Schmerzliche Wahrheit von Lilithen ================================================================================ Kapitel 9: Zusammenstoß ----------------------- Es herrschte ein unangenehmer Lautstärkepegel im Raum. Nicht verwunderlich bei den zwei Streithähnen, die gerade dabei waren sich zu allem Übel auch noch voreinander aufzubauen. Wahrscheinlich sollte es bedrohlich wirken, aber das tat es ganz und gar nicht. Es war schlicht und ergreifend einfach nur lächerlich, aber was hatte Sasuke denn auch bitte erwartet? Seit fast einem Monat traf sich die kleine Gruppe nun schon in der Praxis von Sasori. Vier gemeinsame Sitzungen und bis jetzt war es jedes Mal eskaliert. „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du deine verdammte Klappe halten sollst, Suigetsu!?“ „Ich werde damit aufhören, wenn du von deinem hohen Ross runterkommst!“, erwiderte ihr Gegenüber in ebenso lautem Tonfall. Tief atmete der Uchiha durch, als sein Mundwinkel kurz und unkontrolliert nach oben zuckte. Das war mehr als nur nervig, es machte ihn wütend. Warum zum Teufel sprach Sasori nicht endlich ein Machtwort? „Oh nein, Daddy hat mir die Kreditkarte gesperrt und jetzt kann ich mir keine neuen Klamotten mehr kaufen. Ich fühle mich ja sooo benachteiligt. Das wird mir zu viel. Bitte, bitte beiße mich“, äffte der Kleptomane Karin nach, „Werd erwachsen, Schätzchen. Davon geht die Welt nicht unter.“ „Du hast recht, ich sollte das anders kompensieren. Hey, vielleicht fang ich einfach an zu klauen, vielleicht gibt mir das ja den Kick, hilft bei dir ja auch.“ Sichtlich darum bemüht die Fassung zu bewahren, lehnte Sasuke sich zurück und massierte sich die Schläfen. Der Schwarzhaarige war die Streitereien zwischen den beiden leid. Anfangs war es für den Uchiha noch vertretbar gewesen, zugegeben. Die lautstarken Reibereien nahmen fast immer die komplette Sitzungen ein und da es bei dieser Geräuschkulisse unmöglich war ein anderes Gespräch zu führen, war er selbst schön aus dem Schneider gewesen. Mittlerweile empfand er es aber nur noch als anstrengend. Kurz sah er zu Juugo und anschließend zu Sasori. Die beiden wirkten gefasst und keiner machte Anstalten in nächster Zeit dazwischen zu gehen. Wunderbar, ganz, ganz wunderbar. Egal wie sehr Sasuke es auch versuchte, er konnte den Disput der zwei einfach nicht ausblenden. Es war ein konstanter Faktor, der ihn mit jeder Sekunde weiter an den Rand seiner Selbstbeherrschung brachte – und zwar jeden verdammten Montag aufs Neue. „Dann müsstest du dir dieses Problem aber mit mir teilen und es ginge nicht mehr nur um dich“, provozierte Suigetsu weiter. Der laute Wutschrei, der daraufhin folgte, zog sich schmerzhaft durch sein Trommelfell. Resigniert stellte Sasuke fest, dass er Kopfschmerzen bekam und seine Laune tatsächlich noch ein ganzes Stück weiter sank. Es reichte ihm, es reichte ihm wirklich. „Du mieser Kleiner-“ - „Du verdammte-“, schrien die beiden zeitgleich los und ohne es kontrollieren zu können platze Sasuke der Kragen. „Haltet beide sofort die Klappe!“ Augenblicklich wurde es Still. Die beiden Kindsköpfe sahen ihn mit einer Mischung aus Irritation und Entsetzen an. Juugo hob nur verwundert eine Augenbraue und Sasori hatte tatsächlich den Nerv zu schmunzeln. So wirklich auskosten konnte er die verschiedenen Reaktionen aber nicht, dafür war der Uchiha gerade viel zu wütend. Was war nur falsch mit diesen Leuten? „Habt ihr zwei wirklich keinen anderen Lebensinhalt, als anderen den Tag zu versauen?