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Eine erbarmungslose Entscheidung

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Freitagabend,
ich wünsche euch viel Spaß mit dem Ende vom Anfang ;-)
Und nächste Woche geht es dann so richtig los.
Vielen Dank für eure Kommentare, jeder einzelne freut mich sehr!
Liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallihallo,
bisher haben wir die Vergangenheit aus dem ersten Teil nochmal aufleben lassen, aber ab heute geht es richtig los. Zorro und Mihawk 2.0
Ich hoffe ihr habt viel Spaß und freue mich über jeden Leser ;-)
Alles Liebe
eure Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallihallo,
da ich heute nur ganz wenig Zeit habe, lasse ich euch jetzt einfach das neue Kapitel da und wünsche euch ganz viel Spaß damit.
Liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen guten Abend,
heute geht es wie gewohnt weiter mit einem kurzen Kapitel bevor es richtig ernst wird.
Vielen Dank, dass so viele von euch diese Fortsetzung verfolgen und insbesondere an blackholmes94 für deine lieben Kommentare ;-)
Ich wünsche euch viel Spaß und liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo,
also heute das neue Kapitel (nach wie vielen Monaten? Hust, das wollen wir heute einfach mal ignorieren).
Mihawk und Zorro sind nun also endlich auf Mary Joa angekommen, aber was wird dort passieren?
Ich wünsche euch viel Spaß und freue mich, wenn euch das Kapitel gefällt.
Liebe Grüße

Sharry

P.S.Jetzt nehme ich mir erst einmal die Zeit eure alten Nachrichten und Kommentare zu bewantworten ;-) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo alle miteinander,
ich bin zwar spät dran, aber noch ist es Donnerstag ;-P
Ohne große Umschweife wünsche ich euch viel Spaß und bedanke mich herzlich für eure Kommentare und Favoriten.

Liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Abend,

ich hätte mir einen anderen Tag für den Upload suchen sollen, Donnerstags hab ich immer Uni, und heute auch noch eine Klausur (und zwar Abends -.-). Daher kommt das Kapitel halt erst jetzt.

Trotzdem wünsche ich euch viel Spaß und bedanke mich für eure Kommentare, ich freue mich über jeden einzelnen.

Liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Abend euch allen,

so, noch eine Klausur und dann hoffe ich, dass ich mit dem Schreiben etwas vorran komme und auch etwas zügiger hochladen kann ;-)
Bis dahin wünsche ich euch aber erst einmal ganz viel Spaß mit dem neuen Kapitel.
Vielen Dank für eure Kommentare und Favos, freue mich sehr.

LG
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Abend euch,

hier ist das neue Kapitel. Ich wünsche euch ohne große Umschweife ganz viel Spaß!

Liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo alle miteinander,

wie der Titel dieses Kapitels schon verrät kommt es heute zu einem großen Wiedersehen und ich habe auch noch eine kleine Überraschung für euch.
Auf Wunsch mehrerer Kommentare zu "Ein würdiger Traum" hatte ich damals begonnen die Länge der einzelnen Kapitel etwas herunterzuschrauben, was dazu geführt hat, dass es nun einfach mehr Kapitel sind und ich hab mir deswegen eine Kleinigkeit überlegt.
Da meine Klausurenphase vorbei ist und ich meinen Zeitplan für diese Geschichte mehr als erfülle habe ich mir gedacht, ab jetzt zwei Mal die Woche ein Kapitel hochzuladen und zwar Donnerstags und Sonntags.
Falls mein Leben mir keine Steine in den Weg wirft und ich weiterhin so gut mit meinem Zeitplan vorran komme, wird es eine dauerhafte Lösung sein, ansonsten werde ich auf jeden Fall Bescheid geben.

So, das soll es von meiner Seite gewesen sein und nun wünsche ich euch viel Spaß.
Bis Sonntag,
eure Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntag-Abend,
also an diese kurzen Intervalle muss ich mich noch etwas gewöhnen, wie seht ihr das? ^^'
Aber dafür geht es halt heute auch schon weiter mit einem neuen Kapitel. ;-)

Ich wünsche euch viel Spaß
LG
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Na, ist es denn schon wieder so weit?

Das heutige Kapitel mag ich ganz besonders, auch wenn ich gar nicht sagen kann warum, daher hoffe ich, dass es euch auch gefällt ;-)
Ich wünsche euch viel Spaß und bedanke mich ganz herlich für eure Kommentare und Favoriten.

Eure Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und wieder ein neues Kapitel,

ich muss gestehen, dass ich vor diesem hier ganz besonders nervös bin, da ich eine gewisse Schwelle überschreiten werde.
Den Lesern unter euch, die jedoch dadurch verunsichert werden, versichere ich, dass die Geschichte nicht in eine für mich untypische Richtung abdriften wird, da bleibe ich dem Genre treu ;-)
Falls ihr verunsichert seid oder Fragen habt, könnt ihr mir gerne (auch per PM) schreiben.
Ansonsten wünsche ich euch ganz viel Spaß, denn dieses Kapitel wird... anders aber nicht weniger spannend.

LG
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Donnerstag euch allen,

hier das übliche Kapitel ich wünsche euch viel Spaß damit.
Und an alle die heute auf die Straße gehen und feiern, habt eine tolle Zeit und passt auf euch auf.

LG
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Oooh, ich weiß, es ist schon wieder Montag!

Es tut mir leid, ich dachte es wäre ein kluger Schachzug das Hochladen auf Sonntag zu legen, von wegen Wochenende und Zeit und so, aber da hab ich mich etwas sehr verrechnet. Ich bin Sonntag einfach so gut wie gar nicht am Computer.
Ich werde mich trotzdem bemühen, pünktlicher zu sein und ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen^^'

Hier ist jetzt immerhin das nächste Kapitel und ich wünsche euch viel Spaß damit.

LG
Sharry

P.S. an alle Jecken da draußen, habt eine tolle Zeit und kehrt abends sicher Heim ;-) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallihallo,

langsam komme ich in den neuen Rhytmus, endlich und auch kein Kapitel zu früh^^'
Jetzt muss ich nur gucken, dass ich meinen Abstand wieder etwas ausbaue, denn das nächste Semester kommt bestimmt.

Ich wünsche euch viel Spaß mit dem was kommt.
LG
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntagabend euch allen,

heute kommt ein Kapitel, welches ich unter der Rubrik seltsam einordne, ohne genau zu wissen warum.
Dennoch (oder vielleicht gerade deshalb ;-P) hoffe ich, dass ihr euren Spaß haben werdet.

Liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo alle miteinander,

ich hoffe ihr seid mir alle bei dem Wetter nicht weggeflogen.
Eine kleine Planänderung erwartet uns, aber mehr verrate ich nicht ;-)

Wünsche euch viel Spaß und liebe Grüße
Bis Sonntag

eure Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntag euch allen,

ganz pünktlich den Zeitplan einhaltend präsentiere ich euch das nächste Kapitel (man merkt kaum wie stolz ich bin, dass ich es ausnahmsweise mal pünktlich schaffe, was ;-P)

Ich wünsche euch viel Spaß und liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntag euch allen,

bei der Überarbeitung dieses Kapitels ist mir aufgefallen, dass das Schlafzimmer in dieser ganzen Geschichte um Zorro und Mihawk herum von ganz prägnanter Bedeutung ist und doch irgendwie ganz anders als normalerweise in einer fanfic ^^' Ich weiß auch nicht warum das so ist. Vielleicht sollte ich mal aufhören Zorro immer kaputt zu machen, vielleicht wirds dann besser ;-)


Ich wünsche euch ganz viel Spaß mit diesem Kapitel.
Liebe Grüße
eure Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und schon geht es weiter!
Hallo alle miteinander, auf dieses Kapitel freue ich mich wirklich sehr, denn es hat auch für mich eine besondere Bedeutung und daher hoffe ich, dass es euch ebenso gut gefällt ;-)

Liebe Grüße
eure Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntagabend,

und wieder grüßt das Murmeltier. Wünsche euch viel Spaß mit dem nächsten Kapitel ;-)

Liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Abend alle miteinander,

ich hoffe ihr hattet ein schönes Wochenende und ich wünsche euch viel Spaß mit dem kommenden Kapitel.
Da die Uni wieder angefangen hat werde ich zurück zum wöchentlichen Rhytmus wechseln und muss euch wohl oder übel um etwas mehr Geduld bitten.

Liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntag euch allen,

auf dieses Kapitel habe ich mich schon so lange gefreut. Ich weiß, diese Geschichte hat ihr ganz eigenes Tempo aber langsam nimmt sie etwas Fahrt auf. Ich bin schon sehr gespannt auf die kommenden Kapitel und ich hoffe ihr freut euch auch drauf.
Ich wünsche euch noch einen wundervollen Tag.

eure Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Oster-Sonntag euch allen,

ich bin gerade der Familie entfleucht und sitze mit meinen Laptop im Garten um euch ganz fix das Kapitel hochzuladen.
Hoffentlich genießt ihr auch das schöne Wetter und viel Spaß mit Kapitel 27.

Liebe Grüße
eure Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntagabend euch allen,

heute geht es weiter mit einem neuen Kapitel.
Ich möchte mich mal ganz herzlich bei lula-chan und RuffysKreationen bedanken, deren stetige Kommentare mir immer wieder zeigen, dass es sich doch noch lohnt, diese Geschichte weiter hochzuladen. Ihr beide seid klasse! Vielen Dank.
Einen Dank auch an die stillen Leser, die mir durch die hohe Favoritenanzahl zeigen, dass noch ein paar mehr Leute diese etwas ungewöhnliche Fanfic verfolgen.
Um ehrlich zu sein schreibe ich diese Geschichte wirklich gerne, ich mag wie sich die Charaktere und deren Beziehungen entwickeln, doch mir ist bewusst, dass sowohl der Plot als auch die Charakterwahl und natürlich auch die Darstellung nicht unbedingt typisch für One Piece sind, daher bin ich manchmal etwas unsicher darüber, meine wirren Gedanken mit der Welt zu teilen.
Aber solange ich weiß, dass es da draußen jemanden gibt, der sich unterhalten fühlt, reicht mir das ;-)

Nun genug geschwafelt und jetzt wünsche ich euch viel Spaß mit dem neuen Kapitel.

Liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben,

heute geht es weiter mit einem etwas längeren Kapitel und ich hoffe ihr habt viel Spaß damit.

Liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntagabend euch allen und ich hoffe ihr hattet einen schönen Muttertag (gerade die Mütter unter uch ;-))

Heute geht es weiter mit einem etwas ruhigeren Kapitel aber ich würde mal sagen, dass es die Ruhe vor dem Sturm ist ;-P

Liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntag euch allen.

Zunächst einmal möchte ich mich für letzte Woche entschuldigen. Es laufen gerade ein paar Dinge in meinem Leben nicht so wie sie sollen und auch die nächsten Wochen kann ich keine regelmäßigen Updates versprechen. Das tut mir wirklich leid, aber ich werde auf jeden Fall weiter posten.

Dann möchte ich eigentlich gar nicht viel mehr sagen (außer, dass ich hoffe, dass die von euch die Wählen gehen dürfen ihr Recht auch ausgeübt haben) und euch einfach nur viel Spaß mit dem nächsten kapitel wünschen.

Liebe Grüße eure
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen guten Abend,

es tut mir leid, dass ich letzten Sonntag nichts hochladen konnte, aber ich bin heute zum ersten Mal seit ca. einer Woche an meinem Computer und hatte daher das ein oder andere zu tun.
Ich kann leider nicht versprechen, dass die nächsten Wochen regelmäßiger werden, aber diese Geschichte wird weitergehen und ich bin euch für euer Verständnis und eure Unterstützung sehr dankbar.

Liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntag euch allen,

heute kommt eines meiner Lieblingskapitel und ich hoffe ihr werdet auch ganz viel Spaß dabei haben ;-)
Falls die Formatierung anders sein sollte als sonst, bitte ich euch das zu entschuldigen. Ich habe ein neues Schreibprogramm und da ändern sich manchmal ein paar Sachen ^^'

Liebe grüße und bis (hoffentlich^^') nächsten Sonntag

eure Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Samstag-Abend euch allen,

ja ich weiß, es ist noch nicht Sonntag, aber da ich morgen unterwegs bin und unter der Woche nie Zeit zum hochladen habe (und euch nicht schon wieder eine ganze Woche warten lassen wollte), hab ich mir gedacht, warum nicht schon heute ;-)

Viel mehr hab ich auch nicht zu sagen, außer, viel Spaß und euch noch ein schönes Wochenende.

Eure Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Samstag euch allen,

wieder einmal bin ich morgen den ganzen Tag unterwegs (und gleich auch, daher die Uhrzeit), daher lade ich jetzt noch schnell das Kapitel hoch, damit ihr nicht noch eine Woche warten müsst und wünsche euch ganz viel Spaß.

LG
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallihallo,

ja, es ist wieder Samstag und nicht Sonntag, aber wisst ihr was, ich denke mir mittlerweile 'ach, scheiß drauf'. Als würdet ihr euch beschweren, weil das Kapitel einen Tag früher kommt ;-P (Also wehe ^^') Ich bin halt morgen wieder den ganzen Tag weg und daher hab ich keine andere Wahl als es heute hochzuladen.

Ich hoffe, dass ich auch nächste Woche die Zeit haben werde, aber ich hab derzeit Klausurenphase und leider Gottes geht das nun mal vor, wenn ich diese Studium irgendwann mal abschließen möchte... also seid bitte geduldig mit mir :-)

In diesem Sinne, viel Spaß mit dem neuen Kapitel, genießt die Sonne und die unter euch, die auch am lernen sind: viel Erfolg!

LG
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo alle miteinander,

Es tut mir leid, dass ich mich zurzeit nicht an meinen Zeitplan halten kann, aber es gibt privat ein paar Unstimmigkeiten, sodass ich kaum Zeit habe an den PC zu kommen.
Ich hoffe, dass es Ende August wieder besser wird. Bis dahin bitte ich euch geduldig mit mir zu sein.
So oft ich kann werde ich versuchen etwas hochzuladen und auf eure lieben Kommentare zu antworten (von denen jeder einzelne mich unglaublich glücklich macht), aber bitte seid nachsichtig, wenn es etwas länger dauert.

Ich danke euch
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Es geht weiter!!!

Hallihallo,
ich möchte mich für eure Geduld bedanken. Die letzten Wochen waren unglaublich stressig für mich und ich hab es so vermisst an meinen Geschichten zu arbeiten und sie hochzuladen.
Gestern war ich dann endlich wieder am Computer und wollte sie hochladen, doch dann ließ mich das Internet im Stich. Daher wollte ich das heute nachholen.

Nochmal vielen Dank für eure Geduld und eure lieben Kommentare. Ich wünsche euch ganz viel Spaß mit diesem doch eher entspannten Kapitel und hoffe, dass ich ab jetzt wieder im alten Rhytmus arbeiten kann.

Ganz Liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Montag Abend,
also ja, das mit dem pünktlich sein liegt mir nicht so, aber immerhin geht es weiter, das kann ich zumindest versprechen.
Und sobald es in meinem Alltag wieder etwas ruhiger wird, so werde ich auch wieder pünktlich sein (was hoffentlich bald ist).

Ich wünsche euch viel Spaß mit dem folgenden Kapitel und ganz liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Okay Leute,
ich werde keine Versprechungen mehr machen pünktlich hochzuladen, wohl aber, dass ich weiter regelmäßig updaten werde und versuche wöchentlich sonntags ein neues Kapitel freizuschalten.
Leider ist bei mir privat gerade echt einiges aus den Fugen geraten, daher läuft es zurzeit alls etwas drunter und drüber.
Eure Kommentare werde ich noch in den nächsten Tagen beantworten, jetzt schaffe ich es leider nicht mehr, bitte verzeiht.

Nichtsdestotrotz, jetzt wünsche ich euch erst einmal ganz viel Spaß mit dem neuen Kapitel in dem wir endlich Mihawk Senior kennen lernen ;-)

Ganz liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So meine Lieben,

mal Butter bei die Fische: Mir war nicht bewusst, dass das letzte Update schon über ein Monat her ist (Schande über mein Haupt). Ich bin ganz ehrlich mit euch, ich hab Anfang Oktober mein Repititorium angefangen und mache also den ganzen lieben langen Tag nichts anderes mehr als lernen und nebenbei dann noch zu Vorlesungen oder zur Arbeit gehen.

Ich kann daher nicht versprechen, dass es besser wird (wahrscheinlich eher schlechter, wenn ich so meine Freunde ansehe, die bereits kurz vor den Prüfungen stehen o.o) aber ich verspreche euch, es wird weiter gehen, alleine schon weil ich Albträume kriege, wenn ich die Geschichte zu lange liegen lasse (kein Witz).

Heute morgen wollte ich eigentlich nur mal kurz hier reinschneien und hab dann die ganzen lieben Kommentare hier und auf FF.de gesehen und habe so gedacht 'Scheiß drauf'. Also eigentlich müsste ich seit sieben Uhr lernen, hab aber dann entschieden das nächste Kapitel zu überarbeiten (ich hab auch noch an einem Cliffhanger pausiert, es tut mir leid!) und es euch hochzuladen.

Long story short: hier ist das nächste Kapitel!

Ich danke euch für eure tolle Unterstützung, gerade weil dies eine so lange Geschichte ist. Wünsche euch einen ganz schönen Start in die Woche und ich versuche heute Abend oder in den nächsten Tagen eure lieben Kommentare zu beantworten. Ich hab sie alle gelesen, mich riesig gefreut und werde sie beantworten.

Alles Liebe und zurück an den Schreibtisch
eure Sharry ;-) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Tja,
was kann ich nur zu meiner Entschuldigung sagen... also das Studium ist hart, mehr kann ich nicht sagen und ich hoffe ihr seid mir weiterhin treu.
Da ich langsam einen Rhytmus in meine Vorbereitung gefunden habe und gestern endlich auch wieder an dieser Geschichte arbeiten konnte, versuche ich nun wieder alle zwei Wochen zu posten und auch wieder Sonntags (das liegt in erster Linie daran, weil ich weiß, was in den kommenden Kapiteln euch bevorsteht und ich bin so aufgeregt, nervös und auch ein bisschen ängstlich über eure Reaktionen, dass ich mir jetzt einfach die Zeit nehme weiterzuposten, damit wir bald zum großen Finale kommen ;-P)

So viel also dazu.

Ich danke euch für eure Geduld und eure lieben Worte.

Habt eine schöne Woche

eure Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Es ist Sonntag-Abend und passend zum schönen Winterwetter kommt heute ein etwas ruhigeres Kapitel, also holt euch ein warmes Getränk (meine Favoriten Kakao oder Kamillentee), kuschelt euch in eine Decke und viel Spaß^^

Ganz liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,

hier ist das neue Kapitel, ich wünschte euch viel Spaß und wünsche euch allen ein paar schöne Feiertage im Kreise eurer Liebsten.

Wir sehen uns nächstes Wochenende.

Ganz liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Samstagabend euch allen,

also ich weiß nicht warum, aber irgendwie hab ich den kompletten Tag an der Überprüfung dieses Kapitel dran gehangen und jetzt bin ich echt k.o. und werde jetzt gleich ins Bett gehen.

Aber vorher noch zum eigentlichen Thema: Ich hoffe ihr hattet ein paar schöne Tage bei euren Liebsten und konntet euch etwas entspannen ;-)

Da das nächste Kapitel kommendes Wochenende kommt, werden wir uns erst im nächsten Jahr wiedersehen, daher wünsche ich euch einen guten Rutsch und einen noch besseren Start ins neue Jahr

Ganz liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So,
es ist Sonntagabend und weiter gehts ;-)
Ich danke euch sehr für euer positives Feedback (also zumindest habe ich keine Beschwerden erhalten ;-P) und dass ihr alle immer so brav weiterlest.

Das nächste Kapitel sollte wie üblich nächsten Sonntag kommen, also wünsche ich euch bis dahin eine gute Zeit und freue mich auf euch.

LG
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Samstagabend euch allen^^

da morgen mein freier Tag ist (nur Wiederholungen der Lernsachen und ansonsten frei ;-) )dachte ich mir, ich mach mal einen Elektrofreien Tag und geh in die Natur (hoffen wir mal ads Wetter spielt mit...).
Keine Sorge, ab Montag hat mich mein Laptop wieder und daher geht es nächste Woche ganz normal weiter ;-)

Ich wünsche euch ganz viel Spaß mit diesem passenden Kapitel und liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntagabend euch allen,

also ich bin am kränkeln (so eine richtige Männergrippe) was eigentlich nichts schlimmes wäre, aber es ist so nervig, wenn man nach 16 Stunden nicht mehr pennen kann, im Bett liegt und denk 'ach, so schlecht geht es mir ja gar nicht', dann steht man auf und versucht irgendetwas zu machen (wie zum Beispiel dieses Kapitel ein letztes Mal zu revidieren) und nach zehn Minuten möchte man nur wieder ins Bett -.-

Nun ja, genug gejammert, nächstes Wochenende sollte Kapitel 52 (o.o) schon etwas früher kommen. Ich peile den Freitagabend an.

Bis dahin wünsche ich euch viel Spaß

Liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Es geht weiter, mit einem etwas längeren Kapitel (und Jiroushin... irgendwie taucht der immer wieder auf. Das war nicht so geplant) Ich wünsche euch ganz viel Spaß ;-)

Nächsten Sonntag kommt wie gewohnt das nächste Kapitel.

LG Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntagabend,

ich hoffe ihr wurdet alle nicht von Sabine weggeweht und hattet eine schöne Woche. Mein Wochenende war leider etwas stressig, aber ich hab es ja zum Glück doch noch geschafft das Kapitel rechtzeitig hochzuladen^^

Das nächste Kapitel sollte auch wieder Sonntag kommen, also bis dahin ;-)

LG
Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntagabend euch allen,

habe heute leider nicht viel Zeit, daher wünsche ich euch einfach nur viel Spaß und wir sehen uns nächsten Sonntag wieder ;-)

Liebe Grüße Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ähm... einen schönen... Montagabend,

ja, ich weiß, ich bin etwas spät dran und ich hab noch nicht mal eine gute Ausrede, da ich weder Karneval feiern gegangen bin noch an der Hausarbeit gearbeitet habe, an der ich dieses Wochenende arbeiten wollte/sollte und daher nicht ausgegangen bin...
Äh joa, ich glaube ich belasse es dabei, beantworte noch eure lieben Kommentare und lege dann vielleicht mal mit meiner Hausarbeit los... (vielleicht... ich sollte wirklich... hach, warum bin ich so gut im prokrastinieren?) Falls einer von euch Tipps hat, wie ich mich motivieren kann, ich könnte es echt gebrauchen^^'

Ganz liebe Grüße und eine schöne Woche

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Freitagabend,

ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, außer es tut mir leid. Die letzten Wochen waren wirklich stressig für mich. Neben dem Job und der Vorbereitung im Repititorium schreibe ich derzeit auch noch eine Hausarbeit und da bin ich einfach nicht mehr hinterhergekommen und ich habe euch warten lassen, und dann auch noch auf das Kapitel hier, es tut mir wirklich leid.

Aber die letzten Kapitel werden jetzt wieder wöchentlich kommen, keine Sorge, Freitags oder Samstags, je nachdem wie früh ich von der Arbeit nach Hause komme, also haltet noch ein bisschen aus ;-)

In diesem Sinne wünsche ich euch ein ganz wundervolles Wochenende und wir sehen uns nächsten Freitag.


Liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Samstag euch allen,

wir begeben uns mit großen Schritten (sehr großen Schritten) auf das Ende zu und ich wollte mich schon mal für eure Treue bedanken. Ich weiß, diese Geschichte hat etwas Geduld gefordert, insbesondere weil ich nicht immer pünktlich war^^', also vielen lieben Dank für euren lieben und aufbauenden Worte.

In diesem Sinne, viel Spaß mit dem nächsten Kapitel und wir sehen uns wahrscheinlich nächsten Freitag wieder ;-)

LG

Sharry Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben,

mein letztes Update ist leider schon ein paar Wochen her. Ich war leider recht schwer erkrankt (nein, nicht Corona) und als es mir wieder besser ging hatten meine beuflichen Probleme (die deswegen zu kurz gekommen waren) leider erst einmal Priorität.
Ich möchte mich wirklich dafür entschuldigen, dass ich euch so in der Schwebe gelassen habe und bedanke mich ganz herzlich für all die lieben Nachrichten und Kommentare, die mich in den letzten Wochen erreicht haben und mir zeigten, wie wichtig es für einige von euch ist, dass es weiter geht.

Aus diesem Grund habe ich entschieden heute den Rest der Geschichte vollständig hochzuladen und sie somit abzuschließen.

Ich danke euch für eure Unterstützung und wünsche euch noch viel Spaß!


Liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen

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Prolog

Prolog

 

„Und noch ein Stein und noch ein Stein und noch ein...“

„Hör damit auf, okay?“

„Stein und noch ein Stein und noch...“

„Ruffy, es nervt.“

„Sing doch einfach mit.“

„Ja sicher.“

Gereizt rollte er mit den Augen, drückte sich an seinem dauergrinsenden Kapitän vorbei und hob einen weiteren gräulich-gelben Stein vom Boden auf.

„Bist du irgendwie schlecht gelaunt?“

Der Schwarzhaarige sah ihn unschuldig an und summte dann seine taktlose Melodie weiter, während er am Bach entlang schlenderte und einen Stein nach dem anderen aufsammelte.

„Ich hab nur Kopfschmerzen“, entgegnete Zorro, obwohl ihm eher seine Rippen Probleme bereiteten, und folgte dem Jüngeren zurück zur Lagerstelle.

„Oh, dann höre ich auf zu singen.“ Doch Ruffy klang ganz und gar nicht traurig. Im Gegenteil, er tanzte regelrecht und pfiff nun sein Lied fröhlich weiter während er bei jedem Hüpfer Gefahr lief seine wertvolle Fracht zu verlieren. Nicht das sein Pfeifen auch nur ansatzweise angenehmer war als sein schräger Singsang.

Zorro seufzte still und legte den Kopf in den Nacken. Gerade heute war sein Freund anstrengend. Er wusste, dass Ruffy es gut meinte, ihm einen Gefallen tun wollte, aber alles was er eigentlich wollte, war einen Becher guten Sake und seine Ruhe.

Zumindest letzteres war als Mitglied der Strohhutbande allerdings unmöglich.

Sie hatten Thriller Bark erst vor wenigen Tagen hinter sich gelassen und Zorro musste sich eingestehen, dass er immer noch nicht wieder ganz der Alte war. Er machte sich deswegen kaum Gedanken, er brauchte halt noch ein paar Tage Ruhe um wieder ganz fit zu werden. Doch Ruffys versonnenem Gemüt verdankte er es, dass er heute keinen ruhigen Abend haben würde.

„Da seid ihr beide ja. Habt ihr genügend Steine für das Lagerfeuer gesammelt?“

Am ausgesuchten Lagerplatz hockte Lysop vor einem riesigen Berg von Feuerholz und wartete auf sie.

„Klar“, lachte Ruffy und zeigte seine reiche Ausbeute.

„Wo sind denn die anderen?“, murrte Zorro dagegen nur und sah zur Thousand Sunny, die nahe des nicht weit entfernten Strandes vor Anker gegangen war.

„Die kommen gleich“, entgegnete Lysop und stapelte noch mehr Holz, „bereiten gerade noch das Essen und so vor.“

Zorro tat es mittlerweile seinem Kapitän gleich und schichtete die gesammelten Steine in einem Kreis um Lysop und sein Feuerholz.

Erneut seufzte er während Ruffy grinsend sein Liedchen summte. Er verstand einfach nicht warum sie hatten an Land gehen müssen. Alles was er wollte war ein ruhiger Abend.

Dinge wie Jahrestage und Daten waren ihm nie wichtig gewesen und anders als seine Freunde brauchte er sie auch nicht zu feiern.

Trotzdem hockte er nun auf dem Boden irgendeiner gottverdammten Insel im Nirgendwo der Grand Line und baute ein riesiges Lagerfeuer. Denn sein Kapitän wollte heute Abend feiern und wenn die Strohhutbande eines gut konnte, dann war das wohl Partys veranstalten.

Und da er weder Ruffys breitem Grinsen noch Choppers treuen Augen standhalten konnte baute er nun ein Lagerfeuer.

„Okay, seid ihr soweit?“, fragte der Lockenkopf und wenige Sekunden später knisterten die ersten Flammen, zufrieden standen die drei Herren vor ihrem großen Meisterwerk.

„Wo bleiben die anderen denn? Ich hab Hunger!“

Ruffy hüpfte von einem Bein aufs andere und zupfte an seiner Weste.

„Die kommen mit Sicherheit gleich“, sagte Lysop und rieb sich durchs Gesicht.

„Aber die brauchen ja ewig und Mittagessen hatten wir auch keines.“

„Wir können ja zur Sunny gehen und sie holen“, schlug Zorro gelangweilt vor. Zwar konnte er gut auf die Party verzichten allerdings hatte Ruffy Recht; das Mittagessen war ausgefallen weil der Kartoffelschnibbler sich nach dem Frühstück in der Kombüse eingeschlossen hatte um alles für den heutigen Abend vorzubereiten. Die Sonne war mittlerweile kurz vorm untergehen und so hing auch sein Magen irgendwo auf Höhe Kniekehle.

„Nein, nein“, warf Lysop schnell ein und seine Stimme zitterte leicht, „ich bin mir sicher sie kommen jetzt gleich.“

Zorro warf ihm einen fragenden Blick zu und hob eine Augenbraue an. Es war offensichtlich, dass Lysop versuchte ihn vom Schiff fernzuhalten. Seufzend ließ er sich auf seinen Hintern fallen während Ruffy wieder Richtung Bach spazierte um Beeren oder irgendetwas in der Art zu sammeln.

„Ich hoffe ihr habt keine Überraschung oder so einen Schwachsinn geplant“, murrte der Schwertkämpfer.

„Ach, natürlich nicht!“ Der Lügenbaron lachte zwei Oktaven zu hoch und hockte sich neben ihn. „Warum sollten wir so etwas Kindisches auch machen?“

Zustimmend grummelnd rieb der Ältere sich die Ohren und lehnte sich zurück. Für einen Moment schloss er die Augen und genoss die letzten Sonnenstrahlen. Im Hintergrund konnte er Ruffys Wanderlied hören, begleitet vom fernen Wellengang. Es war bereits recht kühl.

„Das Feuer war eine gute Idee“, murmelte er mit einem leisen Grinsen.

„Was wäre schon eine Feier ohne Lagerfeuer“, entgegnete der andere lachend.

Ruffys schräges Pfeifen war nun relativ weit entfernt und kaum noch über das Knistern des Feuers und die Geräusche des Meeres hinweg zu hören.

„Lauf nicht zu weit weg, Ruffy. Sonst finden wir dich nie wieder“, rief Zorro etwas lauter und setzte sich wieder aufrecht hin.

„Und das sagst ausgerechnet du?“ Lysop sah ihn schmunzelnd an.

„Was soll das denn bedeuten?“

Der Lockenkopf zuckte unter seinem strengen Blick zusammen.

„Nichts, gar nichts.“

Zorro wollte etwas erwidern, doch plötzlich hatte er dieses unangenehme Gefühl, dieses leichte Raunen in der Magengegend. Langsam stand er auf und beobachtete die immer dunkler werdenden Schatten der Bäume vor ihm. Er meinte ein leises Knacken zu hören, beinahe übertönt vom lodernden Feuer.

„Hast du das auch gehört?“, fragte er den anderen Piraten.

„Was? Was hast du gehört?!“ Lysop war bereits aufgesprungen und klammerte sich an seinen Arm.

Ruffys Gepfeife war mittlerweile ganz verstummt.

„Hey, Ruffy! Wo bist du?“

„Leise Lysop!“

Erneut konnte er das Knacken vernehmen, diesmal war es lauter, näher!

Wieder trafen die verängstigten Augen des Kanoniers seinen Blick ehe beide Richtung Feuer schauten.

Wer auch immer da war musste direkt hinter den grellen Flammen stehen.

„Sag mir bitte, dass ihr mich nur reinlegen wollt“, knurrte er und schob sich etwas mehr vor den Jüngeren, eine Hand bereits an den Schwertern. Er wollte doch nur einen ruhigen Abend.

„Nein, nein. Das haben wir so nicht abgesprochen“, flüsterte Lysop, die Angst in seiner Stimme war greifbar.

„Ihr hattet also doch etwas geplant“, entgegnete Zorro mürrisch.

„Können wir das wann anders besprechen?“, zischte Lysop und hielt Zorros Arm noch etwas fester. „Kannst du wen erkennen?“

Der Schwertkämpfer schüttelte sachte den Kopf und machte einen Schritt Richtung Feuer. Der Kanonier, der nicht von ihm ablassen konnte, folgte ihm gezwungenermaßen.

Die Hitze der Flammen ließ die Luft hinter Zorro noch kühler wirken, doch immer noch konnte er nichts außer den Schatten und Bäumen ausmachen.

„Lysop“, murmelte er leise und beugte sich zu dem anderen, „wir teilen uns auf, du links, ich rechts.“

„Nein! Auf keinen Fall!“ Nun krallten sich die Finger des Lügenbarons geradezu in sein Fleisch. „In jeder Gruselgeschichte ist das immer die dümmste Idee.“

„Das hier ist aber keine...“

Ein plötzlicher, lauter Knall riss ihm die Worte von den Lippen. Zorro und Lysop wurden von ihren Füßen geschleudert. Hart schlugen sie auf dem Boden auf. Der ehemalige Piratenjäger konnte das harte Keuchen des Jüngeren hören, spürte wie sein eigener Atem aus seiner Lunge gepresst wurde. Für eine Sekunde schien die Hitze selbst sein Innerstes verglühen zu wollen und es fühlte sich an, als hätten tausende Glasscherben seine Haut zerschnitten.

Dann ließ die Hitze wieder nach.

„Was zur Hölle…?“ Schwerfällig richtete er sich auf und sah sich um.

Überall um ihn herum lagen unzählige Steinbrocken, teilweise faustgroß, teilweise nicht größer als ein Reiskorn. Lysop hockte einen halben Meter von ihm entfernt auf dem Boden, immer noch schwer am atmen.

„Alles okay?“, fragte er und ging zum anderen hinüber.

„Bin ich noch am Leben?“, entgegnete der Kanonier ächzend und kämpfte sich auf alle Viere.

„Ich glaube schon.“ Zorro konnte ein leises Schmunzeln nicht verhindern.

„Was ist denn nur passiert?“, murrte er dann und zog den anderen zurück auf die Beine, immer noch ein leises Piepsen in den Ohren, die bereits angeknacksten Rippen beschwerten sich ebenfalls.

„Oh man, du siehst ja furchtbar aus.“

Lysop war übersät von Schnitten, manche nur aufgeschürfte Haut, andere relativ tief und stark blutend. Ein Splitter hatte seine Augenbraue über dem rechten Auge regelrecht geteilt, ungehindert floss das Blut hinunter.

„Na guck dich mal an.“ Der Kanonier klang ungewohnt tief und mürrisch. „Oh verdammt nochmal, tut das weh.“

Der Lockenkopf hielt sich die blutende Augenbraue.

„Was war das? Sind wir angegriffen worden?“, fragte der Jüngere dann und schaute sich argwöhnisch um während Zorro sich selbst inspizierte.

Zwar hatte er sein Gesicht schnell genug mit seinen Armen bedecken können allerdings hatte er ansonsten auch die volle Ladung abbekommen.

„Na, glaube ich nicht. Sonst hätte unser Feind den Überraschungsmoment gründlich verpasst.“

Langsam zog er einen besonders großen Splitter aus seinem linken Unterarm und dunkles Blut quoll hervor.

„Uh, Zorro. Warte doch mit so was bis Chopper da ist.“

„Ja sicher, sind doch nur ein paar Kratzer.“

Immer noch dröhnte sein Schädel, seine Rippen klagten und sein ganzer Körper brannte, so viel zum Thema Ruhe.

Lysop auf der anderen Seite hatte sich mittlerweile dem Feuer zugewandt, welches immer noch munter vor sich hin brannte, als wäre nichts geschehen.

„Was ist denn hier passiert?“

Der Kapitän der Strohhutbande kam aus dem Wald geschlendert, munter mit vollen Backen am kauen. In seinen Händen eine bunte Ausbeute an verschiedensten Obstsorten und Beeren.

„Wie seht ihr denn aus?“

„Ich sag dir was passiert ist!“ Plötzlich hörte sich der Kanonier alles andere als gefasst an. „Ihr Idioten habt Kalkstein gesammelt, das ist passiert.“

Wütend stand der Lügenbaron mit dem Rücken zum Feuer und starrte Zorro und Ruffy nieder. Mit einer Hand hielt er immer noch seine blutende Augenbraue, in der anderen hatte er einen der etwas größeren Steinbrocken aufgesammelt.

„Wie blöd kann man eigentlich sein?! Kalkstein ist besonders porös und explodiert bei starken Temperaturschwankungen. Solche Steine kann man doch nicht benutzen um eine Feuerstelle zu errichten.“

Er brüllte sie regelrecht an, doch weder Ruffy noch Zorro zeigten sich beeindruckt.

Der ehemalige Piratenjäger zuckte nur mit den Schultern. „Woher sollen wir denn bitte so etwas wissen?“

Der Kapitän auf der anderen Seite schien etwas bedrückt, dass er die Explosion verpasst hatte.

„So etwas sollte man wissen!“, knurrte Lysop. „Alleine schon an der Farbe kann man die Steinsorte erkennen. Wie habt ihr beiden damals eigentlich überlebt, als es nur ihr zwei wart?“

Zorro tauschte einen vielsagenden Blick mit Ruffy, welcher breit grinste und dann anfing laut zu lachen.

„Das ist nicht lustig, Ruffy“, schmollte der Lügenbaron.

„Ach, stell dich nicht so an, Lysop.“ Zorro klopfte dem Jüngeren wohlwollend auf die Schulter, woraufhin dieser schmerzerfüllt zusammensackte. „Na komm, wir bringen dich jetzt erst mal zu Chopper.“

„Du siehst nicht wirklich besser aus.“

Ruffy lachte immer noch. „Genau und ich hol‘ noch schnell ein paar Steine.“

Im nächsten Moment gab Lysop ihm eine Kopfnuss.

„Ganz sicher nicht! Das ist kein Spiel, Ruffy. Wir haben Glück, dass weder Zorro noch ich schlimm verletzt sind, wobei mein Blutverlust schon sehr...“

„Du wirst an den paar Schnitten nicht verbluten“, unterbrach der Schwertkämpfer ihn grob.

„Wo bleiben denn die anderen? Ich bin am verhungern!“, jammerte Ruffy, dessen Aufmerksamkeitsspanne schon längst überstrapaziert war.

„Wir gehen jetzt an Bord und holen sie“, murrte Zorro.

„Nein, du nicht Zorro. Ich gehe!“ Lysop scheiterte bei dem Versuch ihn zurückzudrängen. Zorro schlug einfach seine Hand weg und ging weiter.

„Gib‘s auf Lysop. Ich will einfach nur was essen und dann pennen. Ich brauch keine Party.“

„Oh wie schade, dabei sind doch gerade die Gäste eingetroffen.“

Im letzten Moment zog Zorro sein Kitetsu und schon prallte Klinge gegen Klinge.

Mit einem Grunzen wurde er zurück geschleudert und landete mehrere Meter entfernt auf dem harten Boden.

Zu seiner Rechten konnte er sehen, wie Lysop ebenfalls durch die Luft flog, begleitet von Ruffys Brüllen.

Seine Konzentration jedoch war auf den Mann vor ihm gerichtet.

„Lorenor Zorro, endlich lernen wir uns einmal persönlich kennen“, sprach der Neuankömmling aalglatt und warf seinen langen Pferdeschwanz über die Schulter. Das Licht der Flammen färbten seinen Marinemantel in ein Meer aus grellem Gelb und Orange.

Zorro stand auf.

„Ich habe schon viel von dir gehört. Ein vielversprechendes Talent unter den Schwertkämpfern.“

„Ach ja?“

Die Worte des Fremden ignorierend zog Zorro Shuusui und griff an.

Doch der andere war offensichtlich deutlich stärker als er. Beinahe mit Leichtigkeit fing er Zorros Schlag ab und schleuderte ihn zurück. Für eine Sekunde schien sich die Klinge des Fremden schwarz zu verfärben, aber das konnte auch an den flackernden Schatten liegen, die das prasselnde Feuer warf.

„Allerdings muss ich sagen, dass ich enttäuscht bin. Ich hatte doch mehr von dir erwartet. Nachdem selbst der beste Schwertkämpfer der Welt dich verschont hatte. Tze.“

Eine warme Flüssigkeit floss Zorros Wange hinunter. Obwohl der Marinemann seinen Angriff nur pariert hatte, war Zorro durch eine Schnittwelle verletzt worden.

„Wer zur Hölle bist du?“, knurrte er und rieb sich das Blut weg.

„Oh, wie unhöflich von mir.“ Der Mann vor ihm verbeugte sich knapp. Über seinen Rücken hinweg konnte Zorro mehrere dutzend Marinesoldaten sehen. Einer von ihnen trug einen Umhang und kämpfte mit Ruffy. Man brauchte kein Meister der Kampfkunst zu sein um zu erkennen wer in jenem Duell die Oberhand hatte und es war nicht sein Kapitän.

„Mein Name ist Homura Nataku, Vizeadmiral und bester Schwertkämpfer der Marine.“

Zorros Atem stockte. Er hatte von diesem Namen schon gehört. Die kalte Klinge der Gerechtigkeit. Homura Nataku, drittbester Schwertkämpfer der Welt.

Plötzlich bebte eine Art Druckwelle über den Lagerplatz, einige Soldaten kippten um und Zorro konnte Rufe hören, Rufe von seinen Freunden.

Er selbst kam ebenfalls ins Straucheln, aber er würde sich von so einem Angriff nicht ausschalten lassen. Nein, man brauchte schon mehr um ihn zu besiegen.

Der Vizeadmiral beobachtete ihn neugierig.

„Aha“, sagte er dann langgezogen, „doch nicht ganz so unfähig.“

Eine weitere Welle fegte übers Feld, aber jetzt war Zorro vorbereitet, er machte einen Schritt zurück und sicherte seinen Stand. Er konnte diese Kraft spüren, er musste sie aushalten.

Plötzlich stand der Mann mit dem Pferdeschwanz vor ihm.

„Aber auch nicht so fähig“, sprach er weiter und ließ sein Schwert auf Zorro nieder, diesmal war Zorro sich sicher, dass die Klinge vom anderen schwarz verfärbt war.

Im letzten Augenblick konnte Zorro den Schlag noch abfangen, doch die Kraft des Angriffs ließ seine Knochen knacken und ein selten gekannter Schmerz durchdrang seine Handgelenke.

Er duckte sich unter dem anderen hinweg und kam wieder zum stehen.

Seine Hände zitterten vor Pein.

Er wusste, dass seine Freunde seine Hilfe brauchten, aber er wusste auch, dass er ihnen nicht helfen konnte. Dieser Gegner vor ihm war aus einer anderen Liga.

Hart atmete er ein und aus. Er würde nur so viele Angriffe aushalten ehe entweder seine Schwerter oder seine Knochen brechen würden.

Mit einem süffisanten Grinsen drehte sich der Marinesoldat zu ihm um.

„Siehst du es etwa ein, Lorenor Zorro? Hast du schon erkannt, dass du mir nicht gewachsen bist? Ich könnte dich hier und jetzt töten, also sei ein guter Junge und gib auf.“

Im Hintergrund hörte Zorro Schreie. Sie waren am verlieren.

Mit einem leisen Seufzen steckte er seine Schwerter weg.

„So ist brav.“

Eine innere Ruhe erfüllte ihn. So würde es also enden.

„Oh nein, du verstehst mich falsch, Homura.“

Mit langsamen Bewegungen löste er das schwarze Tuch von seinem Arm.

„Ich bin niemand der aufgibt.“

Grinsend band er das Tuch um seinen Kopf, Blut tropfte immer noch seine Wange hinunter.

„Wenn ich schon abtrete...“ Er zog alle seine Schwerter. „Dann mit einem lauten Knall.“

Er starrte den anderen an und nahm sein geliebtes Wado-Ichi-Monji zwischen die Zähne.

Immer noch grinste er. Obwohl er wusste, dass er diesen Kampf nicht gewinnen konnte so wusste er doch auch, dass er wahrscheinlich der spannendste Kampf seines Lebens sein würde.

Natürlich war Homura nicht Falkenauge, aber trotzdem, es juckte ihn in den Fingern gegen diesen Mann zu kämpfen und wenn ihn das nun mal töten sollte, dann war das halt so, dann wäre er so oder so nicht bereit für Falkenauge gewesen.

Noch einmal ließ er die Schultern kurz kreisen ehe er in Kampfposition ging.

Doch ihm fiel auf, dass sich der Gesichtsausdruck seines Gegners verändert hatte.

Hatte er eben noch belustigt und gelassen drein geschaut, so war er nun ernst und misstrauisch, die Augen zu engen Schlitzen zusammengekniffen und der Mund nicht mehr als ein dünner Strich, der Kiefer angespannt.

Sah er Zorro vielleicht doch als Bedrohung an?

Der ehemalige Piratenjäger lachte leise, selbst wenn nicht, bald würde er.

Genau in diesem Moment weiteten sich die Augen des anderen, spiegelten lodernde Flammen und wilde Schatten.

Zorro griff an.

Erneut wich der andere aus. Es schien beinahe so, als würde er Zorros Gedanken lesen können.

„Du bist zu langsam.“

Der Vizeadmiral wollte ihn reizen, aber Zorro entging nicht, dass er sich nun anders anhörte. Viel kälter, viel tiefer. Der Schalk von eben war verschwunden.

Abermals prallten ihre Schwerter gegeneinander und Zorro spürte wie die Schnittwelle des anderen seinen rechten Oberarm streifte. Blut spritzte auf. Sein Handgelenk schrie beinahe vor Schmerzen und seine Schultermuskeln versteiften sich ungewohnt.

Plötzlich hörte er Robins Stimme und sah aus den Augenwinkeln wie Ruffy gegen einen Baum krachte und zu Boden glitt.

„Das schaffst du nicht“, knurrte sein Feind, der wohl seinen Blick bemerkt hatte.

„Einen Versuch ist es wert!“

Wieder trafen ihre Schwerter aufeinander, doch diesmal nutzte Zorro die Macht des Aufpralls um sich wegzuschleudern.

Schwer atmend rutschte er mehr als das er sprang vor Ruffy, der sich allmählich wieder berappelte.

Blut tropfte überall zu Boden und der Strohhut rieb sich über die aufgeplatzte Lippe.

„Die sind stark“, murrte sein Kapitän und dann sahen sie einander an.

Zorro konnte es in den dunklen Augen erkennen, Ruffy war todernst, wusste ebenfalls, dass dieser Kampf ihr letzter sein konnte.

Er entgegnete nichts sondern stand auf. Es missfiel ihm wie viel Blut der andere verlor.

Die meisten Soldaten hatten sich zurückgezogen und bewachten die übrigen der Crew, die anscheinend allesamt gefesselt waren. Bis auf Robin bewegte sich keiner von ihnen. Zorro hoffte, dass sie noch alle am Leben waren, hoffentlich nur ohnmächtig durch die Schockwelle.

Vor ihm und Ruffy standen nur noch Homura und ein weiterer Mann mit Marinemantel.

Beide von ihnen waren stark genug um alleine mit Ruffy und ihm fertig zu werden, das wusste Zorro.

„Gebt auf“, befahl der Mann neben dem Schwertkämpfer, „Wir möchten euch einen fairen Prozess machen. Es ist nicht nötig hier und jetzt zu sterben.“

Etwas zerbrach in Zorro.

Das konnte doch nicht sein!

Sie hatten gerade erst Thriller Bark überstanden, gerade erst hatte er sich Bartholomäus Bär in den Weg gestellt. Das konnte doch nicht alles umsonst gewesen sein!

Er hatte Ruffy doch nicht gerettet, damit er jetzt hier jämmerlich drauf gehen würde!

Nein, nicht heute! Nicht ausgerechnet heute!

Er spürte diese unbekannte, fast schon vergessene Kraft in sich aufsteigen, ganz unerwartet. Er wusste nicht wo sie herkam oder warum sie ihn ausgerechnet jetzt erreichte. Und obwohl sie ihn mit Angst erfüllte wusste er, dass sie seine letzte Chance war.

„Ruffy“, flüsterte er und ließ zu, dass diese Kraft durch seine Glieder drang, „hör mir zu.“

Der Schwarzhaarige trat neben ihn. Er atmete mindestens so schwer wie Zorro und die Art wie er sich seinen Bauch hielt beruhigte den Schwertkämpfer nicht gerade.

„Hast du einen Plan?“, fragte er ohne Zorro anzusehen.

Für einen Moment betrachtete der Ältere seine bebenden Hände. Er musste sie zulassen, nur so konnte er noch etwas ausrichten. Es musste einen Grund geben, warum er sie gerade jetzt spürte. Er musste diese Kraft nutzen, er musste sich trauen.

„Ja, ich hol uns jetzt hier...Argh!“

Hart schlug er gegen den nächstbesten Baum. Homura stand vor ihm, packte seinen Hals, hob ihn langsam hoch.

Er bekam kaum Luft. Langsam sah er zu dem Mann hinunter, der ihn nun gegen den Baum presste.

Doch was er sah überraschte ihn. In Homuras Gesicht stand blanke Angst geschrieben. Seine Augen waren aufgerissen, die Haut totenblass, der Mund bebte.

Im nächsten Moment taumelte er zur Seite und ließ Zorro los.

Er fiel vor die Füße seines Kapitäns, der ihn zwar gerettet hatte, aber bereits selbst durch die Luft flog als der andere Mann eingriff.

„Ruffy!“

Ohnmächtig sah er zum Unbekannten, der wie der Blitz hinter Ruffy herjagte und ihn in den Boden stampfte, ein Ekel erregendes Knacken hallte über das Knistern des Feuers hinweg. Für einen Moment wehrte der Kapitän sich noch, dann bewegte er sich nicht mehr.

„Ruffy!“

„Du solltest dich eher um dich sorgen!“

Ein ungekannter Schmerz zerriss Zorros Seite. Er taumelte weg, hielt Fetzen seines eigenen Fleisches zusammen, spürte wie Blut hindurch glitt.

Homura stand vor ihm, dieser kalte, beinahe verzweifelte Ausdruck in den Augen.

„Was bist du für ein Monster?“, flüsterte der Fremde.

Zorros Beine gaben nach, seine Schwerter fielen zu Boden, er schluckte schwer.

Die unbändige Macht, die er in seinem Körper hatte wachsen lassen war verschwunden. Er hatte zu lange gewartet und nun würde er alles verlieren.

Der Schwertkämpfer der Marine stand hoch über ihn.

„Keine Sorge, Lorenor Zorro. Du wirst nicht lange leiden müssen, ich bin gnädig.“

Er konnte sich nicht wehren, als der andere ihn hochzog.

Mehr Blut floss und seine Eingeweide wanden sich vor Schmerzen.

„Du wirst noch heute Nacht sterben.“

Die Welt um ihn herum wurde verschwommen. Gleißende Flammen und dunkle Schatten vermischten sich zu einem bunten Meer aus Schemen.

Er konnte den Mann, der sie zur Aufgabe hatte überreden wollen, hören.

„Sanzo, schicke sofort eine Nachricht ans Hauptquartier, dass wir die gesamte Strohhutbande lebend gefangen haben und Anweisungen für das Prozessverfahren erwarten. Ihr habt heute gute Arbeit geleistet, das werden wir natürlich dementsprechend feiern.“

Einige Soldaten jubelten.

Und dann hörte Zorro Homuras Stimme ganz nah an seinem Ohr.

„Keine Sorge, du wirst keinen Prozess mehr brauchen, Lorenor Zorro. Heute ist dein Todestag.“

Tief hallte das schallende Lachen durch Zorros benommene Gedanken während der Schmerz ihn allmählich übermannte.

Nein, heute war nicht sein Todestag, nicht ausgerechnet heute, heute war doch eigentlich sein...

Heimkehr

Heimkehr

 

-Einige Wochen später-

 

„Bist du bereit?“

Er nickte nur.

„Denk daran, du musst handeln bevor sie angelegt haben, ansonsten…“

„Ich kenne den Plan“, unterbrach er den anderen gereizt und zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht.

Der Mann hinter ihm seufzte schwer, während er sich etwas mehr über Zorro hinweg beugte um das Schiff zu beobachten, welches langsam aber sicher dem Hafen näher kam.

Zorro konnte spüren wie der kühle, hölzerne Geruch des Älteren sich um ihn herum ausbreitete, während der andere Mann ihn beinahe von hinten umarmte um das ankommende Schiff besser im Blick behalten zu können.

„Was soll das?“, knurrte er und stieß seinen Ellenbogen hinter sich um den Schwarzhaarigen auf Abstand zu bekommen.

„Jetzt hör auf dich so anzustellen. Es ist nicht meine…“

„Halt einfach die Klappe.“

Zorro lehnte sich nun auch weiter nach vorne, seinen Blick fest auf das näher kommende Schiff gerichtet. Der Mann hinter ihm stöhnte entnervt auf und lehnte sich so weit wie möglich weg.

Ihre Körper berührten sich trotzdem noch. Was daran liegen konnte, dass das Versteck, welches sie ausgewählt hatten, kaum genug Platz für eine Person bot, geschweige denn für zwei.

Da der Hafen der Insel gut belebt war, hatte es sich als schwierig herausgestellt einen möglichst unauffälligen Ort zu finden, insbesondere da die Morgensonne nun schon hell am Himmel stand und nur wenig Schatten für einen Hinterhalt bot.

Nicht, dass Zorro einen Hinterhalt planen würde.

Also doch, er plante einen Hinterhalt, aber eigentlich nur um einen anderen Hinterhalt zu verhindern.

Es war halt etwas komplizierter.

Während er also im Schatten eines Hauses hinter mehreren Kisten stand und über diese hinweg spähte, versuchte er gleichzeitig die Männer auszumachen, dessen Hinterhalt er aufhalten wollte.

Selbstredend ging es um die Marine.

„Du wirst sie hier nicht finden“, murrte der Mann hinter ihm leise, als hätte er seine Gedanken gehört. „Sie werden nicht so töricht sein, ihre Gäste direkt am Hafen in Empfang zu nehmen. Sie werden warten bis deine Freunde das Schiff verlassen haben um ihnen dann den einzigen Fluchtweg abzuschneiden.“

„Das weiß ich selber, vielen Dank auch.“

„Hör doch mal bitte auf mich die ganze Zeit so anzufauchen. Ich mach das hier für dich, also…“

„Ich hab nicht um deine Hilfe gebeten.“

„Jetzt fängt das schon wieder an. Zum letzten Mal…“

Der Ältere hinter Zorros Rücken unterbrach sich selbst, als das Schiff immer näher kam. Zorro war das nur Recht.

„Es ist gleich so weit“, murmelte er so leise, dass der Grünhaarige ihn kaum verstehen konnte, während der andere sich nun wieder nach vorne lehnte. „Warte noch einen Moment.“

Zorro rollte mit den Augen, entgegnete diesmal jedoch nichts. Natürlich wusste er selbst, wann er eingreifen musste, dafür brauchte er den anderen nicht und trotzdem konnte er dieses schlechte Gewissen nicht unterdrücken. Schließlich konnte der andere nichts für seine schlechte Laune.

„Noch nicht“, flüsterte der Ältere nahe Zorros Ohr.

Aber er konnte nun mal nicht verhindern, dass er nervös war, während die Thousand Sunny langsam näher kam, konnte nicht verhindern, dass er sich die nächsten Minuten immer wieder vor seinem inneren Auge ausmalte, wenn er endlich seine Freunde wiedersehen würde, wenn er seine Freunde nach über einem Monat endlich wiedersehen würde.

Ihm war speiübel. Dabei sollte er sich doch eigentlich freuen.

„Noch nicht“, wiederholte der Mann hinter ihm leise, als ob Zorro tatsächlich auf seinen Befehl warten würde.

War es tatsächlich erst einen Monat her?

Er schüttelte leicht den Kopf. Es fühlte sich viel länger an, fast schon wie ein ganzes Leben.

Vor einem Monat war er von seiner Crew getrennt worden, hatte sie beinahe für immer verloren, nein falsch, vor einem Monat hatte seine Crew ihn beinahe für immer verloren.

Vor einem Monat hätte er sterben sollen, wäre er eigentlich gestorben, aber er war noch da, war am leben und heute, heute würde er seine Crew wiedersehen.

„Mach dich bereit, Lorenor.“

Der Jüngere nickte stumm. Er sollte sich wirklich freuen.

Allerdings gab es da zwei kleine Probleme.

Das eine war der Hinterhalt, den die Marine für die Strohhutbande vorbereitet hatte. Die Soldaten glaubten, dass die Piraten noch geschwächt waren da ihnen ja die Kraft des ehemaligen Piratenjägers Lorenor Zorro fehlte.

Schließlich hatte dieser ja den Ausbruch aus der Marinebasis G6 nicht überlebt.

Allerdings machte Zorro sich darum relativ wenig Gedanken. Sie würden leichtes Spiel mit der Marine haben, insbesondere wenn er an seine Begleitung dachte. Dieser Mann hinter ihm könnte vermutlich sämtliche beteiligte Soldaten besiegen ohne auch nur ins Schwitzen zu kommen.

Nein, was Zorro eher besorgte war dieses zweite, klitzekleine Problem und zwar…

„Was macht denn der?“ Die Stimme an seinem Ohr war etwas lauter als bisher und riss ihn aus seinen Gedanken.

Erschrocken hob der Pirat den Blick, für eine Sekunde war er abgelenkt gewesen und hatte seine Hände betrachtet, diese schwächlichen Hände, doch als er wieder aufsah, konnte er gerade noch sehen, wie eine Gestalt von der Thousand Sunny sprang, bevor diese auch nur nahe genug an die Anlegestelle gekommen war, und elegant auf dem Gehweg der Hafenpromenade landete.

Im nächsten Moment warf der frisch angekommene Blondschopf die Haare zurück, steckte seine Hände in die Hosentaschen und ging seines Weges, eine Zigarette im Mundwinkel.

„Verdammt! Koch, was soll das denn?!“, knurrte Zorro.

Auch der Mann in seinem Rücken seufzte entnervt auf.

„Nun ja, wir können es nicht ändern. Wir gehen über zu Plan B, Lorenor.“

Eine Sekunde sah Zorro zu dem hochgewachsenen Mann hinter ihm auf, sah den kühlen, rationalen Blick, wusste, dass der andere die Situation schon längst analysiert und die beste Strategie bereits ausgemacht hatte.

„Okay, Plan B.“

Mit diesen Worten sprang er die Kisten auf das Dach des Hauses hoch und folgte dem Koch, einen bösen Fluch auf den Lippen.

Ihr erster Plan war der einfachste gewesen. Sie hatten warten wollen bis die Strohhüte anlegen würden um dann zu ihnen zu stoßen und sie über den geplanten Hinterhalt der Marine zu informieren. So hatten sie verhindern wollen, dass die Crew das Schiff verlassen würde während sich der Logport neu ausrichten musste.

Aber natürlich hatte dieser verdammte Koch noch nicht einmal gewartet bis die Thousand Sunny angelegt hatte, sondern war bereits von Bord gegangen.

Dämliche Kringelbraue, es gab immer nur Ärger mit ihm.

Das so etwas geschehen könnte hatten Zorro und sein Begleiter jedoch in ihrem Plan berücksichtigt. Für diesen Fall hatten sie vereinbart, dass Zorro seinen Crewmitgliedern folgen sollte während der andere sich um ihre Transportmöglichkeit kümmern würde, ein kleines Boot, mehr nicht.

Deswegen huschte der Schwertkämpfer nun über die Dächer der geschäftigen Stadt von Sarue. Natürlich hätte er auch durch die vollen Straßen laufen können, aber die Gefahr, dass er erkannt werden würde, jetzt wo die Sonne strahlend hell am Himmel stand, war einfach zu groß.

Mit einem Seufzen sah er sich um, doch er konnte den Koch nicht mehr ausmachen, innerhalb weniger Sekunden hatte er ihn verloren.

Verdammt!

Allerdings Zorro war sich ziemlich sicher, wo er den anderen finden würde, schließlich war der andere ja der Smutje der Strohhutbande. Grinsend lief er weiter Richtung Markt, immer sicher gehend, dass ihn keiner der Passanten am Boden bemerken würde. Doch dann blieb er stehen.

Vor ihm war eine weite Sackgasse in der sich knapp fünfzig Mann zusammengeschart hatten. Aber nicht irgendwelche Männer, er konnte das Wappen auf ihren Hemden selbst aus mehreren Metern Entfernung erkennen. Mit leisen Bewegungen sprang er hinter einen Kamin und starrte aus den Schatten zu den Marinesoldaten hinunter.

Still beobachtete er die Weißhemden, ehe ihm auffiel, dass sie sich nicht in einer Sackgasse sondern in einem Innenhof aufhielten. An den Häuserwänden lehnten mehrere Soldaten, rauchten und unterhielten sich, manche hockten auch auf dem Boden, alles in allem schienen sie recht entspannt zu sein und auf irgendetwas zu warten.

In der Mitte des kleinen Innenhofes gab es einen einzigen Stuhl, auf dem der offensichtliche Anführer in Anzug und Marineumhang saß. Zorro konnte sehen, wie er die Steckbriefe der Strohhüte durchging.

„Leutnant!“

Aus dem Haus auf dem der Pirat hockte kam ein weiterer Soldat und ging geradewegs auf den Offizier zu. Einige Soldaten sahen auf, manche begannen sofort sich kampffertig zu machen.

„Die Piraten haben soeben angelegt, Schwarzfuß Sanji hat bereits das Schiff verlassen und weitere aus der Crew sind wohl im Inbegriff ebenfalls an Land zu gehen.“

Der Leutnant nickte. „Sehr gut, es sollen sich alle an den Plan halten. Die Gruppen S1 und S3 sollen den Markt im Auge behalten, S6 den Hafen. Alle anderen sollen sich auf den Strohhut konzentrieren.“

Zorro lehnte sich weiter vor, eine einzelne grüne Haarsträhne fiel ihm ins Blickfeld, doch er strich sie unbeachtet weg.

„Und was ist mit uns, Leutnant?“, fragte einer der noch am Boden hockenden Soldaten ungeduldig, während der Neuankömmling bereits zurück ins Haus eilte.

„Wir sind die Spezialeinheit“, erklärte der Vorgesetzte als wäre es ganz offensichtlich und betrachtete weiterhin Ruffys Steckbrief. „Natürlich werden wir uns um diesen Strohhut kümmern. Wenn er bereits geschwächt ist knöpfen wir ihn uns vor. Und diesmal…“ Ganz langsam zerriss der Mann das Papier. „Werden wir ihn erledigen.“

Zustimmendes Gelächter und vereinzelter Applaus kam von den Soldaten, die einander angrinsten, Blutdurst und Kampfeswille in den Gesichter.

Einen Moment beobachtete Zorro sie weiter.

Er sollte eigentlich zum Markt rennen und den Koch einsammeln, das war der Plan.

Allerdings bezweifelte er, dass alle anderen noch an Bord waren. Außerdem würde er den Koch wohl kaum dazu überreden können, zurück zum Schiff zu gehen. Denn warum sollte der Koch ihm vertrauen. Schließlich würde er Zorro nicht einmal erkennen.

Er biss sich auf die Unterlippe. Nein, seine eigenen Crewmitglieder würden ihn nicht erkennen.

Zorro fällte eine Entscheidung.

Dieser Marineheini da unten würde ihn im Zweifel direkt zu seinem Kapitän führen und so wie es sich anhörte, galt dieser Hinterhalt hauptsächlich Ruffy. Er würde also jemanden brauchen, der ihm den Rücken stärkte.

Dem Koch traute er zu sich auch alleine gegen ein paar Soldaten zu Wehr setzen zu können, schließlich wäre er selbst ja auch in der Lage die Männer da unten alleine zu besiegen. Selbst in seinem jetzigen Körper.

Erneut starrte Zorro auf seine Hände, auf seine kleinen, zierlichen Hände.

Beinahe hatte er sich an diesen Körper gewöhnt, beinahe hatte er diesen Körper akzeptiert, beinahe hatte er vergessen, dass es je anders gewesen war. Aber jetzt wo er den Koch vor sich gesehen hatte, realisiert hatte, dass er heute seine Crew wiedersehen würde, endlich wiedersehen würde, war dieser Körper ihm fremder denn je.

Vor einem Monat war er beinahe gestorben, vor einem Monat hätte er sterben müssen.

Doch Zorro hatte nicht den Tod gefunden nachdem er und die anderen auf der Marinebasis G6 gefangen genommen worden waren. Tagelang hatte man sie in den Zellen verrotten lassen und doch hatte er nicht den Tod gefunden. Er hatte nicht den Tod gefunden nachdem er seine Crew befreit hatte und diesen verdammten Stützpunkt in die Luft gejagt hatte. Er hatte nicht den Tod gefunden nachdem er nicht hatte fliehen können und zusammen mit dem brennenden Turm in die Tiefe gestürzt war. Er hatte nicht den Tod gefunden, obwohl das Feuer ihn verzehrt hatte, obwohl er doch ganz sicher den Tod gefunden hatte.

Er war nicht tot.

Wie durch ein Wunder hatte Zorro überlebt und wie durch einen Fluch hatte er eine andere Gestalt angenommen, war in einem Körper gefangen, der so viel schwächer war als sein eigener, so viel verletzlicher war als sein eigener, so viel zerbrechlicher war als sein eigener.

Trotzdem wusste Zorro, dass er selbst in diesem Körper mit den Männern der Marine da unten mithalten konnte, ein Monat hartes Training würde dafür schon ausreichen.

Er würde vom Plan abweichen um seinen Kapitän zu beschützen, das war schließlich seine Aufgabe.

Obendrein musste er sich um die anderen Crewmitglieder keine Sorgen machen. Sie waren schließlich nicht hilflos und außerdem würde Zorros Komplize ihnen wohl helfen. Zähneknirschend und genervt, aber ja, er würde ihnen helfen.

Er hatte Zorro gefunden, damals vor einem Monat, in diesem anderen Körper, schwach und verletzlich.

Während der Schwertkämpfer die Soldaten unter sich beobachtete erinnerte er sich daran, wie der andere ihn angestarrt hatte, ungläubig angestarrt hatte, als er ihm gesagt hatte, dass er Lorenor Zorro war. Beinahe grotesk verzerrt hatte er gleacht, da er geglaubt hatte, dass Lorenor Zorro tot wäre.

Seitdem war erst ein Monat vergangen, ein knapper Monat, kaum dreißig Tage und trotzdem hatte Zorro nicht verhindern können, dass er angefangen hatte diesen Mistkerl zu mögen.

Vor einem Monat hatte Zorro erwartet, dass der andere ihn auf der Stelle umbringen würde, hatte erwartet, dass der andere ihn zumindest aus seinem Heim werfen würde, verachten würde für seine Schwäche und nun, nun vertraute er darauf, dass dieser Idiot seine Freunde beschützen würde, einfach nur weil er damit ihm einen Gefallen tun würde.

Der ehemalige Piratenjäger seufzte resigniert. Ihm taten seine harschen Worte von vor wenigen Minuten bereits leid, schließlich hatte der andere ihm über die letzten Wochen hinweg sehr geholfen, hatte ihn beschützt, hatte ihn trainiert.

Und nun half er ihm dabei zu seiner Crew zurückzukehren.

„Leutnant.“ Ein anderes Weißhemd kam zum Innenhof hinein. „Soeben haben drei weitere Mitglieder der Strohhutbande das Schiff verlassen.“

„So und wer?“ Der Anführer schien zu gelassen für Zorros Geschmack, als wäre sein Plan unfehlbar.

„Zum einen Nico Robin mit dem Haustier der Crew Tony Chopper, sie scheinen die städtische Apotheke aufzusuchen. Zum anderen die diebische Katze Nami, offenbar ist sie auf dem Weg zum Markt, wo sich auch Schwarzfuß Sanji aufhält.“

„Das bedeutet, dass der Strohhut noch an Bord ist, oder?“

„Ja genau. Aber sollten wir nicht besser jetzt zugreifen? Wer weiß, ob der Strohhut überhaupt das Schiff verlässt.“

Der Mann mit Umhang schüttelte den Kopf. „Nein, wir warten. Laut meinen Unterlagen hat der Strohhut bisher bei jedem Landgang das Schiff verlassen, so wird er es auch diesmal tun.“

Der Anführer legte eine Hand an sein bärtiges Kinn. „Außerdem ist es zu riskant ihn am Hafen anzugreifen. Von den Berichten der G6 wissen wir ja, dass er im Zweifel seine Leute auch zurücklässt und schließlich wollen wir nicht nur seine Crewmitglieder sondern ihn.“

Diesmal kostete es Zorro alle Willenskraft nicht herunter zuspringen und dem Mistkerl die Meinung zu geigen.

Es stimmte schon, in der Zeitung hatte damals gestanden, dass er seine Crew verraten hatte und daraufhin von ihnen zurückgelassen worden war um mit dem Stützpunk G6 unterzugehen. Aber das war eine Lüge, eine reine Lüge, und das stand auch in den Unterlagen der Marine, die fast die komplette Wahrheit aufgedeckt hatten.

Woher Zorro das wusste?

Nun ja, auch das lag an seinem Komplizen, schließlich hatte dieser die Macht und die Beziehungen um an solche Unterlagen heranzukommen. Schließlich war er einer der sieben Samurai, ein einflussreicher Politiker und nicht zuletzt der beste Schwerkämpfer der Welt.

Ja, Zorro war von niemand anderem als Mihawk Falkenauge Dulacre gefunden worden, und niemand anderes als dieser Samurai war nun dabei ihm zu helfen den Hinterhalt der Marine zu überlisten.

In einem Monat konnte viel passieren.

Aber das einzige was die Marine noch nicht herausgefunden hatte war, dass Zorro trotz allem am Leben war, auch wenn nun in einer anderen Gestalt.

Allerdings war die Gefahr groß, dass jemand Zorro erkennen würde, wenn er jetzt durch die Straßen laufen würde. Selbst seine dunkle Kleidung und der schwarze Umhang würden ihn vermutlich nicht vor neugierigen Blicken schützen können, immerhin war er in dieser Gestalt zu zweifelhaftem Ruhm gelangt.

In seinem neuen Körper hatte Zorro es irgendwie geschafft von der Presse bemerkt zu werden und mittlerweile gehörte er ganz zufällig zu den bekanntesten Menschen der Welt. Also nicht er, nicht Lorenor Zorro, dieser windige Pirat galt ja bereits als verstorben. Nein, die Figur die er zurzeit verkörperte, die war berühmt geworden. Nicht mehr als ein fiktionaler Charakter, den er und der Samurai ungewollt erschaffen hatten.

Zorro war nun also nicht nur ehemaliger Piratenjäger sondern nun hatte er auch noch ein Alter Ego namens Lady Loreen. Und diese zierliche, zärtliche und zerbrechliche Lady Loreen hatte es geschafft innerhalb weniger Wochen zur A-Prominenz aufzusteigen, wie ihn das ankotzte.

Erneut seufzte der Schwertkämpfer. Es würde schwierig für ihn werden seiner Crew zu erklären, dass er und Lady Loreen ein und dieselbe Person waren. Aber er musste es tun, schließlich wollte er doch wieder nach Hause, wieder zu seinen Freunden und nur wenn er ihnen die Wahrheit sagte, nur wenn er seine ganze Schwäche vor ihnen offenlegte, nur dann hatte er die Möglichkeit wieder seinen wahren Körper zu erhalten.

Zumindest war es das, was man ihm erzählt hatte und da er keinen besseren Ansatzpunkt hatte, konnte er genauso gut auch den nehmen.

„Leutnant.“ Eine Soldatin kam heraus. „Monkey D. Ruffy hat soeben ebenfalls das Schiff verlassen. Er ist auf dem Weg ins Landesinnere.“

„Perfekt.“ Der Offizier stand auf und rückte seinen Anzug gerade. „Ihr habt es gehört, das war unser Zeichen. Macht euch bereit.“

Die anwesenden Soldaten erhoben sich einstimmig und griffen nach ihren Waffen, einige zogen sich ihre weißen Kappen an während andere Zigaretten und Kautabak zu Boden spuckten.

„Wir gehen jetzt auf Strohhutjagd und diesmal legen wir ihn um!“

Dunkles Gegröle antwortete dem Leutnant während der Pirat oben auf dem Dach die Hand um seinen Schwertgriff legte.

Es wäre ein leichtes diesen Mistkerl hier und jetzt umzubringen, er wäre tot ehe Zorro den Boden berühren würde. Zorro wusste, dass er es schaffen könnte.

Aber er sollte sich nach Möglichkeit nicht einmischen. Wenn herauskommen würde, dass Lady Loreen mit den Strohhüten in irgendeiner Form verstrickt wäre, gäbe es einige Menschen die er in Gefahr bringen würde, Menschen die ihm im letzten Monat wichtig geworden waren. Er durfte jetzt nicht kopflos werden. Er musste abwarten, und nicht nur deswegen.

Also wartete er auf dem Dach während sich die Soldaten unter ihm bereit machten und als sie dann schließlich den Innenhof verließen war er hinter ihnen, beobachtete sie, bereit jederzeit einzugreifen.

Von weiter weg konnte er aufgeregte Stimmen und das Hallen von Gewehrschüssen hören.

Für einen Moment überlegte er umzudrehen, aber fast im gleichen Augenblick wusste er bereits, dass das nicht nötig war. Mihawk war da, Mihawk würde seine Freunde beschützen.

Also folgte er den Soldaten, die ihn immer näher brachten zu einem anderen, deutlich lauteren Tumult.

Plötzlich blieb Zorro stehen, vergaß gänzlich sich in den Schatten der Hausdächer zu verstecken, vergaß gänzlich was um ihn herum passierte.

Vor ihm, keine zwanzig Meter vor ihm, sprang der munter grinsende Kapitän der Strohhutpiraten durch die Gassen, wich Kugeln und Schwertern mit Leichtigkeit aus und lachte als hätte er den größten Spaß seines Lebens.

Zorro spürte wie ungewollte Tränen in seine Augen schossen, eine Hand beinahe nach ihm ausgestreckt. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, dass der andere zu ihm aufgeschaut hatte. Aber es war unmöglich, dass Ruffy ihn im blendenden Licht der Mittagssonne überhaupt sehen konnte.

Er wollte ihn rufen, zu ihm eilen.

Es war wie sonst auch. Wo auch immer die Strohhüte auftauchten verursachten sie nichts anderes als Chaos und Verwüstung.

Ein leises, zittriges Lachen entfuhr ihm. Ruffy war stark, das wusste er.

Es war genau wie früher. Dieser eine Monat, der ihm wie ein zweites Leben vorkam, war vorbei.

Endlich konnte er nach Hause.

Er hatte befürchtet, dass seine Crew nicht stark genug sei um ihn in diesem Körper zu beschützen, hatte befürchtet, dass seine jetzige Schwäche es ihm nicht erlauben würde, zu ihnen zurückzukehren.

Aber er hatte sich geirrt, hatte seine Crew, seinen Kapitän, unterschätzt, hatte nicht an sie geglaubt. Aber er hatte sich geirrt, er konnte nach Hause.

Heute würde er heimkehren.

Erleichtert lachte Zorro auf, ignorierte diese leichte Melancholie die in ihm aufstieg.

Er konnte nach Hause.

Über die Dächer hinweg in der Ferne konnte er die Thousand Sunny ausmachen, schnell folgte er seinem Kapitän, der sich kämpfend durch die Gassen der kleinen Stadt schlug und dem Hafen immer näher kam.

Nach einem Monat, nach einem langen Monat, war er wieder zurück.

Zorro war Zuhause.

„Ich bin wieder da“, flüsterte er, „Ich bin Zuhause.“

Abschied

Abschied

 

Er folgte Ruffy unablässig, dieses stetige Hochgefühl in seiner Brust, dieses Wissen, dass er endlich nach Hause kommen würde.

Allerdings wurde die Freude etwas von der Gewissheit gedämpft, dass er die Insel Sasaki, auf der er die letzten Wochen verbracht hatte, nun hinter sich lassen würde, mit all ihren Bewohnern, mit ihm.

Aber nein, davon würde er sich seine Rückkehr nicht trüben lassen.

Sein schwarzhaariger Freund war immer noch dabei einen Soldaten nach dem anderen – und einige auch gleichzeitig – gegen Häuserwände zu katapultieren und die Straße hinunter zu fegen.

Der Strohhut rannte die Gassen Richtung Hafen hinunter, doch langsam schien er auch müde zu werden. Der Kampf dauerte nun längere Zeit an und während Ruffy ganz alleine den Soldaten gegenüber stand tauchten von ihnen immer neue auf.

Auch schienen sie deutlich stärker zu sein als das übliche Fußvolk, welches die Piraten sonst verfolgte. Einige von ihnen konnten Ruffys Attacken ausweichen und sogar mehr oder weniger effektive Gegenangriffe durchführen.

Der Schwertkämpfer auf den Dächern konnte sehen, wie Ruffy sich immer wieder mit dem Unterarm über die Stirn wisch. Er war sichtlich erschöpft.

Er wollte eingreifen, er musste eingreifen. Zu zweit hätten sie eine gute Chance gegen die Marine, aber er wusste auch, dass er nicht eingreifen durfte, sonst…

Zorro schluckte. Er wollte ihm helfen, aber er musste noch abwarten und Vertrauen haben.

Ruffy war stark genug und ansonsten würde ihm mit Sicherheit einer der anderen aus der Crew helfen.

Zorro brauchte sich keine Sorgen zu machen. Die Crew war stark genug um Ruffy zu beschützen, stark genug um ihn zu beschützen. Sie mussten einfach stark genug sein um Zorro beschützen zu können.

Nur wo blieben sie?

War es nicht offensichtlich, dass der Gummijunge jetzt Unterstützung brauchte?

Hatte keiner von ihnen gespürt, dass Ruffy in Gefahr war?

Konnten sie denn nicht fühlen, dass ihr Kapitän sie brauchte?

Ruffy hatte den Rand der Hafenpromenade erreicht, schlug und trat weiterhin um sich, versuchte so viele Soldaten wie möglich auszuschalten. Der Pirat in Frauengestalt folgte ihm über die Dächer hinweg, jederzeit bereit einzugreifen wenn es denn sein musste.

Aber er wusste, dass er sich zurückhalten musste.

Es ging ihm dabei kaum darum, dass man ihn erkennen würde. Klar konnte er darauf verzichten, dass die Welt herausfinden würde, dass er Lady Loreen war, aber letztendlich war es ihm eigentlich egal.

Aber Zorro wusste, dass wenn er eingreifen würde, wenn er nicht darauf vertrauen würde, dass seine Crew es auch ohne ihn schaffen könnte, dann…

„Ruffy!“ Die laute Stimme des Kochs hallte über den Hafen hinweg.

Der Schwertkämpfer schreckte auf. Sein Blick huschte zur Thousand Sunny, die noch einige hundert Meter weit entfernt angelegt war. Er konnte dort ganz deutlich einige seiner Crewmitglieder an Bord erkennen und dort, dort konnte er auch die verhüllte Gestalt Falkenauges ausmachen. Er hatte Zorros Freunde also tatsächlich beschützt.

Doch dann sah er Sanji, der offensichtlich so schnell rannte wie er nur irgendwie konnte um seinem Kapitän zur Hilfe zu eilen. Einige Soldaten hatten den Helden im Anzug bereits bemerkt, was kein Wunder war, wenn der Idiot auch den halben Hafen zusammenbrüllte.

„Lasst ihn nicht entkommen!“, befahl der Leutnant hinter den Reihen der Soldaten und verstärkt griffen sie an.

Wehrlos beobachtete Zorro wie Kapitän und Smutje sich immer näher kamen, wie beide die Weißhemden aus dem Weg fegten. Immer wieder rief Sanji den Namen des Strohhutjungens.

Doch der Pirat auf den Dächern konnte es genau erkennen, konnte sehen wie schnell Sanji lief, konnte sehen wie schnell Ruffy lief, konnte sehen wie schnell der Leutnant war.

Ruffy war erschöpft, aber wenn er es bis zu Sanji schaffen würde, wenn Sanji es bis zu ihm schaffen würde, wäre alles gut, dann wäre alles… Ruffy stürzte. Seine Beine gaben nach und er fing sich mit den Händen auf.

„Das ist dein Ende!“ Der Leutnant hatte den schwarzhaarigen Jungen fast erreicht.

Konnte der Koch es überhaupt noch schaffen?

Der Schwertkämpfer wusste die Antwort bereits.

Zorro!

Für einen Moment meinte er Ruffy zu hören, tief in sich. Der Leutnant hatte sein Schwert gezogen.

Wo bist du?

„Ruffy!“ Sanji schrie verzweifelt, streckte eine Hand nach seinem Freund aus über den der dunkle Schatten des Marineoffiziers hinein brach. „Nein!“

Er war zu spät, Sanji würde nicht rechtzeitig sein.

Der Mann im Marinemantel hob sein Schwert.

Ich bin hier.

Zorro sprang die Dächer hinunter.

Mein Käpt’n!

Es ging schnell, einfach, ohne Mühe.

Innerhalb eines Augenaufschlags stand der verfluchte Pirat hinter dem Leutnant, registrierte wie viel größer dieser doch war. Der Marinemann war deutlich stärker als Zorro in dieser Gestalt, doch dafür handelte er sofort.

Josei, das Drachenschwert welches der Samurai ihm gegeben hatte, da er seine eigenen bei seiner Crew gelassen hatte, dürstete es nahezu nach jedem einzelnen Tropfen Blut seines Feindes. Jahrzehnte hatte es in einer Vitrine gelegen, dies war sein erster Kampf seit so langer Zeit.

Fast schon ungehalten bohrte sich das Schwert in das weiche Fleisch des Marineoffiziers, ließ sich von Zorro folgsam zwischen Knochen hindurch führen, dankbar dafür endlich wieder kämpfen zu dürfen. Doch der Grünhaarige durchstach den Leutnant nicht einfach nur, er hatte gelernt schnell und effizient zu handeln. Er musste einen Kampf innerhalb von Sekundenbruchteilen für sich entscheiden.

Beim Herausziehen der Klinge zerriss er das Fleisch, schnitt hindurch wie warme Butter, hinterließ ein klaffendes Loch in der Brust des Leutnants während Blut zu Boden prasselte wie einsetzender Regen.

Für einen Moment blieb der Mann der Marine vor Zorro stehen, Blut verfärbte seinen weißen Marineumhang binnen Sekunden. Er schien etwas sagen zu wollen, doch fiel auf die Knie.

Klappernd fiel sein Schwert zu Boden.

„Wa..as…?“ Dann brach er zusammen, offensichtlich tot.

Zorro hatte seine Waffe noch auf den Leichnam gerichtet, doch sein Blick traf den des Kochs.

Sanji war im Laufen erstarrt, eine Hand noch nach dem am Boden knienden Strohhut ausgestreckt, doch er starrte Zorro nur an, das Licht der Mittagssonne spiegelte sich in seinem einen sichtbaren, blauen Auge und Zorro meinte so etwas wie Erkenntnis über die blassen Züge huschen zu sehen.

Einen Moment betrachtete er seinen Kapitän vor ihm. Er hatte ihn beschützt, so wie es Zorros Aufgabe war, immer gewesen war, er hatte seinen Kapitän beschützt.

Doch für Sentimentalität blieb ihm jetzt keine Zeit.

Schnell wirbelte er herum und stellte sich den verbliebenen Soldaten entgegen, stellte sich breitbeinig vor seinen Kapitän. Zorro würde Ruffy beschützen, so wie er es immer getan hatte, ungeachtet der Konsequenzen.

Er ignorierte plötzlich auftauchende, ungewollten Gefühle - die ihn in diesem Körper jederzeit zu übermannen drohten - und betrachtete die herannahenden Soldaten.

Der unerwartete Tod ihres Anführers hatte sie geschockt, aber jetzt griffen sie wieder an, Wut und Verzweiflung in ihren Schreien. Gefühle, die in einem Kampf nur hinderlich sein konnten, wie Zorro nur zu gut wusste. Er hatte aus diesen Fehlern bereits gelernt, hatte vom Besten der Besten gelernt und wandte die Schwäche der Soldaten nun gegen sie.

Es war der erste wahrhaftige Kampf mit echten Gegnern, seitdem der ehemalige Piratenjäger in diesem schwächlichen Körper war. Der erste Kampf der tödlich für ihn ausgehen konnte, doch das interessierte Zorro nicht.

Josei in seiner Hand pulsierte blutrünstig und er gab sich dem erfüllenden Gefühl des Kampfes hin.

Die meisten Soldaten waren größer als er und selbstredend auch stärker, ihre muskulösen Oberarme waren zum zerreißen angespannt. Aber mit Stärke alleine konnte man einen Kampf nicht gewinnen.

Zorro wusste, dass ein Schlag, ein Treffer ausreichen konnte um ihn zu besiegen, um die dünnen Knochen seines Körpers zu brechen, um die papierdünne Haut aufzureißen, deswegen erlaubte er diesen Weißhemden nicht einen Angriff, schaltete sie aus, bevor sie überhaupt bemerkten wo er war, tötete sie direkt, ließ keinen Raum für Rache, war zu schnell für ihre Gegenwehr.

Plötzlich spürte er einen vertrauten Arm um seine Hüfte und eine altbekannte Stimme rief ihm zu: „Halt dich gut fest!“

Er ahnte was darauf folgen würde, hatte kaum genug Zeit sein Schwert wegzustecken, hörte die verzweifelten Rufe des Kochs und im nächsten Moment rasten sie durch die Luft.

Zorros Lungen wurden zusammengepresst, jedes bisschen Sauerstoff hinaus gejagt, während der Strohhut sie irgendwohin katapultierte, vermutlich Richtung Sunny.

Aus den Augenwinkeln konnte er den Smutje sehen, der nicht minder erschrocken wirkte, sich jedoch schnell aus der klammerhaften Umarmung seines Kapitäns befreite und zu Boden sprang.

Zorro folgte seinem Beispiel augenblicklich. Ruffys Fluchtaktionen endeten meistens in einem harten Aufprall gegen irgendeine Wand, darauf konnte er nur zu gut verzichten, besonders in diesem Körper.

Doch er hatte sich verschätzt, einen Moment zu lange gebraucht um sich zu befreien und so hing er kopfüber in der Luft und fiel Senkrecht zu Boden.

Im letzten Moment wurde er von der verhüllten Gestalt des besten Schwertkämpfers der Welt aufgefangen, der wie beiläufig auf dem Piratenschiff stand, als wäre er nicht mehr als ein unbeteiligter Zuschauer.

Ruffy klatschte währenddessen mit voller Wucht gegen den Mast der Sunny und krachte danach zu Boden, mit dem Kopf voran.

All dies geschah innerhalb weniger Sekundenbruchteile und für einen Moment war alles still.

Dann brüllte die Navigatorin Befehle zur Flucht und die anderen Crewmitglieder leisteten Folge.

Er war Zuhause. Zorro war wieder Zuhause, zurück auf der Thousand Sunny, zurück bei seiner Crew.

Doch während um ihn und den Samurai herum geschäftiges Treiben herrschte, blieb er wie erstarrt stehen.

Er wollte die Kapuze herunterreißen und den anderen entgegen brüllen, dass er wieder da war. Wollte Robin und Sanji dabei unterstützten herannahende Kanonenkugeln abzuwehren. Wollte wieder dabei sein, wollte wieder dazu gehören.

Aber was war, wenn seine Träume Wirklichkeit wurden, wenn seine Ängste wahr wurden?

Was war, wenn seine Crew ihn nicht nur nicht erkannte, sondern ihn nicht wieder bei sich haben wollte?

Was war, wenn seine Freunde ihm nicht vergeben konnten, dafür dass er sie im Glauben gelassen hatte, dass er gestorben sei?

Was war, wenn er nicht wieder zum Mann werden konnte?

Könnte er dann trotzdem zur Crew zurückkehren?

Der Samurai neben ihm war totenstill.

Aber vielleicht, vielleicht war es gar nicht wichtig ob er ein Mann war oder nicht. Hauptsache war doch, dass er bei seiner Crew war, oder?

Schließlich hatte er auch in dieser Gestalt seinen Kapitän gerade beschützen können und er würde schon irgendeinen anderen Weg finden, irgendwie.

Franky löste auf Namis Zurufen hin einen Coup de Bust aus und Sekunden später segelte das kleine Piratenschiff durch die Luft. Fort von der Insel Sarue, fort von den Soldaten der Marine, fort von Zorros Erinnerungen.

Sein Körper bewegte sich immer noch nicht, er war wie erstarrt, wollte nichts mehr als zu seinen Freunden zurückzukehren, hier und jetzt und doch konnte er keinen Laut von sich geben.

Was war, wenn sie ihn nicht zurücknehmen würden, wenn sie ihn nicht verstehen würden? Wenn sie nicht verstehen würden, was mit ihm passiert war? Was war, wenn es ihnen egal war?

Er hatte den Mund bereits geöffnet, schließlich hatte er mit dem Samurai abgesprochen, dass er reden würde, dass er seinen Freunden die Wahrheit sagen würde.

Aber sein Körper gehorchte ihm nicht.

„Nami!“, rief Chopper plötzlich von der Seite, wo er sich in seiner Riesengestalt über die Reling geworfen hatte um den fallenden Lysop aufzufangen, „Da ist ein Schiff hinter uns.“

Sanft landete die Thousand Sunny wieder im ruhigen Wasser, doch Zorro betrachtete nur seinen jungen Freund, was hatte er dieses kleine Rentier doch vermisst.

„Was meinst du? Wir werden immer noch verfolgt?“

Sein Blick wanderte zum Koch, der sich eine Zigarette anzündete, er schien die Gelassenheit in Person zu sein, doch Zorro kannte ihn zu gut, konnte die innere Unruhe des Blonden fühlen.

„Nein“, antwortete der junge Arzt, „es scheint an der Sunny befestigt worden zu sein und es ist auch ganz klein.“

Einen Moment sah Zorro zu Mihawk auf, dieser hatte wie vereinbart sein kleines Boot an der Thousand Sunny befestigt. Der Samurai handelte genauso wie abgemacht, wich keinen Millimeter von ihrer Strategie ab, ganz anders als er selbst

Lysop in Choppers Armen stammelte irgendetwas vor sich hin, während Franky den Strohhut aus dem Boden zog.

„Das ist das Sargboot!“, rief der Lügenbaron plötzlich und seine Stimme erfüllte Zorro mit Kälte, als hätte der andere ihn auffliegen lassen.

„Ja, das dürfte dann wohl mir gehören.“

Der Mann neben Zorro sprach. Obwohl sie abgemacht hatten, dass Zorro mit seinen Freunden sprechen würde, hatte Mihawk das Wort erhoben und irgendwie war er dankbar.

Sämtliche Crewmitglieder starrten sie nun an. Er merkte wie ihre Blicke erst den großgewachsenen Mann an seiner Seite begutachteten und dann auf ihn fielen, merkte wie über das ein oder andere Gesicht Erkenntnis flackerte, gefolgt von Grauen und Unglaube.

