Schatten über Kemet von Moonprincess ================================================================================ 27. Kapitel ----------- Atem konnte den Kopf nicht heben. Er war so durstig… Er keuchte leise und befeuchtete seine Lippen mit seiner Zunge. Auch wenn die sich anfühlte wie ein staubiger Lappen. Der Sohn des Ra, dahingestreckt von der Scheißerei. Atem mußte lachen. Nicht Pfeile oder Schwerter oder wenigstens ein Steinchen, nein, seine eigenen Innereien hatten sich gegen ihn verschworen.   Endlich berührte ein Becher seine Lippen und gierig schluckte Atem das ihm dargebotene Wasser, bis nichts mehr kam. Enttäuscht stöhnte er auf, aber eine ihm bekannte Stimme versicherte ihm, es gäbe gleich noch mehr. Doch Atem konnte die Augen nicht öffnen, den anderen nicht ansehen. Aber es gab wirklich noch mehr Wasser. Nein, es war sogar Bier! Noch besser! Endlich schmeckte Atems Mund nicht mehr nach sauren, fauligen Zitronen.  Er lächelte. Mit neuer Kraft öffnete er halb seine Augen. Er blickte in pures Violett, in Wärme und Liebe. „Du solltest nicht hier sein“, murmelte Atem und war sich nicht sicher, daß irgendjemand außer ihm selbst seine Worte verstanden hatte.   Yugi lächelte. „Das hättest du wohl gerne. Das nächste Mal läßt du es mir gleich sagen.“   Atem lachte, es war wie ein Hauch. „Ich liebe dich.“   „Ich dich auch, du Sturkopf.“ Yugis Lippen streiften Atems Stirn. „Ich bleibe hier.“   „Ich stinke.“   „Klappe, Stinker!“   Sie kicherten beide wie kleine Kinder.   Atem fühlte sich sicher, als er die Augen schloß. Als er sie wieder öffnete, hatte er wieder Durst. Gähnend tastete er nach seinem Becher und leerte diesen dann in Sekunden. Viel besser! Viel besser war auch, daß er sich aufsetzen konnte, daß seine Laken sauber waren und es nicht mehr unangenehm roch. Stattdessen nahm er den Duft von Flieder wahr. Und ein Paar aufmerksamer Augen.   Atem blickte nach links und entdeckte… Für einen Moment setzte sein Herz aus, dann klopfte es weiter, unbeeindruckt, als die Wahrheit in Atems Kopf in den Vordergrund rückte. „Tante Tuja. Dich hatte ich hier nicht erwartet.“   „Das wundert mich nicht.“ Sie stand von ihrem Schemel auf und trat an Atems Bett. „Ich wollte dennoch sehen, wie es dir geht. Die Heiler sagten, die kritische Phase sei vorbei. Du wirst offenbar schnell gesund.“   Ihr Lächeln ließ Atem sein Gesicht abwenden. „Es tut mir leid.“   „Was?“   „Alles?“   „Du bist nicht schuld. Und ich hätte mich besser auf dieses unausweichliche Treffen vorbereitet sein sollen.“   Atem biß sich auf die Unterlippe. Das Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus wie ein Graben. Er konnte unter seinen Zehen den bröckelnden Fels fühlen. Er wollte das nicht! Also sprang er. „Ich hätte ebenfalls besser reagieren können. Allein schon wegen Yugi.“   „Er sagte mir, ihr würdet einander… sehr nahe stehen.“   Atem seufzte, die Haut zwischen seinen Schulterblättern kribbelte unangenehm. „Ja.“ Eine sanfte Hand strich durch sein wirres Haar. „Du bist nicht wütend deshalb, Tante Tuja?“   „Oh, ich war wütend.“ Auch sie seufzte, aber es schwang darin leises Amüsement mit. „Ich wollte nie, daß Yugi nach Waset zurückgeht. Daß er ein Bestienzähmer wird und wieder auf dich trifft. Aber nach Amunhoteps Tod wurde mir klar, daß ich ihn nicht mehr lange würde fesseln können. Dann kam mein Schwiegervater und berichtete mir, wie händeringend neue Bestienzähmer gesucht würden. Ich habe mich gesträubt, aber wenn ich Yugi nicht hätte gehen lassen, dann hätte er mich verlassen. Auf die eine oder andere Weise.“   Atem hatte inzwischen den Kopf gehoben und blickte seine Tante an. Noch spürte  er einen Stich im Herzen, wenn er sie ansah, aber er fühlte, daß es vorbeigehen würde. Sie war nicht Atems Mutter, sie war nicht wie sie. Aber in ihrem melancholischen Lächeln und unter ihrer rauhen, aber verständnisvollen Hand fand Atem Trost. „Das war eine weise Entscheidung“, antwortete er schließlich, nachdem er die Falten auf ihrem Gesicht ausführlich studiert hatte. „Aber das war keine Antwort auf meine eigentliche Frage.“   „Wäre es dir lieber, ich würde herumschreien? Ich kenne Yugi. Er wird nicht von Glanz und Prunk angezogen, sondern von Güte, Ehrlichkeit und Treue. So haben Amunhotep und ich ihn erzogen. Deshalb weiß ich, daß ich nicht dagegen ankomme, was zwischen euch ist. Und um ehrlich zu sein will ich es auch nicht.“   „Kein Wunsch nach Enkelkindern?“ Atem erinnerte sich noch zu gut an den Streit mit seinem Wesir.   „Meine Blutlinie wird mit deinen Kindern weiterleben. Deshalb stellst du damit der falschen Person diese Frage.“ Tante Tuja setzte sich zu ihm und er ließ es zu, daß sie seinen Kopf an ihre Schulter legte als sei er ein kleines Kind.   Atem lächelte. „Meine nächste Tochter soll deinen Namen tragen.“   Sie lachte leise. „Ja, du bist Tetis Sohn.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)