“, stellte er die rhetorische Frage und registrierte mit Genugtuung, dass seine Stimme kalt, abweisend und wenn er die Mimik von Karin und Suigetsu richtig deutetet, auch einschüchternd wirkte. Wie oft hatte er selbst diesen Tonfall über sich ergehen lassen müssen? Ist das ein schlechter Scherz? Die Leistungen sind unzureichend, Sasuke. Du blamierst mich. Mit einem kurzen Kopfschütteln versuchte er die Stimme seines Vaters zu vertreiben, was ihm auch erstaunlich schnell gelang. Seine schlechte Laune half ihm dabei ungemein und so lenkte der 17-Jährige seine Aufmerksamkeit wieder auf das Hier und Jetzt. „Du“, wütend fixierte er den Hellhaarigen, welcher bei seinem Blick kurz schluckte, „Hast ein echtes Aufmerksamkeitsproblem. Das ist auch der Grund warum du ständig gegen Karin schießt, weil sie direkt drauf einsteigt und dich dadurch geradezu mit Aufmerksamkeit überschüttet. Dabei würdest du die auch bekommen, wenn du einfach nur warten würdest bist du dran bist. Das kannst du aber nicht, weil du genauso Ichbezogen und kindisch bist wie sie.“ Kurz lachte die Rothaarige süffisant in Suigetsus Richtung, aber Sasuke war noch nicht fertig. Er war so unfassbar wütend wie schon lange nicht mehr. „Und du“, ertappt zuckte Karin zusammen, „Hast überhaupt keine Selbstbeherrschung. Du willst wie eine Erwachsenen behandelt werden, tust aber rein gar nichts dafür. Jede noch so kleine Nichtigkeit lenkt dich ab, oder provoziert dich direkt. Kein Wunder, dass deine Pflegefamilie dir versucht Grenzen zu setzen. Das ist ihr schwacher Versuch die abhandenkommende Erziehung bei dir nachzuholen. Und anstatt mit der Situation fertig zu werden, versuchst du nur ihr zu entkommen und dich auf seltsame Weise ablenken zu lassen. Von anderen. Weil die beißen ja dich, du kannst nichts dafür, die Typen könnten ja 'Nein' sagen. Du gibst die Kontrolle darüber ab, wie ein kleines Kind.“ Abwertend sah er zwischen den mittlerweile angenehm ruhigen Jugendlichen hin und her. „Ihr zwei seid euch so unfassbar nervtötend ähnlich. Keiner von euch sieht es auch nur annähernd ein, dass der Fehler bei einem selbst liegen könnte. Wie auch? Ihr schafft es ja nicht mal die einfachsten Situationen eigenständig zu reflektieren. Das Leben ist erstaunlich selten fair und alles was in unserem Leben passiert hängt mit uns selbst zusammen. Denkt darüber nach und vor allem denkt leise.“ Sasuke fühlte sich besser. Zwar pulsierte die Rage noch immer durch seine Adern, aber sie war zumindest auf ein leises Wummern geschrumpft. Das Beste war jedoch, dass es nun angenehm still war. Niemand sagte mehr etwas. Karin und Suigetsu hatten sich wieder hingesetzt und gingen betreten ihren Gedanken nach. Auch wenn der Schwarzhaarige es nicht mochte so viel auf einmal zu reden, besonders nicht vor diesen Leuten, so war es die momentane Situation doch Wert gewesen. „Schön, dass du beschlossen hast dich eigenständig zu Wort zu melden. Das ist ein Anfang.“ Fassungslos sah er zu dem Therapeuten, der ihn fast schon selbstgefällig anlächelte. Das war doch wohl hoffentlich ein Scherz. Der Rothaarige hatte nicht allen ernstest die Streitereien geduldet, damit Sasuke der Geduldsfaden riss, oder? „Das war ganz schön düster“, gab nun auch Juugo zum Besten. „Und scheiße beängstigend“, ergänzte Suigetsu, „Den Tonfall hat nicht mal mein Bruder drauf, wenn ich was wirklich schlimmes angestellt habe.“ „Aber irgendwie war das auch ganz schön heiß“, mischte sich nun auch die junge Frau ein und erntete daraufhin nur ein genervten Laut vom Blauäugigen. „Echt jetzt, Karin? Was ist nur falsch bei euch Frauen?