Sanji machte einen Schritt vor seine Crew, stellte sich zwischen Zorro, Mihawk und die anderen, als wollte der Koch sie beschützen, vor ihm beschützen.

„Was ist denn los?“, fragte Brook verwirrt, doch sein Blick traf Zorro.

Für einen Moment starrten sie einander an und obwohl es unmöglich war, dass Brook ihn unter seiner Kapuze erkennen konnte, machte er einen Schritt zurück. Zorro wusste genau warum.

Denn er konnte es sehen und das bedeutete, dass das Skelett es auch bei ihm sehen konnte. Den Schatten eines früheren Lebens.

Doch dann weckte Mihawks Stimme ihn wieder auf.

„Wer hätte gedacht, dass wir uns so wiedersehen“, sprach der Samurai kühl und zog seine Kapuze zurück, „Monkey D. Ruffy, zukünftiger König der Piraten. So war es doch, oder irre ich mich?“

Auf den Gesichtern seiner Freunde verwandelte sich Unglaube in Schrecken.

„Falkenauge?“ Nur Robin schien wie immer die Ruhe selbst. „Was macht einer der sieben Samurai hier?“

„Sie hat Recht!“, knurrte Sanji feindlich und zeigte mit dem Zeigefinger auf Mihawk, „Was willst du von uns, Falkenauge!“

Zorros Herz raste unfassbar schnell. Aber immer noch fehlte ihm die Kontrolle über seinen Körper.

„Du meine Güte, was für eine unhöfliche Begrüßung und das, nachdem wir euch sogar geholfen haben.“ Dulacre neben ihm klang beinahe entspannt, er schien die Situation problemlos zu beherrschen. Seine sicheren Worte beruhigten Zorro.

„Wenn du wegen Zorro hier bist, kommst du zu spät!“, brüllte Sanji beinahe und stellte sich noch einen Schritt weiter vor die anderen, in seinem Gesicht stand so viel geschrieben, dass Zorro nicht in Worte fassen konnte.

„Er ist tot.“

Eiskalt lief es Zorro den Rücken hinunter. Es war ganz natürlich, dass seine Freunde ihn für tot hielten. Schließlich hatten sie ihn sterben sehen, schließlich hatte die ganze Welt ihn für Tod erklärt. Solche Worte sollten ihn nicht überraschen und trotzdem, trotzdem drangen sie in ihn ein, wie Klingen aus purem Eis.

„Ich weiß, es fällt dir schwer das zu glauben, Schwarzfuß Sanji, aber ich bin doch tatsächlich in der Lage die Zeitung zu lesen.“

Wieder war es Dulacre, der mit entspannter, wenn auch drohender Stimme antwortete.

Zorro musste sich zusammenreißen. Wer war er denn, dass er sich von seinen eigenen Gefühlen überrennen ließ?

Er war Lorenor Zorro und ganz gleich welcher Körper, es passte nicht zu ihm, sich von einem dahergelaufenen Samurai in Schutz nehmen zu lassen.

Nein, das hier war sein Kampf.

Er ignorierte den aufgeregten Wortwechsel seiner Crewmitglieder und machte sich bereit, jetzt würde er sich seinen Ängsten stellen und seiner Crew die Wahrheit sagen.

„Nur über meine Leiche!“

Bevor er überhaupt wusste was los war, sah er wie Sanji angriff.

Zorro hatte ganz offensichtlich einen wichtigen Punkt des Gespräches verpasst.

Doch er wusste, dass er diesen Angriff verhindern musste.

Dulacre mochte ihm gegenüber eine Schwachstelle haben, aber er würde gewiss nicht zimperlich mit dem Koch umgehen.

Nein, Zorro war sich plötzlich ganz sicher, dass er einschreiten musste. Kurz starrte er Dulacre an, fühlte dass da etwas war, was für den Koch mehr als gefährlich sein konnte.

Er preschte nach vorne. Sanji mochte schnell sein, aber Zorro konnte seine Bewegungen mit Leichtigkeit erahnen. Sie waren einander beinahe ebenbürtig gewesen, damals vor einem Monat, doch obwohl Zorro nun im schwächeren Körper war, dem anderen eindeutig unterlegen war, wusste er, dass er ihn besiegen konnte, innerhalb eines Atemzuges besiegen konnte.

Verdammt!

Es dauerte weniger als eine Sekunde, er duckte sich unter Sanjis ausgestrecktem Bein hindurch, schlug seinen rechten Arm zur Seite und warf sich auf ihn, seine Kapuze rutschte nach hinten.

Hart prallte der Blondschopf auf dem Boden auf. Zorro drückte ihm eine Hand gegen die Kehle, die andere hielt er nur Millimeter über dessen Brust, zeigte keine Schwäche, keine Lücke in seiner Abwehr. Schnell atmend hockte er auf dem Koch.

Für einen Augenblick starrten sie einander nur an.

Zorro bemerkte wie der andere ihn betrachtete, jede Einzelheit seines Gesichts betrachtete.

Dieser Blick passte nicht zum Koch, zumindest nicht wenn er Zorro ansah. So sollte er ihn nicht ansehen. Mit einem solchen Ausdruck im Gesicht sollte der Koch doch nicht seinen Lieblingsfeind ansehen.

Doch Zorro bemerkte auch etwas anderes, bemerkte die fahle, blasse Haut, die sich trocken und dürr über die markanten Wangenknochen spannte, bemerkte die dunklen, schweren Augenringe, die scharfkantig und hart die ungewohnt eingefallenen Augen zeichneten. Der Koch sah schlecht aus, seine Lippen waren ausgetrocknet und aufgerissen, er wirkte dünner, noch dünner, als sonst schon.

Zorro war in den letzten Wochen stärker geworden, war durch das Geschehene reifer und weiser geworden. Sanji hingegen, Sanji hatte gelitten und an Kraft verloren. Er war schwächer geworden. Zorros vermeintlicher Tod hatte ihn geschwächt.

Verdammt!

Wieso hatte er nicht verstanden was Zorro ihm damals gesagt hatte? Wieso hatte er ihm nachgetrauert anstatt noch wachsamer zu werden? Wieso hatte er seinen Traum und sich selbst vernachlässigt?

Zorn glitt durch seine Glieder. Dieser Idiot war so blöd wie er blond war!

Geschmeidig erhob er sich und warf seinen Pferdeschwanz zurück.

Der Koch hatte nicht verstanden was Zorro ihm damals gesagt hatte und deshalb war er nun zu schwach. Der Koch war zu schwach. Verdammt!

„Wirf dein Leben nicht leichtfertig weg“, sprach er kalt und trat einen Schritt zurück.

Doch warum sah ihn der andere so seltsam an? Warum sah er ihn immer noch mit diesem verlangenden Blick an?

„Aber das ist doch Lady Loreen“, entkam es Nami hinter ihm und er drehte sich überrascht zu ihr.

Natürlich würde Nami ihn aus der Zeitung wiedererkennen, natürlich würde sie sein Alter Ego wiedererkennen.

„Wer?“, murmelte Lysop.

„Sag bloß, du hast noch nicht von ihr gehört? Sie ist eine Berühmtheit. Hast du noch nie in der Zeitung von ihr gelesen? Sie ist eine ehemalige Weltaristokratin, die aus Liebe ihren Status aufgegeben hat.“

„Was?“ Das war Zorro neu. Er wusste, dass viele Gerüchte über ihm in Umlauf waren, insbesondere was seine Beziehung zum Samurai anging, aber den Klatsch ignorierte er meist.

Verwirrt sah er Nami an, wieso glaubte sie solche Sachen?

Wie sollte er ihnen denn jetzt erklären wer er war? Würden sie ihm überhaupt noch glauben?

Nami winkte ab: „Ach, machen Sie sich keine Sorgen wegen diesen Kulturbanausen. Ich habe alles über Sie gelesen und bin fasziniert von Ihrer Gabe wunderschöne Kleidung im bezahlbaren Rahmen zu finden. Ihr Stil ist wunderschön.“

Ihre Worte störten ihn. Was interessierten ihn irgendwelche Klamotten?

„Sie sind wunderschön.“

Er starrte zum Koch hinüber, der ihn immer noch so verlangend ansah. So sollte er ihn nicht ansehen, so durfte er ihn nicht ansehen. Er war doch Zorro und nicht…

„Ich habe davon gelesen, dass Sie sich gegen die Sklaverei einsetzen möchten. Ich bewundere, wenn Menschen ihre Position dafür nutzen wollen Gutes zu tun.“

Selbst Robin war dieser Scharade verfallen, selbst sie glaubte dem Meer aus fadenscheinigen Lügen.

„Sie sieht total freundlich aus und sie hat Ruffy geholfen. Ich glaube, wir können ihr vertrauen.“

Chopper!

Ihre Worte irritierten ihn, sie alle sprachen anders mit ihm als sonst, sahen nur Lady Loreen, nicht ihn. Sie hatten keine Ahnung was hier vor sich ging. Aber von nun an würden Sie ihn nie wieder so wie früher ansehen können Es war vorbei.

„Aber was willst du denn von uns?“ Der Cyborg war der einzige der misstrauisch wirkte.

Doch dann schritt Ruffy an dem Koch vorbei - seinen Strohhut tief ins Gesicht gezogen - und blieb direkt vor Zorro stehen.

„Ruffy, was tust du da? Du machst ihr noch Angst.“

Nein, Franky, nicht auch noch er.

Obwohl er nicht Unrecht hatte; ein mulmiges Gefühl erfüllte Zorro.

Schon oft hatte er von diesem Moment geträumt und genau wie in seinem Traum konnte er die Spannung fühlen, konnte fühlen wie seine Welt jeden Moment zerbrechen würde.

Ruffy stand vor ihm, für einen Moment regte sich niemand und dann riss sein Kapitän ihn an sich, riss Zorros zierlichen, schwächlichen Körper an sich, schlang einen Arm um seine Hüfte und griff mit der anderen Hand sein Haar.

Für einen Atemzug geschah überhaupt nichts, er sah nur die überraschten Gesichter der anderen Crewmitglieder, spürte die Wärme seines Kapitäns, atmete seinen Geruch ein.

„Danke.“ Ganz leise, ganz ruhig, ganz ungewohnt klang Ruffys Stimme, aber nie zuvor hatte sie ihn mehr berührt und tiefer erreicht.

Ruffy hatte ihn erkannt, hatte ihn bereits erkannt bevor er sich ihm gezeigt hatte. Ruffy hatte ihn nie aufgegeben, Ruffy hatte nie aufgehört an ihn zu glauben.

„Ruffy“, flüsterte er während ihm die Tränen kamen. „Ruffy!“

Er krallte seine Hände in den Rücken seines Freundes, wollte ihn nie mehr loslassen, während er sein Gesicht in seiner Schulter vergrub.

Ruffy war stark, Ruffy war stark, aber es war mehr als das. Ruffy nahm ihn an wie er war, stellte noch nicht einmal in Frage was passiert war. Alls was für Ruffy zählte war, dass Zorro zurückgekehrt war..

Erst jetzt wurde ihm bewusst wie viel Angst er doch vor diesem Moment gehabt hatte, wie viel Angst er vor Ruffy gehabt hatte, vor seinem Kapitän, vor seinem Freund.

Aber Ruffy sah ihn und das erfüllte ihn mit Dankbarkeit, Erleichterung und Freude.

Plötzlich ließ der andere ihn los und er bemerkte, dass er, Lorenor Zorro, hier vor versammelter Mannschaft am heulen war. Schnell versuchte er die Beweise dieser Scham zu verwischen.

„Das müssen wir feiern“, erklärte der Käpt‘n der Strohhüte freudig. „Sanji, mach den…“

„Warte!“ Er hatte gesprochen, ehe er überhaupt wusste, was geschehen war.

Endlich war Zorro Zuhause, endlich war er angekommen.

„Ich muss mit dir reden. Allein.“

Er hatte eine Entscheidung getroffen.

„Warte was? Hör mal Kleine, egal was du zu sagen hast, das kannst du auch vor uns sagen.“

Er nahm kaum war, was der Lügenbaron sagte. Ihm wurde bewusst, was er gerade entschieden hatte. Ihm fehlte die Luft zu atmen.

Doch Ruffy klang unbeschwert wie immer: „Okay, wie du willst. Ihr geht rein und wartet auf mich.“

„Einen Moment. Ich lasse dich nicht alleine hier draußen mit dem da.“

Er hörte die Unsicherheit in der Stimme des Kochs.

„Ja, wir bleiben alle hier!“ Oh, sein kleiner, naiver Chopper.

Er konnte es ihnen nicht sagen, wie sollte er es ihnen nur…

„Nein!“ Ruffys Stimme war ungewohnt ernst. „Wir sind nicht in Gefahr und das ist keine Bitte. Ihr geht jetzt rein und schließt die Tür. Das ist ein Befehl.“

Einen Moment war es totenstill, doch dann sprach der Koch.

„Aye Käpt’n“, und so gingen die anderen.

Zurück blieben Zorro mit seiner nun so schweigsamen Begleitung und der Kapitän der Strohhutbande, der ihn immer noch so unschuldig angrinste.

„Also?“, fragte der Jüngere.

Doch wie sollte Zorro es ihm sagen, erneut hatte er das Gefühl, dass sein Körper ihm nicht gehorchte. Das lief alles so ganz anders als er es geplant hatte.

„Was ist denn nun?“, fragte der Schwarzhaarige unbeirrt.

Er musste etwas sagen, er musste ihm sagen, dass: „Dein Schwertkämpfer lebt!“, platze es aus ihm heraus, „I…Zorro lebt! Aber er kann noch nicht wieder zurückkommen.“

Er konnte es nicht sagen. Er konnte nicht sagen, dass er Zorro war, schließlich war er nicht Zorro, zumindest noch nicht, nicht gänzlich.

„Dein Schwertkämpfer ist noch zu schwach. Er ist noch nicht wieder der alte. Aber wenn du warten kannst, wenn du bereit bist zu warten, dann wird er wieder kommen, dann wird er Nachhause kommen. Das musst du mir glauben. Das ist ein Versprechen!“

Es tat weh, es tat unglaublich weh. Aber er hatte entschieden.

„Warte hier.“ Das war alles was der andere sagte, ehe er sich umdrehte und dem Rest der Strohhüte in den Speisesaal folgte.

Langsam wurde ihm bewusst, was er getan hatte, was er im Inbegriff war zu tun.

Er war endlich wieder heimgekehrt, endlich zurück bei seiner Crew, seinen Freunden, seiner Familie und nun würde er sie verlassen, nicht weil er wollte sondern weil er hoffte, dass es das Richtige war, das Richtige sein musste.

Ruffy nahm ihn an wie er war und er war auch unglaublich stark, aber Zorro musste einsehen, dass Ruffy alleine nicht ausreichte.

Nie wieder würde er diesen Ausdruck vergessen können mit dem der Koch ihn angesehen hatte, dieses Verlangen, dieses Begehren, welches nicht ihm galt sondern einer Kunstfigur die er erschaffen hatte und trotzdem war er es.

Er wusste nicht, warum Ruffy gegangen war oder was ihn nun erwartete, doch plötzlich ging die Tür wieder auf und sein Kapitän kam auf ihn zugestürmt, seine drei wertvollsten Schätze im Arm.

„Sie vermissen mit Sicherheit ihren Meister.“

Er konnte spüren wie die drei Schwerter ihn erkannten, konnte spüren wie sie ihn begrüßten, nach so langer Zeit.

Wado-Ichi-Monji sprühte vor purer Dankbarkeit, dass er lebend zurückgekehrt war.

Shuusui grüßte ihn erhaben und zollte ihm seinen Respekt.

Selbst Kitetsu schien eine verschmitzte Fröhlichkeit an den Tag zu legen.

„Danke“, flüsterte er. Endlich hatte er sie wieder, endlich war er wieder vollständig.

„Kein Problem.“ Ruffy lachte. „Und keine Sorge. Ich werde warten. Wir alle werden warten. Egal wie lange es dauert und egal aus welchen Gründen.“

Zorro hatte eine Entscheidung getroffen und Ruffy verstand.

Mehr gab es nicht zu sagen, obwohl er noch so viel sagen wollte.

Er drehte sich um, weg von seinem Kapitän, weg von diesem Ort an den er gehörte.

Und dann sah er Dulacre an. Etwas in ihm zeigte sich erfreut über diesen selten zu sehenden Ausdruck der Verwirrtheit auf dem Gesicht des Samurais, aber der Rest von ihm war kalt und taub.

„Lass uns gehen.“

 

Kapitel 1 - Nullpunkt

Kapitel 1 – Nullpunkt

 

-Zorro-

Mihawk redete.

Der Samurai redete ohne Punkt und Komma, eine wahre Sintflut an Worten.

Er redete über Rishou Eizen, über verheimlichte Gespräche, über bindende Verträge, über drohende Kriege, über Lady Loreen und über ihn.

Zorro ließ ihn reden, ließ ihn einfach reden.

Langsam ging der verzauberte Pirat hinter dem unablässig labernden Samurai her, folgte ihm durch die Seitenstraßen des kleinen Dorfes, damit sie nicht über den stets geschäftigen Marktplatz Sasakis mussten.

Sein Blick war stur auf seine Schwerter gerichtet, die der andere sich über den Rücken geworfen hatte. Dort hingen sie direkt neben dem Black Sword, Kitetsu höhnisch, Shuusui gelassen und Wado-Ichi-Monji beunruhigt.

Noch nicht einmal seine eigenen Schwerter durfte er tragen, zu groß die Gefahr, dass jemand die Verbindung zwischen Lady Loreen und Lorenor Zorro sehen konnte.

Am frühen Abend hatten die beiden Schwertkämpfer endlich die Insel erreicht, hatten die lange, unbehagliche Fahrt überstanden, während Mihawk die ganze Zeit geredet hatte.

Auch jetzt redete er, mit seiner irritierenden, tiefen Stimme. Noch nie hatte Zorro den anderen so viel reden gehört, aber obwohl es ihn unglaublich nervte, fehlte dem Grünhaarigen der Elan ihn zum Schweigen zu bringen.

Es war einfacher, wenn der andere vor sich hin brabbelte, so blieb es Zorro wenigstens erspart selbst reden zu müssen. Denn darauf hatte er noch weniger Bock.

Alles was der ehemalige Piratenjäger gerade wirklich wollte war ein richtig starker Alkohol um seine Sinne, diesen dumpfen Schmerz, diese kalte Leere zu betäuben.

Alles was er wollte, war sich bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen, damit sein tauber Verstand aufhören würde nachzudenken.

Aber Mihawk redete immer noch vor sich hin, seine Worte einen Hauch schneller als sonst, seine Wortwahl ein bisschen unbedachter als sonst, doch Zorro entschied das zu ignorieren. Er kannte den anderen, besser als sich beide eingestehen wollten, besser als er nach nur einem Monat können sollte. Es wäre ein Leichtes für ihn die Gefühle des Samurais zu analysieren, aber das wollte er nicht, nicht gerade jetzt, wo er sich selbst so taub anfühlte.

Es war seltsam in dieser weiblichen Gestalt, erst hatte Zorro diese verfluchten Tränen nicht aufhalten können. Nun waren sie endlich versiegt und beinahe gleichzeitig hatten aber auch seine Gefühle den Dienst versagt, hatten sich in in den hintersten Teil dieses kleinen Körpers zurückgezogen und ihn alleine gelassen. Aber anstatt gewünschter Rationalität und Ruhe waren da nur Taubheit und Leere.

„Hörst du mir überhaupt zu?“

Der andere drehte sich halb zu ihm herum, als sie den Rand des Dorfes erreicht hatten, eine Augenbraue erhoben und die dünnen Lippen leicht geschürzt.

Zorro nickte nur halbherzig, obwohl er dem Älteren kaum seine Aufmerksam schenkte.

Mihawk seufzte leise: „Es ist wichtig, dass wir uns was wegen Eizen einfallen lassen, Lorenor. Du musst jetzt wachsam sein, schließlich…“

„Der Typ ist mir sowas von egal.“ Zorros sonst so weiche, sanfte Stimme war rau wie Schmirgelpapier und kratzte in seinem Hals. Es war das erste Mal, dass er sprach seitdem er die Einladung des anderen, ihn nach Mary Joa zu begleiten, angenommen hatte.

Was sollte er auch sonst tun? Schließlich konnte er nicht zurück, noch nicht.

„Was redest du da? Eizen ist sehr einflussreich und niemand den man sich so einfach zum Feind erklären sollte. Ich dachte das Problem wäre mit Lady Loreen gestorben, aber wie die Dinge jetzt stehen…“

„Ist mir egal“, wiederholte er und beendete damit die Diskussion.

Er wollte jetzt nicht über irgendeinen Politiker nachdenken, nicht über Verhandlungen und erst recht nicht über Lady Loreen, überhaupt nicht über Loreen.

„Lorenor!“

Mihawk war stehen geblieben und hatte sich zu ihm umgedreht, sein harter Blick unnachgiebig auf Zorro gerichtet, selbst im Schatten des Waldes fingen diese Augen jedes Licht ein und schimmerten in kaltem Gold.

„Hör auf vor dich hin zu leiden.“

„Was willst du? Lass mich in Ruhe.“

Er versuchte an dem anderen vorbei zu gehen, doch dieser packte ihn am Unterarm und natürlich konnte er sich nicht befreien. Was verfluchte er seine Schwäche!

„Reiß dich zusammen Lorenor, es war deine Entscheidung und niemand hat dich gezwungen. Wenn es eine Fehlentscheidung war, sag es mir. Ich kann dich heute noch zum Sabaody Archipel bringen.“

„Nein!“

„Dann hör auf dich in Selbstmitleid zu baden. Was geschehen ist, ist geschehen. Die Zeiten sind zu gefährlich um sich von Gefühlen übermannen zu lassen. Außerdem ist es sehr unhöflich so zu tun, als wäre meine Gesellschaft das Schlimmste, was dir je widerfahren wäre, nur weil du deine Crew vermisst.“

Wütend sah er den Samurai an.

„Halt mir keine Reden, klar! Du bist doch nur froh, dass ich bei dir geblieben bin!“

Die Falkenaugen wurden groß und der andere ließ ihn los.

Zorro drehte sich herum und jagte weiter den Wurzelweg entlang. Er hatte das nicht sagen wollen. Es war aus ihm herausgeplatzt.

Nach einem Moment hallte die dunkle Stimme des Samurais ihm hinterher.

„Hast du denn überhaupt eine Entscheidung gefällt?“ Der Ältere hatte keine Probleme damit ihn einzuholen. „Hast du dich denn hier für mich und gegen deine Crew entschieden?“

Zorro ignorierte ihn und ging einfach nur weiter.

„Oder bist du nicht viel mehr hier weil es einfacher für dich war, als ihnen die Wahrheit zu sagen?!“

Nein!

Er war gegangen, damit er wieder ein Mann werden konnte!

Nur aus diesem Grund!

Nur deswegen war er gegangen! Weil er als Frau zu schwach war! Weil er als Loreen zu schwach war!

Es gab keinen anderen Grund!

Weil er gegangen war, würde er sich bald wieder zurückverwandeln können, da war er sich sicher.

Vor ihm tauchte das bedrohlich wirkende Anwesen der Familie Mihawk auf.

Der andere lag falsch.

„Du hast keine Ahnung“, brüllte er und stieß das kleine Törchen zum Vorgarten auf.

„Natürlich nicht“, knurrte nun auch Mihawk und schritt an ihm vorbei, er hatte offensichtliche seine sonst stets anwesende Ruhe und Gelassenheit verloren. „Die eigene Crew hinter sich lassen. Die eigenen Freunde von sich stoßen. Sich übermächtigen Gesetzen beugen. Natürlich, davon habe ich keine Ahnung.“

Zorro blieb stehen während der Ältere die Tür aufdrückte.

Er kannte Dulacres Vergangenheit, zumindest einen Teil davon. Er wusste, dass Dulacre seine Freiheit aufgegeben hatte um einen Teil seiner Crew zu befreien, dass Dulacre seine Crew aufgelöst hatte um sie zu retten, um ihnen die Ketten der Marine zu ersparen.

„Mein Herr, Ihr seid zurück?“

Die Stimme der Haushälterin zerbrach die zum zerreißen gespannte Luft, als die stämmige, großgewachsene Frau im Flur erschien.

„Aber, aber mein Kind, du bist ja wieder da.“

Zorro hatte gerade so überhaupt keine Lust darauf, dieser Frau irgendetwas zu erklären.

„Sieht so aus!“, murrte er nur und presste sich an ihr vorbei.

„Aber Schätz...“

„Kanan“, wurde sie sogleich von Mihawk unterbrochen während Zorro zur Treppe eilte, „bitte packen Sie alles, was unser Gast für die Reise nach Mary Joa brauchen wird. Ich werde mich derweil um die Formalitäten kümmern.“

Zorro wirbelte herum.

Die kühlen Augen des Samurais lagen unbeugsam auf ihm und unsicher guckte die Haushälterin zwischen ihnen hin und her.

„Wie Ihr wünscht, Herr“, murmelte sie dann.

Doch Mihawk starrte weiter Zorro an.

„Geh dich jetzt umziehen, Lorenor.“

Er tat so, als wäre nichts geschehen, als hätte sich an seinem Plan nichts geändert, aber seine Augen verrieten, wie zornig er war.

Wenn Zorro gerade nicht selbst so wütend wäre, würde er vielleicht darüber nachdenken, dass er mehr auf seine Wortwahl aufpassen musste, schließlich wusste er, wie empfindlich der Samurai ihm gegenüber war.

Aber ganz ehrlich, dass war ihm gerade so etwas von egal.

Ja, er hatte sich entschieden, ja er hatte sich selbst entschieden nicht mit seiner Crew mitzugehen, aber nicht weil es der einfachere Weg war, nicht weil er hier bleiben wollte – denn das wollte er ganz bestimmt nicht – sondern nur um wieder ein Mann zu werden.

Warum also musste dieser Mistkerl ihm so etwas vorwerfen?

„Du hast mir gar nichts zu befehlen!“

Mit diesen Worten stapfte er die Stufen hinauf, das missbilligende Schnauben des Älteren in seinem Rücken, der ihm jedoch nicht folgte.

Nun war er wohl wieder hier, auf Sasaki, in diesem Leben.

Mit einem Fußtritt schloss er die Tür zum Gästezimmer hinter sich.

Den kleinen Beutel mit seinen Habseligkeiten ließ er neben der Tür zu Boden fallen.

Mit Vorsicht nahm er Josei vom Gürtel und zog es aus seiner Saya. Er hatte noch keine Zeit gehabt es nach dem Kampf zu reinigen und das sollte er nun wirklich nachholen. Ein solches Schwert verdiente vernünftige Pflege.

Am liebsten würde er auch seine eigenen Schwerter umsorgen, aber der Samurai hatte sie mitgenommen und er konnte sich gerade wirklich besseres vorstellen, als sich die Fratze des anderen ansehen zu müssen.

Der Pirat zog das Reinigungsset, welches der Samurai ihm gegeben hatte, aus seiner kleinen Tasche und ließ sich aufs Bett fallen.

Zorro wusste, dass er dem anderen Unrecht tat, aber es war ihm egal.

Er wollte wütend sein, verletzt sein und er wollte jemandem die Schuld geben.

Er wollte jemandem dafür die Schuld geben, dass seine Crewmitglieder ihn nicht erkannt hatten, dass er ihnen die Wahrheit nicht hatte sagen können, dass er in diesem schwachen Körper gefangen war.

Wütend starrte er auf die Waffe in seiner Hand.

Dulacre hatte Recht. Er sollte sich nicht der Gefühlsduselei hingeben. Egal aus welchem Grund er nicht zu den anderen zurückgekehrt war, er war nun hier, war wieder auf Sasaki. Er konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Außerdem würde es ihm vielleicht wirklich dabei helfen, wieder seinen eigentlichen Körper zu erhalten.

Er musste stärker werden, stark genug um von niemandem mehr beschützt werden zu müssen und das konnte er nun mal am besten hier, bei Falkenauge.

Schwer seufzend legte er das benutzte Reispapier zur Seite und nahm die Puderquaste in die Hand.

So hatte er sich das alles nicht vorgestellt. Immer noch konnte er den Koch vor sich sehen, wie er zu ihm hoch gestarrt hatte, wie er ihn angestarrt hatte. Zorro schüttelte den Kopf.

Wenn alles gut ging würde er vielleicht nur wenige Wochen brauchen, ach was, vielleicht nur einige Tage. Schließlich hatte er im letzten Monat viel gelernt.

Wenn er es schaffen würde, sich endlich zu verwandeln und das gesammelte Wissen auch in seinem ursprünglichen Körper anwenden zu können, dann konnte ihm keiner mehr was anhaben.

Erneut tauschte der Grünhaarige Puderball gegen Reispapier und fuhr sorgsam die Klinge entlang, suchte nach jeglichen möglichen Kratzern, fand jedoch nichts. Dieses Schwert war immer gut behandelt worden.

Vom Bett aus sah er zur kleinen Kommode hinüber auf der ein kleiner Spiegel stand, einst hatte es einen großen Spiegel in diesem Raum gegeben, aber den hatte er zerstört.

Nein, Zorro wusste, dass das nicht stimmte.

Ja, sie waren gut, Ruffy, er, die anderen, aber wenn er ehrlich war, hatte er doch schon vor einem Monat die Wahrheit erkannt.

Sie waren gefangen genommen worden, sie alle. Ihre drei stärksten Kämpfer, also er, der Koch und ihr Kapitän, waren vernichtend geschlagen worden. Der Koch hatte kaum etwas ausrichten können, war mit einem Schlag ausgeknockt worden. Ruffy hatte gegen Hakkai, den Leiter des Marinestützpunktes G6 gekämpft und war danach so schwer verletzt gewesen, dass er wohl tagelang bewusstlos gewesen war.

Und Zorro selbst, tja, er hatte gegen den besten Schwertkämpfer der Marine gekämpft, Homura, und war ihm heillos unterlegen gewesen. An jenen Wunden war er schließlich zu Grunde gegangen…

Nein, wenn Zorro ganz ehrlich war, war er sich überhaupt nicht sicher ob sie so stark wie sie jetzt waren die neue Welt überleben konnten. Er erinnerte sich genau an Dulacres Worte, als dieser ihm gesagt hatte, dass ein Schwertkämpfer ohne Haki auf der anderen Seite der Red Line nicht bestehen würde.

Aber wenn er als einer der stärkeren der Crew es nicht packen würde, dann sah es für die anderen noch düsterer aus.

Langsam steckte er Josei wieder in seine Scheide und räumte die verschiedenen Utensilien weg. Der prüfende Blick, dem er jeden seiner Schwerter sonst nochmal zur Kontrolle gab, fiel dieses Mal ungewöhnlich kurz aus.

Wieder beobachtete er sein Spiegelbild und stand auf.

Er versuchte zu begreifen was seine wirren Gedanken ihm sagen wollten. Es war Irrsinn. Es war nur dieser Körper, der ihn aufhielt. Nur dieser schwächliche Körper, der dafür gesorgt hatte, dass seine Crewmitglieder ihn so ansahen, so seltsam ansahen.

Genau aus diesem Grund, nur aus diesem Grund war er jetzt wieder hier, nur damit er wieder er selbst werden würde.

Wenn er sich jetzt verwandeln würde, wenn er jetzt wieder Zorro werden würde, könnte er noch heute zum Sabaody Archipel reisen und wieder zu ihnen stoßen. Er musste nur genügend Kraft aufwenden, das war doch alles was der zweite Schritt, die Verwandlung selbst, noch benötigte, oder?

Er spannte sich an, versuchte Kraft zu sammeln, wie für eine große Attacke. Versuchte sich vorzustellen, wie er wieder er wurde.

Doch nichts passierte. Als er aufschaute sahen ihn immer noch diese riesigen, kindlichen Augen an.

„Verdammt!“ Er schlug auf die Kommode, die ächzend seinen kleinen Fäusten standhielt. Der Spiegel zitterte bedrohlich.

Er wurde diese Blicke nicht los, hörte die Stimmen seiner Freunde, die ihn priesen, nein, die Lady Loreen priesen. Nie würde er ihnen die Wahrheit sagen können, nie durften sie herausfinden, dass er Lady Loreen war.

„Verdammt!“

Er hatte sich zu diesem Schritt entschieden, warum fühlte er sich dann jetzt so miserabel? Warum fühlte es sich so falsch an?

„Verdammt!“

Warum hegte er diese Zweifel? Warum glaubte er, dass er selbst in seinem richtigen Körper noch zu schwach sein würde?

„Verdammt!“

Warum war er so unsagbar wütend? Auf die anderen, auf Dulacre, auf sich selbst?

Warum haderte er so sehr mit seiner Entscheidung?

Warum fiel es ihm so schwer, das einzusehen, was er schon längst wusste?

„Verdammte Scheiße!“

„Was machst du denn da?“

Er sprang herum. Im Türrahmen stand der Samurai und sah zu ihm hinab, einen verwirrten aber auch leicht genervten Ausdruck im Gesicht.

Der Jüngere wandte den Blick ab.

„Hast du alles geregelt?“, fragte er statt zu antworten.

„Es ist schwer ein Gespräch zu führen, wenn im Zimmer gegenüber ein Kind vor sich hin wütet.“

Beschämt drehte er sich weg ohne etwas zu erwidern.

„Du siehst ja immer noch aus wie ein Attentäter“, führte der Ältere das Gespräch fort und deutete auf Zorros schwarze Klamotten. Er hörte sich gewohnt kühl an, doch da war immer noch eine leichte Spannung. „Zieh dich um und komm danach zu mir ins Büro. Wir müssen noch einiges bereden.“

Damit wandte der andere sich zum gehen, trotz seines gelassenen Tons war es offensichtlich, dass ihre Auseinandersetzung nicht spurlos an ihm vorübergegangen war.

„Es war mir egal“, gestand Zorro schließlich ein.

„Wie bitte?“ Mihawk drehte sich wieder zu ihm, doch Zorro sah immer noch weg.

„Es war mir egal, ob ich mich zurückverwandeln würde oder nicht. Das ist nicht der Grund, warum ich nicht mit meinen Freunden mitgegangen bin.“

Einen Moment war es still. Zorro wusste nicht einmal warum er es dem anderen überhaupt sagte.

„Und warum dann?“

Er wusste nicht was er darauf antworten sollte und so blieb es gefühlte Minuten still, ohne dass einer von ihnen sprach, schließlich senkte er leicht seinen Kopf.

„Ich entschuldige mich für eben. Ich war wütend und habe meine Position in unserer Abmachung außer Acht gelassen.“

Wieder war es ruhig.

„Deine Position?“

Er sagte nichts, sondern wartete ab.

Der Ältere schnaubte leise: „Also wirklich, Lorenor. Manchmal bist du für mich wie ein Buch mit sieben Siegeln. Ich verstehe dich wirklich nicht und kann weder deine Beweggründe noch deine Absichten erkennen.“

Überrascht sah Zorro auf. Er hatte nicht das Gefühl, ein großer Geheimniskrämer zu sein. Vielleicht lag es einfach daran, dass er selbst nicht kapierte, was in ihm vorging.

„Entschuldigst du dich weil du wirklich dein Benehmen bereust oder weil du Angst hast, dass ich dich rausschmeiße und du nirgendwohin könntest?“

Die Stimmte des anderen klang immer noch äußerst mahnend.

Zorro erwiderte den Blick des anderen.

„Du würdest mich nicht rauswerfen“, meinte er schließlich nach einigen Sekunden.

„Ach nein?“ Mihawk hob eine Augenbraue an.

„Nein.“ Zorro verschränkte die Arme. „Kanan würde dich umbringen.“

Der andere legte den Kopf verdutzt zur Seite und sagte überhaupt nichts, sondern schüttelte nur leicht den Kopf.

„Warum also, Lorenor?“, fragte Mihawk erneut und verschränkte ebenfalls die Arme. „Warum bist du dann mit mir gegangen, wenn nicht um ein Mann zu werden?“

Diesmal sah er den anderen direkt an. Noch bevor er wusste was er darauf sagen sollte antwortete er bereits.

„Weil du Recht hattest. Weil ich es jetzt endlich auch verstene.“

Der Ältere nickte langsam.

„Und weil du mich siehst.“

Er konnte sehen, dass diese Aussage den anderen verwirrte, Mihawk legte den Kopf leicht zur Seite und verengte die Augen.

„Weil ich dich sehe?“

Zorro nickte. Es war die ehrliche Antwort, die ganze Wahrheit. Er hatte es nun endlich eingesehen.

„Wie meinst du das?“

Darauf entgegnete er nichts, sondern sah weg.

„Das heißt, du hast dich entschieden?“ Durchdringend sahen ihn diese gelben Augen an. „Nicht für deinen Körper, sondern gegen deine Crew und für mich?“

„Nein!“, entgegnete er entrüstet. „Ich habe mich dafür entschieden stärker zu werden, bevor ich zu ihnen zurückkehren werde. Das weder etwas mit meinem Körper noch mit dir zu tun. Überhaupt nichts mit dir zu tun!“

Trotz seines bissigen Kommentars sah der Ältere nicht mehr annähernd so unnahbar aus wie noch vor wenigen Sekunden.

Dulacre nickte sachte. „Und trotzdem…“ Er wandte sich zum gehen. „Trotzdem bist du hier geblieben, weil ich dich sehen kann. Was auch immer du damit meinst.“

Leise fiel die Tür zu.

Zurück blieb ein fassungsloser Zorro.

Fassungslos über seine eigenen Worte, über das eben geschehene und fassungslos über den Samurai.

Langsam ebbte die Wut in ihm ab.

Er hatte sich nun mal entschieden.

Niemand trug Schuld, niemand konnte etwas für die Situation, aber er hatte sich entschieden und jetzt stand er wieder am Anfang.

Jetzt musste er das beste daraus machen.

Kopfschüttelnd begann er sich anzuziehen.

Kapitel 2 - Blickwinkel

Kapitel 2 – Blickwinkel

 

-Mihawk-

Nachdenklich schaltete er seine Schreibtischlampe an und aus, gelangweilt von seinem derzeitigen Gesprächspartner, das leise Klicken beinahe interessanter als die Unterhaltung.

Vor einigen Sekunden hatte er endlich den erwarteten Rückruf aus Mary Joa erhalten und regelten nun die nötigen Formalitäten, aber eigentlich beschäftigte er sich mit ganz anderen Dingen.

Er hatte nicht erwartet, dass dieser Tag so verlaufen würde und es passierte äußerst selten, dass er mit seinen Erwartungen daneben lag.

Lorenors gereizte Stimmung war nachvollziehbar, nicht angenehm, aber nachvollziehbar und wer war er denn, wenn er sich von den Stimmungsschwankungen eines unerzogenen Jungspunds beeinflussen ließ?

Trotzdem verwirrte es ihn, dass der andere nicht zu seiner Crew hatte zurückkehren wollen. Schließlich war das doch der Plan gewesen. Schließlich hatten sie auf nichts anderes im letzten Monat hingearbeitet.

Dulacre konnte nicht leugnen, dass diese ungeplante Überraschung ihn nicht gerade traurig stimmte und doch konnte er auch nicht leugnen, dass Lorenors Abschied von der Crew ihn berührt hatte. Den Schmerz die eigenen Freunde anlügen zu müssen und sie alleine ziehen zu lassen, konnte er gut nachvollziehen.

Lorenor tat ihm leid.

Ganz schön weich war er geworden.

Das war auch das Problem. Grundsätzlich war er sehr gut daran, fremder Leute Gefühle und Beweggründe zu erahnen und zu ergründen.

Aber Lorenor hatte ihn von Anfang an immer wieder überrascht, hatte sich immer wieder anders verhalten als er es einkalkuliert hatte und je besser er den anderen kennen lernte, desto schlechter konnte er ihn einschätzen.

Allerdings schien sich so langsam die unerwünschte Vermutung zu bestätigen, dass dieses Problem nicht an der Unberechenbarkeit des Jungspunds lag – denn jedermanns Handlungen waren vorhersehbar, selbst die seinen – sondern an Dulacre selbst, an ihm und seiner Beziehung zu dem anderen.

Der Samurai seufzte und antwortete auf belanglose Fragen des Beamten.

Doch obwohl es ihn in gewisser Weise erfreut hatte, dass der Jüngere ihn darum gebeten hatte, ihn noch etwas länger zu trainieren, noch etwas länger auf ihn aufzupassen, so kam er nicht drum hin sich zu wundern, warum der andere so entschieden hatte.

Und weil du mich siehst.

Was für eine seltsame Begründung.

Was genau meinte Lorenor damit?

„Sehen…“

„Entschuldigung, wie bitte?“

Verwirrt stellte der Schwarzhaarige fest, dass er soeben laut gedacht hatte und der Angestellte an der anderen Seite der Leitung sich angesprochen fühlte.

„Möchten Sie für Lady Loreen eine Übertragungsschnecke installieren lassen, damit sie den Sender der Marine empfangen kann?“

Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er sich noch in einem Gespräch befand.

„Natürlich“, antwortete er knapp, „mein Gast möchte selbstredend über alle Vorkommnisse in der Welt informiert werden.“

Sein Gesprächspartner stimmte ihm zu und versicherte ihm, sich um alles zu kümmern.

Er ging nicht weiter darauf ein sondern griff das nächste Thema auf.

Seine Gedanken entfernten sich jedoch bereits wieder.

Lorenor konnte unmöglich die Fähigkeit des sehen gemeint haben, oder?

Nein, es musste um etwas persönliches gehen, einen Grund, warum der andere hier geblieben war. Wenn es ihm egal wäre ob er sich je wieder in seinen ursprünglichen Körper zurückverwandeln würde, warum war er dann nicht zu seinen Freunden zurückgekehrt?

Hatte es an etwas gelegen, was er gesagt hatte oder waren Lorenors Freunde dafür verantwortlich?

Weil du mich siehst.

Es war also ganz offensichtlich, dass er den Jüngeren sehen konnte, anders also als dessen Freunde.

„Ach so“, murmelte er, als er schließlich verstand. Heute brauchte er ungewöhnlich lange für Dinge die so offensichtlich waren.

„Ja, natürlich Herr Mihawk“, antwortete der Mitarbeiter, der Dulacres inneren Gedankenverlauf nicht einmal erahnen konnte, „wenn Sie wünschen werden wir Ihnen das natürlich auch erfüllen.“

Wieder ärgerte er sich über sich selbst, dass er nicht aufgepasst hatte.

„Nein danke, das wird nicht nötig sein“, entgegnete er und ließ sich wenige Sekunden später mit Vizeadmiral Kranich verbinden, die den bevorstehenden Kriegsrat organisierte.

Er war falsch an die Sache herangegangen.

Da er Lorenor die Fähigkeit des Sehens beigebracht hatte, was bedeutete, dass der Anwender in der Lage war die Bewegungen eines anderen zu erkennen und vorherzusehen, war er davon ausgegangen, dass der andere sich in irgendeiner Form darauf bezogen hatte.

Was es mit dieser Fähigkeit wirklich auf sich hatte, hatte er dem Jüngeren natürlich vorbehalten, dazu würden sie noch früh genug kommen.

Deswegen hatte er geglaubt, dass sein Wildfang sich darauf bezogen hatte, den wahren Hintergrund vielleicht herausgefunden hatte.

Aber er hatte sich geirrt. Vielleicht war es Lorenor überhaupt nicht um die Stärke seiner Crew gegangen, vielleicht noch nicht einmal darum, ob sie ihn als Loreen beschützen konnten.

Vielleicht hatte er etwas anderes gemeint, etwas, das für Dulacre so selbstverständlich war, dass er es gar nicht in Betracht gezogen hatte.

Lorenor war ein stolzer Mann und in gewisser Form auch eitel. Er hatte sich strenge Regeln auferlegt um der Mensch zu werden der er sein wollte, aber auch um sicherzugehen, dass das Selbstbild welches er von sich hatte der Wahrheit entsprach.

Dulacre verstand diese Ansicht, ihm ging es in vielerlei Hinsicht ähnlich und daher konnte er nachvollziehen wie wichtig es dem anderen sein musste, an diesem Selbstbild festzuhalten.

Es war Lorenor wichtig seinem Selbstbild gerecht zu werden.

Doch seine neue Gestalt wollte natürlich überhaupt nicht dazu passen. Die liebliche Lady Loreen, die von jedem gemocht und bewundert wurde, die beschützt und erobert werden musste, die sanft und gütig war, all diese Dinge passten nicht zu seinem Selbstbild. All die Dinge, die über Lady Loreen erzählt wurden, waren nicht Lorenors Eigenschaften und natürlich war auch Lorenor mittlerweile aufgefallen, dass er als Loreen diese unerklärliche Gabe hatte das Vertrauen fremder Menschen zu erlangen unbeachtlich seiner Worte und Taten.

Aber bei Dulacre schien diese Fähigkeit nicht zu funktionieren. Für ihn war Lorenor nun mal Lorenor, ganz gleich welche Gestalt er annahm oder wie sehr er sich veränderte.

Und genau das hatte der andere wohl gemeint, musste der andere gemeint haben.

Er konnte ihn sehen.

„Sie scheinen heute sehr abwesend zu sein, Falkenauge.“

Langsam hob er den Kopf und sah seine alte Teleschnecke an.

„Was lässt Sie das glauben, Kranich?“

Die alte Frau lachte leise. „Ihre Sorge um Lady Loreen steht über allem, nicht wahr?“, entgegnete sie anstatt zu antworten.

„Ich nehme meine Aufgaben gewissenhaft war, das sollten Ihnen doch bewusst sein?“

„Ach, wirklich?“, erwiderte sie mit gespielter Verwunderung. „Das wäre mir neu.“

„Lassen Sie uns bitte zum Wesentlichen zurückkehren. Diese Plauderei ist reine Zeitverschwendung.“

„Das hingegen klingt schon viel eher nach Ihnen.“

Sie setzten ihr Gespräch fort.

Doch noch immer waren seine Gedanken bei seinem Wildfang.

Bedeutete das also, dass Lorenor nicht bei seiner Crew geblieben war weil er glaubte, dass sie ihn nicht sehen konnten?

Weil er glaubte, dass sie ihn nicht verstehen konnten oder weil er ihnen nicht vertrauen konnte?

Oder interpretierte Dulacre zu viel in seine Worte hinein? Ging es vielleicht doch um etwas ganz anderes?

Ah, warum viel es ihm so schwer Lorenors Beweggründe auszumachen?

„Möchten Sie darüber hinaus, dass ich eine Garde zum Schutz Ihrer Begleitung abstelle?“

Er hob eine Augenbraue.

Nutzlose, schwache Marinesoldaten sollten Lorenor bewachen? Das sollte doch wohl ein Witz sein.

„Nein, das wird nicht nötig sein. Ich gehe nicht davon aus, dass meinem Gast im Heiligen Land irgendeine Gefahr droht oder sehen Sie das anders?“

Es klopfte an der Tür und eben genannter Jungspund steckte den Kopf hinein.

Der Schwarzhaarige bedeutete dem anderen hereinzukommen, sehr verwundert darüber, dass der Jüngere sogar angeklopft hatte. Seit wann wusste Lorenor was Manieren waren?

„Nun ja, wenn ich ganz ehrlich sein soll kann ich nicht ganz nachvollziehen, warum Sie ein wehrloses Mädchen in ein Kriegsgebiet mitnehmen wollen.“ Kranich klang ehrlich besorgt aber auch ein bisschen herablassend. „Mary Joa wird nicht umsonst evakuiert. Es ist zu nah am Marine Ford.“.

Lorenor lehnte sich an den Schreibtisch und sah ihn mit ernsten Augen an, sagte jedoch kein Wort.

„Ihre Sorge ehrt Sie, Kranich, aber meiner Ansicht nach bin ich ausreichend in der Lage für das Wohl meiner Begleitung zu sorgen“, entgegnete er kühl und betrachtete seinen Wildfang.

Der verzauberte Pirat trug ein übergroßes T-Shirt mit Blumenaufdruck und dazu eine weite Hose. Sein langes Haar hatte er einfach offen gelassen und wild stand es in alle Richtungen ab.

Er konnte ihn also sehen?

„Oh, bei aller Bescheidenheit Falkenauge, das mag vielleicht für die nächsten Tage gelten. Aber was ist, wenn der Kampf beginnt? Halten Sie es nicht für sinnvoll einige Männer zum Schutz der jungen Dame abzustellen, während Sie selbst auf dem Schlachtfeld sind?“

Einen kurzen Moment wechselte er Augenkontakt mit dem Grünhaarigen, der das Gespräch still verfolgte, eine Augenbraue zweifelnd angehoben.

„Ich glaube kaum, dass der Sitz der Weltregierung im Zuge des Krieges gestürmt werden wird. Es sei denn der Feind ist tatsächlich in der Lage uns alle zu besiegen und sollte das der Fall sein gehe ich nicht davon aus, dass ein paar Soldaten des niederen Fußvolkes dazu geeignet sind meinen Gast zu beschützen.“

Einen Moment war die Frau auf der anderen Seite der Leitung ruhig, als sie dann aber sprach war es deutlich, dass Sie die Geduld verlor.

„Also noch einmal, Falkenauge. Ich halte es für unbesonnen und naiv, wenn Sie ein Kind mit zum Schauplatz eines Krieges bringen und rate Ihnen dringend davon ab. Lady Loreen mag eine unterhaltsame Spielgefährtin für Sie sein aber aufmerksamkeitssuchende Modepüppchen haben in einem Krisengebiet nichts zu suchen.“

Mihawk konnte ein Grinsen nicht verhindern. Kranich war eine kluge Frau, weise durch ihr Alter und fähig im Kampf, aber Jahre in einer von Männern beherrschten Verwaltung hatten sie herablassend gegenüber Frauen werden lassen, die nicht versuchten sich in jener Männerwelt zu behaupten.

Er war drauf und dran etwas zu erwidern, aber es schien als wollte Lorenor die Sache selbst in die Hand nehmen.

Entrüstet räusperte sein Wildfang sich, die Lippen geschürzt. Ganz offensichtlich wollte der Jüngere solche Anschuldigung nicht auf sich sitzen lassen.

Die Augen der Teleschnecke weiteten sich überrascht.

„Sie glauben also wirklich, dass ich meine eigene Sicherheit nur für ein paar Fotos in der Zeitung aufs Spiel setzen würde? Werfen Sie mir wirklich vor bedeutsame Weltgeschehnisse als Ausrede zu benutzen um nach Mary Joa reisen zu können, zu einem Zeitpunkt wo selbst die Weltaristokraten von dort evakuiert werden?“

Oh, der andere schaffte es immer wieder ihn zu verblüffen.

Meist war der Jungspund zu ungalant für solch taktische Raffinessen, stolperte oft unbeholfen mit der Tür ins Haus oder war zu direkt für strategische Winkelzüge.

Aber gerade hatte er trotz seines angeknackste Egos die richtigen Worte gefunden.

„Lady Loreen“, begrüßte Kranich den verheimlichten Piraten ohne auch nur mit einem leisen Zögern in der Stimme. „Keineswegs Werteste, allerdings müssen Sie mir nachsehen, dass ich kein Verständnis dafür habe, warum eine Zivilistin wie Sie im Angesicht eines Krieges nach Mary Joa kommen möchte und dann auch noch so kurzfristig angekündigt. Wir sind hier nicht das Bürgerbüro. Es kann nicht jeder kommen und gehen wie er lustig ist. Selbst wenn Sie vor Ort sind werden Sie zu keiner Versammlung zugelassen werden und können natürlich nicht mit zum Marine Ford. Wieso also nehmen Sie solche Strapazen auf sich und gefährden Ihre eigene Sicherheit?“

Er beobachtete Lorenor, beobachtete ob er eingreifen musste, schließlich war Kranich eine erfahrene Strategin, aber wieder einmal überraschte ihn Lorenor.

Das verzauberte Mädchen seufzte und rollte mit den Augen. Dulacre war sich nicht sicher, ob der andere überhaupt bemerkte, sein Seufzer war bereits genug um jeglichen Widerstand zu brechen.

„Sie haben Recht, für einen Zivilisten ist der Schauplatz eines Kampfes wohl nichts.“ Lorenors unbedacht sanfte Stimme ließ Kranich wehrlos. „Aber ein Krieg geht uns alle an und ich werde nicht meine Augen verschließen während tausende tapfere Männer und Frauen ihr Leben für unsere Sicherheit riskieren. Außerdem brauche ich doch keine Angst zu haben, oder? Selbst wenn der Krieg fatale Folgen haben sollte, so muss Mary Joa doch nichts befürchten, oder etwa doch? Schließlich ist die Marine doch der Hüter der Gerechtigkeit und wird siegen, nicht wahr?“

Lorenor mochte drohend wirken wollen, aber Loreens Stimme schaffte es die ernsten Worte des verzauberten Piraten wie naive Ehrlichkeit ohne jeglichen bösen Willen klingen zu lassen, ob er das überhaupt beabsichtigt hatte?

Selbst Dulacre drohte auf ihn hereinzufallen und das, obwohl er den ernsten Blick sah, genau wusste wer der andere war.

„Natürlich wird die Marine siegen“, entgegnete Kranich einen Atemzug zu schnell. „Nun gut, entgegen meiner Bedenken werde ich mich Ihrer Bitte fügen, Falkenauge, und freue mich darauf Sie morgen offiziell in Mary Joa begrüßen zu dürfen, Lady Loreen. Wenn Sie mich nun bitte entschuldigen würden, ich habe einiges zu tun.“

Die beiden Schwertkämpfer hatten noch nicht einmal die Gelegenheit etwas zu erwidern. Mit einem leisen Gotcha war die Verbindung unterbrochen.

Der Samurai konnte ein Schmunzeln nicht verhindern: „Das war wirklich gut, Lorenor. Du wirst wirklich immer besser, selbst ich wollte dir glauben.“

„Also warum willst du in Wirklichkeit, dass ich mit nach Mary Joa komme?“

Der harte Kontrast ihrer Stimmen überraschte ihn.

Er war gelassen und erheitert, der Jüngling hingegen klang hart und kontrolliert.

Ach ja, Dulacre hatte beinahe schon vergessen, dass da noch eine Anspannung zwischen ihnen herrschte. Worüber hatten sie noch einmal gestritten?

„Dann eben so“, entgegnete er und wurde ernst. „Es ist offensichtlich, dass Eizen ein erhöhtes Interesse an Lady Loreen hat und ob es dir gefällt oder nicht, aber ich halte es für sinnvoller wenn du in meiner unmittelbaren Nähe bleibst.“

„Also soll ich nach Mary Joa kommen, damit du mich unter Kontrolle hast?“

Manchmal vergaß er, wie direkt der andere sein konnte und ganz Unrecht hatte der Jüngere nun mal auch nicht.

Kopfschüttelnd versuchte er das Gespräch in die richtige Richtung zu lenken. Lorenor war immer noch gereizt und das Thema verlangte einen kühlen Kopf.

„Ich glaube nicht, dass irgendjemand dich unter Kontrolle halten könnte. Es ist wohl eher so, dass ich sicher gehen möchte, dass Eizen nicht einfach seine Handlanger nach dir schickt. Er wird es nicht wagen, solange ich dir nahe bin.“

Ihr Schutz über diese Inseln und Ihr Schutz über Lady Loreen reichen nur so weit. Vergessen Sie das nicht.

EEjEr hatte Eizens Worte nicht vergessen. Diese Drohung war keine die er unterschätzen würde.

Allerdings war das nicht sein einziger Grund. Lorenors Abneigung gegenüber der Anwendung von Haki hatte immer noch sein Interesse geweckt und er hoffte, dass der andere die Notwendigkeit dieser Fähigkeit aktzeptieren würde, wenn er sehen würde wie die Mächtigen der Welt kämpfen konnten.

Doch der andere zuckte nur mit den Achseln.

„Eizen ist mir egal“, wiederholte er die Worte, die er schon bei ihrer Heimkehr gesagt hatte.

„Und ich halte das für eine sehr einfältige Haltung.“

Lorenor sah ihn direkt an. Wiedermal erschreckte es ihn wie einfach der andere seinem Blick standhalten konnte. Er hatte sich beinahe daran gewöhnt, aber nach den heutigen Vorfällen wurde es ihm wieder bewusst. Es war ungewohnt für ihn, dass jemand seinen Augenkontakt suchte.

„Ich bin nicht dumm, kapiert? Warum sollte ich mich mit irgendeinem dahergelaufenen Politiker befassen, wenn der mir eh nichts kann? Ich hab wichtigeres zu tun.“

Überrascht betrachtete Dulacre den Jüngeren, der herablassend weitersprach: „Eizens Macht kommt daher, dass er Leute unter Druck setzen kann. Er findet heraus was den Menschen wichtig ist und setzt es gegen sie ein. Selbst jemanden wie dich kann er damit kontrollieren. Denn er kennt deine Schwachpunkte, dein Titel, diese Inseln, mich.“

Lorenor war zu ernst, als dass er Dulacre auf den Arm nehmen wollte. Auch wenn es Dulacre nicht bewusst war, dass seine Fürsorge wirklich so offensichtlich war, so sagte Lorenor es gerade nicht um ihn aufzuziehen.

Nachdenklich verschränkte der Samurai die Arme.

„Und dich kann er nicht unter Druck setzen?“, fragte er und verwarf seine Gedankengänge.

Der andere schüttelte leicht den Kopf, sah nun jedoch zum Fenster hinaus.

„Nein, natürlich nicht. Womit denn auch? Er weiß nichts über mich. Alles was er weiß ist meine Verbindung zu dir. Aber egal was er von mir haben will, Lady Loreen kann nie im Leben wichtig genug sein um einen Vertrag zwischen einem Samurai und den fünf Weisen zu bedrohen und daher hat er nichts gegen mich in der Hand.“

„Denn das einzige mit dem er dich wirklich unter Druck setzen könnte wäre wohl deine Crew, nicht wahr?“

Der andere nickte nur.

„Gar nicht schlecht, Lorenor. Du beeindruckst mich heute, wirklich. Auch deine Schlagfertigkeit Kranich gegenüber war erfrischend. Lady Loreen betrachtet besorgt das Weltgeschehen, die Presse wird begeistert sein.“

„Das war nicht gespielt“, murrte der andere schlecht gelaunt.

„Du meintest ernst was du gesagt hast?“

„Der Krieg geht uns alle an. Du hast doch selber gesagt, dass die Welt danach nicht mehr die gleiche sein wird. Ich wäre dumm hierzubleiben, wenn ich doch aus der ersten Reihe zusehen kann. Außerdem…“

Der andere verstummte und strich sich eine störende Strähne weg.

„Außerdem was?“, fragte er aufmerksam.

Langsam stand er auf und ging um den Schreibtisch herum.

Es hatte ihn überrascht, dass der andere bei ihm bleiben wollte, wo er doch endlich wieder bei seiner Crew gewesen war. Er war darauf nicht vorbereitet gewesen und es hatte ihn… es hatte ihn verunsichert. Er hatte nicht gewusst wie er mit Lorenor umgehen sollte.

Dulacre war damals nicht so ruhig gewesen.

Nein falsch, er war viel ruhiger gewesen. Er erinnerte sich an den Moment, als sie Jiroushin und Egan aus Impel Down entlassen hatten. Erinnerte sich daran, wie sein Vize und sein Schiffarzt auf ihn zu gekommen waren. Er hatte gewusst, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, hatte nicht eine Sekunde daran gezweifelt und doch hatte es sich falsch angefühlt.

Er hatte damals den Respekt vor sich selbst verloren, hatte sich selbst enttäuscht, hatte Jahre gebraucht um aus diesem Tief herauszukommen. Es war nicht leicht, die eigenen Prinzipien zu verraten, selbst wenn es aus den richtigen Gründen geschah.

Er war unsicher gewesen, warum Lorenor sich für diesen Weg entschieden hatte, aber er vermutete, dass es dem Piraten ähnlich ging wie ihm damals.

Wenn er das bedachte, reagierte der Jungspund sehr moderat. Der andere nahm es deutlich besser an als Mihawk es selbst wohl akzeptiert hätte.

Nachdenklich betrachtete er den Steckbrief des Jüngeren.

„Außerdem“, sprach der andere nach einer Ewigkeit endlich weiter, „will ich wissen wie groß die Kluft ist.“

Der Ältere hob eine Augenbraue, drehte sich jedoch nicht um.

„Was für eine Kluft?“, fragte er ruhig.

Er sollte sich wirklich dran gewöhnen, dass er den anderen immer wieder unterschätzte.

„Die Kluft zwischen dir und mir?“, hakte er nach.

„Die auch“, murmelte Lorenor ruhig und der Samurai konnte hören wie der andere durch den Raum ging. Der Grünhaarige blieb neben ihm stehen. „Ich will wissen wie stark die Stärksten sind. Ich will wissen wie die Stärksten kämpfen und… und ob wir uns überschätzen.“

Überrascht sah Mihawk zum Jüngeren hinab. Dieser sah ebenfalls seinen Steckbrief an, dieses kindliche Gesicht viel zu ernst für die liebevolle Lady Loreen.

Der Samurai entgegnete nichts.

„Sag mal“, murmelte Lorenor nach einer Weile, doch was auch immer er sagen wollte, der Jüngere sprach nicht weiter und auch Dulacre sagte nichts.

Sie schwiegen, immer wieder holte der andere Luft und setzte an zu reden, doch kein Wort kam heraus. Schließlich seufzte der verzauberte Pirat.

„Wird es irgendwann besser?“, fragte Lorenor obwohl er offensichtlich etwas anderes fragen wollte.

Doch Mihawk wusste, was der Jüngere meinte, glaubte ihn besser zu verstehen als je zuvor.

Er nickte: „Ja, wenn du zurückkehrst.“

Lorenor starrte ihn an, doch er wandte sich ab und ging zurück zum Schreibtisch um seine Teleschnecke wegzuräumen.

Der Samurai wusste was der andere in Wirklichkeit hatte fragen wollen und ja er wusste die Antwort darauf, hatte schließlich selbst diese Erfahrung gemacht. Doch über seine Vergangenheit wollte er nicht nachdenken.

„Allerdings bin ich doch leicht verwundert“, lenkte er das Thema deshalb in bessere Bahnen und fort von diesen Erinnerungen. „Ich wunder mich, wie all das hier dir helfen soll, wieder deinen ursprünglichen Körper zu erhalten. Ich dachte, du würdest dich wieder zurückverwandeln.“

Der andere reagierte nicht. Lorenor hatte ihm damals erklärt, dass er ihn in die Details seines Fluches nicht einweihen konnte und der Samurai hatte es widerwillig hingenommen.

„Sag mir nur ob es dich weiter gebracht hat.“

Mihawk sah auf und traf auf diesen klaren Blick des Jüngeren.

„Ja.“

„Dann höre auf deine Entscheidung zu bereuen. Du würdest doch nie etwas tun, was du bereuen könntest. Das sagtest du doch, oder?“

Er grinste über die Überraschung des anderen.

 

Kapitel 3 - Willkommen

Kapitel 3 – Willkommen

 

-Zorro-

Der verzauberte Pirat beobachtete den Samurai über seine Tasse hinweg. Mihawk las die Zeitung und ignorierte den Trubel um sie herum.

Doch dann bemerkte er Zorros Blick und sah auf.

„Möchtest du mir etwas sagen?“, fragte der Ältere und raschelnd legte er die Zeitung auf dem kleinen Tisch ab.

Der Grünhaarige schüttelte grob den Kopf und trank seine Tasse leer. Er verstand nicht, warum sie hier sein mussten und außerdem hatte er überhaupt keine Lust sich mit seinem Lehrmeister zu unterhalten.

Der Ältere räusperte sich.

„Was denn?“, murrte er und sah Falkenauge nun doch an.

„Nichts“, antwortete der Schwarzhaarige mit einem leichten Grinsen und begann wieder zu lesen.

„Machst du dich etwa über mich lustig?“

„Und deinen Zorn auf mich ziehen? Ach, das würde ich doch nie wagen.“ Blanker Hohn hallte in der Stimme des Samurais wider. Immer noch war ein Mundwinkel des Älteren zu einem schiefen Grinsen verzogen. Zorro hatte das Gefühl, dass der andere äußerst gut gelaunt war.

Ganz im Gegensatz zum ehemaligen Piratenjäger selbst. Er hatte schlecht geschlafen und das frühe Aufstehen hatte noch sein Übriges dazu beigetragen.

Entnervt setzte er zu einem groben Konter an, doch in diesem Moment ging die Türe hinter ihm auf und er konnte anhand Mihawks plötzlicher kühlen Miene bereits erahnen, wer da hineingekommen war.

Der Samurai stand auf, jegliche verschmitzte Gesichtsregung von vorher war durch harte Ernsthaftigkeit ersetzt worden.

„Ziemlich spät“, tadelte er kalt.

Auch Zorro stand auf und wandte sich einem Mann in Marineuniform zu, der sich tief verbeugte.

„Ich bitte um Vergebung“, redete er hektisch und richtete sich wieder auf. Schweißperlen rannen seine hohe Stirn hinunter.

„Wenn Sie mir bitte folgen würden. Meine Kollegen kümmern sich bereits um Ihr Gepäck.“

Zorro ließ sich von dem Samurai in seinen Mantel helfen und folgte dann dem Soldaten hinaus aus dem kleinen Café, in dem sie auf die Ankunft des Kriegsschiffs gewartet hatten, welches sie zur heiligen Stadt bringen würde.

„Ich bin es nicht gewohnt zu warten“, murrte der Samurai herablassend.

„Es tut mir wirklich leid. Wir mussten einen Umweg…“

„Ausreden interessieren mich nicht. Langweile doch jemand anderen damit“, unterbrach Mihawk den Soldaten kühl und Zorro bemerkte wieder einmal wie viel Angst der Ältere doch verbreiten konnte. Es überraschte ihn, wie schnell die gute Laune des Samurais verflogen war, beinahe etwas zu schnell.

Leicht schüttelte der Grünhaarige den Kopf. Die Stimmungsschwankungen des Älteren waren sicherlich nicht seine Probleme und außerdem bevorzugte er so oder so den ruhigen, leicht griesgrämigen Schwertmeister.

Ein Mann in grauen Anzug und Marinemantel erwartete sie am Dock.

„Falkenauge“, grüßte er kalt, „Lady Loreen“, und verbeugte sich knapp.

„Mozambia, es ist äußerst unhöflich meine Begleitung und mich warten zu lassen. Das werde ich nicht unge…“

„Es war doch nur eine halbe Stunde“, seufzte Zorro und unterbrach den Samurai mit einem leichten Augenrollen.

Er konnte sehen, wie einige der umstehenden Soldaten erstarrten und mit großen Augen zu ihm und dem Samurai hinübersahen.

„Mach doch nicht so einen Aufstand wegen ein paar Minuten. Die Kriegskonferenz ist erst in drei Tagen, wir werden also auf jeden Fall pünktlich sein.“

Mihawk sah zu ihm herab, diesen kühlen, berechenbaren Ausdruck in den Augen und für einen Moment meinte Zorro sehen zu können wie die strengen Mundwinkel des Älteren zuckten.

Dann nickte der Samurai. „Du hast wohl Recht.“ Seine unerwartete Zustimmung war mehr als überraschend. „Mozambia, ich möchte schnellstmöglich ablegen und wenn uns bitte jemand zu unserem Aufenthaltsraum führen könnte.“

Der Angesprochene nickte nur schroff und begann dann Befehle zu bellen.

„War das wirklich nötig?“, murrte Zorro leise zum Älteren. „Seit wann regst du dich denn über solche Kleinigkeiten auf?“

„Hast du es nicht bemerkt?“, entgegnete dieser ruhig, während sie zwei Soldaten unter Deck folgten, die nichts von ihrem Gespräch mitbekamen.

„Was?“ Für einen Moment trafen sich ihre Blicke und diesmal konnte Zorro wieder ganz genau das schiefe Grinsen des Älteren sehen. Er war eindeutig nicht schlecht gelaunt.

„Na, die Blicke der Soldaten.“

Die zwei Weißhemden brachten sie zu einem großen und pompös ausgestatteten Raum, der Zorro einen Moment sprachlos ließ. So viel Prunk und Nimbus in einem Raum tat beinahe seinen Augen weh und er fragte sich, welche Gäste dieses Kriegsschiff sonst beherbergte.

Als die Tür hinter ihnen zufiel ging Mihawk an ihm vorbei und zog die Vorhänge vor die Fenster um das Licht zu dimmen. Danach begann er das Zimmer zu durchstreifen, hob Bilder und Vasen kurz an.

„Wofür diese Schmierenkomödie? Warum wolltest du, dass ich dich unterbreche? Es lässt dich schwach wirken“, verlangte Zorro nach einer Weile zu wissen, als er dem anderen mit den Blicken durchs Zimmer verfolgte. Er war erbost darüber, dass der andere seine eigene Reputation schwächte, schließlich wollte er gegen ihn kämpfen, dazu durfte der andere nicht schwach wirken.

„Ist das nicht offensichtlich, Lorenor? Um dir Macht zu geben.“

„Was?“

Der Samurai ließ sich auf das ausladende Sofa fallen, viel zu entspannt für Zorros Geschmack.

„Natürlich. Eine Frau die es schafft nur mit Worten einen so grausamen Samurai wie Falkenauge zu bändigen ist ein wahres Fest für die Presse.“

„Aber spielst du Eizen damit nicht genau in die Hände?“

Der Jüngere verschränkte die Arme. Er mochte nicht, wie sich die Dinge entwickelten.

„Nur auf den ersten Blick,“ entgegnete der Ältere, „so wie ich nur auf den ersten Blick mein Ansehen schwäche. Aber in Wahrheit bringt ihn das in Bredouille.“

Zorro setzte sich ebenfalls auf eines der großen Sofas und strich sein hellblaues Kleid glatt.

In wenigen Stunden würden sie Mary Joa erreichen. Gestern noch wollte er mit seinen Freunden weiterreisen und nun war er Inbegriff die Hochburg der Weltregierung zu betreten. Er mochte wirklich nicht, wie sich das alles entwickelte.

Er seufzte leise. „Und warum das?“

„Denk doch mal mit. Es wird für Eizen schwierig werden uns gegeneinander auszuspielen, wenn die Öffentlichkeit unsere Beziehung gutheißt. Wenn ich deinen Worten Gehör schenke und dich wertschätze, lässt mich das tatsächlich nahbarer wirken, aber so eine Beziehung wollen die Menschen für Lady Loreen sehen.“

„Unsere Beziehung?“ Zorro lehnte sich etwas zurück und konnte einen abfälligen Unterton nicht verhindern.

„Na genau das, wovon eure Navigatorin gesprochen hat. Die Weltaristokratin, die einem Mann zur Liebe ihren Titel aufgab. Ein Monster, das durch die Zuneigung einer Frau seine Menschlichkeit wieder entdeckte. Was für eine tragische Liebesgeschichte, genau das Drama, welches die Massen sehen wollen um sich von ihrem eigenen, tristen Dasein abzulenken.“

Zorro starrte den anderen entsetzt an.

„Wie bitte? Eine Liebesgeschichte? Zwischen uns?! Was soll der Scheiß?“

Der Samurai hatte sich zurückgelegt und zog seinen Hut tief ins Gesicht.

„Es ist ein Spiel, Lorenor“, meinte er unter einem Gähnen. „Ein politisches Spiel um Macht und Einfluss. Eizen mag vielleicht nichts gegen dich in der Hand haben, aber wie du schon richtig bemerkt hast gilt das nicht für uns alle. Wenn ich dieses Spiel also spielen muss, möchte ich es doch wenigstens auch gewinnen.“

„Also zerrst du mich einfach mit rein und erwartest von mir, dass ich so tue als wären wir ein Paar. Vergiss es!“

„Zu spät.“ Der andere sah ihn aus dem Schatten seines Hutes heraus an und warf seine Beine hoch. „Deine Figur steht schon auf dem Spielfeld.“

Dann schloss der Ältere seine Augen. Das Gespräch war für Mihawk beendet. Es schien ihm egal zu sein, kaum seiner Mühe wert. Wieder mal wurde Zorro bewusst, dass der andere wohl in jener Welt aus Lügen und Intrigen groß geworden war.

Einen Moment lang betrachtete er den Samurai.

Es war schon komisch. Am vergangenen Abend hatte er noch geglaubt, den anderen nur zu leicht lesen zu können und nun verstand er die Beweggründe des Älteren überhaupt nicht mehr. Es verwirrte und verunsicherte ihn. Es war eine Sache für einen Abend die Rolle der Lady Loreen zu übernehmen und so zu tun als ob, aber es war etwas ganz anderes dauerhaft im Licht der Öffentlichkeit zu stehen und am politischen Leben teilzuhaben. Das war eine Welt in die er nicht gehörte und in der er nichts zu suchen hatte. Was dachte sich der Ältere also, wenn er Zorro regelrecht ins Haifischbecken warf?

Auf der anderen Seite wusste Zorro nur zu gut, dass sie wahrscheinlich gar keine andere Wahl hatten. Die Dinge hatten sich so entwickelt. Von dem Moment an, da Zorro als Loreen zum ersten mal das Anwesen der Mihawks verlassen hatte, waren die Ereignisse außer Kontrolle geraten.

Wer hätte den ahnen können, dass ausgerechnet Eizen an ihm Gefallen finden würde?

Eine Reihe unglücklicher Zufälle und unerwarteter Eventualitäten machten es beinahe unmöglich Lady Loreen einfach verschwinden zu lassen. Dafür war sie mittlerweile zu bekannt.

Zorro seufzte tief und betrachtete den Samurai der bereits ganz ruhig und entspannt atmete, vermutlich eingeschlafen.

Zorro hingegen war richtig aufgewühlt. Die Müdigkeit vom Morgen war verschwunden.

Es gab nur eine Möglichkeit Loreen verschwinden zu lassen.

Schon am vergangenen Abend hatte er mehrmals versucht sich zu verwandeln, diesen Körper hinter sich zu lassen, doch es hatte nicht geklappt.

Eigentlich sollte er stark genug sein, sich jetzt, wo er eine Entscheidung getroffen hatte, rein aus geistiger Kraft heraus zurückzuverwandeln. Aber er schaffte es nicht, als wäre er zu schwach, als würde er es nicht schaffen genügend Kräfte zu bündeln.

Doch es fiel ihm schwer sich zu konzentrieren, seine innere Ruhe durch Meditation zu finden. Nach alledem, was am vergangenen Tag geschehen war, konnte er einfach kein gelassenes Nickerchen einschieben wie der Samurai es gerade tat.

Mihawks Worte beunruhigten ihn, er wollte keine Schachfigur in irgendeinem Spiel sein und er würde sich damit nicht so einfach abfinden wie der andere.

Was hatte Eizen schon gegen ihn in der Hand?

Er würde dieses Theater nicht länger mitmachen. Für einen Monat war es ertragbar gewesen, aber…

Für wie lange würde er dieses Schauspiel noch mitmachen müssen? Wie lange würde er beim Samurai bleiben? Wie lange würde er brauchen um stärker zu werden, stark genug zu werden?

„Sechs Monate müssten reichen“, flüsterte er. Ja, das war ein vernünftiger Zeitrahmen, genug Zeit auf jeden Fall. Aber selbst so viel Zeit hatte er nicht, er musste sich beeilen. Wer wusste wie viel Zeit ihm blieb, wer wusste wie lange seine Freunde ohne ihn aushalten würden.

„Eher neun.“

Überrascht hob er den Kopf. Mihawk lag unverändert auf dem Sofa, den Hut tief ins Gesicht gezogen.

„Neun?“, fragte er den Samurai.

Er wusste nicht, was ihn mehr überraschte, dass der anderen doch nicht am schlafen war oder dass er regelrecht Zorros Gedanken gelesen hatte.

„Schließlich müssten wir ja noch deine Abneigung gegenüber der Anwendung von Haki überwinden“, antwortete der Ältere, seine Stimme dumpf unter der Krempe des Huts. „Allerdings ist das ja alles nur rein theoretisch, schließlich willst du ja so schnell wie möglich zu seiner Crew zurück. Darum müssen wir uns darüber gar nicht unterhalten.“

Zorro lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Er mochte nicht wie einfach es dem anderen fiel zu erahnen worüber Zorro grübelte und noch mehr störte ihn, dass Miahwk anscheinend innerhalb weniger Sekunden zu einem Ergebnis gekommen war, worüber er selbst ununterbrochen nachgedacht hatte.

„Wolltest du nicht eigentlich schlafen?“, murrte er kühl.

„Es ist ziemlich nervig, wenn du mich dabei die ganze Zeit anstarrst. Warum machst du nicht auch einfach die Augen zu und schläfst eine Runde?“

„Wie kannst du auf einem Schiff voller Marinesoldaten so entspannt sein, sie könnten uns abhören, gerade in diesem Moment.“

Der andere lachte leise unter seiner Hutkrempe.

„Mach dich nicht lächerlich. Ich bin ein Samurai, ich genieße Immunität und außerdem ist niemand hier auf dem Schiff auch nur annähernd eine Bedrohung für mich.“

„Und schon hörst du dich wieder wie ein verdammtes Großmaul an.“

Der andere winkte nur ab. „Warum glaubst du, habe ich eben das Zimmer abgesucht, Lorenor? Und jetzt gute Nacht, wir können später noch weiter streiten.“

Das Grinsen in seiner Stimme war nur zu gut hörbar.

Entnervt lehnte der Jüngere sich zurück. Seit dem vergangenen Tag war der andere wirklich ungewöhnlich gut gelaunt, es ging ihm beinahe auf die Nerven.

Irgendwann war auch Zorro eingeschlafen. Er war doch viel müder gewesen, als er gedacht hatte.

Die letzten Tage waren anstrengend gewesen, hartes Training von früh bis spät und dann natürlich das Aufeinandertreffen mit seiner Crew. Eine Achterbahn der Gefühle. Gefolgt von einer ermüdenden Taubheit und dann diese unberechenbaren Unterhaltungen mit dem Samurai.

Manchmal waren sie belebend und erfüllten ihn mit neuer Energie, doch manchmal waren sie auch nervenaufreibend und reizten seine Geduld. Aber egal welches Thema, ihre Gespräche waren immer intensiv und selten unbedeutend.

Ja, Zorro war erschöpft gewesen und schließlich war er eingeschlafen. Auf diesem großen Sofa.

 

„Aufstehen, Schlafmütze, wir sind da.“ Überrascht schreckte er auf.

„Willst du etwa den ganzen Krieg verschlafen?“, neckte Mihawk ihn.

Zorro sah sich um, für einen Moment hatte er vergessen wo er war.

Der Samurai saß nicht mehr auf dem großen Sofa sondern stand nur wenige Meter daneben und begutachtete ein seltsames Gemälde. Erst nach genauerem Hinsehen erkannte Zorro, dass es sich um eine Karte handelte, nicht um ein Bild. Was sie genau abbildete konnte er nicht ausmachen.

Karten hatten ihn immer schon eher verwirrt als dass sie ihm den Weg gezeigt hätten.

Dann wandte sich der andere zu ihm um.

„Wir sollten jetzt wirklich an Deck gehen.“

„Sind wir denn schon da?“

„Schon? Selbst zu Fuß wären wir eher angekommen als mit diesem Kahn von einem Schlachtschiff.“

„Warum sind wir dann nicht einfach mit deinem Sargboot gefahren?“

Zorro hatte sich mittlerweile erhoben und streckte sich ausgiebig. Das kleine Boot des Samurais war deutlich schneller als jedes Schiff welches er je gesehen hatte.

„Und ich soll mein wertes Schiff unter die Obhut der Marine stellen? Nein, danke.“

Der Samurai begutachtete ihn eindringlich.

„Schiff? Wie kannst du deinen Schuhkarton ein Schiff nennen?“, fragte er giftig.

„Na genauso, wie du dich bereits jetzt einen Schwertkämpfer schimpfst“, entgegnete der andere ebenso fies und Zorro musste eingestehen, dass diese Antwort ihn etwas wehrlos zurückließ.

„Ich bin ein Schwertkämpfer“, knurrte er schließlich und ließ zu, dass der andere ihn immer noch so seltsam betrachtete. Er hatte sich deutlich trotziger angehört als er es vorgehabt hatte.

„Ich weiß“, entgegnete der andere mit einem leisen Schmunzeln und kam näher, „genau wie mein Sargboot ein Schiff ist.“

Zorro sah weg doch trat nicht einen Schritt zurück als der andere vor ihm stehen blieb.

„Größe ist nicht alles, Lorenor.“ Der andere beugte sich zu ihm hinab. „Mein kleiner Schuhkarton kann es mit Leichtigkeit mit diesen Marinefrachtern mithalten und zwar nicht nur was Schnelligkeit angeht.“

Der Jüngere nahm diese Aussage mit einem Schnauben hin und schlug die Hand des Samurais weg, der versucht hatte, die zerzausten Haare des verfluchten Piraten zu zähmen.

Der Schwarzhaarige ließ von ihm ab und schritt zur Tür.

„Nun komm, Lorenor. Der Tag wird nicht jünger.“

Er folgte ihm hinaus.

„Du auch nicht.“

Der Ältere räusperte sich daraufhin nur knurrend ohne jedoch etwas zu erwidern.

Draußen musste Zorro feststellen, dass sie sich schon längst nicht mehr auf dem offenen Meer befanden, sondern in einer Art Tunnel.

„Geladene Gäste, die mit einem Schlachtschiff anreisen, werden am unterirdischen Hafen in Empfang genommen. Zum einen ist dieser Hafen der wohl bestbewachte auf der ganzen Welt und zum anderen kann kommen und gehen wer will ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon mitbekommt.“

Mihawks Worte hallten zu ihm herüber während sie über Deck gingen.

„Insbesondere dann von Vorteil, wenn es sich bei den geladenen Gästen um Piraten handelt.“

Der Vizeadmiral, der für ihre Überfahrt verantwortlich war und dessen Name Zorro bereits wieder vergessen hatte, erwartete sie.

Kurz wechselten der Mann der Marine und der Samurai einige unbedeutende Worte, offensichtlich nur um die Zeit bis zum Anlegen zu überbrücken.

Beiläufig wurde Zorro bewusst, dass er nie mit dem anderen reden musste um Zeit zu überbrücken. Es fühlte sich nie gezwungen an, so wie jetzt gerade zwischen den beiden hochgewachsenen Männern.

Schließlich konnten sie an Land gehen.

Der unterirdische Hafen hatte etwas faszinierendes an sich, zumindest für jemanden, den so etwas interessierte und der sich von Machtdarstellungen der Obrigkeit beeindrucken ließ.

Bunte Malereien und goldene Verzierungen schmückten die Decke, die Wände waren mit Bildhauereien und Kunstwerken übersät und auch der Boden selbst war ein riesiges Mosaik, welches wohl die heilige Stadt von oben darstellen sollte.

Zorro kam das alles irgendwie zu groß, zu kitschig und zu unnötig vor. Kaum ein Schiff hatte angelegt und nur wenige Menschen waren anwesend. Die meisten von den wenigen waren Weltregierungsbeamte, die in ihren schwarzen Anzügen über das wuchtige Mosaik huschten. Jeder ihrer Schritte hallte in einem anderen Klang wider, sodass der ganze unterirdische Hafen von einer erhabenen, wenn auch wehleidigen Musik erfüllt wurde.

Einer von diesen Weltregierungsbeamten erwartete sie bereits, hinter ihm eine auffällig gekleidete Frau mit Kamera.

Sie trippelte immer wieder vor sich hin und verursachte dadurch kleine, schnelle Töne, die dem gespenstischen Lied etwas Lebendiges gaben.

„Na dann zeig mal, wie gut dein Schauspiel heute ist“, murmelte der Samurai neben Zorro während sie auf das ungleiche Paar zugingen, „Schließlich will die Welt Lady Loreen sehen.“

Der Mann verbeugte sich tief, die Frau schoss derweil bereits Fotos.

„Willkommen!“ Seine Stimme war überraschend tief. „Willkommen in der heiligen Stadt Mary Joa.“

Kapitel 4 - Augenzeuge

Kapitel 4 – Augenzeuge

 

-Zorro-

Eine ganze Stunde.

Eine Stunde lang waren er und Mihawk dem Beamten der Weltregierung durch ellenlange Flure und große Säle hinterher gedackelt. Eine Stunde in der die Reporterin ihnen auf Schritt und Tritt gefolgt war, sie hatte wenig gesprochen, kaum Fragen gestellt und doch war Zorro froh sie endlich los zu sein. Unentwegt hatte sie Fotos geschossen, ihr buntes Outfit hatte noch greller gewirkt unter dem Licht der protzigen Kerzenleuchter.

Die Frau hatte Zorro regelrecht verfolgt und erst als er endlich in seinem Zimmer angekommen war, hatte der Regierungsbeamte ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen.

Nun ja, Zimmer war wohl die falsche Bezeichnung. Der Saal war groß genug um ein kleines Fest auszurichten. Angrenzend waren ein ebenso großes Schlafgemach und ein genauso pompös ausgestattetes Bad.

Selbst das Herrenhaus der Familie Mihawk wirkte trist und schlicht im Vergleich zu diesem Prunk.

Es war ihm unangenehm. Man konnte keinen Schritt machen ohne gegen irgendetwas Wertvolles zu stoßen, sich nirgendwo hinsetzen ohne von den Augen irgendwelcher Gemälde verfolgt zu werden und schweres Parfum verpestete die Luft.

„Und hier in diesem Schrank befindet sich die Übertragungsschnecke“, führte der Beamte seine Erklärungen über den Raum fort. „Die Gemächer des Herrn Mihawk befinden sich im Übrigen direkt neben Ihren. Durch diese Wandtür dort können Sie direkt in seine Gemächer gelangen.“

Zorro nickte nur und gab sich alle Mühe seine höfliche Miene beizubehalten.

Dieser Typ war anstrengend, er hatte Zorro sogar erklären wollen, wie man das Wasser in der Dusche andrehte, das würde er ja noch gerade so selbst hinbekommen.

„Haben Sie sonst noch irgendeine Frage, Lady Loreen?“

Er wandte sich dem Beamten zu und versuchte sich an einem Lächeln.

„Nein, danke sehr. Ich bin nur erschöpft von der Reise.“

Der Mann der Regierung nickte sofort verständnisvoll.

„Natürlich, natürlich. Wenn Ihnen noch etwas fehlen sollte, da vorne steht unsere Teleschnecke für hausinterne Verbindungen, worüber Sie auch Essen bestellen können.“

Der Beamte zeigte von A nach B und der verfluchte Pirat tat so als würde er seinen Gesten folgen.

„Dort befindet sich auch die Fernbedienung für die Übertragungsschnecke.“

Er verneigte sich tief. „Ich empfehle mich.“

Zorro atmete tief aus als der andere endlich das Zimmer verlassen hatte.

So hatte er sich die Hochburg der Weltregierung nicht vorgestellt, er kam sich eher vor wie in einem überteuerten Hotel – nicht, dass er schon mal in so einem gewesen wäre – und nicht wie in einem Verwaltungsgebäude. Auch verwirrte es ihn, wie entspannt alle hier waren und das obwohl ein Krieg herannahte. Ein Krieg über dessen Einzelheiten er immer noch keine Ahnung hatte, noch nicht einmal wer der Gegner der Marine sein würde.

Erschöpft ließ er sich auf eines der vielen Sofas fallen. Vielleicht wäre es das Beste einfach eine Runde zu schlafen. Es war ja nicht so, als ob er hier viel machen könnte. Mit einem Unterarm verdeckte er seine müden Augen.

Die nächsten Tage würde er die meiste Zeit in diesem Zimmer verbringen, immerhin musste er dann niemanden Lady Loreen vorspielen. Da Dulacre selbst sich jedoch auf diesen Krieg vorbereiten musste und Training so oder so undenkbar war versprachen es langweilige Stunden zu werden. Tage in denen er nichts tun konnte außer warten, aber solange er in diesem Körper war, konnte er nichts tun.

Er seufzte leise. Es war früher Nachmittag, Mihawk hatte vermutet, dass seine Freunde zu dieser Zeit in etwa auf dem Sabaody Archipel ankommen würden. Das Archipel, welches man von hier aus innerhalb kurzer Zeit erreichen konnte.

Es dämmerte ihm langsam, er war auf der Red Line, die die Welt teilte, so nah und gleichzeitig so weit weg von seinen Freunden.

Ein dumpfes Pochen unterbrach seine Gedankengänge.

„Hmm?“, murrte er nur und gab sich noch nicht einmal die Mühe sich aufzusetzen.

Erneut pochte es leise.

„Komm rein“, murrte er, vermutete einfach mal, dass es der Samurai war.

Wieder pochte es und dann konnte er die gedämpfte Stimme des anderen hören: „Ja, würde ich auch, wenn du die Türe aufschließen würdest.“

Leise vor sich hin grummelnd rollte er sich vom Sofa, stand auf und trottete zur halb versteckten Wandtüre hinüber.

Einen leisen Klick später ging die Türe auch auf und ein leicht entnervter Samurai kam hinein.

Doch Zorro war erst einmal etwas sehr überrascht als er beinahe in die nackte Männerbrust vor sich hineinlief.

Er hasste seine aktuelle Körpergröße, schnell machte er zwei Schritte rückwärts.

Falkenauge trug genau das gleiche Outfit wie damals als Zorro ihm zum aller ersten Mal gegenüber gestanden hatte. Es war genau der gleiche lange Mantel den er auch damals angehabt hatte, mit genau der gleichen hellen Hose, nur der Hut fehlte, und genau wie damals trug er kein Hemd oder Shirt sondern nur seine Kreuzkette.

Aber die letzten Wochen hatte Zorro ihn so gut wie nur mit Hemd gesehen und irgendwie überraschte es ihn. Schnell wandte er sich ab, konnte aber nicht verhindern, dass er rot anlief.

Verdammte weibliche Hormone.

„Hast du deine Hemden Zuhause vergessen oder warum läufst du hier halbnackt herum?“, fragte er grob, stolz darauf wie gut der Sarkasmus seine Überraschung überdeckte.

Der andere sah ihn noch einen Moment mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Wie bitte? Stört es dich etwa?“

„Ach was, soll mir doch egal sein.“ Zorro winkte ab, doch sowohl seine Worte als auch seine Handbewegung waren etwas zu eilig. „Aber den letzten Monat hast du so gut wie immer Hemden angehabt, daher...“

Durch die Türöffnung hinter dem Samurai konnte Zorro nun einen Saal sehen, der seinem Aufenthaltsraum ähnelte. Am anderen Ende standen viele ihrer Gepäckstücke, einschließlich des Kastens in dem der Samurai Zorros Schwerter und andere Habseligkeiten verstaut hatte.

Immer noch sah der Samurai ihn mit großen Augen an, offensichtlich leicht verwirrt.

„Nun ja, das mag schon richtig sein“, stimmte er zu, „aber diese Kleidung trage ich nun mal, wenn es zu einem Kampf kommen könnte.“ Nun klang der Schwarzhaarige kühl und routiniert wie so oft, ehe er mit den Achseln zuckte und an Zorro vorbei schritt.

„Ein Hemd an einem Ort tragen an dem es Gefahr läuft mit Blut besudelt zu werden? Nein, so geschmacklos bin ich dann doch nicht“, fuhr der Ältere etwas blasiert fort und schritt durch Zorros Raum, blieb an Gemälden und Blumen stehen, kippte sie zur Seite oder hob sie hoch, ähnlich wie er es bereits auf dem Kriegsschiff getan hatte.

Sein Schwert hatte er neben die Eingangstür gestellt und dort ruhte es nun wie ein stiller Bewacher.

„Du hattest selbst beim Training mit mir Hemden an“, knurrte Zorro und drehte sich zum Samurai um.

