen Laut machte. Es war nur ein seltsamer Druck… Ryou desinfizierte die kleinen Wunden dann mit einer anderen Brühe, die ebenfalls unangenehm nach Pisse stank, dann konnte Yugi sich die Ohrstecker einsetzen.   „Warum?“ erkundigte Ryou sich, der die benutzte Nadel nebenher im Feuer desinfizierte.   „Sie erinnern mich an Atem.“   Ryou drückte mit seiner freien Hand Yugis Schulter. Yugi senkte den Kopf und versuchte, dem Druck hinter seinen Augen nicht nachzugeben. Ryou hatte seine gesamte Familie verloren. Yugi wollte nicht vor ihm weinen, solange es noch Hoffnung für seinen Liebsten gab.   Mai setzte sich zu ihnen ans Feuer. Sie lächelte, als sie Yugis neuen Schmuck sah. „Ihr solltet noch etwas schlafen. Ich übernehme die erste Wache.“   Yugi nickte und rappelte sich auf, um die Decken zu holen. Er schlief die restlichen Nachtstunden besser als erwartet, Mana neben sich. Als das erste Licht Ras Nuts Körper erhellte, wurde die Gruppe von Jono wachgeschüttelt. Ryou verteilte hölzerne Becher mit einem dampfenden Tee, dessen Stärke Yugi den letzten Rest Müdigkeit aus dem Leib schlug. Die Mägen mit Brot und Früchten gefüllt beugten sie sich dann über die Karten. Die Stadt vor ihnen leuchtete in einem angenehmen Violett und so war die erste Station ihrer Reise beschlossen.   Mit Karren, Pferden und Sack und Pack gelangten sie in die Stadt, nachdem ein paar aufmerksamer Soldaten die Neuankömmlinge begutachtet und den Karren durchsucht hatten.   Der Markt hier war von einer Größe, die Yugi gewohnt war. Er suchte ihnen einen guten Platz, gleich neben einem kleinen Tempel für Ra, wo sie ihre Waren auf alten Teppichen ausbreiten konnten. Jono und Honda spannten auf einem Gestänge ein Sonnensegel auf, um Mensch, Tier und Waren vor der Hitze zu schützen. Mana inzwischen half Yugi dabei, die kleine Töpferscheibe aufzustellen.   „Hast du schon mal mit Ton gearbeitet?“ erkundigte Yugi sich leise bei ihr, während er versuchsweise die Scheibe drehte.   „Ich habe früher gern im Matsch gespielt“, antwortete Mana grinsend. „Zählt das auch?“   „Wenigstens hast du dann ja keine Scheu, dich schmutzig zu machen.“ Yugi lächelte, dann stand er nickend vom Schemel auf. „Die ist gut eingestellt. Ich kann dir zeigen, wie du einfache Figuren formen kannst.“   Sie zogen sich dafür hinter den Karren zurück. Mana verstand schnell und schon bald reihte sie vor ihren nackten Füßen auf dem Teppich kleine Figuren von Mensch und Tier zum trocknen auf.   Ryou saß am anderen Ende ihrer Teppiche und mischte unterschiedliche Kräuter zu Pasten und Tinkturen. Mokuba neben ihm lauschte offenbar ehrfürchtig den Ausführungen seines neuen Lehrmeisters und schon bald arbeitete auch er an einer Salbe.   Jono und Honda walkten derweil den Ton oder stellten getrocknete Stücke in den  kleinen, tragbaren Ofen, den Mana regelmäßig überprüfte. Ihr rann bald der Schweiß über das Gesicht.   Yugi inzwischen formte Schalen, Schüsseln und Vasen auf der Töpferscheibe. Obwohl sein Kopf voll war mit Gedanken an daheim, seine Hände verrichteten die altbekannte Arbeit von alleine. Schlick tropfte von Yugis Fingern und der altbekannte Duft von Ton umgab ihn wie eine tröstende Erinnerung.   Mai und Anzu sorgten dafür, daß neugierige Kundschaft zu ihnen kam, um sich ein Mittel gegen Sonnenbrand oder Warzen zu holen oder laut darüber nachzudenken, daß man wirklich eine neuen, großen Krug fürs Wasserholen gebrauchen könnte. Wieviel würde der mit dem hübschen Wellenmuster kosten? Und wenn man gleich zwei nähme?   