“ Ein kurzes Schulterzucken von der Rothaarigen diente als Antwort. Sasuke selbst sagte nichts. Er fühlte sich auf Kreuz gelegt. Das war kein Scherz, wurde ihm nun klar. Das war geplant gewesen und zwar nicht nur von Sasori. Sasuke Uchiha war reingelegt worden. Seine Mimik verdüsterte sich. „Woah, nicht wütend werden, okay? Wir haben uns alle nur Sorgen gemacht, weil du echt Still bist“, versuchte Karin ihn zu beruhigen und hob zur Verstärkung abwehrend die Hände. „Sei uns nicht böse, wir haben uns wirklich nur Sorgen gemacht.“ Besänftigend legte Juugo seine Hand auf die Schulter des Schwarzhaarigen und drückte sanft zu. Und obwohl Sasuke es ganz und gar nicht mochte angefasst zu werden, war die Berührung in Ordnung. Mehr sogar, sie beruhigte ihn tatsächlich. „Die Drei haben darauf bestanden. Jeden Freitag haben sie weiter an dem Plan gearbeitet. Erstaunlich konzentriert sogar.“ „Oh bitte, Sasori. Du warst auch nicht gerade abgeneigt.“ Kurz lachte die Brillenträgerin auf. Er wollte sich aufregen. Über das kindische Verhalten und über die mangelhaften Methoden des Therapeuten, aber er konnte nicht. Noch immer berührte der Älteste der Gruppenteilnehmer seine Schulter und durchflutete ihn mit einer fast schon unheimlichen inneren Ruhe. Er hatte keine Ahnung wie sein Nebenmann das anstellte, vielleicht war es aber auch dem Umstand geschuldet, dass Sasuke mehr als nur überrumpelt worden war. „Das ist euer Ernst“, faste der Uchiha noch einmal das Offensichtliche in Worte und erhielt von den drei Jugendlichen daraufhin ein sehr synchrones: „Natürlich.“ „Gruppendynamik, Sasuke. Wir sind jetzt ein Team, ob du willst oder nicht.“ Breit wurde er von Karin angelächelt. Irgendwie erinnerte ihn das an Naruto. Dieser völlig übertriebene Optimismus. „Freunde sogar“, ergänzte Suigetsu und fing nun auch an ihn überzogen anzugrinsen. „Wir sind keine Freunde“, versuchte er die Situation aufzuklären. „Oh doch, du weißt das nur noch nicht.“ „Nein, Freunde kennen sich. Wir nicht“, versuchte der Schwarzhaarige es erneut. „Dann fangen wir jetzt an. Wie alt bist du?“, interessiert musterte Juugo ihn. „Wo kommst du her?“ Die Frage kam vom Hellhaarigen. „Hast du 'ne Freundin?“ Mit einem Rotschimmer stellte Karin ihm die Frage. „Was für Musik magst du?“ „Hast du Hobbys?“ Die Liste an Fragen ging endlos weiter. Auf keine davon antwortete er. Selbst wenn Sasuke gewollt hätte – was definitiv nicht der Fall war – hätte er gar nicht die Chance gehabt dazwischen zukommen. Der Uchiha fühlte sich mehr als nur erschlagen. Diese dämlich lächelnden Gesichter der Anderen, die Masse an Fragen und er stand im Mittelpunkt. Das war einfach nur furchtbar. Außerdem keimte in ihm der schreckliche Verdacht, dass das nicht mehr aufhören würde. Sie würden ihn von nun an sicherlich immer integrieren wollen. Mit ihm reden, Dinge über ihn wissen und Zeit mit ihm verbringen wollen. Alles Sachen auf die er keine Lust hatte. Eigentlich würde den Schwarzhaarigen nun eine genervte Stimmung überkommen, oder vielleicht sogar eine Art von Enge, weil er sich in die Ecke gedrängt fühlte. Alles was jedoch passierte war, dass ihn eine unangenehme Gänsehaut überrollte. Seltsam, wie der Uchiha fand. Besonders weil er nicht umhin kam einzusehen, dass es an der sanften Berührung seiner Schulter lag. Nur daran. Und das rückte diesen Juugo in ein noch seltsameres Licht. „Das reicht für heute. Ihr könnt nach Hause und denkt dran, dass wir uns erst im neuen Jahr wiedersehen.