„Ja und? Widerspricht das in irgendeiner Form meiner Aussage?“

Immer noch ging der andere durch den Raum, berührte Beistelltische und Schränke.

„Was machst du da?“, änderte Zorro das Thema, anstatt eine neue Diskussion zu eröffnen.

„Sichergehen, dass dein Zimmer wirklich nicht verwanzt ist.“

„Was?“

Nun sah der andere ihn kurz an.

„Natürlich. Wir sind zwar hier im Gebäudetrakt der extra für uns Samurai zur Verfügung steht und demnach keinerlei Überwachung untersteht, aber auf der anderen Seite…“ Der Ältere zog einen Teppich zur Seite. „Traue ich Eizen nun mal überhaupt nicht.“

Zorro beobachtete den anderen ohne etwas zu sagen. Auf dem Schiff war der andere nicht halb so gründlich gewesen. Doch nach ein paar Sekunden entschied der ehemalige Piratenjäger den ehemaligen Marineoffizier einfach machen zu lassen. Also begann er ebenfalls Möbel zu verrücken und Blumenvasen zu untersuchen. Aber selbst nach mehreren schweigsamen Minuten fanden sie nichts.

Plötzlich ertönte ein leises Zippen und Zorro sah auf während ein Bildschirm nahe dem Fenster blau aufflackerte.

„Was ist das?“, fragte er und betrachtete das flackernde Licht. Im ersten Moment dachte er an einen Überwachungsmonitor, wie ihn manche Marinegefängnisse hatten.

„Ich habe die Übertragungsschnecke eingeschaltet“, antwortete der Ältere ruhig und ließ sich auf dem Sofa nieder auf dem Zorro vor wenigen Minuten noch hatte schlafen wollen.

„Wofür ist die denn?“ Allmählich gesellte er sich zu dem anderen, setzte sich jedoch auf einen ausladenden Sessel.

Der Ältere zuckte mit den Achseln.

„Es gibt einen besonderen Sender über den die Marine die wichtigsten und aktuellsten Nachrichten intern verbreitet. Um sechs Uhr morgens und abends kommt jeweils eine Übertragung, ansonsten nur wenn irgendetwas Wichtiges geschieht. Es gab zum Beispiel eine Live-Übertragung vom Buster Call auf Enis Lobby.“

„Echt? Hast du das Zuhause auch?“

Herablassend schnalzte der Ältere mit der Zunge.

„Lorenor, hör doch zu. Dieser Sender läuft Marineintern. Natürlich kann man ihn außerhalb der Marinestützpunkte und Mary Joa nicht empfangen.“

Dann schaltete der Samurai das Gerät wieder aus.

„Du solltest dir die Nachrichten heute Abend auf jeden Fall ansehen. Es ist nicht falsch sich über den Feind zu informieren, außerdem bekommt man manchmal ganz interessante Details mit, die der Außenwelt verheimlicht werden.“

Zorro beobachtete den anderen.

„Bedeutet das, dass du es dir heute nicht ansehen wirst?“

Falkenauge nickte.

„Genau, ich habe Kranich zugesagt beim Kriegsrat der Admiräle als Berater anwesend zu sein.“

„Obwohl du ein Samurai bist?“

Der Schwarzhaarige lachte leise, doch es klang beinahe schon gehässig.

„Wie dem auch sei.“ Auf einmal war der andere wieder ernst. „Das bedeutet zuerst einmal, dass ich heute nur wenig Zeit für dich habe und daher möchte ich noch etwas Wichtiges mit dir besprechen. Du scheinst dich ja mittlerweile etwas beruhigt zu haben.“

Er setzte sich gerader hin und sah den anderen an.

„Worum geht’s?“ Zorro entschied den kleinen Seitenhieb zu ignorieren, so würden sie sich nur schon wieder streiten und er wollte viel eher wissen, was der andere mit ihm besprechen wollte.

Nun lehnte sich auch der Ältere etwas nach vorne und betrachtete ihn ernst.

„Wir müssen uns darauf einigen was dein Ziel ist. Bisher war ja ganz eindeutig, dass du nach einem Monat zu deiner Crew zurückkehren würdest. Aber jetzt bist du wieder hier und wie ich dir während der Fahrt schon gesagt habe vermute ich, dass du etwa neun Monate intensives Training brauchst um auf der anderen Seite der Red Line bestehen zu können, aber da du ja so schnell wie möglich zu deiner Crew zurück möchtest, müssen wir uns einig werden. Ich muss die Einheiten mit dir planen, da passt es nicht wenn du unerwartet gehen willst. Du sagst so lange wie nötig aber so kurz wie möglich und ich frage dich, was das bedeutet.“

Tatsächlich überraschte Zorro dieser Gedanke überhaupt nicht, er hatte ja selbst auch bereits schon viel darüber nachgedacht.

Er nickte langsam und faltete seine Hände.

„Sehe ich auch so. Aber um ehrlich zu sein kann ich es nicht abschätzen, solange ich noch nicht wieder meinen Körper habe.“

Der Ältere schüttelte unzufrieden den Kopf.

„Nein, nein, so einfach kommst du mir nicht davon, Lorenor.“

Mihawk lehnte sich noch weiter vor und nun berührten ihre Knie sich beinahe.

„Mit so einem ungenauen Geschwafel kannst du mich nicht abspeisen. Seit Wochen sagst du mir, dass du auf einem guten Weg bist, ich dachte gestern würde es Puff machen, aber hier sitzt immer noch Loreen vor mir.“

Zorro zuckte mit den Achseln und lehnte sich etwas zurück.

„Naja, aber bis nach dem Krieg bleibt doch eh alles wie es ist, oder? Ich komm hier doch so oder so nicht weg.“

„Du willst mir also sagen, dass du, auch wenn du dich jetzt sofort zurück verwandeln würdest, nicht augenblicklich zu deiner Crew wollen würdest, die sich gerade auf dem Sabaody Archipel, also in unmittelbarer Nähe, befinden?“

Zorro sah weg.

„Das glaube ich dir nicht“, sprach der Ältere weiter.

„Es ist aber so.“

„Was?“

Nun sah er wieder auf.

„Ich will nie wieder in der Position sein, meinen Käpt’n nicht beschützen zu können und dafür muss ich stärker werden. Daher…“ Er zögerte einen Moment. „Sobald ich es schaffe mich zu verwandeln noch einen Monat.“

Der Samurai sah ihn ruhig an. „In Ordnung“, stimmte er ohne zögern zu.

„Du willst meine Entscheidung noch nicht einmal kritisieren?“, fragte Zorro, verwundert über das schnelle Einlenken des anderen.

„Nein, alles was ich wollte war eine Zeitspanne mit der ich arbeiten kann und die hast du mir gegeben. Wir beide wissen, dass ein Monat viel zu kurz ist, aber ich verstehe deine Beweggründe und ich denke ein Monat sollte ausreichen um dir zumindest die Anwendung vom Observationshaki in seinen Grundzügen beizubringen.“

„Was? Ich hab dir doch gesagt, dass ich kein Haki lernen kann!“

„Und ich hab dir gesagt, dass das Humbug ist. Außerdem beherrschst du die Vorstufe doch bereits.“

„Was?!“

Zorro war aufgesprungen.

„Natürlich und jetzt entspann dich wieder. Das was ich dir beigebracht habe, was ich als Sehen bezeichnet habe ist in Wahrheit nichts anderes als eine ganz schwache Form des Observationshaki. Aber da du dich ja so sehr gegen diese Fähigkeit wehrst hatte ich entschieden diese Kleinigkeit für mich zu behalten.“

„Willst du mich verarschen?!“ Er spürte wie sein Herz raste. „So was kannst du nicht einfach für dich entscheiden! Du hast kein Recht und erst recht keine Ahnung…“

„Du hast wohl Recht.“ Mit ruhigen Worten unterbrach der andere ihn. „Ich hab keine Ahnung warum du dich so sträubst, da du mir die Wahrheit nicht sagen willst. Aber es ist bereits geschehen, du hast diese Fähigkeit bereits angewandt und mit der Vergangenheit zu hadern bringt dir jetzt auch nichts.“

Es fiel ihm schwer zu atmen. Wie konnte der andere es wagen?

Und wie konnte er jetzt so ruhig bleiben?

„Tatsächlich habe ich vor die Tage hier, die wir nicht mit vernünftigem Training verbringen können, dazu zu nutzen dich auf diesem Gebiet weiter auszubilden.“

Zorro starrte ihn einfach nur an.

„Und jetzt würde ich es begrüßen, wenn du dich wieder beruhigst und hinsetzt. Du bist ungemütlich.“

„Ich bin ungemütlich?“, fragte er ungläubig, ließ sich jedoch tatsächlich wieder auf seinen Sessel fallen.

Doch dann bemerkte er wie ernst der andere ihn ansah, er machte sich überhaupt nicht über ihn lustig, er war ganz ehrlich.

„Du kannst mir vertrauen, Lorenor. Vertrau darauf, dass ich weiß was ich tue.“

Zorro biss sich auf die Unterlippe.

„Aber ich weiß nicht, ob du mir vertrauen kannst“, murmelte er schließlich.

Lachend stand der Samurai auf.

„Ach, Lorenor. Du bist schon manchmal wirklich putzig.“

„Was?!“

Er erhob sich wieder und folgte dem Samurai zur Türe, wo der andere sein Schwert an sich nahm. Warum hatte er sich dann überhaupt wieder hinsetzen sollen?

„Ich denke es wird heute sehr spät werden. Sieh zu, dass du was Vernünftiges isst und ruh dich noch etwas aus. Deine andauernde Anspannung ist ja kaum auszuhalten. Ich werde morgen früh nach dir sehen.“

Damit ging er und ließ Zorro zurück.

Wieder einmal ärgerte er sich über sich selbst und über den anderen.

Er mochte nicht, wenn der Ältere ihn wie ein Kind behandelte, über seinen Kopf hinweg Entscheidungen fällte oder sich über ihn lustig machte.

Gleichzeitig konnte Zorro jedoch nicht abstreiten, dass er sich bei dem anderen wohl fühlte. Ja, er vertraute dem anderen, verdammt nochmal!

Tief seufzend legte er sich auf eine der vielen Liegemöglichkeiten und schlief innerhalb von Minuten ein.

 

Ein anhaltendes Piepen weckte ihn.

Für einen Moment sah er sich verwundert um, realisierte erst einmal wo er sich aufhielt. Draußen war es noch hell, wodurch er sicher sein konnte, dass es noch nicht Abend war. Lange konnte er noch nicht geschlafen haben.

Das nervige Piepen hörte nicht auf.

Genervt, verschlafen und verwirrt stand er auf und versuchte die Quelle auszumachen. Nach einigen Sekunden hatte er den Schrank im Visier in dem die Übertragungsschnecke stand.

Als er diesen aufmachte bestätigte die piepsende Schnecke seine Vermutung. Sie war schon ganz rot angelaufen und schien bereits seit längerem Alarm zu schlagen.

Er drückte den großen, schwarzen Knopf auf dem Gehäuse der Schnecke und plötzlich flackerte der Bildschirm hinter ihm blau auf.

Aber diesmal zeigte der Bildschirm auch einen weißen Kasten. Darin stand mit weißer Schrift geschrieben: Aufruhr auf dem Sabaody Archipel! Rookies lehnen sich gegen Weltaristokraten auf!

Unter dem Kasten glitt ein Text mit aktuellen Nachrichten entlang und einer Anleitung, die ihm erklärte, dass er über die Fernbedienung die Übertragung entweder beenden konnte oder aber eine Live-Schaltung zum aktuellen Ort des Geschehens aktivieren konnte. Beiläufig las er, dass irgendein Admiral wo auch immer eingetroffen war.

Plötzlich flackerte der Name seines Kapitäns über den Bildschirm.

Ohne zu zögern griff er nach der Fernbedienung und drückte den roten Knopf.

Einige Sekunden passierte gar nichts, doch dann flackerte ein Bild vor ihm auf.

Er wusste nicht was er erwartet hatte, jedoch das ganz gewiss nicht.

Die Videoschnecke die das Bild aufnahm wurde offensichtlich von irgendwem getragen, denn die Sicht war verschwommen und wackelte immer wieder, ehe das Bild plötzlich klar wurde, doch das interessierte Zorro gerade überhaupt nicht. Langsam schritt er auf den Bildschirm zu.

Das erste was er im allmählich sich schärfenden Bild erkennen konnte war die unverkennbare Silhouette des Samurais Bartholomäus Bär und obwohl das Bild nur schwarz-weiß war, wusste er augenblicklich wer die beiden winzigen Gestalten vor dem Samurai waren.

Der Videoschnecke am nächsten kniete Lysop auf dem Boden, unverkennbar mit seiner langen Nase und dem Lockenkopf. Am Rand des Bildschirms zur Rechten des Lügenbarons meinte Zorro etwas ausmachen zu können das aussah wie die Überreste eines zweiten Bartholomäus Bär, aber darüber verschwendete er keinen weiteren Gedanken, sondern starrte die dunkle Person an, die sich schützend vor Lysop gestellt hatte. Es war der Koch.

Und auf einmal, ohne dass Zorro etwas Näheres erkennen konnte, ließ der Samurai seine Hand runter gleiten und der Koch war verschwunden.

„Was zur…?“ Verwirrung breitete sich ihn ihm aus, während er die Bildschirmränder nach irgendeinem Zeichen untersuchte, das ihm zeigte wohin der Samurai den Koch geschleudert haben musste.

Hinter dem Samurai konnte er eine andere große Gestalt rennen sehen, die er nicht zuordnen konnte, doch Bär schritt nun weiter auf Lysop zu.

Zorro konnte nicht erkennen, wie weit der Samurai noch entfernt war, doch plötzlich sprang die schlaksige Figur Brooks aus einer Seite hervor und der Knochenmann griff den Samurai anscheinend an und dann… war er auch einfach weg.

„Wo…?“

Seine Hände berührten den Bildschirm während Bär sich nun doch über den Kanonier beugte und dieser sich ebenfalls in Luft auflöste.

„Nein.“

Fassungslos stand er da, presste seine Finger gegen den Bildschirm als wollte er einfach hindurch tauchen.

Das Bild flackerte für einen Moment, da die Schnecke anscheinend ruckartig bewegt wurde, seitlich blieb sie auf dem Boden liegen und gab das Bild nun gekippt wieder.

Einige Männer die Zorro nicht kannte tauchten auf und kämpften gegen aber auch mit seinen Freunden, doch plötzlich war der Samurai wieder im Bild und mit ihm Franky, jedoch nur für einen kurzen Augenblick, ehe auch er weg war.

„Nein?“

Kaum eine Sekunde später musste er mit ansehen wie die zierliche Gestalt Namis ebenfalls verschwand.

„Nein!“

Im Hintergrund sah Zorro plötzlich einen riesigen Schatten und obwohl kein Ton übertragen wurde, konnte er den wehleidigen Schrei aus dem aufgerissenen Maul der Kreatur bis in sein Mark hören.

„Chopper“, flüsterte er und der Samurai verschwand aus dem Bild.

Im gleichen Augenblick sah er Ruffy über quer durchs Blickfeld laufen, gefolgt von jemand anderen, den er nur mit Mühe und Not abschütteln konnte, und dann war die riesige Kreatur auf einmal weg.

„Nein! Nein, Chopper!“

Er konnte Ruffy immer noch laufen sehen, auf wen rannte er zu?

„Robin?“ Doch schon wieder tauchte der Samurai aus dem nichts aus.

Ruffy blieb stehen, sein kraftlos ausgestreckter Arm fiel schlaff hinunter.

Zorros ganzer Körper zitterte als er sah, wie sein Käpt’n zu Boden ging. Das konnte nicht sein! Das war unmöglich! Was passierte da?!

Langsam kam der Samurai auf den am Boden knienden Strohhut zu.

„Nein!“, schrie er und schlug gegen den Bildschirm. Das konnte nicht passieren!

„Lauf weg, Ruffy! Lauf!“

Immer wieder schlug er gegen den blauen Bildschirm, seine kleinen Fäuste direkt neben den winzigen Schemen, der seinen Freund darstellen sollte.

„Nein! Nein!“ Seine Stimme brach, doch er konnte nichts tun als Bär vor Ruffy zum Stehen kam.

„Nein, Ruffy!“

Und dann war Ruffy verschwunden.

Das Glas brach unter Zorros Fingern und der Bildschirm kippte um.

Er stand einfach nur da, sein Körper bebte, sein Unterkiefer zitterte.

Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein!

Er spürte wie Tränen seine Wangen runter glitten.

Was war da passiert, wo waren seine Freunde? Waren sie noch am Leben? Waren sie… waren sie…?

Er schrie.

Sein Kopf schien zu explodieren und er vergrub die Hände in seinem Haar, riss ganze Strähnen heraus.

Er schrie.

Er weinte.

Seine Beine gaben nach und er fiel zu Boden.

Seine Freunde! Seine Freunde!

Brook! Franky! Robin! Chopper! Sanji! Lysop! Nami! Ruffy!

Ruffy!

Es fühlte sich an als würde er verbrennen.

Und dann brach er zusammen.

 

Kapitel 5 - Erwachen

Kapitel 5 – Erwachen

 

-Zorro-

Langsam wachte er auf.

Sein ganzer Körper schrie beinahe vor Schmerzen, als würde er von innen heraus verbrennen. Alles schien verschwommen und stumpf.

Was war geschehen?

Wo war er?

Mühselig raffte er sich auf alle Viere und sah sich langsam um.

Er fühlte sich taub und leer, sein Kopf war schwer, sein Körper bebte unkontrolliert.

Er hockte auf einem weichen Teppich zwischen protzigen Möbeln. Es war dunkel, nur ein schwacher, kalter Schimmer tauchte das Zimmer in ein eisiges Blau.

Allmählich fing er wieder an sich zu orientieren, realisierte wo er war und warum.

Er versuchte sich aufzurichten, doch sein Körper wollte seinem Befehl nicht folgen.

Seine Hände zitterten und er konnte sie kaum bewegen.

Dann starrte er seine Hände an, starrte diese Hände an, die wie für den Kampf geschaffen waren.

„Was…?“ Seine Stimme war heiser und brach, kratzte leicht.

Er fasste sich an den Hals und blickte seinen Körper hinab.

Zerrissene Kleidung hing an ihm herunter, als wäre sie von innen heraus geborsten. Aufgeplatzte Nähte und Knopfleisten; Reißverschlüsse, die ihren Dienst versagt hatten. Stofffetzen versuchten seinen Körper zu bedecken, scheiterten jedoch kläglich.

Die Hand an seinem Hals glitt langsam hinunter zum Schlüsselbein und verweilte dort für eine Sekunde, strich dann quer über seine Brust bis runter zur Hüfte, fühlte die vertraute sensible und doch raue Linie, die sich so unregelmäßig von der restlichen glatten Haut abhob.

Hart stieß er Luft aus und fasste sich an den immer noch dröhnenden Kopf. Das kurze, widerspenstige Haar unter seinen Fingern ließ sich kaum bändigen.

Ein leises Lachen entrang seinen Lippen.

„Ich hab‘ es geschafft“, flüsterte er zum stillen Raum und schloss für einen Moment die Augen, genoss den Schmerz, ehe er sich dazu überreden konnte aufzustehen.

Sein Körper war ungewohnt schwer, viel schwerer als erwartet und irgendwie bewegte sich alles grobmotorisch, seine Hände und Füße waren plump und seinen Muskeln fehlte die nötige Feinjustierung.

Wieder lachte er leise, so hatte er sich das Ganze nicht vorgestellt.

Sein Körper brannte immer noch und er fühlte sich ausgelaugt, erschöpft. Am liebsten würde er sich direkt wieder hinlegen und einfach weiterschlafen.

Zorros Blick fiel auf den Spiegel, nein genauer gesagt auf sein Spiegelbild. Einige Fetzten waren zu Boden geglitten und nun stand er fast nackt da.

Das seltsame kalte, bläuliche Licht, welches den Raum einen eisigen Schimmer verlieh ließ ihn gespenstisch wirken, fast so als wäre er erfroren, dabei war ihm so heiß als würde sein Körper verbrennen.

Selbst seine Augen leuchteten ungewohnt bläulich.

Er wusste wieder wo er war und warum er dort war, aber wieso hatte er mitten in der Nacht auf dem Boden gelegen?

Was war passiert? Was war mit ihm passiert?

Langsam sah er sich um, versuchte im Raum Anhaltspunkte zu finden, die ihm erklärten was geschehen war und schließlich fand er es auch.

Hinter dem niedrigen Tisch, vor dem er gelegen hatte, fand er die Quelle des blauen Lichts.

Dort lag ein Bildschirm. Er flimmerte in einem schwachen Blau, doch tiefe Risse hatten das Glas zersplittert und es wurde kein Bild mehr angezeigt.

Für einen Moment sah er nur das blaue Flimmern an, verwirrt und erstaunt, doch dann krochen die Erinnerungen aus den Tiefen seiner Seele hervor und Grauen erfüllte ihn.

Das Atmen wurde ihm schwer und er spürte, wie seine Beine nachzugeben drohten.

Er stolperte einige Schritte rückwärts und musste sich an einer Sessellehne festklammern um nicht umzukippen.

Sein Herz raste und Panik erfüllte ihn während er nach Luft rang.

Er sah sich hektisch um, versuchte irgendetwas auszumachen das ihm sagte, dass er sich das alles nur eingebildet hatte, aber er wusste, dass das nicht der Fall war. Nein, es war wirklich passiert, es war wirklich passiert und er hatte machtlos zusehen müssen, unfähig irgendetwas zu tun.

Wenn er doch mitgegangen wäre. Wenn er nicht so egoistisch gewesen wäre. Wenn er doch nur…

Ein undefinierbarer Laut kroch aus seiner Kehle.

Eine Stimme in seinem Kopf, die sich nicht nach ihm anhörte, versuchte ihm klar zu machen, dass er sich beruhigen sollte, dass er einen kühlen Kopf brauchte und nicht überreagieren durfte.

Aber diese Stimme ignorierte er getrost und sah sich um.

Im Gegenteil, er musste handeln, sofort handeln.

Dann fiel sein Blick durch die offene Wandtür ins anlehnende Zimmer, dorthin wo sein Gepäck stand.

Mit unbeholfenen Schritten eilte er hinüber, doch seine schweren Füße wollten kaum den Boden verlassen und immer wieder verlor er das Gleichgewicht.

Sein Körper schrie ihm zu, dass er zu erschöpft war, dass er Ruhe brauchte. Aber wie sollte er jetzt Ruhe finden? Wie sollte er jetzt zur Ruhe kommen?

Er stolperte durch den Durchgang und fand sich in dem fremden Raum wieder.

Eine vertraute, kühle, hölzerne Note stieg in seine Nase, doch sie erfüllte ihn nicht mit der üblichen Gelassenheit sondern nur mit Wut; mit Wut und Verzweiflung.

Bebende Finger öffneten einen Schrankkoffer und mit unkoordinierten Bewegungen zog er irgendetwas zum Anziehen heraus.

Sowohl Hemd als auch Hose waren etwas zu groß für ihn, aber das war ihm egal. Nach Schuhen suchte er erst gar nicht, fand jedoch einen seltsamen Gurt mit Laschen, den nahm er an sich. Als ob der andere den je tragen würde…

Danach trampelte er zu einem großen Koffer hinüber.

Erneut ärgerte er sich über seine Finger, die Ewigkeiten brauchten um die Verschlüsse zu öffnen, doch schließlich konnte er die Klappe hochheben.

Darunter fand er seine Schwerter, alle liebevoll und sorgsam verstaut.

Vorsichtig nahm er jedes einzelne heraus und befestigte sie an seinem Gürtel.

Als er nach dem vierten greifen wollte, kam ihm eine leise Welle des Zorns entgegen und er erinnerte sich daran, dass dieses Schwert nicht neben anderen geführt werden durfte.

„Eines Tages werde ich auch dich besitzen“, murmelte er und richtete sich auf.

Immer noch viel es ihm schwer zu atmen, wenn er an das Geschehene dachte, aber so langsam konnte er immerhin wieder denken.

Sein Körper war noch erschöpft aber die Schmerzen ließen langsam nach.

Er wollte schon loseilen, als er etwas im Koffer bemerkte.

Einen Moment zögerte er, doch dann griff er nach der kleinen weißen Teleschnecke und dem Papierfetzen.

Beides steckte er in die Hosentaschen.

Kurz sah er sich um.

Er konnte keine Botschaft hinterlassen, nichts das ihn verraten oder Mihawk in Bredouille bringen könnte, also verließ er das Zimmer.

Er hatte keine Ahnung wo er hin sollte oder was er eigentlich genau vorhatte, aber er hatte nicht eine Sekunde länger in jenem Raum bleiben können.

Er musste handeln.

Er musste ihn finden, Bartholomäus Bär. Musste ihn finden und herausfinden, was genau er getan hatte. Nur so konnte er herausfinden ob seine Freunde noch am Leben waren.

Er begegnete niemandem, aber das überraschte ihn kaum. Schließlich war dieser Bereich hier Gesetzeslosen mit Immunität vorbehalten.

Aber müsste Bär als einer der Samurai nicht dann auch irgendwo hier sein?

„Lorenor Zorro?“

Als hätte er ihn heraufbeschworen!

Zorro wirbelte herum, diese Stimme würde er immer erkennen.

„Bartholomäus Bär“, knurrte er atemlos, als das Unwahrscheinliche wahr wurde.

Der seltsam gebaute Hüne war gerade durch einen hohen Torbogen hindurch geschritten und sah zu ihm herab, in einer Hand seine verdammte Bibel.

„Wie kann es sein, dass du noch am Leben bist?“, fragte der Samurai.

Nur das Mondlicht war ihr Zeuge, doch Zorro zog sein Schwert.

„Ich stelle hier die Fragen!“ Seine Stimme war immer noch so rau und kratzig, aber er hatte doch Glück im Unglück gehabt, so schnell hatte er nicht erwartet den Samurai zu finden. „Was hast du mit meiner Crew gemacht?“

Für einen Moment sah der Samurai ihn einfach nur an.

„Rede schon!“, verlangte er und zog ein zweites Schwert.

„Du hast also tatsächlich überlebt? Wieder einmal. Es scheint als wäre der Tod nicht dein Freund.“

„Lass den Mal da raus. Was hast du mit meinen Freunden gemacht?!“

Er wusste, dass ein Kampf sinnlos war. Sein Körper war so erschöpft, dass er kaum laufen konnte und dieser Samurai war vielleicht nicht der Stärkste von allen, aber Zorro konnte sich noch gut genug an ihre letzte Auseinandersetzung erinnern. Damals auf Thriller Bark.

„Was machst du im Heiligen Land? Ist dir nicht bewusst, dass dies dein Todesurteil ist, wenn man dich entdeckt?“

Die Worte des anderen, der offensichtlich nicht kämpfen wollte, verwirrten ihn. Was kümmerte es den denn, wenn Zorro sterben würde?

Doch davon ließ er sich nicht beirren.

„Du sagtest es doch bereits: der Tod ist nicht mein Freund. Also zum letzten Mal, was hast du mit meinen Freunden gemacht?!“

„Ich habe sie gerettet.“

„Was?!“

„Sag mir, Lorenor Zorro, wenn du auf eine große Reise gehen könntest, wohin würdest du gehen?“

„Was?!“

Der andere stand plötzlich direkt vor ihm und er wusste, dass er nichts tun konnte.

„Keine Sorge, Lorenor Zorro, ich werde dich nicht verraten.“

Und dann ließ der andere seine riesige Tatzenhand auf ihn niederfahren.

Er konnte nicht mehr ausweichen. Es war zu spät.

 

-Mihawk-

Weit gähnend streckte er sich.

Selten hatte er einer so langatmigen, langandauernden und langsam vorankommenden Sitzung beigewohnt wie dieser.

Wieso nur hatte er sich auf so etwas eingelassen?

Ach ja, genau, weil er Samurai war und in gewisser Weise keine Wahl hatte.

Müde rieb er seine Augen und sah aus dem Fenster heraus. Die aufgehende Sonne grüßte ihn.

Knapp zwanzig Stunden hatte er in diesem Raum mit den Männern der Marine verbracht. Immerhin wusste er nun, was genau vor sich ging und musste sich nicht mehr auf seine eigenen Spekulationen verlassen, obwohl diese sehr zutreffend gewesen waren.

Puma D. Ace also, eine Hinrichtung also, Whitebeard also.

Er seufzte. Warum nur musste er immer Recht behalten?

Das würde alles ziemlich nervig werden. Und Anstrengend. Und langweilig.

Er zuckte mit den Achseln. Nicht dass es ihn wirklich interessierte. Er würde kämpfen, vielleicht den ein oder anderen halbwegs interessanten Kampf ausfechten und dann dieser Bühne wieder den Rücken kehren. Es war ihm egal, sollte Whitebeard doch seine Unstimmigkeiten mit der Weltregierung ausmachen. Alles was ihn interessierte war die Mauern von Mary Joa so schnell wie möglich hinter sich zu lassen und Lorenor weiter zu trainieren.

Ein leises Grinsen verdunkelte seine Züge während er die leeren Gänge entlang schritt.

Er würde kurz nachsehen, ob sein Wildfang bereits wach war, ehe er sich selbst etwas hinlegen würde.

Doch dann blieb er stehen.

Es war erschreckend wie wichtig ihm dieses Kind geworden war und wie stolz es ihn machte, dass er der einzige war, dem Lorenor sein Geheimnis anvertraut hatte. Nicht einmal seine eigene Crew hatte der andere eingeweiht.

Dennoch, irgendwann würde Lorenor zu seiner Crew zurückkehren, das war unstreitig und irgendwann würde er Dulacre als verlassen. Irgendwann würde er seinen Wildfang loslassen müssen.

Aber er hatte noch mindestens einen Monat, einen Monat wo er Lorenor ganz für sich alleine hatte.

Seufzend ging er weiter.

Er hätte nicht gedacht, dass er je wieder so abhängig von jemandem werden würde. Ziemlich erbärmlich für jemandem wie ihn. Ziemlich traurig, wenn er ehrlich war, fast schon armselig.

Wofür diese Schmierenkomödie? Warum wolltest du, dass ich dich unterbreche? Es lässt dich schwach wirken.

Er lachte leise, dieses Schauspiel war nur zum Teil eine Farce. Viel zu oft ließ er sich von dem anderen unterbrechen, viel zu oft überdachte er seine eigene Meinung nach den Worten des Jüngeren. Obwohl der Jungspund gerne den Eindruck vermittelte ein einfältiger Dummkopf zu sein, so wusste Dulacre doch genau, dass er das eben nicht war, dass Lorenor viel mehr war, seine Schwäche zum Beispiel.

Wenn die Welt das wüsste; wüsste, dass der große Falkenauge, bester Schwertkämpfer der Welt und einer der gefürchteten Samurai sich von einem kleinen Rookie, einem totgeglaubten Rookie, beeinflussen ließ, er schüttelte den Kopf.

Was hatte dieser Junge nur aus ihm gemacht?

Aber er durfte sich davon nicht beeinflussen oder gar kontrollieren lassen.

Ja, je länger er darüber nachdachte, desto sinnvoller fand er es den Jüngeren etwas auf Abstand zu halten. Das würde ihnen beiden gut tun, außerdem beschwerte sein Wildfang sich doch eh immer, dass er zu weich geworden war.

Sein Wildfang. Sein Wildfang.

Seufzend fuhr er sich durchs Haar, zerstörte seine fein säuberlich geordnete Frisur.

Lorenor hatte Recht gehabt.

Sie waren schon lange nicht mehr einfach nur Lehrmeister und Schüler, schon lange nicht mehr nur Rivalen und wie von Lorenor erwartet, konnte das für sie beide problematisch werden.

Wann waren sie wohl Freunde geworden?

Vielleicht sollte Dulacre wirklich etwas mehr Abstand wahren, etwas mehr Distanz zwischen sie bringen und wieder zu dieser alten Lehrmeister-Schüler-Beziehung zurückkehren.

Genau, das war vernünftig, das war klug und angemessen.

Angemessen für jemanden wie ihn.

Also würde er jetzt nur gerade nach Lorenor sehen und dann… Nein, wenn er das richtig angehen wollte, durfte er jetzt eben nicht nach dem anderen sehen. Es reichte wenn er den anderen über seine Entscheidung informierte und mit ihm die nächsten Tage plante, nachdem er sich eine Runde ausgeruht hatte.

Genau, genauso würde ein seriöser Lehrmeister handeln.

Er nickte sich selbst zu, bestätigte sich. Er würde sich jetzt seinen verdienten Schlaf holen und genau das machen, was ihm der rational denkende Teil seines Verstandes riet.

Er gähnte noch einmal ausgiebig und öffnete dann die Tür zu seinen Gemächern.

Vorsicht!

Etwas stimmte nicht, jemand war hier gewesen. Bedächtig trat er ein.

Doch Yuro hinter seinem Rücken summte nur leise vor sich hin, kein Zeichen von Gefahr.

Es war niemand mehr da, aber das beunruhigte ihn nur noch mehr.

Im Licht der Morgensonne schloss er die Türe hinter sich und betrachtete den Raum.

Das erste was ihm ins Auge fiel war sein Schrankkoffer, der offen in der Gegend herum stand, ein paar Kleidungsstücke waren herausgerissen worden und lagen achtlos auf dem Boden herum. Allerdings hatte Kanan ihm seine Klamotten gepackt und so konnte er kaum ausmachen ob etwas fehlte.

Als nächste bemerkte er, dass die Verschlüsse von Lorenors Koffer offen waren. Der Koffer in dem er die Schwerter und die Bücher seines Schülers aufbewahrt hatte.

Ansonsten war der Raum ungestört, mit Ausnahme eines einzelnen umgekippten Stuhls, auf halben Weg zwischen der offen stehenden Wandtür zum angrenzenden Zimmer und den Gepäckstücken.

Mit ruhigen aber dennoch wachsamen Bewegungen eilte er zum Koffer hinüber und hob den Deckel hoch. Sein Herz schlug schneller.

Ein wütendes Josei begrüßte ihn doch die anderen Schwerter fehlten, sowie die kleine weiße Teleschnecke, die darin gelegen hatte, liegen sollte.

Er musste ruhig bleiben.

Langsam ließ er den Deckel sinken und sah sich um, versuchte zu erfassen, was geschehen war.

Dann schritt er durchs Zimmer, durch die offene Wandtür und in den anderen Raum hinein.

Hier wurde das sanfte Sonnenlicht durch ein leichtes Flackern gestört. Er folgte dem seltsamen Licht bis er die Ursache gefunden hatte. Der Bildschirm über den der interne Sender der Marine empfangen werden konnte war von seiner Ablage gefallen, das Glas zersplittert, aber er flackerte noch schwach.

Auch in diesem Raum waren mehrere Möbelstücke umgekippt und er konnte Überreste eines blauen Kleides finden, sowie einzelne Strähnen langen grünen Haares.

Er bückte sich hinab und hob eines der Haare hoch. Blut fand er keines. Aber seine Brust fühlte sich beklemmend eng an. Erneut sah er sich im Raum um.

Ein lang vergessenes Gefühl stieg in ihm auf.

Das Atmen wurde ihm schwer. Langsam fuhr er sich durchs Haar, verdeckte sein Gesicht.

Er musste Ruhe bewahren, er musste ganz ruhig bleiben.

Das war nicht das erste Mal, dass Lorenor ihm abhanden gekommen war. Aber das letzte Mal hatte sich der Nichtsnutz einfach nur auf Sasaki verlaufen und nicht in der Hochburg der Weltregierung.

Sein Herz raste, doch er versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren, ungewollte Emotionen würden ihm jetzt nicht helfen.

Schnell riss er die Kreuzkette von seinem Hals und zog die kleine Waffe hervor. Mit zitternden Fingern öffnete er den geheimen Verschluss am Sockel der Klinge und schüttelte ein kleines, weißes, zusammengefaltetes Stück Papier heraus.

Tief atmete er aus. Das Papier sah noch genauso aus wie vor zwei Tagen, als er es in der Waffe versteck hatte. Weder war es unnatürlich zerknittert noch verbrannte es leise. Was auch immer mit Lorenor geschehen war, zumindest war er wohlauf.

Erleichterung machte sich in ihm breit, doch sie hielt nicht lange. Er griff in seine Hosentasche und zog eine winzige, weiße Teleschnecke hervor.

Als er den Knopf drückte gähnte die kleine Schnecke, ehe sie ihre Augen öffnete. Ihr leises Piepen sagte ihm, dass eine Verbindung hergestellt wurde.

Lange stand er mitten im Raum und betrachtete die kleine Schnecke, die vor sich hin piepte. Minuten schienen ins Land zu gehen, doch nichts geschah.

Lorenor mochte am Leben sein, doch aus welchen Gründen auch immer konnte er nicht abnehmen.

Langsam krabbelte die Angst wieder in seine Glieder, aber er versuchte sie zu unterdrücken, versuchte Herr der Lage zu bleiben.

Er legte wieder auf und die kleine Schnecke schloss ihre Augen um weiter zu schlummern.

Einen Moment lang betrachtete er den Raum erneut, erfasste und rekonstruierte was geschehen war, geschehen sein konnte, überlegte was er nun am besten tun konnte.

Zügig ging er zurück in sein Zimmer, zerrte eine Schublade seines Schrankkoffers auf und hob eine schwarze Teleschnecke mit dunkelbraunen Linien hervor.

Die altbekannte aber selten genutzte Nummer war innerhalb von Sekundenbruchteilen eingegeben.

Nach wenigen Atemzügen wurde abgenommen.

„Guten Morgen. Hier spricht Bosatsu, Sie haben das…“

„Kanan“, unterbrach er die übliche Begrüßung, selbst seine Stimme verriet ihn.

„Mein Herr?“ Ihre Überraschung war hörbar.

„Kanan, ich muss Sie um etwas bitten. Stellen Sie keine Fragen und handeln Sie möglichst dezent.“ Nun hörte sich seine Stimme endlich wieder so an wie sie sollte.

Die Haushälterin stimmte leise zu und dann redete er.

Nach wenigen Minuten beendete er das Gespräch und räumte seine Teleschnecke weg.

Dann ging er hinüber zur Teleschnecke, die von der Weltregierung bereit gestellt wurde.

Als er den Hörer abnahm brauchte es nur wenige Sekunden.

„Guten Morgen, Herr Mihawk. Was kann ich für Sie tun?“

Für einen Moment schwieg er, überdachte seine Entscheidung, zweifelte jedoch kaum. Er musste handeln, er musste die Schmierenkomödie bis zum letzten Akt durchziehen. Er musste ruhig bleiben.

„Ich möchte Ihnen mitteilen, dass es meiner Begleitung, Lady Loreen, nicht gut geht.“

„Oh, das tut mir leid. Soll ich Ihnen einen Arzt schicken.“

„Nein, bitte verstehen Sie, dies hier muss äußerst diskret behandelt werden. Der Hausarzt der Familie Mihawk ist bereits unterwegs. Ich möchte Sie bitten ihm sicheres Geleit zum unterirdischen Hafen zu gewähren. Er sollte innerhalb weniger Stunden mit einem Handelsschiff ankommen.“

Der Beamte zögerte: „Nun ja, grundsätzlich dürfen wir nur Schiffe der Weltregierung oder der Marine zulassen. Ist es denn nicht möglich Lady Loreen von einem unserer Ärzte untersuchen zu lassen?“

„Das wäre wohl ungünstig. Meine Begleitung ist äußerst zurückhaltend wenn es um ihre Gesundheit geht, daher möchte ich vermeiden, dass Fremde sie in diesem Zustand sehen. Ich bitte um Ihr Verständnis.“

„Na… Na gut, ich werde alles veranlassen. Gibt es sonst irgendetwas was ich tun kann?“

„Ich danke Ihnen. Bitte sorgen Sie dafür, dass der Inhalt dieses Gespräches und der Grund dieser Ausnahme unter Verschluss bleibt.“

Wieder zögerte der Soldat. „Herr Mihawk?“, fragte er dann. „Ist Lady Loreen schwer erkrankt?“

Eins…Zwei… Er wartete bewusst lange genug ab ehe er reagierte.

„Bitte gehen Sie vertraulich mit diesen Informationen um. Es gibt Dinge, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen.“

Damit legte er auf.

Solche Verschwörungen lagen ihm. Er war im fadenscheinigen Netz der Politik groß geworden und konnte bestens damit umgehen. Es war ein leichtes Lady Loreens Verschwinden zu verschleiern.

Erneut bemühte er die kleine, weiße Teleschnecke.

Wieder gähnte sie und wieder blieb ihr Ruf nach ihrem Zwilling unbeantwortet.

Mit einem Seufzen ging er hinüber ins Zimmer seines Jungspunds und beseitige die meisten Spuren.

Für einen Moment betrachtete er den immer noch schwach flackernden Bildschirm, ehe er diesen ausschaltete.

Schnell tauschte er den lädierten Bildschirm gegen den unversehrten aus seinem eigenen Raum aus, tauschte auch die kleinen nummerierten Klebezettel, die hinten drauf klebten, und sammelte sogar die feinen Scherben auf, nur um sie wieder in seinem Zimmer zu verteilen.

Dann trat er den Bildschirm elegant nach hinten über.

Das wäre getan.

Ein Samurai, der in seinem Zimmer etwas zerstörte, nichts besonderes, nicht mal der Rede wert, nur zu einer feinen Lady Loreen passte es wohl nicht.

Er schritt zurück zu seinen Sachen und zog eine andere Teleschnecke hervor. Eine große, weiße, eine die nicht abgehört werden konnte. Schnell tippte er die vertrauten Zahlen ein.

„Cho“, erklang es von der anderen Seite ruhig.

Er zögerte für einen Moment, spürte wie seine Lippen zitterten.

„Hallo?“, fragte sein Kindheitsfreund nach.

„Jirou“, murmelte er.

„Dulacre? Bist du das Hawky?“

„Natürlich bin ich es“, entgegnete er grob und wieder Herr der Lage, „Wer sollte es auch sonst sein?“

Der Konteradmiral lachte leise. „Schlecht gelaunt wie eh und je“, lachte er. „Also? Was gibt’s oh mächtiger Samurai?“

„Ziehst du mich etwa auf?“

Für einen Moment war es wie immer.

„Jiroushin, gab es gestern irgendwelche besonderen Vorkommnisse, die von dem marineinternen Sender übertragen wurden?“

Sein Gesprächspartner gähnte. „Ja klar. Hast du davon etwa nichts mitbekommen? Steht doch sogar ganz groß in der Zeitung.“

Dulacre seufzte. „Ich hab noch keine Zeitung erhalten und ich war seit gestern in einer Sitzung bis heute Morgen. Also was ist passiert?“

„Du scheinst wirkliche einen Riecher dafür zu haben, wenn was mit den Strohhüten los ist, was?“

„Wie bitte?“ Es war als würde ihn ein Schlag treffen.

Was war mit den Strohhüten passiert?

„Ja, ein paar Rookies - und darunter selbstredend auch deine werten Strohhüte - haben ein paar Weltaristokraten angegriffen. Daraufhin wurden dann unsere Truppen und Admiral Kizaru aktiviert.“

Das erklärte nun natürlich, warum so viel Bewegung in der Sitzung stattgefunden hatte. Ungewöhnlich viele Offiziere waren immer wieder gegangen und später wiedergekommen. Über Admiral Kizarus Fernbleiben hatte er sich allerdings nicht gewundert, schließlich hatten einige hochrangige Mitglieder gefehlt, da diese ja bereits am Marine Ford waren um die dortigen Vorkehrungen zu treffen.

„Das heißt die Strohhüte haben gegen Kizaru gekämpft? Wurde das live übertragen?“

Der andere stimmte ihm zu. „Ja, es gab eine Übertragung, allerdings haben die Piraten erst gegen die Pacifista und Sentoumaru gekämpft. Der Admiral kam wohl erst später dazu, zusammen mit dem Samurai Bartholomäus Bär.“

Verwirrt starrte er die Schnecke an. „Wieso so viel Aufwand für ein paar Rookies? Sentoumaru sollte doch auch spielend alleine mit ihnen fertig werden. Insbesondere wenn er diese Blechbüchsen mit sich rumschleppt, von denen du im Übrigen eigentlich nicht mit einem Außenstehenden reden solltest.“

„Warte was? Ja du hast Recht, aber wie weißt du dann von den Pacifistas?“

„Oh bitte, Jirou, du kennst mich doch. Aber lass uns zum eigentlichen Thema zurück kommen.“

Der Konteradmiral seufzte: „Ja, da ist nicht mehr viel zu sagen. Es ging wohl alles ziemlich drunter und drüber. Viele Informationen hab ich auch nicht, war ja nicht dabei und es ist ja nicht mein Fall.“

„Was ist denn jetzt passiert, Jiroushin. Was ist mit den Strohhüten?“

Ein ungutes Gefühl grummelte in seiner Magengegend.

„Na, das kannst du dir doch denken. Sie wurden besiegt.“

„Wie?“

Warum zitterten seine Hände denn? Jirou hatte Recht, das war doch so zu erwarten gewesen bei den Gegnern.

„Mhm. War klar dass die keine Chance gegen zwei so hochrangige Offiziere hatten und dann tauchte Bär auch noch auf und… naja du kennst ja seine Kräfte – vermutlich sogar besser als ich selbst, wenn ich so drüber nachdenke – er hat einen Strohhutpiraten nach dem anderen verschwinden lassen. Sie sind alle weg. Einige von ihnen waren wohl schwer verletzt, glaube kaum, dass die alle überlebt haben.“

Langsam sank er auf einen der vielen Sessel.

„Und… und das wurde live übertragen?“

„Jaha, war mal ziemlich gut fürs Ego der Marine, dass alle gesehen haben wie die Strohhüte vernichtet wurden. Schließlich haben sie uns schon oft genug Ärger bereitet, erst vorgestern auf Sarue wieder, sag mal warst du daran irgendwie beteiligt?“

Und Lorenor hatte das alles mit angesehen. Lorenor hatte angesehen wie seine Freunde, einer nach dem anderen, besiegt worden waren. Er wusste nicht ob der andere über Bärs Fähigkeiten Bescheid wusste, schließlich hatten die beiden ja auch schon mal das Vergnügen miteinander gehabt.

So oder so konnte er sich nur ausmalen, was passiert war.

Langsam vergrub er das Gesicht in seiner freien Hand, noch immer den kleinen Zettel haltend.

Da war er einmal ein paar Stunden nicht da und dann passierte so etwas.

„Hawky?“

„Hmm?“

Die Stimme seines Freundes klang besorgt.

„Hör mal, ich weiß, dass die Strohhüte dir irgendwas bedeutet haben. Du hast ihre Taten ja auf Schritt und Tritt verfolgt. Aber so ist das nun mal. Sie sind Piraten und haben verdammt viel Unheil angerichtet, das geschieht ihnen Recht.“

Er musste irgendetwas tun, aber wo konnte Lorenor nur sein? Wo konnte dieser unnütze Rotzbengel nur hingekommen sein?

Er musste sofort aufbrechen und nach ihm suchen. Wenn er der Vivre Card folgen würde, würde er über kurz oder lang den anderen finden, egal wo er war.

Er zitterte, er musste sich beeilen, er durfte keine Zeit verlieren.

„Es tut mir leid, Hawky. Ich war mir nicht bewusst, dass sie dir so wichtig waren.“

„Ach, diese Strohhüte sind mir doch egal!“, knurrte er und konnte kaum atmen.

„Was ist denn dann los?“

Wie damals, stieg dieses unglaubliche Gefühl der Angst in ihm auf, nahm ihm die Luft zum Atmen. Er hätte nie gedacht, sich noch einmal so hilflos fühlen zu müssen.

„Hawky?“

„Jirou, ich…“

„Es geht um Loreen oder?“

Geschockt starrte er die Schnecke an. War es so offensichtlich?

„Ja“, antwortete er wahrheitsgemäß.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sein Kindheitsfreund.

Einen Moment schwieg er, dachte ernsthaft über diese Frage nach.

„Nein“, flüsterte er dann, „nein, es ist nichts in Ordnung.“

Er hatte Angst und es gab kein schlimmeres Gefühl als Angst um eine Person, die einem wichtig war.

Erbärmlich! Angst wegen einem Kind, das ihn eines Tages besiegen sollte.

„Oh“, murmelte sein Gegenüber. „Ist was passiert? Geht es ihr nicht gut?“

Er zögerte, doch dann gab er nach.

„Nein, ganz und gar nicht gut.“ Wie sollte es Lorenor auch gutgehen?

Vor zwei Tagen hatte er noch seiner Crew gegenübergestanden, hatte sich dafür entschieden nicht zurückzukehren, die Gründe dafür waren nun unerheblich. Denn gestern war er nicht bei ihnen gewesen, hatte hilflos zusehen müssen, wie seine Freunde vernichtend geschlagen worden waren.

„Jirou?“

„Hmm?“

„Ich glaube ich bin im Inbegriff etwas ziemlich dummes zu tun, etwas beinahe Irrsinniges.“

Was hatte dieser Junge nur aus ihm gemacht?

Er erkannte sich selbst kaum wieder.

„Okay“, murmelte der andere, „dann lass mich dir nur eine Frage stellen. Würde Loreen es gutheißen, wenn du das wegen ihr tun würdest?“

Er starrte auf seine Handfläche, das kleine Papier lag immer noch darin, krabbelte ganz leise von ihm weg. Lorenor würde ihn auslachen. Lorenor würde sagen, dass er auch ohne Dulacre zu Recht kommen würde. Und Lorenor würde sagen, dass es eine Schande wäre, dass er, Dualcre, sich so sehr von einem Kind beeinflussen lassen würde.

Ein zaghaftes Lächeln glitt auf seine Lippen.

„Danke, Jirou“, flüsterte er.

„Kein Ding. Kann ich dir sonst irgendwie helfen?“

Er seufzte auf und lehnte sich zurück.

„Du könntest mich mal gehörig zu Recht stutzten. So sollte sich ein Mihawk nicht benehmen. Über solche Kleinigkeiten die Nerven zu verlieren ist absolut töricht. Du könntest mich zusammenstauchen darüber, dass ich solche Dummheiten auch nur in Erwägung ziehe, dass ich auch nur einen Moment darüber nachdenke. Eine Blamage ist das, wie enttäuschend.“

Der Konteradmiral lachte leise.

„Mach dir keine Sorgen, Hawky. Loreen ist deutlich zäher als sie aussieht. Ich denke es wird ihr bald wieder besser gehen.“

„Ich sollte mich nicht so um einen dahergelaufenen Schüler sorgen, das solltest du mir sagen! Kannst du mir nicht einmal den Kopf waschen. So ein Verhalten ziemt sich einfach nicht für einen gestandenen Mann.“

Wieder lachte der andere leise.

Unerwartet klopfte es an der Zimmertür und ein junger Mann kam hinein mit einem Frühstückstablett und der morgendlichen Zeitung, obwohl es mittlerweile bereits früher Mittag war.

Seufzend stand Dulacre auf, beendete das Telefonat ohne sich zu verabschieden und strich seine Haare zurück.

Seine kleine private Auszeit war vorbei, Dulacre hatte ausgespielt, nun trat wieder Falkenauge auf den Plan. Falkenauge, die Ruhe in Person.

Kapitel 6 - Ungewissheit

Kapitel 6 – Ungewissheit

 

-Zorro-

Kopfschmerzen.

Die letzten Tage wachte er viel zu oft mit Kopfschmerzen auf.

Von seinem restlichen Körper wollte er gar nicht erst anfangen.

Es fühlte sich an, als hätte jemand mit einer stumpfen, heißen Pinzette erst seine Haut abgezogen und dann jede einzelne Faser seiner Muskeln, Sehnen und was da nicht noch alles im Körper war auseinander gezogen.

Dumpf stöhnte er auf und versuchte sich zu bewegen, scheiterte jedoch kläglich.

Alles schmerzte und sein Körper war schlichtweg nicht in der Lage irgendetwas anderes wahrzunehmen.

Schwerfällig öffnete er die Augen.

Was war denn eigentlich passiert und wo war er?

Über sich sah er eine verschwommene, simple, kalte Steindecke.

Doch dann erinnerte er sich an das Geschehene.

Er hatte sich zurückverwandelt, er hatte seine Crew verloren und sich dadurch zurückverwandelt.

Leise seufzte er auf. Endlich war er wieder er selbst. Aber das Glücksgefühl welches er eigentlich fühlen sollte blieb aus. Wie sollte er sich über so etwas freuen, wo er doch noch nicht mal wusste, wo seine Freunde waren und ob es ihnen gut ging?

Er glaubte weder an den Zufall noch an das Schicksal, aber bei seinem Glück war er auf Bartholomäus Bär gestoßen, kaum dass er seinen Körper wieder hatte. Wie damals auf Thriller Bark war er chancenlos gewesen, hatte sich kaum wehren können.

Ich habe sie gerettet.

Was hatte der Samurai damit verdammt nochmal gemeint?

Schließlich hatte er sie vernichtet! Hatte sie… verschwinden lassen. Er hatte sie zerstört!

Sag mir, Lorenor Zorro, wenn du auf eine große Reise gehen könntest, wohin würdest du gehen?

Oder… warte mal.

Hatte Bär das gleiche mit ihnen gemacht? Hatte er sie auch einfach berührt, so wie ihn und dann war mit ihnen das gleiche passiert wie mit ihm; was auch immer mit ihm passiert war?

Hatte er sie – genau wie bei ihm – aus einer brenzligen Situation geholt?

Aber warum? Warum sollte ihnen ein Samurai helfen? Ausgerechnet der Samurai, der vor noch einmal gar nicht so langer Zeit seinen Käpt’n hatte töten wollen?

Keine Sorge, Lorenor Zorro, ich werde dich nicht verraten.

Das ergab alles überhaupt keinen Sinn!

Wieso hatte dieser Samurai erst seine Freunde und dann auch ihn weggeschickt? Wieso wollte er ihnen anscheinend helfen und was zum Henker meinte er damit? Ihn nicht verraten? Dass er auf Mary Joa gewesen war oder was?

Oder dass er noch am Leben war. Langsam dämmerte es ihm.

Aber wenn das alles wirklich stimmte, dann bedeutete das ja vielleicht sogar, dass seine Freunde noch am Leben waren.

Zorro hatte keine Ahnung wo er war, aber vielleicht waren seine Freunde ja auch da.

Schnell richtete er sich auf, zumindest versuchte er es, aber sein Körper brannte immer noch vor Schmerzen und bis auf ein klägliches Stöhnen kriegte er nichts auf die Reihe.

Doch was ihm auffiel war seine Stimme.

Es war nicht seine Stimme. Nein, so stimmte das nicht. Es war nicht seine Stimme, das mochte stimmen, und trotzdem war es wohl doch seine Stimme, oder eher Loreens Stimme.

Das konnte doch nicht sein! War es nur ein Traum gewesen?

Hatte er sich letztendlich gar nicht verwandelt?

Aber nein, Bär hatte ihn schließlich erkannt.

Wie sollte er nur bei diesen Kopfschmerzen klar denken können?

„Du bist wach?“

Es war noch jemand da!

Aber Zorro konnte sich immer noch kaum bewegen und selbst aus den Augenwinkeln konnte er nichts erkennen. Außerdem klärte sich seine verdammte Sicht nur langsam.

Er wollte antworten, aber nur ein Krächzen rang aus seinem Mund.

„Du meine Güte, scheinst ja richtig was abbekommen zu haben, nicht wahr?“

Irgendwie kam ihm diese Stimme bekannt vor, er meinte sie schon mal irgendwo gehört zu haben, vielleicht spielte ihm aber auch nur sein dröhnender Kopf einen Streich.

Erneut versuchte er sich aufzurichten und diesmal schaffte er es sogar halbwegs.

„Überanstrenge dich nicht“, riet die Stimme mit leicht sarkastischem Unterton.

Zorro sah zur Seite, dort, nur wenige Meter entfernt von ihm stand eine stark geschminkte, junge Frau mit rosa Haaren.

„Du?!“, wollte er schreien, doch es kam nur ein trockenes Röcheln heraus.

Das war doch diese Pute von Thriller Bark! Diese Geistertussi, die mit ihren Geistern negative Stimmung verbreiten konnte.

Sie schien ihn nicht verstanden zu haben, denn sie lächelte nur leicht.

„Du bist auch Bartholomäus Bär in die Finger geraten, nicht wahr?“

Sie bückte sich und hob ein Kissen hoch, in der anderen Hand hielt sie eine kleine Schale mit einem Tuch.

„Ich hab dich draußen gefunden. Du bist auch hierhin gestürzt. Sah zumindest genauso aus wie bei mir.“

Sie redete immer weiter und drückte ihm das Kissen in den Rücken, damit er sich aufsetzen konnte.

„Bin echt froh, dass ich jetzt nicht mehr alleine bin. Ich bin schon fast zwei Monate hier und auf dieser ganzen Insel wohnt absolut niemand mit dem man sich unterhalten kann. Noch nicht einmal Diener gibt es hier.“

„Du bist…“ Wieder brach seine Stimme.

„Ich heiße Perona.“

Sie setzte sich auf einen Stuhl neben seinem Bett und lächelte immer noch.

„Und du bist einer von den Strohhüten oder?“

 

-Mihawk-

Er stand in Lady Loreens Raum und beobachtete wie seine Haushälterin, ihr Sohn und eine ihrer Enkeltöchter um eine weitere von Kanans Enkeltöchtern herum wuselten.

„Koushu, das ist kein Kunstwettbewerb, pack die Perücke drauf und fertig“, murrte die jüngste der Frauen. Ein Mädchen namens Taruchi, in liebevoller Erinnerung an Dulacres verstorbene Mutter, doch sie war so ganz anders als seine Mutter, nicht dass er darüber im Moment nachdachte.

Taruchi war noch keine zwölf Jahre alt doch bereits in etwa so groß wie Lorenor in seiner weiblichen Gestalt. Auch ansonsten schienen ihre Figuren ähnlich, zumindest auf den ersten Blick.

„Jetzt hetzt mich nicht Tai, die muss schon fest sitzen und halten“, keifte die Ältere der Schwestern, noch keine zwanzig und doch schon ein Ebenbild ihrer Mutter.

Der Vater der beiden, Kanans einziger Sohn und tatsächlich auch der echte Hausarzt der Familie Mihawk, werkelte derweil an dem großen Koffer herum, in dem er seine jüngste Tochter hereingetragen hatte. Es sah aus wie eine normale, wenn auch überdimensional große Arzttasche.

„Beruhigt euch ihr zwei“, murmelte er in seiner gewohnt ruhigen, tiefen Stimme, bei jedem Wort bebte sein etwas zu lang geratener Schnurrbart, „und seid etwas leiser.“

Keiner von ihnen beachtete Dulacre genauer, keiner von ihnen stellte irgendwelche Fragen, keiner von ihnen wirkte nervös, sie alle schienen total unbeeindruckt von diesem ungewöhnlichen Auftrag.

Kanan kam zu ihm herüber.

Sie hatte schon oft an diesem Tag versucht das Gespräch mit ihm zu finden, aber er hatte jeden Versuch unterbunden. Er wollte nicht darüber reden, dass er sich Sorgen machte, wollte nicht darüber reden, wie verunsichert er war, wollte nicht darüber reden, dass ein unerzogenes Kind ihm so wichtig werden konnte.

„Herr?“ Sie blickte zu ihm auf.

Er wandte seinen Blick von den beiden Schwestern ab, als sie seinen Arm berührte, doch bevor er etwas erwidern konnte, wurden sie bereits von einem dumpfen Klopfen unterbrochen. Es kam von der Zimmertüre seiner Gemächer.

Auf einmal tauschten alle Anwesenden einen kurzen Blick. Die beiden Schwestern eilten ins Schlafzimmer der Lady Loreen, gefolgt von ihrem Vater, der die Türe schloss.

Dulacre schritt zügig in sein Zimmer, fühlte wie die Wandtüre in seinem Rücken zufiel. Schloss die Türe auf seiner Seite ebenfalls.

Schnell richtete er den Kragen seines Mantels ehe er die Türe öffnete.

„Eizen?“

Er verfluchte sich bereits selbst. Die Sorge um Lorenor hatte ihn unaufmerksam werden lassen. Natürlich war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Politiker auftauchen würde.

„Was verschafft mir die Ehre?“, fragte er kalt und zeigte offen seine Abneigung.

Der altersschwache Mann mit undurchsichtiger Sonnenbrille faltete seine Hände. Hinter ihm standen zwei Schränke in schwarzen Anzügen, offensichtlich ein etwas unorthodoxer Hofstaat mit dem der Politiker normalerweise nicht anzutreffen war.

„Guten Tag Herr Mihawk“, grüßte er der Etikette entsprechend, „eigentlich wollte ich ja ein Gespräch mit Lady Loreen führen, doch an ihrer Tür hängt ein Bitte-nicht-stören-Schild, daher hoffte ich sehr, sie bei Ihnen antreffen zu können.“

Dieser durchtriebene Mann verschwendete keine Zeit.

„Wie Sie sich ja sicherlich erinnern, möchte ich die weitere Zusammenarbeit mit der jungen Dame besprechen.“

Weitere Zusammenarbeit?“, wiederholte er eine Spur zu sarkastisch. „Ich möchte Sie daran erinnern, dass bisher keine Zusammenarbeit zwischen Ihnen und meiner Begleitung stattgefunden hat. Soweit ich informiert bin hat mein Gast Ihr Angebot höflich abgelehnt, auch wenn es Ihnen missfallen mag.“

Der andere lächelte nur sein gefährliches Lächeln. „Oh, vielleicht ist es mir nur entfallen. Wie dem auch sei, ich würde nun gerne mit Lady Loreen sprechen, wenn Sie also zur Seite treten würden.“

Die Dreistigkeit des anderen überraschte ihn. Der Vertrag mit Lady Loreen schien ihm wirklich wichtig zu sein. Warum sonst sollte er solche drastischen Maßnahmen vornehmen und die Etikette vernachlässigen?

Dulacre verschränkte seine Arme.

„Es tut mir außerordentlich leid, aber das ist nicht möglich.“

„Wie bitte?“ Der alte Mann wirkte beinahe verwirrt, dass seinem Begehren nicht nachgegeben wurde.

„Lady Loreen ist im Inbegriff Mary Joa zu verlassen und kann derzeit keinen Besuch entgegen nehmen.“

Eizen lachte leise: „Sie belieben zu scherzen, Mihawk. Ein schlechter Scherz möchte ich meinen. Ich bitte Sie, es ist undenkbar, dass Sie Lady Loreen auch nur einen Augenblick aus den Augen lassen und nun soll die junge Dame ohne Sie abreisen. Mit Verlaub, versuchen Sie mich abzuwimmeln?“

Der andere war viel zu direkt, dieses Treffen schien für ihn wirklich notwendig.

„Ich entschuldige mich, aber ich muss Sie enttäuschen. Es ist tatsächlich so, dass ich nicht mit abreisen werde. Meine Pflichten als Samurai erlauben es mir nicht meinen Gast zu begleiten.“

„Oh, ich verstehe.“ Eine leise Drohung hatte sich in Eizens Stimme eingeschlichen. „Sie haben von meinem ungeplanten Besuch auf Mary Joa gehört und wollen ein Treffen zwischen der werten Dame und mir verhindern. Ihre Eifersucht ist ja beinahe krankhaft.“

Auf diesen Köder fiel er nicht hinein, da musste der andere sich schon bessere Finten überlegen.

„Eizen, ich bitte Sie solche Unterstellungen zu unterlassen. Wie Sie gerade selbst sagten, ist Ihr Besuch ungeplant, ich hätte also gar keine Vorbereitungen treffen können.“

Doch er stritt nicht ab, dass er sie unter anderen Voraussetzungen vorgenommen hätte.

„Aber noch ist Ihre Begleitung doch da, oder nicht? Mich stört es nicht, wenn die junge Dame ihre Besitztümer weiter packt während wir uns unterhalten. Lassen Sie mich bitte hinein.“

Nun drückte Dulacre eine Hand gegen den Türrahmen, ein unmissverständliches Zeichen. Einer der beiden Männer hinter dem Politiker trat einen Schritt nach vorne.

„Sie verstehen mich offensichtlich nicht, Eizen. Lady Loreen ist derzeit nicht in der Lage Besuch zu empfangen, auch nicht wenn es sich dabei um jemanden wie Sie handelt.“

Nun legte der Politiker die Stirn in Falten.

„Und warum ist das so?“

„Das ist Privat“, entgegnete er kalt.

„Ist es der gleiche Grund, aus dem Lady Loreen auch die letzten Tage bei Ihnen Zuhause für Besuch unpässlich war?“

„Selbst wenn würde ich es Ihnen nicht sagen.“

In diesem Moment konnte Dulacre ein feines, fast unhörbares Piepsen hören; die Schnecke in seiner Hosentasche war erwacht.

Lorenor!

Glücklicherweise ging in ebendiesen Augenblick die Wandtüre hinter ihm auf und Kanan kam herein, lenkte die Aufmerksamkeit auf sich.

„Mein Herr“, bat sie ruhig, „es tut mir leid Euch zu stören, aber wenn Ihr bitte kommen würdet. Doktor Gonou möchte mit Ihnen reden.“

Oh, genau zum richtigen Zeitpunkt.

„Doktor Gonou?“, fragte der Politiker nach.

„Der Hausarzt meiner Familie“, erklärte der Samurai feindselig, „und wenn Sie mich nun bitte entschuldigen würden. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt auf Mary Joa.“

Er schloss die Tür vor Eizens Gesicht, der den Mund schon geöffnet hatte für eine Antwort.

„Sehr gut, Kanan“, murrte er und wühlte in seiner Tasche. „Was will Gonou?“

Die ältere Frau zuckte mit den Achseln.

„Ich wollte Euch nur Bescheid geben, dass wir soweit fertig sind und die Abreise erfolgen kann.“

Er sah auf die große Uhr am anderen Ende des Raumes.

„Noch nicht. Ein durchschnittlicher Hausarztbesuch dauert etwas länger, gerade bei einer wichtigen Persönlichkeit… warten Sie mit der Abreise bitte noch einen Moment.“

Die Haushälterin nickte und schloss die Wandtüre wieder.

Er hingegen drückte den Knopf der kleinen Teleschnecke und wartete. Sie piepte leise vor sich hin.

Aber der andere nahm nicht ab.

„Was tust du da?“, murrte er unzufrieden. „Hast es dreimal klingeln lassen und die Schnecke dann weggeschmissen oder was?“

Mit einem Seufzen legte er wieder auf. Hoffentlich war es wirklich Lorenor gewesen.

 

-Zorro-

„Was?“, fragte er fassungslos.

Sie nickte nur: „Ja klar, ich meine jetzt bist du total süß und so, aber als du hier ankamst warst du überhaupt nicht knuffig. Du hast dich verwandelt oder so und bist jetzt ein hübsches, kleines Mädchen, aber eigentlich bist du dieser fies dreinblickende Schwertheini von dem wir den Schatten geklaut hatten.“

Sein Herz setzte eine Sekunde aus. Wie sollte er da nur wieder raus kommen?

Er hatte also seinen eigenen Körper wiedererlangt und hatte sich dann zurückverwandelt.

Das würde auch die Schmerzen erklären.

Damals, als er das erste Mal in dieser Gestalt aufgewacht war, hatte sich alles taub und schwer angefühlt.

Als er wieder in seinem richtigen Körper zu sich gekommen war, hatte er sich am Anfang vor Schmerzen kaum bewegen zu können, und jetzt fühlte er sich ganz ähnlich, war noch erschöpfter, noch ausgelaugter.

„Du sagtest, du wärest alleine gewesen.“ Seine Stimme war immer noch brüchig, kratzte seinen bereits trockenen Hals wund. „Das heißt keiner von den Strohhüten ist hier?“

Wenn sie seine Verwandlung mit eigenen Augen gesehen hatte, brachte ein Versteckspiel nicht viel.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nur du. Ich hab davon in der Zeitung gelesen, dass ihr vernichtet wurdet. Aber ich dachte, du wärest schon längst tot, bist du nicht mit der G6 gefallen?“

Das Mädchen mit den pinken Zöpfen reichte ihm einen Becher mit klarer Flüssigkeit.

„Von wann ist die Zeitung?“, entgegnete er. Wie lange war er ohnmächtig gewesen? Wo hatte der Samurai ihn hingeschickt und wie lange hatte er dafür gebraucht?

Das kalte Wasser kühlte seinen gereizten Hals.

„Na von heute Morgen. Aber sag mal, ich wusste gar nicht, dass du ein Formwandler bist. Wie machst du das denn?“

„Bin ich nicht“, entgegnete er kühl. Es war also noch nicht einmal ein Tag vergangen.

Doch da dieser Raum keine Fenster hatte, konnte er nicht ausmachen, wie früh oder spät es war.

„Menno bist du unhöflich. Da bin ich endlich nicht mehr alleine und da krieg ich so jemanden wie dich. Trotz deiner süßen Gestalt bist du ein ganz schöner Stinkstiefel, weißt du das?“

Nun sah er sie wieder an.

„Du weißt, dass ich dich umbringen werde wenn du das hier ausplauderst, oder?“

Ihre eh schon runden, großen Augen wurden noch etwas größer.

„Was? Dass du ein Formwandler bist?“

„Ich bin kein Formwandler.“ Sie war anstrengend. Ihre Stimme nervig, was vermisste er bereits die ruhige, überlegte Stimme des Samurais.

Er stockte, das war das erste Mal, dass er an den anderen dachte. Hoffentlich hatte dieser Idiot keine Dummheiten angestellt. Damals als Zorro für Kanan ein paar Besorgungen erledigt hatte und diese ihm die falsche Wegbeschreibung gegeben hatte, war der Ältere beinahe durchgedreht.

Er musste dieser Glucke von einem Lehrmeister Bescheid geben, was geschehen war und dann musste er so schnell wie möglich zum Sabaody Archipel. Wenn er am Leben war und dieses Mädel vor ihm auch, nachdem sie anscheinend auch dem Samurai gegenüber gestanden hatte, dann konnte er doch davon ausgehen, dass der Samurai seine Freunde verschont hatte.

Vielleicht waren sie also wirklich alle am leben und dann würden sie alle ihren Weg zurück zum Sabaody Archipel finden.

Dann bemerkte er, dass diese Pute ihn immer noch anstarrte.

„Ist was?“, grummelte er.

„Du bist wirklich unhöflich“, meinte sie nur, „dabei habe ich dir extra geholfen. Hätte dich auch draußen lassen können, dann wärest du wahrscheinlich jetzt tot!“

„Glaube ich kaum.“ Ihre gespielte Empfindsamkeit interessierte ihn nicht.

„Im Übrigen, das Ding da hat den halben Vormittag über geplärrt.“

Sie nickte zu dem Nachtisch an seiner Seite. An ihm lehnten seine drei Schwerter und drauf lag eine kleine weiße Teleschnecke, friedlich am schlummern.

„Ich gehe davon aus, dass dein Liebster sich große Sorgen um mich macht.“

„Mein was?“

Wieder starrte er sie an.

„Na dein Liebster, dieser grässlich gemeine Samurai Falkenauge. Ich hab all eure Abenteuer in der Zeitung verfolgt, viel mehr blieb mir hier ja auch nicht übrig. Du bist doch Lady Loreen oder nicht?“

Oh nein, sie schien noch schwieriger zu werden, als er erwartet hatte.

„Also ich muss ja sagen, dass das so romantisch ist obwohl ich auch ein bisschen verwirrt bin. Bist du jetzt eine Weltaristokratin, die sich als Mann ausgibt um als Pirat umherreisen zu können und die Liebe ihres Lebens trifft. Oder bist du wirklich ein Mann und hast deinen Tod nur vorgetäuscht um nun bei deinem Liebsten zu sein? Ich weiß gar nicht, welche Möglichkeit ich romantischer finde. Ich meine, du siehst ja eher zum fürchten aus als Lorenor Zorro und von diesem Falkenauge will ich gar nicht erst anfangen, aber ihr beide zusammen wäret wohl einfach nur…“

„Könntest du damit verdammt noch mal aufhören?! Was soll der Scheiß? Zwischen Falkenauge und mir läuft nichts. Wie kommst du nur auf so einen Schwachsinn?!“

Einen Moment sah sie ihn nur an, dann riss sie aus dem nichts mehrere Papierfetzen hervor.

„Beweisstück Eins!“ Sie klatschte einen Zeitungsartikel auf die Bettdecke.

„Beweisstück Zwei!“ Ein weiterer.

„Und natürlich nicht zu vergessen, Beweisstück Drei!“

Jeder dieser Zeitungsartikel zeigte Lady Loreen und Mihawk Dulacre bei irgendwelchen Aktivitäten, der Letzte war wohl das berühmteste Bild von ihm. Es war von dem großen Marineball. Auf dem weißen Marmorboden kniete eine junge verhüllte Frau, ihr weißes Kleid wie ein See um sie ausgebreitet. Diese Frau war er selbst, sein Alter Ego Lady Loreen. Eine Hand auffordernd erhoben, mit dem Rücken zur Kamera.

Vor der Frau, drei kleine Stufen hinauf stand niemand anderes als Mihawk Dulacre, ganz in schwarz gekleidet, bis auf die rote Maske. Der Samurai hatte vor Überraschung leicht den Mund geöffnet und eine Hand nach der Frau am Boden ausgestreckt.

Zorro kannte dieses Bild, es hing in der Küche des Hauses Mihawk, Kanan vergötterte es.

„Oder bist du das etwas nicht?“

„Doch, aber darum…“

„Hier steht es schwarz auf weiß. Ihr habt euch auf dem Ball geküsst und seid dann getürmt.“

„Das stimmt alles so gar…“

„Und was ist mit…“

„Halt die Klappe!“ Langsam brauste er auf, seine Stimme konnte die erhöhte Lautstärke kaum halten und brach. „Ich muss mich doch vor dir nicht erklären. Wir sind kein… auf keinen Fall! Falkenauge ist nur der Kerl, den ich besiegen will und damit basta!“

Das schien sie überhaupt nicht zu beeindrucken.

„Glaub ich dir nicht.“

„Ist mir egal, ob du mir glaubst oder nicht!“

„Aber in der Zeitung…“

„Dann glaub doch was darin steht, ist mir egal.“

Grummelnd stand sie auf. „Du bist wirklich fies. Also ich bezweifle mittlerweile, dass du eine Adlige bist.“

„Das hab ich auch nie behauptet!“ Wieso war er hier?!

„Das heißt, das ist auch gelogen?! Das heißt du bist in Wirklichkeit wirklich dieser mürrische Schwertheini?“

Leicht verzweifelt zeigte er auf seine drei Schwerter.

„Beantwortet das deine Frage?“

Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Wange und zog eine Schnute.

„Also doch nur zwei grummelige Schwertkämpfer ohne eine romantische Liebe? Das ist aber weder süß noch romantisch!“

Sie ging zur Tür. „Nein, so was von überhaupt nicht süß.“

„Hey“, brüllte er ihr nach. Sie drehte sich um.

„Nur um das klar zustellen, Perona, so heißt du doch oder? Wenn du auch nur ein Wort hiervon jemanden erzählst, fessel ich dich und lasse dich zusehen wie ich allen deinen Kuscheltieren den Kopf abschlage ehe ich dich umbringe.“

Geschockt machte sie einen Satz zurück.

„Nein! Das würdest du nicht tun?!“

„Willst du das wirklich herausfinden?“

Sie schüttelte den Kopf. „Du bist wirklich nicht so süß wie du aussiehst. Überhaupt nicht so süß.“

Dann ging sie hinaus.

Er stöhnte entnervt auf und ließ sich zurückfallen. Die Schmerzen hatten mittlerweile nachgelassen und nur ein dumpf hallender Muskelkater erinnerte daran, doch er war immer noch ausgelaugt.

Womit hatte er das nur verdient?

Doch dann wurde ihm wieder bewusst in was für einer Situation er sich befand.

Schnell griff er nach der kleinen, weißen Teleschnecke.

Er brauchte jetzt einen kühlen Kopf und einen guten Plan.

Als er den kleinen Knopf drückte, reckte die erwachende Schnecke sich und lächelte leicht, ehe sie anfing das Signal zu versenden.

Plötzlich ging die Türe wieder auf.

„Hier, ich hab was zu Essen für dich.“

Eilig legte er auf und vergrub die kleine Schnecke unter der Decke, konnte fühlen, wie sich dieses kleine Tier an sein Bein kuschelte.

Warum versteckte er sie vor der Göre?

 

Kapitel 7 - Contenance

Kapitel 7 – Contenance

 

-Zorro-

„Was ist dein Problem?“, knurrte er als das Geistermädchen wieder hineingestürmt kam. Gerade hatte er versuchen wollen Dulacre zu erreichen.

„Hör doch mal auf so schlecht gelaunt zu sein. Davon bekommst du hässliche Falten.“

Sie schien ihn nicht wirklich ernst zu nehmen.

„Ich wollte dir nur was zum Essen bringen. Du musst hungrig sein.“

Der Geruch von Plätzchen erfüllte den Raum und wie aufs Stichwort grummelte sein Magen.

„Was ist los mit dir?“, murrte er um seinen Magen zu übertönen. „Ich mag dich nicht und brauche deine Hilfe nicht, warum also tust du das?“

Sie setzte sich wieder auf den Stuhl, auf dem sie vor kurzem noch gesessen hatte.

„Ich kann dich auch nicht gerade leiden. Du bist rüpelhaft und grobschlächtig, außerdem bist du alles andere als knuffig, trotz deines süßen Gesichts. Aber…“

Das Mädchen zögerte.

„Aber ich war jetzt wochenlang ganz alleine und obwohl du nicht wirklich helle bist, unterhältst du dich wenigstens mit mir.“

Sie sah weg, ihre großen, kreisrunden Augen schimmerten leicht.

„Seit dieser Samurai mich von Thriller Bark weggeschickt hat, konnte ich mit niemandem mehr reden. Ich weiß nicht was mit Meister Moria geschehen ist oder wie es meinem Bärsi geht. Dieses Schloss ist wunderschön und alles ist angenehm gruselig, aber es war niemand da, der mit mir reden konnte. Und draußen wimmelt es nur von diesen hässlichen Affen, die nichts lieber wollen als einen umzubringen.“

Ihre Stimme zitterte und sie duckte sich halb unter dem Tablett weg, welches sie ihm reichte.

„Daher bitte ich dich, auch wenn du ein Grobian bist, lass mich nicht alleine.“

Überrascht sah er sie an. Sie war wirklich schräg.

Dann blickte er auf das Tablett auf dem ein einzelner Teller mit einem kleinen Berg bunt bemalter Kekse lag.

„Ich esse so etwas nicht“, murrte er und beobachtete, wie die noch nicht getrocknete, pinke Glasur von den Keksen tropfte. Er konnte beinahe sehen, wie der süße, klebrige Zucker bereits seine Arterien verstopfte.

„Was?! Ich hab die extra für dich gemacht.“

„So süßes Zeug schmeckt mir nicht. Es ist ekelhaft.“

„Wie kannst du nur?! Das ist wirklich nicht nett. Wenn jemand Essen für dich macht, bedankst du dich und isst es, ganz gleich was es ist.“

Er verschränkte die Arme.

„Warum sollte ich das tun? Dieser Kram da ist ungesund und ich sehe keinen Grund etwas zu essen, was mir nicht schmeckt nur um deine Gefühle nicht zu verletzen.“

„Du Rüpel!“

„Koch mir was Vernünftiges, dann esse ich das auch.“

„Sehe ich aus wie deine Küchenmagd?“

Er zuckte mit den Achseln. „Dann lass es halt bleiben. Ich hab dich nicht drum gebeten.“

Wütend stand sie auf und packte das Tablett.

„Die Lady Loreen aus der Zeitung hat mir deutlich besser gefallen“, murrte sie.

„Mag daran liegen, dass die Lady Loreen aus der Zeitung nichts weiter als ein Fantasieprodukt ist. Sie und ich teilen nicht viel mehr als unser Aussehen.“

Sie sah ihn an.

„Das glaube ich langsam auch. Na schön. Ich mach dir etwas anderes, aber das isst du dann, verstanden?!“

„Wenn es mir schmeckt.“

„Sei nicht so unhöflich!“

Er zuckte mit den Achseln. „Hey, du machst das alles freiwillig weil du nicht alleine sein willst. Erwarte keine Dankbarkeit von meiner Seite.“

Sie stampfte mit dem Fuß auf.

„Ich hätte dich draußen lassen sollen, vielleicht hätten die Affen dich ja dann aufgefressen.“

„Hättest du tun können“, entgegnete er, „allerdings wärest du dann immer noch alleine.“

Wütend unterdrückte sie einen kleinen Aufschrei und stürmte hinaus.

Er lachte leise und lehnte sich zurück; es war als würde er mit einem kleinen Kind streiten.

Aber dann wurde ihm wieder einmal bewusst in was für einer Situation er sich befand. Er hatte keine Zeit sich über dahergelaufene Gören Gedanken zu machen.

Er zog die kleine Teleschnecke unter der Bettdecke hervor und drückte erneut ihren Knopf.

Sie gähnte ausgiebig und richtete dann ihre Augen auf, piepte leise vor sich hin und dann wurde abgenommen.

 

-Mihawk-

Mit geschürzten Lippen schloss er die Tür.

Gerade erst hatte er seine Haushälterin verabschiedet, die mit ihrer Familie den Krankentransport der vermeintlichen Lady Loreen vorgaukelten.

Gonu, der Arzt der Familie, wollte sich bei ihm melden, sobald sie sicher auf Sasaki angekommen waren. Der Plan war alles andere als wasserfest und brauchte nur einen etwas zu misstrauischen Beamten um aufzufliegen, wenn man jedoch bedachte, wie wenig Zeit er gehabt hatte, konnte Dulacre schon zufrieden sein. Außerdem vertraute er Kanan genug um zu wissen, dass der Plan nicht schief gehen würde und selbst wenn nicht, es lag jetzt bereits nicht mehr in seiner Hand. Er hatte getan, was er tun konnte. Hatte Lorenors Verschwinden vertuscht und Eizen abgewimmelt.

Das Einzige was ihm jetzt übrig blieb, war zu warten, darauf zu warten, dass er etwas von Lorenor hören würde.

Ob er ihn nochmal anrufen sollte?

Nein, das war unsinnig. Lorenor war bisher nicht einmal dran gegangen, war offensichtlich nicht in der Lage dies zu tun, aus welchen Gründen auch immer.

Aber die andere Seite hatte nun auch zumindest ein Mal versucht ihn zu erreichen. Er sollte abwarten, bis dies nochmal geschah.

Trotzdem hielt er diese kleine Schnecke wieder in den Händen.

Es war schon erbärmlich. Vor wenigen Stunden noch hatte er entschieden, dass der Jüngere nicht mehr als sein Schüler war, dass ihre Beziehung auf rein proffesioneller Ebene bestand und er sich von keinen warmherzigen Gefühlen ablenken lassen würde.

Die letzten Stunden hatten das genaue Gegenteil bewiesen.

Mit ruhigen Schritten war er in seine Gemächer zurückgekehrt, die kleine Schnecke immer noch in seiner Hand. Was hatte der andere nur aus ihm gemacht?

Die Schnecke piepste leise.

Bevor er wusste, was er tat, presste er den Knopf.

Einen Moment war es ganz leise, niemand sprach.

„Hey.“ Tief atmete er ein, als er die Stimme seines Wildfangs hörte, rau und erschöpft, aber eindeutig Lady Loreen.

Er konnte spüren, wie die Anspannung von ihm abfiel und er ließ sich aufs nächstbeste Sofa fallen. Eine Sekunde atmete er einfach nur tief durch, ehe er sich mit einer Hand durchs Gesicht fuhr.

„Hey, bist du...“

„Bist du allein?“, unterbrach er den anderen bedacht. „Kannst du frei reden?“

„Ja, kann ich, aber…“

„Was fällt dir ein, du missratenes Kind?!“ Mühsam kontrollierte er seine Stimme. „Du verlässt mir nichts dir nichts die Räumlichkeiten und verschwindest einfach?! Hast du eigentlich eine Ahnung wie…“

„Dulacre“, entkam es von dem anderen entnervt, „es ist nichts passiert, okay?“

Erneut fuhr er sich mit einer Hand durchs Gesicht und atmete noch einmal tief durch. Wut würde ihn nun nicht weiterbringen.

„Bist du in Sicherheit?“, fragte er dann die wichtigste Sache.

„Ja, denke ich zumindest“, antwortete der andere gelassen.

„Wo bist du?“, kam er nun zur zweitwichtigsten Frage.

„Uff, um ehrlich zu sein, keine Ahnung.“

„Wie bitte?“ Es überraschte ihn wie wenig diese Antwort ihn überraschte.

„Ja, keine Ahnung halt. Ich bin auf irgendeiner Insel mit einem Schloss und… ich glaube es waren wildgewordene Affen oder so etwas.“

Der Samurai stockte einen Moment; diese Beschreibung kam ihm seltsam vertraut vor, aber an solche Zufälle wollte er nicht glauben.

„Und wie bist du dann dorthin gekommen?“, fragte er anstatt weiter über Wahrscheinlichkeiten nachzudenken.

Der andere war ruhig für einen Moment.

„Lorenor!“, hakte er dringlicher nach.

„Hast du... hast du von meiner Crew gehört?“ Die Stimme des Jungspunds brach.

Dulacre seufzte als der andere seine schlimmsten Befürchtungen bestätigte. „Du hast es gesehen, nicht wahr? Was Bartholomäus Bär getan hat?“, entgegnete er ruhiger.

„Ja“, flüsterte der andere leise und setzte hinterher, „ich hätte nicht abhauen sollen.“

Doch dabei ließ Lorenor aus, was genau er damit meinte.

„Ja, das war auch äußerst töricht von dir. Wie kommst du nur darauf mitten im Heiligen Land den einzigen halbwegs sicheren Ort zu verlassen?“

„Oh, tut mir leid“, herrschte der andere ihn nun an. „Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Mir Tee und Kekse bestellen und darauf warten, dass der feiner Herr Mihawk aus seiner ach so wichtigen Besprechung mit der verdammten Marine zurückkommt?!“

„Ja, du hättest auf mich warten sollen! Dann müsste ich jetzt nicht die halbe Welt nach dir absuchen!“

„Was? Was redest du denn da? Sag bloß du hast Mary Joa verlassen? Bist du denn völlig durchgedreht, du hast doch…“

„Nein, ich habe Mary Joa natürlich nicht verlassen. Ich bitte dich, Lorenor, meinst du wirklich ich würde so schnell meine Contenance verlieren und meinen Titel aufgeben, nur auf den Verdacht hin dich zu finden?“

„Konte…was?“

Er seufzte. Gegenseitige Schuldzuweisungen und Stichelleien war vielleicht ein unterhaltsamer Zeitvertreib aber gewiss nicht zielführend.

„Lorenor, das führt uns zu nichts. Weißt du wie du auf diese Insel gekommen bist?“

Es war ruhig auf der anderen Seite der Leitung.

„Ich habe Bär gesucht.“

Auch dieses Geständnis überraschte ihn nicht sonderlich.

„Und du hast ihn gefunden.“ Es war keine Frage.

„Ich wollte wissen, was er mit meiner Crew gemacht hatte.“

„Natürlich“, murmelte Dulacre und lehnte sich zurück. Er stellte gerade jedes einzige Mal in Frage, wo er den anderen als klug, besonnen oder reif gelobt hatte.

„Und dann hat er mich weggeschickt, wie sie.“

Seufzend stellte er fest, dass selbst das ihn nicht mehr überraschte.

„Weiß er, dass Lorenor Zorro und Lady Loreen ein und dieselbe Person sind?“, fragte er.

„Was? Nein, natürlich nicht!“, meinte der andere, seine Stimme war mittlerweile noch rauer als vorher.

„Und was ist mit den Strohhüten? Konnte er eine Verbindung zwischen ihnen und Lady Loreen ziehen.“

Der andere stockte; „Nein, ich… ich denke nicht.“

„Du denkst? Das wäre mir ja mal was ganz neues.“

„Hör auf mich so blöd anzublaffen. Es ist nichts…“

„Wage nicht mir zu sagen, dass nichts passiert ist.“ Nun lehnte er sich wieder vor. „Weißt du was ich hier veranstalten musste um sicherzugehen, dass keiner merkt wie Lady Loreen mal eben so aus Mary Joa verschwunden ist? Selbst Eizen hat nach dir gefragt.“

„Oh ja, ich bin mir sicher, dass du es ganz furchtbar fandest Eizen die Meinung zu geigen.“

„Lorenor. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Woher sollte ich wissen, was geschehen war? Du hättest genauso gut entführt worden können.“

Der andere antwortete nicht.

„Es war unbedacht“, sprach Dulacre nun ruhiger weiter, „es war unbedacht und leichtfertig. Solche Handlungen kannst du dir nicht mehr erlauben. Dafür steht zu viel auf dem Spiel.“

Lorenor schwieg immer noch.

„Auch wenn ich natürlich verstehen kann, dass du nach deiner Crew suchen wolltest.“

Der Jüngere lachte schwach: „Nicht, dass ich sie gefunden hätte.“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie, sofern sie noch am Leben sind, sich alle zu ihrem letzten Treffpunkt aufmachen werden“, sprach Dulacre seine Gedanken laut aus. Ein recht schwacher Versuch dem anderen gut zuzusprechen.

„Das Sabaody Archipel“, murmelte der Jüngere.

„Genau.“

„Dann muss ich da auch hin.“

Er seufzte, das hatte er schon befürchtet. Genauso hätte er früher auch gehandelt bei seiner Crew, genauso würde er heute noch handeln, bei Lorenor.

Tief seufzend fasste er einen Entschluss.

„Wie du willst; ich werde mich sogleich auf den Weg zu dir machen“, sprach er kühl.

„Warte was?“, kam es von der anderen Seite überrascht.

„Natürlich. Du möchtest zu deiner Crew, ich habe versprochen dir dabei zu helfen, also…“

„Aber wenn du jetzt vor der Kriegskonferenz Mary Joa verlässt, verlierst du doch deinen Titel oder nicht? Ich dachte die Anordnung die Marine zu unterstützen wäre absolut.“

Nun das überraschte ihn doch tatsächlich. Ein leises Lächeln kroch auf seine Lippen.

„Lorenor, lass uns das doch bitte mal von der realistischen Seite betrachten. Du bist irgendwo im Nirgendwo gestrandet, offensichtlich erschöpft wie es mir deine Stimme verrät; du hast keine Ahnung vom Manövrieren eines Schiffes und deine mangelnde Fähigkeit Karten zu lesen möchte ich gar nicht erst näher erörtern. Mithilfe der Vivre Card sollte ich dich zügig finden können und im Gegensatz zu dir, bin ich in der Lage die Weltmeere zu bereisen ohne mich zu verirren.“

Es war eine simple Lösung, über dessen Folgen er sich überaus bewusst war, doch er wusste auch wie seine Prioritäten lagen.

„Du willst es von der realistischen Seite betrachten?“, murrte der andere kühl. „Du willst mir sagen, dass das klug ist, was du da tust? Deinen Titel aufgeben nur weil du daran zweifelst, dass ich ein paar Tage ohne dich überleben kann? Verdammt noch mal, was glaubst du, was ich die letzten zwanzig Jahre meines Lebens gemacht habe? Ich komm auch alleine gut zurecht.“

„Ja, wie gut das funktioniert haben wir bereits gesehen. Wie war das noch, ach ja, im East Blue hätte ich dich problemlos umbringen können, auf Thriller Bark hat es Bär ausprobiert und Nataku hatte dann schließlich Erfolg, du hast wirklich keine Chance ausgelassen. Also tut mir leid wenn ich bei dieser Geschichte so ein bisschen an deiner Überlebensstrategie zweifele.“

Der andere schwieg.