Am Ende des Markttages hatten sich ihre Säckchen mit Korn und Deben gefüllt und zwei dicke Enten konnten für das Abendessen gerupft und zubereitet werden. Während Mai und Anzu sich darum kümmerten, schlüpften Jono, Mana und Yugi hinaus in die beginnende Nacht.   Jono kannte die Stadt, denn als Kind hatte er hier eine Zeit verbracht, bevor seine Eltern nach Waset weitergezogen waren. Er führte Mana und Yugi vom Marktplatz fort, in Richtung der reicheren Viertel. Dort war das Glühen auf der Karte am stärksten.   Die Straßen waren noch gut gefüllt. Aus den Schenken tönte Gelächter und aus so mancher dunklen Gasse ein lustvolles Stöhnen. Ein Mädchen mit einer Flöte stand an einer Ecke, spielend, während Pärchen um es herumtanzten. Über allem lag der Geruch nach Essen, Bier und Duftölen.   Bald betraten sie das Viertel der niederen Edelleute und reichen Kaufleute. Auch hier gab es Musik und Tanz. Wie es aussah gab da jemand ein großes Fest. Jono winkte Yugi und Mana in eine dunkle Ecke. Dort stank es nach fauligem Fisch und Exkrementen. Das ideale Versteck, wenn man keinen Wert auf seine Nase legte.   „Also gut“, murmelte Jono und spähte um die Ecke. „Mana, kannst du irgendwas spüren?“   Sie schloß die Augen.   Yugi beobachtete sie genauso wie Jono gespannt. Ein Herzschlag, zwei…   „Ich spüre, daß mir gleich die Nase abfällt.“ Mana schlug die Augen auf und hielt sich dann besagtes Körperteil zu.   „Ich meinte eigentlich Magie“, antwortete Jono und bekam dafür einen Klaps an den Kopf. „He!“   „He dich selber. Von hier aus ist alles zu verwaschen. Wir müssen weiter.“   „Gute Idee.“ Yugi bedachte den Haufen stinkenden Unrats neben ihnen mit einem angeekelten Blick.   So setzten sie ihren Weg fort und kamen dabei der Quelle der Musik immer näher. Den nächsten Halt legten sie hinter einer Mauer ein, die den Garten eines größeren Hauses umschloß.   „Und?“ erkundigte Yugi sich kurz darauf bei Mana, die gerade die Augen öffnete.   „Wir sind auf dem richtigen Weg. Wo auch immer das Fest ist, dort ist auch unser magisches Artefakt.“   Yugi nickte. Also weiter. Keine Müdigkeit vorschützen! Aber dennoch glaubte er, seine Füße müßten inzwischen so schwer wie Stein sein und die Dunkelheit erinnerte ihn daran, daß es Zeit für sein Nachtlager wurde. Besonders nach der unterbrochenen Nachtruhe der letzten Nacht. Erleichterung überkam Yugi, als sie ihr Ziel endlich erreichten.   Ein wirklich großes Haus, weiß getüncht, ragte vor ihnen auf. Im vom Schein unzähliger Fackeln erhellten Garten tanzten mehrere nackte Mädchen, begleitet von Musikern. Männer und Frauen saßen auf dem Gras, lachten, tranken, aßen. Einige versuchten sich selbst ungelenkt an einem Tanz. Ein Pärchen lag engumschlungen unter einem Baum und bewegte sich zum Takt der pulsierenden Musik.   Niemand hielt die kleine Gruppe auf, die wie selbstverständlich in den Garten spazierte. Diener brachten ihnen Becher voller Wein. Yugi hätte am liebsten gelacht. Aber sie konnten weitergehen, weiter Manas Sinnen folgen.   Eine angetrunkene Frau rief Jono zu, daß der sich doch zu ihr setzen und mit ihr trinken sollte, bevor sie lachend nach hinten fiel, in die Arme eines ebenso betrunkenen Mannes, der ihre Brüste streichelte. Yugi blickte fort… und entdeckte an der Hauswand ein weiteres Pärchen, das sich völlig versunken den Freuden des Fleisches hingaben.   Yugi biß sich auf die Lippen und versuchte, dem Stöhnen, das immer stärker zu werden schien, keine Beachtung zu schenken. Genauso wenig wie der schnellen Musik, die sein Herz zum tanzen brachte wie die Füße der Mädchen.     Er schüttelte den Kopf. „Was ist das für ein Fest?“   „Frag mich nicht“, antwortete Jono leise. „Jedenfalls keins, das alle feiern.