“, beendete Sasori ihre Zusammenkunft. Erleichtert und vielleicht auch etwas zu schwungvoll, stand der Schwarzhaarige auf und zog sich seine Jacke über. Er wollte weg und zwar schnell. Ohne einen Abschiedsgruß verließ er das Gebäude, nahm einen tiefen Atemzug der kühlen Dezemberluft und genoss die Ruhe. Es war nur ein kurzer Moment der Stille, denn ehe er sich versah, hakte sich rechts und links jemand bei ihm unter. Genervt versuchte er sich aus dem Griff von Karin und Suigetsu zu befreien, aber die beiden ließen einfach nicht los. „Was soll das?“, fragte er genervt nach. „Wir wollten noch was essen gehen und dachten, dass du unbedingt mitkommen musst.“ Der fröhliche Ton der Rothaarigen ließ ihn nur unzufrieden mit den Augen rollen. Er hatte es befürchtet. Hätte Sasuke doch heute nur den Mund gehalten. „Nein, danke.“ Ein weiteres Mal versuchte er sich von den Idioten zu lösen und trat einen Ausfallschritt nach hinten. Augenblicklich stieß er gegen etwas weiches und hätte, nach seinem kurzen Blick nach oben, am liebsten frustriert aufgeschrien. Der Schwarzhaarige hätte sich denken können, dass Juugo nicht weit war. „Wir laden dich auch ein“, eröffnete der Ältere ihm. Mit bemerkenswerter Konsequenz wurde der Schwarzhaarige, der noch immer dagegen protestierte einfach mitgezogen zu werden, ignoriert. Seine Laune war am absoluten Tiefpunkt angelangt. Ein erstaunlicher Umstand, denn bis jetzt hatte Sasuke immer geglaubt, dass einzig und allein Naruto ihn so dermaßen auf die Nerven gehen konnte. ~ So ungern er es auch zugab, Sasuke hatte keine Chance gehabt. Es war unmöglich gewesen dem Klammergriff der zwei Gestörten zu entkommen. Also hatte er sich weiterhin durch das Stadtviertel schleifen lassen müssen und saß jetzt tatsächlich mit den drei Nervensägen in einem gemütlichen Bistro. Der Uchiha hatte befürchtete, dass es so ausarten würde wie in den vier Wänden der Praxis, aber dem war nicht so. Die Streithähne waren zwar nicht wie ausgewechselt, aber doch deutlich netter zueinander – und leiser. „Sorry nochmal wegen heute“, sprach Suigetsu ihn an , bevor dieser sich gierig etwas von seinen Nudeln in dem Mund stopfte. So viel, dass die Hälfte zurück auf den Teller fiel. Abschätzig verzog der Schwarzhaarige sein Gesicht und nippte kurz an seinem Wasser. „Möchtest du wirklich nichts essen?“ Die Frage klang gedämpft, weil der Blauäugige noch immer dabei war zu kauen. „Gerade nicht“, erwiderte er und das war nicht einmal gelogen. Die nicht vorhandenen Tischmanieren des Hellhaarigen, dämpften seinen Appetit ungemein. „Mensch Sui, iss' doch zumindest wie ein normaler Mensch.“ Resignierte Karin und Sasuke konnte es noch immer nicht glauben. Warum sprangen die beiden sich in den Sitzungen immer an die Gurgel, wenn es offensichtlich auch anders zwischen ihnen ging? „Eigentlich sind die zwei gar nicht so schlimm.“ Beherzt biss Juugo in sein Sandwich. „Genau“, keck zwinkerte Karin ihm zu, „Wir streiten nicht immer und vor allem nie so laut wie in den letzten Wochen. Wir wollten einfach nur, dass es dir zu viel wird. Und Junge, du hast eine ganz schöne Toleranzgrenze.“ Anerkennend wurde ihm zugenickt. „Anders als gewisse Damen hier am Tisch“, wurde Karin daraufhin aufgezogen. „Halt die Klappe. Das ist immer noch besser als dein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit“, schoss sie zurück. Dem Uchiha dämmerte es langsam. Nicht die heutigen Vorkommnisse, sondern das Prinzip an sich. „Ihr streitet mit Absicht.