Schatten über Kemet von Moonprincess ================================================================================ 18. Kapitel ----------- Es war so heiß, Yugi spürte, wie sich auf seiner Haut Blasen bildeten. Er bekam kaum noch Luft, der dicke, schwarze Rauch kroch ihm in Nase und Mund und schien ihn vom Lebenshauch abschneiden zu wollen. Tränen liefen über sein Gesicht. Yugi blinzelte keuchend und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.   Alles hatte damit begonnen, daß Meister Mahaad Mana abgeholt hatte, angeblich ein Routineeinsatz der Zauberer. Meister Mahaad hatte jedenfalls nichts dagegen gehabt, daß Yugi sie begleitete.   Der hustete und schob mühsam kleine Steine und anderen Unrat von seinem Körper, dann mühte er sich in eine sitzende Position.   Die Barracken brannten… Die Soldaten hatten Eimerketten gebildet, schwarze Schemen vor rotem Hintergrund. Überall Geschrei.   Yugi furchte die Stirn. Er konnte sich daran erinnern, wie Meister Mahaad und einige andere Zauberer diesen immer größer werdenden schwarzen Fleck untersucht hatten. Sie hatten ihn abgeschritten, einen, laut Mana, Bannkreis gezogen… Und dann wußte Yugi nur noch, wie er durch die Luft geflogen war. Er hustete. Sein Rücken schmerzte noch immer! Er mußte gegen den Brunnen geprallt sein.   Yuugi betastete seinen schmerzenden Schädel und spürte einen Huckel und warme Feuchtigkeit. Warme Feuchtigkeit, die auch über sein Gesicht rann. Wo war Mana? Wo waren Jono, Honda und Ryou? Yugi würgte. Er konnte seinen Kopf gerade noch zur Seite drehen, bevor er sich erbrach. Seine Nase brannte und sein Mund schmeckte nach Galle. Immer wieder spuckte Yugi aus.   Dann war da eine kühle Hand auf seiner Stirn. „Leg dich wieder hin. Du hast wohl eine Gehirnerschütterung.“   Stöhnend gehorchte Yugi. Über ihm erschienen braune Augen voller Besorgnis. „Ryou…“ Yugis Stimme war rauh und sprechen schmerzte.   „Hier, ich hab etwas Wasser.“ Ryou hielt eine pralle Lederhaut an Yugis Lippen und flößte seinem Patienten das kühle Naß vorsichtig ein.   Yugi entspannte sich. Sein Hals fühlte sich besser an und der ekelhafte Geschmack verschwand. „Was ist passiert?“ murmelte er, als Ryou den Wasserschlauch fortnahm.   „Du solltest dich zuerst ausruhen“, befand Ryou und tupfte etwas Wasser auf Yugis Gesicht und Arme. „Sie tragen dich gleich weg, versprochen.“   Yugi begrüßte die angenehme Kühle. „Aber Mana… Jono… Honda…“ Er hustete erneut.   „Sie sind in Sicherheit“, versprach Ryou mit fester Stimme.   Yugi nickte leicht, dann verzog er das Gesicht. Aua!   Ryou steckte ihm etwas in den Mund. „Kau das und schluck es. Es nimmt den Schmerz für eine Weile hinfort.“   Yugi gehorchte. Blätter… Sie schmeckten irgendwie nußig. Er schloß die Augen. Was war hier nur geschehen?   Starke Arme hoben ihn vom Boden auf. Yugi öffnete die Augen. „Jono…“   „Alles wird gut. Die Heiler kriegen dich wieder hin.“   „Die anderen?“ erkundigte Yugi sich erneut.   „Sie leben. Jetzt komm!“ Damit trug Jono Yugi davon.   Nach einigen Schritten konnte Yugi wieder besser atmen und seine Haut kühlte etwas ab. Er war so müde…   „Bleib wach, Kleiner! Dein Großvater würde durchdrehen, wenn du nicht mehr da wärst.“   Yugi stöhnte. „Was passiert?“   „Ne magische Explosion.“ Jonos Miene war grimmig. „Das hätte nicht passieren dürfen… Meister Mahaad ist der Beste!“   Yugi biß sich auf die Lippe, um wach zu bleiben. Was war mit Meister Mahaad? Mit den anderen Zauberern? Yugi versuchte, sich auf Jonos Worte zu konzentrieren, auf den Schmerz, auf das Pochen seines Schädels, doch langsam drang die Schwärze wieder in sein Blickfeld. Er wimmerte, dann fühlte er nur noch unzählige kühle Hände auf der Haut.   ***   Der Bote war hochrot gewesen und sein Pferd hatte Schaum geschnaubt. Kaum hatte Atem ihn erblickt, hatten sich seine Eingeweide zusammengezogen und sein Magen mit Furcht gefüllt.   Nun trieb Atem seinen weißen Hengst zum Äußersten an. Seine Haare peitschten gegen sein Gesicht, Staub und Sand flogen ihm entgegen, doch es kümmerte ihn nicht. Der Palast war angegriffen worden! Noch vor der Stadtmauer hatte Atem die roten Flammen auflohen sehen als wollten sie an Nuts Beinen lecken wie hungrige Zungen.   Ganz Waset war in Aufruhr, überall standen Menschen, starrten, gafften, redeten, schrien. Eine Kakophonie des Entsetzens. Sie sprangen immer erst auseinander, wenn sie den Hufschlag hörten.   Kaum hatten sie den Palasthof erreicht, sprang Atem praktisch von seinem Pferd und überließ dieses den herbeieilenden Stallburschen. Er selbst stürmte zu Siamun, der mit entsetzter Miene im Hof wartete. „Was ist geschehen?“ verlangte Atem von seinem Wesir zu wissen und starrte hinüber zu den Barracken, wo die ersten Feuer offenbar verloschen. Der Himmel wurde wieder dunkler.   „Lebender Horus!“ Siamun atmete auf. „Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich weiß nur, daß die Zauberer ein ungewöhnliches Phänomen vor den Barracken untersuchen wollten. Deine Priester, Herr, kümmern sich nun um alles. Aufgrund meines Alters hat man mich hierher geschickt, um auf dich zu warten.“ Siamuns Gesichtsausdruck wurde mürrisch.   Atem klopfte seinem alten Freund auf den Rücken. „Überlaß das uns Jüngeren. Wir werden dafür noch deinen Kopf brauchen.“   „Das ist es nicht, was mir Sorge bereitet. Yugi ist von Mana nicht zurückgekommen. Er hat sie schon heute Nachmittag aufgesucht und jetzt ist es fast Mitternacht.“   Atem wurde kalt. „Was ist mit Mana?“ brachte er gerade noch zwischen tauben Lippen hervor.   „Meister Mahaad sagte, er würde sie mitnehmen, damit sie etwas lernen könne.“ Siamun fuhr sich mit einer Hand durch das Gesicht, schloß die Augen und atmete heftig aus. „Ich fürchte, Yugi ist mitgegangen. Von beiden habe ich bisher nichts gehört.“   „Mahaad?“ Atem ballte seine Hände so sehr zu Fäusten, daß selbst seine stumpfen Nägel in die Handflächen schnitten.   Siamun blickte Atem mit Tränen in den Augen an und der glaubte, den Boden unter den Füßen zu verlieren.   „Er ist doch nicht etwa…“, würgte Atem hervor, doch Siamun schüttelte den Kopf.   „Er lebt. Aber er hat schwere Verbrennungen erlitten und ist bewußtlos, soweit man mir berichtete. Es ist unklar, was nun mit ihm geschieht.“   Atem biß die Zähne aufeinander. Wenn Mahaad Mana und sogar Yugi mitgenommen hatte, dann weil er keine Gefahr gesehen hatte. Wenn aber ein so einfacher Einsatz in einer Katastrophe gemündet hatte, dann mußte etwas Unvorhergesehenes eingetroffen sein. Mahaad machte keine Fehler! „Ich werde zu den Barracken gehen“, entschied er. „Siamun, bleib hier. Ich lasse dir Nachricht schicken, sobald ich etwas von Yugi höre.“   „Aber, Majestät…“   Doch Atem hatte sich schon abgewandt und rannte zu den Barracken, die Soldaten immer an seiner Seite. Je näher er der Unglücksstelle kam, desto düsterer wurde es. Überall lag schwarzer Rauch in der Luft und Atem schmeckte Holzkohle. Eine Gruppe Soldaten, die Gesichter mit feuchten Tüchern umwickelt, kam ihnen entgegen mit einem Eimer und weiteren Fetzen. Atem dankte abgelenkt und wickelte sich das Tuch um Nase und Mund. Das Atmen wurde nun wieder leichter, doch der Rauch brannte weiterhin in seinen Augen.   Einer der neu hinzugekommenen Soldaten berichtete gedämpft, daß man das Feuer fast unter Kontrolle hätte. Wenigstens eine gute Nachricht… Doch Erleichterung fühlte Atem erst, als er auf dem Innenhof stand. Nur noch eine Barracke stand in Flammen, doch drei Eimerketten würden auch sie bald löschen. Die bereits gelöschten Gebäude qualmten noch immer schwarz. Da sie aus Lehmsteinen bestanden, sah der Schaden auf den ersten Blick nicht zu groß aus, aber wie es im Inneren nun aussah, das würde sich erst noch zeigen.   „Atem!“ Jedes Protokoll vergessend stürmte Set zu diesem, lediglich mit einem einfachen Hemd bekleidet. Ruß klebte ihm im Gesicht und den kurzgeschorenen braunen Haaren.   „Set. Alles in Ordnung mit dir?“ Atem musterte seinen Vetter, konnte aber keine Verletzungen entdecken.   Set nickte ungeduldig. „Wo ist Mokuba?“   „Er schlief schon, also konnte ich ihn ohne Probleme mit einigen Soldaten im Lager lassen. Das hat mir eine lange Diskussion erspart.“   Set atmete auf und rieb sich über die Stirn. Als er die Hand zurückzog, war seine Stirn schwarz. „Die Götter müssen dir diesen Jagdausflug eingegeben haben. Jetzt bin ich froh, daß du ihn mitgenommen hast.“   „Glaub mir, ich auch. Auch wenn ich lieber hier gewesen wäre.“ Atem blickte sich um. Ein Teil des Gartens zierte nur ein riesiger Krater im Boden, darin glühten noch Steine orange.   Set schüttelte den Kopf. „Du hättest dich am Ende auch noch schwer verletzt, Atem. Oder wärst getötet worden.“   „Ist denn jemand gestorben?“ Atem wandte seinen Blick zurück zu Set. Es war eine Qual, sachlich zu bleiben, aber für seine nagenden Gefühle im Magen waren nun einfach keine Zeit.   „Bisher, den Göttern sei Dank, niemand.“    Atem schloß kurz die Augen, um sich zu sammeln. „Siamun berichtete mir von Mahaad.“   „Die Heiler kümmern sich um ihn.“ Set blickte sich um. „Ein dermaßen dillettantischer Fehler sieht ihm überhaupt nicht ähnlich.“   Atem mußte trotz der Umstände lächeln. Auch wenn Set sonst nie mit Mahaad zufrieden schien, kannte er diesen besser als er zugeben mochte. „Weißt du von Mana oder Yugi?“   Set schüttelte den Kopf. „Zahllose Soldaten wurden verletzt. Inzwischen müßten sie alle bei den Heilern sein. Suche sie dort. Hier kannst du erst mal nichts tun.“ Damit drehte Set sich um und eilte zurück zu einer der Barracken. Wie es aussah, mußte ihr Dach abgestützt werden, sonst würde sie zusammenbrechen und noch mehr Menschen gefährden.   Atem juckte es in den Fingern, auch mit anzupacken, doch Set hatte recht: Er wurde woanders gebraucht und er brauchte mehr Informationen. Er mußte wissen, was passiert war und dafür brauchte er die Zauberer. Also eilte Atem zu den Heilern. Wer auch immer nahe genug am Geschehen gewesen war, um es genauer zu verfolgen, mußte zwangsläufig eines Heilers bedürfen.   Das Haus Sachmet quoll fast über vor Menschen: Soldaten saßen auf dem Boden oder lehnten an Wänden, Heiler und ihre Diener hasteten zwischen ihnen durch, die Arme mit Verbandszeug, Wasser und Arzneien beladen. Immer wieder wurde eine Anweisung gerufen. Die Soldaten senkten respektvoll den Kopf, als der Pharao eintrat, die Heiler drängten sich an diesem vorbei, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.   Atem gelang es schließlich, eine Heilerin zu fassen zu bekommen. Nachdem er ihren Schleier aus Hektik zerrissen und sie ihn erkannt hatte, erfuhr er, daß Mahaad in seinen eigenen Gemächern im Palast untergebracht worden war. Eine offenbar nur leicht verletzte Mana hatte ihn und die Heiler begleitet. Yugi aber war noch hier.   Mit klopfendem Herzen, die Kehle eng, stand Atem schließlich vor dem Lager, auf das man Yugi gebettet hatte. Dessen Haut war von schmerzhaften Rot, auf dem Wassertropfen glänzten. Yugi trug nur noch einen Schurz, um das nötigste zu verbergen.   Neben ihm knieten Ryou und Jono auf dem Boden, die bei Atems Auftauchen aufgeblickt hatten. Beide lächelten nun.   Atem ließ sich neben ihnen auf den Boden sinken. „Wie geht es Yugi?“ wisperte er, ohne den Blick von diesem abzuwenden. Anscheinend schlief er.   „Er wird es schaffen, großer Pharao“, antwortete Ryou ebenso leise und sprenkelte wieder Wasser auf Yugis Körper.   Wären die Umstände nicht so ernst, Atem hätte sich diesem Anblick gerne hingegeben. „Wie verletzt ist er?“   „Er hat eine Beule und eine dazugehörige Gehirnerschütterung. Sein Rücken ist stark geprellt und er hat wohl einiges an Rauch eingeatmet. Die Hitze hat seine Haut gerötet“, zählte Ryou auf. „Anscheinend ist nichts gebrochen.“   Jono nickte. „Ich hab ihn hergetragen, da war er noch bei Bewußtsein. Er wollte die ganze Zeit nur wissen, wie es uns allen geht.“   Atem atmete tief ein und aus. „Ich wünschte, ich könnte etwas für ihn tun… Oh, warte! Das kann ich tatsächlich.“ Er blickte Jono an. „Wesir Siamun wartet im Palasthof auf Nachrichten über Yugi. Würdest du ihn holen gehen, bitte?“   „Oh Mann! Daran hätte ich selber denken können.“ Jono sprang hastig auf, verneigte sich wacklig und eilte dann davon.   „Jono ist doch nicht auch verletzt, oder?“ erkundigte Atem sich. Diese Möglichkeit hatte er gar nicht bedacht.   „Wir standen weit von dem verdorrenden Flecken Erde weg. Wir sind mit dem Schrecken und ein paar Kratzern davongekommen“, berichtete Ryou. „Honda ist bei den Barracken zurückgeblieben, um beim Löschen zu helfen.“   „Kannst du mir erzählen, was passiert ist?“ Sanft berührte Atem Ryous Schultern. Er konnte sich kaum vorstellen, wie der andere sich fühlen mochte. Er hatte alles verloren und nun wurde er auch noch in die Katastrophen hier hineingezogen.   Ryou schloß die Augen. „Ich bin kein Zauberer. Was ich dir sagen kann, Lebender Horus, ist, daß keiner der Zauberer auch nur ansatzweise besorgt wirkte. Offenbar hielten sie es für Routine.“   Routine… Routine waren Flüche der Kategorien 5 und 6. Solche Flüche konnten ärgerlich sein, manchmal auch hartnäckig, aber keiner könnte eine solche Explosion auslösen. Atem biß die Zähne aufeinander. War es das? Hatten die Götter ihn davor gewarnt? Wenn ja, dann war es gerade erst der Anfang. Er mußte mit Mahaad sprechen, aber die Heilerin vorhin hatte eindeutig gesagt, daß der kaum so schnell aufwachen würde. Atem fügte geistig das unausgesprochene Addendum hinzu: Falls Mahaad überhaupt je wieder aufwachen würde.   Ein leises Stöhnen holte Atem zurück in das Hier und Jetzt. Yugi rührte sich! Atem beugte sich vor, beobachtete das Flattern der Lider und fühlte ein Lächeln auf seinem Gesicht, als sich ihm unzählige, geheimnisvolle Welten offenbarten.   Yugi stöhnte erneut und blickte Atem an, dann schloß er lächelnd die Augen.   „Dein Großvater wird bald hier sein“, versprach Atem. Kurz berührten seine Fingerspitzen Yugis.   Yugi nickte kaum merklich.   „Hast du noch Schmerzen, Yugi?“ erkundigte sich Ryou.   „Mein Rücken… gebrochen…“   „Der ist nicht gebrochen, nur sehr geprellt.“ Ryou hob einen Holzbecher und hielt ihn an Yugis rauhe Lippen. „Trink etwas. Das tut dir gut!“   Gehorsam schluckte Yugi, doch ein Teil des Wassers lief über seine Wangen und tropfte auf das Laken.   „Sprich jetzt nicht, Yugi“, bat Atem. „Schone dich. Du bist bei den Heilern. Dir wird es bald wieder besser gehen.“   Yugi blickte Atem an und der glaubte, sein Herz und seine Wangen müßten verglühen. Dann schloß Yugi die Lider wieder. Es schien ihn anzustrengen, sie offenzuhalten, so als wären sie mit Blei beschwert.   Atem strich noch einmal über Yugis Handinnenfläche. Er hätte hier sein und diesen Fluchbruch überwachen müssen. So viele Verletzte… Yugi, Mana, Mahaad… Er hätte sie beschützen müssen. Er hätte sie verlieren können… Er konnte Mahaad noch immer verlieren. Noch bevor der Wesir ankam, war Yugi wieder eingeschlafen und Atem verließ das Haus der Sachmet mit einem brennenden Gefühl im Leib. Das würde noch eine lange Nacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)