“   Ausgelassenes Treiben war nichts Neues und bei den Schönen Festen der Trunkenheit fanden regelmäßig Pärchen zusammen, um die Allmacht Hathors zu ehren, für eine Nacht oder auch länger. Aber das hier… Yugi wurde ungewohnt warm, vor seinem Inneren Auge erschien Atem. Atem wie Yugi ihn immer im Badebecken gesehen hatte, nackt und von funkelnden Wassertropfen übersät, Atem mit dem liebevollen Lächeln und den Geborgenheit versprechenden Augen.   Yugi schüttelte sich erneut, blickte zu seinen Begleitern… und entdeckte bei beiden Röte auf den Wangen und Begehren im Blick. Er zwang seinen Blick auf ihre Umgebung. Sie waren in den Innenhof getreten, hier wurde noch ausgelassener gefeiert als draußen. Überall Pärchen, überall Wein…   Yugi wurde der Kopf schwer und am liebsten hätte er sich hier auf dem kühlen Gras zusammengerollt und geschlafen, da stieß Mana ihn an. „Hast du es gefunden?“ fragte Yugi und wischte sich übers Gesicht.   Mana kicherte, in ihren Augen funkelte der Schalk. Sie deutete auf eine Götterstatue, das Zentrum des Gartens, des Hauses, der Feier.   Yugi starrte das überlebensgroße Abbild eines Mannes mit Krone an, der alles überragte. Yugi blinzelte. Ein Min? Die eine Hand war stolz um den Schaft seines Penis gelegt, der in den Garten ragte, groß und mächtig selbst an dieser Statue. Jemand hier wollte wohl ganz sicher gehen, daß der Gott der Fruchtbarkeit ihm gewogen war.   „Was ist mit Min?“ erkundigte Jono sich.   „Er ist es. Er ist… das Artefakt. Oder eher ein bestimmtes Körperteil von ihm.“ Mana kicherte. „Kein Wunder, daß ich mich so aufgeregt fühle.“   Yugi starrte den steinernen Penis an. „Du meinst, Min läßt sie eine Orgie feiern?“   Mana nickte. „Es ist aber kein böser Zauber. Er beeinflußt nicht den Willen der Menschen, er steigert nur, was sie schon in sich tragen.“   Yugi dachte erneut an Atem und biß sich auf die Unterlippe.   „Das war dann wohl nix“, murmelte Jono. „Verschwinden wir besser, bevor wir hier noch Verehrer finden.“   Yugi atmete erst auf, als sie wieder auf der Straße standen. Ihre leeren Becher hatten sie vorher noch einem Diener gegeben, der zum Glück mehr damit beschäftigt gewesen war, auf die Tänzerinnen zu achten als auf sein Gegenüber.   „Wenigstens der Wein war gut“, stellte Mana fest, als sie zurück zum Markt eilten.   „Wenigstens haben wir überhaupt Wein umsonst bekommen.“ Yugi fühlte noch immer die Musik im Körper und noch viel mehr den Wunsch, seine Hände über Atems nackte Haut gleiten zu lassen. Nicht mal das kalte Wasser, mit dem er sich abspritzte, oder das kalte Bier, das er danach noch zur Beruhigung trank, konnten seinen Wunsch abklingen lassen. So lag Yugi auf seinem Lager in ihrem Gemeinschaftszelt und starrte auf den dunklen Stoff über ihm, während das Blut in seinen Adern pulsierte.   Yugi schloß seine Augen und drehte sich auf die Seite, um seinen Zustand zu verbergen, aber das Brennen seines Unterleibs konnte er damit nicht bezwingen. Nicht die Härte zwischen seinen Schenkeln, nicht den den Wunsch, sich an Atem zu schmiegen. Atem, der so weit fort war, nicht weil Yugi in einer anderen Stadt war, sondern… Yugi wischte sich über das Gesicht. Die Hitze, das Pulsieren ließ nach. Statt dessen kam die Kälte angekrochen, nicht aus der Wüste ins Zelt, sondern aus seinem Herzen in die Luft. Yugi zog seine Decke eng um sich. Morgen ging es in die nächste Stadt, an den nächsten Ort, der violett glühte. Sie würden nicht aufgeben. Yugi würde nicht aufgeben! Und wenn es ihn zerstören würde, er würde diese Krone finden und sie heim zu Atem bringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)