„Hast du endlich ein Einsehen gefunden?“, fragte Dulacre kühl. Es war nicht so, dass er wirklich gerne seinen Titel aufgeben wollte, die Folgen konnten immens sein, aber wenn er die Wahl hatte zwischen Lorenors Leben und diesem Titel, dann…

„Nein, absolut nicht. Aber bei so viel Blödheit fehlen mir tatsächlich die Worte“, schnaubte der andere verächtlich.

„Wie bitte?“

„Und gut hören kann der Herr auch nicht mehr.“

„Lorenor, dies ist nicht die Zeit für Scherze sondern…“

„Ich mache keine Scherze! Du kannst vor dem Krieg nicht weg und das weißt du. Es ist dumm von dir deinen Titel so leichtsinnig aufs Spiel zu setzen, genauso leichtsinnig wie es von mir war einfach abzuhauen. Ich dachte du wärest klüger als ich.“

Verdutzt betrachtete Dulacre die kleine Schnecke in seiner Hand, doch doch seufzte er. Der Jüngere hatte Recht und das stimmte ihn nicht äußerst glücklich.

„Was hast du dann vor, Lorenor? Du weißt, dass du alleine nicht lebend zum Sabaody Archipel kommen wirst und auf eine zweite Todesnachricht von dir kann ich nur zu gut verzichten. Willst du etwa die nächste Woche abwarten? Ich hatte dich nicht als geduldig eingeschätzt.“

Lorenor auf der anderen Seite lachte sarkastisch.

„Ich weiß es auch nicht“, murrte er dann, „ich glaube ich hab keine andere Wahl, oder? Ist zwar nicht die beste Lösung, aber es ist wohl die Vernünftigste.“

Er konnte dem andere anhören, dass er über diese Entwicklung nicht wirklich glücklich war. Aber er gab dem Jüngeren Recht und war auch über dessen Vorschlag verwundert.

„Falls es dir hilft“, murmelte der Samurai versöhnlich, „ich gehe davon aus, dass deine Crewmitglieder auch deutlich länger brauchen werden um zurückzufinden. Wer weiß schon, wohin es sie verschlagen hat. Vermutlich werden sie also nicht vor dir dort ankommen.“

Der andere antwortete nicht.

„Du solltest jetzt schlafen, Lorenor, du hörst dich nicht gut an. Wir sprechen später noch einmal miteinander, wenn ich mehr Informationen für dich habe. Es wäre hilfreich, wenn du in dieser Zeit etwas mehr über deinen Aufenthaltsort herausfinden könntest.“

Er erhielt keine Antwort.

„Hörst du Lorenor? Alles könnte hilfreich sein, und stell ja nichts Dummes an, bleibe ruhig und versuche Kräfte zu sammeln.“

Ein leises gleichmäßiges Atmen wurde von der Schnecke wiedergegeben.

„Eingeschlafen.“

Kopfschüttelnd lauschte er einen Moment dem ruhigen Atmen; es hatte etwas Angenehmes, als würde es alle Anspannung aus seinem Körper heraussaugen.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass auch er schon lange nicht mehr geschlafen hatte und das wo er einen gesunden Schlaf doch so wertschätzte.

Er rutschte auf die Seite und langsam fielen seine Augen zu.

Was für ein dummes, dummes Kind und wie gut, dass ihm nichts Schlimmes passiert war.

Was für ein Glück.

Kapitel 8 - Erkenntnis

Kapitel 8 – Erkenntnis

 

-Zorro-

„Jetzt mach schon!“

Sie saß ihm gegenüber auf dem Bett und starrte ihn ununterbrochen an, ihre Hände hatte sie auf den Oberschenkeln abgestützt, während sie im Schneidersitz vor und zurück wippte.

Zwischen ihnen lag ein Teller mit zwei Stück Trockenkuchen; Zorro hatte tatsächlich eines von den übersüßten, vor grellgelben Zuckerguss triefenden, Kuchenstücken gegessen, aber seitdem war ihm schlecht.

Was vermisste er gerade die gutbürgerlichen Kochkünste Kanans, was vermisste er gerade die verdammten Kochkünste des verdammten Kochs.

„Na los. Hopp!“

„Ich bin kein Köter, verstanden?“

„Ich will es aber sehen!“, jammerte sie.

„Ist mir doch egal“, knurrte er.

„Na komm, ich hab extra für dich gekocht.“ Langsam wurden sie lauter.

„Das da ist kein Kochen!“

„Jetzt verwandel dich!“, befahl sie und schlug aufs Laken.

„Ich kann nicht!“, brüllte er.

Überrascht lehnte sie sich zurück und auch er war überrascht über seine Worte.

„Was? Wieso?“ Nun war sie wieder auf Zimmerlautstärke.

„Weil ich nicht weiß wie. Ich hab keine Ahnung, wie ich mich verwandelt habe“, gestand er schließlich.

„Ach so…“

Sie legte den Kopf schräg doch nach einen Moment grinste sie gemein.

„Du bist wirklich dumm, oder?“

Er starrte sie an. „Was fällt dir…“

„Na, du warst doch ohnmächtig als du dich in ein Mädchen verwandelt hast. So schwer kann es also nicht sein.“

Wortlos beobachtete er sie, wie sie nachzudenken schien. So falsch lag sie vielleicht gar nicht.

„Vielleicht bedeutet das ja, dass es dir leichter fällt dich in ein Mädchen zu verwandeln als in einen Mann. Schließlich hast du das ja sogar bewusstlos hinbekommen.“

Abwägend nickte er. Trotz ihre zickigen Art und ihrem nervigen Getue konnte die Geisterpute da an etwas dran sein.

„Fassen wir zusammen“, murmelte sie dann, „du weißt nicht, wie du dich verwandelst und wurdest ungewollt wieder zum Mädchen. Aber als ich dich gefunden habe warst du ja ein Kerl.“

„Worauf willst du hinaus?“, murrte er entnervt.

„Weißt du denn, was du gemacht hast, als du dich in einen Kerl verwandelt hast?“

Zorro dachte nach, er wusste nicht was genau er gemacht hatte um sich zurückzuverwandeln, er wusste aber ganz genau was es ausgelöst hatte.

„Eigentlich ist die Sache doch ganz einfach“, meinte sie und legte einen Finger an ihr Kinn.

„Ach wirklich?“, fragte er zweifelnd. Wenn es so einfach war, wieso hatte er dann bitte einen Monat gebraucht um sich das erste Mal zu verwandeln?

„Ja klar, du musst einfach genau das gleiche machen, wie als du dich verwandelt hast und BOOM schon bist du wieder ein Mann. Obwohl…“ Sie betrachtete ihn mit geschürzten Lippen. „Du bist so wesentlich süßer, vielleicht wäre es besser, wenn ich dir nicht helfen würde.“

„Halt die Klappe!“, knurrte er. Doch wenn er ehrlich war, hatte sie vermutlich sogar Recht.

Seufzend entschied er, das ganze einmal auszuprobieren.

Er betrachtete seine Hände auf dem weißen Laken und erinnerte sich an den vergangenen Abend, erinnerte sich an dieses Gefühl des Grauens als er seine Freunde einen nach dem anderen verloren hatte, erinnerte sich an diese Verzweiflung als sein Kapitän zu Boden gegangen war.

Er schloss die Augen, ließ diese unbändige Energie aus Angst und Furcht durch seine Adern strömen. Es war kein angenehmes Gefühl, im Gegenteil, er wollte das nicht fühlen, sich so nicht fühlen, aber dann merkte er es. Auf einmal, als würden die Tore zur Hölle weit aufgerissen, wurde ihm ganz heiß. Eine verzehrende, schmerzhafte Hitze, wie ein Feuer, das sich durch seine Eingeweide fraß.

Keuchend riss er die Augen auf und klammerte sich an die Bettdecke, während dieses innere Feuer ihn allmählich verbrannte.

„Was zur…“ Die Stimme der Geisterprinzessin war weit weg und obwohl er die Augen weit aufgerissen hatte war alles verschwommen und unstet, nichts weiter als ein alles verschlingender Strudel aus Licht und Schatten.

Das Meer aus inneren Flammen hatte seine Fingerspitzen erreicht, er konnte die Knochen knacken hören, konnte Sehnen reißen und Muskeln bersten spüren, konnte fühlen wie jeder Teil seines Körpers unter der Hitze des Körpers drohte zu schmelzen.

Er kannte diese Hitze, diesen Schmerz, fühlte es nicht zum ersten Mal.

Doch dieses Mal klammerte er sich an seinen Verstand und erlaubte sich nicht über diese unmenschlichen Qualen hinweg ohnmächtig zu werden.

Dann war es einfach vorbei. Innerhalb von wenigen Herzschlägen verschwanden die Flammen aus seinem Körper, ließen fade Taubheit und grellen Schmerz zurück und dann war es einfach vorbei.

Alles was er hörte war sein eigener heißer Atem und sein schnell schlagendes Herz.

Zusammengekauert hatte er seine vom Schweiß gezeichnete Stirn im Laken vergraben, die nassen Hände immer noch verkrampft, jeder Muskel seines Körpers war zum zerreißen gespannt.

Langsam wurde er ruhiger, atmete gleichmäßiger, erlaubte Sauerstoff seine müden Lungen auszufüllen.

„Unglaublich.“

Er konnte Perona flüstern hören, ihre Stimme nur ein Hauch.

Vorsichtig lehnte er sich zurück, seine Sicht war immer noch etwas unscharf, bemerkte, dass die Geisterprinzessin samt Kuchenteller vom Bett gesprungen war und ihn nun argwöhnisch beobachtete.

„Z…Zorro?“, fragte sie dann fast schon ängstlich nach.

Immer noch atmete er schwer und immer noch brannte sein Körper vor Anstrengung, aber dann sah er seine Hände, sah seine braungebrannten Männerhände.

Er hatte es geschafft!

Er hatte sich verwandelt!

Er war wieder Lorenor Zorro!

 

-Mihawk-

Er wachte auf.

Grummelnd fuhr er sich durch sein wild abstehendes Haar und ärgerte sich bereits über sich selbst.

Er war auf dem Sofa eingeschlafen und sein Körper dankte es ihm nicht gerade.

Sein Blick glitt auf die kleine Teleschnecke hinab, die neben ihm auf dem Kissen schlummerte. Mit einem Seufzen verstaute er sie wieder in seiner Hosentasche und sah sich um.

Seine Gemächer wurden von einem feuerroten Licht erhellt, die Sonne war gerade am untergehen, er musste mehrere Stunden geschlafen haben.

Er sah hinüber zur großen Uhr, die stumm vor sich hin tickte, Kanan und ihre Familie mussten Sasaki bald erreichen oder bereits erreicht haben, sofern nichts dazwischen gekommen war, aber in dem Falle hätte man ihn wohl benachrichtigt.

Lorenor selbst war anscheinend in Sicherheit, auf einer Insel mit einem Schloss und gefährlichen Primaten. Konnte es wirklich Kuraigana sein? Das wäre ein fast schon zu klischeehafter Zufall. Warum sollte der Jungspund ausgerechnet auf jener Insel landen? Auf seiner Wahlheimat? Seinem wahren Heim?

Auf der anderen Seite, wie hatte dieser Idiot es geschafft ausgerechnet Bartholomäus Bär in die Arme zu laufen - von allen Menschen die sich in Mary Joa aufhielten – ohne von sonst jemanden gesehen zu werden?

Dieser Junge schien eine eigenartige Form von Glück gepachtet zu haben.

Bärs Verhalten allerdings wirkte für ihn weder wie ein Zufall noch wie unverschämtes Glück. Es war nicht so, dass er wirklich viel mit diesem Schwächling zu tun hatte, mit diesem Speichellecker der Weltregierung, aber es schien für ihn ganz untypisch, dass dieser ungefragt in eine Situation eingriff, die ihn nicht benötigte. Seit wann hielt Bär sich nicht mehr an das Protokoll?

Ohne sein Einschreiten wären die Strohhüte gefangen genommen worden, letzten Endes hatte sein Auftauchen ihnen sogar zur Flucht verholfen, zumindest soweit die jeweiligen Crewmitglieder die Kraft seiner Teufelskraft überlebt hatten.

Aber noch seltsamer war, dass er auch Lorenor weggeschickt hatte ohne es auch nur einmal nebenbei zu erwähnen. Ein Pirat in der heiligen Stadt, nur wenige Tage vor einem Krieg und Bär meldete es nicht?

Nachdenklich ging er ins angrenzende Badezimmer hinüber und begann sich auszuziehen.

Unter der Dusche betrachtete er sein verzerrtes Spiegelbild in den spiegelnden Wänden.

Eigentlich passte dieses eigenmächtige Handeln ohne sich vorher mit der Weltregierung abzusprechen so überhaupt nicht zu diesem Möchtegernpiraten. Nein, Dulacre war sich absolut sicher, dass etwas dahinter steckte und wenn es ihn wirklich interessieren würde, würde er jetzt hier nachhaken, in der Vergangenheit des anderen Samurais wühlen und jedes noch so kleine, schmutzige Detail herausfinden, nur um sich ein klares Bild zu machen.

Aber wenn er ehrlich war hatte er keine Lust dazu.

Bär mochte seine Gründe haben, Gründe die ganz offensichtlich außerhalb des Einflusses der Weltregierung lagen, das konnte ihm nur Recht sein. Aber da würde er sich jetzt nicht auch noch einmischen, schließlich musste er sich um Lorenor kümmern und das war eine Herausforderung die er kaum meistern konnte.

Dulacre stellte das Wasser ab und kam wieder heraus.

Sein Abbild im gegenüberliegenden Spiegel überraschte ihn.

Er sah…weicher aus. Ja, genau. Sein nasses Haar stand in alle Richtungen ab, ließ ihn jünger und ungestüm wirken. Sein ungestutzter Bart verwischte die scharfe Linie seines Kiefers und irgendwie war der Mann ihm gegenüber entspannter als er sich kannte.

Seufzend machte er sich daran dieses weichere, sanftere Bild seiner selbst zurechtzustutzen indem er erst Bart und dann Haar bändigte. Soweit würde er es nicht kommen lassen!

Lady Loreen durfte seine Schwäche sein, Lorenor war seine Schwäche, aber er würde niemals schwach werden, nie wieder!

Er war nicht mehr der schwache Junge von damals und nichts sollte je wieder daran erinnern.

Zufrieden mit seinem Werk trocknete er sich ab und zog sich wieder an, nun nicht mehr nach Schweiß stinkend, nun nicht mehr schwach wirkend.

In seinen Gemächern angekommen schlenderte er zur hausinternen Teleschnecke hinüber und bestellte sich etwas zu Essen. Wenn er hier schon seine Freizeit fristen musste konnte die Weltregierung ihm wenigstens einen vernünftigen Wein spendieren.

Immer wieder glitt seine rechte Hand in seine Hosentasche und strich über die kleine Teleschnecke, als wollte sein Unterbewusstsein unbedingt, dass er Lorenor anrief.

Aber dieser war wahrscheinlich sogar noch am schlafen.

„Argh!“

Wütend fuhr er sich durch die Haare, zerstörte seine so sorgsam gepflegte Frisur und trat gegen den bereits am Boden liegenden Bildschirm, der daraufhin gegen die nächste Zimmerwand flog.

Warum konnte er nicht einmal über etwas anderes nachdenken? Über wen anderes nachdenken?

Wann hatte dieses verfluchte Gör entschieden Herr seiner Gedanken zu werden?!

Woher nahm er sich dieses Recht?!

„Du meine Güte, Hawky.“

Überrascht schnellte er herum. In der Zimmertür stand niemand anderes als Konteradmiral Cho Jiroushin, vor ihm ein kleiner Wagen, gedeckt mit Speis und Trank.

„Was ist denn mit dir los?“

Seine grünen Augen unter der marinetypischen Kappe waren weit aufgerissen und sein jungenhaftes Gesicht konnte die Überraschung nicht verbergen.

„Jiroushin, was machst du denn hier?“

Auch Dulacre war verwirrt; es gab keinen Grund für seinen Freund hier zu sein. Hatte er nicht genügend Arbeit zu tun? Warum tauchte er in Mary Joa und vor allem bei ihm im Zimmer auf?

„Was machst du in meinen Gemächern, ohne anzuklopfen und dazu noch wie ein Diener mit diesem Wägelchen?“

Der Blondschopf lachte.

„Da kommt der verwöhnte Oberschichtenbengel wieder zum Vorschein. Man nennt so etwas heutzutage nicht mehr Diener sondern Angestellte.“

„Tze, zwei Straßen weiter heißt es immer noch Leibeigener.“

Der andere hatte die Türe hinter sich ins Schloss fallen lassen und kam nun mit großen Schritten auf ihn zu. Als hätten sie sich Ewigkeiten nicht mehr gesehen zog der Konteradmiral ihn an sich und hielt ihn fest, dabei hatte Jiroushin erst vor wenigen Tagen noch mit ihm gemeinsam Lorenor trainiert.

Nein, vielmehr hatte der andere Lady Loreen trainiert und Dulacre hatte zugesehen.

„Was soll das, Jirou? Wir sind doch keine Kinder mehr.“

„Ach, was stellst du dich so an? Ich hab mir halt Sorgen gemacht.“

Unbeeindruckt zog Dulacre eine Augenbraue nach oben und streifte die Arme des anderen ab.

„Um mich?“

„Natürlich, und um Loreen.“

Der Samurai ging zum Wagen hinüber und schob ihn vor eines der Sofas.

„Deine überfürsorgliche Ader wird dir eines Tages noch zum Verhängnis werden, mein werter Freund“, sprach er kühl.

Jirou folgte ihm und ließ sich neben ihm nieder während er bereits den Wein öffnete.

„Hör auf mir auszuweichen, Hawky. Du kannst mir nichts vormachen, dafür kenne ich dich zu gut.“

Dulacre entgegnete nichts während er zwei Gläser mit der blutroten Flüssigkeit befüllte. Sein Kindheitsfreund eröffnete währenddessen schon mal das Buffet.

„Also? Gonou hat mich eben angerufen und mir gesagt, dass er und Kanan Loreen zurück nach Sasaki gebracht haben. Scheint ihr echt nicht gut zu gehen, was?“

Dulacre zuckte mit den Achseln.

„Warum hat er dich angerufen? Er sollte mir Bescheid geben“, war alles was er entgegnen konnte ohne seinen Kindheitsfreund anzulügen.

Der andere murmelte irgendetwas Unzufriedenes in seinen nicht vorhandenen Bart.

„Wie bitte?“

Er nahm sich ebenfalls etwas von den reichlich gefüllten Tellern, ehe sein Freund alles aufgegessen hatte.

„Na, da bin ich extra für dich herbeigeeilt, um dir die wichtigen Neuigkeiten über die Dame deines Herzens mitzuteilen und du…“

„Dame meines Herzens?“, fragte er nach während der andere weiter schwafelte.

„Und du bist noch nicht mal dankbar. Ich verstehe, dass du dich um deine große Liebe sorgst aber trotzdem...“

„Meine große Liebe?“

Er sah den Blondschopf mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Dir ist aber schon bewusst, dass dieses missratene Kind nichts weiter ist als das, ein missratenes Kind?“

„Ohohoh Hawky, mir machst du nichts vor. Wir wissen doch schon alle längst, wie viel sie dir bedeutet und ich hab euch doch schon meinen Segen gegeben.“

„Ja, ich weiß nur immer noch nicht wofür ich deinen Segen gebrauchen könnte.“

Der andere goss sich Wein nach. Dulacre seufzte, es war sinnlos mit dem anderen darüber zu streiten, er konnte ihm noch so genau erklären, dass Lorenor und ihn keinerlei romantische Gefühle verbanden, Jiroushin würde ihm vermutlich nicht danken, dafür hatte Dulacre selbst zu gut die Lügengeschichte um Lady Loreen aufgeplustert. Jetzt musste er halt auch mit den Konsequenzen leben.

„Also Hawky, wie geht es dir?“

Der Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern und begann zu essen. Wie ihn diese Scharade nervte, aber sie war nun einmal notwendig, notwendig um Lorenor zu schützen.

„Sag, Jirou. Was machst du hier? Ein Krieg steht vor der Tür, ein Krieg gegen Whitebeard. Alle Offiziere werden in höchster Alarmbereitschaft stehen und ich kann mir vorstellen, dass sich die Arbeit nach deinem Urlaub nur so türmt. Warum bist du hier?“

Er fragte obwohl er die Antwort längst wusste. Er kannte seinen Kindheitsfreund zu gut, zu lange, um nicht zu wissen, warum der andere hier war.

„Das weißt du doch“, antwortete der andere dementsprechend, „nach unserem Telefonat hab ich mir richtig Sorgen um dich gemacht. Ich dachte du würdest vielleicht wirklich etwas Dummes anstellen.“

Dulacre grinste schief. „Egal wie viele Jahre vergehen, du kannst es nicht lassen dir einen Kopf um mich zu machen, oder?“

Der Konteradmiral lachte laut: „Natürlich. Allerdings gebe ich zu, dass ich mich in den letzten Wochen deutlich weniger um dich gesorgt habe als sonst.“

Fragend sah der Samurai den anderen an.

„Na, wegen Loreen.“

Dulacre seufzte und betrachtete sein fast leeres Glas. Er hatte Jiroushin nie belogen, vielleicht hatte er ihm nicht immer alles erzählt, ihm nicht immer die ganze Wahrheit offenbart, aber belogen nie. Nicht weil er Skrupel hatte so etwas zu tun. Nein, so ein unnötiges Ehrgefühl war schwachsinnig und in dieser Welt völlig fehl am Platz. Manchmal war eine Lüge notwendig und zum besseren Wohl aller, nein, er hatte überhaupt kein Problem damit die Wahrheit zu verdrehen, wenn es angebracht war.

Der Grund, warum er Jirou noch nie angelogen hatte war ein ganz anderer, ein deutlich simplerer. Es war nie nötig gewesen, es hatte nie etwas gegeben, was er vor dem anderen, vor seinem besten und engsten Freund aus Kindertagen, hätte verbergen müssen.

Aber mit Lorenors Auftauchen hatte sich selbst das geändert.

Es war ein seltsames Gefühl, nicht wirklich fremd und doch ungewohnt.

Außerdem störte es ihn ungemein, wie viel sein bester Freund in Dulacres Beziehung zu seinem Wildfang hineininterpretierte. Es war ungemein nervig.

In einvernehmlichen Schweigen aßen sie weiter.

„Hawky?“

„Hmm?“

„Es ist in Ordnung“, murmelte der andere.

Dulacre sah stur geradeaus auf die immer dunkler werdende Nacht.

„Was meinst du?“

„Ich bin nicht dumm, weißt du? Wenn ich dich erinnern darf, unser letztes Schachspiel ist zwar schon Ewigkeiten her aber es hat Tage gedauert.“

„Nur weil du es nicht leiden kannst auf Zeit zu spielen.“

„Gegen dich auf Zeit spielen ist langweilig. Ein Spiel ohne Einschränkungen ist deutlich interessanter.“

„Wohl war.“

Sie schwiegen wieder.

„Wirst du mir irgendwann einmal die Wahrheit sagen?“

Lange war der Samurai leise doch dann seufzte er.

„Das liegt nicht in meiner Hand, mein Freund. Allerdings kann ich dich nicht davon abhalten selbst die Wahrheit herauszufinden.“

Für einen Moment war Jiroushin ebenfalls ruhig.

„Und wenn ich Loreen einfach selbst nach der Wahrheit frage?“

Dulacre konnte ein leises Lachen nicht verhindern.

„Ich glaube nicht, dass du drum herumkommst deinen eigenen Kopf anzustrengen.“

„Oh, das ist aber gemein“, schmollte der andere, ehe er anfing laut zu denken. „Ich glaube ja, dass sie irgendwie mit diesem Lorenor Zorro verwandt ist. Ich meine das gleiche Haar, dann noch Schwertkämpfer und sie tauchte kurz nach seinem Tod bei dir auf. Würde auch ihre Verbindung zu den Strohhüten erklären. So, wie mache ich mich?“

„Oberflächlich, wie so oft, Jiroushin. Warum sollte die Schwester von Lorenor Zorro nach dessen Tod zu mir kommen und nicht direkt zu den Strohhüten gehen? Warum sollte ich mich bereiterklären seine Schwester zu trainieren, wo Lorenor Zorro mich doch besiegen wollte und doch nicht mehr war als ein Anfänger?“

„Ja, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Insbesondere da das alles so sehr deiner Gewohnheit widerspricht. Außerdem ist es schwer zu filtern was aus der Zeitung stimmt und was nicht. Kanan und Lirin scheinen etwas zu wissen aber keine der beiden will mir auch nur irgendetwas verraten.“

„Tja, das spricht doch eigentlich nur dafür, dass deine Ermittlungsfähigkeiten doch nicht so gut sind, wie du immer denkst.“

Der andere seufzte schwer auf und ließ sich nach hinten gegen die Lehne fallen.

„Dabei habe ich mir schon alle möglichen Szenarien zusammengedacht und trotzdem kommt nichts wirklich Sinnvolles bei rum.“

„Vielleicht solltest du auch mal das Unmögliche in Betracht ziehen.“

„Was?“ Der Blondschopf sah ihn schief an. „Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.“

Dulacre zuckte mit den Achseln.

„Sag mal, kriegst du keinen Ärger dafür, dass du noch nicht Zuhause bist?“

„Ach, mach dir keinen Kopf, heute Abend findet irgendeine komische Sitzung für die Konteradmirale statt, deswegen bin ich hier.“

„Ach so, ich dachte du wärest hierher geeilt nur um mir die Neuigkeiten meiner Herzensdame mitzuteilen“, grinste er sarkastisch.

„Hör auf, du Idiot. Ich bin extra früher von der Arbeit abgehauen wegen dir. Weiß auch nicht, warum wir so eine Abendveranstaltung mitmachen müssen, aber ich hab echt keine Lust fünf Stunden oder so da herumzusitzen.“

„Ich würde jetzt mal ganz wagemutig vermuten, dass es vielleicht mit dem herannahenden Krieg in Verbindung stehen könnte und die Weltregierung die Unterweisung von minderwichtigen Konteradmiralen nicht besser in ihren Zeitplan integrieren konnte.“

Minderwichtig?“

„Wann soll diese Veranstaltung denn überhaupt stattfinden?“

„Um acht, wieso?“

Er nickte zur Uhr hinüber.

„Oh verdammte Scheiße!!!“

„Nicht solche Kraftausdrücke bitte.“

Doch der Konteradmiral war bereits aufgesprungen und rannte zur Tür.

„Jirou?“

„Was?!“

Dulacre beugte sich über die Lehne hinweg und deutete auf den Wagen mit dem vergangenen Mahl.

„Nimmst du bitte wieder mit, was du gebracht hast?“

„Du kannst mich mal!“

Laut knallte die Türe hinter dem anderen zu.

Lachend stand er auf und schob den Wagen nach draußen, wo dieser nicht mehr sein Problem war.

Genau in diesem Moment rief sein Problem an.

 

 

Kapitel 9 - Veränderungen

Kapitel 9 – Veränderungen

 

-Zorro-

Es hielt ganze drei Stunden.

Drei Stunden hatte er es geschafft seinen eigenen Körper zu behalten.

Schnell hatte er bemerkt, dass unter der körperlichen Erschöpfung, unter dem tauben Schmerz der Verwandlung, ein leises Ziepen versteckt war und während er sich erholt und mit Perona mehr oder minder produktiv gestritten hatte war dieses Ziepen immer stärker und unangenehmer geworden.

Nun hatte es ganz aufgehört.

Was daran liegen konnte, dass er vor wenigen Sekunden nachgegeben hatte und sich augenblicklich in Lady Loreen zurückverwandelt hatte.

Aber anders als bei seiner Verwandlung zu Lorenor Zorro hatte es dieses Mal überhaupt nicht weh getan. Im Gegenteil, zwar war er ausgelaugt aber eigentlich war er nur müde und erschöpft, ansonsten ging es ihm gut.

„Schon komisch“, murmelte die Geisterprinzessin die ihn aufmerksam beobachtete.

„Wenn du zum Mädchen wirst geht es richtig schnell und es sieht beinahe elegant aus. Aber wenn du dich in einen Mann verwandelst dauert es ganze Minuten und man kann förmlich spüren wie schmerzhaft es ist, mal ganz abgesehen davon, dass du geschrien hast wie am Spieß.“

„Wirklich?“, fragte er nach und lehnte sich zurück. Daran konnte er sich gar nicht erinnern.

Sie nickte: „Mhm, sahst aus als würdest du dich jeden Moment selbst in Stücke reißen, hab so was noch nie gesehen. War wirklich grauenhaft.“

„Warum bist du dann nicht gegangen?“

Er war müde. Dieses ganze hin und her verwandeln war wirklich anstrengend und diese Perona machte es nicht besser, aber wenn er ganz ehrlich war, sie war schon irgendwie in Ordnung, auch wenn er das natürlich nie zugeben würde.

„Und mir das entgehen lassen? Nein auf keinen Fall. Das war das Gruseligste was ich je in meinem Leben gesehen hatte.“

Nun grinste sie beinahe und er überdachte sein Lob ziemlich zügig.

Er hockte nun auf dem Boden, immer noch in den nun viel zu großen Klamotten, die er sich von Mihawk ausgeliehen hatte.

„Du bist wirklich süß in dieser Gestalt“, meinte Perona und kniete sich ihm gegenüber hin. „Wenn du nicht so grimmig gucken würdest könnte ich glatt vergessen, dass du so ein fieser Typ bist.“

Seufzend versuchte er sich aufzurichten, doch sein Körper war wirklich ausgelaugt.

„Hör mal her, Perona.“ Wankend kam er zum stehen. „Egal wie oft du es noch sagst, es ändert nichts daran wer ich bin und ich kann es wirklich nicht gut abhaben, wenn du mich süß nennst.“

„Aber wenn es doch wahr ist…“, murrte sie mit aufgeplusterten Wangen. „Ich meine selbst in diesen Fetzen von Klamotten würde sich jeder Kerl glatt in dich vergucken.“

Sie seufzte: „Was würde ich dafür geben dich mal so richtig herauszuputzen und einzukleiden. Ich könnte aus diesem knuffigen Zuckerpüppchen eine richtige Femme fatale machen.“

Er lachte kalt. Was hatten alle Frauen nur damit ihn als Anziehpuppe missbrauchen zu wollen?

„Du? Du siehst aus wie ein fünfjähriges Zombie-Gör und du willst mir Klamotten aussuchen? Sicher nicht, da bin ich ja besser dran, wenn ich nackt rumlaufe.“

Wieder plusterte sie ihre Wangen auf.

„Ich bin 25, du Mistkerl und keine fünf. Außerdem bist du derjenige der auf diesen Bildern wie ein Kind aussieht.“

Aus dem Nichts zog sie erneut einige Zeitungsartikel hervor und legte sie vor ihm aus. Er beachtete sie nicht. Eher war er überrascht, dass diese Pute tatsächlich älter als er sein sollte.

„Ist mir egal, wie ich aussehe. Dieser Mädchenkram interessiert mich nicht.“

Er wandte sich zum Gehen.

„Aber du bist ein Mädchen, zumindest zur Hälfte.“

Überrascht blieb er stehen.

Jade hatte ihm damals gesagt, dass Loreen nun ein Teil von ihm sein würde, ein Teil den er nie wieder loswerden würde.

„Das Mädchen in dir ist der dominante Körper, deswegen hast du dich wieder zurückverwandelt.“

Er drehte sich um. Dieses Mädchen vor ihm hatte Recht und das missfiel ihm. Er fand es gar nicht gut, dass sie sich das so schnell zusammenreimen konnte.

„Deswegen solltest du auch wissen, was wichtig für Mädchen ist.“

„Tze, nicht alle Frauen legen Wert auf ihre Kleidung. Es gibt deutlich wichtigere Dinge.“

„Jetzt warte doch mal.“ Sie folgte ihm als er das Zimmer verließ. „Wo willst du denn hin?“

„Ich will herausfinden auf welcher Insel wir hier sind, wie sie heißt, wo sie liegt oder was auch immer. Irgendwas, was ich Falkenauge sagen kann.“

Er war immer noch müde, trotzdem fiel es ihm deutlich leichter als Loreen wieder zu Kräften zu kommen als als Zorro, nicht wirklich aufbauend.

„Die Insel heißt Kuraigana“, meinte Perona hinter ihm und erneut blieb er stehen.

Er hatte den Namen schon einmal irgendwo gehört. Nur wo konnte er nicht sagen.

„Woher weißt du das?“

Er begutachtete sie. Sie waren in etwa gleich groß wodurch es überaus einfach war sie direkt anzusehen. Nach den ganzen hochgewachsenen Männer und Frauen auf Sasaki hatte es fast etwas Angenehmes seinen Kopf nicht so hochrecken zu müssen.

Sie verschränkte die Arme.

„Ich bin schon seit Wochen hier. Glaubst du ich hätte nicht schon alles versucht um hier wegzukommen? Aber bis auf ein kleines Boot hab ich nichts gefunden und damit auf die offene See zu fahren ist purer Selbstmord. Aber ich will unbedingt Meister Moria finden.“

„Du glaubst also, dass er wirklich nochmal die Kurve gekratzt hat?“

„Natürlich ist er noch am Leben! Wie kannst du nur an ihm zweifeln?!“

In ihrer Wut stiegen mehrere halbunsichtbare Geister aus ihrem Körper, deren Fähigkeit Zorro nur zu gut kannte. Beruhigend hob er die Hände.

„Ja sorry, schon gut. Vermutlich hast du Recht, sonst hätte die Weltregierung ja auch Ersatz für ihn suchen müssen. Wahrscheinlich ist er schon auf Mary Joa.“

Er konnte wahrlich darauf verzichten von diesen Geistern berührt zu werden.

Die Geisterprinzessin nickte. „Das denke ich auch. Daher muss es ihm gut gehen.“

Nun, dass sie sich wieder beruhigt hatte, verschwanden auch die Geister wieder.

Weiterhin liefen sie durch das große Schloss, es war der reinste Irrgarten. Keine Tür führte dahin wo er es erwartete und jede Treppe schien irgendwo anders auszukommen. Dabei war es nicht besonders hilfreich, dass er immer wieder über die viel zu langen Hosenbeine stolperte und das obwohl er den Bund bereits bis zur Brust hochgezogen hatte.

„Wo willst du eigentlich hin?“, fragte Perona, die ihm weiterhin hinterherlief.

„Nach draußen“, murrte er.

„Was? Sag das doch gleich, wir sind bereits dreimal am Eingang vorbeigelaufen.“

Er starrte sie an.

„Wovon redest du?“

Sie schüttelte den Kopf. „Du bist wirklich nicht besonders helle, oder?“

Nun ging sie voran und führte ihn durch einen Flur der ihm bereits bekannt vorkam.

„Was hast du noch herausgefunden?“, hakte er nach und ignorierte ihre Worte.

Mit den Schultern zuckend ging sie weiter. „Nicht viel, wir sind die einzigen Menschen auf dieser Insel. Bis auf dieses Schloss gibt es hier nur Wald und Ruinen und dann wären da noch diese wildgewordenen Affen.“

„Affen?“

Sie hatten eine schwere Doppeltür erreicht und Perona stieß sie auf.

Draußen angekommen sah Zorro sich um.

Dicke Nebelschwaden hingen in der Luft und verdrängten beinahe jegliches Sonnenlicht. Es war schwer zu sagen ob Tag oder Nacht war, der Himmel war einfach nur trist und grau.

„Da irgendwo liegen die Ruinen wo sich diese Affen aufhalten.“ Die Geisterprinzessin deutete in eine Richtung zu seiner Linken, doch bis auf Wald und Nebel konnte er nichts erkennen, schon gar kein Meer.

„Und diese Affen haben dich angegriffen?“

Sie nickte: „Das waren keine gewöhnlichen Tiere. Die hatten Waffen und waren ziemlich gut darin sie nach mir zu werfen. Hier im Schloss sind wir sicher, aber sobald du den Wald betrittst greifen sie an.“

„Aha.“ Zorro betrachtete seine Umgebung aufmerksam. Diese Affen machten ihm keine Sorge, auch wenn er leicht neugierig war darüber, dass sie anscheinen kämpfen konnten.

Dann drehte er sich wieder herum und ging hinein.

„Warte mal, was gehst du denn jetzt wieder rein, ich dachte du wolltest raus.“ Aufgebracht folgte sie ihm.

„Ich wollte nur wissen, wie es hier aussieht und wie spät wir es haben. Aber bei dem Wetter kann man ja gar nichts erkennen.“

Sie schnaubte auf. „Weißt du wofür es Uhren gibt?“

Er ging einfach weiter.

„Falsche Richtung.“

Sie packte ihn am Unterarm und zerrte ihn mit sich.

„Meine Güte. Es gibt Momente da bist du so cool und dann so was.“

Er hob die Augenbrauen hoch sagte jedoch nichts.

Nach dem ruhigen und so bedachten Dulacre war dieses Mädchen doch ein recht ungewohnter Umgang für ihn. Sie war laut wie Nami und nervig wie der Koch aber gleichzeitig auch so kindisch wie Ruffy. Er hatte keine Ahnung wie er die Tage hier überleben sollte ohne sie umzubringen.

„Du sagst also, dass Falkenauge dich abholen kommt?“, meinte sie dann als sie das Zimmer in dem er zu sich gekommen war wieder erreicht hatten.

Er nickte. „Nach dem Krieg, genau.“

„Meinst du er würde mich auch mitnehmen?“

„Ich dachte du magst es hier?“

Er ließ sich wieder aufs Bett fallen und gähnte.

„Ja klar, du hast es doch draußen gesehen. Ein wunderschöne, gruselige Aussicht und dieses alte Schloss ist herrlich. Aber so ganz alleine, ohne Diener und süße Kuscheltierchen, ist es doch recht einsam und trostlos.“

Er entgegnete nichts sondern begann langsam sein Haar zu flechten, damit es nicht mehr so im Weg war.

„Du musst es erst kämmen, sonst reißt du dir zu viele verknotete Haare aus“, murrte sie. „Meine Güte, kannst du denn gar nichts?“

Seufzend stand sie auf und ging zu einer Kommode herüber.

„Ich bin erst seit einem Monat eine Frau. Tut mir leid, dass mir Dinge wie verknotete Haare da etwas entgangen sind“, murrte er ebenso verdrießlich, ließ aber zu, dass sie sich mit einer Haarbürste hinter ihn stellte und begann sein Haar zu kämmen.

„Also was meinst du? Würde er mich mitnehmen? Zu irgendeiner Insel, so dass ich nach Meister Moria suchen kann?“

„Wir werden zum Sabaody Archipel reisen.“

„Wirklich? Das wäre ja perfekt.“

„Allerdings kann ich dir nicht versprechen, dass Falkenauge dich mitnimmt. Er gehört nicht gerade zu den gutmütigen Samaritern.“

„Was?“ Er konnte ihrer Stimme anhören, dass sie verzweifelt war.

„Aber wenn du mir nicht zu sehr auf die Nerven gehst kann ich ja ein Wort für dich einlegen.“

Wann war er nur so weich geworden?

„Das würdest du tun?“

Seufzend verschränkte er die Arme.

„Naja, schließlich hast du mich ja reingeholt und verhindert, dass die Affen mich fressen oder nicht?“ Er grinste sarkastisch. Vielleicht würde er ja doch mit ihr auskommen ohne sie umbringen zu müssen.

„Weißt du was ich mich frage?“, meinte sie dann und begann sein Haar zu flechten. Es fühlte sich anders an als bei Kanan, nicht ganz so fest aber er ließ sie machen.

„Wenn du dich erst seit kurzem verwandeln kannst, weiß Falkenauge überhaupt wer du in Wirklichkeit bist?“

Diese Frage überraschte ihn. Sollte er sie anlügen? Ihr die Wahrheit verheimlichen um Dulacre zu schützen? Aber was würde ihm diese Lüge bringen? Was könnte er dadurch erreichen?

„Ja, er weiß es“, antwortete er knapp.

„Oh“, kam als einzige Antwort ehe sie frage: „Hast du einen Haargummi?“

„Sehe ich so aus?“

Sie murmelte etwas trocken vor sich hin und er konnte fühlen wie sie sein Haar etwas mehr zog.

„Weiß er denn auch, dass du dich jetzt verwandeln kannst? Hast du es ihm erzählt?“

„Wann soll ich ihm das denn gesagt haben?“

Sie klopfte ihm auf die Schulter als Zeichen, dass sie fertig war und ging dann weg.

„Na, ich bin ja nicht blöd. Meinst du ich hab nicht gesehen, wie du diese Teleschnecke da beäugst. Mit Sicherheit hast du mit ihm telefoniert. Also hast du es ihm gesagt?“

„Das geht dich überhaupt nichts an.“

„Also nein.“

Statt einer längeren Diskussion entschieden sie einstimmig etwas zu Essen, wobei Zorro sich bereits wieder nach seinem Bett sehnte als er dem Geistermädchen durchs Schloss folgte.

Zu seiner Überraschung war die Speisekammer des Schlosses fürstlich gefüllt, als ob hier wirklich jemand leben würde.

„Der Zucker wird langsam mau“, jammerte die Geisterprinzessin doch Zorro ignorierte sie über die getrockneten Scheiben Räucherschinkens komplett. Zum ersten Mal konnte er die Lust seines Käpt’ns nach Fleisch wirklich nachvollziehen.

Kurze Zeit später verschwand er zusammen mit einer Flasche Wein zurück auf sein Zimmer. Nun ja, viel mehr lieferte Perona ihn dort ab. Sie schlief im Zimmer gegenüber. Beide Räume lagen direkt über der Küche und nahe am Eingang. Er ging davon aus, dass es einst Angestelltenzimmer gewesen waren.

Die uralte Uhr über der Tür sagte ihm, dass es gerade einmal kurz nach acht Uhr war.

Mit einem kleinen Seufzen griff er nach der Teleschnecke und öffnete mit der anderen Hand die Weinflasche.

Er hatte auch stärkeren Alkohol gefunden, aber da er in diesem Körper nicht wirklich viel vertrug würde er den Sake auf den nächsten Tag verschieben, wenn er sich das nächste Mal erfolgreich verwandeln würde.

Zorro hatte es während des Essens nochmal versucht, aber es hatte nicht geklappt. Das Mädchen mit den rosa Haaren hatte vermutet, dass er zu erschöpft war und da er es nicht abstreiten konnte, hatte er ihre Vermutung zunächst einmal akzeptiert.

Er trank einige Schlucke von der roten Flüssigkeit, es überraschte ihn, wie schnell er die leicht herbe Note und den kräftigen Ansatz bemerkte. Er hatte sich nie gut auf Weine verstanden aber seitdem er beim Samurai war, hatte er angefangen den Traubensaft zu trinken und sogar zu mögen.

Die kleine Schnecke in seiner Hand piepte ein paar Mal und dann wurde abgenommen.

Für eine Sekunde sagte keiner von ihnen etwas.

„Hey“, murmelte Zorro dann und nahm noch einen Schluck.

„Du hörst dich ja noch schlechter an als heute Vormittag“, kam die kühle Antwort sogleich, „wolltest du dich nicht ausruhen?“

Der Alkohol begann ihn bereits von innen heraus zu wärmen. Er grummelte zustimmend und stellte die Flasche neben sich ab.

„Bist du alleine? Kannst du frei reden?“ Die kleine Teleschnecke zog eine Augenbraue nach oben und gab das fragende Gesicht des Samurais äußerst passend wieder.

„Ja natürlich“, murmelte Zorro und nahm doch noch einen Schluck.

„Sehr gut. Also weißt du mittlerweile, wo du bist?“ Der andere hörte sich an wie immer, aber irgendetwas war anders, oder bildete er es sich nur ein?

„Joa, Kunei, warte wie war das? Kuri..Kuwai…“

Der andere seufzte. „Kuraigana?“

„Ja genau!“

„Tatsächlich?“

„Ja, Perona hat es gesagt.“

„Wer ist Perona?“

„Oh, nicht so wichtig, irgend so ein Mädel. Sie wurde auch von Bär hierhin geschickt und ist eigentlich ganz okay.“

Für einen Moment schwieg der andere.

„Nun gut, das ist ja eigentlich das Beste was uns passieren konnte.“

„Was? Wieso meinst du?“

Leider Gottes war seine Flasche schon halbleer, er durfte nicht so schnell trinken.

„Du erinnerst dich an diese Insel von der ich dir erzählt habe? Die Insel auf der ich normalerweise wohne anstelle von Sasaki?“

„Mhm“, murmelte er zustimmend.

„Das ist Kuraigana. Ich hatte schon die Vermutung, als du von der Beschaffenheit erzählt hast. Was für ein seltsamer Zufall.“

Oh, das hieß doch das er gerade Mihawks Wein trank, oder?

„Das heißt, du weißt wo sie liegt?“

„Das heißt, dass du überhaupt nicht weit weg bist. Das ist ausgezeichnet. Kuraigana, dort ist niemand um den du dich kümmern brauchst. Meine Vorratskammern sind zum Bersten gefüllt. Du kannst dort angenehm auf mich warten.“

Angenehm?

Es war ihm selten so bewusst wie gerade, wie unterschiedlich sie doch waren.

Natürlich wusste er um ihre unterschiedlichen familiären Hintergründe aber glaubte der andere wirklich, dass er es als angenehm empfinden konnte abzuwarten?

Dass ein Schloss mit feinen Weinen für ihn angenehm war?

Dass er so etwas brauchte?

Und all das während er noch nicht einmal wusste, ob seine Freunde wohlauf waren?

Sie waren doch sehr unterschiedlich.

„Warum bist du so still, Lorenor?“

Er betrachtete die Flasche in seiner Hand. Was würde der andere nur davon halten, wenn er ihn sehen würde wie er einen Wein aus der Flasche trank.

Er hatte sich nie dafür geschämt wer und was er war. Hatte sich nie für was Besseres oder Schlechteres gehalten. Er war halt wer er war.

Das war auch nie ein Problem bei seiner Crew gewesen, klar hatte sich mal jemand beschwert, so wie das nun mal war, wenn man tagein tagaus auf einem Kahn zusammengepfercht war. Aber niemand hatte versucht ihn zu verändern.

Auf Sasaki war es anders gewesen.

Kanan hatte darauf bestanden ihn wie ein Fräulein zu behandeln, von ihm verlangt sich wie ein Fräulein zu benehmen. Er hatte das seiner Gestalt in die Schuhe geschoben. Er hatte sich an seine Gestalt angepasst.

Aber Mihawk wusste wer er war, hatte immer gewusst wer er war.

Doch obwohl der andere ihn sah, ihn verstand, versuchte er trotzdem immer ihn zu erziehen, ihn zu Recht zuweisen. Aber nicht nur das. Mihawk versuchte ihn zu verändern und Zorro wusste mittlerweile nicht mehr, ob das nur daran lag, dass der andere ihn unterrichten wollte oder ob er aus Zorro einen Mihawk machen wollte.

„Hey Lorenor, was ist denn los?“

Er seufzte. Er hatte ganz vergessen, dass Alkohol ihn nachdenklich werden ließ und jetzt grübelte er über solch seltsamen Dinge nur weil der andere gemeint hatte, dass Zorro es in diesem Schloss gemütlich haben würde.

Das Schlimmste war nicht, dass der andere aus welchen Gründen auch immer ihn verändern wollte. Das Schlimmste war, dass Zorro versucht hatte sich anzupassen. Er hatte versucht sich zu benehmen, so zu verhalten, dass… ja dass was? Dass er besser zu Recht kam? Dass er überleben konnte? Oder war es mehr?

Warum interessierte es Zorro, was ihn von Mihawk unterschied? Warum machte er sich wegen einem dämlich Wort plötzlich so einen Kopf?

Angenehm?

Verdammter Wein!

„Lorenor?“

„Ich…“ Seine Stimme brach.

Was wollte er überhaupt sagen?

„Wie dem auch sein, du bist dort in Sicherheit. Das ist die Hauptsache“, sprach der andere nach einem Moment weiter und räusperte sich leicht. „Allerdings solltest du nicht raus gehen. Die Humandrill – das sind diese Affen von denen du gesprochen hast – haben sich menschliche Kampftechniken angeeignet und ich vermute, dass sie zurzeit noch zu stark für dich sind. Sie würden dich wahrscheinlich umbringen. Also bleib am besten im Schloss.“

Es ärgerte ihn, dass der andere glaubte, dass er nicht mit ein paar Affen parat kommen würde und noch mehr ärgerte es ihn, dass der andere es ihm erklärte, als würde er ihn für dumm halten.

„Schon klar, ich bin ja kein Spatzenhirn“, murrte er wütend.

Mihawk am anderen Ende der Verbindung seufzte tief auf: „Das habe ich auch nie behauptet, Lorenor. Also lege mir nicht fremde Worte in den Mund.“

Zorro schluckte. In diese Richtung sollte ihr Gespräch ganz gewiss nicht laufen, also entschloss er sich das Thema zu wechseln.

„Sag Dulacre“, murmelte er, „ist auf deiner Seite alles in Ordnung?“

„Auf meiner Seite?“ Der Samurai gluckste leise auf, offensichtlich erleichtert und erheitert über Zorros Wortwahl.

„Ja, auf meiner Seite ist alles in Ordnung. Die nächsten Tage werden sehr öde. Die anderen Samurai tröpfel so langsam ein und man wird verhindern wollen, dass wir uns über den Weg laufen, daher werde ich wohl an einigen Sitzungen teilnehmen.“

„Weißt du ob Gecko Moria auch da ist?“

„Hmm?“, gähnte der andere nun verwundert. „Ja, er wird hier auf Mary Joa versorgt, seine Wunden von eurem Kampf sind immer noch nicht komplett verheilt.“

„Ach so.“

„Lorenor. Jirou war heute hier. Er wird langsam misstrauisch. Er kennt mich gut und wie du weißt ist er nicht auf den Kopf gefallen. Noch hält er dein Überleben für unmöglich, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis er an der Geschichte von Lady Loreen zu zweifeln beginnt.“

Zorro betrachtete die kleine Teleschnecke.

„Möchtest du ihm die Wahrheit sagen?“, fragte er ruhig.

„Es geht nicht darum, was ich möchte“, entgegnete der andere gelassen. „Dir muss nur bewusst sein, dass er es irgendwann herauszufinden wird und dann werden wir ein Problem haben.“

Zorro nickte. „Keine Sorge, das ist mir sehr wohl bewusst.“

Ihr Gespräch ging noch wenige Minuten in denen sie Kleinigkeiten austauschten ehe der Ältere schließlich schlafen gehen wollte.

Aus Sicherheitsgründen vereinbarten sie, dass der Samurai sich erst wieder bei ihm melden würde, wenn er zu Kuraigana aufbrechen würde oder wenn etwas Unvorhergesehenes passieren würde. Zorro selbst würde ihn nur dann anrufen, wenn er in Gefahr stecken würde, nicht dass Zorro ihn dann wirklich anrufen würde.

Nach ihrem Gespräch lag er noch lange wach und betrachtete die Steindecke über ihm.

Früh am nächsten Morgen verwandelte er sich. Überraschend schnell schaffte er es diesmal, auch wenn die Verwandlung selbst so schmerzvoll wie davor war. Es kostete ihn fast eine Stunde bis er so bei Kräften war, dass er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte.

Er griff nach seinen Schwertern und schnallte sie sich um.

Auf dem Weg zur Türe fiel ihm sein eigenes Spiegelbild auf.

Er hatte sich verändert.

Natürlich fehlten die drei Ohrringe, stattdessen hing die filigrane goldene Kreuzkette um seinen Hals, aber es tat gut wieder sich selbst gegenüberzustehen. Mit herausgestreckter Brust und zurückgezogenen Schultern verließ er das Zimmer.

Im Flur traf er die Geisterprinzessin an, die durch die Gänge schwebte.

„Was hast du vor?“, fragte sie ihn während er den Ausgang suchte.

„Ich geh nach draußen.“

„Was?! Wieso solltest du das tun wollen? Da sind doch diese Affen!“

Er grinste.

„Eben deshalb. Ich will sie besiegen!“

Kapitel 10 - Wiedersehen

Kapitel 10 – Wiedersehen

 

- Eine Woche später -

 

-Zorro-

„Jetzt bleib doch mal stehen. Ich bin noch nicht fertig.“

„Mir geht’s gut. Lass mich in Ruhe.“

„Von wegen gut! Sobald du dich wieder verwandelst kippst du mir aus den Latschen.“

„Ich hab es unter Kontrolle, ich habe noch mindestens drei Stunden Zeit.“

„Ja und? Keine Verletzung heilt in drei Stunden.“

„Hör auf dir Sorgen um mich zu machen. Das nervt!“

„Ich mach mir keine Sorgen um dich. Aber wenn Falkenauge hier auftaucht und du tot bist rate mal wem er den Kopf abschlägt? Darauf kann ich gut verzichten.“

Zorro und Perona schritten durch die Flure des Schlosses, er mit seinen Schwertern, sie mit Mullbinden und Bandagen.

„Willst du schon wieder gegen diese Monster kämpfen?“, murmelte sie, hielt ihn aber nicht mehr auf, „Du bist doch so schon verletzt genug. Irgendwann bringen die dich noch um.“

„Ich hab noch nicht alle besiegt“, murrte er kühl und trat hinaus, „und während ich mich erhole ziehen sie sich ebenfalls zurück und werden stärker.“

Er konnte ein Grinsen nicht verhindern. Diese Affen waren stark, schnell und gnadenlos, die perfekten Trainingspartner.

„Du kannst hierbleiben. Da draußen ist es zu gefährlich für dich.“

Sie schnaubte: „Als würde ich dich noch einmal alleine in den Wald lassen. Ich habe dich fünf Stunden lang gesucht, nur weil du dich verlaufen hattest.“

Er entgegnete nichts sondern ging die Treppen hinunter, wissend, dass sie ihm in ihrer Geistergestalt bald folgen würde.

Mihawk hatte angerufen, der Krieg war vorüber und der Samurai hatte sich bereits auf den Weg gemacht, nachdem er sein Sargboot aufgesammelt hatte.

Zorro wusste also, dass der andere nicht mehr zu lange brauchen würde, deswegen musste er so schnell wie möglich alle Affen besiegen.

Es hatte an seinem Stolz genagt, dass der andere ihm davon abgeraten hatte nach draußen zu gehen. Wie ein kleines Kind, das bei Anbruch der Dunkelheit nach Hause musste. Der andere nahm ihn nicht ernst! Nahm ihn immer noch nicht ernst!

„Da bist du ja. Die Ruinen sind da vorne, du läufst wieder mal in die völlig falsche Richtung.“

Die Geisterprinzessin tauchte zwischen zwei Baumkronen auf und flog zu ihm hinunter.

Zorro folgte ihr und riss sich dabei ein paar seiner Verbände runter, die seine Bewegungen einschränkten.

Bis auf wenige Stunden war die Geistergöre immer in seiner Nähe gewesen. Hatte ihm beim Kämpfen zugeschaut, ihn danach zurück zum Schloss geführt und sich dann um seine Wunden gekümmert.

Es war nervig aber er vermutete, dass sie einfach nicht alleine sein wollte. Wenn sie mal nicht bei ihm ihre Freizeit verbrachte, war sie im Schloss und versuchte sich am Kochen.

Sie war furchtbar schlecht darin. Glücklicherweise waren sämtlicher Zucker, Honig und Rübensaft bereits aufgebraucht, dadurch war es ihr beinahe unmöglich noch irgendetwas süßes zuzubereiten, worunter sie sehr litt.

Er hingegen begnügte sich meistens mit einfachen Dingen, die ohne großen Aufwand gegessen werden konnten. Wahrlich nicht die eleganteste Lösung aber es war praktisch und schnell.

Er hatte die letzte Woche genutzt um stärker zu werden, besser zu werden. Nicht nur durch die Kämpfe gegen die Humandrill, wie Mihawk sie genannt hatte.

Gemeinsam mit der Quasselstrippe Perona hatte er mehr ungewollt als gewollt immer wieder über seine Verwandlung gesprochen. Doch obwohl sie so eine Nervensäge war musste er zugeben, dass sie wirklich hilfreiche Ideen hatte.

Jeden Morgen hatte er sich in Zorro verwandelt, hatte jedes Mal die Schmerzen gefühlt und glaubte sich allmählich dran zu gewöhnen. Er bildete sich auch ein nicht mehr so viel Zeit zum Erholen zu brauchen. Danach war er immer kämpfen gegangen.

Die ersten Tage hatte er nur wenige Stunden geschafft er selbst zu bleiben, wobei es irgendwann so schmerzhaft wurde, dass er nicht viel mehr hatte machen können als ruhig dasitzen, bis er dann doch dem unnachgiebigen Ziehen nachgeben musste. Die Verwandlung zurück zu Loreen war dagegen beinahe befreiend, er war zwar erschöpft aber dieser Schmerz, dieses Ziehen, verflog augenblicklich und ließ ihn nur müde zurück.

Doch gestern hatte er es tatsächlich bis zum späten Nachmittag geschafft auszuhalten und wie Perona richtiger Weise bemerkt hatte bedeutete das, dass er es trainieren konnte. Er konnte die Intervalle verlängern, er konnte länger in seinem richtigen Körper bleiben.

Dafür war er allerdings auch viel erschöpfter gewesen und hatte die komplette Nacht durchgeschlafen bis in die Mittagsstunden hinein.

Ein weiteres Problem war, dass Wunden, die ihn in seinem eigentlichen Körper noch nicht mal auffielen, ihm als Loreen unglaublich zu schaffen machten. Eine kleine Fleischwunde am Oberschenkel, kaum der Rede wert, hatte ihn als Loreen beinahe ohnmächtig werden lassen.

Perona hatte Recht. Als Loreen waren diese Verletzungen nicht hinnehmbar und da Zorro nicht verhindern konnte, dass er sich wieder verwandeln würde, konnte er also nur verhindern, dass er sich verletzte.

Dulacre hatte ihm diese Schwierigkeit von Anfang an eingeprägt, hatte betont, dass Zorro lernen musste auf solche Kleinigkeiten zu achten da sein weiblicher Körper viel schwächer war, doch jetzt in seinem alten Körper musste er aufpassen nicht in alte Muster zu verfallen.

Nach einem Monat als Loreen fiel es ihm beinahe schwer das Gewicht von Lorenor Zorro zu tragen, die Maße seines Körpers einzuschätzen, die Bewegungen seiner Muskeln zu kontrollieren. Im Verhältnis zu dem Fliegengewicht seiner weiblichen Gestalt bewegte sich dieser Körper fast schon schwerfällig und grob.

Ein weiteres Problem war, dass er sich nach seiner Verwandlung zu Loreen mehrere Stunden nicht zurückverwandeln konnte. Vielleicht lag es daran, dass er erschöpft war oder woran auch immer, aber er wusste es nicht sicher und das verwirrte ihn. Es verwirrte ihn, dass er nicht wusste was mit seinem eigenen Körper passierte, aber er hatte keine Zeit, sich davon ablenken zu lassen.

Während er mit den Affen kämpfte versuchte er all diese Dinge auszuschalten, versuchte das reine Gefühl des Kampfes zu genießen, aber so ganz konnte er das nicht.

Seitdem er auf Kuraigana war schlief er schlecht. Sobald er aufwachte war alles nicht mehr als ein bunter Strudel aus Erinnerungen und Bildern. Doch irgendwie ließen ihn diese seltsamen Träume nicht los. Aber auch darüber wollte er jetzt nicht nachdenken, also kämpfte er.

Es vergingen Stunden und die unersättlichen Affen wurden allmählich doch müde, zum ersten Mal seit einer Woche zogen sich die Affen von alleine zurück.

„Puh, hast du sie besiegt?“ Das Geistermädchen hockte hoch oben auf dem riesigen Kreuz, das wohl eine Grabstätte darstellen sollte.

„Nur vorläufig“, murrte er und steckte seine Schwerter weg ehe er sich zum gehen wandte. Nun konnte er sich ein leises Grinsen nicht verkneifen, er hatte es geschafft.

„Hey, wohin willst du denn?“ Sie flog ihm hinterher.

„Zurück zum Schloss, der heutige Kampf ist vorbei. Sie müssen ihre Wunden versorgen.“

„Du auch“, meinte Perona als sie über ihn hinweg flog und zeigte auf seinen Kopf.

Es war die einzige Verletzung, die er sich heute zugezogen hatte, dafür aber eine ziemlich dämliche, mitten auf der Stirn.

Im Schloss angekommen begann er seine Schwerter zu reinigen. Er konnte bereits das nervige Ziepen spüren; ein Zeichen dafür, dass sei Körper sich in absehbarer Zeit verwandeln würde.

„Lass mich doch erst mal einen Blick auf deinen Kopf werfen“, murmelte Perona, die zum ihm ins Zimmer kam, nun wieder in ihrem Körper, „solche Wunden muss man behandeln.“

Er ließ sie machen, während er sich um seine Schwerter kümmerte.

„Du bist heute noch ruhiger als sonst“, beschwerte sie sich. „Liegt es daran, dass Falkenauge bald hier sein wird?“

Er entgegnete nichts, sondern steckte Shuusui weg.

Sie wickelte einen Verband um seinen Kopf. Seit er ihr gesagt hatte, dass Moria noch am Leben war, war sie deutlich besser gelaunt. Dieser seltsame Mann von einem Monster schien ihr sehr wichtig zu sein, nicht dass es ihn wirklich interessierte, trotzdem hatte er Mihawk nach dem Kerl gefragt.

„So fertig.“

Sie stand auf. „Du solltest wirklich etwas besser auf dich achten. Macht dir das Kämpfen so viel Spaß? Seinen Körper so zu schinden kann ja gar nicht gesund sein.“

Er sah zu ihr auf. Am ersten Tag seines Trainings hatte sie ihn durch ihre Hollow-Geister gerettet. Er war mitten im Kampf vor den Affen zusammengebrochen als das Ziehen sich plötzlich in einen unbändigen Schmerz entwickelt hatte und sie hatte verhindert, dass sich die Horde von Primaten auf ihn gestürzt hatte.

„Es geht nicht um den Spaß“, meinte er ruhig und nickte zum Dank, „ich will der beste werden, der beste Schwertkämpfer, das ist mein Traum und ein paar Affen werden mich nicht davon abhalten.“

Sie schüttelte den Kopf. „Männer.“

Dann ging sie hinaus und er genoss ein paar wenige Minuten ohne ihre Anwesenheit.

Die letzten Tage waren anstrengend gewesen. Er hatte sich wenig Ruhe gegönnt, hatte sich wenig Möglichkeit gegeben ans Nachdenken zu kommen. Er durfte nicht darüber nachdenken wie es seiner Crew ging, ob sie alle noch am Leben waren und er durfte nicht darüber nachdenken, dass es einen Krieg gegeben hatte worüber er keinerlei Informationen hatte.

Letzteres würde sich vermutlich ändern sobald der Samurai auftauchen würde, schließlich hatte dieser an vorderster Front mitgekämpft. Aber die Art wie der andere mit ihm gesprochen hatte, machte ihm deutlich, dass es da etwas Wichtiges gab, was Mihawk mit ihm besprechen wollte. Der andere verheimlichte ihm etwas. Etwas was er ihm nicht über die Teleschnecke sagen wollte.

Es musste etwas mit seiner Crew zu tun haben oder mit Eizen, was sonst sollte Zorro wichtig sein?

Plötzlich stand er auf und ging zur Tür hinaus, jagte den Flur hinunter zur Treppe.

„Hey was…“ Perona kam gerade aus der Küche am Treppenabsatz, doch er lief an ihr vorbei.

„Wir sind nicht mehr alleine“, meinte er nur, überrascht darüber, dass sie es noch nicht einmal gemerkt hatte.

„Was… Wie?“ Sie folgte ihm zum Flur, dort riss er die Türe zum Eingangsbereich auf, fast zeitgleich öffnete sich eine Seite des doppelseitigen Tores.

Zorro blieb stehen.

Vor ihm stand Dulacre.

Auch dieser blieb stehen und sah ihn für einen Moment einfach nur an.

Zorro hatte ihm nicht gesagt, dass er es geschafft hatte, dass er sich verwandeln konnte und nun stand er ihm gegenüber. Wie damals, es war das erste Mal seit jenem Tag im East Blue, dass er ihm als er selbst, als Lorenor Zorro, gegenüberstand.

Der andere wirkte nun nicht mehr so überragend groß aber immer noch sah der Samurai ihn mit großen Augen an.

Für eine Sekunde schien die Welt stehen zu bleiben.

„Lorenor.“

Innerhalb eines Atemzuges stand der andere vor ihm, sah für einen Augenblick zu ihm hinab und riss ihn dann an sich.

Wie erstarrt stand Zorro da.

Das hatte er nicht erwartet.

Natürlich waren er und der Samurai nicht mehr nur die Feinde von damals, als sie sich im East Blue gegenüberstanden, trotzdem war Dulacre niemand, der sich von Emotionen überrennen ließ, niemand, der sie so offen zeigte.

Zorro wusste nicht, was er tun sollte. Das hier war nicht Ruffy, den er einfach wegstoßen konnte wenn er wollte, oder Robin aus deren Händen er sich winden konnte.

Endlich löste der Ältere sich von ihm und hielt ihn eine Armlänge von sich weg, beide Hände auf Zorros Schultern. Der Ältere betrachtete ihn mit einem konfusen Gesichtsausdruck.

„Du kannst dich also wirklich verwandeln“, murmelte er dann.

„Ist dir das etwa jetzt erst aufgefallen?“, murrte Zorro. „Hast du nicht den Größenunterschied gemerkt, die Haare, die Stimme?“

Der andere grinste schief. „So groß bist du nun auch wieder nicht.“

„Ach lass mich doch in Ruhe!“

Er schlug die Hände des anderen weg, doch dieser schmunzelte nur belustigt.

„Auf meinem Weg zum Schloss habe ich die Humandrill gesehen“, murmelte der Samurai dann ernst, „ich wusste nicht ob ich dich noch lebend antreffen würde.“

Zorro sah weg, die Schamesröte immer noch im Gesicht. „Traust du mir echt so wenig zu?“, fragte er leise. „Traust du mir wirklich noch nicht einmal zu mit so ein paar Affen fertig zu werden?“

Dulacre schüttelte halbherzig den Kopf. „Es ist wohl eine meiner größten Verfehlungen dich stets zu unterschätzen.“ War das Sarkasmus oder meinte er das ernst?

Immer noch betrachtete der Ältere ihn, seine goldgelben Augen hochkonzentriert zusammengekniffen.

„Was?“, murrte Zorro, er mochte nicht wie der andere ihn ansah.

„Irgendetwas ist anders, du siehst anders aus.“

Der Jüngere verschränkte die Arme. „Ja klar, ich bin jetzt wieder ich.“

„Das meine ich nicht. Es sind die Ohrringe.“

Ungewollt fasste sich Zorro an sein linkes Ohr. Es stimmte, natürlich fehlten sie.

„Was hast du denn erwartet? Sie sind damals geschmolzen.“

Der andere nickte zustimmend, immer noch gedanklich abwesend.

Dann machte der Schwarzhaarige einen Schritt vorwärts und zog Zorros bereits arg mitgenommenes Hemd zur Seite.

„Hey, was…?“

„Oh.“ Der Ältere atmete tief ein und als Zorro seinem Blick folgte, konnte er das obere Ende seiner Narbe erkennen.

Er beobachtete wie der Ältere seine Narbe begutachtete, wie die Augen das Hemd entlang glitten als könnte der Ältere hindurchsehen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass es das erste Mal war, dass der andere diese Narbe sah.

Grinsend trat er einen Schritt zurück und zog das Hemd dann einfach aus.

Es überraschte ihn etwas, dass der andere so fasziniert war, es war doch nur eine Narbe. Zugegeben eine Narbe, die für Zorro selbst von tiefer Bedeutung war, aber wahrscheinlich eher weniger für den Samurai.

„Ich habe dich damals gezeichnet.“ Die Stimme des Samurais war ruhig aber da war etwas unterschwelliges, was Zorro nicht zuordnen konnte. „Und eines Tages wirst du mich ebenso zeichnen.“

Zorro grinste und zog das Hemd wieder an. „Da kannst du dir aber sicher sein.“

Dulacre grinste nun auch.

„Du meine Güte, was ist das denn für eine Spannung zwischen euch?“ Aus dem Nichts plärrte das Geistermädchens dazwischen.

Augenblicklich verschwand Mihawks Grinsen und kühl sah er über Zorros Schulter hinweg.

„Und du bist dann wohl diese Perona, die unerlaubt mein Heim betreten hat.“

Sein Blick hatte wieder diesen vernichtenden Ausdruck den Zorro so begrüßte und auf der anderen Seite verriet der schnellere Atem der Geisterprinzessin ihre Nervosität.

„Da konnte ich ja wohl nichts für. Es war niemand hier und ich war ganz alleine.“

Der Samurai seufzte.

„Nun gut, jetzt bin ich jedoch heimgekehrt und da du meine Gastfreundschaft schon zu genüge ausgekostet hast, bitte ich dich zu gehen, jetzt.“

„Was? Du wirfst mich raus?!“ Blanke Angst hallte in ihren Worten wider. „Aber draußen sind doch diese Affen, die bringen mich um!“

„Das wäre nicht mein Problem.“ Der Ältere war kalt wie eh und je.

„Aber, aber…“

„Lass sie doch bleiben.“

Überrascht starrte Dulacre zu Zorro hinab.

„Sie ist zwar eine Nervensäge aber immerhin hat sie sich um mich gekümmert als Bär mich hierhin geschickt hatte und sie hat meine Verletzungen versorgt.“

Er deutete auf seinen Kopf.

Einen Moment lang betrachtete der Ältere seinen Verband und dann das Mädchen mit den rosa Haaren ehe er abwehrend beide Hände hob.

„Meinetwegen. Mir soll es egal sein.“ Er wandte sich ab. „Allerdings bin ich nicht für dich verantwortlich, Mädchen. Dein Leben ist mir gleichgültig und ich bin nicht so nachsichtig wie Lorenor. Also stell meine Geduld nicht auf die Probe.“

Perona machte einen Schritt zurück.

„Urgh, du bist ja noch schlimmer als Zorro.“

Der Samurai ignorierte sie und sah Zorro wieder an.

„Lorenor, ich würde gerne zuerst das restliche Gepäck ausladen und dann mit dir sprechen.“

Zorro nickte, ehe er sich der Geisterprinzessin zuwandte.

„Hey Perona.“ Schnell löste sie ihren Blick vom Herrn der Insel. „Du bleibst hier und kochst irgendwas halbwegs essbares.“

„Du hast mir gar nichts zu… okay.“

Gegen ihn hatte sie sich noch getraut zu wettern aber Mihawk schüchterte sie wortlos ein.

Auf dem Weg durch den Wald waren beide Schwertkämpfer ruhig.

„Also hast du nicht vor direkt heute zum Sabaody Archipel aufzubrechen?“, fragte Zorro nun ungestört von ungewollten Zuhörern.

„Nicht heute“, stimmte der Ältere zu ohne seinen Blick zu suchen. „Es gibt wichtigere Dinge, die wir besprechen müssen. Wenn du danach immer noch aufbrechen möchtest, ist es mir Recht morgen abzureisen.“

Zorro nickte nur, ohne etwas zu erwidern. Mittlerweile wusste er, wann sich eine Diskussion lohnte und wann nicht.

Immer wieder konnte er die Augen des anderen auf sich fühlen.

„Was ist denn?“, murmelte er und zupfte an seiner Bandage. Dieses Begutachten behagte ihm nicht.

„Nichts. Es ist nur etwas ungewohnt.“

Nun sah er den anderen doch an. Zorro hatte erwartet, dass es anders sein würde zwischen ihnen sobald er wieder er war, allerdings benahm der andere sich immer noch genauso nervig wie bisher.

Er selbst konnte das Ziepen deutlich spüren.

„Du wusstest, dass ich es geschafft hatte, oder?“

„Natürlich. Die fehlenden Schwerter, die Klamotten und warum sonst hätte Bartholomäus Bär dich wegschicken sollen? Es war offensichtlich.“

Sie gingen durch die Schatten hindurch und Zorro konnte die Anwesenheit der Affen spüren, doch keiner von ihnen war zu sehen. Offenbar fürchteten sie den Samurai.

„Und du bist nicht verletzt?“, murmelte er dann, noch leiser als zuvor und spürte wie eine leise Röte erneut über seine Wangen schlich.

Dulacre lachte leise. „Was für eine unbegründete Sorge.“

„Hör auf dich so aufzuplustern. Immerhin war es ein Krieg und selbst du…“

„Lorenor?“ Der Ältere sah ihn ernst an. „Hast du dir wirklich Sorgen um mich gemacht?“

Schnell sah er weg.

„Wer traut nun wem zu wenig zu?“ Doch der andere klang nicht beleidigt. Wieder schmunzelte der Ältere leise und sah zum näher kommenden Ufer. „Aber nein, ich bin nicht verletzt.“

Sie hatten das Schiff erreicht und Zorro war erstaunt wie viel Kram sich im Bauch des kleinen Schiffes versteckt hatte.

Es dauerte mehrere Minuten ehe der Samurai alles herausgetragen hatte und sie das Gepäck zwischen sich aufgeteilt hatten.

„Hierfür ist es deutlich von Vorteil, dass du nun diese Gestalt annehmen kannst“, meinte Mihawk mit einem schiefen Grinsen doch Zorro schwieg.

„Nun denn Lorenor, dann erzähl mir doch mal wie dein Training die Woche über lief. Du warst ja offensichtlich nicht untätig.“

Der Rückweg war etwas gemächlicher und Zorro berichtete dem Älteren bereitwillig von den letzten Tagen. Wobei er sich jedoch rein auf die Konfrontation mit den Affen beschränkte.

Der Andere unterbrach ihn kaum und fragte wenig, ließ ihn frei reden, hakte selten nach.

Erst als sie bereits die Stufen zum Schloss hoch gingen beendete er seine Zusammenfassung.

Der andere schwieg.

Drinnen angekommen stellten sie die Gepäckstücke ab.

„Sag diesem Mädchen, dass wir uns nun zurückziehen werden und dass sie das Abendessen doch bitte in einer Stunde fertig haben möchte. Vorzugsweise würde ich bis dahin etwas Tee begrüßen.“

Zorro sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, ging jedoch zur Küche und gab Perona Bescheid.

Sie sah ihn mit großen Augen an und begann dann herumzukeifen, dass sie keine Dienerin sei.

Doch er ging und folgte dem Samurai in einen riesigen Saal mit Kamin.

Mihawk ließ sich auf einem ausladenden Sessel nieder, der fast genauso aussah wie der Sessel in Sasaki und bedeutete ihm Platz zu nehmen.

„Ich bin mir sicher du möchtest die Details des Krieges erfahren.“

Zorro nickte.

„Gut, es gibt da nämlich einige wichtige Dinge, die du wissen solltest. Sagt dir der Name Puma D. Ace etwas?“

Nichts Gutes ahnend nickte er erneut. „Ich kenne ihn, er ist Ruffys großer Bruder und gehört zu den Whitebeard-Piraten.“

Er konnte sehen wie Dulacre ihn einen Moment erstaunt ansah und dann ganz kurz zögerte.

„Puma D. Ace ist tot und der Strohhut war auch auf dem Schlachtfeld.“

„Was?!“

„Wenn du möchtest, werde ich dir alles ganz genau erklären.“

„Ace ist tot? Das kann nicht sein!“

Er war aufgestanden.

„Lorenor, wo willst du hin?“

„Zu Ruffy!“

Er vergaß zu atmen.

„Setzt dich hin.“

„Nein, ich muss zu…“

„Lorenor!“

Er drehte sich um und sah den Samurai an, der selten laut wurde und nun ebenfalls aufgestanden war.

„Der Krieg ist vorbei und was geschehen ist, ist geschehen. Du kannst die Vergangenheit nicht verändern und kopfloses Handeln würde nur dazu führen, dass dein Kapitän einen weiteren Verlust hinnehmen müsste.“

Zorro starrte ihn an.

„Setzt dich und erfahre was geschehen ist. Danach können wir uns eine Strategie zusammenlegen.“

Er schluckte schwer.

„Ruffy war auch da?“, fragte er tonlos.

Der Samurai nickte.

„Hat er überlebt?“

„Er war schwer verwundet, aber er hatte starke Verbündete. Ich gehe davon aus, dass er überleben wird. Allerdings glaubt die Marine, dass er vernichtend geschlagen wurde und gestorben ist.“

Immer noch starrte er den Älteren nur an. Dieser seufzte.

„Nun gut, ich werde jetzt den Tee holen gehen, versuche dich derzeit etwas zu beruhigen.“

Damit wandte sich der Ältere zur Tür.

„Dulacre!“, rief er ihm nach. „Was soll ich mit Tee? Hol Sake!“

Der andere sah ihn über seine Schulter hinweg an, missbilligend die Augenbrauen hochgezogen, nickte dann aber.

Kurze Zeit später saßen beide sich wieder gegenüber, zwischen ihnen der teure Alkohol und der Samurai erzählte ihm was geschehen war.

Ihre Unterhaltung dauerte lange und irgendwann kam das Geistermädchen herein, sagte jedoch kein Wort als sie das Thema erkannte sondern hörte aus dem Hintergrund heraus zu.

Es wurde immer später und der Sake war schnell geleert. Das Ziepen in Zorros Brust wurde immer schlimmer und als es nichts mehr zu besprechen gab stand er auf.

„Also?“, fragte der Ältere ruhig, „Was hast du nun vor, Lorenor?“

Einen Moment sahen sie einander an.

„Ist doch ganz klar. Morgen brechen wir zum Sabaody Archipel auf. Ich muss jetzt zu Ruffy.“

Der Ältere nickte. „Nun gut. So sei es. Wenn das dein Wunsch ist, werde ich dir nicht sagen wie töricht dies ist.“

„Zu gütig“, murmelte er und verließ das Kaminzimmer.

Kaum dass er die Tür zugeschlagen hatte, musste er sich den Schweiß von der Stirn wischen. Sei Kopf rauschte, aber gerade war sein Körper der größere Feind. Seine Sicht verschwamm.

Geradeso schaffte er es noch in sein Zimmer zu flüchten, ehe er dem Schmerz in seiner Brust nachgab.

Er rutschte am kühlen Holz der Türe hinunter und begrüßte die eintretende Erschöpfung während der Schmerz nachließ. Er hatte noch nie so lange durchgehalten wie heute.

Es war dunkel und kühl in seinem Zimmer und er konnte nicht verhindern, dass seine schmalen Finger zitterten.

„Ruffy“, flüsterte er und ließ zu, dass die Tränen sein Gesicht hinunter liefen.

Kapitel 11 - Schlaf

Kapitel 11 – Schlaf

 

-Zorro-

Einen Moment betrachtete er sein Spiegelbild.

Obwohl er vom vergangenen Tag noch total ausgelaugt war, sah man es ihm nicht an und das war gut so, das letzte was er wollte war, dass der andere ihn für schwach hielt.

Die Verwandlungen waren kräftezehrend, aber auch das brauchte der andere nicht zu wissen.

Tief atmete er ein und verließ das Zimmer, die Gedanken bei seiner Crew und seinem Kapitän.

Auf dem Weg nach unten begegnete er niemandem. Auch die Küche war verlassen. Erst im großen Saal, wo er am Vorabend mit dem Samurai gesprochen hatte, traf er diesen auch an.

Mihawk saß an der großen Tafel, las Zeitung und aß ganz offensichtlich das vergessene Abendessen vom vergangenen Tag.

„Guten Morgen, Lorenor“, grüßte er ihn ohne auch nur aufzusehen. „Schön, dass deine Wunden in dieser Gestalt so gut verheilen.“

„Morgen“, murmelte er und ließ sich auf dem Stuhl neben dem Älteren fallen ohne darauf einzugehen.

„Du solltest etwas essen, damit wir dann aufbrechen können“, riet Mihawk, weiterhin am lesen. „Schließlich möchtest du ja so schnell wie möglich zu deinen geliebten Freunden.“

„Schon klar“, murrte er und griff unter der Zeitung hinweg nach einem kleinen Stück Brot neben dem Teller des anderen. Die gelben Augen beobachteten ihn, mehr jedoch auch nicht.

„Du wirkst erschöpft“, meinte der Schwarzhaarige dann, „oder liegt das nur daran, dass du immer noch die gleichen verdreckten Klamotten trägst, die du in Mary Joa von mir ausgeliehen hast?“

Zorro rollte mit den Augen und kaute auf dem trockenen Brot herum. So viel dazu.

„Du solltest dich auf jeden Fall noch umziehen ehe wir fahren. So möchtest du sicherlich nicht gesehen werden.“

„Ja ja, Nerv mich nicht. Ich dachte wir hätten geklärt, dass du nicht mein verdammter Vater bist.“

Nun sah der andere ihn wieder an.

„Selbstredend, wenn ich dein Vater wäre würdest du dich nicht so ausdrücken. Nein, du verheimlichst mir etwas und das missfällt mir.“

„Und wieso glaubst du das?“ Wie der andere ihn gerade aufregte mit seiner verdammten Allwissenheit.

„Du bist erschöpft, trotz einer langen Nacht Schlaf, und du hast dich gestern sehr schnell zu Bett verabschiedet. Sehr untypisch für dich. Außerdem…“ Dulacre begann wieder zu lesen. „Hat dieses Mädchen mit den Geisterkräften ein paar interessante Bemerkungen über dich fallen lassen.“

Zorro fragte gar nicht nach, woher der andere Peronas Teufelskräfte kannte.

„Du hast dich gestern Abend noch mit ihr unterhalten?“

Der Ältere nickte.

„Sie hatte nach Gecko Moria gefragt, der laut den Berichten der Zeitung im Kampf gefallen ist. Ich habe daran jedoch meine Zweifel. Schließlich lebte er noch als ich das Schlachtfeld verließ und da war der Krieg bereits beendet.“

Zorro kaute immer noch auf seinem Brot herum. Der Samurai hatte ihm erzählt was geschehen war, sehr genau erzählt was auf dem Schlachtfeld alles geschehen war.

„Wo ist sie überhaupt? Sie wollte doch mit zum Sabaody Archipel kommen.“

„Wird sie nicht“, entgegnete der Samurai kühl.

„Was? Wieso?“

Der Ältere sah ihn wieder an.

„Das Sargboot ist für eine Person ausgerichtet, wir sind bereits zu zweit. Sie wird hierbleiben.“

Für Zorro hörte sich das nach einer Ausrede an, aber ihm sollte das nur Recht sein.

„Weiß sie das schon? Wird nicht begeistert sein.“

Mihawk zuckte mit den Achseln.

„Ich habe es gestern mit ihr besprochen. Sie war relativ schnell einsichtig.“

„Ja sicher“, entgegnete er ironisch.

„Allerdings habe ich ihr zugesagt, dass ich dafür sorgen werde, dass eines der Versorgungsschiffe sie mitnehmen wird.“

„Ach wirklich? Dafür, dass sie dir egal ist scheinst du dir ja echt Mühe zu geben.“

Der Ältere faltete seine Zeitung.

„Ich begleiche nur meine Schuld.“

„Ach?“

„Sie hat auf dich aufgepasst und ich weiß aus eigener leidiger Erfahrung, dass dies wahrlich keine leichte Aufgabe ist.“

„Ach, halt die Klappe.“

Wenig später brachen sie auf. Perona hatte sich bis dahin nicht blicken lassen, vermutlich schmollte sie in ihrem Zimmer oder aber sie hatte einfach zu viel Angst vor dem Samurai.

Zorro trug mittlerweile saubere Klamotten und hatte auch seine Schwerter dabei. Der Samurai hatte währenddessen neben seinem Schwert noch Josei und einen kleinen Beutel mit Zorros Habseligkeiten geschultert. Zumindest vermutete Zorro, dass es sich um seine Besitztümer handelte, denn er selbst hatte das nicht gepackt.

„Wie lange werden wir denn unterwegs sein?“, murmelte er als sie dem Meer immer näher kamen.

„Wir sollten morgen früh ankommen. Mit dem Sargboot sind wir deutlich schneller als mit größeren Schiffen.“

Sie würden also einen ganzen Tag brauchen. Das war nicht gerade gut.

„Du solltest dich überdies nicht als Lorenor Zorro auf dem Sabaody Archipel zeigen.“

„Was? Warum?“

„Ach Lorenor, wirklich? Die Welt hält dich für tot, die Welt hält deinen Kapitän für tot und deine Crew für besiegt. Wenn dich nun wenige Tage später jemand dort sieht, verliert ihr das einzige was euch zurzeit Schutz bietet.“

Der andere mochte damit absolut im Recht liegen, aber Zorro gefiel das ganze überhaupt nicht. Wie sollte er nach Spuren von seiner Crew suchen, herausfinden wo die Sunny war, wenn er als Loreen durch die Gegend watschelte?

Auf der anderen Seite bot ihm das natürlich die perfekte Ausrede um sich wieder in Loreen zu verwandeln, wenn er es nicht mehr verhindern konnte.

Am Meer angekommen kletterte er wie immer direkt an Bord während der Ältere noch das Tau löste, doch diesmal hockte er sich einfach auf den Boden und nicht auf den einzigen Sitzplatz wie sonst. Es wäre ihm falsch vorgekommen.

Als Mihawk an Bord kam betrachtete dieser ihn einen Augenblick mit unleserlicher Miene, ehe er sein Schwert hinter seinen Thron platzierte und sich dann niederließ.

„Du benimmst dich wirklich ganz anders als sonst“, stellte der Samurai fest nachdem das kleine Schiff endlich losfuhr. Seine Miene war kühl doch er kniff die Lippen etwas fester zusammen als sonst.

Zorro sah aufs Meer hinaus. „Vielleicht benehme ich mich aber auch wie immer und du hast nur ein Problem damit weil ich nicht mehr Loreen bin.“

„Oder aber du versuchst - jetzt da du wieder ein Mann bist - die Distanz zu mir zu waren und zwar mehr als je zuvor.“

Kurz sahen sie einander an ehe Zorro den Blickkontakt brach. Er hasste es, wenn der andere so nervig war.

„Sag mal“, murmelte er dann und schnitt ein anderes Thema an, „warum machst du das hier eigentlich mit? Normalerweise würdest ewig vorhalten, dass es viel zu leichtsinnig wäre jetzt zum Sabaody Archipel zu reisen. Außerdem bin ich noch nicht stark genug, wir hatten uns auf einen Monat weiteres Training geeignet und jetzt kritisierst du meine Entscheidung noch nicht mal?“

Dulacre sah ihn mit leicht zur Seite geneigten Kopf an, seine goldgelben Augen stachen unter dem Schatten seines Hutes hervor und seine schmalen Lippen waren nun zu einem leichten Grinsen gekräuselt.

Doch er antwortete nicht, sondern schüttelte nur leicht den Kopf und wandte den Blick ab.

Zorro entschied nicht weiter nachzuhaken, zuckte nur mit den Schultern und ließ sich mit geschlossenen Augen auf den Rücken fallen, die Arme hinterm Kopf verschränkt. Der andere war ihm keine Antwort schuldig.

„Ich habe mich immer gefragt wieso du dem Strohhutjungen folgst“, sprach der Samurai aus dem nichts. „Du bist ein beeindruckender junger Mann, du könntest selbst Anhänger um dich scharen wenn du wollen würdest. Ich meine mich sogar an zwei Jungen erinnern zu können, die dich Bruder nannten, damals im East Blue.“ Der Ältere lachte leise. „Ich habe viel von mir in dir gesehen und mich gefragt warum jemand wie du, der zum Anführer nahezu geboren ist, einem nicht ernstzunehmenden Bengel aus Gummi mit Strohhut folgt.“

Zorro sah wieder zu dem anderen hinauf, der nun die Beine übereinander geschlagen hatte.

„Ich habe ihn auf dem Schlachtfeld ganz genau beobachtet und ich glaube ich verstehe dich jetzt besser. Ich verstehe warum du zum Sabaody Archipel möchtest. Ich halte es ganz gewiss nicht für klug, aber ich verstehe es. Auch wenn du nicht der Kapitän bist, so sind wir uns doch sehr ähnlich. Auch ich habe nicht immer nur kluge Entscheidungen getroffen und war mir dessen bewusst.“

Einen Moment nahm der Pirat sich Zeit zu verstehen, was der andere ihm gerade gesagt hatte, doch dann schüttelte er schnaubend den Kopf.

„Du hast absolut keine Ahnung“, meinte er böse grinsend.

Die Miene des anderen wurde steinern. „Ach nein?“

Dann wurde Zorro ernst. „ Du schätzt mich völlig falsch ein. Ich bin niemand, der Anhänger um sich schart. Ich brauche so etwas nicht und ich will es auch nicht. Ich will kein Anführer sein, da sind du und ich grundverschieden.“

Der Ältere schwieg.

„Aber du hast Recht. Ruffy ist der Käpt’n und ich folge ihm und ja“, Zorro lachte leise, „er ist ein nicht ernstzunehmender Bengel aus Gummi. Aber er ist auch der Mann, der eines Tages der König der Piraten sein wird.“

Immer noch war der Ältere still.

Nach einer Weile schmunzelte er kopfschüttelnd.

„Du hast Recht, Lorenor. Ich verstehe wirklich überhaupt nichts von dem was du sagst. Deine Beweggründe sind mir wie immer ein Rätsel.“

Zufrieden schloss Zorro wieder die Augen.

„Da bin ich ja beruhigt.“

Und dann schlief er ein.

 

-Mihawk-

Aus dem Schatten seines Hutes heraus beobachtete er den schlafenden Lorenor Zorro.

Natürlich hatte er gewusst, dass Lorenor geschafft hatte sich zurück zu verwandeln. Er hatte es in jenem Moment gewusst als er gesehen hatte, dass die drei Schwerter gefehlt hatten.

Hätte der andere sich nicht verwandelt, hätte er entweder nur eines seiner Schwerter oder aber Josei genommen. Allerdings hatte es Dulacre tatsächlich überrascht, dass der Jungspund trotz seiner überstürzten Handlung besonnen genug gewesen war, Josei eben nicht mitzunehmen. Gemeinsam mit dem Kitetsu der dritten Generation wäre dieses Schwert der sichere Untergang für jeden Träger.

Der unordentliche Schrankkoffer zusammen mit dem zerfetzten Kleid waren dann nicht mehr als selbsterklärende Beweise gewesen.

Jedoch hatte er sich nicht erklären können, wohin und auf welche Weise der junge Pirat hatte verschwinden können. Sein Gesicht war weltbekannt und wenn er frei durch die Gänge der Weltregierung gerannt wäre, hätte man ihn entdeckt und gefangen genommen.

Im Endeffekt war es beinahe schon ein kleines Wunder - ein fast schon zu perfekter Zufall - gewesen, dass Lorenor ausgerechnet Bär direkt vor die Füße gelaufen war. So unwahrscheinlich, dass Dulacre es noch als Möglichkeit sofort verworfen hatte. Und dass der andere Samurai dann auch noch Stillschweigen über diese unerwartete Zusammenkunft bewahrt hatte, war schon mehr als ein kleines Wunder gewesen.