“ „Jap, Sosori meinte, dass uns das hilft. Suigetsu bekommt von mir Aufmerksamkeit und im Gegenzug zeigt er mir Grenzen auf, weil er nicht nachgibt. Das ist schon länger unsere kleine, interne Therapie.“ Als hätte sie gerade nur übers Wetter geredet, lächelte die Rothaarige ihn an. „Bist du dir ganz sicher, dass Sosori dir nichts über uns erzählt hat? Du hattest vorhin nämlich eine erschreckende Punktlandung.“ Der Blauäugige lehnte sich viel zu nahe in seine Richtung. „Hat er nicht.“ „Krass. Vielleicht solltest du später auch was in Richtung Psychologie machen.“ Spielerisch stieß Suigetsu ihn mit den Ellenbogen an und Sasuke verzog genervt das Gesicht. „Oder in Richtung Erziehung. Ich krieg immer noch Komplexe wenn ich nur an vorhin denke“, demonstrativ rieb sich Karin über die Arme, „Wo hast du das bitte gelernt?“ Augenblicklich versteifte Sasuke sich. Er wollte darüber nicht reden. Nicht jetzt und wenn es nach ihm ging, auch in Zukunft nicht. „Das reicht.“ Ein ungewohnter Tadel lag in der Stimme von Juugo. „Du musst nicht darüber reden wenn du nicht willst, Sasuke. Manche Leute wissen einfach nicht wann es genug ist.“ „War ja klar, da ist er wieder.“ Mit einem leisen Lachen lehnte Suigetsu sich zurück. „Papabär“, ergänzte die Rothaarige und verdrehte belustigt ihre Augen. Wo war er da nur hineingeraten? Die Frage war berechtigt, wie er fand. Die drei waren seltsam und auf unangenehme Art sehr auf Körperkontakt aus. Zumindest Karin und Suigetsu. Kaum hatten sie das Lokal verlassen, klebten die beiden nämlich wieder an ihm und beschlagnahmten seine Arme. Das war einfach nur nervig. Immerhin war Sasuke jetzt nicht mehr im Gesprächsmittelpunkt. Die Maßregelung vom Größeren schien wirklich etwas gebracht zu haben. Seither ging es in der Konversation um banale Dinge. Filme, Hobbys und irgendeine Band, welche die Brillenträgerin toll fand. Mit halben Ohr hörte er zu. Überwand sich ab und an sogar zu einem eigenen, kurz abgebundenen Beitrag am Gespräch. Ja, diese Leute waren nervig und anstrengend. Nichts desto weniger fühlte Sasuke sich gerade normal. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal einfach nur so durch die Straßen geschlendert war. Irgendwie störte es ihn nicht einmal, dass das hektische Treiben um ihn herum noch unruhiger war. Immerhin war es kurz vor Weihnachten. „Wow, guckt euch mal den Schlitten an.“ Der Blauäugige ließ ihn tatsächlich los und ging auf den glänzend schwarzen Mercedes zu, der fein säuberlich vor den Stufen der Aktienbank parkte. „Suigetsu, du kannst da doch nicht einfach so hingehen. Da sitzt jemand drin.“ Auch Karin löste endlich ihren Griff und folgte dem jungen Mann. „Ja, ein verdammter Chauffeur. Was muss man im Leben richtig machen, um so ein Auto mit Chauffeur zu bekommen.“ Fast hätte Sasuke gelächelt. Er wusste, dass der Hellhaarige aus einer nicht ganz so betuchten Umgebung kam, dass Suigetsu aber schon ein einfacher Benz so in Aufruhr versetzte war irgendwie amüsant. Bei einem Porsche könnte der Schwarzhaarige es ja verstehen, aber bei diesem Modell eher weniger. Vielleicht lag es aber auch daran, dass der Uchiha mit diesem Autotyp fast schon groß geworden war. „Es sind die einfachen Dinge“, schmunzelte der Älteste und drückte leicht seine Schulter, „Ich hol die beiden Mal kurz zurück in die Realität.