Es war beinahe so ein schicksalhafter Zufall wie der, dass Lorenor ausgerechnet auf Kuraigana gelandet war, ausgerechnet auf der Insel, die er selbst sich als Heimat auserwählt hatte. Wie wahrscheinlich war so etwas?

Doch das alles war zweitrangig gewesen, denn immerhin war Lorenor in Sicherheit gewesen, zwar weit entfernt, aber in Sicherheit und im Nachhinein betrachtet war es vielleicht sogar besser so gewesen, dass Lorenor den Krieg nicht aus der ersten Reihe hatte mitverfolgen können.

Es überraschte Dulacre, dass schon wieder die Strohhüte, nein, der Strohhut da drin verwickelt war. Schon wieder, Crocodile, G5, Enies Lobby, Moria, G6, Sabaody Archipel, jedes Mal war der Strohhut involviert gewesen und nun war er auch noch in Impel Down eingebrochen, wieder ausgebrochen und hatte an dem Ereignis der jüngsten Geschichte teilgenommen.

Nein, es war besser, dass Lorenor nicht dagewesen war, nicht hatte mitansehen müssen, wie sein Freund und Kapitän wie ein Spielball zwischen den Mächtigen hin und her geflogen war. Es war besser, dass Lorenor nicht erneut hatte hilflos zusehen müssen wie sein Freund und Kapitän vernichtet wurde.

Trotzdem war es erstaunlich gewesen, dieses Kind auf dem Schlachtfeld zu beobachten. Dieser Junge, der eindeutig unterlegen war und trotzdem erfolgreich seinen Bruder befreien konnte, auch wenn jener schlussendlich trotzdem gefallen war. Dieser Junge, der aus Feinden Freunde machte und der es sogar geschafft hatte, dass er, Falkenauge, für einen Augenblick irrational gehandelt hatte, dem Schicksal eine Chance gegeben hatte, dieser Junge war wirklich außergewöhnlich und mit Sicherheit sehr gefährlich.

Aber wenn das nicht der Grund war, warum Lorenor diesem Jungen folgte, warum dann?

Egal, das war nichts von wirklichem Belang.

Der Krieg war vorbei, Whitebeard, Puma D. Ace und so viele andere waren tot und nun würden die Dinge ihren Lauf nehmen. Das erste Mal seit Jahren, dass etwas halbwegs Interessantes passieren würde.

Er selbst hatte einen Grund gesucht das Schlachtfeld zügig verlassen zu können, hatte diesen innerlichen Drang zur Eile verspürt. Er hatte es sich selbst nicht erklären können. Hatte dieses unterschwellige Gefühl zunächst gar nicht wahrgenommen, geschweige denn verstanden und selbst jetzt verwirrte es ihn noch.

Das Auftauchen vom roten Shanks war dementsprechend erneut eine fast zu perfekte Gelegenheit gewesen, die er direkt genutzt hatte um zu gehen.

Er hatte sich gefragt, wie er es am besten seinem Wildfang erklären sollte, ohne dass dieser direkt wieder überstürzt losstürmen würde, war zu dem Schluss gekommen, dass er es so oder so nicht verhindern konnte. Mit keinem Wort der Welt hätte er Lorenor davon abhalten können zum Sabaody Archipel aufbrechen zu wollen. Natürlich hätte er die Kraft und die Fähigkeit gehabt Lorenor auf Kuraigana festzuhalten, aber das wäre wohl nicht zielführend gewesen.

Also hatte er entschieden dem Jungspund die ungeschönte Wahrheit zu sagen, nichts auszulassen, jede noch so kleine Information weiterzugeben, damit der Jüngere anhand derer entscheiden konnte.

Es war ein guter Plan gewesen, ein angebrachter Plan.

Doch als er auf Kuraigana angekommen war, hatte er diesen Plan vergessen. Früh war ihm aufgefallen, dass die Humandrill, die ihn normalerweise aus den Schatten heraus beobachteten, nicht dagewesen waren. Das hatte ihn beunruhigt, schließlich musste ihr ungewohntes Fernbleiben einen Grund haben. Sie verpassten sonst nie seine Anreise, die Ankunft des unangefochtenen Herrschers der Insel.

Er war also zu den Ruinen gegangen, tief hinein, am Grabmal vorbei, dorthin wo sie sich zurückzogen.

Auf seinem Weg war ihm das viele Blut aufgefallen, die vielen frischen Kampfspuren und er hatte Schlimmes geahnt.

Die Affen hatten seine Befürchtungen nur bestätigt. Sie alle waren verwundet und verletzt gewesen, fast wie bei Menschen hatten sie ihre Unterkünfte in ein Lazarett umgewandelt und sie alle hatten dreckige Bandagen getragen. In ihren Augen hatte blanke Furcht gestanden, als sie ihn gesehen hatten, aber auch in ihm war dieses ungewollte Gefühl der Angst wieder hochgestiegen.

Diese Angst, dass Lorenor eben nicht mehr wohlauf war.

Dass der Jungspund gegen die Humandrill gekämpft hatte war die einzige sinnvolle Erklärung gewesen. Es passte zu seinem Stolz, dass er trotz Dulacres Warnung oder gerade wegen dieser, die Affen herausfordern würde, umso mehr wenn er seinen alten Körper zurückerhalten hatte.

Aber wenn das der Fall gewesen war hatte es nur zwei Ausgangsmöglichkeiten gegeben, entweder er hatte zum wiederholten Male den Jüngeren unterschätzt, aber daran hatte er seine begründeten Zweifel gehabt, oder aber der Jüngere hatte zum wiederholten Male sich selbst überschätzt.

Er hatte Fürchterliches geahnt.

Schnell hatte er festgestellt, dass Lorenor zumindest nicht mehr in der Nähe der Affen aufzufinden war, also war er zum Schloss geeilt, unsicher was ihn dort erwarten würde.

Doch obwohl ihm sein Verstand andauernd eingeredet hatte, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Lorenor wirklich schwer verletzt oder gar tot war, äußerst gering war, so konnte er es nicht nochmal ertragen, konnte diese Sorge nicht noch einmal aushalten.

Dulacre wusste nicht, was genau ihn übermannt hatte, als er Lorenor gegenüber gestanden hatte, als dieses unfassbare Gefühl der Erleichterung über ihn hinein gebrochen war.

Aber mittlerweile war er sich sicher, dass seine Beziehung zu dem Jungen ihn mehr beeinflusste als er je für möglich gehalten hatte. Es war nicht mehr nur, dass er diesen Jungen beschützen wollte und dass er wollte, dass der Junge ein noch besserer Schwertkämpfer wurde als er selbst je sein konnte.

Es war egoistischer, einnehmender, erdrückender als alles was er kannte. Es erinnerte ihn deutlich an seine Gefühle für seine Schwester und war doch anders.

Seufzend betrachtete er den schlafenden Piraten.

Genau solche Gefühle hatten sie beide vermeiden wollen. Nein, der Jüngere hatte es vermeiden wollen, der Jüngere war vorsichtig gewesen. Er hingegen war so von sich selbst und seiner Kontrolle überzeugt gewesen, dass er es noch nicht einmal für möglich gehalten hatte, dass der Jüngere eines Tages seine Schwäche werden könnte.

Wie sich herausstellte war er derjenige gewesen, der sich selbst überschätzt hatte und nicht vorsichtig genug gewesen war und deswegen war er jetzt auch derjenige, der nicht schlafen konnte.

Stunden vergingen und er konnte nicht viel mehr tun, als das Meer zu beobachten. Der Junge zu seinen Füßen schlief selig und sein eigener Körper meldete sich auch vor Erschöpfung, doch seine Gedanken ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.

Doch diese beschäftigten sich ausnahmsweise mal nicht nur mit dem grünhaarigen Teufel sondern auch mit dem was der Welt nun bevorstehen würde. Es würde wahrlich interessant werden, Whitebeard hatte ein großes, klaffendes Loch hinterlassen und dieser Teach war gewiss nicht zum letzten Mal auf der Weltbühne aufgetaucht.

Nach einer Weile döste er dann doch ein, allerdings nicht für lange.

Die Sonne war dem Horizont schon recht nahe gekommen als er erwachte. Lorenor zu seinen Füßen schlief immer noch, aber nun murmelte er wortlos etwas vor sich hin, hielt sich mit einer Hand die Brust, tiefe Falten im Gesicht.

Er schien zu träumen. In diesem Moment sah er deutlich älter aus als zwanzig, oh Gott, war er erst zwanzig? Manchmal vergaß er, wie viele Jahre sie beide trennten, manchmal vergaß er, wie kurz sie einander erst kannten.

Bis auf diesen einen Albtraum vor wenigen Wochen hatte er den anderen noch nie unruhig schlafen sehen, im Gegenteil, der andere schlief normalerweise wie ein Toter, bewegte sich nicht, schnarchte nicht, atmete ganz ruhig. Nun gut, es war das erste Mal, dass er den anderen als Mann schlafen sah, aber das änderte für ihn kaum etwas. Ob Zorro oder Loreen, beide waren für ihn Lorenor.

Ja, es stimmte, Lorenor Zorro und Lady Loreen hatten wenig gemeinsam. Mit Ausnahme ihrer Haar- und Augenfarbe sahen sie grundverschieden aus und auch ihr Charisma konnte nicht gegensätzlicher sein.

Loreen wirkte für Unwissende zerbrechlich, beinahe schwach und lieblich, doch auf ihn hatte sie stets ungestüm und wissend gewirkt.

Zorro auf der anderen Seite wirkte auf Fremde böse und kalt, doch Dulacre sah einen selbstbewussten, beinahe schon nachdenklichen, jungen Mann.

Loreen war wie ein unberechenbarer Vulkan, Zorro hingegen ein unbezwingbarer Eissturm.

Aber sobald er in diese Augen sah, wusste er, dass sie beide der gleiche Mensch waren, beide zusammen ergaben Lorenor. Für Dulacre war es unerheblich in welchem Körper der andere war, solange der andere ihn nur so ansah wie er es immer tat.

Nun jedoch schienen die Träume unruhiger zu werden und der Jüngere wirkte beinahe so, als ob er Schmerzen hätte.

Warum war es Lorenor nur wichtig ihm die Wahrheit zu verschweigen? Glaubte der Jüngling wirklich, dass er es nicht längst bemerkt hatte?

„Lorenor!“

Die zusammengekniffenen Augen sprangen auf. Schnell brachte sich der andere in eine sitzende Position, seine linke Hand am Schwertgriff.

„Hast du etwa schlecht geträumt?“

Mit großen Augen und geöffneten Mund sah der andere sich um, musste offenbar erst einmal feststellen wo er war. Dann sah er ihn an ohne etwas zu sagen, die rechte Hand immer noch an seiner Brust.

„Wie lange kannst du es noch aushalten?“

„Was?“ Wild standen die kurzen grünen Haare in alle Richtungen ab, die tiefen Augen waren weit geöffnet und nun wirkte der andere wieder so wie immer. Wie ein Junge.

„Wie lange kannst du dem Drang dich in Loreen zu verwandeln noch widerstehen?“

Lorenor wollte etwas sagen, doch stockte und schaute weg.

„Seit wann weißt du es?“

Er zuckte mit den Achseln. „Seitdem du es verbergen wolltest.“

Für mehrere Sekunden herrschte Stille zwischen ihnen, dann sah der andere ihn wieder an.

„Ich denke bis kurz nach Sonnenuntergang, wenn ich mich konzentriere.“

Er nickte nachdenklich. „Das wäre dann nicht so lange wie gestern.“

„Falsch, es wäre sogar länger. Ich habe mich gestern erst deutlich später verwandelt.“

Das überraschte Dulacre dann doch.

„Du kannst es also wirklich trainieren?“

Der Jüngere grinste. „Natürlich.“

Er nickte erneut.

„Nun gut, du solltest dann bis zu unserer Ankunft unter Deck gehen.“

„Was? Wieso?“

Dulacre stand auf und trat seinen Stuhl nach hinten um die Luke freizugeben.

„Du wirkst erschöpft, du schläfst viel, deutlich mehr als sonst. Die Verwandlungen kosten Kraft und laugen dich aus. Zusätzlich musst du dich konzentrieren um es zu kontrollieren. Gehe unter Deck und finde etwas Ruhe. Schlafe und gewinne neue Kraft. Ich werde hier draußen Wache halten und dich morgen früh wecken sobald wir angekommen sind.“

Der andere stand auf und sah das Loch hinab. Kurz sah der Junge ihn an, mit offenem Mund, als ob er etwas sagen wollte.

„Ja, ist was?“

Schnell schüttelte der Jüngere den Kopf.

„Nein, ich hab mich wohl geirrt.“

Eilig kletterte der andere die Leiter hinab.

Worin hatte er sich geirrt?

„Wow, hier drinnen ist es ja echt toll! Du hast ja alles, was man brauchen kann.“

Lächelnd schüttelte er den Kopf.

„Natürlich, was hast du denn…“

„Hier ist ja sogar ein Bad und da ist sogar eine Badewanne drin. Was…“

„Gute Nacht, Lorenor!“

Er zog den Stuhl wieder nach vorne und setzte sich hin.

Unter ihm war es leise.

Vielleicht wäre er ja jetzt in der Lage ein paar erholsame Stunden Schlaf einzufangen.

Kapitel 12 - Abzocke

Kapitel 12 – Abzocke

 

-Mihawk-

„Bist du soweit?“, rief er die Luke hinab und gähnte ausgiebig.

„Muss ich das wirklich anziehen?“, kam ihm das Gejammer des Jungspunds entgegen.

„Lorenor, wir haben darüber doch gestern gesprochen.“

„Ja, wir haben darüber gesprochen, dass ich in diesem Körper an Land gehe aber…“

„Auf dem Sabaody Archipel ist die Wahrscheinlichkeit groß Journalisten zu begegnen. Mal ganz unbeachtlich sämtlicher Mitglieder der gehobenen Gesellschaft, die aufgrund des Krieges evakuiert worden sind. Es wäre unvorteilhaft wenn man Lady Loreen nicht in ihrer gewohnten Garderobe zu Gesicht bekommen würde.“

„Aber ich dachte du hättest den Leuten erzählt, dass ich krank wäre. Kommt es dann nicht noch viel komischer, wenn ich jetzt über das Archipel schlendere.“

Dulacre konnte das Rascheln von Stoff hören.

„Das war vor über einer Woche, in dieser Zeit kann viel passieren. Außerdem würde es zu Lady Loreen passen, sich zu zeigen als wenn nichts gewesen wäre um ihre Krankheit zu überspielen. Dadurch wird die Gerüchteküche angeheizt ohne dass wir auch nur ein Wort dazu verlieren müssen.“

„Das würde also zu mir passen?“, murrte der andere aus den Tiefen des Schiffes leicht beleidigt.

„Ich habe gesagt, dass es ein typisches Verhaltensmuster für Lady Loreen wäre, von dir war nie die Rede, nur von der Figur die du verkörperst.“

Der Jüngere lachte trocken und kam die Leiter hochgeklettert.

„Machst du das mit Falkenauge auch? Die Figur die du verkörperst?“

Der verwandelte Pirat trug ein schlichtes, schwarzes Kleid mit zierlicher Spitze als Verzierung. Er drehte seinen Rücken zu Dulacre um ihn den Reißverschluss schließen zu lassen. Was er auch tat, obwohl es ihm um die Nasenspitze herum ganz warm wurde.

„Natürlich. Du hast doch mittlerweile mit Sicherheit bemerkt, dass ich und Falkenauge relativ wenig gemein haben. Ich erfülle das Bild, welches von mir erwartet wird um im privaten Leben meine Ruhe zu haben. Es wäre wünschenswert wenn du das auch versuchen würdest.“

Der andere schnaubte leise, erwiderte jedoch nichts und zog sich einen leichten Sommermantel über.

Dulacre schulterte sein Schwert und auch Josei.

„Dann lass uns losgehen.“

Sie hatten bereits an einem der abgelegenen Grooves angelegt, abseits von all dem Trubel.

Der Jüngere seufzte und sah einen Moment zu ihm herüber, ehe er seinen schwarzen Hut tief ins Gesicht zog, doch sein Blick hatte nicht ihm gegolten, sondern Josei hinter seinem Rücken.

„Was ist denn, Lorenor?“

Erneut seufzte der andere ehe er schließlich an Dulacre vorbei von Bord ging.

Einen Moment sah er dem Jüngeren nach. Ihm war nicht bewusst gewesen, wie sehr es den anderen zu stören schien, sein Schwert nicht selbst zu tragen. Es war etwas, was der Samurai gut verstehen konnte. Schließlich trug er Yoru auch immer und überall mit sich herum, auch wenn eher aus praktischen Gründen. Ein wahrer Schwertkämpfer hatte nun mal eine ganz besondere Bindung zu seinen Schwertern und es sprach für Lorenor, dass er darunter litt, sie nicht bei sich haben zu können.

„Lorenor.“ Er folgte dem anderen und wollte ihm erklären, warum diese Handlung notwendig war. Doch dieser winkte einfach nur ab.

„Jaja, ich weiß, ich weiß, bin ja nicht blöd. Es ist sicherer so und es passt nicht zu der ehrenwerten Lady Loreen mit einem Schwert herumzulaufen. Ich hab’s schon verstanden.“

„Lorenor.“ Die Laune des anderen schien einen neuen Tiefpunkt erreicht zu haben.

„Wo sind wir hier überhaupt?“, entgegnete der verzauberte Pirat und augenrollend akzeptierte der Samurai, dass sie dieses Thema nicht näher besprechen würden.

„Auf Groove 53, hier sind nur die Werften und da diese seit dem Krieg geschlossen sind, ist hier momentan wenig Betrieb.“

Immerhin handelte zumindest er nicht unüberlegt.

Natürlich hätte er auch an der Marinebasis oder an einem der anderen Grooves anlegen können, aber hier war deutlich weniger los und von hier aus kam man ziemlich schnell zu Groove 13 und das war schließlich auch ihr Ziel.

„Und wo laufen wir jetzt hin? Weißt du etwa, wo die Sunny ist?“

Er sah den anderen von der Seite her an, die Krempe vom Hut wippte bei jedem Schritt.

„Ich habe meine Vermutungen, aber zunächst einmal möchte ich Shakuyak in ihrer Bar besuchen.“

„Und wieso das? Die liegt doch im gesetzlosen Viertel, oder?“

„Sehr richtig. Aus zwei ganz einfachen Gründen. Zum einen hat Kanan mich heute Morgen angerufen, dass Shakuyak dich eingeladen hat sie doch zu besuchen wenn wir bereits unterwegs sind und zum anderen weiß Shakuyak immer was auf dem Archipel vor sich geht. Vielleicht hat sie sogar etwas über deine Crew gehört.“

„Hmm“, machte der andere nur zustimmend. Nach einer Weile flüsterte er dann: „Sie hat mich eingeladen? Dich nicht.“

Nun musste Dulacre ein Lachen unterdrücken. „Oh nein. Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, Shakuyak und ich können uns nicht wirklich leiden. Vermutlich würde sie mich nicht einmal hereinlassen, wenn du nicht dabei wärest.“

Der andere lachte nun auch leise.

Die wenigen Menschen, die unterwegs waren betrachteten sie mit großen Augen, doch keiner stellte sich ihnen in den Weg.

„Stand in der Zeitung eigentlich etwas über Lady Loreen?“, murrte der Jüngere dann, „oder war der Krieg denen ausnahmsweise mal wichtig genug.“

Der Samurai grinste weiterhin: „Habe ich dir nicht gesagt, wie klug es ist selbst die Zeitung zu lesen?“

„Meinst du Perona würde mich lassen? Sie schneidet immer abertausende Artikel aus und benutzt den Rest um die Feuerstelle anzuzünden.“

Langsam kamen sie vorwärts.

„Du willst mir also sagen, dass du die ganze letzte Woche nicht einmal Zeitung gelesen hast?“

„Nur die, die du gestern mitgebracht hast.“

Er seufzte. „Ach je.“

„Jetzt ach je mich nicht. Stand was drin oder nicht?“

Sie hatten schon fast die Brücke zu Grove 10 erreicht.

„Zwei Tage nach deinem Verschwinden gab es einen großen Artikel darüber, dass man gesehen hat wie Lady Loreen in einem Krankenbett von Mary Joa weggebracht wurde und am Tag vor dem Krieg gab es eine große Geschichte über deinen Besuch auf Mary Joa, dazu passte natürlich dein dramatisches Verlassen ganz ausgezeichnet. Vielmehr stand in der Zeitung selbst nicht, aber dafür in einigen Klatschblättern.“

Der Jüngere schüttelte sich leicht. „Ich will gar nicht wissen, was die so geschrieben haben.“

„Da vorne beginnt die Zone der Gesetzeslosen. Ich würde also begrüßen, wenn du mir nahe bleiben würdest“, entgegnete Dulacre kühl.

„Was? Glaubst du ich komme nicht mit ein paar Kleinkriminellen klar?“

„Ich glaube, es wäre sinnvoller der Welt nicht zu zeigen, wie fähig du in dieser Gestalt bist. Der Überraschungseffekt könnte dir irgendwann einmal von Nutzen sein.“

Darauf erwiderte der andere nichts und blieb auch artig in seiner Nähe.

Nicht, dass ihnen hier Menschen begegneten.

„Hier ist ja noch weniger los“, meinte der andere, „wo sind die denn alle?“

„Du vergisst wer hier neben dir geht, mein Freund. Ich bin dafür bekannt grundlos und erbarmungslos Menschen umzubringen. Keiner dieser Ganoven möchte von mir bemerkt werden.“

„Gib nicht so an, ist doch nichts besonderes.“

„Ach, ich vergaß mit wem ich sprach...“

„Was soll das denn jetzt wieder heißen?“

Während sie sich gegenseitig abwertende Kommentare an den Kopf warfen gingen sie weiter.

 

-Zorro-

„Da vorne ist Shakuyaks Bar“, erklärte der Samurai als sie erneut eine Brücke überquerten.

An einem Baumstamm in der Nähe konnte Zorro 13 lesen.

Aufmerksam sah er sich um, sah die aufsteigenden Blasen und die seltsamen Gefährte. Diese Insel schien voller Wunder zu stecken und Abenteuer lag in der Luft, er konnte beinahe die laut singende Stimme seines Kapitäns hören. Ruffy hatte es hier mit Sicherheit gefallen.

Allmählich kamen sie einem kleinen Gebäude näher auf dessen Schild Bottakuri Bar stand.

„Abzocke“, murmelte er.

„Ja, das passt sehr gut zu Kanans Schwester“, schmunzelte der Samurai an seiner Seite. „Wollen wir hinein?“

Diese Frage erwartete keine Antwort. Zorro hoffte einfach nur, dass Shakky wirklich ein paar nützliche Informationen für ihn hatte.

Als der andere die Tür aufriss kam ihnen gerade eine ältere Männerstimme entgegen: „Dann mache ich mich jetzt auf den Weg. Bis bald.“

Wem die Stimme gehörte konnte Zorro nicht sagen, denn bis auf die schlanke Schwarzhaarige, die Zorro schon auf Sasaki kennen gelernt hatte, war die kleine Bar leer.

Shakky putzte gerade den Tresen, doch schaute auf und sah Zorro direkt an.

„Vielleicht solltest du noch einen Moment warten“, sagte sie mit einem Grinsen in der Stimme, „wir haben Besuch.“

„Besuch? Und wer?“ Der Mann im Hinterzimmer klang überrascht.

„Freunde vom Strohhut“, entgegnete Shakky und lächelte ihn ganz offen an.

Sie weiß es!

Dulacres Stimme hallte durch seinen Kopf.

„Tatsächlich?“, fragte der Mann erneut und tauchte im Türrahmen hinter Shakky auf. Er war etwas größer als Zorro in seiner richtigen Gestalt und hatte schulterlange weiße Haare sowie einen weißen Bart. Eine Narbe zeichnete sein rechtes Auge und er trug eine Brille.

Zorro wusste augenblicklich, dass dieser Mann gefährlich war.

„Der dunkle König“, sprach Dulacre neben ihm beinahe entspannt. „Was für ein Zufall dich hier zu sehen.“

Der alte Mann sah den Samurai mit einem flüchtigen Lächeln an: „Mihawk Falkenauge Dulacre, es ist lange her. Du bist ja ein richtiger Mann geworden.“

„Und du bist alt geworden“, entgegnete Mihawk kühl.

„Oh ja“, lachte der Alte entschuldigend, „die Zeit macht vor keinem von uns halt.“

Dann sah der dunkle König Zorro an, legte einen Moment den Kopf schräg, eilte dann zu ihm, verbeugte sich tief und nahm seine Hand. „Silvers Rayleigh mein Name. Enchanté meine Liebe.“

Zorro sah etwas unwohl zu diesem Mann hinab, schließlich wusste er wer der andere war.

„Rayleigh, ich glaube du verunsicherst unseren Besuch“, meinte Shakky mit einem Schmunzeln.

Der Angesprochene hob verwundert den Kopf. „Natürlich, tut mir leid, aber bei so einer hübschen Dame musste ich einfach sofort reagieren. Loreen war der Name, nicht war meine Liebe?“

„Nicht ganz“, antwortete Shakky bevor Zorro auch nur ein Wort rausbekam.

Sie weiß es!

Verwirrt sah der alte, ehemalige Pirat zur Barfrau hinüber und machte einen Schritt zurück.

„Wie meinst du das?“, fragte Rayleigh, aber die Schwarzhaarige zuckte nur mit den Schultern.

Dann sah der Ältere wieder zu ihm und den Samurai.

„Warum wolltest du, dass ich bleibe Shakuyak?“, fragte der alte Mann erneut ohne den Blick von ihm abzuwenden.

„Weil du ihm ein paar Antworten schuldest“, kam ihre mystische Antwort.

Sie weiß es!

„Ihm? Mihawk, ich wusste nicht, dass du irgendwelche Fragen an mich hast. Das tut mir leid, die werde ich natürlich sofort beantworten.“

„Nicht ich“, entgegnete der Samurai.

Schnell starrte Zorro zu Dulacre hinauf. Warum tat er das?

„Du kannst ihm die Wahrheit sagen“, sagte Dulacre ruhig und begegnete seinem Blick, „er wird dich nicht verraten und außerdem weiß Shakuyak es ja bereits.“

„Natürlich.“ Die Barfrau lachte. „Ich wurde sofort misstrauisch als ich gehört habe, dass unser kleiner Mihawk ein Mädchen kennen gelernt hat. Es heißt doch, um ein Monster zu töten braucht es ein anderes Monster. Ich glaube um einen Schwertkämpfer zu zähmen braucht es einen anderen Schwertkämpfer.“

„Wie bitte?“ Silvers Rayleigh war offensichtlich verwirrt. „Was meint ihr zwei? Bist du nicht Lady Loreen aus der Zeitung?“

Zorro nickte.

„Doch ist sie“, stimmte auch Shakky zu, „aber sie ist auch einer der Strohhüte.“

„Was?“

„Ja“, sagte Zorro ehe wieder einer der anderen ihm zuvorkommen konnte, „in Wirklichkeit bin ich Lorenor Zorro.“ Er nahm seinen Hut ab.

Nun sah der andere ihn mit großen Augen an.

„Das verschollene Crewmitglied“, murmelte er leise, „du willst der Nachzügler Lorenor Zorro sein?“

Zorro nickte. Er hätte sich doch verwandeln sollen.

„Aber… Aber… Oh, jetzt verstehe ich. Du gehörst zu diesen, ach wie hießen sie noch. Jaja, ich hab schon mal jemanden wie dich getroffen. Natürlich nur so macht das Sinn.“

„Wir sind nicht hier um über Lorenors Geschichte zu sprechen“, unterbrach Dulacre kühl, „wir sind hier weil wir herausfinden wollen, was genau mit den Strohhüten passiert ist. Und wie ich euren Worten entnehmen kann, waren sie hier.“

Zorro sah zu dem anderen hinauf. Wie schaffte der andere es immer selbst jetzt so gelangweilt zu wirken?

Kurz sah der dunkle König zu Mihawk auf doch dann sah er Zorro wieder mit diesen neugierigen Augen an.

„Das kannst du wohl laut sagen, Mihawk. Tatsächlich wollte ich mich gerade auf dem Weg zu Ruffy machen.“

„Wirklich?“, entkam es Zorro. „Du weißt wo er ist?“

„Er ist auf der Insel der Frauen, bei Boa Hancock“, antwortete der alte Mann.

„Amazon Lily, wie erwartet“, warf Mihawk ein.

„Und warum willst du zu ihm?“, fragte Zorro misstrauisch nach.

„Also, das ist etwas komplizierter“, entgegnete Rayleigh. „Vielleicht sollten wir uns setzen und ich erkläre alles von Anfang an.“

Wenig später saß Zorro auf einem der Barhocker, neben ihm der dunkle König, hinter seinem Rücken Dulacre, der sich nicht hinsetzen wollte.

Auf der anderen Seite des Tresens stand Shakky und bereitete ihnen etwas zum Trinken zu.

Dann fing Rayleigh an zu erzählen. Er erzählte davon, wie die Strohhüte einem Freund von ihm Namens Okta geholfen hatte. Dieser Name kam Zorro gefährlich bekannt vor und seine Vermutung bestätigte sich im Laufe der Geschichte. Rayleigh erzählte von dem Fischmenschen Okta, der Meerjungfrau Camy und ihrem Lehrmeister Pappag.

Er erzählte von einer Entführung und der Human Auction, wo er auch Zorros Freunde kennen gelernt hatte. Er erzählte von den Weltaristokraten. Mihawk schaltete sich dabei kurz ein und wies Zorro daraufhin, dass einer dieser Himmelsdrachenmenschen auch damals auf dem Ball gewesen war und mit Zorro hatte den letzten Tanz tanzen wollen.

Der alte Mann erzählte ihm von der Unterhaltung, die er mit den Strohhüten geführt hatte, erwähnte dabei auch, wie seine Crew über Zorro gesprochen hatte und wie neugierig sie den dunklen König gemacht hatten. Schließlich erzählte Rayleigh ihm, dass er die Thousand Sunny für die Piraten beschichten wollte und davon wie sie angegriffen worden waren.

Zorro hörte dem allem zu, es passte alles haargenau zu seinen chaotischen Freunden.

„Das heißt sie hatten also vor dich in drei Tagen wieder zu treffen?“, fragte Dulacre nach als der ältere Mann seine Geschichte beendet hatte.

Daraufhin nickte dieser.

„Das bedeutet, dass sie sich jetzt alle auf den Weg machen werden“, murmelte Zorro, „spätestens nachdem sie das von Ruffy und Ace gehört haben. Sie werden nach hier kommen, genau wie ich.“

Für einen Moment waren alle Anwesenden ruhig.

„Warum wolltest du zu Ruffy?“, fragte Zorro dann Rayleigh.

Dieser sah ihn eine gefühlte Ewigkeit lang an.

„Genau, Wiedergeborene. Du bist ein Wiedergeborener oder? Deswegen bist du am leben und in diesem Körper.“

Zorro war nicht nur leicht überrascht.

„Woher weißt du das?“

„Tatsächlich bist du nicht der erste deiner Art den ich treffe.“

Der alte Mann schien einen Augenblick lang nachzudenken.

„Sag mir Zorro – ich darf dich noch Zorro nennen, oder? Jetzt wo ich weiß, wer du bist, kommt mir Loreen so unpersönlich vor - wie schätzt du deine Stärke ein? Kannst du dich bereits verwandeln? Weil wenn ich ehrlich bin, so wie du jetzt hier vor mir sitzt beruhigt es mich sehr zu wissen, dass Mihawk dich die ganze Zeit mit Adleraugen beobachtet.“

„Falkenaugen“, murmelte Shakky auf der anderen Seite ihres Tresens und prustete in ihr Glas.

„Ich kann mich verwandeln“, antwortete Zorro und ignorierte die Barfrau, „und ich bin natürlich in dieser Gestalt deutlich schwächer als sonst.“ Er nippte an seinem Getränk.

Der andere nickte.

„Mihawk, du bist ein fähiger Kämpfer, wie gut schätzt du Zorro ein?“

Zorro spürte wie der Mann hinter ihm die Arme verschränkte.

„Er ist talentiert, aber er kann noch kein Haki anwenden. Wenn er noch diese Woche mit seiner Crew in die neue Welt aufbricht gehe ich davon aus, dass er innerhalb des nächsten Monats sterben wird.“

Er wirbelte zu dem anderen herum.

Das hatte er ihm nie gesagt.

„Was?! Wieso…?!“, fing er an doch Rayleigh unterbrach ihn: „Oh, du hältst ihn also für so schwach?“

„Nein, im Gegenteil. Aber die Wahrheit ist, dass er zu den Stärksten seiner Crew gehört. Wenn überhaupt ist der Strohhut stärker und da es Lorenors Devise ist, dass der Kapitän auf jeden Fall überleben muss, wird Lorenor selbst der erste sein der stirbt, um seine Freunde zu beschützen.“

„Wie auf der G6“, murmelte Rayleigh.

„Wie auf der G6“, bestätigte Mihawk.

„Könntet ihr aufhören über mich zu reden, als wäre ich nicht in der Lage eigene Entscheidungen zu treffen?!“, knurrte Zorro wütend.

Beide Männer sahen ihn nun an.

„Ihr versteht es vielleicht nicht. Aber wenn Ruffy sagt, dass wir weiterreisen, dann werde ich ihm folgen.“

„Sturkopf“, murrte der Samurai hinter ihm.

„Und wenn Ruffy sich dazu entscheiden würde, die Crew erst nach einer gewissen Zeit wieder zusammenzuführen. Was würdest du dann tun?“ Rayleigh sah ihn direkt an.

Verwirrt lehnte Zorro sich ein bisschen zurück.

„Naja, also falls Ruffy das wirklich tun würde – was sehr untypisch für ihn wäre – dann würde ich diese Zeit nutzen um stärker zu werden, stark genug und noch stärker und dann würde ich hier auf ihn warten.“

„Was hast du vor, Rayleigh?“Der Samurai hinter Zorro klang kühl wie eh und je.

„Ich habe einen Plan. Deswegen wollte ich mich zu Ruffy aufmachen, um mit ihm drüber zu reden.“

„Was für ein Plan?“, hakte der Samurai nach.

„Ich möchte ihn trainieren und ich möchte, dass er sich Zeit nimmt stärker zu werden. Denn ich sehe das ähnlich wie du Mihawk. Wäre doch eine Schande eine so viel versprechende Crew so früh zu verlieren.“

„Wie viel Zeit?“, murmelte Zorro direkt.

„Zwei Jahre.“

Er erstarrte.

„Und wie sollen die anderen Crewmitglieder davon erfahren?“, fragte der Samurai hinter Zorro.

Und dann redete der ehemalige Pirat erneut.

Er redete von Bartholomäus Bär, von Revolutionären, von Amazon Lily, von Boa Hancock. Er redete von einem erneuten Angriff auf Marine Ford und von einem zweijährigen Training.

„Du hast es gesehen, nicht war Mihawk, auf dem Schlachtfeld. Er besitzt das Königshaki, natürlich muss er lernen es zu kontrollieren, sowie die anderen Hakitypen auch. Ich denke er wird es schnell lernen.“

Mihawk hinter Zorro antwortete darauf, doch Zorro hörte ihm nicht zu. Eine Weile redeten die beiden Männer.

„Was denkst du, Zorro? Wird er darauf eingehen?“

Langsam sah er auf und traf den Blick des alten Mannes.

Knapp ein halbes Jahr war er mit Ruffy zusammen unterwegs gewesen und nun wollte dieser Mann sie für zwei Jahre trennen.

Für ganze zwei Jahre?

Sechs Monate.

Er hatte selbst schon eingesehen, dass er Zeit brauchte, mehr Zeit um stärker zu werden, aber länger als ein halbes Jahr hätte er nie im Leben zugelassen.

Ich will nie wieder in der Position sein, meinen Käpt’n nicht beschützen zu können und dafür muss ich stärker werden.

Aber wenn er ganz ehrlich war, so hatte er doch schon lange genug gewusst, dass sechs Monate dafür nicht ausreichen konnten.

Nur dank der Gnade Bartholomäus Bärs hatte er sich damals für Ruffy opfern dürfen um ihn zu retten. Er war auf dessen Gnade angewiesen gewesen.

Im Kampf gegen die Marinesoldaten der G6 hatte er Ruffy nicht vor schlimmen Verletzungen bewahren können. Hatte ihm danach im Stich gelassen, ihn alleine gelassen.

Aber er wusste, selbst wenn er dabei gewesen wäre, selbst wenn die G6 nie passiert wäre, selbst wenn er bei seiner Crew auf dem Sabaody Archipel gewesen wäre, er hätte nichts verhindern können, oder?

Nein, er hätte nicht verhindern können, dass die Crew vernichtend geschlagen wurde.

„Ja“, flüsterte er dann zögernd, „wenn du es ihm mit genau den gleichen Worten erklärst wird er es machen und sonst sag ihm...“ Er zögerte. „Sag ihm, dass ich auch auf ihn warten werde. Ich will, dass er der König der Piraten wird und um ihn dabei unterstützen zu können muss ich noch stärker werden.“

Der alte Mann nickte und stand auf.

„Gut, dann werde ich mich jetzt auf den Weg machen.“

Er ging zur Tür.

„Rayleigh“, murmelte Zorro, „sag ihm nicht das, was ich dir gerade gesagt habe.“

Nun sah der andere ihn an. „Das wird nicht nötig sein. Du brauchst ihm nichts von mir auszurichten.“

Der alte Mann nickte, hob einen Seesack hoch und ging hinaus.

„Lorenor?“

Er sah zu dem Samurai auf.

„Okay“, nickte Zorro, „lass uns zurück fahren. Schließlich muss ich doch lernen wie man Haki anwendet.“

„Was? Woher kommt denn dieser Sinneswandel?“

Zorro stand nun auch auf.

„Na wenn ein Vollpfosten wie Ruffy es lernen kann, dann schaff ich das doch locker.“

Dulacre lachte laut auf.

„Nun gut, dann lass uns auch aufbrechen.“

„Einen Moment noch Mihawk.“

Shakky stand noch hinter der Theke und hielt dem Samurai einen Zettel hin.

Sie grinste böse.

„Hier die Rechnung, du möchtest doch nicht die Zeche prellen.“

Kapitel 13 - Vertrauen

Kapitel 13 – Vertrauen

 

-Mihawk-

Da waren sie also wieder. Wieder Mal zurück auf Anfang.

Ein weiteres Mal hatte Lorenor sich dazu entschieden bei ihm zu bleiben und ein weiteres Mal machte es ihn glücklicher als er sich je eingestehen würde.

Er seufzte und bedeckte seine Augen mit seinem Unterarm, was hatte dieser Junge nur aus ihm gemacht?

Du solltest unter Deck gehen.

Seit wann tat er, was dieser freche Jüngling ihm sagte?

Du siehst furchtbar aus. Und alt! Wann hast du denn das letzte Mal ein Auge zugemacht?

Wie hatte er sich in einem Monat nur so sehr verändern können?

Los, leg dich hin. Ich bleib hier oben und pass auf; wenn was ist rufe ich dich.

Kaum hatten sie das Sabaody Archipel verlassen hatte Lorenor ihn aufgefordert schlafen zu gehen, als wäre der Jüngere derjenige, der sich immer um alles kümmern musste und sich andauernd Sorgen machte.

Dulacres Einwände hatten tatsächlich wenig gebracht.

Sag bloß du vertraust mir nicht.

Tja, wann hatte er angefangen Lorenor zu vertrauen?

Nun lag er auf seinem ausladenden, bequemen Bett und versuchte tatsächlich zu schlafen. Aber wie sollte er nach alledem zur Ruhe kommen?

Lorenor würde von nun an zwei Jahre bei ihm bleiben, nicht ein paar Wochen, nicht ein paar Monate, zwei ganze Jahre.

Er würde ihn kämpfen sehen, würde sehen wie viel stärker er noch werden konnte.

In zwei Jahren konnte er aus einem talentierten, vielversprechenden Talent einen außergewöhnlichen Meister der Schwertkunst formen.

In zwei Jahren konnte er aus diesem Jungen einen Mann formen.

Die kommenden zwei Jahre versprachen eine interessante Zeit zu werden.

Aber sie versprachen auch eine Herausforderung zu werden.

Während der nächsten zwei Jahre würde der Jungspund andauernd seine Geduld auf die Probe stellen.

Während der nächsten zwei Jahre würde der Jungspund andauernd seine Kontrolle auf die Probe stellen.

Er seufzte. Innerhalb eines Monats hatte sein Wildfang ihn schon so sehr verändert, wer wusste was in zwei Jahren passieren konnte?

Langsam drehte er sich auf die Seite.

Das konnte er jetzt auch nicht ändern und über noch nicht Geschehenes nachzugrübeln würde ihm nun nicht helfen. Ein paar Stunden Schlaf hingegen konnten sich als nützlich erweisen.

Er sollte schlafen, sobald sie auf Kuraigana ankommen würden, würde er den anderen trainieren.

Er sollte schlafen, denn danach musste er wieder Falkenauge sein, Samurai und Lehrmeister.

Es würden wohl die zwei besten und schlimmsten Jahre werden.

 

Er wachte auf.

Irgendetwas war anders als zuvor. Durch das kleine Bullauge zu seiner Rechten schien immer noch Licht hinein, es war also noch Tag, aber was war anders?

Doch dann wusste er es, er war nicht mehr alleine.

Er amtete weiterhin ruhig, tat so als ob er noch schlafen würde. Jemand beobachtete ihn.

Ausatmend entspannte er sich.

„Lorenor“, murmelte er und sah zum Fußende des Bettes.

Dort saß der Jüngling in seiner männlichen Gestalt und sah ihn ernst an. Das Tageslicht spiegelte sich in seinen Augen und er wirkte verschlossener denn je. Es schien als hätte der andere ihn beim Schlafen beobachtet.

„Was tust du hier unten? Wolltest du nicht aufpassen?“, fragte er ruhig während tausende Fragen seinen Kopf stürmten und setzte sich auf.

Der Grünhaarige antwortete nicht.

Er trug wieder das gleiche, einfache, weiße Hemd, in dem Dulacre ihn damals auf der Lichtung gefunden hatte, doch nun passte es ihm wie angegossen, die schwarze Hose jedoch schien zu groß, als hätte sich der Jungspund erneut an Dulacres Klamotten bedient.

„Ist etwas geschehen?“, fragte er und versuchte erneut den anderen zum sprechen zu bringen.

Immer noch sah ihn sein Wildfang mit diesem seltsamen Blick an, als müsste er sich selbst zu etwas überwinden.

„Was ist denn jetzt?“ Langsam wurde er nun doch ungeduldig.

„Warum vertraust du mir?“ Die Worte des anderen klangen hohl, während der Jungspund ihn weiterhin ansah. „Ich könnte dein Feind sein, warum vertraust du mir so sehr, dass du in meiner Gegenwart schläfst?“

Diese Frage überraschte ihn.

„Aber Lorenor, ich habe bereits einen Monat mit dir unter einem Dach gelebt. Außerdem warst es nicht du, der auf der Hinfahrt auf dem Deck ein Nickerchen gemacht hat? Bedeutet das nicht auch, dass du mir vertraust und stelle ich nicht eine viel größere Gefahr für dich da als du für mich?“

Nun sah der andere weg.

„Bist du deswegen hier? Weil du mir nicht vertraust?“, hakte Dulacre nach.

Lorenor sah ihn wieder an, womit er auch immer gehadert hatte, es schien als hätte er sich entschieden.

„Du würdest mir nichts tun. Du stellst keine Gefahr für mich da“, meinte der Grünhaarige dann.

„Oh, spielst du jetzt wieder die Kanan würde es nicht verzeihen Karte aus?“

Warum sah der andere so bedrückt aus?

„Das hat nichts mit Kanan zu tun. Du kannst es nur nicht.“

„Und warum glaubst du das?“ Er mochte nicht, was hier vor sich ging. Obwohl die Sonne durchs Fenster hineinschien war es dämmrig dunkel und obwohl er der eindeutige Sieger war, fühlte er sich beinahe bedroht. Als ob Lorenor mit Josei an seinem Gürtel tatsächlich eine Gefahr für ihn darstellen konnte.

„Wegen deinen Gefühlen.“

„Was?“ Er vergaß zu atmen.

Lorenor war aufgestanden. „Du kannst mir nichts tun weil du mich liebst, auf deine eigene verquere Art und Weise. Glaub ja nicht, dass ich deinen lüsternen Blick nicht merken würde.“

Was ging hier vor? Wovon redete der andere bitte?

Der andere kam ums große Bett herum und blieb vor ihm stehen.

Er lachte trocken. „Lorenor, bitte. Was soll das denn? Hat Shakuyak dir etwa etwas in dein Getränk getan? Wovon bitte redest du? Solche Anmaßungen sind…“

Der Jüngling verschränkte die Arme. „Tu jetzt bloß nicht so. Ich habe dich durchschaut. Ansonsten gäbe es für dich auch überhaupt keinen Grund mich zu unterrichten.“

Beschwichtigend hob Dulacre beide Hände. Vielleicht hatte der andere ja tatsächlich Drogen untergejubelt bekommen.

„Mein lieber Freund, wir beide wissen, dass ich die Beziehung zwischen uns sehr schätze, aber nur weil du mir wichtig bist bedeutet das noch lange nicht, dass ich romantische Gefühle für dich hegen würde. Es mag zwar für ein Kind wie dich schwer zu glauben sein, aber nicht jede Form der Zuneigung muss direkt in körperlicher Anziehungskraft oder rom…“

„Halt den Mund!“

Lorenor hatte sich vorgebeugt, seine Ohrringe glitzerten im Sonnenlicht und ein schiefes Grinsen war auf seine Lippen geschlichen, seine Augen jedoch wirkten immer noch so traurig, so leer.

„Lorenor, was zur…“

Der Jüngere hatte sich über ihn gebeugt, mit einer Hand seine Haare gepackt und mit der anderen sein Kinn. Im nächsten Moment konnte er die rauen Lippen des anderen auf den seinen spüren, doch sie waren sanfter als erwartet, beinahe zögernd.

Er wollte sich losreißen, was er problemlos tun könnte, aber er versuchte zu verstehen, versuchte zu begreifen, warum der Jüngere das tat. Beinahe melancholisch sahen ihn diese grünen Augen an, als ob der andere trauern würde. War das hier eine Flucht vor der Realität? Was geschah hier?

Das hier war falsch, doch immer noch sahen ihn diese Augen so traurig an, beinahe flehend, als wollten sie ihn um etwas bitten.

Dulacre schloss seine Augen, er konnte Lorenor so nicht länger…

Ein ungekannter Schmerz bohrte sich durch sein Herz.

Er keuchte auf und die Lippen des anderen waren fort.

„Tut mir leid.“ Lorenors Stimme klang kühl wie eh und je.

Dulacre sackte nach vorne und hielt sich die Brust, heiße Flüssigkeit floss zwischen seinen Händen hindurch.

„Aber das war der einzige Weg.“

Er starrte zu dem anderen hinauf. Lorenors Mund zitterte, doch ansonsten wirkte er gelassen und kalt.

„Ich wusste, dass ich dich nur so genug ablenken konnte um dir nahe genug zu kommen.“

Joseis Klinge in Lorenors Hand war dunkelrot gefärbt, mit seinem Blut.

„Aber, warum Lorenor?“, fragte er und hustete, schmeckte Blut. Er hatte Lorenor das blitzschnelle, eiskalte Töten beigebracht. Lorenor hatte sein Herz durchbohrt, es aufgeschlitzt, mit einem einzigen Schnitt die wichtigen Blutbahnen aufgerissen und nun floss das rote Lebenselixier ungehindert aus ihm heraus.

Wenn er die Blutung nicht sofort stillte würde er in wenigen Sekunden, noch nicht einmal Minuten, verbluten. Aber selbst wenn er sie stillen konnte, diese Wunde war so präzise, so perfekt durchgeführt, dass er nicht bis zur nächsten Insel durchhalten würde. Er würde sterben.

„So hab ich’s mir auch nicht vorgestellt“, murmelte Zorro, „ich wollte dich fair und ehrlich besiegen, nicht durch einen Hinterhalt. Aber ich hab keine Wahl.“

„Du wirst also…gezwungen?“

Ihm wurde bereits schwindelig.

Lorenor nickte. „Du hattest Recht. Solange Eizen die richtigen Druckmittel hat, muss jeder sein Spiel mitspielen.“

„Er hat…deine Crew?“

„Wenn ich dich töte, lässt er sie frei.“

Er schluckte und sah den anderen an.

„Warum hast du es nicht bemerkt?“, flüsterte Lorenor. „Warum hast du mir nur vertraut?“

Er lächelte schwach. Das hier war dann nun sein Ende. Es war wahrlich nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte aber immerhin war es Lorenor gewesen, immerhin hatte sein Tod einen Sinn, um Lorenors Freunde zu retten.

„Weil es ein… Monster braucht um ein anderes… zu töten.“

Zumindest war er nun nicht mehr Gefangener im politischen Spiel um Macht und Reichtum. Nein, es war nicht der schlimmste Tod.

„Und warum hast du dann nicht mich getötet?!“

Lorenors Stimme brach und eine einzelne Träne lief sein so hartes Gesicht hinunter.

„Warum warst es nicht du, der mich hieraus befreit hat?!“

Und da verstand er. Sein Tod war nicht mehr als ein Spielzug, er nicht mehr als ein Turm, der vom Schlachtfeld genommen wurde und nun war Lorenor die Spielfigur an seiner Stelle. Nun war Lorenor seiner Freiheit beraubt.

Er hatte seinen Wildfang nie zähmen wollen und nun war er eingesperrt, nicht mehr als eines der teuren Pferde in Eizens Stall, nur weil Dulacre nicht auf ihn aufpassen konnte.

„Ich wollte das alles hier nicht“, flüsterte Lorenor, „ich wollte doch nur der beste Schwertkämpfer der Welt werden.“

Dulacre brach zusammen.

„Ich habe dir doch gesagt, dass du mir nicht vertrauen kannst. Aber du wolltest ja nicht hören.“

 

Er riss die Augen auf.

Mit einer Hand tastete Dulacre seine unversehrte Brust ab.

Es war ein Albtraum gewesen.

Sein Herz schlug schnell, doch seine Gedanken sammelten sich schneller.

Solche Träume waren gewiss nicht angenehm, aber sie passierten, auch wenn es ihn schockierte wie realistisch dieser Traum gewesen war. Er glaubte den Schmerz tatsächlich gefühlt zu haben, Lorenors Worte wirklich gehört zu haben, seine Lippen wirklich gespürt zu haben.

Das Blut, welches seinen Körper und das Bett bedecken sollte, fehlte; war noch da wo es hingehörte.

Es war dunkel, die Sonne war bereits untergegangen, es war Nacht.

Seufzend vergrub er einen Moment sein Gesicht in seine Armen. Träume waren ihm natürlich nicht fremd, aber seit Jahren schon hatte er keine Albträume mehr gehabt. Die Welt hatte ihn mit nichts mehr verschrecken können, aber nun war das wohl anders.

Gemächlich stand er auf und schlenderte in das kleine, angrenzende Bad hinüber. Doch das abgestandene Wasser brachte nicht viel und so betrachtete er sein Spiegelbild für einen Moment.

Er musste die Hintergründe, die Ängste aus diesem Traum herausfiltern und angehen. Er war niemand, der sich von solchen Dingen beeindrucken ließ. Sein Unterbewusstsein wollte ihm deutlich machen, dass er nicht alles kontrollieren konnte und das beunruhigte ihn. Dieser Traum war eine Warnung.

Zum einen ging es um Lorenor, dafür brauchte man kein Menschenkenner zu sein um das herauszufinden. Natürlich sorgte er sich um den Jungen.

Das andere war wohl sein stetiger Argwohn gegenüber Eizen. Lorenor würde nun zwei Jahre bei ihm sein, zwei Jahre, die Eizen genug Zeit gaben, Lorenor unter seine Kontrolle zu bringen.

Aber was…?

Aber ich weiß nicht, ob du mir vertrauen kannst.

Das hatte Lorenor ihm gesagt. Lorenor hatte Angst vor seiner inneren Kraft, davor Haki anzuwenden. Letzten Endes bedeuteten diese Worte, dass Lorenor Angst hatte ihn zu verletzen.

Lächerlich!

Selbst wenn er Lorenor in seiner männlichen Gestalt deutlich unterschätzt haben sollte, so war der andere doch noch weit davon entfernt eine Gefahr für ihn darzustellen.

Warum also? Warum also sagte er so etwas?

Aber noch viel wichtiger, warum träumte Dulacre von so etwas?

Vertraute er ihm letzten Endes vielleicht wirklich nicht?

Schwachsinn! Natürlich tat er das!

Aber... aber vielleicht hatte er ja Angst?

Entschieden richtete Dulacre seinen Hemdkragen und erklomm die Leiter nach oben.

 

-Zorro-

Die ersten Sterne erschienen am Nachthimmel.

Die Sonne war gerade erst untergegangen und der Horizont zeichnete das Meer noch in einem feurigen Orange.

Zorro lag an Deck und beobachtete den Himmel. Nun, da die Sonne verschwunden war wurde es rasch kälter aber er genoss die Kühle, wohl wissend, dass er in diesem Körper bald frieren würde.

Er hatte den ganzen Tag mit nachdenken verbracht. Nachdem er Mihawk ins Bett geschickt hatte – der Kerl hatte aber auch furchtbar ausgesehen – hatte er keine Wahl gehabt außer Wache zu halten. Was ziemlich öde sein konnte.

Einige Stunden lang hatte er sich in der Meditation geübt. Nun da die Entscheidung gefallen war gab es nichts mehr um darüber zu grübeln. Er wusste, dass Ruffy Rayleighs Vorschlag zustimmen würde. Er wusste, dass er nun zwei lange Jahre hatte um stärker zu werden, viel stärker.

Aber er wusste auch, dass es einen Preis hatte.

Dulacre hatte ihm geraten, sein und Ruffys Überleben zu verheimlichen. Das hieß die nächsten zwei Jahre durften die Menschen nicht erfahren, dass er Lady Loreen war und da er zumindest noch nicht verhindern konnte, dass er sich verwandelte, musste er die Figur Lady Loreen weiterspielen.

Kuraigana hatte den Vorteil, dass er dort relativ ungestört war, aber er war nicht naiv genug um zu glauben, dass die Weltregierung ihn und Mihawk in Ruhe lassen würde.

Um von Dulacre zu lernen musste er die Kunstfigur Lady Loreen weiter ausfüllen. Wie ihn das ankotzte.

Auf was hatte er sich da nur eingelassen?

Plötzlich konnte er hören wie der Thron nach hinten geschoben wurde.

Er setzte sich auf und sah, wie der Samurai an Deck kletterte. Er sah nicht wirklich besser aus als vorher, eher im Gegenteil. Schwere Augenringe zeichneten ihn immer noch und die Falten auf seiner Stirn waren tiefer als sonst. Sein Mund war nicht mehr als eine dünne Linie, nein er wirkte nicht so, als ob er den halben Tag verschlafen hatte.

Doch es war die Art wie der Ältere ihn ansah, die ihn am meisten besorgte.

„Was ist denn mit dir passiert?“, murmelte er und stützte seinen Kopf auf den Händen ab. „Siehst ja noch schlimmer aus.“

„Vielen Dank für die Blumen“, entgegnete der andere sarkastisch und zog sich den Stuhl heran.

Dann sah ihn der Schwarzhaarige wieder so durchdringend an und setzte sich hin.

„Was denn?“

„Du hast dich nicht verwandelt?“

„Offensichtlich.“

Wieso sah er ihn so an?

„Warum? Du empfindest Loreen als ungewollte Nebenwirkung, warum also hast du dich noch nicht verwandelt? Du solltest dazu doch mittlerweile in der Lage sein.“

Es verwunderte ihn nicht im Mindesten, dass der andere seinen Fluch bereits so gut durchschaut hatte.

„Warum hätte ich mich verwandeln sollen?“, entgegnete er. „Es kostet Kraft und ich muss mich erholen, die dauernden Verwandlungen laugen mich aus. Und wenn wir morgen mit dem richtigen Training anfangen, muss ich fit sein.“

Der Ältere nickte zustimmend, eine Hand ans Kinn gelegt. Sein Bart war rauer und ungepflegter als sonst.

„Außerdem waren meine anderen Klamotten da unten und ich werde mich in diesem Kleid nicht verwandeln.“

Nun grinste der andere schwach.

„Stimmt, darüber habe ich mir tatsächlich noch keine Gedanken gemacht. Das ist wirklich ein Problem, welchem wir uns auch annehmen sollten.“

„Auch?“

Das Grinsen des anderen wuchs.

„Genau. Es gibt etwas wichtigeres was ich zuerst mit dir besprechen möchte.“

Zorro nickte, doch ganz wohl war ihm nicht. Der andere hatte etwas an sich, was ihm missfiel. Als hätte der andere etwas gesehen, was ihm Angst machte und wenn der Samurai Angst hatte, war es Grund genug auch ihn zu verunsichern.

„Und was?“

Der Ältere streckte sich.

„Nun ja, da du ja jetzt gewillt bist die Anwendung des Hakis zu lernen und wir das natürlich auch schnellstmöglich in Angriff nehmen werden, bleibt mir noch eine Frage: Warum ist das ein so sensibles Thema für dich? Warum willst du es nicht anwenden? Du hast ja sogar abgestritten, dass du in der Lage bist es zu lernen.“

Zorro erstarrte und wandte den Blick ab.

Er war übereifrig gewesen; das Wissen, dass Ruffy Haki anwenden konnte hatte ihn unbedacht werden lassen. Wenn sein Kapitän Haki anwenden konnte, musste er es ebenfalls, er durfte da nicht zurückstehen. Aber er hatte vorschnell geredet, hatte vorschnell etwas gesagt, was er nicht so meinte.

Langsam wurde ihm kalt und der dünne Mantel reichte kaum um ihn vor dem frischen Wind zu schützen.

Der Ältere seufzte, stand auf und ging erneut unter Deck.

Als er wieder auftauchte hielt er Zorro eine Decke hin.

„Du musst wirklich besser auf dich Acht geben in diesem Körper.“

Zorro entgegnete nichts als der Samurai sich wieder hinsetzte sondern schlang nur die Decke um sich.

„Also?“

Er biss sich auf die Unterlippe.

„Lorenor, du wirst darüber reden müssen. Es geht hier nicht darum dich vorzuführen oder dich lächerlich zu machen, sondern…“

„Ich habe nie gesagt, dass ich nicht in der Lage bin es anzuwenden.“

Er zitterte, jedoch nicht mehr vor Kälte.

Der Ältere hockte sich nun ihm gegenüber auf den Boden.

„Lorenor. Das bedeutet also, du hast es schon einmal getan?“

Er nickte langsam. Erinnerte sich an Bilder seiner Vergangenheit.

„Was ist geschehen, Lorenor?“

Er schüttelte den Kopf.

„Es ist nichts.“

„Wenn es nichts wäre, würdest du dich nicht so zieren.“

Erneut schüttelte Zorro den Kopf.

„Lorenor, du sagtest ich könnte dir nicht vertrauen, du sagtest ich hätte keine Ahnung. Also sag mir, Lorenor, was ist geschehen? Warum hast du solche Angst vor deinen eigenen Kräften?“

Langsam sah er auf. Der Ältere war ruhig, zwar direkt aber nicht aufdringlich.

Seufzend lehnte er sich zurück, versuchte etwas Raum zu gewinnen.

„Ich war elf“, fing er widerstrebend an und schloss einen Moment seine Augen, „damals trainierte ich in einer Kendoschule im East Blue unter Meister Koshiro. Wie du dir denken kannst war ich ein guter Schüler, aber dementsprechend auch selbstbewusst und arrogant.“

„Ach, das überrascht mich jetzt aber.“

„Halt die Klappe.“

„Also Koshiro war dein alter Lehrmeister. Hat er dir Haki beibringen wollen?“

Zorro schüttelte den Kopf. „Nein, er war dagegen gewesen.“

Tief holte er Luft und lockerte seine Schultern.

„Damals ankerte ein Marineschiff in der Nähe von unserem Dorf. Einige der Soldaten waren begeisterte Anhänger der Schwertkunst und besuchten unser Dojo um nach vielversprechenden Talenten zu suchen.“

„Und sie fanden dich?“

Er nickte: „Der Meister war alles andere als begeistert davon, dass sie anwesend waren, auf der anderen Seite war es für uns Schüler eine Möglichkeit uns mit Fremden zu messen.“

„Und sie wurden auf dich aufmerksam?“

Er nickte erneut: „Mhm. Ich war ziemlich gut, so gut, dass einige von ihnen zurück zum Schiff liefen um ihren Vorgesetzten zu holen. Fast einen halben Tag hat dieser Vizeadmiral mich beobachtet, ehe er mir anbot mich zu unterrichten, wenn ich mit ihm mitkommen würde.“

„Und hast du zugesagt?“

„Natürlich nicht. Ich hielt nicht viel von der Marine und Meister Koshiro war damals… es wäre falsch von mir gewesen zu gehen.“

„Warum fühltest du dich deinem Meister so verpflichtet?“

Für eine Sekunde sah er den anderen an, entschied jedoch diese Geschichte nicht auch noch anzusprechen.

„Der Vizeadmiral war sehr enttäuscht und wollte mich überzeugen doch mitzukommen. Er wollte mir zeigen wie viel ich noch von ihm lernen konnte, indem er mir eine spezielle Technik beibringen würde. Mein Meister war davon jedoch nicht sonderlich überzeugt. Er meinte ich wäre zu jung und er hatte Sorge mich zu überfordern. Das hatte mich allerdings nur noch mehr angeheizt und so willigte ich ein dem Vizeadmiral zu folgen, wenn er mir diese Technik beibringen würde.“

Der Samurai setzte sich etwas gerader hin.

„Bei dieser Technik handelte es sich um Haki, nehme ich an.“

Zorro nickte dem Fußboden zu: „Laut meinem Meister war es eine Fertigkeit, die ein hohes Maß an geistlicher Reife und innerer Stärke erforderte, aber der Vizeadmiral meinte ich wäre sehr begabt und er wollte sehen ob ein Junge in meinem Alter es schaffen konnte.“

Der Ältere lehnte den Kopf zur Seite.

„Es überrascht mich, dass du diesen Vorschlag entgegen der Meinung deines Lehrmeisters zugestimmt hast. Das passt nicht zu dir.“

Der Jüngere zuckte mit den Schultern.

„Das Problem war, dass ich zu diesem Zeitpunkt wirklich sehr schnell lernte und von mir auch ziemlich überzeugt war. Seine Worte hörten sich damals für mich so an, als ob mein Meister mich ausbremsen wollte. Ich dachte er hätte Angst, dass ich zu schnell zu gut werden würde, dass ich besser sein würde, als seine Tochter mit elf war, als er mit elf war.“

„Er wollte, dass du gründlich bist. Dein Eifer hat dich unaufmerksam werden lassen.“

Dem stimmte Zorro zu: „Genau, aber das habe ich damals noch nicht kapiert. Eigentlich bin ich nur deswegen auf diesen Vorschlag eingegangen. Nicht weil ich zur Marine wollte oder so, sondern einfach nur um meinem Meister zu zeigen, dass ich mehr lernen konnte, dass er mir mehr zutrauen konnte.“

„Also brachte dieser Vizeadmiral dir Haki bei?“

„Wie du war er der Meinung, dass ein Schwertkämpfer in der Lage sein müsse Rüstungshaki anzuwenden um seine Schwerter zu schützen, um zu den besten gehören zu können und ich wollte der Beste sein, also trainierte ich ununterbrochen und konnte schon innerhalb weniger Tage die einfachsten Grundformen anwenden.“

Er konnte die Überraschung im Gesicht des anderen sehen, entschied aber es zu ignorieren.

„Selbst mein Meister war beeindruckt und das hatte mich unglaublich stolz gemacht, aber auch übermütig, denn ich wollte noch mehr lernen. Ich wollte nicht nur eine schwache Hülle um mein Schwert legen können. Ich wollte damit kämpfen, wollte mich frei bewegen können. Also flehte ich den Vizeadmiral an, mit mir noch einen Schritt weiterzugehen.“

Zorro verstummte, während der andere sachte nickte: „Verständlich, allerdings verstehe ich immer noch nicht, woher diese strenge Abneigung kommt. Woher kommt diese Unsicherheit?“

„Ich bin ja auch noch nicht fertig“, murrte der Jüngere, „und damals war ich noch alles andere als unsicher. Im Gegenteil, ich hatte das erste Mal seit mehreren Monaten das Gefühl richtige Fortschritte zu machen. Ich fühlte mich wichtig, insbesondere weil auch die anderen Schüler, selbst die Soldaten von mir beeindruckt waren. Ich war etwas besonderes.“

Der andere grinste leicht. „Daher also dein Ego.“

Doch Zorro sah weg.

„Entgegen der Einwände meines Meisters entschied der Vizeadmiral, dass ich meine Fähigkeiten in einem Übungskampf austesten sollte. Ähnlich wie du war auch er der Meinung, dass ich in der direkten Konfrontation mehr lernen würde als in der Theorie. Also kamen er und eine Handvoll von Soldaten zum Dojo um mich herauszufordern.“

Die Bilder wurden unstet.

„Und was passierte dann, Lorenor?“

Er schwieg.

„Lorenor!“

„Ich weiß es nicht.“

„Was meinst du?“

Er zögerte.

„Ich war erschöpft, ich hatte unentwegt trainiert, kaum geschlafen, keine Pausen gemacht. Aber ich hätte nie aufgegeben und dieser Kampf war doch meine Chance gewesen, doch diese Marinesoldaten kämpften so anders als jeder Schüler, es war gar kein Übungskampf, zumindest nicht so, wie ich sie kannte. Sie kämpften um Leben oder Tod, keiner von ihnen wollte sich von einem dahergelaufenen Jungen besiegen lassen. Aber ich wollte besser sein, ich wollte nicht verlieren, ich durfte nicht verlieren und dann zerbrach mein Schwert.“

Er fühlte wie seine Hände anfingen zu zittern. Tief grub er sie in die Decke, versuchte sie zu verstecken.

„Trotz Haki?“, fragte Dulacre.

„Es war das Haki“, flüsterte er. „Anstatt meine Waffe zu ummanteln habe ich sie von innen heraus erfüllt und bersten lassen, so zumindest hat es mir später mein Meister erklärt.“

Für einen Moment schwiegen beide, dann seufzte der Ältere: „Ich gebe zu, dass diese Form der Anwendung sehr unangenehm ist, aber ein zerbrochenes Schwert ist doch noch lange kein Grund...“

„Das Schwert ist nicht der Grund“, widersprach Zorro, „Es ist nur das letzte woran ich mich erinnere. Die zerberstende Klinge vor meinen Augen.“

Es war so leise, selbst der Wind schien ihm zuzuhören.

„Ist das so?“, murmelte der Samurai ernst. „Was ist denn das nächste, woran du dich erinnerst?“

Für eine Sekunde zögerte Zorro und erinnerte sich an jenen Moment.

„Ich lag auf dem Boden, es war nass, es war kalt; Meister Koshiro hockte auf mir, seine Brille war zerbrochen und er war über und über mit Blut besudelt. Er war verwundet, er hatte eine Verletzung an der linken Schulter, aber sie war nicht schlimm genug für so viel Blut.“

Tief holte er Luft. „Und auch ich war bedeckt mit Blut, meine Kleidung war nass und schwer aber noch warm, überall roch es nach Schweiß und Blut.“

Er biss sich auf die Unterlippe.

„An jenem Tag habe ich fünf Menschen umgebracht und Dutzende verletzt und ich erinnere mich an keine Sekunde davon. Mein Meister sorgte dafür, dass die Marine mich nicht zur Verantwortung zog und da niemand zugeben wollte, dass eine ganze Marineeinheit von einem Kind besiegt wurde, wurde es noch nicht einmal dokumentiert.“

Langsam erhob sich der andere und verschränkte die Arme.

„Für mehrere Tage war ich ans Bett gefesselt. Ich hatte zwar kleinere Verletzungen aber nichts schlimmes, doch ich konnte meinen Körper beim besten Willen nicht bewegen. Als ich danach wieder ins Dojo kam sprach niemand über den Vorfall und mein Meister unterrichtete mich wie bisher.“

Zorro sah aufs Meer hinaus, während der andere sich wegdrehte.

„Als ich ihn fragte, was geschehen war meinte er nur, dass ich ein Talent sondergleichen hätte und dass ich dazu bestimmt sei Unvergleichbares zu vollbringen, aber dass es in meiner Hand läge ob zum Guten oder zum Schlechten. Er sagte, dass ich mir genau überlegen sollte, welchen Weg ich gehen wolle. An diesem Tag schwor ich mir nie wieder Haki anzuwenden, denn in diesem Moment hatte mein Lehrmeister Angst vor mir, Angst vor dem Monster in mir.“

Er hatte noch nie darüber gesprochen. Mit wem auch?

Wer konnte dieses Gefühl schon verstehen?

„Du wolltest meine Geschichte wissen, nun, da hast du’s. Bist du nun zufrieden?“, fragte er den Rücken des Älteren. Dieser schwieg lange und Zorro war sich nicht sicher ob er wirklich wollte, dass der andere sein Schweigen brach. Allerdings wurde die Stille allmählich unerträglich.

Schließlich wandte sich der andere zu ihm um.

„Lorenor, sag mir, willst du immer noch der beste Schwertkämpfer der Welt werden?“

Kühl sah der Ältere zu ihm hinab.

„Natürlich.“

Dulacre nickte unmissverständlich.

„Dann wirst du lernen müssen Haki anzuwenden.“

„Ja, aber hast du mir gerade nicht…“

„Lorenor. Du hast Recht. Es ist ungewöhnlich und es ist gewiss etwas mit dem wir nicht leichtfertig umgehen dürfen. Aber es ist keine Ausrede um Haki nicht zu lernen.“

Der Ältere hockte sich wieder hin, so dass sie auf einer Augenhöhe waren.

„Es ist ganz einfach, Lorenor. Ohne Haki, ohne die spezielle Technik des Verhärtens, wird es dir unmöglich sein mich zu besiegen. Wie damals im East Blue werden deine Schwerter im Kampf gegen das Black Sword zerstört werden. Es ist nicht so als ob du eine Wahl hättest. Wenn du der beste Schwertkämpfer der Welt werden möchtest, musst du Haki anwenden können und dein Haki muss stärker sein als das meine.“

Zorro sah weg.

„Aber was ist, wenn ich es nicht kontrollieren kann? Was ist wenn ich wieder zu diesem Monster werde?“

„Dann werden wir so lange trainieren, bist du es kontrollieren kannst. Zwei Jahre sollten da lange genug sein.“

Der Ältere war erneut aufgestanden.

„Aber…“

„Lorenor!“ Er hielt ihm eine Hand hin.

„Du kannst mir vertrauen. Du hast doch Shakuyak gehört. Es braucht ein Monster um ein anderes zu töten. Ohne dieses Monster in dir wirst du mich also gar nicht besiegen können.“

Er wusste nicht warum, aber irgendwie hatten diese Worte etwas Tröstliches.

Als wüsste der andere genau, wovon er sprach.

Kapitel 14 - Schach

Kapitel 14 – Schach

 

-Zorro-

„Also in diesem Zimmer wirst du von jetzt an wohnen. Es ist deutlich angemessener als das Dienstbotenzimmer, außerdem ist mein Schlafraum nur den Flur hinunter.“

Zorro lugte am Schwertmeister vorbei in einen riesigen, kargen Saal der wohl einst prunkvoll gewesen war, doch nun war er beinahe leer bis auf ein riesiges, mit schweren Vorhängen bestücktes Bett und einen uralten Schrank dessen Verzierungen bereits verblasst waren.

„Was soll ich mit so einem Raum? Der oben ist absolut in Ordnung.“

„Ist er nicht“, murrte der Samurai und trug das Gepäck hinein, „du verstehst es nicht Lorenor. Das hier ist kein Übergangszimmer, kein Gästezimmer. Dieser Raum gehört nun dir mit allem was hier drin ist. Es ist dein Zimmer.“

Zorro sah dem Samurai zu, wie dieser Klamotten aus einer Kisten holte und in den großen, dunklen Schrank räumte. Er verstand, was der andere ihm sagen wollte. Er war kein Gast mehr.

„Was ist mit Perona?“

„Sie ist mir egal. Soll sie doch über der Küche schlafen.“

Der Ältere drehte sich zu ihm um.

„Nun gut. Zieh dir etwas anderes an und komm dann nach oben. Ich werde währenddessen mit Kanan telefonieren, damit wir dein Klamottenproblem lösen und unsere Versorgung sicherstellen können.“

„Ich soll mich nicht verwandeln?“, fragte er zweifelnd nach.

„Nein, ich werde dich zunächst weiterhin in dieser Gestalt trainieren.“

„Was? Warum?“

Der Schwarzhaarige seufzte, als wäre es etwas ganz offensichtliches.

„Haben wir nicht erst vergangene Nacht darüber gesprochen? Ich werde dir die Anwendung von Haki beibringen und herausfinden ob du vielleicht sogar die Veranlagung des Königs in dir trägst, aber nachdem was du mir erzählt hast sollten wir nicht unvorsichtig handeln.“

Zorro zögerte. „Hast du von so etwas schon mal gehört? Von jemandem wie mir?“

„Nein.“

Er sah weg.

„In all meinen Jahren habe ich noch nie von jemandem gehört, der durch die Anwendung von Haki zu einem unkontrollierten Monster wurde und sich noch nicht einmal daran erinnern konnte.“

Zorro biss sich auf die Unterlippe.

„Allerdings freue ich mich bereits auf diese Herausforderung.“

Sie sahen einander an. Der andere grinste breit. Zorro konnte sich nicht erinnern, wann er den anderen je so gefährlich hatte grinsen sehen.

„Überlass das Grübeln mir, Lorenor. Ich werde auf dich aufpassen und aus dir einen hervorragenden Schwertmeister machen.“

Dann ging der Ältere an ihm vorbei.

„In zehn Minuten oben in der Vorhalle. Verspäte dich nicht.“

 

-Mihawk-

„Hatte ich nicht gesagt zehn Minuten?“, murrte er als sein Schüler endlich herein getrottet kam, das Geistermädchen im Schlepptau, mindestens zehn Minuten verspätet.

„Unpünktlichkeit ist keine Tugend, weißt du?“

„Dieses Schloss ist der reinste Irrgarten“, antwortete der Jungspund grob, „wie kannst du hier nur leben?“

„Ich hab dir drei Mal gesagt, dass du die Treppe nach oben nehmen sollst, aber du bist ja jedes Mal dran vorbeigelaufen“, beschwerte sich das Mädchen mit den rosa Haaren.

„Wie dem auch sei“, beendete der Samurai die Quengelei und wandte sich zur Tür, „lass uns gehen, Lorenor. Wir haben heute noch viel vor.“

„Und was ist mit mir?“ Dieses Balg ging ihm bereits jetzt auf die Nerven.

„Was du machst ist mir herzlich gleichgültig. Versuche nicht erneut die Küche in Brand zu setzen, wenn du das Abendessen vorbereitest.“

„Ich bin nicht deine Magd!“, keifte sie ihn an, schrumpfte jedoch sofort zusammen als er sie ansah.

„Wenn du hier wohnen möchtest, musst du es dir verdienen. Das Handelsschiff sollte in knapp zwei Wochen hier sein. Dann kannst du abreisen, aber bis dahin erwarte ich, dass du dich nützlich machst.“

Er wandte sich um und ging.

„Komm Lorenor, der Abend steht schon vor der Tür.“

„Warum gehen wir nach draußen?“, fragte der Jüngling direkt hinter ihm.

„So angenehm diese Insel auch ist, es gibt keinen richtigen Trainingsort und da ich mein Heim nur ungern in Mitleidenschaft ziehen möchte, werden wir draußen trainieren.“

Der andere murmelte etwas Zustimmendes und folgte ihm.

„Was ist denn jetzt dein Plan?“, meinte sein Wildfang schließlich als sie das Grabmal erreicht hatten.

Obwohl die Humandrill mehr als zwei Tage Zeit gehabt hatten sich zu erholen, war nicht einer von ihnen zu sehen, nicht dass es ihn überraschte.

„Wo sind denn die Affen?“

„Sie werden nicht kommen solange ich es nicht erlaube.“

Er wandte sich zu seinem Schüler um.

Lorenor hatte wie immer seine Haare zusammengebunden und trug lange, enganliegende Klamotten, die ihm möglichst viel Bewegungsfreiheit ermöglichten. Aber sein Blick hatte etwas unsicheres, Lorenor hatte Angst vor dem was kommen würde.

„Beruhige dich, Lorenor. Wir werden heute nicht mit dem Rüstungshaki anfangen.“

„Nicht?“

„Nein, ich halte es für sinnvoller, dass du zunächst die Anwendung des Observationshaki lernst.“

„Warum?“ Nun wirkte sein Wildfang bereits deutlich entspannter.

„Sag du es mir. Es ist an der Zeit, dass ich dir nicht mehr alles vorkaue. Warum wenden wir uns zunächst dieser Technik zu?“

Für einen Moment schwieg der andere und dachte nach.

„Du wolltest, dass ich es zunächst als Loreen lerne“, murmelte er, „als Loreen muss ich so kämpfen lernen, dass ich erst gar keinen Angriff blocken muss, daher ist es wichtiger, dass ich einem Angriff ausweichen kann anstatt meine Schwerter nur zu schützen.“

Der verzauberte Pirat sah ihn ernst an.

„Als Loreen bin ich auf das Observationshaki angewiesen, deswegen hast du bereits angefangen es mir beizubringen und darum sollten wir da auch weiter trainieren.“

Dulacre nickte zufrieden, beinahe erstaunt wie viel der andere offenbar über das Haki bereits wusste.

„Genau, du beherrschst bereits die Grundzüge und es ist dabei nichts geschehen. Ich gehe davon aus, dass es entweder an der Technik oder an deiner Gestalt liegt, daher wirst du erst das Observationshaki in dieser Gestalt anwenden lernen, dann als Mann und dann erst werden wir uns auf das Rüstungshaki konzentrieren. Für den Fall, dass das Unvorstellbare eintreten sollte und das Monster in dir unkontrollierbar ist, weißt du zumindest, dass du das Observationshaki problemlos anwenden kannst.“

Er konnte sehen, wie der Jüngere ernst wurde.

„Also schließt du diese Möglichkeit nicht aus?“

„Natürlich nicht. Ich halte es für sehr gering, aber wie gesagt, mir ist so etwas noch nie unter die Augen gekommen und ich bin schon sehr gespannt, es selbst zu sehen.“

„Tze…“

„Allerdings gibt es noch einen weiteren Grund“, meinte Dulacre dann und zog seine Weste aus.

„So talentiert du in der Anwendung des Rüstungshaki zu sein scheinst, so unbegabt bist du wenn es zum Observationshaki kommt.“

„Was?“ Der Jüngere schien erbost.

„Ja, tatsächlich hast du in Anbetracht deines Talentes relativ lange gebraucht um auch nur die Grundzüge zu erlernen.“ Er legte seine Weste über eine zerbrochene Säule und richtete seinen Hemdkragen.

„Aber ich war doch schneller, als du es erwartet hattest“, murrte der Pirat.

„Du hast es angewandt, in der Tat, aber selbst bis jetzt hast du noch nicht geschafft es bewusst zu steuern. Es ist ein Glücksspiel ob du es benutzt oder nicht. Außerdem mangelt es dir an Konzentration.“

Er verschränkte die Arme.

„Lass uns anfangen. Wir haben heute viel vor.“

 

-Zorro-

Ein leiser Nieselregen hatte eingesetzt, die Dunkelheit der Nacht war schon vor Stunden über sie hinein gebrochen und von den Affen fehlte immer noch jede Spur.

Seit drei Tagen trainierten sie nun beinahe ohne Punkt und Komma und Zorro hatte das Gefühl, dass alles was er im letzten Monat gelernt hatte, nichts im Vergleich zu seinem jetzigen Training war.

Mihawk war noch strenger, noch fordernder, noch erbarmungsloser.

Erst jetzt trainierte der Samurai ihn richtig, erst jetzt schien er das Training ernst zu nehmen.

Im letzten Monat hatte er ihn trainiert damit er überleben konnte, nun wollte er ihn formen, nun wollte er aus ihm einen Schwertmeister machen. Erst jetzt war er sein wahrer Lehrmeister.

„Ich denke es reicht für heute.“

Zorros Kopf dröhnte bereits.

„Du hast heute viel geschafft. Du kannst zufrieden sein.“

„Ach ja?“, murmelte er und vergrub erschöpft das Gesicht in den Händen, „Ich hab das Gefühl seit drei Tagen nichts zu fabrizieren außer Kopfschmerzen.“

Er konnte den anderen lachen hören als dieser zu ihm kam und ihm leicht auf die Schulter klopfte, was beinahe genug war um ihn in die Knie zu bringen.

„Oh, verlange ich etwa doch zu viel?“

Er schüttelte den Kopf.

„Nein, wir hatten es ja so abgemacht.“

„Absolut.“ Er konnte das Grinsen in der Stimme des anderen hören.

Aufstöhnend legte er den Kopf in den Nacken und streckte sich. Der sanfte Regen kühlte sein Gesicht. Er hatte wirklich nicht erwartet, dass es so anstrengend sein würde. Schließlich war es kein Training im eigentlichen Sinne, es war viel mehr eine Kopfsache.

„Dann komm, Lorenor. Lass uns zurückgehen. Du solltest was essen und mal duschen gehen, du riechst katastrophal.“

„Ach, du kannst mich mal“, knurrte er und ließ seine Schultern kreisen.

„So schlecht gelaunt.“

„Ja ich bin ja nicht der, der die ganze Zeit nur herumsitzt und Zeitung liest. Anders als du trainiere ich den ganzen Tag.“

„Das mag daran liegen, dass ich im Gegensatz zu dir Haki beherrsche. Außerdem bin ich bereits der beste Schwertkämpfer der Welt.“

„Oh, böser Konter.“ Perona kam vom Grabmal zu ihnen herunter und schwebte zwischen den beiden Schwertkämpfern. Da sie die meiste Zeit alleine war, hatte sie heute entschieden Mihawk und ihn zu begleiten.

„Halt dich zurück, Geistermädchen“, warnte der Samurai, „nur weil ich deine Anwesenheit toleriere, heißt das noch lange nicht, dass ich auf deine Meinung Wert lege.“

„Bah!“ Sie streckte dem Samurai die Zunge raus, flog dann aber schnell weg. Der Ältere würdigte sie noch nicht einmal mit einer Reaktion, sondern sah Zorro an.

„Wenn wir zurück im Schloss sind solltest du dich sofort verwandeln, damit du einen möglichst langen Zeitraum hast.“

Zorro nickte nur und gemeinsam machten sie sich auf den Weg.

Mihawk hatte Zorros Trainingskonzept komplett umgedreht. Nun verbrachte er den ganzen Tag als Loreen und verwandelte sich nur zum Schlafen gehen in seinen richtigen Körper. Bisher hatte er sich jede Nacht von alleine wieder in zurückverwandelt. Aber auch das musste er trainieren.

Also verwandelte er sich, duschte und zog sich etwas Bequemes an.

Die Verwandlungen waren immer noch schmerzvoll, brachten ihn an den Rand seiner Kräfte, aber er glaubte besser zu werden. Die Dusche war natürlich ein reiner Segen und er kam nicht drum herum die Unterschiede seiner beiden Gestalten wieder einmal festzustellen. Er war wirklich dankbar seinen Körper wiederzuhaben.

Nachdem er sich angezogen hatte ging er in das altbackende Kaminzimmer.

Der Samurai und die Geisterprinzessin waren bereits dort, zu Zorros Überraschung saßen sie sich gegenüber und spielten Schach. Dulacre hatte sich zurückgelehnt und die Arme verschränkt während das Mädchen grübelnd das Schachfeld betrachtete.

„Auf dem Tisch liegt die Zeitung, Lorenor. Du solltest sie lesen“, begrüßte ihn der Ältere und begutachtete ihn.

„Schachmatt in drei Zügen“, sprach er dann, ohne das Spiel vor sich auch nur anzusehen.

„Was?!“ Perona war aufgesprungen. „Aber…“

„Deine Züge sind vorhersehbar und schlicht, beinahe von kindlicher Naivität. Selbst Lorenor könnte dich schlagen und er ist wirklich kein Genie.“

„Gibt’s eigentlich irgendwas zu essen?“, murrte Zorro und ignorierte das Geplänkel der anderen.

„Neben der Zeitung findest du was du suchst, Lorenor.“ Der Ältere klang sowohl gelangweilt als auch genervt. „Es wäre wünschenswert, wenn du erst einmal deine eigenen Augen bemühst, ehe du dich beschwerst.“

„Was bist du denn so gereizt?“, entgegnete er und setzte sich hin.

Auf dem Tisch stand ein Teller mit einfachem Essen, bereits abgekühlter Reis mit etwas Fleisch, es reichte ihm. Sein Blick war jedoch bereits auf die Zeitung gefallen.

„Was soll das?“, flüsterte er.

„Überrascht es dich wirklich?“ Der Samurai seufzte. „Rayleigh hat es dir doch erklärt. Dein Kapitän muss doch irgendwie seiner Crew Bescheid geben. Auch wenn es nun bedeutet, dass die ganze Welt weiß, dass er noch lebt.“

Zorro sah zum Samurai hinüber, der gerade eine Schachfigur versetzte.

Schnell las er den Artikel durch.

„Du meinst diese 16. Glockenschläge sind eine geheime Botschaft an uns?“

„Aber nein!“ Der Ältere stöhnte laut auf. „Oh, Lorenor. Bitte, denk doch einmal nach.“

„Was willst du?!“, herrschte Zorro den anderen an, der tief seufzte und zu ihm herüber kam.

„Guck dir den Artikel noch mal genau an“, riet der Samurai und setzte sich auf die Tischplatte vor ihm. „Lass dir Zeit und denke nach. Das hier ist nicht der Plan des Strohhutes, sondern von Rayleigh. Berücksichtige das.“

Zorro starrte die Zeitung an. Was meinte der andere?

Nach mehreren Minuten stand der Samurai wieder auf und beendete das Spiel mit dem Geistermädchen.

„Lorenor, du kennst das Ergebnis doch bereits, du weißt was der Plan ist, also was ist das Medium, durch das deine Freunde von dem Plan erfahren sollen?“

Und dann sah er es. Wie ein Tattoo auf dem Arm seines Käpt’n.

„Ach so. Nicht drei Tage sondern zwei Jahre.“

„Genau. Viel offensichtlicher konnte der Strohhut es gar nicht machen ohne dass es auffallen würde. Wirklich ein guter Plan“, bemerkte der Samurai.

Langsam legte Zorro die Zeitung ab und begann zu essen.

„Aber werden es die anderen herausfinden? Wir wussten es ja schließlich nur weil Rayleigh es uns vorher gesagt hat.“

„Sprich bitte nur von dir, Lorenor“, entgegnete der Ältere, „alleine mit den Hintergrundinformationen die uns Rayleigh gegeben hat, hätte es dir sofort auffallen müssen.“

„Willst du sagen ich wäre dumm?“, knurrte er und leerte seinen Teller.

„Dass du das wirklich noch fragst…“ Perona sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Wer im Glashaus sitzt…“, bemerkte Mihawk.

„Hey!“

Doch wieder ignorierte der Samurai das Mädchen.

„Komm her, Lorenor“, forderte er kühl.

„Was? Warum?“ Doch er war bereits aufgestanden. Es missfiel ihm, wenn der andere diesen befehligenden Ton aufsetzte, auf der anderen Seite war Mihawk nun mal sein Lehrmeister.

„Ich denke es ist an der Zeit nicht nur deinen Körper zu trainieren. Deine Gedanken sind noch stumpf und grob, aber ein Meister der Schwertkunst braucht einen scharfen Verstand, ebenso scharf wie sein Schwert. Setz dich.“

Zorro setze sich Dulacre gegenüber ans Schachbrett.

„Geistermädchen, räume den Tisch bitte ab.“

„Hör auf mich herumzukommandieren. Außerdem heiße ich Perona!“

Er konnte den berechnenden Blick des Älteren auf sich spüren.

„Komm Lorenor. Lass uns eine Runde Schach spielen.“

Er beäugte den anderen misstrauisch. „Warum? Letztes Mal hast du mich vernichtend geschlagen und dich über mich lustig gemacht. Ich bin seitdem nicht besser geworden.“

„Das habe ich auch nicht erwartet.“

„Ach, du kannst mich mal!“ Er wollte bereits wieder aufstehen.

„Lorenor, bitte.“ Der Ältere sah ihn ernst an. „Versuche doch deine Wortwahl ein bisschen zu überdenken und nicht immer so unkontrolliert zu reagieren.“

„Würde ich ja, wenn du aufhören würdest immer so zu tun als wärest du was Besseres als der Rest der Welt!“

Der Andere sah ihn mit großen Augen an.

„Wie bitte? Das tue ich doch…“

„Ach, vergiss es einfach!“

„Lorenor?“

„Lass uns einfach spielen“, murrte er und pinnte seine Augen aufs Schachbrett anstatt den anderen ansehen zu müssen.

„Natürlich, wie du willst“, antwortete Mihawk dann und tat es Zorro gleich die Figuren aufs Feld zu stellen. Keiner von beiden sagte etwas.

„Es tut mir leid.“

Überrascht sah Zorro auf als der andere den Turm in seiner Hand begutachtete.

„Mir war nicht bewusst, wie mein Benehmen wirken kann. Ich bin wohl so daran gewöhnt mich unter Feinden behaupten zu müssen, dass ich manchmal vergesse, wenn es nicht nötig ist.“

Nun sah Zorro weg, konnte spüren, wie seine Wangen warm wurden.

„Darum geht es nicht“, gestand er leise ein und bemerkte, wie der andere ihn betrachtete.

„Es liegt an mir“, murmelte er dann, „ich kann mich doch nicht immer darauf verlassen, dass mir ein Rayleigh seinen Plan vorher erklärt oder dass du hinter mir stehst und mich mit der Nase aufs Offensichtliche stößt. Ich muss selber auf so etwas achten.“

Langsam sah er zu dem Älteren auf, der ihn ebenso ruhig betrachtete.

Er wusste nicht wie er in Worte fassen sollte, was er dachte. Wie sollte er dem anderen sagen, dass er sich neben ihm manchmal strohdumm vorkam? Wie sollte er ihm sagen, dass er daran zweifelte einfach die nötige Intelligenz zu haben?

Natürlich war er nicht so einfältig wie Ruffy, so naiv wie Lysop. Er war ein Überlebensstratege, kannte das Wissen von der Straße, aber er war nicht so wie Robin, nicht so wie Chopper, ganz gewiss nicht wie Dulacre und bisher war ihm das auch nie wichtig gewesen, aber jetzt…

„Ich will nicht nur der Typ mit den Muskeln in der Crew sein“, meinte er dann ehrlich. „Ich weiß, dass ich nicht so schlau bin wie Nami oder wie der verdammte Koch, aber...“ Nun sah er wieder weg. „Aber wie soll ich dich je besiegen, wenn du jede meiner Strategien schneller durchschaust als ich sie mir ausdenken kann. Du sagtest der Verstand muss genauso scharf sein wie das Schwert und langsam frage ich mich, ob ich nicht einfach nur ein Beil bin.“

Der andere vergrub sein Kinn zwischen den langgliedrigen Fingern ohne zu antworten.

Zorro betrachtete das Schachspiel. Früher hatte er nie über solche Dinge nachgedacht, hatte sich auch nicht für dumm oder so gehalten, war immer der Meinung gewesen, schon ganz gut zu Recht zu kommen. Natürlich hatte er bei manchem Gespräch mit Robin darüber nachgedacht, wie jemand so viele Dinge gleichzeitig beachten und beurteilen konnte, aber es hatte ihn nie eingeschüchtert.

Aber seitdem er bei dem Samurai war hatte er ständig das Gefühl langsam zu sein, stumpf zu sein. Als würde der Ältere für ihn immer extra langsam und deutlich sprechen. Wenn sie sich über etwas anderes als die Schwertkunst unterhielten bemerkte er immer öfters, dass er so vieles nicht wirklich verstand. Meistens war der Ältere geduldig, erklärte es ihm in Ruhe. Aber manchmal war auch Dulacre gereizt oder müde, manchmal schien er das Gefühl zu haben, dass es so logisch war, dass er es Zorro nicht erklären musste.

Ja, in der Gegenwart von Dulacre fühlte Zorro sich oft dumm und nun schien es so, als ob er das noch nicht einmal ändern konnte.

„Deine Worte überraschen mich Lorenor“, gestand der Samurai ein und sah zu ihm hinüber. „Mir war nicht bewusst, wie viel du bereits über dieses Thema nachgedacht hast.“

Der Jüngere sah weiterhin aufs Schachbrett.

Der Ältere seufzte leise. „Vielleicht hast du Recht, vielleicht ist dein Verstand kein Schwert sondern eher eine Streitaxt.“

Zorro hob zustimmend nur eine Hand und rollte mit den Augen.

„Aber auch eine Streitaxt kann im Kampf tödlich sein, erst recht wenn sie scharf ist.“

Aus dem Augenwinkel konnte er ganz deutlich sehen, dass der andere grinste.

„Wenn du möchtest, kann ich dir auch dabei helfen deinen Verstand zu schärfen und dann werden wir sehen, ob du wirklich so dumm bist, wie du glaubst.“

Nun sah er den Älteren an, der es schaffte ihm Hilfe anzubieten während er ihn dabei auch noch beleidigte.

„Lass uns spielen, Lorenor. Ich hatte schon seit Jahren keine gute Partie mehr und wer weiß, vielleicht schaffst du es ja mich innerhalb der nächsten zwei Jahre zu schlagen.“

Das Grinsen des Älteren wuchs.

„Schach ist ein Strategiespiel, wenn du mich besiegst, konntest du meine herausfinden bevor ich deine entdecken konnte und glaube mir, du magst dich für dumm halten, ich jedoch halte mich für sehr klug.“

Nun lehnte der Ältere sich vor.

„Und ich wurde schon seit Jahren nicht mehr im Schach geschlagen.“

Es war eine Einladung, eine Forderung, eine Herausforderung.

Wie damals im East Blue. Mihawk wollte, dass Zorro ihn übertreffen würde, wohl wissend, dass er es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mal ansatzweise mit ihm aufnehmen konnte.

Ein flüchtiges Lächeln schlich sich auf Zorros Lippen.

„Aber bevor wir anfangen, habe ich eine kleine Aufgabe für dich.“ Der andere stand auf und ging zu dem Schreibtisch am anderen Ende des Zimmers. Aus einer Schublade zauberte er eine Karaffe mit klarer Flüssigkeit. „Ich hoffe du magst Gin“, meinte er gelassen und kam zurück.

In diesem Moment tauchte auch Perona wieder auf.

„Und die wäre?“ fragte Zorro misstrauisch.

„Erkläre mir, wie das Spiel funktioniert.“

„Was? Du kennst es doch.“

„Natürlich. Aber erst wenn man etwas frei und einfach erklären kann bedeutet das auch, dass man es selbst verstanden hat. Erkläre es und verstehe es. Denke nach und hinterfrage. Akzeptiere Wissen nicht einfach so sondern versuche die Hintergründe zu begreifen. Nur so wirst du das erreichen, was du dir vorgenommen hast.“

Langsam nickte Zorro.

Der andere hatte ihn nicht aufgegeben. Wieder einmal hatte der andere etwas in ihm geweckt, was er bereit gewesen war zu begraben.

„Okay, gut. Dann fang ich mal an.“

 

 

Kapitel 15 - Tanz

Kapitel 15 – Tanz

 

-Mihawk-

„Und nochmal!“

Missbilligend sah er zum Piraten hinunter. Dieser hockte schwer atmend auf dem Boden und fuhr sich mit dem Armrücken über die verschwitzte Stirn.

„Das kann doch nicht dein Ernst sein.“

„Ich versuche es ja!“, knurrte Lorenor ihn an und richtet sich schwerfällig auf. Keuchend blieb er stehen, sein kurzes Haar stand in alle Richtungen ab, sein weißes Poloshirt war vom Schweiß durchnässt. Er versuchte es wirklich, das konnte man deutlich sehen.

„Sei nicht so verbissen. Entspann dich und schließe deine Augen. Konzentriere dich.“

„Jaja, ich weiß, ich weiß“, entgegnete der Jüngere und lockerte seine Schultern.

Der Pirat ging wieder in Ausgangsstellung und schloss seine Augen.

„Bereit?“

Der Jüngere nickte.

Seit knapp einem Monat trainierten sie nun schon auf Kuraigana. Als Loreen beherrschte sein Schüler mittlerweile die Grundlagen des Observationshaki so sicher, dass Dulacre zum nächsten Punkt übergegangen war.

Seit dem frühen Morgen stand ihm nun Zorro gegenüber.

Doch es war, als hätten die vergangenen Wochen überhaupt nicht existiert, denn obwohl Lorenor das Observationshaki in seiner weiblichen Gestalt anwenden konnte, scheiterte er fundamental in seiner männlichen Gestalt.

Am gestrigen Tag war Lorenor soweit gewesen seine Angriffe vorauszusehen und zwar so gut, dass er ihm, Dulacre, hatte ausweichen können, innerhalb von einem Monat. Auch wenn er es dem Jüngling nicht auf die Nase binden würde, er war wirklich talentiert.

Aber jetzt als Zorro waren seine Reflexe so schlecht wie die eines alten Mannes. Er schaffte es noch nicht einmal zu sehen, geschweige denn Haki einzusetzen.

Dulacre konnte die Geschwindigkeit seiner Angriffe regulieren und obwohl er sich bemühte langsam zu sein, knallte der andere mit dem Kopf voran auf den Boden.

„Von oben?!“, keifte der Jüngere ihn an, „Ernsthaft?“

„Wer sagt denn, dass ich immer nur von rechts oder links angreifen würde? Du weißt, dass das Observationshaki keinen blinden Fleck hat. Also steh auf und gleich nochmal.“

Grummelnd erhob sich der Jüngling, sein Gesicht ganz gerötet vom Aufprall.

„Wieso klappt es nicht?“, meinte sein Wildfang unzufrieden. „Gestern konnte ich es doch. Es sollte doch das Gleiche sein. Wieso bekomme ich es nicht hin?“

Er beobachtete den Jüngeren, konnte die Wut und Enttäuschung fühlen. Lorenor bemühte sich wirklich, er wollte wirklich und doch schaffte er es nicht.

Die vergangenen Wochen waren hart gewesen, aber nie hatte der andere sich beschwert, nie aufgegeben, aber gerade schien er wirklich zu verzweifeln. Vermutlich fragte er sich, ob er als Zorro schlechter war als als Loreen. Was für eine zermürbende Frage.

„Schließe die Augen“, befahl er kühl und der Jüngere folgte.

„Breite die Arme aus.“

„Was?“ Doch Lorenor tat was er wollte. „Wieso?“

Entschieden machte Dulacre drei Schritte nach vorne und ergriff die rechte Hand des Jüngeren mit seiner linken. Seine rechte Hand legte er um die Hüfte des Piraten.

„Was soll das?!“ Schnell versuchte der Grünhaarige sich zu befreien aber Dulacre konnte ihn problemlos festhalten.

„Diese Übung hat sich schon einmal als nützlich erwiesen. Ich denke ein zweiter Versuch schadet nicht.“

Wütend starrte der andere zu ihm hoch. Obwohl sein Gesicht nun deutlich härter war, diese Augen waren genau die gleichen und er mochte dieses Funkeln darin, dieses Funkeln welches ihm ganz deutlich machte, dass der andere keine Angst vor ihm hatte, von ihm nicht eingeschüchtert werden konnte. Ja, er mochte diesen Blick des anderen.

„Ich tanze nicht!“, knurrte Lorenor. „Ich will trainieren.“

„Das hier ist Training“, entgegnete er ruhig. „Schließe deine Augen und lass dich von mir führen.“

„Warum?“ Der Pirat sah ihn immer noch so erzürnt an. „Warum tanzen?“

Er seufzte leise. „Damit du es verstehen kannst. Manchmal brauchen wir andere Methoden. Entspanne dich und schließe deine Augen.“

Er wusste nicht, wie oft er diesen Satz am heutigen Tage schon von sich gegeben hatte. Manchmal forderte der Jüngere seine Geduld wirklich heraus.

Leise vor sich hin grummelnd schloss der andere schließlich seine Augen.

„Aber nur dieses eine Mal.“

„Nur solange bis du es kannst.“

Und dann schritt er los. Lorenor reagierte fast sofort und auch wenn der Jüngling nicht gerne tanzte, so beherrschte er die Schritte doch immer noch. Allerdings war er deutlich unbeholfener, stolperte über seine eigenen Füße und bewegte sich schwerfällig, riss die Arme zu hoch und drückte sich zu sehr gegen Dulacres Hand.

Mit der Zeit wurde es besser. Der andere fand den Rhythmus und gewöhnte sich langsam an die Bewegungen. Tatsächlich fiel Dulacre auf wie viel einfacher es war mit Zorro zu tanzen als mit Loreen. Der ehemalige Piratenjäger war größer, seine Schritte länger. Die linke Hand des Jungen lag nun auf seiner Schulter und nicht auf seinem Oberarm, ihre Armlängen waren ähnlicher, sodass er seinen nicht so sehr beugen musste. Lorenor konnte in dieser Gestalt viel besser auf ihn reagieren, konnte ihm viel mehr Bewegungsfreiheit bieten.

Obwohl Zorro deutlich grober war als Loreen, hatte dieser Tanz etwas Angenehmes. Es war anders als damals im Training, als beim Ball. Er musste sich dem Jüngeren nicht anpassen, nicht mehr.

„Ist es dir schon aufgefallen?“, fragte er und drehte den anderen.

„Was?“, murrte der Jüngere immer noch mit geschlossenen Augen.

„Hör auf dich übers Tanzen zu ärgern und sei aufmerksam“, belehrte er.

„Ja ja.“

Es war still um sie; nur ihre Schritte, ihre Atmung und ihre Herzschläge waren zu hören.

„Es ist anders“, flüsterte Zorro schließlich.

„Was ist anders?“, fragte er nach anstatt es dem anderen zu erklären.

„Das Tanzen. Du bewegst dich anders und ich bewege mich anders. Warum?“

„Ja warum? Genau darauf musst du dich konzentrieren. Was ist anders als vorher?“

Er musste sich beinahe auf die Zunge beißen um es nicht zu verraten.

„Ich“, antwortete Lorenor, „ich bin anders. Es ist ein anderer Körper.“

Dulacre nickte zufrieden.

„Richtig, du bist größer, breiter gebaut. Deine Schrittlänge ist weiter, deine Bewegungen sind grober, all das liegt an deinem Körper und wir passen uns dem an. Deswegen verändert sich die Art wie wir Tanzen. Der Tanz fühlt sich anders an, nicht besser, nicht schlechter, nur anders.“

Der andere schwieg doch dann sprach er: „Ist es das gleiche beim Haki? Weil es ein anderer Körper ist fühlt es sich anders an und ich habe erwartet, dass es sich genauso anfühlt wie bei Loreen.“

„Bravo. Genau das ist es. Erwarte nicht, dass es sich gleich anfühlt. Du weißt, dass deine beiden Körper unterschiedlich sind, hast dich sogar beschwert wegen den hormonellen Schwankungen, wie kannst du dann erwarten, dass die Anwendung des Haki sich gleich anfühlen würde?“

Lorenor öffnete die Augen und sah ihn an.

Immer noch folgten sie den Schritten, wie ein altes Uhrwerk.

„Aber wie weiß ich dann, dass ich richtig liege? Dass ich es richtig mache?“

„Wir werden diese Übung jetzt abändern, dann ist auch sie nicht mehr die gleiche wie vorher.“

„Und wie?“ Der andere schien wenig überzeugt.

„Schließe deine Augen.“

„Schon wieder?“

„Hör auf dich zu beschweren. Ich kann nichts dafür, dass du es zwei Mal lernen musst.“

Er ließ den Jüngeren los und trat einen Schritt zurück, veränderte ihre Positionen.

„Spiegel meine Körperhaltung“, meinte er ruhig und behielt die grundlegende Tanzposition bei, nur seine Handflächen hielt er gerade, als würde er sie gegen ein Glas drücken.

„Halte knapp zwei Zentimeter Abstand.“

Lorenor folgte seinen Vorgaben. Seine Hände berührten nur beinahe die seinen.

„Und jetzt schließe deine Augen.“

Der Jüngere sah mit einer hochgezogenen Augenbraue zu ihm herauf, machte es jedoch.

„Ich möchte, dass du dich bewegst sobald du das Gefühl hast, dass ich es möchte.“

„Aber wie…“

„Du wirst es merken, du wirst es fühlen können. Und jetzt sei ruhig.“

Sekunden vergingen ohne dass etwas passierte.

„Du bewegst dich nicht“, murrte der andere zwischen zusammengebissenen Zähnen.

„Ich habe nicht vor mich zu bewegen. Das Ziel ist, dass du dich bewegst, bevor ich es tue, dass du reagierst bevor ich überhaupt agiere. Du weißt wie es funktioniert.“

Wieder war es still und bis auf den Wind in den Baumkronen bewegte sich nichts.

Diesmal war es lange ruhig, er sah wie die geschlossenen Augen vor Konzentration zuckten, wie die Lippen fest zusammengekniffen waren, wie die Stirn in tiefe Falten gelegt war.

Lorenor nahm dieses Training ernst. Er war noch viel verbissener als damals auf Sasaki. Er gönnte sich kaum Pausen und versuchte sich stetig zu verbessern, im Training, in seinen Verwandlungen, im Schachspielen. Es machte Spaß, noch nie hatte er jemanden so hart arbeiten sehen, deutlich härter als er damals. Vielleicht wäre sein Vater stolz auf ihn gewesen, wenn er so hart gearbeitet hätte.

Jet…

Lorenor machte einen Schritt zurück. Dann riss er die Augen auf.

„Sehr gut“, bestätige er den anderen, „und so war die Übung erfolgreich.“

„Was?“ Der Jüngere sah ihn unzufrieden an. „Das könnte nur Zufall gewesen sein.“

Vielleicht trugen seine mahnenden Worte ja tatsächlich bereits Früchte.

„In der Tat. Deswegen werden wir das hier jetzt solange wiederholen bist du dich bewegen kannst als wäre das hier ein Tanz. Wir werden solange üben bis wir tanzen.“

„Ich wusste gar nicht, dass das Ziel tanzen ist“, murmelte der andere grummelnd und sah weg.

„Du kennst das Ziel. Dies hier ist nicht mehr als ein Weg um es zu erreichen.“

„Mhm“, murrte der Jüngere halbherzig zustimmend.

„Gut, dann wieder in Ausgangsposition und Augen schließen.“

Das Training ging lange, es dauerte Stunden bis sie mehr als zwei bis drei Schritte machen konnten. Schweiß tropfte Lorenors Stirn hinunter aber ansonsten verriet nichts die Anstrengung die er aushalten musste. Seine Körperhaltung hatte sich nicht verändert, er wirkte angespannt aber nicht verspannt. Nun bewegten sie sich schon mehrere Sekunden lang zu einem unbeständigen Takt den Dulacre bewusst vorgab, bemüht keinen typischen Tanzschritt zu nehmen, nichts was der andere irgendwie kennen konnte, nichts wo er vorweggreifen konnte.

Es klappte recht gut also entschied er die Taktik zu ändern. Er blieb stehen, genau wie Lorenor.

Nach einer weiteren Sekunde öffnete er die Augen.

„Warum hast du aufgehört?“

„Ich möchte etwas ausprobieren um deine Konzentration zu prüfen.“

„Und das wäre?“ Der andere streckte sich kurz.

„Das wirst du jetzt gleich sehen. Auf Anfang.“

„Na wenn du meinst.“

Sie nahmen beide wieder ihre Haltung ein und nach etwas mehr als drei Sekunden machte Lorenor einen Schritt auf ihn zu. Nach einigen Atemzügen hatten sie ihren Rhythmus wieder gefunden.

„Weißt du warum ich nicht viel vom Meditieren halte?“, fragte Dulacre in die Stille hinein und beobachtete den anderen genauestens.

„Was?“ Der Pirat verpasste einen Schritt und riss die Augen auf.

„Augen zu und weiter machen.“

Augenblicklich gehorchte der andere.

„Also? Weißt du warum?“

„Nein.“

Wie erwartet hatte Lorenor nun Schwierigkeiten.

„Ich halte es für klug, wenn jemand seine Gedanken ordnet und seinen Geist leert. Einklang zwischen Körper und Seele ist sehr wichtig. Achte weiter auf mich, Lorenor. Nur weil wir uns jetzt unterhalten bedeutet das nicht, dass die Übung vorbei ist.“

Der andere biss sich auf die Unterlippe und nickte.

Dulacre konnte ein Grinsen nicht verhindern. Er glaubte nicht, dass Lorenor das früher auch gemacht hatte, es wirkte wie eine typisch weibliche Mimik, aber es machte ihn jünger, beinahe kindlich.

Der Pirat atmete tief ein und ging wieder in die Ausgangsposition. Nach zwei Herzschlägen beugte er sich nach hinten.

„Richtig so.“ Er beugte sich über den Jüngeren, seine linke Hand folgte dem anderen und übte gleichzeitig Druck aus, ohne ihn zu berühren. Dann gingen sie weiter.

„Was mich am Praktizieren der Meditation stört ist, dass man es nur unter idealen Umständen ausführen kann. Man bewegt sich nicht, man darf nichts sehen, man muss in einer angepassten Umgebung sein. In einem Kampf ist dieser Einklang nicht nachzuahmen.“

Sie bewegten sich in unsteten Bewegungen, beinahe schon flüssig aber immer wieder abgehackt.

„Man kann die Meditation nur unter perfekten Bedingungen nutzen, aber dann wenn man die Macht der Meditation wirklich gebrauchen könnte, hat man nicht die Möglichkeit sie einzusetzen. Letztendlich ist es also unnütz.“

Weiterhin folgte der andere seinen Schritten bevor er sie ausführte. Er wurde langsam besser.

„Aber doch nur am Anfang“, murmelte Lorenor.

Der Jüngere verpasste einen Schritt, fing sich jedoch wieder. Sie gingen weiter.

„Am Anfang meditiert man unter idealen Umständen damit man erst einmal herausfinden kann, wie es sich anfühlen soll und damit man sich alleine darauf konzentrieren kann. Aber das Ziel ist, dass man diese innere Ruhe jederzeit und egal was geschieht abrufen kann. Diesen Einklang den du meinst kann ich immer unabhängig von meiner Umgebung sogar unabhängig meiner eigenen Gefühle abrufen, wenn ich das nur möchte.“

Der andere beugte sich nach rechts und Dulacre folgte der Bewegung, ein unwissender Zuschauer würde glauben, dass er es war, der sich dem Jüngeren anpasste.

„Ist es nicht genauso wie bei dieser Übung?“, fragte Lorenor. „Erst beginnt man den anderen in einer ruhigen Position wahrzunehmen, später kommt Bewegung dazu und dann Ablenkung. Alles um die Konzentration zu verbessern. Damit man irgendwann auch das Observationshaki in unübersichtlichen Situationen anwenden kann.“

Ein Grinsen schlich sich auf Dulacres Züge, der andere hatte die Übung also doch durchschaut.

Sie bewegten sich weiter. Sein Schüler hatte es verstanden, ohne dass er es ihm vorkauen musste, er hatte die Übung erfasst.

„Aber dann verstehe ich es nicht“, murmelte Lorenor und machte mehrere Schritte relativ zügig zurück.

„Was verstehst du nicht?“ Er folgte dem anderen.

Sie drehten sich.

„Es ist das gleiche Prinzip, es erfüllt den gleichen Sinn und du weißt das. Du nutzt es also bewusst um mich zu trainieren und trotzdem hältst du das Meditieren für sinnlos. Warum?“

Der andere blieb stehen, hochkonzentriert.

„Weil es für mich unnötig ist“, antwortete er gelassen. „Ich brauche es nicht um einen ausgeglichenen Zustand zu finden. Ich habe meine Gefühle stets unter Kontrolle.“

Der andere hob missbilligend eine Augenbraue hoch, sagte jedoch nichts. Sie gingen weiter.

„Du glaubst mir nicht?“, fragte er schmunzelnd.

Zunächst schwieg der Jüngere während sie die Übung stetig fortsetzten, dann jedoch schüttelte er den Kopf.

„Nein.“

Beinahe entrüstet wollte der Samurai stehen bleiben, besann sich aber eines besseren.

„Das ist alles was ich kriege? Ein Nein?“

Der andere verzog keine Miene sondern folgte den Bewegungen unablässig.

„Wenn das was du sagst stimmen würde“, murmelte er schließlich, „dann wären wir nie hier gelandet. Dann hättest du mich nie unterrichtet und wärest nie auf die Idee gekommen, wegen mir die Befehle der Weltregierung zu ignorieren.“

Die Worte des anderen überraschten ihn. Der Jüngere hatte Recht.

„Du hast deine Gefühle nicht stets unter Kontrolle“, widersprach Lorenor nun, „du kannst sie unterdrücken, über sie hinweg agieren, aber nicht unentwegt kontrollieren.“

Sie blieben stehen.

„Nicht wenn es um mich geht.“

Ausgiebig betrachtete er den Jüngeren, der immer noch konzentriert die Augen geschlossen hielt und eine ernste Miene aufgesetzt hatte.

„Du bist nicht objektiv wenn es um mich geht“, stellte er dann kühl fest. „Auch wenn ich keine Ahnung habe wieso.“

Der andere zögerte, doch dann machte er einen Schritt zur Seite. Dulacre folgte ihm ohne zu antworten.

Schweigend führten sie die Übung fort. Der Jüngere schien noch nicht mal eine Reaktion seinerseits zu erwarten, nicht dass er wusste, was er darauf sagen sollte.

Lorenor hatte mit allem was er gesagt hatte Recht. Er selbst hatte darüber auch schon viel nachgedacht.

Es stimmte, wenn es um Lorenor ging war er nicht objektiv, konnte es gar nicht sein; Lorenor war sein Schwachpunkt.

„Wir werden die Übung jetzt verändern“, sprach er ruhig und fast gleichzeitig nahm er seine rechte Hand zurück, ballte sie zur Faust und Schlug zu.

„Wie du meinst“, entgegnete der andere. Mitten im Satz hatte er sich bereits zur Seite geneigt, gerade schnell genug um seiner Faust zu entgehen.

Immer noch drängte er dem anderen seinen Bewegungsablauf auf, zwang ihn mehrere Schritte zurück während er seinen Oberkörper zum Ausweichen nötigte.

„Ein guter Tanz ist wie ein Kampf““, murmelte er als der Jüngere sich unter seiner Hand hinweg beugte.

„Ist das hier für dich wie Tanzen?“

Der andere drehte sich zur Seite und wich ihm aus.

„Um ehrlich zu sein, ja.“

Langsam nahm er Tempo auf und Lorenor bewegte sich ebenfalls schneller und geschmeidiger. Allmählich baute der andere das auf, was er als Loreen bereits erreicht hatte.

„Ist es eigentlich nicht schon längst Zeit für dich über deine Verwandlung nachzudenken?“, versuchte er den anderen nun abzulenken.

Doch der Jüngere schien sich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

„Ich denke ich habe noch etwas mehr als eine Stunde.“

„Ehe du dich verwandeln musst oder ehe du dich vor Schmerzen nicht mehr bewegen kannst?“

Lorenor grinste. „Beides.“

„Hast du keine Angst vor den Schmerzen?“

Wenn er eines über die Kämpfe des anderen wusste, dann dass der andere immer die blutigsten, schmerzhaftesten Schlachten im Vergleich zu seinen Crewmitgliedern ausgefochten hatte, beinahe so, als ob er den Schmerz suchen würde oder aber als ob sein Körper ihm egal wäre.

„Vor Schmerzen muss man keine Angst haben“, meinte der andere gelassen. „Schmerzen bedeuten, dass der Körper sich wehrt, dass man kämpft. Erst wenn man sie nicht mehr fühlt, dann sollte man Angst bekommen.“

Der Jüngere klang ernst, als wusste er genau, wovon er sprach.

„Wie wenn man stirbt?“, fragte Dulacre nachdenklich nach.

„Wie wenn man aufgibt“, antwortete Lorenor hart.

Weiterhin bewegten sie sich in einem tanzähnlichen Schlagabtausch.

„Deine Logik ist mir wirklich befremdlich, Lorenor. Sie ergibt für mich oft keinen Sinn.“

Der Jüngere lachte leise, unterbrach sich aber als er Dulacres Tritt nur geradeso ausweichen konnte und sich mit beiden Händen abfangen musste.

„Dafür machst du für mich auch selten Sinn. Diese Sorge um Ansehen und Ruf, tze. Das werde ich wohl nie verstehen.“

Dulacre wollte etwas entgegnen, als er etwas bemerkte.

Er blieb stehen.

„Was ist denn?“

Lorenor war ebenfalls stehen geblieben und sah ihn nun verwirrt an.

Er sah durch die Schatten der Bäume, die durch das ewige Dämmerlicht lebendig wirkten.

„Sag du es mir“, meinte er zum Jüngeren ohne ihn anzusehen, „was passiert gerade?“

Der Jüngere verschränkte die Arme und schloss die Augen, doch nach wenigen Sekunden kniete er sich hin und berührte die Erde mit beiden Händen.

Er beobachtete den anderen. Lorenor konnte in dieser Gestalt sein Observationshaki kaum richtig anwenden, versuchte er also gerade die Erde als Medium zu nutzen um seine Sinne zu schärfen?

Und trotzdem zweifelte der Junge an seiner Intelligenz. Grinsend musste er über den anderen den Kopf schütteln.

Doch nach einem Moment zuckte Lorenor mit den Achseln und sah missmutig zu ihm auf.

„Gerade ist ein Schiff der Weltregierung angekommen“, erklärte Dulacre und hielt vier Finger in die Höhe.

„Vier Menschen?“, fragte Lorenor und versuchte immer noch die Neuankömmlinge zu erspüren, aber so weit war er einfach noch nicht.

„Nein, vier Wachmänner, besser gesagt Bodyguards und ein alter Mann.“

Lorenors Stirn legte sich in Falten.

„Ein alter Mann?“, fragte er zweifelnd, „was will der hier? Die Affen werden die umbringen. Weißt du wer es ist?“

„Eizen.“

„Was?!“

Nickend drehte er sich zu seiner Weste, die er über einen nicht weit entfernten Stein gelegt hatte und zog sie an.

„Wir sollten uns jetzt zum Schloss aufmachen. Ich befürchte, dass die Humandrill ihn nicht umbringen werden. Daher sollten wir auf seine Ankunft vorbereitet sein.“

Er nahm sein Schwert und warf es sich über die Schulter.

„Nun komm, du möchtest doch sicher nicht, dass er dich so sieht, ehrenwerte Lady Loreen.“

„Sehr witzig“, murrte der andere und eilte mit ihm Richtung Schloss.

„Wie lange glaubst du haben wir?“

„Dreizehn Minuten maximal aber mindestens zehn, je nachdem wie schnell Eizen zu Fuß ist.“

Lorenor seufzte.

„Wäre es nicht besser ihn gar nicht erst rein zu lassen? Woher weiß er überhaupt, dass ich hier bin? Vielleicht sollten wir einfach so tun, als wäre ich noch auf Sasaki?“

„Er weiß es. Ich würde dich nie über längere Zeit schutzlos aus den Augen lassen, das weiß er. Außerdem wird er bereits auf Sasaki gewesen sein. Wir können dich nicht verstecken, er würde die Lüge sofort riechen. Vergiss nicht, genau wie ich kennt er sich mit solchen Dingen aus.“

„Und die Wahrheit ist keine Option? Dann wären wir ihn zumindest los.“

Sie hatten die Treppen zum Eingang bereits erreicht.

„Natürlich nicht, Lorenor. Niemand darf erfahren, dass du noch lebst und erst Recht nicht wer du bist, ansonsten werden sie dich und die restlichen deiner Crew wieder jagen.“

Aufstöhnend fuhr der Jüngere sich durchs Gesicht.

„Na gut, zurück auf die Bühne also?“

„Beschwer dich nicht, es ist nur die Tanzszene.“

Kapitel 16 - Besuch

Kapitel 16 – Besuch

 

-Mihawk-

„Hast du mich verstanden? Ich werde es nicht noch einmal erklären.“

Sie rollte mit den Augen.

„Ja ja, so schwer ist das ja nicht. Aber muss ich mich wirklich umziehen?“

„So kannst du dich nicht der Außenwelt zeigen. Du musst zumindest seriös aussehen und das ist mit deinem Kleidungsstil nun mal nicht möglich.“

„Was hast du gegen meine Klamotten?“

Er musste Ruhe bewahren, aber dieses Gör war wirklich eine reine Geduldsprobe.

„Deine Klamotten sind mir herzlich egal. Aber für eine Vertraute der Lady Loreen kleidest du dich zu ordinär. Adrett und elegant, kriegst du das hin oder nicht?“

Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Backe.

„Also altbacken und prüde? Ja, klar, wird schon nicht so schwer sein.“

„Gut dann geh, zieh dich um und hilf Lorenor. Denk dran, respektvolle und höfliche Umgangsformen. Es schadet nicht wenn du das Lorenor auch noch einmal sagst.“

Erneut rollte sie mit den Augen.

„Du sollst mich nicht so herumkommandieren, ich bin nicht deine Magd und ich tu dir gerade einen Gefallen, oder nicht?“

Er wandte sich zum Spiegel und kontrollierte seine Frisur, selbstredend sah er tadellos aus.

„Du hast eigens entschieden hier zu bleiben und nicht mit dem Händler zum Sabaody Archipel zu reisen. Ich habe dich nicht eingeladen. Dein Leben verdankst du einzig und allein Lorenors Gutherzigkeit, also benehme dich dementsprechend.“

„Oh man, du gehst einem ja so auf die Nerven. Im Verhältnis zu dir ist ja sogar Zorro ein Charmeur.“

Doch sie ging hinaus und hoffentlich zu Lorenor.

Vor wenigen Minuten waren sie ins Schloss geeilt, denn Eizen stand so gut wie vor der Tür.

Lorenor würde zumindest eine gewisse Zeit brauchen um sich zu verwandeln, Schweiß und Dreck von seinem Körper zu waschen und sich halbwegs akzeptabel zu kleiden.

Sie hatten schon befürchtet, dass Eizen über kurz oder lang auftauchen würde, aber das hieß noch lange nicht, dass sie sich drauf gefreut hatten und so schnell hat selbst der Samurai nicht mit dem Politiker gerechnet.

Erneut warf er einen prüfenden Blick in den Spiegel. Dann warf er sich sein Schwert über die Schulter und ging zum Vorzimmer. Er würde Eizen mit all seiner Präsenz empfangen, deutlich machen wessen Heim das hier war und wer nur ungebeten war.

Es bedeutete schon einiges, dass der Politiker dieses Mal mit Personal anreiste; es war offensichtlich, dass er Dulacre nicht über den Weg traute, aber das beruhte auf Gegenseitigkeit.

Im Vorzimmer wartete er, den Blick starr auf das doppelseitige Tor gerichtet.

Laut wurde drei Mal angeklopft. Die Schläge hallten durch die Weiten des alten Schlosses.

Wie von Zauberhand glitten beide Torseiten simultan auf.

„Eizen“, sprach er kalt, „ich habe Sie bereits erwartet.“

Der alte Mann mit der undurchdringlichen Sonnenbrille verbeugte sich knapp. Im Gegensatz zu Dulacre wollte er offensichtlich die Etikette wahren.

„Mihawk. Es ist beruhigend zu sehen, dass nicht alle Samurai dem Krieg zum Opfer fielen.“

Eine Anspielung auf Gecko Moria.

„Kein Samurai ist im Krieg gefallen“, entgegnete er kühl und gab damit ganz offen zu, dass er von den Machenschaften der Marine wusste.

„Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs, und dann auch noch in Begleitung.“

Die vier Männer zu den Seiten des Politikers regten sich um keinen Millimeter.

„Oh, als wüssten Sie das nicht, Mihawk. Natürlich habe ich keinerlei Interessen an Ihnen. Ich möchte mit Ihrer Bekannten sprechen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Lady Loreen mir heute nur zu gerne Gesellschaft leisten möchte.“

Ein aalglattes Lächeln schlich sich auf Dulacres Züge.

„Nun ich bezweifle, dass irgendjemand Ihnen gerne Gesellschaft leistet, aber da Loreen in der Tat da ist, kann sie Ihnen das ja selbst sagen.“

„Ich bin sehr überrascht, Mihawk. Normalerweise verbergen Sie Ihre Abneigung mir gegenüber besser.“

„Oh wirklich, das tut mir leid, wird nicht wieder vorkommen.“

Eizen lachte leise.

„Sie glauben wirklich noch immer, dass Sie ein Mitspieler sind, nicht wahr Mihawk? Dann lassen Sie es mich bitte klarstellen: Sie sind nichts weiter als eine Spielfigur, nicht mehr als ein Bauernopfer.“

„Sollte ein Gast wirklich so unhöflich zu seinem Gastgeber sein?“ Lorenor kam durch die Türe hinter dem Samurai hinein. Bis auf einzelne zurückgebundene Strähnen trug er sein langes Haar offen. In dem schlichten weißen Kleid mit grauen und schwarzen Applikationen schien er noch blasser als so schon, oder lag es nur daran, dass er nicht mehr so gebräunt war, wie als Zorro?

Allerdings wirkte er wirklich erschöpft und auch leicht kränklich; egal ob beabsichtigt oder nicht, es würde seinen gewünschten Effekt bringen.

„Meine werte Lady Loreen. Es ist so lange her, dass wir miteinander gesprochen haben.“

Eizen verneigte sich tief und überspielte Lorenors Tadel gekonnt.

Der verfluchte Pirat nickte knapp. „Das ist wohl wahr. Ich entschuldige mich, dass ich Sie nicht in Mary Joa empfangen konnte.“

„Aber nicht doch. Wie ich erfahren habe, waren Sie erkrankt. Ich hoffe doch, dass es Ihnen nun besser geht, Liebes.“

Lorenor spielte seine Rolle wieder einmal zu gut.

„Sie brauchen sich um meine Gesundheit keine Sorgen zu machen. Hoffentlich haben Sie nicht die beschwerliche Reise auf sich genommen, nur um sich nach mir zu erkundigen.“

Der Politiker machte einen Schritt ins Haus hinein und seine Wachmänner folgten simultan.

„Meine hochgeschätzte Lady Loreen. Ich möchte Ihnen ein neues Angebot unterbreiten und ich bin mir absolut sicher - nein, ich weiß sogar - dass Sie es dieses Mal nicht ausschlagen werden.“

Seine Wortwahl beunruhigte Dulacre. Der Anzugträger hatte sich nicht zufällig verbessert, dazu war er viel zu geschickt. Aber Lorenor schien es nicht bemerkt zu haben.

„Ich glaube nicht, dass eine Zusammenarbeit möglich ist“, entgegnete dieser direkt.

Kurz sah der Grünhaarige zu ihm herüber, er wusste augenscheinlich nicht, wie er sich aus dieser Situation rausreden sollte.

Dulacre machte zwei Schritte vor seinen Wildfang.

„Sie haben es gehört, Eizen. Lady Loreen hat kein Interesse an Ihrem Angebot. Ich entschuldige mich dafür, dass Ihre Reise vergebens war, aber ich bitte Sie nun zu gehen.“

Der alte Mann neigte leicht den Kopf und ein beinahe verschmitztes Lächeln zog sich über sein Gesicht als er leicht den Kopf schüttelte.

„Also wirklich, mein lieber Mihawk. Es überrascht mich immer wieder wie viel Sie sich zutrauen. Ich dachte ich hätte mich Ihnen gegenüber klar ausgedrückt.“

Er klang immer noch äußerst freundlich, aber Dualcre konnte seinen Zorn spüren. Der mächtige Mann war es nicht gewohnt, dass jemand ihm die Stirn bot, aber das konnte er nun mal zu gut.

„Und ich dachte ich hätte deutlich gemacht, dass mich Ihre Meinung nicht im Mindesten interessiert, Eizen. Sie sind hier nicht willkommen!“

Für den Bruchteil einer Sekunde begegnete der alte Mann Dulacres vernichtendem Blick fast schon auf Augenhöhe, doch plötzlich veränderte sich seine Aura als er Lorenor betrachtete. Sein Lächeln wurde echter, seine Haltung offener.

„Meine liebe Loreen, ich verstehe, dass Ihr Bekannter sehr besorgt um Sie ist und Sie beschützen möchte. Aber ich stelle keine Bedrohung für Sie da. Alles was ich möchte ist ein kleines Gespräch unter vier Augen. Sie sind nicht verpflichtet dieses Angebot anzunehmen, aber hören Sie es sich doch zumindest an. Sie möchten doch nicht, dass ich den fünf Weisen von dieser unhöflichen Behandlung erzähle, nicht wahr Liebes? Es wäre doch sehr schade wenn nach Jimbei und Moria die Reihen der Samurai um ein weiteres Mitglied geschwächt würden.“

„Eizen!“, knurrte der beste Schwertkämpfer der Welt.

Das hier war keine Drohung mehr, keine Warnung. Es war reine Erpressung.

Dass Eizen soweit gehen würde sogar seinen Titel anzufechten hatte Dulacre nicht voraussehen können. Er tat sich schon schwer auch nur zu erahnen, warum der Politiker sich überhaupt für Lady Loreen interessierte, aber warum war der verzauberte Pirat ihm so wichtig schien, war Dulacre absolut schleierhaft.

Es war nicht so, als ob Eizen einfach von sich aus bestimmen könnte ihm seinen Titel abzuerkennen, er würde die fünf Weisen überzeugen müssen, ihnen etwas im Gegenzug dafür bieten müssen. Schließlich war Falkenauge auch nicht irgendwer, nicht irgendein dahergelaufener Pirat, nein, selbst für die fünf Weisen wäre es wohl unangenehm wenn der Name ehemaliger Weltaristokraten noch mehr beschmutzt werden würde.

Dulacre war sein Erbe ziemlich gleichgültig, aber in diesem Zusammenhang war es ihm nützlich, Eizen würde viel in Bewegung setzen müssen, wenn er seine Drohung in die Tat umsetzen wollen würde.

Die Frage war also ob der andere nur bluffte. Der Samurai zweifelte ob der andere tatsächlich die Macht hatte seinen Titel gefährden zu können und ob er wirklich soweit gehen würde, nur um mit Lorenor ein Gespräch führen zu können.

Einen Moment war es still und Lorenor hatte den Blick gesenkt.

Es ist eine Finte. Lass dich nicht einwickeln!

„Nun, Liebes? Können Sie mir ein paar Minuten Ihrer kostbaren Zeit schenken?“

Die verzauberte Frau sah auf.

„Herr Eizen“, sprach Lorenor kühl. „Wenn Sie mir bitte in die Bibliothek folgen würden.“

„Lore…!“ Er hatte den Jungen am Arm gepackt.

„Schon in Ordnung, Dulacre. Er möchte doch nur reden. Ich bin ja zu nichts verpflichtet.“

Doch die Art wie ihn der andere ansah machte ihm ganz deutlich, dass der Jüngere nichts riskieren wollte. Der andere würde seinen Titel nicht riskieren.

Verdammt! Warum glaubte dieses Kind, dass er es nötig hatte sich von ihm beschützen zu lassen?!

„Sei so nett und lass Perona einen Tee machen.“

„Eizen!“, knurrte er den Politiker an. „Wenn Sie Loreen auch nur ein Haar krümmen…“

Der alte Mann lachte.

„Ach Mihawk. Ich bitte Sie, im Gegensatz zu Piraten wie Ihnen halte ich Gewalt für keine zielführende Lösung. Aber wenn es Sie beruhigt werden meine Männer mit Ihnen warten. Ich denke wir sind uns alle einig, dass ein gebrechlicher, alter Mann wie ich keine große Bedrohung für eine junge Frau in ihrer Blütezeit darstellt.“

Dann wandte er sich dem Grünhaarigen zu.

„Bitte, Liebes. Zeigen Sie mir den Weg.“

Noch einmal kurz sah Lorenor zu ihm herüber, dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging durch eine Tür zur Linken des Samurais. Eizen folgte ihm augenblicklich, ein siegreiches, fast schon groteskes Grinsen auf den Lippen.

„Nur ein Bauernopfer“, hauchte der Politiker als er an Herrn der Insel vorbei ging.

Dulacre ballte die Hände zu Fäusten.

Von der anderen Seite der Türe konnte er das Geistermädchen hören.

„Meine Dame, es tut mir leid, aber die Bibliothek liegt in dieser Richtung. Darf ich Sie begleiten?“

Ihre Stimme klang tiefer als sonst, beinahe erwachsen. Die Wortwahl der Göre überraschte ihn jedoch noch mehr. Hätte Dulacre nicht gewusst, dass sie es sein musste, hätte er sie nicht erkannt.

Entschieden drehte er sich um.

„Sie können mir ins Kaminzimmer folgen oder hier warten“, bot er den Wachmännern des Politikers an und ging davon. Ihre abgehakten Schritte folgten ihm.

Im Warteraum angekommen nahm er die Zeitung von Esstisch, obwohl er sie bereits am Morgen gelesen hatte und setzte sich auf seinen Sessel.

„Nichts anfassen!“, betonte er zu den grobschlächtigen Männern, die sichtlich beeindruckt den großen Saal inspizierten. Es mochte nicht Mary Joa sein, aber dennoch imponierend.

Er tat so als ob er lesen würde, aber in Wahrheit war er in absoluter Alarmbereitschaft.

Natürlich lag Eizens Gefährlichkeit nicht in seiner Kampftechnik, aber das beruhigte ihn gerade kein bisschen.

Er hoffte einfach nur, dass Lorenor sich nicht einlullen ließ, sich nicht überrumpeln ließ. Der Jungspund hatte doch keine Ahnung von politischen Bühnenspielen. Auf der anderen Seite war der Andere auf dem Marineball sehr wohl in der Lage gewesen sich selbst zu verteidigen. Vielleicht war seine Sorge unbegründet.

Nach einigen Minuten öffnete sich die Türe und das Geistermädchen kam herein, ein Wägelchen mit Tee vor sich herschiebend.

Ihr Anblick überraschte ihn. Sie hatte ihr rosa Haar zurückgeflochten und trug ein langes, schwarzes Kleid mit Rüschen und Kreuzstickereien. Wie eine typische Zofe trug sie Häubchen und Schürze. Er hätte sie nicht wiedererkannt. Es war nicht ganz so vornehm wie Kanan sich kleiden würde, aber dennoch deutlich manierlicher als er diesem Mädchen zugetraut hatte.

Sie reichte ihm eine Tasse und bot auch den Männern Tee an, die alle ablehnten.

Danach stellte sie sich an die Tür und wartete.

Da wurde ihm bewusst, dass sie die Gefahr der Situation erkannt hatte und obwohl sie es wohl nie zugeben würde, so schien auch sie sich Sorgen um Lorenor zu machen.

Es war das erste Mal, dass er von ihr nicht genervt war. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass sie der gleichen Meinung waren.

Er nickte ihr kurz zu und nippte dann an seinem Tee, der glücklicherweise nicht ganz so süß war, wie er es befürchtet hatte.

 

-Zorro-

Leise fiel die Türe der Bibliothek hinter seinem Rücken ins Schloss.

Ihm war heiß, ganze Schweißbäche jagten seinen Nacken hinunter.

Er traute dem Mann hinter ihm überhaupt nicht und dass Eizen ihm gerade gedroht hatte Dulacres Titel abzuerkennen machte es nicht wirklich besser.

Aber er hatte Eizen schon zwei Mal abwimmeln können, hatte seine Angebote schon zwei Mal zurückweisen können. Er würde das ein drittes Mal schaffen.

Er setzte ein Lächeln auf und drehte sich um.

„Nun, Herr Eizen. Wir sind unter uns, wie Sie wollten.“

„Wohl wahr“, entgegnete der Ältere und lächelte ihn ebenso an, „ich danke Ihnen für Ihre Aufgeschlossenheit.“

Zorro hätte ihn am liebsten eine reingehauen.

„Ich möchte klarstellen, dass ich diesem Gespräch nur zugesagt habe, weil Sie mir keine Wahl gelassen haben. Ich stimme Dulacre absolut zu, Sie sind hier nicht willkommen.“

Der alte Mann lachte leise und seine Schritte hallten durch den Raum während er auf Zorro zukam.

„Solche Worte von Ihnen zu hören ist sehr verletzend, Liebes. Ich habe dennoch die Hoffnung, dass wir einen Konsens finden werden.“

Was auch immer der Alte damit meinte.

„Wir sollten uns setzen“, wich Zorro aus und deutete auf einen runden Tisch mit mehreren prunkvollen Stühlen.

In diesem Moment ging die Tür auf und Perona kam herein. Ihre großen, runden Augen starrten ihn geradezu an, kurz huschten sie zum Politiker hinüber und er konnte schon fast sehen, wie ein Schauder ihren Körper erzittern ließ.

„Tee?“, fragte sie deutlich zu laut.

„Das wäre sehr freundlich, Perona. Danke dir.“

Sie hatte Angst, vielleicht wusste sie sogar, wer Eizen war oder aber sie hatte gemerkt wie viel Macht dieser Mann hatte, dass er sogar einen der sieben Samurai drohen konnte.

Nachdem Perona den Tee verteilt und eine Schale mit bunten Plätzchen hingestellt hatte, beeilte sie sich das Zimmer zu verlassen.

„Wer ist denn die junge Dame?“, fragte Eizen nach und nahm sich direkt eine der Kalorienbomben.

„Ihr Name ist Perona“, antwortete er knapp.

„Und sie ist die Magd? Eine Dienerin?“ Die Kekse schienen dem Politiker zu schmecken.

„Nein, nein, sie hilft mir im Alltag. Sie ist meine Gesellschafterin.“

Wort für Wort sagte er die Lüge auf, die der Samurai ihm aufgedrängt hatte, ohne überhaupt zu wissen, was eine Gesellschafterin war.

„Ich verstehe.“ Eizen beugte sich zur Seite und hob einen Aktenkoffer hoch.

„So gerne ich auch mehr über Ihren Alltag hören würde, so drängt mich doch mein straffer Zeitplan. Kommen wir also zum Geschäftlichen.“

„Meinetwegen.“

Zorro nippte an seinem Tee, der bittersüß war. Es war das erste Mal, dass er alleine mit Eizen war und Zorro überlegte sich gerade ob er ihn im Falle des Falles mit einem Buch erschlagen sollte und es wie einen Unfall aussehen lassen könnte. Sein Blick fiel auf eine hässliche Büste direkt hinter Eizen und leise lächelnd entschied der Pirat diesen Plan nicht direkt zu verwerfen. Ein toter Eizen konnte auch den fünf Weisen nichts mehr vorschlagen.

Der Politiker öffnete den Aktenkoffer und zog eine weiße Mappe hervor.

„Der vorläufige Vertrag, Liebes“, erklärte er ruhig und reichte ihn Zorro.

Er nahm die Mappe entgegen und öffnete sie.

Vertragspartner waren Lady Loreen und Rishou Eizen. Die Weltregierung oder Mihawk wurden nicht einmal erwähnt.

Zorro sollte den Politiker bei organisatorischen Aufgaben und gesellschaftlichen Ereignissen wie es dort hieß auf Anfrage unterstützen. Was auch immer das bedeutete. Dafür bot der Politiker Lady Loreen rechtliche Immunität an und eine monatliche Alimentation. Aufgrund des Berryzeichens und der vielen Ziffern hinter dem Wort Alimentation ging Zorro davon aus, dass es sich um eine Art Vergütung handelte. Diese sollte auch ausgezahlt werden, selbst wenn Lady Loreen über Monate hinweg nicht für Eizen tätig werden sollte. Ein weiterer Beisatz besagte, dass Lady Loreen eine Anfrage nur krankheitsbedingt ablehnen durfte.

Eizen wollte ihn kaufen.

Nach zwei Zeilen wusste er, dass es genau der gleiche Vertrag war, wie der den der Politiker ihm vor mehr als sechs Wochen bereits zugesandt und den Zorro ohne einen weiteren Gedanken ignoriert hatte. Einzig und alleine die Höhe des Lohns und der Krankheitsbeisatz waren neu.

„Wenn ich mich nicht irre ist es der gleiche Vertrag wie der, den Sie mir auf Sasaki vorgelegt haben“, sagte er und sah den Politiker an.

Dieser nickte. „In der Tat, ich habe nur Ihren Wert angepasst und Ihren gesundheitlichen Zustand berücksichtigt. Ansonsten ist es noch genau der gleiche Vertrag.“

Misstrauisch beäugte Zorro die Papiere in seinen Händen.

„Warum glauben Sie also, dass ich dieses Mal einer Zusammenarbeit zustimme, wenn Sie mich schon letztes Mal nicht überzeugen konnten?“

Der Ältere schwieg.

„Wie Sie wissen interessiert Geld mich nicht und ich benötige die von Ihnen angebotene Immunität nicht. Ich sehe keinen Grund, warum ich diesen Vertrag unterschreiben sollte.“

Eizen faltete seine Hände und legte sein Kinn darauf ab.

„Ich kann Sie also nicht überzeugen diesen Vertrag zu unterzeichnen obwohl er Ihnen Macht, Reichtum und Ruhm versichern könnte? Ist Ihnen nicht bewusst, welche Möglichkeiten die Zusammenarbeit mit mir Ihnen bieten kann?“

Zorro sah ihn kühl an und nippte erneut an seinem Tee.

„Nichts davon interessiert mich und somit möchte ich die Verhandlungen für gescheitert erklären.“

„Zu schade“, meinte der Ältere und nahm sich noch einen Keks.

Einen Moment schwiegen sie beide.

Das war ja besser gelaufen als erwartet. Der andere hatte sich relativ schnell mit seiner Niederlage abgefunden und im Verhältnis zu den letzten beiden Malen war er ihm nicht so nahe gekommen.

„Sagen Sie, Liebes, wundern Sie sich überhaupt nicht warum ich gerne einen Vertrag mit Ihnen schließen möchte? Fragen Sie sich nicht, warum ich so große Mühen auf mich nehme Ihnen nachzureisen, Sie auf einen Ball des Adels einzuladen, ja sogar Ihren Bekannten zu bedrohen, nur um die Möglichkeit zu erhalten mit Ihnen zu sprechen?“

Zorro meinte, dass der anderen ihn ansah, aber durch die Sonnenbrille hindurch war es unmöglich das mit Sicherheit zu sagen.

Konnte es sein, dass er sich geirrt hatte? Konnte es sein, dass der gefährliche Teil der Unterhaltung gerade erst begann?

Zögernd stellte er seine Tasse ab.

„Sie sagten mir einst, dass ich eine Fähigkeit hätte, Leute zu verzaubern, die bei Ihnen nicht wirken würde. Sie sagten Sie wollten diese Macht nutzen um die Massen zu beeinflussen, auch wenn ich keine Ahnung habe, wovon Sie da sprachen. Aber ich denke darum geht es Ihnen, oder?“

Lächelnd nickte der andere.

„In der Tat.“

Wieder schwiegen sie.

„Aber wie gesagt, ich weißt nicht was Sie da meinen. Diese Fähigkeit von der Sie reden, die besitze ich nicht.“

„Lady Loreen. Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen.“

„Was?“ Langsam war er mehr als verwirrt. Er verstand nicht worauf der andere hinaus wollte.

„Vor rund 70 Jahren gab es einen kleinen Jungen in einer bürgerlichen Familie. Seine Großeltern waren hart arbeitende Menschen gewesen und hatten ihre Körper im Dienste ihrer Aufgaben verbraucht. Seine einzigen Erinnerungen an sie waren die an ihr Totenbett. Obwohl sein Vater immer fleißig war, sich stets weiterbildete und einen Gewinn für die Gemeinde darstellte hatte er es nicht zu viel gebracht. Er schaffte es gerade so seine vierköpfige Familie zu ernähren. Eines Tages jedoch wurde die Frau des Vaters sehr krank und obwohl die Familie einen Arzt im Bekanntenkreis hatte konnte dieser die Mutter nicht behandeln, die Medikamente waren zu teuer. Der Mann dieser Familie hatte also sein Leben lang geschuftet und sich für die Allgemeinheit aufgeopfert nur um nun seiner Frau beim Sterben zuzusehen.“

Es war ziemlich offensichtlich, dass der Politiker von seiner eigenen Kindheit sprach, aber Zorro wusste nicht warum. Warum erzählte ihm ein Wildfremder seine Lebensgeschichte?

„Der Junge begann also früh hart zu arbeiten um seinen Vater zu unterstützen, war aber kaum in der Lage seiner Mutter zu helfen; es gab keine Hoffnung auf ein besseres Leben. Zu diesem Zeitpunkt verstand der Junge, dass nur Macht und Geld in dieser Welt wichtig sind. Denn mit Macht kommt man an Geld und mit Geld an Macht. Was macht jedoch jemand, der weder noch hat?“

Er erwartete keine Antwort, nicht das Zorro die hätte, um solche Dinge hatte er sich noch nie wirklich Gedanken gemacht.

„Eines Tages sah der Junge wie der Bürgermeister mit der Frau des Arztes einen intimen Moment teilte und ihm kam eine Idee. Weder der Bürgermeister noch die Arztfrau würden wollen, dass die Gemeinschaft davon erfahren von ihrer jeweiligen Untreue erfahren würde. Also beobachtete der Junge die beiden weiter und sammelte Beweise. Danach verkaufte er sein Schweigen an sie und besorgte seiner Mutter die nötige Medizin.“

„Also ein glückliches Ende für alle“, versuchte Zorro die Geschichte zu beenden.

„Oh nein, das war doch nicht das Ende. Es war der Anfang. Denn nun wusste der Junge was noch stärker war als Macht und Geld und zwar Wissen, das Wissen um Geheimnisse und Sehnsüchte. Jeder möchte etwas haben oder vermeiden, dass andere etwas herausfinden. Jeder hat etwas, was man gegen ihn verwenden kann oder für das er alles tun würde. Und so kam der Junge an Macht und Geld. Ein Gefallen hier eine Geheimnis dort.“

„Worauf wollen Sie hinaus? Ihre Art durchs Leben zukommen widerspricht meinen Ansichten.“

Der Ältere lächelte sachte.

„Sie haben besondere Fähigkeiten, Lady Loreen. Es ist eine Gabe, dass jeder Mensch Ihnen sein Vertrauen schenken möchte. Weder Homura noch Mihawk sind davon gefeit. Sie alle glauben Ihnen, egal was Sie sagen. Wahrlich beeindruckend. Allerdings sind Sie nicht die einzige, die besondere Fähigkeiten in sich trägt. Dank meiner Gabe kann ich durch Ihren Zauber hindurchsehen. Ich weiß wer sie wirklich sind.“

Zorro lachte zaghaft.

„Ach, wissen Sie das?“ Wieso fühlte sich das hier so verdammt gefährlich an.

Eizen nahm seine Sonnenbrille ab und legte sie zur Seite. Aus seinem Aktenkoffer holte er ein Monokel. Dann sah der Politiker ihn wieder an und einen Moment glaubte Zorro, dass diese unauffälligen braunen Augen rot aufblitzen würden.

„Natürlich werte Lady Loreen.“ Seine Stimme tropfte nur so vor Sarkasmus. „Oder sollte ich lieber sagen Piratenjäger Lorenor Zorro?“

 

Kapitel 17 - Vertrag

Kapitel 17 – Vertrag

 

-Zorro-

Er weiß es!

Zorro lachte schwach, aber er konnte noch nicht einmal sich selbst überzeugen.

„Wie bitte? Ich habe keine Ahnung wovon Sie reden, Herr Eizen. Sicher, dass es Ihnen gut geht?“

Erneut blitzten die Augen rot auf und diesmal konnte Zorro es ganz genau sehen.

„Dieses Versteckspiel ist nicht notwendig. Ich weiß wer Sie sind. Nichts weiter als ein windiger Pirat, der sich adelig schimpft.“ Eizens Stimme hatte sich verändert. Er klang nun fast so herablassend wie wenn er mit Dulacre sprach.

„Ich habe es Ihnen ja schon gesagt. Sie passen zu Mihawk. Beides nicht mehr als Abschaum der Gesellschaft.“

„Eizen!“ Doch Zorro wusste noch nicht einmal was er sagen sollte. Was zur Hölle sollte er tun?

Das Versteckspiel war vorbei, Eizen wusste die Wahrheit, er wusste dass er Zorro war.

Aber nein, er durfte jetzt nicht einfach nachgeben und einlenken. Wenn Mihawk ihm eins über Politik beigebracht hatte, dann dass der andere viel behaupten konnte, doch solange er keinen Beweis hatte und Zorro nichts zugab, solange hatte er nichts in der Hand gegen ihn.

„Bemühen Sie sich nicht Ausreden zu finden. Ich brauche Ihre Bestätigung nicht. Ich sehe die Wahrheit mit meinen eigenen Augen.“

Immer noch glänzte Zorros Hirn durch absolute Leere. Er wusste einfach nicht, was er machen sollte. Er war sich nur sicher, dass er auf keinen Fall dem anderen gegenüber eingestehen durfte, wer er war.

Erneut öffnete Eizen seinen Aktenkoffer und zog einen Stapel Blätter heraus. Der Pirat nahm die Blätter entgegen, während der andere zu sprechen begann.

„Die diebische Katze Nami, Waisenkind. Aufgewachsen auf der Insel Kokos im East Blue, derzeitiger Aufenthaltsort: Die Himmelsinsel Weatheria.“ Eizens Worte waren kalt.

Dem Schwertkämpfer wurde schlecht während er das Bild der Navigatorin betrachtete. Er blätterte weiter, auf der Rückseite stand genau das, was der Politker gerade gesagt hatte.

„Vinsmoke Sanji aus dem Königreich Germa vom North Blue, auch bekannt unter dem Beinamen Schwarzfuß. Aufgewachsen im schwimmenden Restaurant Baratié. Derzeitiger Aufenthaltsort: Das Kamabakka Königreich auf der Insel Momoiro.“

Er blätterte weiter. Dahinter lagen weitere Blätter, auf jedem standen wichtige Informationen über einen jeden seiner Freunde. Bei manchen stand wo sie sich zurzeit befanden, bei manchen nicht.

Monkey D. Ruffy, Beiname Strohhut, Sohn des Monkey D. Dragon. Geboren: Windmühlendorf auf der Insel Dawn im East Blue. Derzeitiger Aufenthaltsort: Rusukaina

Er stockte. Dieser Mann wusste alles. Dort stand sogar, dass Ruffy von Boa Hancock Hilfe bekommen hatte und dass Silvers Rayleigh bei ihm war. Dieser Mann beobachtete jeden seiner Freunde.

Doch dahinter kamen noch weitere Blätter.

Meister Koshiro, Jonny und Yosaku, Corby, wer ist denn Helmeppo?

Er hielt gut und gerne dreißig Blätter in den Händen, einige der Gesichter kamen ihm mehr oder weniger bekannt vor, irgendwelche Bekanntschaften auf seinen Reisen, doch manche von ihnen waren auch gute Freunde.

Doch dann betrachtete er das letzte Blatt.

„Dies ist die Kopie einer formellen Anklage wegen Hochverrats. Was wohl mit den fünf Inseln Sasaki, Sadao, Suzono, Sarue und Suzuki passiert wenn Mihawk seinen Titel aberkannt bekommt. Was wohl mit ihm und seinen Angestellten passiert? Oder mit seinen Freunden? Wie hieß er noch, dieser aufstrebende Konteradmiral? Cho, wenn ich nicht irre, kann es sein, dass dieser ehrgeizige Soldat nicht einst sogar selbst ein Pirat war.“

Zorro wurde eiskalt.

„Was soll das alles? Was wollen Sie von mir?“

Der andere lächelte ihn nur freundlich an.

„Wie gesagt, Wissen ist Macht. Überall auf der Welt gibt es Menschen die meinen Befehlen folgen und ich bekomme was ich will. Man muss nur über den Preis verhandeln.“

„Das bedeutet, Sie werden all diese Menschen umbringen, wenn ich diesen Vertrag nicht unterschreibe?“

„Das haben Sie aber schnell durchschaut. Bravo. Falls ich sterben sollte oder den Befehl gebe, werden alle Menschen auf diesen Blättern innerhalb weniger Minuten getötet und das Original der Anklage wird den fünf Weisen zugestellt.“

Zorros Hände zitterten.

„Warum?“, murmelte er. „Dieser ganze Aufwand kann der Gabe von der Sie sprechen doch gar nicht wert sein. Wieso wollen Sie mich?“

Dieser Mann hatte sein komplettes Leben recherchiert. Von dem Tempel in dem er geboren wurde, über das Dojo in dem er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hatte bis hin zu den Leuten die er auf seiner Reise mit Ruffy und den anderen kennen gelernt hatte. Dieser Mann wusste alles und er drohte damit alles zu zerstören.

„Ich werde schon Verwendung für Sie finden, Liebes“, entgegnete der Politiker grinsend. „schließlich besitzen Sie beeindruckende Fähigkeiten und ich glaube, dass Sie mir in Zukunft noch sehr nützlich werden können.“

Zorro wusste nicht was er tun konnte. Wie sollte er sich da raus reden. Er schüttelte den Kopf.

„Das ist blanker Wahnsinn! Was Sie da reden können Sie doch nicht ernst meinen? Niemand wird Ihnen glauben und Sie haben keine Beweise.“

Nun lachte der Ältere.

„Sie verstehen es immer noch nicht, Liebes. Mein Wort ist Gesetz. Niemand muss mir glauben um meine Befehle auszuführen und ich brauche keine Beweise, da ich die Wahrheit ja schon längst kenne.“

Er war ihm unterlegen, in jedweder Form ausgesetzt, Zorros Gedanken konnten kaum den Worten des anderen folgen, geschweige denn einen Plan aus dem Boden stampfen.

„Auch wenn wir mal meine Fähigkeit außer Acht lassen, müssen Sie doch selbst einsehen, dass die Indizien für sich sprechen, Liebes. Man braucht doch nur eins uns eins zusammen zu zählen und da hilft Ihnen selbst Ihre besondere Gabe nicht mehr. Mich können Sie nicht um den Finger wickeln. Sehen Sie es ein, ich weiß wer Sie sind, egal ob Sie es abstreiten oder nicht. Auch Sie sind nichts weiter als ein Mitspieler, solange ich Sie mitspielen lasse.“

Der andere hatte Recht, solange das kein Bluff war, konnte Zorro nichts tun außer mitspielen.

„Sie drohen mir also damit unschuldige Menschen umzubringen, nur weil die Indizien für sich sprechen und ich sie nicht widerlegen kann?“

„Ich bitte Sie, die meisten von denen sind Piraten und Verbrecher.“

„Sechs Mönche, eine Prinzessin oder einen Dojoleiter würde ich nicht gerade Verbrecher nennen.“

Er war hilflos, Zorro hatte absolut keine Wahl. Er konnte diesen Mitskerl noch nicht einmal mit der hässlichen Büste erschlagen, das Risiko war viel zu riskant. Denn wenn es kein Bluff war würden alle Menschen die ihm je wichtig gewesen waren innerhalb der nächsten Stunde tot sein. Eizen hatte Recht, er durfte nur mitspielen, aber nur zu den Regeln, die der Politiker sich ausdachte.

Ohnmächtig, wütend und widerstrebend ergab er sich der Entscheidung, die nie in seiner Hand gelegen hatte.

„Sie sind wirklich wahnsinnig, Eizen. Aber nun gut, sollen Sie bekommen was Sie wollen. Anders als Sie werde ich nicht mit dem Leben anderer spielen. Ich unterschreibe.“

„Na sehen Sie. Es ist wie ich Ihnen gesagt habe. Jeder hat einen Wunsch oder ein Geheimnis. Ich bewahre Ihr Geheimnis für mich und erfülle Ihren Wunsch, diesen Menschen nichts anzutun. Es ist eine win-win-Situation, Liebes.“

Zorro wurde schlecht, aber er dachte ja nicht daran sich von diesem Kerl unterbuttern zu lassen: „Ich versichere Ihnen, sobald ich eine Chance habe Sie für Ihren Wahnsinn dran zu kriegen, dann werde ich das tun. Merken Sie sich das Eizen, ich bin nicht Ihr Spielzeug. Ich bin Ihr Feind.“

Der Ältere lachte.

„Ach, spielen Sie sich nicht so auf, Liebes. Am Anfang ist es immer ein bisschen angespannt. Aber Sie werden schon bald die Annehmlichkeiten unserer Zusammenarbeit schätzen lernen und dann werden Sie irgendwann vergessen, dass ich Sie je überzeugen musste.“

„Erpressen. Verdrehen wir doch nicht die Fakten.“

Der Politiker zog einen goldenen Stift aus seinem Aktenkoffer.

„Unterzeichnen Sie, Liebes. Dann können wir alle unseren alltäglichen Geschäften wieder nachgehen. Und Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen, ich werde Sie wahrscheinlich nicht oft behelligen.“

Zorro nahm den Stift in die Hand und betrachtete die weiße Mappe vor sich.

„Warum brauchen Sie mich dann überhaupt?“, murrte er etwas unbeabsichtigt, doch der andere sprach weiter, als ob er Zorros Worte nicht gehört hätte.

„Sie können auch ganz unbesorgt sein was den werten Herrn Mihawk betrifft, ich werde ihm natürlich nichts von Ihrem kleinen Geheimnis erzählen. Wenn Sie unterzeichnen können wir Ihren Bekannten in dem schönen Glauben lassen, dass er eine Jungfrau in Nöten beschützt und nicht seinen Feind beherbergt.“

Da war es, das kleine Schlupfloch, auf das Zorro gehofft hatte. Der andere glaubte, dass Dulacre unwissend war. Es gab also etwas, was er nicht wusste. Also gab es auch etwas, was Zorro irgendwann von Nutzen sein konnte, nicht dass es etwas an dem sauren Geschmack in seinem Mund änderte.

„Insgesamt werden Sie drei Ausformulierungen des Vertrages vorfinden, bitte unterzeichnen Sie jede davon. Eine ist für Ihre Unterlagen, die übrigen werde ich mitnehmen.“

„Sie werden damit nicht davon kommen“, flüsterte er mehr zu sich selbst als zu dem anderen und unterschrieb.

„Ach, Liebes. Tun Sie nicht so als wäre ich der Bösewicht. Ich spiele nur das Spiel der Politik mit. Aber immerhin habe ich nicht unzählige unschuldige Männer und Frauen umgebracht, wie manch andere in diesem Raum.“

Zorro entgegnete nichts sondern hielt dem anderen zwei der Verträge sowie die Papiere über die Menschen aus seinem Leben hin.

„Die können Sie behalten. Ich habe alle Informationen, die ich brauche.“

Er wollte ihn umbringen. Selten hatte er so sehr das Verlangen jemandem die Kehle durchzuschneiden oder den Kopf gegen diesen hässlichen alten Marmorschädel zu hauen bis einer der beiden nachgeben würde, vermutlich nicht der Stein.

Zitternd packte er die Papiere und den Vertrag in seine weiße Mappe. Selten war er so wütend.

Was hatte er gerade getan? Was hatte er gerade nur getan?

Er hatte seine Freiheit verkauft, Zorro hatte gerade sich selbst verkauft!

Nein!

Noch würde er nicht aufgeben, selbst jetzt würde er nicht aufgeben!

Tief atmete er ein und schloss für einen Moment die Augen.

Er stand auf, ein falsches Lächeln auf den Lippen.

„Bilden Sie sich nichts ein, Eizen. Ich habe gerade Ihr Todesurteil unterschrieben. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen. Aber vertrauen Sie darauf, dass Sie das hier bereuen werden.“

Der Ältere stand ebenfalls auf, packte seine Sachen weg und setzte seine Sonnenbrille wieder auf.

„Das glaube ich nicht. Im Gegenteil, ich glaube, dass wir beide von diesem Vertrag profitieren werden. Denken Sie immer daran, Wissen ist Macht.“

Eizen drehte sich zur Tür und ging. Am Türrahmen blieb er stehen.

„Ich freue mich sehr darauf Sie wiederzusehen, werte Lady Loreen. Wir sind uns doch sehr ähnlich, wir beide sind bereit für die Dinge die uns wichtig sind, alles zu tun, ungeachtet des Preises den wir zahlen müssen. Im Gegensatz zu Mihawk werden Sie meine Prinzipien bald verstehen. Auf eine gute Zusammenarbeit.“

Er entgegnete nichts und der alte Mann sprach weiter: „Wissen Sie, ich hatte wirklich gedacht, dass es schwerer sein würde Sie zu fangen. Aber wie erwartet, ohne Ihren Wachhund sind Sie nichts. Noch nicht mal eine Bedrohung.“

Die Tür fiel hinter dem Politiker ins Schloss.

Zorro blieb zurück, unfähig irgendetwas zu sagen, die weiße Mappe immer noch in den Händen.

Er versuchte seinen Atem zu beruhigen, aber es war unmöglich. Wie konnte er nur?

Zwischen verzweifelt und fuchsteufelswild suchte er einen Weg, irgendetwas was er nicht bemerkt hatte um das hier zu umgehen, aber was hätte er tun sollen?

Eizen wusste wer er war. Hatte es vermutlich von Anfang an gewusst, von dem Moment, wo er ihn auf der Versammlung das erste Mal angesehen hatte. Von da an hatte er Recherchen angestellt, herausgefunden was er gegen Zorro in die Hände kriegen konnte und es gegen ihn eingesetzt. Zorro hatte von Anfang an keine Chance gehabt.

Aber was konnte dieser Mann von ihm wollen? All das nur weil die Menschen Lady Loreen vertrauten? Oder ging er schon weiter? Ging es weniger um Lady Loreen und mehr um Lorenor Zorro? Wollte er ihn eines Tages gegen seine eigene Crew einsetzen?

Nein, Eizen wusste wohl, dass er nie gegen seine eigene Crew vorgehen würde. Was also wollte er in Wirklichkeit von ihm?

„Lorenor?“

Mihawk kam durch die Türe.

„Was ist pa… Du hast den Vertrag unterschrieben?“

Der andere wurde gefährlich blass, dann legte sich eine Zornesröte über sein Gesicht.

„Bist du etwa von allen guten Geistern verlassen?! Es war ein Täuschungsmanöver! Er kann nicht einfach zu den fünf Weisen und meinen Vertrag kündigen! Warum bist du darauf eingegangen?!“

Der andere kam zu ihm herüber.

„Wo ist Eizen?“, entgegnete er abwesend. Mit einem mal war alle Wut, alle Panik, all das Aufgewühlte in ihm weg. Ganz plötzlich fühlte Zorro sich so ruhig.

„Er ist sofort abgereist, er hatte was er wollte.“

Immer noch fühlte er sich taub an.

„Ich hatte keinen Grund abzulehnen“, sagte er kühl und sah zu dem anderen hinauf, wobei es ihm zum ersten Mal seit langer, langer Zeit schwer fiel seinem Blick zu begegnen. „Ich hätte mich verdächtig gemacht, wenn ich nicht angenommen hätte.“

„Was? Was redest du denn da?“

Der Ältere stand vor ihm und starrte ihn entgeistert an.

„Er hat mir eine Chance angeboten und es würde zu Lady Loreen passen diese auch zu ergreifen um sich Gehör zu verschaffen. Um auf die Missstände der Welt hinzuweisen. Lady Loreen konnte diesen Vertrag nicht ablehnen.“

Offensichtlich fassungslos drehte der Samurai sich weg, schüttelte den Kopf und begann durch den Raum zu eilen.

„Ist das auch wirklich der Grund? Ist das die Wahrheit?“

Diese Freundschaft wäre keine Verpflichtung, Lorenor. Es gibt nichts, dass du mir schuldig bist. Das Einzige was ich von dir erwarte ist, dass du mich eines Tages besiegen wirst. Und ich würde mir wünschen, dass du ehrlich mit mir umgehst.

„Natürlich, warum sollte ich dich anlügen?“

Der andere schnellte zu ihm herum.

„Dann frage ich dich, wie du nur so dumm sein konntest? Jetzt hat Eizen dich in der Hand. Von Anfang an war es sein Ziel diesen Vertrag mit dir zu schließen. Ich weiß nicht warum, aber ich weiß, dass es ihm verdammt ernst war und du machst da einfach mit?“

„Eizen ist ein Mann, der kein Nein akzeptiert.“ Alles schien langsam zu sein. Er war ganz gelassen, genau wie damals als er gegen Mihawk angetreten war oder damals auf Thriller Bark als er seine Schwerter zur Seite gelegt hatte oder damals, auf dem brennenden Turm.

„Und seit wann bist du ein Mann, der sich von anderen Befehle geben lässt. Ich dachte du wärest nur gegenüber deinem Kapitän loyal.“

„Das bin ich. Du sagtest doch, dass es wichtig ist den Feind zu kennen. Wer könnte mich besser ins Herz der Weltregierung bringen als Eizen? Alles was ich mache, dient dem Zweck Ruffy von Nutzen sein zu können.“

Warum hatte er das Gefühl, dass diese Worte ebenso gut vom Samurai hätten sein können?

Zorro wusste ganz genau, dass diese Worte, diese Gedanken nicht wirklich seine waren. Sie passten zu Falkenauge, sie passten zu Eizen, verdammt noch mal sie passten sogar zu Nami oder Robin, selbst dem Koch würde er so etwas noch zutrauen, aber nie hätte er gedacht jemals selbst so etwas zu sagen, so fern ab seiner Überzeugungen.

Hatte Eizen Recht?

War er wirklich jemand, der ungeachtet der Konsequenzen das tat, was er für richtig empfand, die beschützte die ihm wichtig waren?

Zorro wusste die Antwort.

Natürlich war er das und genau aus diesem Grund hatte er soeben unterschrieben.

Warum sagte er dem Samurai also nicht einfach die Wahrheit?

Mihawk sah zu ihm hinab. Er wirkte etwas gefasster.

„Glaubst du wirklich, was du gerade sagst?“

Zorro senkte den Blick und sah weg.

„Lass mich mal den Vertrag sehen. Du hast mit Sicherheit keine Ahnung wie so ein Schriftstück aufgebaut ist. Ich kann es dir erklären.“

Er griff die Mappe fester.

„Das wird nicht nötig sein. Eizen hat mir alles erklärt.“ Er drehte sich weg und ging zur Tür. „Ich bin müde. Ich gehe ins Bett.“

„Lorenor?“ Der andere stand hinter ihm und hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt.

Einen Moment lang betrachtete Zorro die Finger zu seiner Linken, ehe er seufzte.

„Tut mir leid. Ich weiß es ist nicht wie geplant gelaufen. Lass uns morgen einfach weiter trainieren, okay? Ich will jetzt nicht über Eizen nachdenken.“

Der Samurai wollte etwas sagen, unterbrach sich jedoch selbst, ehe er ihn losließ.

„In Ordnung. Geh schlafen. Geschehenes können wir jetzt eh nicht mehr ändern. Morgen machen wir weiter. Versuch dich auszuruhen.“

Zorro nickte und stahl sich davon.

Nach mehreren Fluren und Treppen erreichte er endlich sein Zimmer, vergrub die weiße Mappe in den Tiefen seines Schrankes und eilte dann unter die Dusche. Dort angekommen brach es dann aber doch.

Das Wasser schlug auf seinen kalten Körper ein, versuchte ihn zu wärmen, doch erreichte ihn nicht.

Er rutschte die Wand hinunter und verkroch sich unter dem Wasserstrahl.

 

-Mihawk-

Er saß in seinem ausladenden Sessel, neben ihm ein Glas Wein, ein Buch in der Hand. Lorenor war vor wenigen Stunden ins Bett verschwunden. Er hatte seltsam gewirkt, irgendwie abwesend. Wahrscheinlich war ihm gar nicht bewusst gewesen, worauf er sich da eingelassen hatte. Hatte erst im Nachhinein begriffen, was er da getan hatte.

Ja, er vermutete, dass der Junge erst einmal verstehen musste, was am heutigen Abend geschehen war.

So wie Dulacre selbst auch damals Zeit gebraucht hatte, Zeit zu begreifen, dass er seine Freiheit verkauft hatte.

Plötzlich ging die Türe auf und das Geistermädchen kam herein, immer noch im schwarzen Kleid aber ohne Schürze und ohne Häubchen.

Er sah nicht auf sondern versuchte sich auf die Buchstaben zu konzentrieren, aber es war schwierig.

„Passiert so etwas bei euch öfters?“, fragte die junge Frau und sah ihn an, „dass mal eben so mächtige Männer bei euch ein und aus gehen?“

„Da ich einer dieser mächtigen Männer bin würde ich mal sagen, ja.“

Er versuchte weiterzulesen.

„Ich hab alles weggeräumt. Aber glaubst du nicht, dass Zorro etwas essen möchte? Er hat heute Morgen nicht viel gegessen, ihr habt keine Pause nach dem Training gemacht und jetzt ist er schon schlafen gegangen.“

„Machst du dir etwa Sorgen um Lorenor? Er ist erwachsen, er kann schon gut auf sich selbst aufpassen.“

Sie schnalzte empört mit ihrer Zunge.

„Du bekommst aber gar nichts mit, oder?“

Überrascht sah er sie an. Sie hatte Nerven ihn so anzugehen, doch ihm gefiel, dass sie sofort zurückzuckte wenn er sie ansah.

„Ich habe gerade subtil versucht dich zu überreden nach ihm gucken zu gehen.“

„Warum sollte ich das tun? Er schläft.“

Sie verschränkte die Arme.

„Von wegen, seitdem er weg ist läuft die Dusche unentwegt. Ich kann die Rohre in der Küche hören.“

Er klappte das Buch zu. Er hatte keine Ahnung wie lange Frauen für ihre Körperhygiene brauchten, aber er vermutete mal, dass es nicht mehr als eine gute Stunde sein sollte.

„Ich denke, du solltest nach ihm gucken“, wiederholte sie.

Er sah sie an. Sie war so nervig und nahm sich deutlich zu viel heraus.

„Warum?“

„Na, ich weiß, ich an Zorros Stelle wäre sehr dankbar wenn ich mit Meister Moria sprechen könnte. Ein Mädchen braucht manchmal den Vater.“

„Lorenor ist weder ein Mädchen, noch bin ich sein Vater.“

Nun sah sie ihn mit hochgezogener Augenbraue an.

„Geh einfach runter, okay?“

Kopfschüttelnd stand er auf.

„Du bist schon sehr seltsam, Geistermädchen. Entweder bist du mutig oder wohl eher dumm mir zu sagen, was ich tun soll. Du scheinst Lorenor wirklich zu mögen, wenn du seinem Wohlwollen zur Liebe sogar riskierst meinen Zorn auf dich zu ziehen.“

„Was?! Nein!“ Entrüstet sah sie ihn an während er zur Tür ging. „Er ist ein unzivilisierter Grobian.“

„Na, wie du meinst“, entgegnete er nur und ging. Hinter sich konnte er sie noch zum leeren Raum flüstern hören aber er entschied es zu ignorieren.

Stattdessen ging er die Flure entlang bis er vor der Zimmertüre des Jungspunds stand. Er klopfte an. Keine Reaktion. Er klopfte erneut, danach öffnete er die Tür einen Spalt breit.

„Lorenor, bist du da?“

Er wusste, dass der andere da war, doch es gab keine Reaktion.

„Ich komme jetzt rein.“

Niemand war im Raum.

Aber er konnte das Wasser aus dem angrenzenden Badezimmer hören. Langsam ging er hinüber. Erneut klopfte er gegen die Türe.

„Lorenor?“

Die Tür öffnete sich einen Spalt, heiße, stickige Luft kam ihm entgegen.

„Was zur…?“

Er drückte die Tür ganz auf und ging hinein.

Dampfender Nebel verdeckte ihm die Sicht, doch dann sah er den anderen.

Der junge Mann hockte auf dem Boden der Dusche, das Wasser prasselte auf seinen gesenkten Kopf, die Arme auf den Knien abgelehnt.

„Lorenor?“

Er reagierte nicht, selbst in dieser Gestalt wirkte er gerade winzig in dieser Position.

Vorsichtig ging der Samurai weiter rein, ließ die Tür nur einen Spalt offen um frische Luft hinein zulassen. Seine Kleidung war bereits feucht und schwer.

An der Dusche angekommen drehte er das Wasser aus, ein paar letzten Tropfen tränkten seinen Ärmel.

„Lorenor!“

Unerwartet riss der Jüngere seinen Kopf nach oben. Durchsichtige Perlen rannen seine Schläfen hinunter.

„Dulacre“, murmelte er überrascht, rieb sich ein paar kurze Strähnen Strähnen aus dem Gesicht und erhob sich, „was machst du denn hier?“

Mihawk wandte den Blick ab und fühlte wie seine Wangen noch wärmer wurden.

„Sichergehen, dass du nicht unter der Dusche einschläfst. Hast du etwa die ganze Zeit hier gehockt?“

Er spürte wie er unter der Schwüle des Raumes zu schwitzen anfing.

Er suchte das nächstbeste halbwegs trockene Handtuch und hielt es dem Jüngeren hin.

„Komm erst mal da raus.“

Der Pirat packte das Tuch und schlang es sich um die Hüfte.

„Was tust du hier unten? Warum bist du bei mir in der Dusche?“

Einen Moment entgegnete er nichts, was sollte er schon darauf antworten? Dass er sich Sorgen gemacht hatte?

Der Jüngere drückte sich an ihm vorbei und griff sich noch ein Handtuch.

„Eizen hat dir schlimmer mitgespielt als erwartet, oder?“, sagte der Samurai schließlich.

Lorenor rieb sich das Handtuch durchs nasse Gesicht.

„Er ist ein Mistkerl und ich will ihm die Kehle durchschneiden.“

Leise lachte Dulacre. „Wer will das nicht? Aber mir fällt es immer noch schwer zu verstehen, warum du darauf eingegangen bist. Lag es daran, was er gesagt hat? Dass er mit den fünf Weisen sprechen würde? Hat er dich irgendwie eingeschüchtert?“

Nun sah der andere ihn wieder an. Die sonst so leuchtend grünen Augen wirkten dunkel und leer, irgendwie geschwollen oder lag das nur an der schwülen Luft.

„Würdest du es noch einmal tun?“, fragte der andere ohne den Blick abzuwenden, „Würdest heute wieder Samurai werden?“

Zum wiederholten Male fragte er sich welche seltsamen Gedankengänge der andere wohl vollführte. Es schockierte ihn. Er sprach nie darüber, mit niemanden, er verstand nicht was hier los war. Das Geistermädchen hatte Recht gehabt; es war gut, dass er hierhergekommen war.

„Wenn das der einzige Weg wäre die Menschen zu schützen die mir wichtig sind, dann ja, dann würde ich es heute genauso tun wie damals.“

Der andere nickte, mehr zu sich als zu ihm.

„Jiroushin hat mir erzählt was damals passiert ist. Dass du ihn und euren Schiffsarzt gerettet hast“, meinte der Jüngere dann abwesend und wandte sich von ihm ab, sich weiterhin am abtrocknen.

„Hast du heute jemanden beschützt?“, fragte er ruhig. Vielleicht würde er jetzt die Antworten bekommen, die Lorenor ihm vorher nicht hatte geben wollen.

„Ich weiß es nicht“, flüsterte Lorenor jedoch, „ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht hab ich’s auch nur schlimmer gemacht.“

Der Grünhaarige seufzte schwer und für einen Moment wirkte er unglaublich verletzlich, fast schon wie ein kleines Kind. Doch dann lachte er halbherzig und rubbelte sich die kurzen Haare.

„Nun ja, ändern kann ich es ja jetzt auch nicht mehr.“

Dulacre auf der anderen Seite kam nicht umhin zu bemerken, dass der andere wahrlich gut gebaut war.

Im Gegensatz zu Loreen, die einer zärtlichen und zerbrechlichen Rose glich, konnte man diesem Körper die harte Arbeit ansehen. Dieser Körper war der eines Mannes, nicht der eines Kindes.

„Wie hast du dir denn die da zugezogen?“, fragte er und deutete auf die Narben, die der Jüngere an beiden Beinen trug, bisher waren sie ihm nie aufgefallen.

„Hab versucht mir die Füße abzuschneiden“, erklärte der andere mit einem Schulterzucken.

„Was? Warum?“ Schon wieder verblüffte der andere ihn.

„Ich dachte du hättest dich über mich erkundigt? Ich hatte die Wahl zur Wachsfigur zu werden oder aber mir die Füße abzuschneiden und zu kämpfen. Letzten Endes war es aber nicht nötig gewesen.“

Lorenor drehte sich zu ihm mit hochgezogener Augenbraue um.

Vor wenigen Sekunden war er noch ein gebrochenes Kind gewesen, jetzt war er wieder der selbstbewusste, unbeschwerte Mann den Dulacre kannte. Der Grünhaarige warf die Handtücher zu Boden.

„Warum bist du so rot?“, fragte Lorenor schmunzelnd.

„Warum bist du nackt?“

Der Jüngere lachte.

„Ach, du bist so prüde.“

Kopfschüttelnd wandte Dulacre sich ab.

„Sag mal. Hast du keine Narben?“, fragte der andere hinter ihm.

Er drehte sich wieder zu dem Jüngeren um. Dieser hatte sich mittlerweile immerhin eine Unterhose angezogen.

Die kleine Kreuzkette hing um seinen Nacken, ob er sie wohl je abnahm?

„Ein Schwertkämpfer gänzlich ohne Narben, kann das überhaupt sein?“

Einen Moment lang betrachtete er die große Narbe auf der Brust des anderen, seine Narbe.

Dann seufzte er und zog sein Hemd aus, mittlerweile hatte es sich mit Feuchtigkeit vollgesogen.

Er konnte den Blick des anderen auf sich fühlen.

„Es ist nicht mein Körper, der von Narben gezeichnet ist“, erklärte er ruhig.

Lorenor starrte ihn immer noch an.

„Überrascht es dich?“

„Oh ja“, meinte der andere mit einem Grinsen, „in deinem Alter noch so auszusehen, Respekt.“

Er war entrüstet.

„Wie alt glaubst du eigentlich, dass ich bin?“

„Alt.“

„Tze! Zieh dich an und geh schlafen Lorenor. Wir werden morgen hart arbeiten.“

Kapitel 18 - Planänderung

Kapitel 18 – Planänderung

 

-Zorro-

„Was soll das? Wo bleibst du?“

Fassungslos starrte er den anderen an, der seelenruhig an der langen Tafel saß, Zeitung las und frühstückte. Normalerweise sollte der Samurai ihn schon ungeduldig am Schlosseingang erwarten, immerhin hatte er sich selbst um gute fünf Minuten verspätet, verdammtes Schloss.

„Dir auch einen schönen guten Morgen“, entgegnete der Ältere und las weiter.

Wütend stapfte er in den großen Saal.

„Was tust du da? Wir wollten trainieren. Ich muss stärker werden!“

Nun sah Mihawk doch auf.

„Beruhige dich Lorenor. Wir haben eine Planänderung. Du solltest etwas Essen, du hast seit gestern Morgen nichts mehr zu dir genommen.“

„Ich hab keinen Hunger! Lass uns loslegen!“

Zorro war wütend.

Er konnte nicht ändern, dass Eizen ihn erpresst hatte. Er konnte nicht ändern, dass er einen Vertrag mit dem Politiker eingegangen war. Er konnte nicht ändern, dass er nun ebenso gefangen war wie der Samurai. Das alles konnte er nicht ändern. Er musste es akzeptieren und hoffen, dass er es nicht irgendwann bereuen würde.

Aber er konnte ändern, dass er das Observationshaki noch nicht richtig beherrschte. Er konnte ändern, dass das Rüstungshaki seine Angst schürte. Er konnte ändern, dass er zu schwach war um Falkenauge zu besiegen. Das alles konnte er ändern.

Warum also saß der Ältere so entspannt am Frühstückstisch, aß sein Ei und trank seinen Kaffee obwohl sie so viel zu tun hatten?

Missbilligend senkte Dulacre die Zeitung und sah ihn an.

„Ich war doch deutlich genug, oder nicht? Wir haben eine Planänderung. Setz dich und iss etwas. Wir werden heute nicht trainieren.“

„Was?! Wieso?!“

Der andere rollte mit den Augen und bedeutete ihm nun auffordernd Platz zu nehmen.

„Setz dich. Ich werde dir alles erklären, aber nicht solange du da rumstehst wie ein wildgewordener Lapin.“

„Wie ein was?“ Er wusste noch nicht einmal ob der andere ihn gerade beleidigt hatte. Murrend setzte er sich hin.

„Ein Schneehase“, erklärte der Ältere und schüttelte den Kopf. Aber das ist gerade nicht wirklich von Relevanz.“

Zorro zog sich einen Teller mit Reisbällchen heran, die wohl noch vom Vortag da standen. Der Ältere reichte ihm eine Tasse Kaffee.

„Also?“, murrte er und fing an zu essen. „Was ist die Planänderung?“

Der Samurai seufzte. „Kanan hat angerufen, dass sie dich gerne ausmessen würde und dass du ein paar Sachen anprobieren müsstest. Deswegen werden wir nach Sasaki reisen.“

Schnaubend trank Zorro seinen Kaffee. „Nur wegen so etwas? Wegen ein paar Klamotten möchtest du nach Sasaki? Wie lange brauchen wir überhaupt?“

Der andere schien sich von ihm nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

„Ich halte es für kein unbedeutendes Problem, dass du bei jeder deiner Verwandlungen entweder halb nackt bist oder in viel zu großer und demnach unhandlicher Kleidung durch die Gegend läufst. Während des Trainings können wir darauf Rücksicht nehmen aber in einem echten Kampf hast du diesen Luxus nicht.“

Er schnaubte auf: „Und wenn schon, müssen wir das ausgerechnet heute klären?“

„Deine Ungeduld wird dich nicht weiter bringen. Ich habe noch einen weiteren Grund warum ich nach Sasaki möchte der ausnahmsweise mal nichts mit dir zu tun hat.“

Überrascht sah er auf.

„Und was?“

Der Ältere antwortete nicht sondern hob die Zeitung wieder hoch.

„Wir werden etwas länger als einen halben Tag unterwegs sein. Wir werden also erst heute Abend ankommen.“ Viel offensichtlicher konnte der andere nicht zeigen, dass er nicht darüber reden wollte.

„So lange?“, murrte Zorro und respektierte die Privatsphäre des anderen. Schließlich schuldete Mihawk ihm keine Erklärung.