“ Damit war die Hand auch schon wieder verschwunden und den Worten folgten Taten. Nun kam der Uchiha doch nicht umhin zu schmunzeln. Es war ein komisches Bild, dass das Trio abgab. Ein völlig begeisterte Suigetsu, der die Triade von Karin vollkommen ignorierte und Juugo, der hinter ihnen stand und versuchte die Rothaarige davon abzuhalten dem Blauäugigen eine zu verpassen. Er nahm es zurück. Das hier war nicht normal. Wahrscheinlich war nichts, was mit diesen Chaoten zu tun hatte normal. War es nie und würde es mit Sicherheit auch nicht, aber im Moment war das okay. Sasuke fühlte sich ungewohnt wohl. So ungern er es auch zugab, im Laufe des heutigen Tages hatte er sich entspannt. Auch ohne die skurrile Wirkung von Juugos Berührungen. Rückblickend war es gar nicht so schlimm mit dieser Gruppe unterwegs zu sein. Irgendwie war es sogar ganz beruhigend zu wissen, dass die anderen nicht Makellos waren. Kurz schüttelte er mit dem Kopf. Was war das denn bitte? Auf keinen Fall würde er jetzt in so etwas wie Sentimentalität abdriften. Es war ihm egal was Sasori von ihm dachte, aber er würde diese Charakterschwäche sicherlich nicht ausarten lassen. Ganz besonders nicht bei diesen Leuten. Das war- „Sasuke!“ Er erstarrte und selbst die drei Chaoten stellten ihr Tun nach dem strengen Ausruf seines Namens ein. Abschätzig sahen sie zwischen ihm und der Richtung aus der die Stimme kam hin uns her. Eine profane Nebensächlichkeit, als er sich das Nummernschild des Mercedes genauer besah und die Gewissheit seine Sinne überflutete. Das war der Wagen seines Vaters. Er war direkt in die Arme von Fugaku gelaufen. „Hab ich dich endlich gefunden.“ Die Stimme des Älteren war kalt und einschneidend. Zögerlich drehte der Schwarzhaarige seinen Kopf und sah direkt in das wütende Gesicht des Firmenchefs. Der Ältere stand keine zehn Meter von ihm entfernt, auf der obersten Stufe der breiten Treppenlandschaft. Sasuke konnte förmlich spüren, wie ihm die Farbe aus dem ohnehin schon blassen Gesicht fiel und seine Atmung schwer wurde. Es war lächerlich, dass wusste der Uchiha, aber er hatte das Gefühl, als würde sein Vater ihn direkt an der Kehle packen und die Luft abdrücken. Genau hier, auf offener Straße. Er konnte nicht denken, sein Kopf war wie leergefegt. Bis auf ein einziges, kleines Wort, das immer lauter wurde und sich verbissen in seine Synapsen krallte. Nur aussprechen konnte er es nicht, denn noch immer lähmte die Anspannung fast jeden seiner Muskeln. „Steig ins Auto“, wurde er aufgefordert, aber der junge Uchiha bewegte sich nicht. Ein Umstand, der seinem Vater ganz und gar nicht zu gefallen schien. Sasuke erkannte die Anzeichen. Es waren nur feine Nuancen die als Vorboten dienten. Das kurzes Zucken im rechten Zeigefinger, das kaum wahrnehmbare Kräuseln der Lippen und die kurze Spannung in der Kiefermuskulatur – egal was, egal wie klein und unscheinbar, Sasuke sah jede Feinheit und konnte sie deuten. Die Fassung von Fugaku geriet ins wanken. „Das war keine Bitte. Steig in das Auto. Sofort.“ Die Stimme des Witwers war nicht laut, trotzdem war der bedrohliche Unterton nicht zu überhören. Der Schwarzhaarige musste schlucken, trotzdem klang seine Erwiderung viel zu kratzig. „Nein.“ „Wie bitte?“ Ermahnend hob das Familienoberhaupt seine Augenbrauen. „Du bist mein Sohn und du hast nicht das Recht einfach zu verschwinden, nur weil du dich ungerecht behandelt fühlst.