„Was heißt hier so lange? Kaum ein Schiff kann es mit der Schnelligkeit meines Sargbootes aufnehmen. Die meisten Schiffe würden knapp zwei Tage brauchen. Beschwer dich also nicht.“

Zorro griff nach einem zweiten Reisbällchen.

„Mag schon sein, trotzdem gehen uns dann mindestens zwei Tage fürs Training drauf.“

„Tze, du immer mit deinem Training, Training, Training. Kannst du nicht einmal an etwas anderes denken und dich etwas entspannen?“

Kopfschüttelnd trank Zorro seine Tasse leer.

„Du verstehst gar nichts oder?“

Der Ältere sah ihn an, doch Zorro hatte seinen Blick auf sein Essen gerichtet.

„Was verstehe ich nicht?“, hakte der Ältere nach einigen Sekunden unbehaglichen Schweigens nach.

Zorro seufzte.

„Ist doch offensichtlich, oder?“, meinte er dann und sah den Älteren direkt an. „Du weißt was ich kann und was ich nicht kann und dann wundert es dich, dass ich stärker werde will? Dass für mich zwei Tage mehr oder weniger Trainieren viel ausmachen? Warum sollte ich mir über Klamotten Gedanken machen, wenn ich weder meine Crew noch meinen Käpt‘n beschützen kann? Wie kann ich über etwas anderes als den Schwertkampf nachdenken, wenn du mir direkt gegenüber sitzt?“

Dulacre legte eine Hand an sein bärtiges Kinn und betrachtete ihn überlegend. Sein stechender Blick schien sich geradezu in seinen Geist bohren zu wollen.

„Du bist wirklich seltsam, Lorenor“, sprach er schließlich. „Deine Disziplin und dein Ehrgeiz suchen seinesgleichen, trotzdem bist du ein wirklich eigenartiger Kauz. So jemanden wie dich habe ich noch nie erlebt.“

Unbeeindruckt hob Zorro eine Augenbraue und nahm sich das letzte Reisbällchen.

„Schon wieder redest du und sagst doch nichts“, meinte er kühl.

Leicht grinsend schüttelte Mihawk den Kopf.

„Es war ein Kompliment. Deine Entschlossenheit beeindruckt mich, allerdings besorgt mich deine Sturheit mindestens im gleichen Maße. Nicht immer ist der, der am schnellsten rennt und immer an seine Grenzen geht auch am Ende der Sieger. Schließlich bist du ein Marathonläufer und kein Sprinter.“

„Keine Ahnung was du damit meinst, ich bin ein Schwertkämpfer.“

Erneut schüttelte der Ältere den Kopf, ein leises Lächeln auf den Lippen.

„Warst du früher nicht auch so?“, murmelte Zorro unbeeindruckt. „Hattest du nicht auch ein Ziel, dass du unbedingt erreichen wolltest? Konntest du denn ruhig schlafen, wenn du wusstest, dass du an dem Tag nichts getan hast, was dich deinem Traum näher bringen würde?“

Zorro stand auf und streckte sich.

Erst da sah er, wie der andere ihn anstarrte, die Augen weit geöffnet. Keine Spur mehr von einem versteckten Schmunzeln oder eines herablassenden Grinsens.

Kopfschüttelnd erhob sich auch der andere.

„Nein, ich war wohl ganz anders. Solange mein Bett bequem und meine Sorgen klein waren konnte ich immer ruhig schlafen.“

Irgendetwas an dieser Aussage hörte sich für Zorro seltsam an, beinahe schon traurig.

„Hattest du nie einen Traum?“ Die Frage war aus ihm herausgeplatzt bevor er sie überhaupt zu Ende gedacht hatte.

Erneut sah der andere ihn für einen Moment unlesbar an, dann zuckte er mit den Achseln.

„Ich war nie ein Träumer, Lorenor. Aber genug der Philosophie. Wir sollten nun langsam aufbrechen, damit wir schnellstmöglich mit deinem geliebten Training weiter machen können.“

Wich der andere ihm gerade tatsächlich aus?

Schulterzuckend folgte er dem anderen. Letzten Endes ging es ihn nichts an, oder?

Auf halben Weg zum Ausgang kam ihnen Perona entgegen, noch in ihrem langen Schlafgewand, mit einem Teddy im Arm. Es war nicht das erste Mal, dass Zorro sie so antraf.

„Fahrt ihr jetzt schon los?“, fragte sie mit großen Augen.

Der Samurai nickte nur knapp.

„Menno, dann bin ich ja wieder Ewigkeiten ganz alleine. Kann ich nicht mal mitkommen?“

„Du hast selbst entschieden hierzubleiben also erspare mir dein Gejammer. Allerdings könntest du deine Freizeit dafür nutzen die Räumlichkeiten zu putzen.“

Wütend blies sie ihre Wangen auf und streckte ihm dann die Zunge raus.

Mihawk ignorierte sie.

„Komm Lorenor. Je schneller wir aufbrechen, desto früher können wir zurückkehren.“

Wenige Minuten später gingen sie durch den kühlen Wald ohne dass einer etwas sagte.

Im Schatten konnte Zorro die Affen sehen,die sie beobachteten, doch keiner von ihnen kam ihnen auch nur nahe. Ihn hatten sie damals ohne Zögern angegriffen und erst nach einer Woche hatte er sich ihnen gegenüber behaupten können. Doch Mihawk schien sie zu dominieren ohne auch nur mit der Wimper zucken zu müssen.

„Es ist meine Ausstrahlung“, erklärte der Samurai kühl, als hätte er Zorros Gedanken genau lesen können, „nicht viele können meinem Blick standhalten.“

Nun sah Zorro den anderen an. Was meinte Dulacre damit?

„Aber dich scheine ich damit nicht einschüchtern zu können“, lachte der andere nun etwas leichtfertiger und schritt zügig weiter.

Einschüchtern? Mihawks Blick sollte ihn einschüchtern? Warum?

Sie hatten den Rand des Waldes erreicht.

„Ich hätte gestern Abend nicht vermutet, dass du die Zusammenarbeit mit Eizen so schnell verarbeiten würdest“, versuchte der andere das Gespräch aufrechtzuerhalten während sie dem kleinen Schiff immer näher kamen. Zorro konnte nahezu riechen, was der andere vorhatte.

„Er meinte, er würde mich nicht oft stören, also warte ich einfach ab und nutze die Zeit bis dahin“, entgegnete er kühl, „ändern kann ich es doch eh nicht.“

„Sag mal, Lorenor…“

„Lass stecken.“

Überrascht sah der Ältere ihn an, während Zorro wie immer an Bord sprang.

„Ich will nicht über Eizen reden, kapiert? Er ist mir egal und solange er nichts von mir will möchte ich auch nicht über ihn nachdenken.“

Mihawk seufzte: „Ist diese Vermeidungsstrategie denn klug? Wäre es nicht besser…“

„Ich hab’s dir doch eben erklärt, oder? Ich hab keine Zeit mir über solche Dinge Gedanken zu machen. Ich kann eh nicht ändern was passiert, was hilft es da sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen?“

Er beobachtete den Älteren wie er ebenfalls an Bord kam, ehe das kleine Boot sich in Bewegung setzte.

„Deine Logik widerspricht jedweder Vernunft. Aber meinetwegen, wenn es dich glücklich macht werde ich das Thema für heute ruhen lassen.“

Elegant warf Mihawk sich auf seinen Stuhl, er schien heute auffallend versöhnlich und friedlich gestimmt zu sein. Was auch immer er auf Sasaki wollte, es musste wichtig für ihn sein.

„Danke“, murrte Zorro sarkastisch und hockte sich auf den Boden, „dann auf ein paar ruhige Stunden.“

„Lorenor?“

Er sah auf und der andere rutschte von seinem Thron zu ihm auf den Boden hinab. Zorro kannte diese Geste bereits und es versetzte ihn sofort in Alarmbereitschaft.

„Eigentlich würde ich gerne eine Kleinigkeit mit dir ausprobieren“, erklärte der Ältere.

Misstrauisch setzte Zorro sich auf.

„Und was?“

„Es ist eine spezielle Form des Observationshaki und ich denke, dass eine ruhige Überfahrt die perfekte Gelegenheit bietet sie dir beizubringen.“ Dulacre grinste leicht.

„Was? Aber als Loreen beherrsche ich es doch bereits. Nur in meinem Körper hab ich noch Schwierigkeiten.“

„Das ist soweit richtig. Diese Kleinigkeit habe ich dir jedoch bewusst noch nicht beigebracht, da es mehr Ruhe und Gelassenheit fordert. Außerdem glaube ich, dass dir diese Übung helfen wird das Observationshaki schneller zu lernen und zu verbessern, unabhängig von deiner Gestalt.“

Es schien als hätte der andere immer alles genau geplant. Er kannte Zorro gut, hatte gewusst wie wichtig ihm das Training war. Von wegen Buch mit sieben Siegeln. Mihawk durchschaute ihn problemlos.

„Okay, ich bin dabei. Was soll ich tun?“

Der Ältere setzte sich ihm genau gegenüber.

„Ich möchte, dass du mir in die Augen siehst, blinzel nicht und konzentriere dich. Schärfe deine Sinne wie du es gelernt hast.“

Zorro nickte und setzte sich ebenfalls gerade auf.

„Und jetzt Lorenor, lies meine Gedanken!“

 

-Mihawk-

Am frühen Abend hatten sie Sasaki endlich erreicht.

Ohne sich auf irgendwelche Diskussionen einzulassen hatte er darauf bestanden, dass Lorenor sich in seine weibliche Gestalt verwandelte, ehe er den Jungspund bei einer überglücklichen Kanan abgeliefert hatte. Nun war der junge Pirat ihrer Gnade ausgesetzt während Dulacre selbst erneut durch den Wald eilte, zurück zum kleinen Städtchen.

Wichtige Neuigkeiten verlangten seine Aufmerksamkeit aber leider waren seine Gedanken wieder einmal nicht in der Lage sich von seinem Wildfang zu lösen. Wieder einmal hatte Lorenor alle seine Erwartungen übertroffen und langsam aber sicher störte es Dulacre wie oft er den anderen unterschätzte, nein es störte ihn wie oft der andere seine Vermutungen Lügen strafte.

Er wusste von Lorenors Talent, es kroch ihm förmlich aus jeder Pore und viele Techniken fielen ihm so leicht, dass es beinahe ekelhaft war zu sehen wie schnell er besser wurde.

Er wollte nicht unfair sein, natürlich trainierte dieser Junge unablässig und war so diszipliniert wie die wenigsten Menschen die er je kennen gelernt hatte, aber das machte es fast noch schlimmer.

Dennoch hatte der Jungspund seine Schwierigkeiten mit der Vorstufe des Observationshaki, dem Sehen, gehabt. Es war beruhigend gewesen, dass selbst ein Lorenor Zorro in manchen Bereichen unterdurchschnittlich begabt war. Er hatte als Loreen knapp anderthalb Monate gebraucht um die Grundlagen des Observationshaki zu lernen, als Zorro hatte er gerade erst begonnen es erneut zu lernen und war noch schlechter gewesen.

Es war nicht so, dass Dulacre schadenfroh gewesen war, dass Lorenor Schwierigkeiten hatte, nein, aber nach der Geschichte aus der Kindheit des Grünschopfs war es schon irgendwie eine Erleichterung gewesen, dass ihm nicht alles so leicht fiel.

Diese Erleichterung hatte sich jedoch vor wenigen Minuten in Luft aufgelöst.

Die ganze Fahrt über hatte er Lorenor seine Gedanken lesen lassen, zumindest hatte der andere es versuchen sollen, aber Dulacre war davon ausgegangen, dass sie dafür noch mindestens eine Woche brauchen würden. Doch kurz vor ihrer Ankunft hatte der andere es geschafft, unbewusst, instinktiv, unbeabsichtigt.

Es wurmte Dulacre, dass der andere es so schnell hinbekommen hatte. Natürlich hatte es nur geklappt, da er selbst es zugelassen hatte, aber trotzdem hätte der andere es nicht schaffen dürfen.

Er hatte vermutet, dass das Lorenors Schwachstelle war, vielleicht begabt im Schwertkampf, vielleicht talentiert im Rüstungshaki, doch deutlich ungeschickt im strategischen Denken und plump in der Anwendung des Observationshaki.

Aber anscheinend hatte er sich geirrt.

Wie konnte der Junge, der Ewigkeiten brauchte um das grobe Basiswissen auch nur ansatzweise zu verstehen, eine solch ausgereifte Fähigkeit innerhalb von wenigen Stunden intuitiv anwenden?

Dabei begriff er doch noch nicht einmal was er da tat!

Unbewusst und instinktiv wandte er es an, fast schon aus Versehen, fast schon ungewollt, und doch tat er es schon besser als Dulacre es selbst damals gelernt hatte. Langsam fragte er sich, was wohl gewesen wäre, wenn Lorenor seiner Schwester, die beste Schwertkämpferin die es je gegeben hatte, begegnet wäre.

Sharak hatte Dulacre immer gesagt, dass sie ihn für talentierter hielt, dass er sie eines Tages übertrumpfen würde, deswegen hatte sie immer gewollt, dass er mit ihr trainierte.

Er war nie der fleißigste Schüler gewesen. Nie der Mann der für etwas gebrannt hatte. Er hatte immer hervorragende Noten geschrieben, war gut in dem gewesen was seine Eltern von ihm erwartet hatten, auch wenn er seinen Vater nie hatte zufrieden stellen können und genau aus diesem Grund hatte er sich nie mehr angestrengt. Es war ihm nicht mehr der Mühe wert gewesen.

Er war nie der gewesen, der hart gearbeitet hatte, der sich ins Zeug gelegt hatte. Er war immer nur der gewesen, der Dank Talent und Intelligenz viel erreicht hatte.

Und nun stand dieser Junge vor ihm, vielleicht noch ein ungeschliffener Diamant, aber umso talentierter. Vielleicht talentierter als Dulacre oder Sharak je waren.

Aber der wahre Unterschied zwischen Dulacre und Lorenor war wohl offensichtlich dieser Drang sich zu verbessern, dieses Streben nach Fortschritt, das machte Lorenor so außergewöhnlich und nun fragte Dulacre sich, wie weit er wohl gekommen wäre, wenn er je dieses unbändige Verlangen gehabt hätte.

Es war nicht das Talent, was sie unterschied, nicht die Begabung, sondern einfach nur der Ehrgeiz. Sie teilten eine Passion, aber Lorenor war derjenige der sie unermüdlich verfolgte, während Dualcre sie einfach nur genoss.

Endlich hatte er das Rathaus erreicht. Der Weg fühlte sich heute länger an als sonst.

Er sollte nicht so negativ über solche Dinge nachdenken. Es war eine gute Sache, dass Lorenor so vielversprechend war. Vielleicht würden sie die Grundzüge doch innerhalb von sechs Monaten schaffen. Dann würde Lorenor noch viel besser werden als er es sich hatte erhoffen können.

In zügigen Schritten ging er hinein, nur noch wenige Beamte waren unterwegs, die meisten Büros waren dunkel und durch die Fenster kam auch die Sonne dem Horizont bedrohlich nahe.

Der Weg war ihm altbekannt, innerhalb weniger Sekunden war er vor der vertrauten Türe angekommen. Durch das Milchglas fiel Licht auf seine Füße.

Er klopfte an und dann trat er ein.

Der Marineoffizier im Büro saß an seinem großen Schreibtisch und schien tief in die Arbeit versunken zu sein. Erst als Dulacre die Tür schloss blickte er auf.

„Oh Mann, hey!“, grüßte der Blondschopf ihn äußerst unprofessionell.

„Einen schönen, guten Abend“, entgegnete er kühl und kam auf den anderen zu.

„Dich hatte ich hier heute nicht erwartet“, murmelte der andere und stand auf.

Doch Dulacre ignorierte die hingestreckte Hand. Aus den Tiefen seines Mantels zog er die aktuelle Zeitung, warf sie auf den Schreibtisch und warf sich auf den Besucherstuhl.

„Was hat das zu bedeuten?“, verlangte er zu wissen. „Smoker? Willst du mir da etwas erklären?“

Er verschränkte die Arme und starrte den anderen nieder.

„Sprich Jiroushin! Warum hat Smoker deine Stelle bekommen? Warum bist du nicht schon längst auf der G5?“

Der Blondschopf reagierte zunächst nicht, sondern starrte nur auf die Zeitung. Die aufgeschlagene Seite zeigte einen kleinen Kommentar über Smokers Beförderung und seine Versetzung zur Marinebasis G5.

„Bist du übergangen worden? Muss ich mich einbringen?“

Er war schon ein kleines bisschen wütend und das wo er doch immer so seine Gefühle unter Kontrolle halten wollte.

„Du dich einbringen?“ Der andere lächelte schief und schüttelte ungläubig den Kopf. „Als würde ich zulassen, dass du wegen mir deine Stellung ausnutzen musst.“

Ernst lehnte der Samurai sich nach vorne während sein Gegenüber wieder Platz nahm.

„Ich würde es tun, nur ein Wort von dir und ich rufe sofort im Marinehauptquartier an, ach quatsch, ich würde noch heute dort hinreisen. Das weißt du doch.“

Nun lehnte sich auch Jiroushin vor und legte seine gefalteten Hände auf dem Schreibtisch ab.

„Das wird nicht nötig sein“, sagte er schließlich und sah Dulacre direkt an.

Etwas an seinem Kindheitsfreund war anders, doch Dulacre konnte nicht genau sagen was es war.

„Du warst nach dem Kriegsende ziemlich schnell verschwunden“, sprach der Marineoffizier weiter ohne seinen Blick abzuwenden.

„Natürlich. Ich hatte zugestimmt gegen Whitebeard zu kämpfen, nicht gegen den roten Shanks. Außerdem war es deutlich, dass er nur kam um den Krieg zu beenden, meine Anwesenheit war nicht mehr nötig gewesen.“

„Schließlich wolltest du so schnell wie möglich zu deiner geliebten Loreen“, kicherte der Blondschopf und nun sah er wieder genauso aus wie der schalkhafte Mann, den er kannte.

„Ich bin nicht hier um über den Krieg zu sprechen“, entgegnete der Samurai kühl und ignorierte die Spinnereien seines Freundes. Worte würden ihm da nicht mehr helfen.

„Du willst die Geschichte hören, warum ich noch hier sitze? Warum sich hier meine Arbeit häuft?“, fragte der andere unschuldig.

„Geschichte?“, fragte der Schwarzhaarige nach.

Aus dem Seitenblick hatte er bereits gemerkt, dass die Akten sich nur so gestapelt hatten. Vermutlich war durch den Krieg viel Arbeit liegen geblieben.

„Ich vergeude meine Zeit nicht mit irgendwelchen Geschichten. Ich möchte wissen was geschehen ist und warum du übergangen wurdest.“

„Ich bin nicht übergangen wurden“, entgegnete der Blondschopf ruhig, „im Gegenteil, Vergo selbst begrüßte unsere künftige Zusammenarbeit und war nicht besonders glücklich darüber, dass ich abgelehnt habe. Er schien mit Smoker als zweite Wahl nicht besonders zufrieden zu sein.“

„Du hast also abgelehnt? Warum?“

Noch kurz vor dem Krieg hatte Dulacre sich mit Jiroushin darüber unterhalten, dass dieser die fünf Inseln verlassen wollte, dass er und seine Frau einen Neuanfang weit weg von schweren Erinnerungen starten wollten. Es war damals schwer für Dulacre gewesen zu akzeptieren, dass er nun einen weiteren Grund weniger haben würde, diese Inseln wertzuschätzen, aber wie hätte er es seinem Freund verdenken können?

Warum also war Smoker derjenige, der nun zur G5 versetzt worden war und nicht Jiroushin?

„Ich möchte dir die Geschichte erzählen“, bestand der Blondschopf drauf.

Dualcre seufzte über das kindische Verhalten seines besten Freundes: „Nun gut, meinetwegen. Erzähl mir diese Geschichte.“

Jiroushin stand auf und ging zur kleinen Anrichte hinüber, dort stand noch aufgebrühter Tee.

„Nachdem der Krieg vorbei war und wir unsere Verwundeten und gefallenen Kameraden versorgt hatten erhielt ich eine Botschaft die Lirin für mich hinterlassen hatte. Sie bat darum, dass ich so zügig wie möglich heimkehren würde.“

Der Blondschopf reichte ihm eine lauwarme Tasse und setzte sich dann wieder auf seinen Stuhl.

„Ich war natürlich äußerst besorgt und begab mich sobald es ging auf den Heimweg. Ich wusste, dass Lirin sich Sorgen um mich gemacht hatte. Natürlich war ihre Angst unbegründet, ich mag zwar nur ein Konteradmiral sein, aber ich bin doch deutlich stärker als einige meiner Kollegen. Außerdem warst du ja da.“

Der Marineoffizier lächelte leicht und Dulacre konnte auch ein leises Grinsen nicht verhindern. Lirin schien zu vergessen, dass Jirou nicht zu dem üblichen Fußvolk der Marine gehörte. Im Gegenteil, wäre der Blondschopf nur etwas kampffreudiger, so hätte er es schon längst weiter bringen können. Selbstredend stimmte es auch, dass er nie zulassen würde, dass seinem alten Crewmitglied etwas passieren könnte. Doch seine Hilfe war nicht einmal nötig gewesen.

„Naja, egal. Ich kam also Zuhause an und sie war überglücklich. Wir haben stundenlang geredet und du kennst sie ja, sie war für mich da.“

Mihawk hatte keine Ahnung, wohin diese Geschichte führen sollte. Warum erzählte ihm der andere von seinem Eheglück? Wollte er ihn etwa überreden die werte Lady Loreen zu heiraten? In diesem Fall würde er wohl die Katze aus dem Sack lassen müssen. In diesem Fall würde er die Wahrheit nicht länger verheimlichen können.

„Wir sprachen also über den Krieg und all diese furchtbaren Dinge. Dann wollte ich das Thema wechseln und erzählte ihr, dass ich die Stelle als Vizeadmiral bei Vergo für mich gewinnen konnte. Du kannst dir ja denken wie sie sich gefreut hat, aber dann sah sie mir in die Augen und sagte, dass sie sich nicht mehr vorstellen könnte umzuziehen.“

Dulacre konnte nicht verhindern, dass diese kleine Aussage ihn äußerst glücklich stimmte. Die Dinge würden also alle beim Alten bleiben.

„Immerhin würde sie sich wünschen, dass unser Kind so aufwächst wie wir es konnten“, flüsterte Jiroushin beinahe mit leisen Tränen in den Augen.

„Jirou?“ Seine Stimme brach, als Dulacre den anderen ansah.

„Hawky. Wir sind schwanger!“

Nun liefen dem anderen tatsächlich die Tränen hinunter.

Für eine Sekunde betrachtete er den Blondschopf.

So lange er sich erinnern konnte, hatte Jiroushin von seiner eigenen Familie geträumt. Jirous Eltern waren immer viel auf Geschäftsreisen gewesen und im Gegensatz zu Dulacre war der Blondschopf ein richtiger Familienmensch. Er hatte nichts mehr sein wollen als ein Vater, ein guter Vater.

Doch vor vielen Jahren hatte ein emotionales Trauma dazu geführt, dass Lirin nicht mehr schwanger werden konnte. Damals hatte sie ihr Kind verloren.

Lange Zeit hatte das Paar die Welt bereist, doch keiner der Ärzte hatte ihnen helfen können. Nun waren sie beide in den Vierzigern angekommen und hatten aufgegeben.

Sie hatten ihr Schicksal akzeptiert und wurden mit einem Wunder belohnt.

Ruhig stand der Samurai auf und ging um den großen Schreibtisch herum. Ohne ein weiteres Wort legte er ihm eine Hand auf die Schulter und sah zu ihm hinab.

Er konnte die Gefühle seines ehemaligen Vizekapitäns fühlen, es bedeutete ihn mehr als sein eigenes.

Dulacre selbst war immer ein Mann der Tat gewesen, doch Jiroushin war ein Träumer und endlich konnte sein Traum wahr werden.

„Ich kann es immer noch nicht fassen, Hawky“, flüsterte der sonst so lachende Blondschopf, „ich werde Vater!“

Kapitel 19 - Wandel

Kapitel 19 – Wandel

 

-Zorro-

„Kanan, ist das denn wirklich notwendig?“, murrte er und hockte sich auf das kleine Podest, auf dem er vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte.

„Natürlich, Schatz. Darüber müssen wir gar nicht erst diskutieren. Wie soll ich dir sonst etwas Passendes nähen?“ Sie reichte ihm einen Bademantel bedruckt mit großen, bunten Blumen und ging zum Nähtisch um seine Maße aufzuschreiben.

„Ich brauche nichts extra Genähtes. Hose, Hemd, Schuhe. Das reicht.“ Er schlang den weichen Stoff enger um sich. Nie würde er sich daran gewöhnen können, nur in Unterwäsche auf diesem Podest zu stehen.

Kanan wirbelte herum und kam auf ihn zu, dabei musste sie aufpassen nicht über Schuhe und Kleidung zu stolpern, die überall auf dem Boden herum lagen. Das komplette Schneidereizimmer des Mihawk Anwesens war vollgestopft mit Klamotten und Stofffetzen.

„Nichts da, nichts da“, entgegnete sie mit erhobenem Zeigefinger. „Der Herr hat Recht. Wenn du kämpfen möchtest, brauchst du angemessene Klamotten und wenn du während des Kampfes eine andere Gestalt annimmst, musst deine Kleidung das berücksichtigen.“

Sie sah ihn ernst an. Doch dann wurden ihre mütterlichen Züge warm und herzlich.

„Außerdem bin ich schon so gespannt darauf dich endlich richtig kennen zu lernen, so ganz offiziell.“

Seufzend stand Zorro auf. Gegen Kanan’s Dickkopf kam er nicht an und gegen ihr fröhliches Lächeln konnte er sich kaum erwehren. Sie war einfach das komplette Gegenteil von Mihawk.

Vor knapp einer halben Stunde hatte dieser ihn am alten Herrenhaus abgeliefert. Anders konnte man es nicht beschreiben.

Kurz bevor sie auf Sasaki angekommen waren, hatte Mihawk drauf bestanden, dass Zorro sich in Loreen verwandelte, alleine aus dem Grund, dass die Dorfbewohner ihn nicht erkennen durften.

Nach Stunden voll Konzentration und dem traurigen Versuch die Gedanken des Samurais zu lesen hatte Zorro keine Lust gehabt sich über so etwas zu streiten, also war er unter Deck gegangen und hatte sich verwandelt und umgezogen. Seit jenem Zeitpunkt war der Ältere seltsam drauf gewesen, hatte wenig gesprochen, sehr wenig, allerdings vermutete Zorro, dass es an diesem anderen Ding lag womit der Ältere sich beschäftigte.

Mihawk hatte ihn also hier abgeliefert und nun war er Kanan komplett ausgeliefert.

Nach einer langwierigen Begrüßung, bei der Kanan ihm tausendmal gesagt hätte wie dünn er doch geworden wäre, hatte sie ihn schließlich in den Ankleideraum gezerrt und ausgemessen.

Die Aufgabe ihm Kampfkleidung bereitzustellen schien sie fast noch mehr zu begeistern als das Ballkleid, welches sie für den Marineball gebastelt hatte.

Nun starrte sie ihn erwartungsvoll an, als würde sie auf ein großes Spektakel warten.

„Ich werde mich nicht hier vor Ihnen verwandeln“, sagte er knapp und ging zum kleinen Nebenzimmer. Die Enttäuschung konnte man der gestandenen Frau förmlich ansehen.

Auf halben Weg ins angrenzende Nähzimmer blieb er stehen.

„Ich brauche was zum Anziehen“, murmelte er unbehaglich. Diesen Bademantel würde er als Mann ganz bestimmt nicht tragen. Da würde er eher nackt rumlaufen.

Früher hatte er sich nie um so etwas geschert, seine Crewmitglieder hatten einfach damit leben müssen.

Auch in den letzten Monaten hatte er sich über das Prüde Verhalten von Mihawk immer sehr lustig gemacht. Aber die Vorstellung, dass diese Frau, die Falkenauge höchstpersönlich die Windeln gewechselt hatte, jede Stelle seines Körpers inspizieren könnte war sogar ihm etwas zu freizügig.

„Natürlich“, lachte die Schwarzhaarige und hielt ihm ein paar blütenweiße Boxershorts hin.

„Ähm…?“

„Mehr solltest du nicht brauchen, schließlich musst du fürs Ausmessen eh unbekleidet sein.“ Sie grinste überlegen.

Leicht errötend griff er die Unterhose und eilte ins Nebenzimmer.

Diese Frau war wirklich alles andere als gewöhnlich. Er hatte nie mit ihr darüber gesprochen, wer er in Wirklichkeit war und trotzdem wusste sie alles, genau wie ihre Schwester Shakuyak. Diese Frauen hatten echt was Unheimliches an sich und es war wohl klüger sie nicht als Feind zu haben.

Seufzend zog er sich aus und atmete tief ein.

Da er sich nun mindestens einmal täglich verwandelte war der eintretende Schmerz ein beinahe vertrautes Gefühl, aber trotzdem hatte er sich noch immer nicht dran gewöhnt.

Immerhin war er schneller darin geworden und es erschöpfte ihn auch nicht mehr so sehr wie anfangs.

„Schatz, alles okay da drinnen?“ Sie musste direkt auf der anderen Seite der Türe stehen.

„Noch einen Moment“, entgegnete er und lehnte sich gegen die Wand um seinen Atem zu beruhigen.

Ein leises „Oh“ von der anderen Seite rief ihm in Erinnerung, dass Kanan noch nie seine Stimme gehört hatte.

Dieser Moment war wohl unausweichlich, also holte er noch einmal tief Luft, ehe er die tristen Shorts anzog.

Als er die Tür öffnete konnte er sehen, wie sie ihn anstarrte.

Selten hatte er sie so ruhig erlebt.

Sie sagte nichts, hatte ihre Hände vor ihrer Schürze gefaltet und starrte ihn einfach nur an.

Leicht verlegen strich er sich über den Nacken. Das hier war beinahe noch schlimmer als sein Wiedersehen mit Dulacre.

Dann ganz langsam nickte sie, mehr nicht.

Zorro zweifelte daran jemals in einer ähnlichen Situation gesteckt zu haben und er hatte keine Ahnung was er tun sollte.

„Also“, murmelte er schließlich, „sollten wir nicht langsam loslegen?“

Sie ihn wieder an, diesmal noch intensiver.

Ohne den Augenkontakt zu brechen kam sie auf ihn zu. Er wich keinen Schritt zurück.

Er erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie ihn zu einer anmutigen Lady hatte erziehen wollen und jetzt konnte er ihr endlich zeigen, dass er das nie werden würde.

Aber während alle Lady Loreen mochten, war er selbst niemand der schnell Freundschaften schloss.

Direkt vor ihm blieb sie stehen, sie waren beinahe gleich groß. Es war seltsam, nicht mehr zu ihr aufschauen zu müssen.

„Ich verstehe“, murmelte sie und legte eine Hand an seine Wange, „darum also.“

Nach einer Sekunde drehte er sein Gesicht weg von ihrer Hand.

Sie lachte: „Och nein, wie süß. Du bist ja noch so jung.“

„Tze.“ Er ging an ihr vorbei und rüber zum kleinen Podest. „Ich bin zwanzig.“

Seit er vor über zwei Monaten auf Sasaki gestrandet war hatten ihn schon so viele wie ein kleines Kind behandelt, dabei war er doch schon so früh erwachsen geworden.

„Sag ich ja.“ Sie lachte immer noch und drehte sich zu ihm.

Er erwiderte nichts. Das hier war ihm wirklich unangenehm, die Art wie sie ihn behandelte, als wäre er nur ein Kind, als wäre er immer noch Loreen. Wusste sie denn gar nicht wer er war und was er alles getan hatte?

„Mein Kind, was ist denn los mit dir?“

Sie griff das Maßband um ihren Hals und folgte ihm zum Podest.

„Es ist alles in Ordnung, Kanan“, entgegnete er.

Sie sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an und kam auf ihn zu.

„Können wir vielleicht loslegen?“, murmelte er ernst. „Je schneller wir fertig werden, desto eher kann ich weiter trainieren.“

Sie stand nun vor ihm und betrachtete ihn ernsthaft, ehe sie schließlich nickte.

„Keine Sorge Schatz. So schnell wird der junge Herr nicht wieder da sein.“

„Könnten Sie dann bitte wenigstens aufhören mich Schatz zu nennen?“, fragte er, beinahe schon dankbar darüber, dass sie mit ihm sprach wie immer.

„Aber Kindchen, natürlich nicht.“

Sie begann das Maßband um seine Taille zu legen.

 

-Mihawk-

Er beobachtete den Blondschopf beim arbeiten.

Unermüdlich nahm der Andere eine Akte nach der anderen, dieses breite Lächeln auf den Lippen.

Dulacre seufzte und verschränkte die Arme hinterm Hinterkopf.

„Kannst du das nicht morgen erledigen? Es ist schon längst Feierabend.“ Er deutete auf das bereits rabenschwarze Fenster hinterm Marineoffizier.

Jiroushin lachte leise.

„Wie du weißt bin ich morgen nicht hier, daher muss ich heute noch fertig werden. Du könntest mir aber helfen, dann wäre ich schneller durch und könnte nach Hause zu meiner wunderbaren, liebevollen, schwangeren Frau.“

Der Samurai überschlug die Beine.

„Tze, ganz sicher nicht. Ich hab die Marine nicht verlassen um jetzt deine Arbeit zu erledigen. Lirin kennt dich, sie wird wissen, dass du später kommst.“

Der andere hob eine Augenbraue und sah ihn über seine Akten hinweg an.

„Du könntest ja einfach mal hilfsbereit sein.“

„Nein, diesen Wesenszug habe ich bereits als junger Mensch abgelegt.“

„Außer es geht um deine geliebte Loreen“, neckte der Ältere.

„Ach, hör schon auf mit diesem Unsinn. Du bist selbst schuld, dass du in Akten ertrinkst. Hättest du Vergos Angebot angenommen, könntest du jetzt als Vizeadmiral die Füße hochlegen.“ Dulacre ignorierte den kleinen Seitenhieb gekonnt.

„Als Vizeadmiral werde ich nur noch mehr zu tun haben“, murmelte Jirou und blätterte ein paar Seiten um.

„Werde?“, hakte er sofort nach, „das bedeutest, dass du trotzdem befördert wirst?“

Nun sah der andere ihn kurz an, ehe er sachte nickte.

„Durch den Krieg sind einige Plätze frei geworden.“ Der Mann der Marine klang nicht besonders überschwänglich, eher bedrückt. „Und ich bin ihnen wohl aufgefallen.“

„Kein Wunder, du bist wahrlich ein weit besserer Kämpfer als die meisten Vizeadmiräle. Wenn du den Kampf etwas weniger ablehnen würdest hättest du es zum Admiral bringen können.“

„In einer Schlacht ist kein Platz mehr für Verhandlungen. Man muss kämpfen, sonst wird man besiegt.“

„Dem stimme ich zu.“

Dulacre stand auf und streckte sich.

Es war gut, dass Jiroushin befördert wurde, er verdiente endlich etwas Anerkennung. Er war ein beeindruckender Kämpfer und ein fähiger Lehrmeister. Insbesondere das Observationshaki war eines seiner Steckenpferde, Mihawk schon ebenbürtig. Er schüttelte den Kopf, nein, nicht ebenbürtig, nicht ganz aber zumindest schon beinahe.

„Na immerhin wirst du nun Vizeadmiral, mehr Geld, bessere Arbeitszeiten. Mehr kann man sich doch nicht wünschen, wenn man Vater wird.“

„Willst du etwa schon gehen?“ Jiroushin war ebenfalls aufgestanden.

„Um ehrlich zu sein kann ich meine Zeit besser nutzen als dir beim arbeiten zuzusehen.“

Einen Moment sahen sie einander ernst an. Dann seufzte der Blondschopf.

„Meinetwegen. Ich lass es für heute gut sein. Worüber willst du reden?“

„Du musst meinetwegen nicht aufhören zu arbeiten. Ich kam her weil Smoker deine Stelle angenommen hat. Meine Neugierde ist gestillt. Ich lasse dich jetzt in Ruhe mit deinen Akten.“

Er wollte sich zum Gehen wenden.

„Ach komm schon, Hawky. Ich kenne dich schon ewig und weiß wenn etwas an dir nagt. Was ist los? Was beschäftigt dich so?“

Mit den Augen rollend wandte er sich wieder um. Manchmal störte es ihn, wie gut der andere ihn kannte. Natürlich waren seine Gedanken im Laufe des Abends wieder zu seinem Wildfang gewandert. Er fragte sich, was Jiroushin wohl denken würde, wenn er von Lorenors Geschichte hören würde. Es wäre hilfreich sich mit jemandem, der mit ihm mithalten konnte, austauschen zu können. Zwar zweifelte er nicht an seinem Vorhaben, aber er konnte nicht leugnen, dass Lorenors Wachstum in den fünf Tagen, in denen er mit Jiroushin wirklich gekämpft hatte, weit stärker gewesen war, als das theoretische Training, welches er selbst vornahm. Er konnte mit dem anderen nicht wirklich kämpfen. Das war zu gefährlich. Er kämpfte um zu töten, um auszuschalten und sollte der Jungspund es tatsächlich schaffen sein Blut in Wallung zu bringen, dann…

„Du trainierst Loreen? Darum geht es, nicht wahr?“

Er nickte nach einem Moment.

Jiroushin hatte das Observationshaki schneller erlernt als Dulacre selbst. Natürlich hatte das nichts daran geändert, dass Dulacre immer noch der bessere in der Anwendung war. So wie jede Kunst und jede Fähigkeit musste auch das Haki beständig weiter trainiert und ausgebildet werden. Perfektion war unerreichbar und doch strebte jeder danach und Dulacre war nun mal ein Perfektionist. Lorenor selbst war nahe dran, die grundlegende Anwendung dieser Gabe zu erlernen, in den Jahren danach würde er nach Perfektion streben müssen.

„Sie ist gut, oder?“ Jirou grinste und ließ sich wieder auf seinen Sessel fallen. Dulacre tat es ihm gleich. „Mir ist das schon aufgefallen, als ich mit ihr gearbeitet habe. Sehr talentiert.“

Und wie talentiert Lorenor war. Vielleicht wäre es sinnvoll Jiroushin nochmal mit einzuspannen. Aber das war unmöglich. Die relevanten Probleme hatte Lorenor in seiner wahren Gestalt und in dieser durfte er Jirou nicht gegenüber treten. Aber was würde sein Kindheitsfreund wohl sagen wenn er wüsste, dass Lorenor weniger als einen Tag gebraucht hatte um Gedanken lesen zu können? Selbst wenn es nur zufällig passiert war.

„Du hast ja keine Ahnung“, stimmte er resigniert zu.

„Allerdings hat es mich sehr überrascht, dass sie noch bei dir ist. Hatte sie sich nicht den Strohhüten anschließen wollen?“

Er sah den Blondschopf kühl an, der nachdenklich weitersprach: „So hatte ich es zumindest verstanden. Sie sagte mir, dass sie die Strohhüte treffen wollte und nicht bleiben könnte, da sie jemanden beschützen müsse. Ich habe nicht näher nachgefragt, aber ich dachte wirklich, dass sie mit ihnen mitreisen wollte. Liegt es daran, dass sie krank geworden ist?“

Dulacre schüttelte den Kopf.

„Nein, um ehrlich zu sein war ich genauso überrascht wie du. Aber ich versprach dieses Kind weiter zu trainieren. Im Endeffekt war das ja auch am besten so, schließlich gibt es die Strohhüte nicht mehr.“

Der andere nickte halbherzig.

Wie konnte Jiroushin das Offensichtliche noch nicht gesehen haben?

Er war eindeutig zu nahe dran. Über kurz oder lang würde er herausfinden wer Lady Loreen in Wirklichkeit war. Bisher behinderten ihn sein Verstand und sein logisches Denken. Noch vermied er das Unmögliche in Betracht zu ziehen, aber lange würde er nicht mehr brauchen.

Doch was würde passieren, wenn der andere die Wahrheit wüsste?

Jiroushin war niemand, der schnell wütend wurde. Im Gegenteil er trug seinen Titel der friedvolle Krieger nicht umsonst. Aber damals, nach dem Fall der G6 war er leicht reizbar gewesen, hatte Dulacre in einem unbedachten Moment sogar angegriffen.

Was würde Jiroushin tun, wenn er Lorenor gegenüberstehen würde?

„Weißt du was mir aufgefallen ist?“ Der Blondschopf sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. „Du nennst Loreen selten bei ihrem Namen. Wenn du von ihr sprichst sagst du meistens dieses Kind oder mein Schüler. Du sagst auch nie Ihr geht es gut oder Ich wollte sie weiter trainieren. Als würdest du es vermeiden sie zu betiteln.“

„Ist das so?“, entgegnete er.

Und was würde Dulacre tun, wenn Jiroushin Lorenor angreifen würde?

Egal in welchem Körper, Lorenor war dem baldigen Vizeadmiral derzeit noch nicht gewachsen. Selbst wenn Jiroushin ihn zunächst zum Aufgeben überreden wollen würde, diese Verhandlung würde scheitern. Der Jungspund würde sich von Worten nicht aufhalten lassen.

Es würde zum Kampf kommen, denn wie sollte Jiroushin denjenigen davonkommen lassen, der die G6 zerstört hatte?

Was also würde er tun?

Würde er tatenlos zusehen oder würde er sich gegen seinen besten, seinen einzigen Freund stellen?

„Ich verstehe es nicht, Loreen ist dir doch wichtig. Du machst es bewusst oder? Aber warum?“

Er stellte die falschen Fragen.

„Du zerbrichst dir über zu viele Dinge den Kopf, Jiroushin. Ich nenne dieses Kind auch anders, aber nicht in deiner Gegenwart. Du würdest es wahrscheinlich nicht verkraften.“

„Was? Wie?“ Neugierig lehnte der andere sich vor, allmählich rollte er mit seinem Schreibtischstuhl um den Tisch herum und auf Dulacre zu.

Der Samurai grinste böse. Er konnte ihm die Wahrheit nicht sagen.

„Ich werde es dir nicht sagen. Du wirst dann etwas total Falsches denken und das würde ich gerne verhindern.“

Der Offizier hatte den Samurai fast erreicht.

„Ach komm schon! Wie nennst du sie, wenn ich nicht da bin?“

Er wusste genau, wie er das Gespräche in ungefährlichere Bahnen lenken konnte, es würde wohl unangenehm, aber immerhin konnte er so Lorenors Identität waren.

„Na gut, meinetwegen. Aber das bleibt unter uns, verstanden?“

Plötzlich war der andere todernst, natürlich ging seine Taktik auf.

„Versprochen!“

„Weder Kanan noch Koumyou.“

„Versprochen!“

„Auch nicht Lirin.“

„Na gut.“

Seufzend lehnte er sich nach vorne und flüsterte dem anderen ins Ohr: „Mein Wildfang.“

„Was?!“ Der andere war aufgesprungen.

Sehr gut, er hatte die Gefahr erfolgreich abgewandt.

„Jetzt reg dich nicht…“

„Du wolltest mich ablenken!“ Böse starrte der Ältere zu ihm hinab. „So etwas würdest du niemals sagen. Schwacher Versuch Hawky.“

Aufstöhnend lehnte er sich zurück. „Jiroushin!“

„Jiroushin mich nicht. Was ist wirklich los?“

Er konnte dem bohrenden Blick seines Freundes nur zu leicht standhalten während der andere immer noch vor ihm stand.

„Würdest du gegen mich kämpfen?“, fragte er dann geradeheraus. Dann eben so.

„Was? Ja klar, wir haben doch schon oft miteinander gekämpft. Woher kommt…?“

„Nein, so meine ich das nicht. Würdest du ernst machen? Wenn wir zwei unterschiedliche Ansichten haben und es keine Einigung gibt, würden wir dann im Zweifel Feinde werden?“

„Hawky?“ Langsam sank der andere wieder auf seinen Sessel, die Augen weit aufgerissen, absolut fassungslos. „Was redest du denn da? Man kann doch immer über alles reden. Es gibt immer einen Weg.“

Ja, Jiroushin war immer derjenige gewesen, der alles durchdebattiert hatte, der gesprochen hatte wenn es schon lange nichts mehr zu besprechen gab.

„Es überrascht mich, dass du darüber überhaupt nachdenkst.“ Nun klang der Blondschopf wieder wie immer. „Seit wann machst du dir denn um so etwas Gedanken?“

Überrascht sah er auf.

„Der Dulacre den ich kenne kümmert sich nicht darum was andere sagen. Wenn jemand zwischen dir und deinem Weg steht ist es dir doch normalerweise egal wer das ist. Ich weiß wie du tickst, du hältst nichts von langen Diskussionen. Ich würde natürlich versuchen dich aufzuhalten wenn ich deine Ansicht für falsch halten würde, aber ich werde nie dein Feind sein, selbst wenn ich dich nicht überreden kann aufzuhören.“

Er sah seinen Freund lange an.

Jirou hatte Recht. So hatte ihre Freundschaft funktioniert, immer schon. Er hatte die Entscheidungen getroffen, hatte meist die Worte seines Freundes berücksichtigt, aber letzten Endes hatte jeder von ihnen immer seine eigenen Entscheidungen getroffen. Allerdings hatte er nie für Jiroushin mitentscheiden wollen. Er war nicht derjenige gewesen, der die Crew gegründet hatte. Damals als er gegangen war, damals als er die Marine verlassen hatte, war der andere ihm ohne sein Wissen und Wollen gefolgt. Jirou war derjenige gewesen, der die anderen um sie gescharrt hatte, er hatte es einfach nur abgesegnet, er war zwar der Kapitän gewesen, aber Jirou hatte immer entschieden, wer ihrer Crew beitreten durfte. Dulacre war das relativ gleichgültig gewesen, solange sie in ihrer jeweiligen Tätigkeit zu den Besten gehörten.

Sie waren immer ein gutes Team gewesen.

„Aber was ist wenn ich mich dir entgegenstellen muss? Was ist wenn du so wütend bist, dass keine Worte dich erreichen und ich dich nur so aufhalten kann?“

„Aber Hawky, was soll denn dieses was wäre wenn? Du bist ja total komisch drauf. Du weißt doch mit mir kann man immer über alles reden. Warum sollte ich so überstürzt handeln, dass du mich angreifen musst? “

Der andere grinste immer noch.

Er hatte Recht. Dulacre war seltsam gelaunt. Seine Gedanken ließen ihm einfach keine Ruhe.

Es war schwierig für ihn zu wissen, dass jene Situation eintreten könnte, aber nicht mit Sicherheit sagen zu können wie sie ausgehen würde. Warum konnte er nicht abschätzen was passieren würde? Warum konnte er sowohl Jirous als auch sein eigenes Verhalten so schlecht einschätzen?

Es passte nicht zu ihm! Es passte nicht, dass er nicht wusste was passieren würde.

Aber er wusste, dass Jirou’s Glück ihm wichtiger war als sein eigenes.

Entschieden stand er auf.

„Du hast Recht. Ich bin heute nicht ich selbst. Aber ich sollte nun langsam aufbrechen.“

Offensichtlich überrumpelt vom Themenwechsel stand auch der Blonde auf.

„Wenn du mal ein bisschen Abstand von deiner Frau oder der Arbeit brauchst bist du jederzeit auf Kuraigana willkommen. Mein kleiner Wildfang würde sich sicherlich über ein paar Einheiten mit dir freuen.“

Jiroushin lachte: „Hör auf. Ich kaufe dir nicht ab, dass du sie so nennst. Aber danke für die Einladung. Ist auch wirklich alles okay?“

Er nickte und wandte sich zu Tür, doch dann blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. Der Blondschopf hatte sich gegen seinen Schreibtisch gelehnt.

„Jiroushin?“

„Hmm?“ Der andere sah ihn wachsam an.

„Wenn der Tag kommt und ich mich dir entgegenstelle, bitte lass meine Worte dich erreichen.“

Die grünen Augen des anderen wurden groß.

„Wenn der Tag kommt? Das ist kein was wäre wenn mehr.“ Er klang todernst.

„Nein, ist es nicht“, antwortete er, hob die Hand zum Gruß und ging.

Kapitel 20 - Piraten

Kapitel 20 – Piraten

 

-Zorro-

„So, nur noch die Handgelenke.“

„Wofür denn das? Ich brauche nur was zum Anziehen und keinen maßgeschneiderten Anzug.“

Die dunklen Augen der Haushälterin blitzten ihn wütend an.

„Noch nicht. Aber wer weiß, vielleicht brauchst du nächsten Monat doch noch einen und dann muss ich deine Maße haben, Schätzchen.“

Er räusperte sich über den Kosenamen hinweg.

„Tze, als ob ich so was brauchen würde und selbst wenn, dann würden Sie dann trotzdem drauf bestehen mich nochmal neu auszumessen, nicht wahr?“

„Aber das liegt doch nur daran, dass sich dein Körper ständig verändert. Du bist ja noch so jung. Alleine als Loreen hat sich dein Brust- und Oberschenkelumfang schon so vergrößert im Vergleich zum vorletzten Monat. “

Zorro rollte mit den Augen. Sich mit der Schwarzhaarigen anzulegen war hoffnungslos.

Er zog seine Hände weg nachdem sie beide Handgelenke nachgemessen hatte.

„Das liegt nur am Muskelaufbau. Kann ich mich jetzt endlich anziehen?“, murrte er schlecht gelaunt während sie zum kleinen Nähtisch hinüber eilte um alle Maße aufzuschreiben.

„Natürlich, natürlich Kindchen. Aber bitte hör auf so griesgrämig dreinzuschauen.“

„Ich kann nichts dafür, das ist nun mal mein Gesicht“, entgegnete er noch dunkler und griff nach einer der Hosen, die über eine Kleiderstange gelegt waren. „Finden Sie sich damit ab. Ich bin nicht Ihr süßes Prinzesschen.“

„Diese Hose wird dir zu kurz sein, Schatz. Die Schwarze da drüben müsste passen“, entgegnete sie nur ruhig und zeigte mit dem Bleistift auf einen weiteren Stapel Hosen.

Ohne etwas zu erwidern ging er hinüber und zog die einzige schwarze Hose aus dem Berg hervor. Er fragte nicht einmal, warum sie so viele Klamotten hier rumliegen hatte. Im Gegensatz zu sonst war dieser Raum unglaublich unordentlich. Vielleicht hatte sie die Abwesenheit des Hausherrn zum Aussortieren nutzen wollen.

„Und du kannst aufhören vor mir den starken Mann zu markieren“, sprach sie kühler weiter. „Mir war von Anfang an klar wer du bist und ich habe nicht vor dich anders zu behandeln nur weil du plötzlich meinst dich wie ein unerzogener Höhlenmensch aufführen zu müssen.“

Ihre Stimme hatte etwas tadelndes, als wäre sie mit seinem Benehmen alles andere als zufrieden. Es war nervig. Mit einem leisen Seufzen zog er die Hose an.

„Sie sollten aufhören mich erziehen zu wollen. Ich bin Pirat, haben Sie das vergessen? Ich bin ein Verbrecher, also hören Sie auf mich wie ein Kind zu behandeln!“

Nun wandte sie sich zu ihm herum, eine Augenbraue hochgezogen, die Hände auf den Hüften.

„Und das soll mich jetzt inwiefern beeindrucken? Ich habe Mihawk Dulacre groß gezogen, nichts was du je getan hast oder noch tun könntest kann mich erschüttern. Was du da draußen in der Welt machst ist deine Sache, aber ich bin die Haushälterin, solange du hier bist gelten meine Gesetze.“

Er verschränkte die Arme und konnte spüren wie seine Schläfe zu pochen anfing.

„Ich mag Sie, Kanan, aber gehen Sie mir nicht auf die Nerven. Versuchen Sie nicht mich zu verändern und hören Sie auf jemanden in mir zu sehen, der ich nicht bin und auch nicht sein will.“

Offensichtlich entnervt stöhnte sie auf und drehte sich herum, kopfschüttelnd fing sie an vor sich hin zu zetern. Mit wütenden Bewegungen sammelte sie die rumliegenden Stofffetzen auf.

„Gut“, sagte sie langgezogen und drehte sich um, „gut, dann hätten wir das ja jetzt geklärt und…“ Sie atmete tief ein und augenblicklich glitt das mütterliche Lächeln wieder über ihr Gesicht. „Schön, okay. Also Kind, lass uns dich anziehen.“

Zorro machte einen Schritt zurück. Ihr plötzlicher Themenwechsel beunruhigte ihn.

„Das kriege ich gerade noch so selber hin“, murrte er.

„Ja sicher. Ich hab die Fotos von dir in der Zeitung gesehen mein Lieber.“ Nun klang sie fast wie sonst auch, als wären sie nicht gerade aneinander geraten. „Immer irgendwelche halboffenen Hemden, Springerstiefel und dann dieser Bauchwickel. Das ist doch nichts Vernünftiges für einen Mann in deinem Alter. Dieser Freund von dir, der Blonde, der ist immer sehr adrett…“

„Vergleichen Sie mich nicht mit dem Löffelschwinger!“

Die Haushälterin war immer noch dabei Klamotten wegzuräumen. Er sah ihr unbeeindruckt dabei zu, die Arme immer noch verschränkt.

„Und egal was Sie sagen, ich brauche meinen Haramaki um meine Schwerter zu befestigen.“

„Aber es sieht so grässlich aus und dann auch noch die Farbauswahl. Du hast überhaupt keinen Modegeschmack, Kindchen.“

Er seufzte: „Darum geht es auch nicht. Es muss bequem und funktional sein. Mir ist egal ob Sie es mögen oder nicht.“

Unbeeindruckt sah sie ihn an.

„Na gut, von mir aus, ein Bauchwickel also. Tze, genau so ein Dickkopf wie der Herr.“

„Als würde Sie das überraschen.“

Sei seufzte schwer und blieb stehen.

„Nein, leider überrascht mich das überhaupt nicht. Der Herr hatte mich schon vorgewarnt, dass ich dich wahrscheinlich nicht umstimmen würde. Daher hab ich da auch etwas vorbereitet.“

Die Haushälterin packte den Stapel Hosen, von dem Zorro sich vorher bedient hatte, und trug ihn ins angrenzende Nähzimmer.

Mit beiden Händen fuhr Zorro sich durchs Gesicht und ließ sich auf dem kleinen Podest nieder. Kanan konnte ganz schön anstrengend sein. Dagegen war selbst Perona erträglich, die konnte man wenigstens zum Schweigen bringen.

Er fragte sich wie lange Mihawk noch für seine seltsame Tätigkeiten brauchen würde, er wollte zurück nach Kuraigana, er wollte weiter trainieren. Er durfte keine Zeit verlieren.

Seine Nerven lagen ziemlich blank und seine Schläfen pochten leicht. Er war müde, aber gleichzeitig fühlte er diesen inneren Drang in sich, der immer erwachte, wenn er nicht zielstrebig genug sein Ziel verfolgte.

Warum war er überhaupt hier?

Kanan kam wieder herein, in ihrer Hand einen Haramaki, der genauso aussah wie Zorros.

„Ich hab ihn selbst gemacht und da ich nicht wusste aus welchem Material deiner war, habe ich den besten und doch robustesten Stoff genommen, den ich finden konnte.“

 

Für einen Moment betrachtete er den Bauchwickel in ihren Händen und eine eigentümliche Sekunde lang verschwand dieser sich aufbäumende Druck in ihm.

Irgendwie rührte es Zorro. Es war als wäre dieses so unbedeutend scheinende Kleidungsstück ein Teil seiner Identität. Als er aufstand und es entgegennahm bemerkte er, dass es sich weicher anfühlte, leichter.

Nun lächelte die Haushälterin.

„Mir fehlten ja noch deine Maße also weiß ich nicht, ob er dir richtig passt. Vielleicht probierst du ihn kurz an und ich besser ihn dann noch nach.“

Zorro nickte nur und zog ihn über.

„Wie angegossen“, flüsterte Kanan und inspizierte ihm aus jedem möglichen Winkel.

„Können Sie noch Laschen für meine Schwerter annähen?“, fragte er und ignorierte ihre herumzupfenden Finger.

„Natürlich Kind, natürlich. Das ist das kleinste Problem.“

„Und Kanan.“ Sie sah zu ihm auf. „Ich danke Ihnen.“

Sie lächelte sanft.

„Für dich immer, mein Kind.“

Dann drehte sie sich um und eilte durch den Raum.

„Ich hab dir noch zwei Paar Stiefel besorgt, damit du nicht immer in den gleichen rumlaufen musst. Außerdem habe ich dir neue Unterhosen gekauft.“

„Bitte was?“

Kanan kam wieder mit Stoff, Nadel und Faden.

„Natürlich. Die gleichen wie der Herr sie hat. Es gibt nur eine Universalgröße und zwar weil sich der Stoff perfekt dem Körper anpasst. Sie kosten ein Vermögen, aber es gibt nichts Besseres für sportliche Aktivitäten und nebenbei musst du dich dann nie wieder darum kümmern, dass deine Boxershorts dir als Loreen nicht passen.“

Zorro erinnerte sich an einen lange zurück liegenden Morgen, an dem er den betrunkenen Samurai in dessen Zimmer angetroffen hatte. Damals hatte jener nicht mehr als schwarze, enganliegende Shorts angehabt. Allerdings hatte dieser Morgen ihm weit größere Probleme bereitet als die Sorge um Unterwäsche, einen verkaterten Lehrmeister zum Beispiel.

Kanan hatte sich vor ihm hingekniet und nähte die erfragten Laschen an.

„Das ist wirklich sehr nett von Ihnen Kanan, aber ich glaube ich verzichte. Das ist wirklich nicht ganz mein…“

„Kindchen, darüber diskutieren wir nicht. Glaub mir, nachdem du sie einmal anhattest willst du nichts anderes mehr.“

Seufzend ergab Zorro sich: „Na meinetwegen.“

„So schon fertig.“ Sie stand auf und begutachtete ihr Werk.

Zorro nickte zum Dank und stieg vom Podest runter.

„Aber irgendwie sind wir mit deinem Klamottenproblem immer noch nicht weitergekommen“, murmelte Kanan unzufrieden, „Wenn man mal von der Unterwäsche absieht.“

„Machen Sie sich darum keine Gedanken, Kanan. Das hier“, er zeigte auf seinen Haramaki,“ reicht vollkommen aus.“

„Unverbesserlich“, meinte sie kopfschüttelnd. „Nun gut, möchtest du noch ein Hemd haben. Ich gehe davon aus, dass es eher etwas simples sein sollte.“

Ein Grinsen schlich sich auf seine Züge.

„Ein einfaches T-Shirt reicht mir.“

Sie nickte und ging zu einem Kleiderständer hinüber.

„Das hier sollte passen.“ Sie nahm ein simples weißes Hemd und kam zu ihm, doch plötzlich hatte ihr Blick etwas beinahe Trauriges. Zorro konnte sehen wie sie ihn aus zusammengekniffenen Augen betrachtete und sich auf die Unterlippe biss.

„Ist was?“, fragte er und nahm das Shirt entgegen.

Sie schüttelte den Kopf. „Ach nein.“

Er zuckte mit den Achseln und zog sich das Oberteil über. Wenn sie nicht drüber reden wollte war es nicht sein Problem. Im Gegenteil, dieses ganze Drama nervte ihn unglaublich, egal ob Nami, Dulacre oder eben Kanan. Wenn sie also nicht drüber sprechen wollte, umso besser.

„Nur“, sprach sie weiter und sah ihn immer noch so an, „diese Narbe sieht so furchtbar aus und es muss schrecklich für dich sein diese Erinnerung auf dem eigenen Körper zu tragen und nie vergessen zu können.“

In der Bewegung innehaltend schaute er zur Haushälterin hinüber.

„Finden Sie die Narbe so abstoßend?“, fragte er nach einen Moment ruhig.

„Oh nein!“, antwortete sie sofort und hob beschwichtigend die Hände. „So meinte ich das nicht. Die Wunde scheint nur sehr schmerzhaft gewesen zu sein.“

„Ja, das war sie“, stimmte er zu und dachte zurück an jenen Tag der sein Leben verändert hatte. Der Tag seiner größten Niederlage und gleichzeitig der Tag an dem er sein Versprechen erneuert hatte. An jenem Tag war er jemand anderes geworden. Bis zu jenem Tag war er bereit gewesen sein Leben für seinen Traum zu opfern. Nach jenem Tag hatte er verstanden, dass er leben musste um seinen Traum zu erfüllen. Es wäre noch zu früh für ihn gewesen zu sterben und diese Narbe hatte ihn täglich daran erinnert. Seit jenem Tag hatte er leben wollen um seinen Traum zu erreichen.

Doch für die Träume seiner Freunde, für ihr Leben war er bereit gewesen, das alles zu opfern.

Für seine Freunde hatte er sein Leben geopfert.

Plötzlich wurde das Pochen an seinen Schläfen stärker. Seine Sicht verschwamm kurz und er musste einen Schritt zurück machen um nicht hinzufallen.

„Nun ja“, sprach Kanan weiter, die nichts zu bemerken schien, „wenn ich diese Narbe so sehe frage ich mich nur was für einem Monster du begegnet sein musst. Welcher Mensch würde einem anderen nur etwas so Grauenhaftes antun?“

Zorro fasste sich an den Kopf, versuchte das Dröhnen zu ignorieren.

„Aber Kanan, diese Narbe…“, begann er doch er wurde durch die aufschwingende Tür unterbrochen.

„Sie dürften wohl von mir sprechen, Kanan.“ Der beste Schwertkämpfer der Welt kam hinein, einen kühlen Ausdruck in den stechenden Augen, die Zorros Blick sofort begegneten. „Schließlich war ich das Monster, dem Lorenor begegnet ist und ich war der Mensch, der ihm so etwas Grauenhaftes angetan hat.“ Doch seine Worte klangen alles andere als wütend oder hart, irgendwie machten sie Zorro stolz, aber bei seinen Kopfschmerzen konnte er sich das auch nur einbilden.

Die Tür fiel hinterm Herr des Hauses zu.

„Aber mein Herr?!“

Zorro konnte die beinahe zittrige Stimme der Haushälterin hören, während schwarze Punkte seine Sicht beeinträchtigten. Er senkte den Kopf als die Welt vor ihm verschwamm. „Ihr wollt das gewesen sein?“

„Sie überraschen mich, Kanan.“ Mihawk klang ruhig aber auch herablassend. „Ich dachte Sie wissen alles. Natürlich war ich es. Ich bin bekannt für mein erbarmungsloses und skrupelloses Verhalten, wieso erschreckt Sie das aus einmal?“

Zorro ließ sich aufs Podest fallen. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber er wusste nicht was.

Die Unterhaltung der beiden Hochwohlgeborenen interessierte ihn gerade mal so überhaupt nicht. Doch ihre Worte waren so klar und durchdringend, dass er sie über das Pochen in seinem Kopf hinweg hörte, hören musste, nicht ausblenden konnte.

Schon seit Wochen schlief er schlecht und war des Öfteren mit Kopfschmerzen aufgewacht, aber tagsüber hatten sie ihn meistens in Ruhe gelassen. Warum also gerade jetzt?

„Ihr wollt mir also sagen, dass Ihr neben diesem unschuldigen Kind noch weitere Menschen mit der grausamen Erinnerung ihrer Niederlage gebrandmarkt habt?“ Die Haushälterin klang wahrlich geschockt. Zorro wollte bemerken, dass er alles andere als ein unschuldiges Kind war, doch Dulacre war schneller.

„Nein, Lorenor stellt eine Ausnahme dar. Das liegt allerdings nur daran, dass meine Feinde für gewöhnlich nicht lange genug leben um Narben davon tragen zu können.“ Die Worte schnitten wie kaltes Eis durch die Luft.

Kanan erwiderte nichts aber Zorro konnte ihren schnellen Atem hören. Immer wieder setzte sie zum sprechen an, doch es kam nichts. Er fragte sich, was sie wohl gerade dachte. Noch nie hatte er mitbekommen, dass sie keine Worte mehr fand. Ein leises Lachen rang sich aus seiner Kehle, was sein pochender Schädel so gar nicht lustig fand.

„Lorenor?“ Erst jetzt wandte sich der Ältere an ihn, nicht, dass es ihn interessierte.

„Haben Sie nicht eben noch gesagt, dass Sie nichts erschüttern kann, Kanan?“

Zorro packte sich an die Schläfen. Das Licht des Raumes blendete ihn.

„Stimmt etwas nicht, Lorenor?“, fragte der Samurai kühl.

„Das ist doch etwas anderes“, entgegnete Kanan schnippisch. „Ich weiß was Ihr da draußen macht und es überrascht mich nicht.“

Der Pirat hatte die Augen geschlossen und versuchte den wummernden Schmerz zu ignorieren. Er konnte sich nicht erinnern jemals solche Kopfschmerzen gehabt zu haben.

„Sie reagieren allerdings alles andere als gefasst“, bemerkte der Herr des Hauses und schwere Schritte hallten durch den Raum. Neben Zorro blieb er stehen und sein vertrauter Geruch erfüllte die Luft.

„Lorenor, was ist los?“

„Es geht mich nichts an, welche Taten Ihr da draußen vollbringt, mein Herr und ich werde Euch immer lieben wie meinen eigenen Sohn.“ Die ältere Frau zögerte. „Allerdings weiß ich nicht, ob ich Euch verzeihen kann einem Kind, das mir so viel bedeutet, ein solches Stigma aufgezwungen zu haben.“

Es war ganz ruhig im Raum, keiner sagte mehr etwas.

Zorro wusste, dass die beiden anderen sich gegenüberstanden, direkt vor ihm. Kanan zu seiner Rechten und Mihawk zu seiner Linken.

Langsam ebbte der Schmerz in seinem Kopf ab.

„Lorenor.“ Der Samurai klang wie eh und je. „Wenn du alles hast was du brauchst sollten wir aufbrechen. So könnten wir bei Sonnenaufgang mit dem Training fortfahren. Dann hättest du nur einen Tag verloren.“

„Aber mein Herr! Ich wollte doch nicht…“

„Seien Sie unbesorgt, Kanan.“ Erneut hallten die Schritte des Schwertkämpfers durch den Raum. „Ich respektiere Ihre Ansichten und es ist Ihr Recht meine Taten zu missbilligen.“

„Aber Herr, ich…“ Kanan klang nahezu verzweifelt.

„Sie brauchen sich nicht zu erklären. Es ist alles in Ordnung. Ich hoffe, dass Sie mir eines Tages vergeben können, aber auch wenn nicht wird das nichts an meiner Meinung von Ihnen ändern. Seien Sie gewiss, dass ich Sie stets schätze. Lorenor, bitte verwandel dich. Ich warte unten.“

Mit einem leisen Klicken fiel die Tür ins Schloss. Zorro stand auf und öffnete die Augen. Nur noch wenige schwarze Punkte tanzten in seinem Blickfeld. Immer noch fühlte es sich so an als ob der Samurai direkt neben ihm stehen würde.

Wie versteinert stand das ehemalige Kindermädchen mitten im Raum und starrte die Türe an, die Hände noch halb ausgestreckt nach jemandem, der schon längst gegangen war.

Seufzend betrachtete er die Schwarzhaarige.

„Kanan.“ Sie wirbelte zu ihm herum, die Augen weit aufgerissen und glasig. „Wir sind Schwertkämpfer, für uns gelten andere Regeln. Außerdem sind wir Piraten, wir leben in einer anderen Welt.“

„Das weiß ich doch. Ich wollte ihn doch nicht aus seinem eigenen Heim verjagen.“

„Ich weiß.“ Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich danke Ihnen wirklich für Ihre Fürsorge.“

Dann drehte er sich herum und sammelte die Sachen zusammen, die sie für ihn besorgt hatte. Seine Kopfschmerzen bereits nicht mehr als eine dumpfe Erinnerung.

„Aber Sie sollten ihm verzeihen. Diese Narbe sollte Sie nicht belasten.“

„Aber mein Kind. Er hat dich gebrandmarkt.“

Er schaute zu ihr hinüber. Gedankenverloren führ er mit einer Hand über sein linkes Schlüsselbein.

„Nein, Sie liegen falsch. Er hat mich gezeichnet, nicht gebrandmarkt, und nur dank dieser Narbe bin ich heute der, der ich bin.“

„Ich verstehe dich nicht“, flüsterte sie.

„Das liegt daran, weil Sie in dieser Narbe nur Schmerzen und eine Erinnerung an eine Niederlage sehen. Aber für mich ist es nicht das. In dieser Narbe sehe ich Dulacres Anerkennung meiner Fähigkeiten und das Versprechen eines Sieges.“

Ungläubig hatte sie ihren Mund geöffnet.

Zorro grinste und rieb sich leicht verlegen den Nacken.

„Es gibt einen Grund, warum ich immer halb offenen Hemden trage, wissen Sie?“

Als sie immer noch nichts erwiderte zuckte er mit den Achseln, packte die Klamotten in denen er hergekommen war und ging ins angrenzende Nähzimmer um sich zu verwandeln.

Als er wenige Minuten später wieder als Loreen herauskam, stand die Haushälterin immer noch mitten im Raum.

„Du bist wirklich so hübsch“, flüsterte sie als sie Zorro bemerkte.

Er warf sich den Rucksack mit seinen neuen Klamotten und Stiefeln über die Schulter ohne etwas zu erwidern. Vielleicht würde sie das nie verstehen können.

Als er vor Kanan stand, ließ er zu, dass sie ihn einfach in den Arm nahm.

„Kind, kann ich dich um etwas bitten?“, fragte sie ernst.

„Klar.“ Er löste sich von ihr und sah sie mit einem halben Lächeln an.

„Pass bitte auf ihn auf, ja?“

Die Tränen schimmerten immer noch in ihren Augen.

Voller ernst nickte er.

„Natürlich. Ich werde nicht zulassen, dass ihm etwas passiert, schließlich will ich diesen Mistkerl ja noch besiegen.“

„Aber doch nicht solche Worte!“

„Aber doch solche Worte. Bis bald, Kanan.“

Grinsend verabschiedete er sich und eilte hinaus.

Die Spannung zwischen Mihawk und seiner Haushälterin behagte ihm nicht, als Loreen konnte er sie noch deutlicher spüren und er war dankbar das alte Herrenhaus zügig verlassen zu können.

Unten angekommen wartete der Samurai bereits auf ihn.

Kurz betrachtete der Schwarzhaarige ihn als er die Treppe hinunter kam. Der Ältere hatte im Flur gewartet und bereits Schuhe, Mantel und Hut angezogen.

Schnell folgte Zorro seinem Beispiel.

Wenige Sekunden später gingen sie durch den dunklen Wald.

„Geht es dir gut?“, fragte der Samurai in die Stille hinein. „Du schienst Kopfschmerzen zu haben.“

Zorro zuckte mit den Schultern.

„Alles okay.“

Wieder waren sie ruhig. Sollte er fragen? Sollte er nachhaken? Oder sollte er den Anderen einfach in Ruhe lassen.

„Sicher? Nicht, dass ich dich auf der Hinfahrt überfordert habe.“ Mihawk klang genauso gelassen wie immer.

„Wie gesagt, alles okay“, murmelte er erneut und seufzte leise.

„Es tut mir leid, wenn dich meine Auseinandersetzung mit Kanan verunsichert haben sollte. Du kannst unbesorgt sein, sie wird sich bald beruhigt haben“, erklärte der andere dann.

Kopfschüttelnd lachte Zorro leise auf.

„Ach bitte. Das ist eure Sache, mit mir hat das nichts zu tun. Aber du bist schon etwas fluchtartig aus dem Raum gestürmt.“

Der Ältere war direkt hinter ihm.

„Ich bin nicht geflohen, Lorenor, aber es ist sinnlos sich mit Kanan auseinanderzusetzen, wenn sie so emotional ist. Glaube mir, du warst nicht unser erster Streitpunkt und auch dieser wird unser Verhältnis nicht langfristig belasten.“

„Na, wenn du das sagst.“ Er bezweifelte, dass es wirklich nur an der Haushälterin lag.

Mittlerweile hatten sie das Dorf erreicht.

„Natürlich wäre es etwas ganz anderes, wenn Kanan Recht hätte und diese Narbe für dich nicht mehr als eine grauenvolle Erinnerung wäre.“

Mihawk sah ihn nicht an sondern hatte seinen stechenden Blick geradeaus gerichtet.

Zorro betrachtete den Älteren, versuchte in seiner Mimik zu lesen was dieser ihm damit sagen wollte, doch die Schatten der Nacht machten es unmöglich.

Auf einmal hatten die Falkenaugen ihn dann doch im Visier.

„Sag mir Lorenor, hat Kanan Recht?“

Sie waren stehen geblieben, um sie herum die Stille des Dorfes, nur das leise Plätschern des Brunnens war zu hören. Es war mitten in der Nacht.

„Ich dachte du kennst mich“, entgegnete Zorro schließlich und ging weiter.

„Das ist keine Antwort.“ Der Samurai folgte ihm.

Nun war er es, der in die Ferne schaute.

„Ich bin froh meinen alten Körper wieder zu haben“, murmelte er als sie das Dorf verließen, „sonst hätte ich diese Narbe wohl für immer verloren.“

Als er aufblickte meinte er zu sehen, wie sich die Augen des Älteren eine Spur weiteten.

Sie hatten den kleinen Hafen erreicht und in einvernehmlichem Schweigen gingen sie den Steg entlang zum vertrauten Sargboot.

Wie ein eingespieltes Team ging Zorro an Bord während Mihawk die Taue löste.

„Sag mal.“ Zorro streckte sich und zog den Mantel enger. „Weswegen wolltest du denn jetzt eigentlich hierhin kommen? Wo warst du den ganzen Abend?“

Der Samurai zuckte mit den Achseln und kam ebenfalls an Bord.

„Ich musste nur etwas mit Jiroushin besprechen. Nichts Weltbewegendes.“

Doch er klang ungewohnt sanft.

Zorro ließ sich auf den Boden nieder.

„Ich würde mich gerne etwas hinlegen, Lorenor. Ist dir das Recht?“

Der Samurai gähnte ausgiebig. Das Boot setzte sich in Bewegung.

„Mach nur. Können wir morgen weiter trainieren?“

„Natürlich, das war doch die Abmachung.“ Mihawk schob den Thron zurück.

„Lorenor?“

Sie sahen einander an.

„Was ist denn noch?“

Der Ältere winkte ab.

„Es ist nichts. Versuch nichts Dummes anzustellen.“

„Tze, geh schlafen, du redest Unsinn.“

Kopfschüttelnd ging der Ältere unter Deck.

Zorro betrachtete die Sterne am Himmel. Alles war ganz ruhig.

Du bist noch nicht tot, Wanderer. Noch nicht.“

Überrascht richtete er sich auf.

Was für eine Stimme hatte er da gehört?

Doch es war niemand da.

Hatte er sich das gerade eingebildet.

Menschen, die durch eine selbstlose Tat starben, jedoch nicht den Tod bereuen, sondern ihre Fehler, erhalten die Möglichkeit, wieder ihr Leben weiterzuführen.“

Da! Schon wieder! Was waren das für Worte?

Sie übergaben überhaupt keinen Sinn und doch hatte Zorro dieses seltsame Gefühl sie schon mal irgendwann gehört zu haben, irgendwann vor langer Zeit.

Du wirst entweder an einen Ort kommen, den du bestimmt bist zu erreichen um zu lernen was du zu lernen hast. Oder aber du wirst auf eine Person treffen, deren Schicksal es sein wird, dich zu verändern.“

Auf einmal waren seine Kopfschmerzen wieder da, noch stärker als zuvor.

Dann geh hindurch, Lorenor Zorro. Geh zurück in dein Leben und lerne aus deinen Fehlern. Bereue nichts mehr. Und lebe deinen Traum.“

Er starrte zu den Sternen auf und dann wurde es dunkel um ihn.

Kapitel 21 - Bettgeflüster

Kapitel 21 – Bettgeflüster

 

-Mihawk-

Nach ein paar Stunden erholsamen Schlafes wachte er auf.

Mit einem leisen Lächeln streckte er sich und stand auf. Selten hatte er sich nach einer Auszeit so erholt gefühlt.

Der kurze Aufenthalt auf Sasaki war aufschlussreich gewesen. Wenn man von der kleinen Auseinandersetzung mit seinem ehemaligen Kindermädchen absah sogar recht erfolgreich. Er konnte wirklich zufrieden mit dem Verlauf sein. Lorenor entwickelte sich prächtig, Jiroushin hatte es geschafft befördert zu werden und sein Traum wurde wahr.

Es besorgte ihn ein wenig, dass seine zukünftigen Gespräche mit seinem Kindheitsfreund nur noch über Babynahrung und Windeln gehen könnten, aber diesen Preis war er mehr als bereit zu bezahlen.

Seufzend streckte er sich erneut, durch das kleine Fenster am Kopfende konnte er den bereits heller werdenden Nachthimmel sehen, der Morgen konnte nicht mehr fern sein und dementsprechend konnte auch Kuraigana nicht mehr weit entfernt sein.

Also war es an der Zeit nach seinem starrköpfigen Schüler zu sehen.

Doch als er oben angekommen war musste er feststellen, dass der Grünschopf tief schlafend mitten auf dem Deck lag, das lange Haar wie ein See um ihn ausgebreitet.

Kopfschüttelnd wollte er ihn wecken, doch dann bemerkte er es.

Lorenor schlief nicht, zumindest nicht so wie sonst. Normalerweise schlief der Jüngling auf dem Rücken, entweder alle Viere von sich gestreckt und vor sich hin murmelnd oder ruhig wie ein Toter, sich nicht bewegend.

Doch gerade lag er auf der Seite, einen Arm seltsam unter sich begraben, den anderen schlaff über der Körpermitte hängend. Noch nicht einmal die Schuhe hatte er sich ausgezogen. Als Mädchen müsste er in diesen Klamotten und ohne Decke frieren, aber den Jüngeren schien das nicht zu stören.

Langsam realisierte er es, Lorenor schlief nicht, er war ohnmächtig.

Er beugte sich hinab und klatschte dem jungen Piraten sanft gegen beide Wangen, doch nichts geschah. Ein, zwei Mal sprach er den anderen an, aber mit einer Reaktion rechnete er noch nicht einmal und war dementsprechend auch nicht überrascht, dass der andere nicht reagierte.

„Was ist mit dir geschehen?“, flüsterte er schließlich und hob das Kind wie eine Puppe hoch.

Lorenor rührte sich nicht, lag schlaff in seinen Armen.

Mit vorsichtigen Bewegungen trug er den Jüngeren unter Deck und legte ihn aufs noch warme Bett. Aufmerksam brachte er Lorenor in eine seitliche Position und achtete darauf, dass der andere gut atmen konnte ehe er ihn zudeckte.

Danach hockte er sich auf die Bettkante und fuhr sich durch die Haare. Trotz der Sorge wusste er, dass er nichts tun konnte.

Da der junge Pirat nicht schlief sondern ohnmächtig war, würde es Dulacre nicht gelingen ihn aufzuwecken. Er könnte ihm den Schädel zertrümmern und der andere würde nicht reagieren.

Doch sein Herz schlug stark und er atmete stetig. Einzig seine Haut schien bedenklich kühl.

Wie lange der andere draußen wohl bewusstlos gelegen hatte?

Aber die wichtigere Frage war doch warum der andere überhaupt ohnmächtig war.

Körperlich schien er wohlauf zu sein und während der vergangenen Tage war nichts vorgefallen, was einen plötzlichen Ohnmachtsanfall erklären würde.

Obwohl er es besser wusste rüttelte er den anderen leicht.

„Tze, was machst du nur für Sachen? Wach auf, Lorenor.“

Doch natürlich gehorchte der andere ihm nicht, wahrscheinlich schon rein aus Prinzip.

 

Wenig später hatten sie Kuraigana schließlich erreicht.

Lorenor war immer noch nicht bei Bewusstsein, sodass er ihn in eine Decke wickelte und hochhob.

Auf seinem Weg zum Schloss begegnete ihm niemand, nicht dass er das erwartet hätte. Es schien ein ungewöhnlich guter Tag zu werden, denn der sonst so dichte Nebel ließ die Morgensonne fast ungebrochen durch, erhellte die sonst so düstere Landschaft.

Das Kind in seinen Armen war leicht wie eine Feder – beinahe leichter als der Beutel mit Klamotten den er sich ebenfalls über die Schulter geschmissen hatte - und rührte sich immer noch nicht als Dulacre sich Zugang zum Schloss verschaffte.

„Zorro, Falkenauge? Seid ihr das?“, erklang fast sofort die Stimme des Geistermädchens, nachdem das Tor hinter ihm zugefallen war.

„Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du mich Mihawk nennen sollst“, entgegnete er herablassend während die junge Frau auf der anderen Seite des Vorzimmers auftauchte. Sie hatte ihr Haar in zwei wilde Zöpfe geflochten und ihr blassrosa Kleid war von Rüschen nur so übersät.

„Was ist passiert?“ Ihre runden, bunt geschminkten Augen lagen auf dem Kind in seinem Armen. „Ist er verletzt? Wurdet ihr angegriffen?“

Missbilligend schnalzte er mit der Zunge.

„Natürlich nicht. Glaubst du wirklich ich würde bei einem Angriff zulassen, dass Lorenor verletzt werden würde?“

Sie sah ihn mit großen Augen an, sagte jedoch nichts und erst einen Moment später realisierte er, was er gerade gesagt hatte.

Er schüttelte den Kopf und eilte durch den Raum.

„Hör mit diesen Flausen auf, Geistermädchen. Wie Lorenor und ich dir schon mehrfach gesagt haben, enthalten diese Zeitungsartikel die du sammelst kaum mehr als einen Funken Wahrheit.“

Er schritt an ihr vorbei.

„Ich bringe Lorenor ins Bett. Bereite bitte einen Tee vor und ich würde etwas von deinem Apfelkuchen begrüßen.“

„Und noch einmal, ich bin nicht deine Magd.“

Er ging weiter und sie folgte ihm.

„Aber Falkenauge?“

„Mihawk, so schwer ist das nicht.“

„Du gibst also zu, dass es zumindest einen Funken an Wahrheit gibt?“

Überrascht blieb er stehen und starrte sie an. Die Frau mit den rosa Haaren hingegen hatte ein beinahe böses Grinsen auf den Lippen und nickte wissend, während sie einen ihrer Zöpfe um ihren Finger wickelte.

„Ich geht dann mal Tee machen.“

Kopfschüttelnd wandte er sich ebenfalls um und schritt weiter. Es war sinnlos mit ihr zu diskutieren, sie war weder seine Zeit noch seine Worte wert.

Im Zimmer seines Schülers angekommen legte er eben diesen auf dessen Bett ab.

Danach suchte er sich einen Stuhl und wartete.

Es erinnerte ihn daran, wie er das erste Mal an Lorenors Bett gewacht hatte, damals, als er noch nicht hatte wissen können, wer dieses zerbrechliche Mädchen mit dem langen grünen Haar war; damals, als er noch gedacht hatte, dass Lorenor ein für alle Mal gestorben wäre.

Nach einer Weile tauchte das Geistermädchen samt Tee auf und gesellte sich zu ihm.

„Müssen wir uns keine Sorgen machen? Sollten wir keinen Arzt rufen?“, fragte sie und reichte ihm einen Teller mit Kuchen.

Dankend nahm er an.

„Nein, ein Arzt würde so oder so zu lange brauchen. Kein Grund zur Unruhe. Physisch ist er vollkommen gesund, vielleicht hat er sich etwas verkühlt, aber ansonsten geht es ihm gut.“

„Er ist ohnmächtig“, meinte sie sarkastisch, „das verstehe ich nicht unter gutgehen.“

„Er wird bald aufwachen.“

Für einen Moment sah sie ihn an.

„Weißt du das oder möchtest du mich nur beruhigen?“

Er erwiderte ihren Blick problemlos und brachte sie dazu wegzuschauen.

„Hör auf damit“, murrte sie.

„Ich mache doch gar nichts“, schmunzelte er.

In einvernehmlichen Schweigen warteten sie gemeinsam und aßen ihren Kuchen.

Nach einer Weile jedoch wurde das Mädchen unruhig. Sie stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen, das Klacken ihrer Absätze hallte von den Steinwänden wider und ihre Zöpfe wippten im Takt. Er hingegen hatte sich die Zeitung vom Teetablett herangezogen und las sie nun aufmerksam.

„Könntest du bitte einer Beschäftigung nachgehen, die etwas weniger störend ist?“

Sie stöhnte entnervt und setzte sich wieder hin, nicht dass ihr wippendes Bein wirklich viel besser war, aber wenigstens war es leiser.

Seufzend blätterte er eine Seite um, doch er konnte nicht verhindern, dass er aus dem Augenwinkel beobachtete wie sie eine ihrer Rüschen nach und nach ausfranste.

„Es macht wirklich keinen Unterschied ob du nun die Zeit mit etwas sinnvollem verbringst oder nicht. Lorenor wird nicht schneller aufwachen nur weil du um sein Bett kreist wie eine aufgescheuchte Glucke.“

Als er von den bedruckten Blättern aufschaute konnte er sehen wie sie die Arme verschränkte und ihn anstarrte.

„Wie kannst du nur so ruhig sein?“, fragte sie eine Spur zu laut. „Zorro ist meinetwegen ein Dickkopf und ihm passiert so schnell vielleicht nichts, aber in diesem Körper ist er schwach. Du hast die ersten Tage hier nicht mitbekommen; er ist mir alle paar Stunden umgekippt wenn er sich überanstrengt hatte. Aber dabei war er nie so lange bewusstlos wie jetzt.“

Einzelne Geister entglitten ihrem Körper, sie schien wahrlich aufgewühlt.

„Vielleicht hast du Recht, vielleicht fehlt ihm nichts. Aber was ist wenn doch, was ist wenn er Hilfe braucht und wir hier nur dumm herumsitzen?“

Erneut seufzte er und faltete die Zeitung zusammen.

„Glaube mir wenn ich sage, dass das höchst unwahrscheinlich ist. Aber selbst wenn dieser unwahrscheinliche Fall eintreten sollte könnten wir es nicht ändern. Wenn Lorenor wirklich dringende Hilfe benötigt, dann ist er bereits verloren, denn weder du noch ich können ihn in einem solchen Fall ausreichend medizinisch versorgen und kein Arzt könnte rechtzeitig kommen.“

Entsetzt starrte sie ihn an.

„Machst du dir denn gar keine Sorgen“, flüsterte sie, „oder warum kannst du dabei so gelassen bleiben?“

Kopfschüttelnd erhob er sich, die Geister stoben davon und verschwanden im Nichts.

„Nur weil man einen Sachverhalt mit Logik betrachtet bedeutet das noch lange nicht, dass man sich keine Sorgen macht“, entgegnete er und sah zu ihr hinab.

Es war für ihn unverständlich gewesen warum Lorenor ihn überzeugt hatte, dass sie bleiben durfte.

Dieses nervige Mädchen mit den rosa Zuckerwattehaaren und einer Vorliebe für Kuscheltiere und Süßkram hatte für ihn immer eine Zumutung dargestellt. Beim Training hatte sie oft zugesehen und ungewollte Kommentare zum Besten gegeben. Bei gemeinsamen Mahlzeiten oder Abendstunden hatte sie nicht selten eine unangebrachte Spannung erzeugt, die nie vorgeherrscht hatte, wenn er und Lorenor unter sich waren.

Selbst ihre Kochkünste waren zu Anfang eher eine Belastung gewesen, sodass er nicht selten selbst in der Küche gestanden hatte – Lorenor ließ er nicht mehr in die Nähe des Herdes, nachdem dieser ihn fast in die Luft gejagt hatte.

Er konnte sie nicht leiden, von ihrer lauten Stimme bis zu ihren lächerlichen Geistertricks. Lorenor schien mit ihr klar zu kommen und sie schien den jungen Piraten sogar recht zu mögen, auch wenn Dulacre nicht genau wusste warum. Ihm gegenüber war sie jedoch meist unhöflich und respektlos.

Aber er konnte auch nicht abstreiten, dass sie sich bei Eizens unerwarteten Besuch als nützlich erwiesen hatte. Während Dulacre selbst auf dem Schlachtfeld gewesen war, hatte sie sich um Lorenor gekümmert und er wusste nur zu gut, dass dies keine einfache Aufgabe war.

Auch jetzt bemühte sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten Lorenor zu helfen und ihre Sorge war offensichtlich echt, nicht gespielt.

Dieses Mädchen und er hatten nichts gemein, aber zumindest eine Sache verband sie.

„Ich gehe davon aus, dass Lorenor noch für eine gewisse Zeit nicht zu sich kommen wird und würde das gerne nutzen um mich zu duschen und umzuziehen. Ist es dir Recht solange alleine auf ihn aufzupassen?“

Nach einer Sekunde nickte sie.

„Ja klar, aber...“

„Ich werde nicht lange brauchen und wenn etwas sein sollte wäre ich dir dankbar, wenn du mich schnellstmöglich informieren würdest.“

„Sag mal, Fal...Mihawk warum machst du das? Warum trainierst du Zorro?“

Diese Frage überraschte ihn tatsächlich, doch er konnte ein Lächeln nicht verhindern.

„Er ist ein vielversprechendes Talent, es wäre eine Schande es zu vergeuden.“

Damit wandte er sich zur Tür.

„Und wo wir gerade dabei sind“, sprach er weiter ohne sich umzudrehen, „auch du besitzt Fähigkeiten, die richtig genutzt nützlich sein könnten. Allerdings hast du die Dimensionen deiner Kräfte noch nicht einmal ansatzweise erforscht und deine Kontrolle ist alles andere als solide.“

„Was fällt dir ein, du...“

„Du beabsichtigst doch zu Moria zurückzukehren, oder? Solltest du dann nicht etwas mehr wie Lorenor handeln und etwas weniger wie du?“

Er ging hinaus und ignorierte ihre hinterhergeworfenen Flüche.

 

-Zorro-

Du bist noch nicht tot, Wanderer. Noch nicht.

Zorro riss die Augen auf.

Über ihm hing der schwere Stoff des Baldachins. Er war offensichtlich in seinem Bett auf Kuraigana.

Gedämmtes Sonnenlicht verfing sich in den alten Vorhängen und warf kalte Schatten an die Decke.

„Willkommen zurück, Lorenor.“

Überrascht ließ er seinen Kopf zur Seite fallen. Neben seinem Bett saß der beste Schwertkämpfer der Welt, die Beine überkreuzt, ein kleines Buch in seinem Schoß. Wie immer trug der Schwarzhaarige ein einfaches Hemd und eine dunkle Hose, trotzdem wirkte etwas anders an ihm auch wenn Zorro es nicht genau einordnen konnte.

„Was ist passiert?“, murrte er und setzte sich auf. Sein Kopf dröhnte leicht und er fühlte sich wie nach dem Kampf gegen Moria, ausgelaugt und gereizt.

„Das würde ich gerne von dir erfahren. Ich fand dich bewusstlos an Deck.“

„Was?“

Der Samurai nickte. „Vor drei Tagen.“

Er starrte den anderen an.

„Ich war drei Tage bewusstlos?“

Erneut nickte der Ältere und dann bemerkte Zorro es. Die Haare des Samurais lagen nicht so glatt an wie sonst, sein Bart schien unebener, seine Augen noch ernster als eh schon.

„Was soll dieser Blick?“, fragte Mihawk der seine Begutachtung wohl sofort bemerkt hatte.