“ Die Anspannung zwischen ihnen war fast schon greifbar, das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut. Trotzdem konnte Sasuke nicht weg sehen, geschweige denn einfach gehen. Er konnte einfach nicht. Fest ballte Fugaku seine Hände zu Fäusten. Die Pranken zitterten leicht und Sasuke wusste, dass er sich bis jetzt nur noch keine Gefangen hatte, weil sie in der Öffentlichkeit waren. Weil das etwas zur Folge hätte, dass Fugaku um jeden Preis verhindern wollte – Gerede. “Lass die Leute nicht reden“, schoss ihm die Erinnerung durch den Kopf. Der Satz, der ihm eigentlich garantierte, dass ihm hier, inmitten von Menschen nichts passieren würde. Dennoch half er dem Jüngeren kein Stück. Das hier war so abwegig. Die ganze Situation war so absurd und völlig anders als er sie sich ausgemalt hatte. Genau hier, inmitten von völlig Fremden, die auf die Schnelle ihre letzten Weihnachtseinkäufe erledigten, wirkte die eigentlich ernste Thematik nur noch lächerlich. Fast hätte Sasuke gelacht. Ja fast, wenn er sich nicht eingestehen müsste, dass er Angst hatte. Diese Erkenntnis brachte ihn beinahe noch mehr zum Lachen. Ausgerechnet jetzt wurde Sasuke bewusst, dass er Angst hatte. Jetzt. Im denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, vor der wohl schlechtesten Kulisse und vor allem allein. „So habe ich dich nicht erzogen.“ Instinktiv trat er einen Schritt zurück, als Fugaku Anstalten machte auf ihn zuzugehen. Seine Gedanken rasten. Erinnerungen zogen an ihm vorbei und verblasste Gefühle von rauen Fingern auf seiner Haut. Das machte ihn Wahnsinnig, riss seinen letzten Rest an klaren Verstand mit sich und veranlasste ihn dazu seinen Gegenüber nur noch mehr zu provozieren. „Hast du Itachi auch nicht und wo ist der jetzt?“ Das kurze Auflachen seines Vaters war die einzige Warnung, bevor der Ältere auf ihn zulief. Sasuke sah es, fast schon wie in Zeitlupe, trotzdem schaffte er es nicht sich zu bewegen. Obwohl er es wirklich sollte. Der Schwarzhaarige sollte Laufen. Weg von hier, weg vor seinem wütenden Vater, dessen Hände noch immer geballt waren. Aber Sasuke konnte nicht, der starre Blick seine Erzeugers lähmte ihn regelrecht. Alles was er schaffte war ein Blinzel. Mehr nicht. Ein kurze Moment der Schwärze. Das Nächste was er sah, war wie der Witwer gegen die breite Schulter von Juugo stieß und ins straucheln kam. Der Größe packte ihn darauf hin am Arm und entschuldigte sich beim älteren Uchiha für seine Unaufmerksamkeit. Viel zu lang und mit fadenscheinigen Argumenten. Und die ganze Zeit über, ließ Juugo nicht eine Sekunde den Arm seines Vaters los. Hastig redete der Teenager weiter auf den Älteren ein, überspielte den Versuch des anderen sich loszureißen mit Besorgnis. Sasukes Verstand schaffte es nicht wirklich die Information zu verarbeiten. Was passierte da? Juugo hatte doch mit den anderen weiter hinten am Auto gestanden. Er konnte sich keinen Reim auf die Situation machen, besonders nicht, als nun auch Karin und Suigetsu in die verwirrende Situation mit einstiegen. Die zwei flankierten Fugaku, erkundigten sich ebenfalls ob alles in Ordnung war und drängten den völlig überrumpelten Mann ein ganzes Stück nach hinten. Ein Manöver auf das Juugo anscheinend gewartet zu haben schien. Fest sah er Sasuke ins Gesicht und formte lautlos ein einziges Wort, dass den Jüngeren endlich das Schauspiel verstehen ließ. „Verschwinde.“ Das Trio verschafften ihm einen Vorsprung. Einfach so, ohne genau zu wissen was eigentlich los war und ohne den Schwarzhaarigen wirklich zu kennen. Sasuke sollte es nicht tun, aber er empfand Dankbarkeit. So intensiv, dass die lähmende Furcht überdeckt wurde. Endlich konnte er sich wieder bewegen und das tat er auch. Er rannte, so schnell er konnte flüchtetet er. Blindlings stürmte er in die nächste U-Bahnstation und erwischte die Bahn haarscharf, bevor sich die Türen schlossen. Sasuke wusste nicht wohin er nun fuhr, aber das war egal. Wo auch immer es gerade hinging, es brachte Abstand zwischen ihn und seinen Vater. Das war alles was momentan von Bedeutung für ihn war. Erst als das mechanische Quietschen der Bahnräder zu ihm durchdrang, beruhigte sich sein Puls wieder. Bemüht gleichmäßig holte der Uchiha Luft und konzentrierte sich angestrengt auf den Rhythmus seiner Atmung, bis er selbst davon überzeugt war sich weit genug beruhigt zu haben. Die Sonne kitzelte leicht auf seinem Gesicht, als die Tram den dunklen Tunnel verließ und auf die Straßenschienen wechselte. Zögerlich zog Sasuke sein Handy aus der Tasche und überprüfte, ob er Empfang hatte. Konsequent ignorierte er dabei das leichte Zittern seiner Hände. Ein letzter tiefer Atemzug und dann wählte er auch schon die Nummer. Es dauerte einen kurzen Moment, bevor sein Gesprächspartner abnahm. „Wie komm ich denn zu der Ehre?“ Die fröhliche Stimme von Naruto durchflutete ihn schon beinahe und Sasuke wurde angenehm warm, beruhigte sich sogar noch ein Stück mehr. Dennoch konnte er noch nicht Antworten, seine Zunge lag schwer wie Blei in seinem Mund. „Sas?“ Akribisch konzentrierte der Angesprochene sich auf die vertraute Stimme des Blonden. Deutlich hörte er die Besorgnis, aber er konnte noch immer nicht Antworten. „Ist alles okay? Wo bist du?“ Endlich flaute die Beklommenheit weit genug ab. „In der Bahn.“ Er klang angeschlagen und ungewohnt müde. „Okay“, kam es zögerlich von seinem besten Freund, „Und wo geht’s hin?“ „Weiß ich nicht“ Kurz war es still am anderen Ende der Leitung und Sasuke sah förmlich vor sich, wie der Chaot stutzig seine Stirn in Falten legte. Sasuke Uchiha fuhr nicht einfach und ohne Grund durch die Gegend. Dafür war er nicht der Typ – und das wusste sein Gesprächspartner nur zu gut- „Was ist los?“ Ein kurzer Stich durchfuhr ihn bei dem alarmierten Tonfall des Älteren. Der Schwarzhaarige wollte es nicht erzählen und Naruto noch mehr mit seinen Problemen belasten. „Erzähl mir was“, bat er ungewohnt sanft und versuchte so die Frage einfach zu umgehen. „Sasuke.“ Sein Name klang ungewohnt mahnend. Nicht ansatzweise so wie gerade von seinem Vater, dennoch verzog er fast schon gepeinigt das Gesicht. „Bitte, Naruto.“ Eine weitere Stille folgte, länger dieses Mal. „Jiraiya hat tatsächlich versucht Kekse zu backen. Es war eine Katastrophe“, gab der Blondschopf schließlich nach. Lange erzählte der Uzumaki ihn von dem Ereignis. Davon, dass die Küche aussah wie ein Schlachtfeld und man, mit den verkohlten Resultat der Backaktion, Leute erschlagen könne. Ab und an lachte der Blauäugige bei seiner Erzählung amüsiert in Sasukes Ohr. Nahtlos lenkte Naruto die Konversation auf andere Themen. Die Schule. Weihnachtsstress. Und viele andere, belanglose Dinge. Sasuke war einfach nur froh der Stimme lauschen zu können. Der Blonde erwartete nicht ein einziges Mal, dass Sasuke ihm antwortetet. Naruto fuhr einfach immer weiter fort und mit jedem Moment der verstrich beruhigte der Schwarzhaarige sich mehr. Nicht einen Moment ließ sein bester Freund ihn mit der Stille allein. Kein Moment, in dem Sasuke sich Gedanken um die beängstigende Begegnung heute machen konnte. Die Erzählungen ebbten nicht an. Weder als Sasuke im Dunkeln, an der noch immer fremden Wohnung ankam. Auch nicht, als er sich umzog und sich in das weiche Bett legte. Stundenlang erzählte Naruto ihm Dinge, begleitete den Schwarzhaarigen mit seiner beruhigenden Stimme. Solange, bis Sasuke endlich eingeschlafen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)