Zorro wusste welches Buch der andere las, ohne dass er genauer hinschauen musste.

„Und du hast diese drei Tage nicht geschlafen, oder was?“, murrte er stattdessen.

Der andere errötete leicht doch hielt seinen Augen stand.

„Du musst dir um mich keine Sorgen machen. Irgendwer musste doch sicher gehen, dass du nicht an deiner eigenen Zunge erstickst.“

Der Jüngere wandte den Blick ab und betrachtete seine kleinen Hände.

„Also?“, hakte der Ältere nach, „willst du mir erzählen was passiert ist?“

„Keine Ahnung“, antwortete er knapp und zuckte mit den Schultern.

„Du willst mir sagen, dass du noch nicht einmal weißt weshalb du für drei Tage ohnmächtig warst?“

Aufseufzend massierte er seine Schläfen und stützte die Ellenbogen auf seinen Beinen ab.

„Genau das will ich damit sagen“, entgegnete er grob.

„Du scheinst wieder Kopfschmerzen zu haben.“

Zorro sah auf und begegnete dem durchdringenden Blick des Samurais.

„Wie auf Sasaki, kurz bevor du ohnmächtig wurdest.“

„Was willst du damit sagen?“

Der Ältere stand auf.

„Nichts bestimmtes. Es ist offensichtlich, dass diese beiden Symptome miteinander verknüpft sind. Aber wie dem auch sei, du solltest etwas essen und vielleicht möchtest du ja auch das Bad aufsuchen.“

Dulacre legte das unscheinbare Buch auf den kleinen Tisch neben dem Bett.

„Ich werde dem Geistermädchen Bescheid geben, sie war sehr besorgt.“

Zorro nickte nur. Sein Lehrmeister benahm sich genauso, wie er ihn kannte. Rational und kontrolliert und doch konnte Zorro ihm ansehen, dass ihn das ganze mehr beschäftigte als er zugeben würde.

Allerdings wollte er sich darüber jetzt wirklich nicht seinen bereits schmerzenden Schädel zerbrechen.

„Und du erinnerst wirklich an nichts?“

Der Ältere sah zu ihm hinab, die Stirn in tiefe Falten gelegt.

Erneut fuhr Zorro sich durchs Gesicht und strich dann die langen Haare zurück.

„Doch“, murmelte er dann, „ich hab das Wort Wanderer im Kopf.“

Offensichtlich erstaunt hob der andere eine Augenbraue an.

„Wanderer? Warum?“

Er lachte trocken auf. „Woher soll ich das wissen?“

 

Einige Minuten später kam Zorro aus dem Bad. Zu seiner Überraschung war Mihawk bereits wieder da, augenscheinlich am lesen.

Der Ältere schaute kurz auf, las dann jedoch weiter, er musste das Buch schon mindestens zehn Mal zu ende gelesen haben.

Zorro hatte versucht sich zu verwandeln, aber es klappte nicht, vielleicht war er zu erschöpft.

Er hatte den Blick des anderen bemerkt.

„Was?“, murrte er.

„Es ist nichts“, entgegnete der Samurai und lenkte seine blasierte Aufmerksamkeit zurück auf sein Buch.

Erschöpft ließ Zorro sich aufs Bett fallen.

Es war nervig. Seit er sich verwandeln konnte war er andauernd erschöpft. All diese wirren Träume, dann die Kopfschmerzen und jetzt wurde er auch noch grundlos ohnmächtig. Er hatte keine Zeit tagelang bewusstlos im Bett zu versauern.

„Zerbrich dir nicht unnötig den Kopf, Lorenor.“

Verwirrt sah er auf. Mihawk seufzte und klappte das Buch zu.

„Es ist ein Prozess den dein Körper durchlebt, das ist ganz offensichtlich. Das stetige Verwandeln schwächt dich, seitdem du deinen ursprünglichen Körper zurück hast plagen dich Albträume und schlaflose Nächte. Die wiederkehrenden Kopfschmerzen und der Ohnmachtsanfall sind nichts weiter als ein Zeichen, dass der Progress bald abgeschlossen sein wird.“

Unbeeindruckt lehnte Zorro sich zurück.

„Woher zur Hölle weißt du das und was soll das überhaupt sein? Was passiert, wenn der Prozess abgeschlossen ist?“

Der Ältere lachte leicht herablassend. „Ich bitte dich, woher könnte ich das wissen? Ich stelle nichts weiter an als Vermutungen.“

„Na super, heißt du rätst auch einfach nur ins Blaue hinein.“

Der Samurai entgegnete nichts, doch Zorro konnte seinen harten Blick fühlen.

„Du denkst also, dass es bald vorbei sein wird?“, fragte er dann murrend und starrte den Himmel seines Betts an.

„Ich hoffe“, meinte der andere ruhig, „weitere Ohnmachtsanfälle wären für dein Training wirklich hinderlich, außerdem kann ich mir bessere Beschäftigungen vorstellen, als aufzupassen, dass du dich...“

„.Ja ja, ich hab‘s kapiert.“

In diesem Moment kam Perona herein und die Ruhe war vorüber.

Sie hatte ein Tablett mit Essen und Zorro musste feststellen, dass er wirklich fast am verhungern war.

Während er aß, stritt sie lebhaft mit Falkenauge, der zwar knapp antwortete aber nach Möglichkeit versuchte sie zu ignorieren.

Über ihre Unterhaltung hinweg wuchsen Zorros Kopfschmerzen wieder was der Samurai zu bemerken schien, denn nach kurzer Zeit schickte er Perona hinaus und verabschiedete sich ebenfalls mit der Aufforderung, dass Zorro noch etwas schlafen sollte.

Ungewollt befolgte er diesen Rat nach einigen Minuten.

 

Als er wieder zu sich kam war es dunkel. Nur die kleine Nachttischlampe gab warmes Licht ab.

Das Schloss war ruhig, er konnte den Wind außerhalb der Mauern hören, begleitet von dem gleichmäßigen Atem des Schwermeisters und dem gelegentlichen Blättern von Papier.

Es musste mitten in der Nacht sein.

„Warum bist du nicht im Bett?“, flüsterte er, zerbrach diese angenehme Ruhe und richtete sich auf.

„Ich bin nicht müde“, entgegnete der Ältere und sah ihn an. „Du siehst besser aus.“

Zorro nickte. Er fühlte sich deutlich besser als vorher, seine Kopfschmerzen waren nicht mehr als ein leises Summen im Hintergrund und er konnte sich an seine Träume erinnern, sie waren zwar immer noch verworren, aber irgendwie hatte er das Gefühl, sie zu kennen, sie zu erkennen.

„Mir geht es auch besser“, murmelte er und fuhr sich durchs Gesicht. „Ich glaube ich erinnere mich an irgendetwas.“

„Du erinnerst dich?“, fragte der andere verwirrt und lehnte sich zu ihm. „Was meinst du damit? Woran erinnerst du dich? Wie du ohnmächtig wurdest?“

Er schüttelte den Kopf.

„Nein“, meinte er und rieb sich den Nacken, „nein, das nicht. Ich bin mir nicht sicher, es ist alles so...“ Er konnte es nicht genau beschreiben.

„Was immer es ist, bald scheint es vorüber zu sein“, meinte der andere schließlich, nachdem er nicht weitergesprochen hatte. Wie so oft schien es als wüsste er etwas, wovon Zorro keine Ahnung hatte.

„Bis dahin hätte ich allerdings eine Frage an dich.“

Zorro sah den Älteren an, dieser hielt ihm das Buch hin, welches er bis gerade gelesen hatte.

Der Grünschopf kannte es. Schließlich hatte er es selbst geschrieben oder eher übersetzt.

Es erzählte die Sagen Alciels, einem uralten Königreich von Kriegern, vor Ewigkeiten vernichtet, seine Nachfahren ausgerottet. Dem Samurai nach gab es kaum jemanden der diese Sprache noch sprach, vielleicht niemandem neben Zorro selbst. Er hatte diese Sprache von seiner Mutter gelernt, die schon in seiner Kindheit gestorben war.

Eine dieser Geschichten, die Sage um den Schwertkämpfer Hakuryuu war der Grund gewesen, warum Zorro bereits als Kind hatte Schwertkämpfer werden wollen. Seine Mutter hatte ihm diese Geschichte früher immer erzählt und er hatte entschieden diese Bücher für den Samurai zu übersetzen, denn schließlich enthielten diese vierzehn Bücher die ersten Lehren der Schwerkunst. Bisher hatte er allerdings nur geschafft das erste, welches nur Geschichten und Märchen enthielt, zu übersetzen.

„Was ist damit?“ Er nahm das kleine Buch entgegen und betrachtete die Seite, die der Ältere aufgeschlagen hatte.

„Das ist die Legende Hakuryuus“, murmelte er.

„Genau. Mir ist aufgefallen, dass das Ende dieser Geschichte von dem abweicht, was du mir damals erzählt hast.“

Verwundert schaute er auf. „Und?“

„Nun ja, ich frage mich welche Version die echte ist.“

Zorro zuckte mit den Schultern und schnaubte leise. „Es ist doch nur ein Märchen, Dulacre. Jeder weiß, dass sich solche Geschichten über Zeit und Generationen hinweg verändern. Meine Mutter hat mir wahrscheinlich erzählt was ihr erzählt wurde, vielleicht mit anderen Worten und wer weiß schon, ob ich mich an alles richtig erinnere. Warum beschäftigst du dich mit so etwas?“

Mihawk schien mit dieser Antwort nicht zufrieden. Missbilligend verzog er die dünnen Lippen und starrte auf das Buch in Zorros Händen.

„Ich möchte die Wahrheit wissen, so simpel ist das“, sagte er schließlich, fast wie ein bockiges Kind.

„Die Wahrheit?“ Zorro lachte leise auf. „Es ist ein Märchen. Wer weiß, ob es Alciel je gab und wer weiß was davon stimmt. Warum ist irgendetwas davon wichtig?“

Der Ältere lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

„Du sagtest der Jüngste von Hakuryuus Schülern hat diese Bücher geschrieben, nicht wahr?“

Zorro nickte.

Mihawk seufzte. „Das könnte erklären warum in der Geschichte nichts darüber steht, dass Hakuryuu wahnsinnig wurde und deshalb seinen Ziehvater - den König - umgebracht hatte. Ein Schüler himmelt seinen Lehrmeister für gewöhnlich an und ist blind gegenüber dessen Fehler.“

„Wie bitte?“ Nun lachte Zorro vor Sarkasmus auf.

„Du stellst wohl ein Ausnahme dar.“

„Oh ja, ganz sicher.“

Eine Sekunde grinsten sie beiden.

„Ist das der einzige Unterschied, der dich stört? Dass im Buch nicht steht, dass er durchgedreht ist und deswegen der ganze Terz?“

„Ist es dir wirklich nicht aufgefallen?“ Der Ältere sah ihn ernst an.

„Was?“

„Bitte Lorenor. Hakuryuu besaß das Heldenschwert, geschmiedet aus dem Reißzahn eines Drachen. Für zwölf seiner Schüler ließ er daraus zwölf Schwerter schmieden. Du selbst hast diese Worte geschrieben.“

„Worauf willst du hinaus?“

Nun lehnte Zorro sich ebenfalls vor.

„Ist doch offensichtlich, Lorenor. Es geht um die zwölf Drachenschwerter. Der älteste Schüler erhielt das größte und mächtigste aus dem Kern des Heldenschwertes geschliffen. Das ist Yoru. Es ist die Entstehungsgeschichte von meinem Schwert.“

Ihm klappte der Mund auf.

„Meinst du das ernst?“

Der Samurai beugte sich noch weiter vor, ein ungekanntes Feuer in den sonst so kühlen Augen und ein breites Grinsen auf den Lippen. Er wirkte deutlich jünger als sonst, wie ein neugieriges Kind.

„Ja, ich denke schon. Ich meine, es ergibt alles Sinn. Niemand weiß wo die Drachenschwerter herkamen und das Material von Yorus Klinge ist einzigartig. Wie konnte mir das damals entgangen sein?“

Kopfschüttelnd biss Zorro sich grinsend auf die Unterlippe.

„Und wenn es nur ein Zufall ist? Zwölf ist eine Zahl, die oft in alten Sagen verwendet wird.“

„Und wenn es kein Zufall ist?“

Sie sahen einander an, nur wenige Zentimeter zwischen ihnen.

Zorro konnte es spüren, dieses Feuer, diese Neugierde. Noch nie hatte er jemanden anderen getroffen, der sich für solche Theorien über die Schwertkunst begeistern konnte, der selbst anfing darüber zu grübeln. Keiner seiner Freunde hatte ihn je verstehen können. Robin hatte sich manchmal aus reiner Freundlichkeit mit ihm darüber unterhalten, aber es war nie eines ihrer Interessen gewesen. Selbst Brook hatte ihn damals höflich belächelt, als er ihn nach der Geschichte seines Rapiers gefragt hatte.

Dulacre hatte nicht nur seine Schwerter beim Namen erkannt, sondern kannte auch ihre Herkunft.

Nie hatte er seinen Freunden von Alciels Sagen erzählt, jeder kannte Märchen über Helden und Krieger, Zorro hatte nie geglaubt, dass diese besonders sein könnten.

Nach einem Moment unterbrach er den Augenkontakt.

„Können wir bei Sonnenaufgang weiter trainieren?“, flüsterte er und welche Spannung in der Luft auch immer gelegen hatte war verschwunden.

Der Ältere lachte leise und lehnte sich zurück.

„Bist du dir denn sicher, dass es dir gut genug geht? Heute morgen warst du noch bewusstlos.“

Er nickte nur und sah auf das Buch in seinen Händen.

„Ich will stärker werden“, flüsterte er.

„Nun gut“, entgegnete Mihawk und zog ihm das Buch aus den Fingern, „dann solltest du jetzt schlafen und dich so gut wie möglich erholen. Ich lasse mir etwas ganz besonderes einfallen.“

Er wirkte so viel sanfter als sonst, so viel jünger.

Selbst als er aufstand war da immer noch dieses kleine Lächeln, dieses Schmunzeln.

„Ach, es gab übrigens noch einen Unterschied“, meinte der Ältere und verschränkte die Arme.

„Der wäre?“

„Laut diesem Buch wanderte Hakuryuu nicht durch die Welt um Schüler zu finden und später als er sie aussandte, schickte er sie nicht los um seine Lehren zu verbreiten.“

„Warum dann?“, fragte Zorro und wunderte sich, dass er sich daran gar nicht erinnern konnte. Vielleicht hatte er vor lauter Wörtern die Geschichte nicht mehr gesehen.

„Nicht nur die anderen Länder wollten Alciel zerstören, Hakuryuu selbst wollte sichergehen, dass niemand aus seinem eigenen Volk überlebte.“

Daran konnte er sich wirklich nicht erinnern.

„Wieso sollte er das getan haben?“

Der Ältere zuckte mit den Schultern.

„Das weiß ich auch nicht, aber ich denke das erklärt, warum niemand mehr etwas von Alciel weiß. Wenn die ganze Welt dich jagt und sogar deine eigenen Waffenbrüder dich töten wollen. Wer würde dann noch über die eigene Herkunft sprechen?“

Im dunklen Zimmer blitzten die Falkenaugen auf, reflektierten das spärliche Licht der kleinen Lampe.

„Natürlich hinterlässt das allerdings eine Frage.“

„Und welche?“, hakte Zorro misstrauisch nach.

„Wie kommt es, dass ausgerechnet deine Mutter diese Sprache sprach und all das noch wusste ohne je verfolgt zu werden?“

 

Kapitel 22 - Umbruch

Kapitel 22 - Umbruch

 

-Zorro-

Beinahe hatte er vergessen, dass Eizen je dagewesen war.

Nachdem er mehrere Tage ohnmächtig gewesen war und danach fast anderthalb Tage durchgeschlafen hatte war er Morgens aufgewacht und hatte sich endlich erinnern können. Nun ergaben seine wirren Träume endlich einen Sinn, nun wusste er, was damals nach dem Feuer der G6 geschehen war, wieso er noch am Leben war und wieso er ausgerechnet auf Sasaki gelandet war. Er hatte nie an Dinge wie Schicksal und Bestimmung geglaubt, aber nun konnte er nicht mehr abstreiten, dass übernatürliche Dinge existieren konnten, schließlich war er der beste Beweis, schließlich war er ein Wanderer, dessen Geist diese Welt nicht so schnell verlassen würde.

Aber damit beschäftigte Zorro sich wahlweise eher wenig, schließlich hatten seinem jenem Morgen die Tage wieder aus hartem Training bestanden.

Seit jenem Tag hatte er wieder schlafen können, hatte wieder Energie sammeln können. Es ging ihm so gut wie lange nicht mehr, er fühlte sich wieder gesund, wieder wie er selbst. Langsam fühlte er sich wieder wie Lorenor Zorro. Er wurde auch immer besser darin seine Verwandlungen zu kontrollieren, obwohl er die Zeitspanne in der er seinen Körper halten konnte nur sehr, sehr langsam verlängern konnte. Tagein tagaus hatte er sich mit seinem Training, seinen Erinnerungen und den Schachduellen gegen den Samurai beschäftigt so dass er beinahe vergessen hatte was da auf dem Schrankboden versteckt lag.

Beinahe hatte er glauben können, dass dieses Treffen, dieser Vertrag mit Eizen nicht mehr gewesen war als ein furchtbarer Albtraum.

Aber er wusste, dass das nicht stimmte. Spät Abends zog er manchmal die weiße Mappe hervor nur um sich zu überzeugen, dass der andere ihn nicht nur angelogen hatte. Im Vertrag stand nichts auffälliges, er könnte ihm dem Samurai wohl zeigen und dieser würde nichts Verdächtiges feststellen können.

Aber diese anderen Blätter, auf denen stand wo fast jeder einzelne Mensch den er je näher kennen gelernt hatte sich derzeit aufhielt und wie sie sterben könnten; diese Blätter waren eine stetige Erinnerung, dass er gefangen war. Bei Chopper, Lysop und Robin war kein derzeitiger Aufenthaltsort angegeben worden. Das hieß, dass selbst Eizen nicht alles wusste.

So wie er nicht wusste, dass Mihawk Zorros wahre Identität kannte.

Natürlich wäre es das einfachste gewesen Dulacre die Wahrheit zu sagen, ihm zu sagen, dass Eizen ihn erpresst hatte, ihn bedroht hatte, ihn durchschaut hatte. Außerdem war es eine Herausforderung vor dem anderen Dinge zu verheimlichen, es wäre wirklich die einfacherer Wahl gewesen, ihn einzuweihen.

Aber Zorro hatte etwas bemerkt, Eizen nahm den Samurai nicht für voll. Obwohl er wusste, dass Zorro auch ein Pirat war, hatte er weiterhin respektvoll mit ihm gesprochen, hatte ihn als Gegenüber wahrgenommen, als Mitspieler bezeichnet. Mihawk dagegen betrachtete er nur als Spielfigur, als unwichtiges Beiwerk. Eizen verachtete Mihawk und irgendwie wollte Zorro sich das zu Nutzen machen.

Er musste nutzen, dass Eizen Mihawk unterschätzte, aber das bedeutete auch, dass der Samurai nicht eingeweiht werden durfte, denn dann würde er sich verraten. Beim Aufeinandertreffen mit Eizen hatte sich Mihawk unkontrolliert gezeigt, beinahe aufbrausend.

Zorro musste ihn raushalten, er würde nicht den Titel des anderen riskieren, nur um Eizen nicht alleine gegenüberstehen zu müssen. Er würde diesen Mistkerl von einem Politiker alleine besiegen, schon deshalb, weil er seine Freunde bedrohte.

Immerhin hatte der kurze Besuch auf Sasaki und die darauf folgenden Tage dafür gesorgt, dass der Samurai sich mit anderen Dingen beschäftigt hatte. Zorros Träume und die Sage Hakuryuus hatten den Älteren von den wahren Problemen abgelenkt, nicht ein Mal hatten sie seitdem über den aufgeplusterten Politiker gesprochen und das war gut so.

Eizens Auftauchen lag nun schon über einen Monat zurück und langsam aber sicher wurde Zorro unruhig. Allerdings hatte das recht wenig mit dem Politiker zu tun, nun trainierte er schon länger als zwei Monate auf Kuraigana und doch hatte er noch kaum etwas erreicht, er war immer noch viel zu schwach.

„Konzentriere dich, Lorenor. Hör auf in der Gegend herum zu träumen, was ist los mit dir?“

„Nichts“, knurrte er und fuhr sich durchs Haar.

„Dann reiß dich zusammen, ohne Fokus wirst du das Observationshaki nicht meistern.“ Der Samurai klang gereizt.

„Nerv nicht, das weiß ich selbst!“

Der Ältere stöhnte wütend auf. „Ich brauche deine bissigen Kommentare nicht. Wenn du so abwesend bist sollten wir aufhören.“

„Nein“, murrte er und ging wieder in Position, „keine Pausen.“

Nun seufzte Dulacre beinahe enttäuscht. „Das war kein Vorschlag, Lorenor. So wie du heute gelaunt bist wirst du so oder so keine Fortschritte mehr erzielen.“

„Was?“

Der Ältere rieb sich den Nacken.

„Es ist immer das gleiche mit dir. Wenn du dich über irgendetwas ärgerst wirst du unkonzentriert, willst jedoch wie ein Wahnsinniger weiter trainieren. Aber in genau diesen Situationen ist das Training mit dir verschwendete Zeit.“

Zornig starrte er den anderen an.

„Was redest du? Lass uns einfach weiter machen, okay?“

„Nein, das machen wir nicht.“

Der Ältere drehte sich um.

„Keine Diskussion. Wir gehen jetzt.“

„Aber…“

„Lorenor!“

„Verstehst du nicht? Es sind schon mehr als zwei Monate um und ich beherrsche das Observationshaki immer noch nicht richtig. Ich habe keine Zeit um Pausen zu machen.“

Mihawk seufzte erneut und hielt sich einen Moment den Nasenrücken. „Also doch die Diskussion. Lorenor, ich habe dir gesagt, dass sechs Monate bei Weitem nicht ausreichen werden. Wir sind genau in meinem Zeitplan, aber ab und an muss man auch mal zur Ruhe kommen. Im Training sind gezielte Pausen wichtig.“

Er hasste es, wenn der andere sich so rational und logisch anhörte.

„Ich weiß, dass du ehrgeizig bist, aber versteife dich nicht so sehr. Jeder hat einmal einen schlechten Tag, das ist ganz normal und manchmal ist es besser an einem solchen Tag das Training ruhen zu lassen ehe man sich sogar selbst schadet.“

Der Ältere drehte sich zu ihm um.

„Du weißt, dass du mich nicht umstimmen kannst. Wir können morgen das Training wieder aufnehmen. Einmal früher Feierabend zu machen wird deine Entwicklung nicht hindern, vermutlich eher im Gegenteil.“

Wütend fuhr Zorro sich durchs Haar, einzelne Strähnen hingen ihm ins Gesicht, noch klatschnass vom längst versiegten Regen.

„Lorenor, du weißt, dass ich Recht habe, sonst würdest du mir widersprechen. Es ist schon am dämmern. Wenn du streiten willst, meinetwegen. Aber dann lass es uns drinnen bei einem Glas Wein tun, wie kultivierte Menschen und nicht wie ein Haufen Barbaren.“

Kopfschüttelnd lachte Zorro kalt auf.

„Wir sind Piraten verdammt nochmal, hör auf so zu klingen wie einer von diesen Krawattentypen.“

„Falls es dir entgangen sein mag, Lorenor, ich mag zwar Pirat sein, aber das umfasst nicht ansatzweise meine gesamte Persönlichkeit. Du solltest das doch am besten verstehen.“

Einen Moment starrten sie einander hart ein, keiner von beiden bereit klein beizugeben.

Dann verdunkelte ein böses Schmunzeln die Züge des Samurai.

„Was?“, knurrte Zorro, doch der Ältere schüttelte nur den Kopf, dieses gemeine Grinsen immer noch auf den dünnen Lippen.

„Jetzt spuck‘s schon aus.“ Machte sich der Ältere über ihn lustig?

„Ich wundere mich nur, ob du dein Haar absichtlich wachsen lässt. Wie lange es wohl noch dauert, bis du Loreens Frisur bei hast?“

„Halt die Klappe!“

Wütend schnellte er herum, packte seine Schwerter und eilte Richtung Schloss.

Leise lachend folgte ihm der Ältere. Mühelos konnte er mit ihm Schritt halten.

„Wenn du möchtest, könnte ich dir die Haare schneiden, oder du fragst das Geistermädchen nach ein paar Haarspangen.“

Zorro entgegnete nichts. Soweit würde er es garantiert nicht kommen lassen, dann könnte er sich gleich einen Bart wachsen lassen und einen auf Mihawks kleinen Bruder machen. Bei den Strohhüten waren immer Nami oder der Koch dafür zuständig gewesen. Einmal alle paar Wochen hatte einer der beiden ihn auf einen Stuhl gezogen und mit einer Schere herumgefuchtelt. Zorro hatte das immer mitgemacht, sich nie viele Gedanken darum gemacht.

Leise seufzend erklomm er die Stufen zum Schloss, vielleicht sollte er Perona fragen seine Haare zu schneiden, denn langsam wurde es schon lästig.

Doch die Geisterprinzessin war irgendwo in den Tiefen der Hochburg verschwunden, selbst als Zorro nach der nötigen Dusche ins große Kaminzimmer kam, fand er nur den Samurai vor.

Dieser saß wie so oft in seinem ausladenden Sessel und las die Zeitung. Auf seiner Armlehne lag ein Buch.

Es war eines der Bücher über Alciels und Hakuryuus Lehren, aber es war nicht das, welches Zorro übersetzt hatte.

Der Ältere reagierte nicht als er hineinkam.

„Also hast du das Training nur beendet damit ich dir die Bücher übersetzte?“

Zorro war immer noch wütend auf den anderen. Er konnte es nicht leiden, wenn der andere aus einer seiner Launen heraus entschied Feierabend zu machen. Noch weniger konnte er es leiden, wenn der andere ihn bevormundete oder subtil versuchte zu manipulieren. Als würde er darauf reinfallen.

„Tze“, entgegnete der Samurai jedoch nur und schlug eine Seite um, immer noch ohne Zorro auch nur eines Blickes zu würdigen.

„Hör auf mich zu ignorieren!“, befahl er und schlug die Zeitung des anderen weg.

Nun sah Mihawk ihn direkt an.

„Du bist heute wirklich unleidlich, Lorenor. Es war die richtige Entscheidung das Training ruhen zu lassen. So unkontrolliert wie du heute bist, wirst du das Observationshaki nicht meistern.“

Wütend wollte Zorro was erwidern, doch der andere sprach gelassen weiter.

„Um ehrlich zu sein verstehe ich auch nicht warum du heute überhaupt so unbeherrscht bist und daher dachte ich, dass du vielleicht ein Buch lesen möchtest um dich zu beruhigen.“

Unbeeindruckt starrte er zurück. Sollte ihn das etwa irgendwie besänftigen?

„Du könntest mir natürlich auch einfach erklären, wieso du dich heute so leicht reizen lässt.“

„Ich bin nicht gereizt“, entgegnete er und griff nach dem kleinen Buch.

„Natürlich nicht.“ Der Ältere bückte sich nach der Zeitung und fuhr mit seiner Tätigkeit fort.

Unschlüssig betrachtete der Jüngere den Schwarzhaarigen.

Er wusste, dass der Samurai Recht hatte, konnte es ganz genau spüren, diese innere Unruhe, dieses Gefühl, dass er versagen würde. Er musste stärker werden, so viel stärker werden, aber irgendwie schien er zu versagen.

Doch das war nur eines seiner Probleme, nur eines der Dinge, die wie ein dunkler Schatten über ihm brodelten. Genauso wie Eizen, obwohl nicht anwesend, obwohl nicht Thema der Gespräche, so war Zorro doch als würde der Politiker ihm stets über die Schulter gucken.

Aber dann war da ja noch sein eigener Körper, der immer wieder anfing unangenehm zu werden, ja sogar zu schmerzen, bis Zorro nachgab, bis Zorro sich in Loreen verwandelte. Immerhin wusste er jetzt was geschehen war. Immerhin wusste er jetzt, dass er tatsächlich gestorben war, sich aber im Jenseits dazu entschieden hatte weiterzuleben, weiterzukämpfen, selbst wenn das bedeuten würde in einem schwächlichen Körper gefangen zu sein. Er selbst hatte diese Entscheidung gefällt, war sich der Folgen jedoch nicht ansatzweise bewusst gewesen.

Alles was er damals gesehen hatte waren seine Freunde und sein Traum, nichts davon hatte er aufgeben wollen, doch nun verfolgten ihn die Worte, die diese seltsame Gestalt ihm gesagt hatte. Er wollte darüber nicht nachdenken, sich nicht über Dinge die er eh nicht verstand den Kopf zerbrechen. Normalerweise würde er sich von so etwas nicht beeindrucken lassen. Aber das hier war anders, hier ging es um was Größeres und er wusste nicht, ob er damit was zu tun haben wollte.

Langsam verstand er warum die anderen Wiedergeborenen vermeiden wollten, dass Außenstehende über sie herausfanden. Er selbst hatte vermieden Dulacre die Wahrheit zu erzählen, zu erzählen was passiert war.

Wie hätte er dem Samurai auch erklären sollen, dass er nach seinem Tod von einem überirdischen Wesen vor die Wahl gestellt wurde was mit ihm geschehen sollte, ohne dass er sich vollkommen wahnsinnig anhören würde?

Er erinnerte sich daran, dass ihn dieses Geschöpf Wanderer genannt hatte. Er erinnerte sich daran, wie es ihm drei Möglichkeiten offenbart hatte und er hatte sich dafür entschieden in sein altes Leben zurückzukehren, wiedergeboren zu werden, in Loreens Körper.

Er erinnerte sich auch daran, dass dieses Wesen ihn an einen bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Person hatte schicken wollen. Entweder damit Zorro selbst lernen würde was er vergessen hatte oder damit er das Schicksal dieser anderen Person verändern würde. Nun betrachtete er den Älteren und fragte sich aus welchem Grund er wohl auf Sasaki gelandet war.

Es wäre eine Lüge gewesen zu behaupten, dass Mihawk ihn nicht verändert hatte - und zwar nicht nur was den Schwertkampf betraf - aber genauso traf es auch zu, dass sich der Samurai verändert hatte.

Kopfschüttelnd wandte Zorro sich ab und hockte sich auf einen der anderen Sessel, das kleine Buch in der Hand.

Er sollte über solche Dinge nicht nachdenken. Es brachte nichts über Fragen zu philosophieren auf die er keine Antwort finden würde. Alles würde so kommen wie es kommen würde und er würde sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, unabhängig davon, was irgendein Fantasiegebilde ihm gesagt hatte.

Schlussendlich konnte er noch nicht einmal sicher sein, dass all das wirklich geschehen war. Im Zweifel war es nicht mehr als ein Traum gewesen und dann wusste er genauso viel wie vorher, nämlich gar nichts.

Wie also sollte er Mihawk erklären was ihn so reizte ohne sich vollkommen lächerlich zu machen?

Erneut schüttelte er den Kopf und schlug das Buch auf.

Seine eigenen Gedanken würden ihn nicht weiterbringen, es war besser etwas sinnvolles zu tun und auch wenn er es nicht zugeben würde, so war es doch eine gute Idee des Älteren gewesen ihm dieses Buch hinzulegen.

 

-Mihawk-

Er beobachtete den Jüngeren ganz genau. Konnte sehen wie es hinter diesen ernsten Augen arbeitete, konnte sehen wie sich die Stirn in tiefe Falten legte, wie die Lippen zu einer dünnen Linie wurden.

Lorenor verarbeitete offensichtlich etwas und dieser Prozess dauerte nun schon Tage an. Die meiste Zeit schob der junge Pirat was auch immer ihn beschäftigte in die Tiefen seines Unterbewusstseins um sich hauptsächlich aufs Training zu konzentrieren, doch es gelang ihm nicht immer.

So wie heute. Schon beim Frühstück war er abwesend gewesen, hatte immer wieder in den leeren Raum gestarrt, war immer wieder für mehrere Minuten wie weggetreten gewesen, nur um dann plötzlich den Kopf zu schüttel und wieder am Leben teilzunehmen.

Dulacre wusste nicht sicher was genau den anderen beschäftigte, aber er vermutete, dass es mit jenen Träumen zu tun hatte, die den Jüngeren bis vor einen Monat regelmäßig geplagt hatten. Wahrscheinlich hatte es auch etwas mit den Wiedergeborenen zu tun, wie Lorenor die Menschen nannte, die ähnlich wie er eine zweite Chance erhalten hatten.

All dies waren Dinge über die der Grünhaarige sich nicht mit ihm unterhalten wollte, da war er äußerst stur.

Nun saß Lorenor auf einem Sessel und las das Buch, welches er ihm rausgelegt hatte.

Der Jüngere entwickelte sich gut, bald, schon sehr bald würden sie damit beginnen das Rüstungshaki zu trainieren und es fiel Dulacre schwer die Vorfreude darüber zu unterdrücken. Er war gespannt darauf, ob der andere wirklich so talentiert war, wie er es in der kleinen Anekdote aus seiner Kindheit angepriesen hatte.

Aber Lorenor war auch verbissen, wollte um jeden Preis jeden Tag, jeden Moment Bestleistungen erbringen, seinen Körper immer an den Rand seiner Leistungsfähigkeit bringen. Es schien als hätte der Jüngere immer noch nicht verstanden, dass diese verbohrte Starrköpfigkeit ihn eher behindern als weiterbringen würde.

Aber er wusste auch, dass Lorenor ihn damals genau durch diese Charakterzüge beeindruckt hatte. Der Jungspund hatte seine eigene Art, hatte nicht zuletzt seinen eigenen Kampfstil entwickelt und vielleicht war es auch ein Fehler ihn wie jeden anderen zu trainieren. Vielleicht war Lorenors Ungeduld berechtigt, vielleicht musste er Lorenor nicht mehr wie einen Schüler behandeln, vielleicht musste er anfangen ihn wirklich als den Konkurrenten anzusehen, der sein Wildfang nun mal sein wollte, unbeachtlich des Risikos.

Mit einem stillen Seufzer blätterte er die Zeitung um, wäre er doch mal in seiner Jugend genauso ehrgeizig gewesen.

Für eine Weile lasen beide Schwertkämpfer in einvernehmlichen Schweigen. Diese ruhigen Momente waren selten geworden, diese Abende wo sie die Gesellschaft des anderen genossen ohne dass ein Gespräch nötig war. Lorenors Anspannung war mittlerweile nicht mehr als eine Erinnerung, kaum der Rede wert, nicht schwerwiegend genug um die Gelassenheit des Feierabends zu bedrücken.

Doch dann kam es wie es kommen musste und die Geisterprinzessin kam hinein. Für Dulacre war sie immer zu laut. Sie riss die Türen auf wie zu Beginn eines großen Auftritts, stampfte mit ihren klackenden Absätzen über den Boden wie bei einem unbeholfenen Tanz, sprach laut genug um eine ausgebuchte Theaterhalle auszufüllen.

Auch ihr Anblick war laut, ihr zuckerwattepinkes Haar war ein starker Kontrast zu dem knalligen Rot ihres Kleides, dazu der grellgelbe Teddybär in ihrer Armbeuge der mittlerweile eine selbstgenähte blau-weiße Mütze trug. Die starke Schminke und der penetrante, etwas zu süße Duft ihres Parfums taten ihr übriges.

Der Samurai war sich bewusst, dass er auf diese Frau empfindlich reagierte und er wusste auch genau warum. Aber selbst seine Einsicht änderte nichts daran, dass ihre pure Anwesenheit ihn meistens bereits lästig war und er fragte sich des Öfteren warum er sie nicht einfach vor die Tür setzte.

Gerade beobachtete er aus dem Augenwinkel wie sie Lorenor ein Paket reichte, das wohl erst am späten Morgen für Lady Loreen geliefert worden war. Die dunkle Stimme des Piraten hätte nicht gegensätzlicher zu ihrer sein können. Obwohl Perona ein paar Jahre älter war schien Lorenor um etliches reifer und auch weiser zu sein. Sie hingegen wirkte so unschuldig und unwissend wie ein kleines Gör.

Der Grünhaarige nahm das Paket an ohne es eines Blickes zu würdigen während er sich mit der Geisterprinzessin über Belanglosigkeiten stritt, doch im Gegensatz zu Perona schien Lorenor ihre Plänkelei nicht besonders ernst zu nehmen, seine Augen glitzerten beinahe schelmisch und ein böses Grinsen hatte sich auf seine Lippen geschlichen. Meistens stritt er so mit dem Mädchen, immer an der Grenze aber nie tatsächlich verletzend, nie ernsthaft gemein, nie wirklich Streit suchend. Perona auf der anderen Seite schien jede ihrer Auseinandersetzungen immer sehr ernst zu nehmen, zumindest wurde sie immer sehr emotional und natürlich auch sehr laut, doch auch sie vergaß die ausgetauschten Beleidigungen in dem Moment wo der Streit beendet war.

Es erstaunte den Samurai immer wieder wie die beiden miteinander umgingen, Lorenor benahm sich meist ganz anders als ihm gegenüber, er wirkte viel jünger, viel kindischer und nicht zuletzt auch irgendwie fröhlicher.

Wenn Lorenor mit ihm stritt waren es meist intensiv und folgenreich. Selten diskutierten sie über Kleinigkeiten und selbst wenn waren sie beide dann zu stolz um klein beizugeben.

Nein, nur einmal hatte er Lorenor so erlebt, damals bei ihrer allerersten Auseinandersetzung. Damals hatte er Lorenor beinahe angegriffen.

Mihawk erinnerte sich gut daran, wie der Jüngere ihn wegen seines Alters aufgezogen hatte und er erinnerte sich daran, wie er wegen so etwas vollkommen Belanglosen für einen kurzen Moment die Kontrolle verloren hatte.

Er hatte sich auf den Jüngeren in seiner weiblichen Gestalt gestürzt, das Sofa auf dem der Bengel gesessen hatte umgestürzt und beinahe zugeschlagen. Doch Lorenor hatte einfach nur dagesessen, die Arme verschränkt, der Blick unbeeindruckt, vollkommen unbeeindruckt von ihm, dem besten Schwertkämpfer der Welt.

Seitdem waren schon über drei Monate vergangen, drei Monate in denen sich viel geändert hatte.

Er seufzte, solche Gedanken waren nichts weiter als unnötige Zeitverschwendung, würden ihm nie von Nutzen sein und letztendlich war es doch unwichtig wie das Verhältnis zwischen Lorenor und diesem Geistermädchen war.

Ebendiese wandte sich nun um, ein feuerroter Schimmer auf ihren aufgeplusterten Wangen und starrte ihn direkt an. Dulacre konnte ihr regelrecht ansehen, wie sie ihm etwas entgegenschleudern wollte, sich aber eines Besseren belehrte und ihm dann nur wütend die Zunge rausstreckte ehe sie wieder hinaus eilte.

Lorenor auf der anderen Seite hatte das Paket unbeachtet neben sich gelegt und las nun weiter in seinem Buch, das leise Schmunzeln und der belustigte Blick längst wieder vergangen.

„Du hast Post bekommen?“, fragte der Ältere nun das offensichtliche um ein Gespräch zu ermöglichen. „Von wem?“

„Eizen“, entgegnete der ehemalige Piratenjäger tonlos ohne auch nur im Lesen innezuhalten.

„Wie bitte?“

Langsam ließ er die Zeitung sinken und sah den anderen nun offen an.

„Und du hältst es noch nicht einmal für nötig nachzusehen was er dir geschickt hat?“

„Es wird schon keine Briefbombe sein“, murrte der Jüngere nun und blätterte eine Seite um.

„Lorenor, darum geht es nicht. Du solltest...“

„Ich sollte was?“ Nun erwiderte der andere doch seinen Blick, viel drohender als erwartet.

„Ich sollte trainieren, ich sollte stärker werden, ich sollte das Observationshaki meistern. Stattdessen bevormundest du mich und verlangst von mir, dass ich mir eine Auszeit zum lesen nehme.“

Überrascht fehlten dem Samurai einen Moment die Worte. Er hatte gedacht, dass sie dieses Thema zu genüge ausdiskutiert hätten.

Seufzend legte er die Zeitung weg.

„Hatten wir das nicht bereits besprochen? Du hast...“

„Nein“, unterbrach ihn der Jüngere und wieder war da dieser stechende Blick, diese unterdrückte Wut, „du hast entschieden. Du warst der Meinung ich würde wiedermal nur deine Zeit vergeuden und du warst dir zu gut dafür.“

„Und warum gehst du dann nicht einfach nach draußen und trainierst weiter? Wenn meine Ansicht so falsch ist, warum folgst du dann meinen Anweisungen?“

Für eine Sekunde sah der andere weg.

„Es war unsere Abmachung“, murmelte er dann deutlich ruhiger. „Ich habe zugesagt deinen Entscheidungen zu folgen, aber das heißt nicht, dass ich sie gut finde und erst recht nicht, dass ich sie einfach so akzeptiere.“

Wiedereinmal erstaunte ihn der Jüngere. Er hatte beinahe vergessen, wie wichtig es dem anderen war zu seinem Wort zu stehen.

Nachdenklich fuhr er sich über den Bart.

„Lorenor. Ich habe die heutige Einheit nicht beendet um dich zu bestrafen oder um dich zu quälen. Es liegt auch in meinem Interesse, dass du schnellstmöglich dein volles Potential ausschöpfst. Aber du musst einfach einsehen, dass auch du Tage hast an denen du nicht völlig fokussiert bist und an diesen Tagen ist das Training eher frustrierend als inspirierend.“

„Na und?“ Nun legte auch der Pirat sein Buch weg. „Glaubst du meinen Gegner interessiert es ob ich einen guten Tag habe oder nicht? Meinst du ich hätte noch nie frustrierende Tage oder Wochen gehabt? Das gehört nun mal dazu, aber deswegen höre ich doch nicht auf. Das ist der Grund warum ich weitermachen muss, mich durchbeißen muss. Vielleicht endet der Tag als Niederlage, vielleicht war das Training nichts weiter als reine Zeitverschwendung, aber vielleicht platzt auch der Knoten, vielleicht kommt man doch weiter. Aber wenn man es nicht mal versucht, wenn man einfach heim geht um es später zu probieren, hat man dann nicht bereits aufgegeben?“

Er nahm sich Zeit, begutachtete den anderen ausgiebig, ließ die Worte des Jüngeren wirken, versuchte zu verstehen worin ihre unterschiedlichen Ansichten lagen.

Schließlich stützte er seine Ellenbogen auf den Knien ab, lehnte sich vor und legte sein Kinn auf den gefalteten Händen ab.

„Sag mir Lorenor, was hat dich heute so abgelenkt? Warum warst du unkonzentriert?“

Der Grünhaarige hielt seinem Blick stand, sein Kiefer spannte und entspannte sich, ehe er schließlich antwortete: „In den letzten drei Monaten gab es viel Ablenkung, der Ball, Homura, Eizen, all das interessiert mich nicht. Alles was ich möchte ist trainieren. Ich will besser werden, stärker, ich will meine Crew beschützen und jetzt haben wir die Zeit. Wir sind hier ungestört, unter uns, keine Kanan mit Tanzstunden, keine Einladungen zu irgendwelchen Veranstaltungen und trotzdem habe ich in den vier Wochen auf Sasaki mehr gelernt als die letzten zwei Monate hier, zumindest fühlt es sich so an.“

„Du möchtest also Stunden mit fruchtlosem Training verbringen?“

„Natürlich, alles ist besser als die Sekunden zu zählen bis du wieder der Meinung bist, dass ich weitermachen kann.“

Langsam nickte er. Er musste einsehen, dass Lorenor anders tickte. Im Gegensatz zu ihm konnte der Jüngere keine Ruhe in einem entspannten Abend finden, zumindest nicht wenn er das Gefühl hatte, noch nicht genug geleistet zu haben.

„Nun gut“, sagte er und stand auf, „hol deine Schwerter.“

„Was?“ Der Andere sah ihn überrascht an.

Doch Mihawk verschränkte nur die Arme. „Ab jetzt Lorenor, bist du selbst für dein körperliches Wohl verantwortlich. Ich werde dich nicht mehr schonen, keine Rücksicht mehr nehmen. Ich werde von dir so viel verlangen bist du entweder tot umfällst oder eine Pause verlangst, verstanden?“

Lorenor nickte und stand ebenfalls auf.

„Worauf wartest du dann noch?“

„Meinst du das jetzt ernst?“

„Sehe ich aus als wäre ich zu Scherzen aufgelegt?“

Für eine Sekunde noch starrte ihn der Jüngere an, dann packte er Buch und Paket und eilte aus dem Raum.

Dulacre war sich nicht hundertprozentig sicher, dass dies der klügste Weg war, aber wenn Lorenor mehr gefordert werden wollte, unzufrieden war mit seinem derzeitigen Fortschritt, dann musste er seine Methoden anpassen. Gegenüber einem Konkurrenten würde er nie Rücksicht üben.

Auf dem Weg zum Eingangsbereich begegnete er der Geisterprinzessin.

„Was ist denn los?“, fragte sie misstrauisch, „Du gehst wieder raus?“

„Lorenor und ich werden noch etwas weiter trainieren“, antwortete er knapp.

„Was?“, entkam es ihr entsetzt, „ich bin gerade fertig mit dem Abendessen.“

„Das wird heute ausfallen. Ich vermute, dass wir auch das Frühstück verpassen werden.“

Ihre bereits groß geschminkten Augen weiteten sich noch eine Spur.

„Wo wir dabei sind, ist zufällig auch ein Paket für mich angekommen?“

Sie wirkte immer noch verunsichert, nickte jedoch: „Von deiner Haushälterin. Es liegt in der Küche.“

„Was soll es denn da? Bring es her.“

Zum wiederholten Male sah sie ihn giftig an, drehte sich jedoch um und verschwand durch eine der Türen. Fast simultan öffnete sich eine andere und Lorenor kam hinein, seine drei Schwerter an der Hüfte.

 

Wenige Minuten später befanden sich die beiden Schwertkämpfer und auch Perona erneut bei den Ruinen, wo sie meist das Training abhielten. Dulacre reichte dem Jüngeren das kleine Päckchen, welches Kanan ihm geschickt hatte.

„Ich habe sie eigens für dich anfertigen lassen. Shakuyak kennt ein paar gute Goldschmiede vom Sabaody Archipel, so ist es unmöglich sie zu mir zurückzuverfolgen.“

Er beobachtete wie der Pirat die kleine Schachtel auspackte und sie schließlich öffnete. Sein bisher gewohnt ernster Ausdruck wich der Überraschung, als er den Inhalt betrachtete.

„Wieso hast du das getan?“, murmelte der Jüngere ohne ihn anzusehen.

„Ist das nicht offensichtlich, ich bin Nostalgiker“, entgegnete er scherzhaft.

Vorsichtig hob Lorenor einen der drei goldenen Ohrringe hoch.

„Wie du siehst sind es Ohrclips und keine echten Ohrringe. Ich wollte vermeiden, dass Loreen durch drei Löcher im linken Ohr enttarnt werden könnte. Allerdings hat Shakuyak mir versichert, dass du keinen Unterschied im Tragekomfort feststellen wirst.“

Für einen Moment sah der andere ihn an, einen unlesbaren Ausdruck in den Augen.

„Warum hast du das getan? Ich habe dich nicht darum gebeten.“

Er schmunzelte leicht.

„Ach Lorenor. Ich habe das nicht für dich getan, sondern für mich. Ich mochte deine Ohrringe, Zeichen einer kindlichen Rebellion gepaart mit dem Stolz des drei-Schwerter-Stils. Sie gehören zu dir genauso wie dieser lächerliche Bauchwickel oder wie deine drei Schwerter.“

Der Pirat verzog den Mund entgegnete jedoch nichts sondern steckte sich die Ohrringe an.

„Und nun siehst du wieder aus wie Lorenor Zorro.“

Er konnte das leise Gefühl des Stolzes nicht verwehren.

Mit dem Haramaki, dem weißen Hemd, dem schwarzen Tuch um den Oberarm und nun mit den Ohrringen sah der andere genauso aus wie damals, als sie sich zum ersten Mal gegenüberstanden.

Lorenor legte die Schachtel zur Seite und sah ihn kühl an, verschränkte die Arme.

Nein, er sah nicht mehr so aus wie damals, er hatte sich verändert. Nicht nur das längere Haar und der breitere Nacken zeugten davon. Lorenor war nun ein Mann.

„Also, was haben wir heute vor?“, fragte der Jüngere und plötzlich war es da, dieses Grinsen, dieser schalkhafte Blick. Als wären die Ohrringe das letzte noch fehlende Puzzleteil gewesen.

„Wie lange hältst du noch aus, ehe du wieder zu Loreen wirst?“, fragte Dulacre und setzt sich auf eine umgestürzte Felssäule.

Perona folgte ihm und reichte ihm eine Flasche Wein, offensichtlich ihr Versuch ihn milde zu stimmen, er ließ sich drauf ein.

„Nah, mindestens bis zum Sonnenaufgang“, antwortete der Jüngere selbstbewusst. „Warum?“

Dulacre nahm ein gefülltes Weinglas vom Geistermädchen entgegen.

„Zieh dein Schwert Lorenor.“

Der Jüngere folgte seiner Anweisung.

„Sag, ist dir je ein Schwert zerbrochen?“, fragte er, die Antwort natürlich kennend und betrachtete das Wado-Ichi-Monji in Lorneors Hand. Er mochte dieses Schwert, konnte die Loyalität und Verbindung zwischen ihm und seinem Meister spüren. Konnte sehen, mit wie viel Wertschätzung der Jüngere sich um es kümmerte, kaum ein Kratzer beschmutzte die Klinge und doch konnte er die wenigen sehen.

„Klar“, meine der andere, „ein paar Mal denke ich, sogar im Kampf gegen dich, also...“

„Ich weiß nicht ob jener Marinesoldat es dir damals erklärt hat, aber wenn du dein Haki gut genug kontrollieren könntest würde dein Schwert nie wieder zerbrechen.“

Der Jüngere erstarrte und sah ihn ungläubig an. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet was jetzt kommen würde.

„Jeder Kratzer auf der Klinge deines Schwertes ist ein Zeichen der Schande, ein Zeichen dafür, dass dein Schwert dafür bezahlen musste, dass du nicht gut genug warst. Du musst lernen deine Schwerter in schwarze Klingen zu verwandeln, nur so wirst du mich eines Tages besiegen können.“

Lorenor entgegnete nichts sondern starrte ihn weiterhin entgeistert an.

„Du willst eine Herausforderung, Lorenor? Also gut, dann fangen wir eben heute mit dem Rüstungshaki an.“

„Nein“, flüsterte der Jüngere, „du sagtest doch ich würde erst das Observationshaki lernen und dann würdest du mich als Loreen...“

„Pläne ändern sich.“ Er nahm einen Schluck. „Ich will sehen was du kannst, was dieser Vizeadmiral dir beigebracht hat, ob dein Scheitern nur an seinem Unvermögen lag oder ob da wirklich mehr hinter steckt. Wie gesagt, die Schonzeit ist vorbei, du wolltest es so.“

Sein Schüler atmete tief ein, die Zähne fest zusammengepresst, er war mit sich am hadern.

Schließlich nickte er und griff nach der Weinflasche, doch Dulacre war schneller.

Grinsend goss er sich selbst nach.

„Bist du es schaffst aus deinen Schwertern schwarze Klingen zu machen gibt es keinen Alkohol für dich.“

„Was?!“ Nun klag der andere regelrecht entsetzt.

„Natürlich, als kleiner Ansporn. Außerdem wird es dir gut tun deinen Körper mal zu entgiften.“

„Du Monster“, knurrte der Jüngere.

Unbeeindruckt trank Mihawk seinen Wein.

„Du wolltest, dass ich die Samthandschuhe ausziehe, Lorenor. Nun machen wir ernst.“

Kapitel 23 - Einkehr

Kapitel 23 - Einkehr

 

-Zorro-

Er hatte etwas anderes erwartet. Wochenlang hatte er sich vor diesem Moment gegraust. Sowohl schlaflose Nächte als auch unheilvolle Albträume hatten ihn gewarnt. Tausende Situationen hatte sich sein Unterbewusstsein ausgemalt wie sein Training zu einem Horrorszenario werden würde, in dem Moment wo Falkenauge ihm das Rüstungshaki beibringen wollte.

Unzählige Male hatte er davon geträumt wie er zwischen den Ruinen zu sich kommen würde, von Blut besudelt, vor ihm die verunstalteten Leichen der beiden einzigen anderen Menschen auf dieser Insel.

Unzählige Male hatte er sich vorgestellt wie diese unbändige Kraft in ihm heranwachsen und dann ungeplant aus ihm herausbrechen würde, alles vernichten würde was ihm im Weg wäre.

Ja, seit dem Tag, an dem er zugestimmt hatte von Mihawk die Anwendung des Rüstungshakis zu lernen, seit jenem Tag hatte er sich vor dem Trainingsbeginn gefürchtet, auch wenn er das nie zugeben würde.

Aber das die Dinge sich so entwickeln würden hatte er nicht erwartet.

„Nicht nachlässig werden, Lorenor!“, schollt sein Lehrmeister während er entspannt neben ihm her lief, selbst jetzt trug der Samurai noch sein vermaledeites Hemd und das, obwohl es schon mindestens ihre achte Runde um die Insel herum sein musste, er schien noch nicht mal zu schwitzen.

Ganz anders Zorro selbst.

Es war nicht so, dass ob er nicht die Kondition hätte ein paar Runden um die Insel zu joggen, zu mal sie nicht gerade schnell unterwegs waren, und trotzdem lief der Schweiß wie Regen seine Schläfe hinunter.

Vor Anstrengung schaffte er es noch nicht einmal dem Älteren eine passende Antwort entgegenzuschleudern, sondern konzentrierte sich darauf gleichmäßig zum Takt seiner Schritte ein- und auszuatmen.

Ihm war leicht schwindelig und von der frischen Meeresbrise wurde ihm schlecht.

Er wusste, dass Mihawk ihm ansehen konnte wie es ihm ging und er wusste, dass der Samurai keine Rücksicht üben würde. Im Gegenteil.

„Was? Machst du etwa jetzt schon schlapp? Das waren doch noch keine zehn Runden.“

Zorro musste sich eingestehen, dass er damals, als er den Älteren dazu ermutigen wollte ihn nicht mehr zu bevormunden, keine Ahnung gehabt hatte worauf er sich eingelassen hatte.

Die ersten paar Tage hatte er dem Samurai die Umstellung sichtlich angemerkt, die Sorge im Blick, die geschürzten Lippen, das unzufriedene Schnalzen mit der Zunge. Aber mittlerweile hatte der Andere wohl die sadistische Seite in sich entdeckt. Ein böses Grinsen umspielte seine sonst so ernsten Züge, wie so oft in letzter Zeit wenn Zorro das Gefühl hatte am Rande seiner Kräfte angekommen zu sein.

Er hatte geglaubt, dass das bisherige Training mit dem Samurai hart gewesen war, dass das Training des Observationshakis eine Herausforderung gewesen war, aber wie er sich geirrt hatte.

Seit etwa drei Wochen hatte Mihawk sein Training angepasst, seit etwa drei Wochen trainierten sie Tag und Nacht. Dem Samurai war es egal, wenn er sich dazwischen in Loreen verwandelte, gab ihm keine Verschnaufpause, forderte noch mehr von ihm, forderte ihn bis er zusammenbrach und darüber hinaus.

Am Anfang war es einfach gewesen, auf der Stelle stehen, konzentrieren, Zorro hatte nur wenige Stunden gebraucht um den unsichtbaren Panzer um seinen Körper zu legen, es war wie damals gewesen, ganz einfach. Ein schwacher Panzer, kaum für irgendetwas geeignet, nicht zum verteidigen und geschweige denn zum angreifen, aber sein Körper hatte sich erinnert wie man Rüstungshaki einsetzte und so war es beinahe ein leichtes gewesen, dieses nicht greifbare Schutzschild hervorzurufen.

Das war jedoch der leichte Part gewesen, der Part den Zorro gekannt hatte, in dem Mihawk von ihm fast das gleiche gefordert hatte wie damals der Mann der Marine.

Doch nachdem Zorro das geschafft hatte, hatte der Samurai etwas ganz anderes von ihm verlangt.

Zu Beginn des Trainings hatte Zorro seine Schwerter abgeben müssen, etwas was ihm nicht leicht gefallen war, aber er hatte sich nicht gewehrt; wenn er ehrlich war, war er erleichtert gewesen.

Damals hatte er früh damit angefangen die Ummantelung von Gegenständen zu lernen, noch bevor er überhaupt einen vernünftigen Panzer herstellen konnte.

Mihawk ging ganz anders an die Sache heran. Kaum hatte Zorro es geschafft einen schwächlichen Abklatscht einer unsichtbaren Rüstung aufzubauen, hatte der Ältere verlangt, dass er sich beim Herstellen des Panzers bewegte.

Und das war um ein vielfaches schwieriger. Nun verstand Zorro, warum die meisten Mitglieder der CP9 damals ihren Eisenpanzer nur einsetzen konnten, wenn sie sich nicht bewegt hatten. Es war eine Sache das Rüstungshaki in Ruhe einzusetzen. Schicht über Schicht, bis der Panzer hart genug war. Mit ein bisschen Übung brauchte man dafür nur Sekundenbruchteile.

Das war was Zorro damals gelernt hatte, doch das war nicht was Dulacre von ihm wollte.

Deshalb joggten sie, Runde um Runde um diese gottverlassene Insel.

Die ersten Tage war es ein Ding der Unmöglichkeit für Zorro gewesen, zu laufen und gleichzeitig Rüstungshaki einzusetzen, er war sich unglaublich dämlich dabei vorgekommen. Mihawk hätte genauso gut von ihm verlangen können sich Flügel wachsen zu lassen.

Irgendwann hatte er den Bogen raus gehabt und seitdem bestand sein Training aus nichts anderem. Dem Samurai war es egal, ob er Zorro oder Loreen war, er machte keinen Unterschied, Zorro musste die körperlichen Unterschiede selbst herausarbeiten und sich seine Kräfte selbst einteilen.

Am Anfang hatte er es nicht gut hingekommen, drei Mal war er auf dem kühlen Waldboden zu sich gekommen, nachdem er vor Erschöpfung ohnmächtig geworden war.

Mittlerweile war er besser. Der Panzer, den er herstellen konnte, war immer noch viel zu dünn um wirklich im Kampf eingesetzt zu werden, aber immerhin konnte er sich dabei frei bewegen und war noch nicht durchgedreht.

Wenn Zorro ganz ehrlich war, war er überrascht. Er hatte sich große Sorgen vor diesem Training gemacht und nun musste er sich eingestehen, dass es genauso war wie er sein Training mochte: hart, unbarmherzig und mit klarem Fortschritt.

Vor wenigen Minuten hatte er zum neunten Mal die Anlegestelle des Sargbootes passiert und nun gaben seine Beine nach. Er stolperte einige Schritte, ehe er sich mit beiden Armen abfangen musste.

„Wenn dein Panzer durch den Sturz zerbricht, hast du den Sinn des Rüstungshakis nicht verstanden“, hallten die Worte seines Lehrmeisters zu ihm rüber, der noch nicht einmal stehen geblieben war, sondern stetig weiterlief.

Zorro rappelte sich auf. Ihm war immer noch schwindelig und er hatte das Gefühl sich übergeben zu müssen. Die Erzeugung einer Rüstung beanspruchte den ganzen Körper, anders als jedes Training, anders als jeder Kampf, sich dabei noch zu bewegen war als wollte man gleichzeitig schreien und Luft holen.

Als er aufsah konnte er den verschwommenen Rücken des Schwarzhaarigen sehen, der nicht daran dachte auf ihn zu warten.

Entschieden stand er auf und rannte weiter, die Schritte unbeholfen, taktlos. Immer wieder gaben die Knie nach, doch er rannte weiter.

„Und was soll das werden, wenn‘s fertig ist?“ Er versuchte zum Samurai aufzuholen. „Es geht nicht darum, dass wir hier ein paar Runden laufen, das ist dir schon klar, oder? Setzt dein Haki ein sonst brauchen wir nicht weiter machen.“

Nun war er fast wieder auf einer Höhe mit dem Älteren, der mühelos über den schweren Waldboden rannte.

Wieder bemühte er sich seinen Atem zu beruhigen, schloss für einen kurzen Moment die Augen und konzentrierte sich. Als er sie wieder öffnete, konnte er das leichte Prickeln auf seiner Haut spüren.

Er wusste nicht wie lange er noch durchhalten würde, aber aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Sein Blick klebte auf einem Punkt zwischen den Schulterblättern des Samurais und er verfiel einem seltsamen Trott. Er ignorierte seine schmerzenden Glieder und seinen erschöpften Körper, vergaß das Prickeln auf seiner Haut und das leichte Dröhnen in seinem Schädel. An den Rändern seines Blickfelds tanzten schwarze Punkte, die seine Sicht immer wieder verschwimmen ließen, einzig und allein Rücken des Älteren blieb deutlich zu erkennen und so rannte Zorro, nahm kaum etwas um sich herum war. Hörte manchmal die Stimme des Schwarzhaarigen, doch verstand seine Worte nicht.

Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, wie viele Runden sie gelaufen waren, er dachte überhaupt nicht mehr nach und dann, ganz plötzlich, verfärbte sich der Rücken des Samurais vor ihm für einen Moment in eine grelle Mischung aus Lila und Grün, ehe die Welt schwarz wurde.

 

-Mihawk-

Ein leises Puff ließ ihn inne halten. Lorenor war wohl wieder umgekippt.

Seufzend blieb er stehen und drehte sich nach seinem Schützling um.

Es war nicht das erste Mal, dass der junge Schwertkämpfer bis zur völligen Erschöpfung trainiert hatte, im Laufen einfach umgekippt, vermutlich bewusstlos ehe er den Boden erreicht hatte.

Dulacre fuhr sich durchs Haar. Dieses Kind kostete ihn seinen letzten Nerv. Wochenlang hatte er versucht dem Jungspund beizubringen auf seinen eigenen Körper acht zu geben, doch dem Piraten schien das ganz egal zu sein.

Dulacre mochte es nicht, wie der Jüngere sich selbst bis zur Ohnmacht trieb, seinen Körper quälte bis dieser aufgab. Er selbst hatte nie so trainiert. Er hatte geschwitzt, hatte geblutet, aber das hier war ein Extrem, welches ihm beinahe unangenehm war.

Doch er tat sein Bestes diese innere Stimme der Vernunft zu ignorieren. Denn immerhin musste er zugeben, dass diese ungewohnte Art des Trainings, dieser harte, erbarmungslose Kampf bis zur Besinnungslosigkeit, für den Jüngeren funktionierte.

Der Samurai wusste, dass sein Schüler weit oberhalb der Norm talentiert war. Die letzten Wochen hatte er Zeit gehabt sich daran zu gewöhnen, dass Lorenor überaus begabt war, ein Naturtalent wie es im Buche stand, aber er hatte in seinem Leben schon einige hochbegabte Schwertkämpfer kennen gelernt und die Meisten waren Naturtalente gewesen.

Nein, der große Unterschied zu all diesen Schwertkämpfer war alleine dieser nie versiegende Kampfeswille, dieser Biss mit dem der Jüngere trainierte, bis sein Körper ihn verriet.

Genau diese Einstellung sorgte dafür, dass Lorenor ihn immer wieder überraschte. Hatte er schon zu Beginn sein Talent unter Beweis gestellt, so hatte er doch Probleme mit dem Observationshaki gehabt und verhältnismäßig lange dafür gebraucht es in seinen Grundlagen zu lernen, wobei er selbst da noch schneller gewesen war als der Durchschnitt, mit dem sich Dulacre zum Glück nicht herumschlagen musste.

Aber gerade deswegen war es beinahe schockierend gewesen, wie schnell der Jungspund das Rüstungshaki anwenden konnte; nicht beinahe, es war schockierend, tatsächlich fehlte Dulacre dafür eine passende Erklärung.

Lorenor hatte mit seiner kleinen Horrorgeschichte aus seiner Kindheit hohe Erwartungen in ihm geweckt; er hatte stark bezweifelt, dass selbst ein Lorenor Zorro diese Fähigkeit so schnell anwenden konnte, doch der Jüngere hatte es ihm bewiesen, hatte nur wenige Stunden gebraucht für etwas, wofür der Durchschnitt auch schon mal Wochen brauchen konnte.

Dulacre hatte es nicht erwartet, aber glücklicherweise war er in der Lage mit unvorhersehbaren Entwicklungen umzugehen. Um den Druck etwas von seinem Schüler zu nehmen hatte er dessen Schwerter abgenommen. Obwohl Lorenor nicht darüber sprach konnte Mihawk seine Sorge spüren. Der Jungspund glaubte tatsächlich, dass er eine Gefahr für den Samurai werden konnte.

Kopfschüttelnd über diese unnötige Befürchtung erreichte er seinen Schützling. Lorenor mochte ein Ausnahmetalent sein, mochte eine Begabung haben die seinesgleichen suchte, mochte seinen Traum zielstrebig und verbissen verfolgen, das alles mochte der Wahrheit entsprechen und trotzdem, trotzdem war er noch weit von seinem Ziel entfernt. Trotzdem stellte der Jungspund nicht im mindesten eine Bedrohung für ihn da und auch wenn Lorenor die Anwendung des Rüstungshakis in einer Schnelligkeit lernte, die selbst ihn überraschte, so war seine Rüstung doch noch so schwach wie ein Blatt Papier, an die Verhärtung war noch gar nicht zu denken.

Da Lorenor bereits schlechte Erfahrungen mit der Technik gesammelt hatte, war es Dulacre wichtig gewesen, ihm die Anwendung auf einen völlig anderen Weg nahe zu bringen. Anstatt ihn darauf zu trainieren, den Panzer so schnell wie möglich möglichst stark und hart werden zu lassen, sorgte er dafür, dass Lorenor sich auf andere Dinge konzentrierte.

Es war ein großer Schwachpunkt vieler Marinesoldaten, die zwar einen vernünftigen Panzer aufrufen konnten, aber nicht in der Lage waren sich damit zu bewegen. Er empfand es als viel sinnvoller zunächst die Ausdauer zu trainieren, so lange bis es beinahe etwas selbstverständliches für Lorenor sein würde die unsichtbare Rüstung dauerhaft zu tragen.

Anders als das Observationshaki, was hauptsächlich eine Konzentrationsleistung war und nur den Kopf beanspruchte, betraf das Rüstungshaki den ganzen Körper und konnte einen unerfahrenen Anwender im Kampf eher behindern als schützen.

Deswegen sollte Lorenor einen möglichst normalen Umgang mit der Technik lernen, ehe er anfangen sollte sie zu verbessern. Erst wenn der Pirat in der Lage war das Rüstungshaki über einen längeren Zeitraum problemlos aufrechtzuerhalten und dabei zu kämpfen, oder in diesem Fall joggen, würde sie sich daran geben den Panzer zu verstärken und wenn möglich sogar zu verhärten.

Und erst dann, erst wenn Lorenor die Verhärtung geschafft hatte, erst dann wollte Dulacre seinen Schützling dazu ermutigen sein Rüstungshaki auf Gegenstände auszuweiten. Er hoffte, dass diese etwas andere Herangehensweise dazu führen würde, dass der Jüngere das Rüstungshaki kontrollieren würde und nicht umgekehrt.

Mit einem Blick auf den am Boden liegenden Schwertkämpfer überlegte er was er tun sollte. Seine innere Uhr sagte ihm, dass Lorenor sich bald verwandeln würde. Erneut seufzte er ehe er sich den Jüngeren über die Schulter warf und den Rückweg antrat.

Immer noch ärgerte er sich über jenen Marinesoldaten, der einem unbedarften Kind die Anwendung von Haki innerhalb weniger Tage hatte lehren wollen. Unabhängig vom Talent des Schülers war es seiner Ansicht nach grob fahrlässig solche Techniken unter Zeitdruck zu vermitteln. Gerade das Haki benötigte eine genaue Anwendung, eine präzise Ausführung, insbesondere wenn man gerade erst anfing es zu verstehen.

Jemand der solche Dinge nicht beachtete nur um sich selbst zu profilieren war nicht zum Lehrer geeignet.

Im Schatten des Waldes konnte Dulacre Bewegungen ausmachen. Es überraschte ihn wenig, dass die Humandrills sie beobachteten.

Natürlich trauten sie sich nicht ins Licht, hatten zu viel Angst vor ihm, doch er war sich nicht sicher, dass sie sich vor Lorenor genauso in Acht nehmen würden, zumindest nicht sobald dieser vom Training geschwächt zusammen sacken würde. Ein Grund mehr warum er den Jungen beim Training nicht aus den Augen lassen konnte.

Vor ihm erhob sich das alte Schloss im immerwährenden Nebel, die Berge im Hintergrund drohend wie eh und je. Er mochte diese Insel, mochte diese bittere Ruhe, diese düstere Gelassenheit die sie ausstrahlte und Lorenors Anwesenheit brachte das notwendige Leben in die kalten Hallen. Leider brachte auch das nervige Geistermädchen Lärm und Unordnung mit sich.

Am liebsten würde der Samurai sie rauswerfen, lieber heute als morgen, aber es schien als würde Lorenor sie mögen, hatte er ihn doch überzeugt sie bleiben zu lassen. Immerhin hatte sie sich mittlerweile in ihrer Rolle als Hausfrau ergeben, sorgte für ihr leibliches Wohl, wusch Wäsche und kümmerte sich um Lorenors Wunden. Dulacre ließ sie gewähren so lange sie sich als nützlich erwies.

Außerdem konnte sie Lorenor bei seinen Frauenproblemen helfen und das war eine der wenigen Sachen, mit denen er selbst sich nicht wirklich auseinandersetzen wollte.

Der Junge auf seiner Schulter rührte sich immer noch nicht, doch plötzlich begann sein Gewicht abzunehmen, erst fiel der eine dann der andere Stiefel.

Dulacre blieb stehen. Es war ein seltsamer Moment, obwohl er Lorenor schon mehrmals dabei beobachtet hatte wie dieser sich verwandelte, so war es doch nichts an das er sich gut gewöhnen konnte.

Vorsichtig nahm er das bewusstlose Kind von seiner Schulter, nun hatte er nichts mehr mit dem Dämonen des East Blues gemein, das lange grüne Haar, das unschuldige Gesicht und das sollte Lorenor Zorro sein?

Seufzend verteilte der Samurai das Puppengewicht auf seinen Armen, hob die Stiefel hoch und setzte seinen Weg fort.

Wenige Minuten später hatte er das Schloss erreicht. Der Pirat in seinen Armen war immer noch ruhig, doch das Geistermädchen hingegen schien es sichtlich zu genießen das Gemäuer für sich zu haben. Ähnlich wie Kanan verbrachte das Gör mit den rosa Zöpfen die Arbeitszeit damit laut vor sich hin zu singen, doch verschiedener hätten ihre Musikgeschmäcker nicht sein können. Die alte Haushälterin bevorzugte die traditionsreichen Volkslieder, die sie immer mit Inbrunst dahin schmetterte. Wenn Perona hingegen sang, klagte ihre Stimme durch die leeren Flure wie das Trauerlied eines Geistes.

Er hatte für Musik nie viel übrig gehabt, empfand sie wenn überhaupt als störend. Doch wenn er ganz ehrlich war dann fand er die Musikwahl der Geisterprinzessin doch als angebracht. Es passte zur Insel und es passte zum Schloss erfüllt von Klageliedern zu sein.

Aber natürlich würde er das nie zugeben.

Während Dulacre den Eingangsbereich durchquerte konnte er ihre Geister sehen, die verschwanden sobald sie ihn sahen, ähnlich wie die Humandrills im Wald. Die junge Frau nutzte sie wohl als persönliche Wachhunde, die sie sofort informierten sobald jemand hereinkam.

Ihm sollte dies nur Recht sein auch wenn er es nicht mochte, dass sie dadurch auch ihn kontrollierte. Doch für den Moment ignorierte er diesen Gedanken während er seinen Schützling in das Gesellschaftszimmer brachte, den Raum in dem sie hauptsächlich ihre Freizeit verbrachten.

Im Kamin brannte ein munteres Feuer und auf dem Tisch standen verschiedenste Variationen von buntem und süßem Gebäck. Der Samurai fragte sich was die Geisterprinzessin wohl damit anstellte, wenn es niemand essen würde.

Lorenor legte er aufs große Sofa und warf eine Decke über ihn. Sie hatten vier Tage durchtrainiert, nur Pausen gemacht damit Lorenor sich umziehen konnte oder wenn dieser vor Erschöpfung kaum noch hatte stehen können. Geschlafen hatten sie nicht. Zum Essen war kaum Zeit gewesen.

So etwas passierte schon einmal, wahre Kämpfe konnten über Tage hinweg gehen, man musste lernen seine Kräfte einzuteilen und Lorenor war darin bereits sehr gut.

Zufrieden mit der vergangenen Einheit griff sich der Samurai ein Glas und eine Flasche Wein vom Beistelltisch ehe er zum Esstisch hinüber schlenderte. Süße Speisen lagen ihm nicht sonderlich, allerdings musste er zugeben, dass das dunkle Fingergebäck ihn doch reizte. Er steckte sich die aktuelle Zeitung unter die Armbeuge und nahm dann die begehrte Schale mit der freien Hand.

Beladen machte er sich auf zu seinem Lieblingssessel, von wo aus er sowohl die Türe als auch das Sofa im Blick haben konnte.

Er sollte nicht enttäuscht werden, sowohl Wein als auch Gebäck schmeckten ausgezeichnet. Ja, er konnte wirklich zufrieden sein. Leise lächelnd schlug er seine Lieblingslektüre auf.

In diesem Moment hörte er das Klicken der Türe gefolgt von den klackenden Absätzen des Geistermädchens.

„Ihr seid wieder zurück“, sprach sie das offensichtliche aus während er noch nicht einmal aufsah.

„Geht‘s Zorro gut?“ Ihre Stimme zeigte wie üblich kaum Sorge. Es war nicht das erste Mal, dass sie den Piraten bewusstlos vorfand und Dulacre war sich sicher, dass sie auch nicht besorgt sein würde solange er selbst ruhig blieb.

„Es war ein anstrengendes Training“, entgegnete er schlicht.

Falls sie wortlos auf seine Antwort reagierte entging ihm das, da er weiterhin seine Aufmerksamkeit auf die Zeitung gerichtet hatte. Jedoch konnte er hören wie sie sich ebenfalls am Gebäck bediente ehe sie sich auf dem kleinen Schemel neben dem Sofa auf dem der Pirat lag niederließ.

Für ihre Verhältnisse war sie verdächtig ruhig doch er entschied diese Ausnahmesituation auszunutzen und nicht weiter nachzufragen.

Beim Umblättern bemerkte er, dass sie tatsächlich las was eher selten vorkam, nicht dass es ihn in irgendeiner Weise interessierte. Auch entging ihm nicht der Blick den sie dem ohnmächtigen Piraten immer wieder zuwarf. Das war wohl das einzige was sie beide verband, ihre stete Sorge um Lorenor Zorro, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen.

„Ist in den vergangenen Tagen Post eingetroffen?“, eröffnete er nun das Gespräch anstatt weiter in diesem Gedankenstrudel hinab zu gleiten.

„Nur ein Brief, der Umschlag sah sehr nach Eizen aus.“ Er konnte ihr anhören, dass auch sie davon nicht begeistert war. Seit ihrem Aufeinandertreffen mit dem Politiker schien sie sich vor ihm zu fürchten.

Missbilligend schürzte er die Lippen. In den vergangenen Wochen hatte Lorenor immer wieder Briefe und auch kleine Pakete von Eizen bekommen und Lorenor weigerte sich ihm zu erklären was er erhalten hatte.

Noch immer konnte er kaum glauben, dass der junge Pirat wirklich einen Vertrag mit diesem machtbesessenen Menschen eingegangen war, doch was er auch sagte oder tat, Lorenor hatte ganz unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er darüber nicht mit Dulacre reden würde.

Dass der Jüngling etwas verheimlichte war offensichtlich, doch solange der Samurai sich nicht dazu hinablassen würde die Privaträume seines Schützlings zu durchsuchen, würde er nicht herausfinden was.

„Du solltest ins Bett gehen, ich bleibe wach.“

Überrascht schaute er auf. Perona sah ihn direkt an.

„Du willst doch nur sicher gehen, dass es Zorro gut geht. Aber um ehrlich zu sein siehst du nicht viel besser aus. Hast du die letzten Tage überhaupt geschlafen?“

Das hatte er nun davon, dass er sie angesprochen hatte. Schon wieder nahm sie sich zu viel heraus.

„Du solltest dich wirklich ausruhen. Ich kann hier bleiben bis Zorro aufwacht.“

„Deine Bedenken sind unangebracht“, meine er kühl, „mein Wohlergehen ist nicht von deiner Sorge abhängig.“

Sie schnaubte wütend auf.

„Ich wollte nur nett sein“, fauchte sie direkt. Es war sehr einfach sie in Rage zu bringen.

„Auch das ist nicht nötig. Wir sind keine Freunde, das hier ist lediglich eine Zweckgemeinschaft. Vergiss ja nicht, dass Lorenor derjenige war, der dich hierbleiben ließ. Mir ist deine Anwesenheit eher ein Dorn im Auge.“

„Du bist so gemein!“ Wütend war sie aufgesprungen. „Ich kann dich auch nicht leiden, aber deswegen musst du mir das doch nicht jedes Mal unter die Nase reiben!“

Mit klackenden Schritten und hüpfenden Zöpfen rauschte sie davon. Laut knallte die Türe hinter ihrem Rücken zu, doch selbst davon wollte Lorenor sich nicht wecken lassen.

Seufzend wandte er sich wieder seiner Zeitung zu, selbst ihr Abrauschen glich einem dramatischem Auftritt.

Er wusste wirklich nicht was Lorenor an ihr fand.

Erneut konzentrierte er sich auf die Blätter in seinen Händen.

 

Überrascht richtete er sich auf. Mit einem leisen Rascheln rutschte die Zeitung von seinem Schoß und fiel auf den Boden. Er konnte sich nicht erinnern, wann er eingeschlafen war.

Der Raum war dunkel. Nur noch ein schwaches Glimmen des längst vergangenen Feuers warf groteske Schatten an die Wände.

Nahe dem Kamin saß Lorenor, eine Hand beinahe wie in Trance nach der Hitze ausgestreckt. Sein kurzes Haar feuerrot verfärbt vom Licht der sterbenden Glut.

Sofort musste Dulacre an seinen Traum denken, an jenen Traum wo der Jüngere ihm im Schlaf besucht hatte nur um ihn dann umzubringen. Er wusste nicht warum, aber es schien etwas ähnliches in der Luft zu liegen.

„Lorenor, was machst du da?“, fragte er und ärgerte sich über sich selbst als seine eigene Stimme beinahe zaghaft die Stille zerbrach.

Augenblicklich riss der Pirat seine Hand zurück und sah überrascht zu ihm herüber.

„Du bist wach“, entgegnete er nur.

„Welch Observationstalent“, murmelte er mit einem Grinsen und stand auf.

„Dir scheint es wieder besser zu gehen.“

Der Jüngere nickte und stand ebenfalls auf.

„Es tut mir leid, dass ich dir Umstände bereitet habe.“

„Nicht doch. Allerdings bereitest du dem Geistermädchen immer wieder Sorge.“

Der Pirat hob eine Augenbraue an.

„Ach, mach ich das?“, fragte er mit einem leichten Grinsen nach.

„Warum hast du mich schlafen lassen, Lorenor?“, lenkte Dulacre das Thema in andere Bahnen.

Der Jungspund zuckte nur mit den Achseln. „Warum denn nicht? Schienst müde zu sein.“

Der Samurai musste gestehen, dass er nicht einschätzen konnte wie viel Zeit vergangen war. Da vor den Fenstern finsterste Nacht herrschte musste er jedoch mindestens fünf Stunden geschlafen haben, wenn nicht sogar länger.

„Wie dem auch sei. Wir sollten ins Bett gehen. Eine Nacht erholsamer Schlaf ist bei deinem Trainingspensum wohl sinnvoll.“

Er schritt Richtung Tür.

„Hör mal, ich muss mit dir reden.“ Lorenor klang zögerlich, machte lange Pausen zwischen den Wörtern als wüsste er nicht, wie er ansprechen sollte was besprochen werden musste.

Dulacre wandte sich wieder um. Der Pirat hatte sich auf die Lippe gebissen und rieb sich den Nacken.

„Hat es mit Eizen zu tun?“, fragte er direkt nach und am knappen Nicken des anderen wusste er seine Befürchtung bestätigt.

„Worum geht es?“

Nun sah der Jüngere ihn ernst an.

„Es gibt eine Veranstaltung auf die er mich gerne mitnehmen würde um mich mit meinen politischen Aufgaben vertraut zu machen.“

Einen Moment war er ruhig.

„In Ordnung. Du hast zugesagt?“

Wieder nickte der andere.

Dulacre spürte wie er aufmerksamer wurde. Die Worte die ihm auf der Zunge lagen konnte er nicht aussprechen, ohne dass dieses Gespräch in einen Streit enden würde. Er verstand nicht, warum Lorenor willentlich für den Politiker arbeiten wollte, am Geld konnte es nicht liegen.

Seiner Meinung nach sollte der Junge vor ihm diesen alten Mann zum Teufel jagen. Je enger Loreen mit Eizen in Verbindung gebracht wurde, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass irgendein aufmerksamer Zeitungsleser die richtigen Schlüsse Richtung Lorenor Zorro ziehen würde. Eine Zusammenarbeit mit Eizen war in mehrerer Hinsicht äußerst gefährlich.

„Und wann?“, fragte er nun anstatt zu sagen was er dachte.

Er wusste nicht warum Lorenor sich nicht umstimmen ließ, er wusste nur, dass ihm etwas entging.

„In einer Woche, ein Schiff der Marine ist bereits auf dem Weg hierher und sollte in den nächsten Tagen ankommen.“

Unzufrieden schnalzte er mit der Zunge und fing an mit verschränkten Armen durch den Raum zu tigern.

„Und das sagst du mir erst jetzt?“

„Besser als am Tag vorher, oder?“ Der Jüngere klang nicht trotzig aber mit Sicherheit auch nicht entschuldigend. Er informierte ihn, fragte aber nicht um Erlaubnis.

Es war ganz offensichtlich, dass Lorenor seine eigenen Entscheidungen treffen wollte und er hatte kein Mitspracherecht.

Tief atmete er ein.

„Na ja, das ist jetzt nicht mehr zu ändern. Wir sollten mit dem Geistermädchen sprechen, dass wir ein paar Tage nicht da sein werden. Du solltest mir so etwas früher mitteilen, damit ich es einplanen kann. Für dein Training ist das nicht gerade förderlich.“

Er konnte kaum verhindern, dass sein Missfallen in die gesprochenen Worte tropfte. Er hatte gewusst, dass es irgendwann auf so etwas hinauslaufen würde, natürlich wollte Eizen Lady Loreen auch nutzen, es ging um mehr als nur um Kontrolle.

„Also um ehrlich zu sein“, nun hörte sich Lorenor zurückhaltend an, ein deutliches Warnsignal, „also, du kannst nicht mitkommen.“

„Wie bitte?“ Er wirbelte zum Jungspund herum, der immer noch wie angewurzelt am Kamin stand.

„Laut Eizen geht es um höchst provokante Themen in Krisengebieten und die Anwesenheit eines Samurai würde den anderen Parteien falsche Signale senden.“

„Und seit wann interessiert es mich was Eizen denkt?“, entgegnete er barsch. „Ich hoffe du bist nicht so blauäugig und kaufst ihm diese Ausrede ab. Es geht ihm darum mich von dir zu trennen.“

„Das weiß ich auch“, murrte der Jüngere, der nun ebenfalls die Arme verschränkte.

„Warum gehst du dann darauf ein?“, brauste er auf und schritt nun eilig auf den Jüngeren zu. „Es ist mir egal welche Beweggründe Eizen vorgibt, dieses Spiel werden wir nicht mitspielen, verstanden? Ich werde dich begleiten, ob es ihm passt oder...“

„Hör auf“, unterbrach der andere ihn kühl und sah unbeeindruckt zu ihm auf.

Eine Sekunde war es totenstill, selbst die knisternde Glut verstummte unter der Anspannung.

„Was?!“ Die Rage, die sich in ihm anstaute, ließ sich kaum noch bändigen, Lorenor auf der anderen Seite war die Ruhe in Person.

„Wir hatten dieses Thema schon so oft“, sprach der Jüngere weiter, „du musst aufhören mich wie ein dummes Kind zu behandeln. Ich mag die Situation nicht und ich würde lieber hier mit dir trainieren als den Lackaffen eines dahergelaufenen Politikers zu spielen, aber...“, unterbrach er Dulacre ehe dieser überhaupt sprechen konnte, „aber ich bin nicht blöd, klar? Mit Ruffy als Käpt‘n müssen wir auf alles gefasst sein. Ich hatte weder von Enis Lobby gehört noch von Sir Crocodile. Du hast selbst gesagt, dass einen in der neuen Welt alles erwarten kann. Ich muss nicht nur stärker werden, ein besserer Kämpfer und Stratege werden. Ich muss unsere Feine kennen.“

Langsam legte sich sein Zorn.

„Ich hab mich nie für Politik oder Geschehnisse in der Welt interessiert, aber ich verstehe mittlerweile, dass ich nicht weiterhin so naiv durchs Leben gehen kann. Das hast du mir beigebracht.“

Immer noch starrte Lorenor zu ihm herauf, er war ernst und klar. Wie viel reifer er doch schon geworden war.

Seufzend drehte Dulacre sich zum Fenster und zerbrach somit alles was noch an Spannung übrig gewesen war.

„Natürlich verstehe ich das. Aber warum Eizen? Wenn du dein politisches und gesellschaftliches Fachwissen aufpolieren möchtest bin ich gerne dabei bereit dir zu helfen, ohne dass du direkt dem Risiko ausgesetzt bist entlarvt zu werden, oder schlimmeres.“

Halbherzig lachte der Jüngere in seinem Rücken auf.

„Mit Eizen komme ich schon klar. Aber du musst zugeben, dass ein einflussreicher Politiker vielleicht ein besserer Lehrer ist als ein Samurai, der am liebsten nichts mit dem ganzen Kram zu tun hätte.“

„Tze“, entgegnete er nur, doch er konnte dem kaum widersprechen. Er war in dieser Welt groß geworden, aber gefallen hatte sie ihm nie.

„Ich denke ich werde jetzt schlafen gehen“, beendete Lorenor das Gespräch, „dann können wir die nächsten Tage noch gut nutzen.“

„Du solltest das Geistermädchen mitnehmen.“

„Wohin? Ins Bett?“

Dulacre rollte mit den Augen und wandte sich zu seinem Schützling um.

„Zu dieser Veranstaltung. Sie kann dir bei Frisur und Kleidung helfen. Außerdem ist sie deutlich besser im Wählen ihrer Ausdrucksweise als du. Lady Loreen wurde bisher noch nie ohne meine Begleitung gesehen und gerade nachdem bekannt wurde, dass sie gesundheitliche Probleme haben könnte, wäre es äußerst widersprüchlich wenn sie plötzlich alleine unterwegs wäre.“

Der Jüngere hob eine Augenbraue und wartete darauf, dass Dulacre zu ihm aufholte.

„Meinetwegen“, murrte er dann, „obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass du sie nur loswerden willst, weil du nicht mit ihr alleine hier sein möchtest.“

Sie verließen das Kaminzimmer.

„Selbstredend. Alleine ihre Stimme treibt mich in den Wahnsinn.“

Kapitel 24 - Aufbruch

Kapitel 24 – Aufbruch

 

-Zorro-

„Das ganze gefällt mir immer noch ganz und gar nicht.“

Der großgewachsene Mann an seiner Seite seufzte schwer.

„Natürlich nicht. Es ist ja auch nicht dein Plan“, entgegnete Zorro kühl.

„Daran mag es liegen“, stimmte der Samurai zu.

„Es sind zehn Tage, verdammt noch mal. Solange wirst du schon irgendwie überleben.“

„Meine Sorge gilt nicht meinem Wohlbefinden, Lorenor.“

„Na dann ist doch alles gut.“

Mihawk holte Luft, sagte jedoch nichts während sie an der kleinen Anlegestelle der Insel warteten.

Vor ihnen im Nebel thronte ein riesiges Marineschiff in der aufgehenden Sonne, doch da die Bucht nicht tief genug war, war ein kleines Boot losgeschickt worden um Zorro einzusammeln.

Schleppend langsam kam es näher.

„Wo ist eigentlich Perona?“, fragte Zorro nun, eine Hand schützend vor den ersten Sonnenstrahlen über die Augen gehalten um das Boot besser beobachten zu können.

„Ich hatte ihr gesagt, dass sie sich um diesen ganzen Süßkram kümmern muss. Wenn sie es gebacken hat, ist sie auch dafür zuständig, dass es nicht alles verrottet.“

Zorro entgegnete darauf nichts sondern schüttelte nur leicht den Kopf. Manchmal schien der Samurai wirklich seltsame Prioritäten zu haben.

„Bist du dir wirklich sicher, dass du das tun möchtest?“

„Also jetzt wäre es doch wirklich etwas zu spät, oder nicht? Außerdem hat es Ewigkeiten gedauert diese verdammte Korsage anzuziehen. Also ziehen wir das jetzt auch durch.“

„Du überraschst mich Lorenor.“

Fragend sah er zum anderen auf.

„Man könnte fast meinen, dass dir diese Kostümierung Spaß macht.“

„Was hältst du davon einfach mal die Klappe zu halten?“

Leise lachte der Ältere, schwieg jedoch.

Sekunden später tauchte Perona auf und dahin war es mit der einvernehmlichen Stille.

Lauthals beschwerte sie sich über all die Dinge die sie noch hatte tun müssen, dass niemand auf sie gewartet hatte, dass sie ganz alleine durch den Wald hatte laufen müssen und dass sie so grässlich biedere Klamotten tragen musste.

„Hast du dich um das Gebäck gekümmert?“, unterbrach der Samurai ihr Gezeter und ignorierte gekonnt ihren hasserfüllten Blick.

„Ja“, fauchte sie beinahe wie eine verletzte Katze.

Niemand fragte nach.

Das kleine Boot hatte mittlerweile endlich angelegt.

Die beiden Piraten tauschten einen Blick aus und Zorro konnte ein kleines Grinsen nicht verhindern. Es war nicht so als ob er sich auf das Kommende freuen würde, aber Dulacres Reaktion war es fast schon wieder wert.

Die drei Soldaten der Marine kamen eilig näher, verbeugten sich im Laufen und grüßten sie höflich.

Mihawk ließ es sich nicht nehmen, jedem einzelnen von ihnen klar zu machen mit wem sie sich anlegen würde, sollte Lady Loreen etwas passieren und Zorro musste noch nicht einmal vorspielen als ob ihm die Situation peinlich wäre.

Zügig hatten die Weißhemden das nötige Gepäck verstaut und gemeinsam schritten sie zum Boot.

Etwas überrascht betrachtete Zorro die ihm dargebotene Hand vom Samurai und erst da bemerkte er wie ernst der Ältere ihn ansah, mit zusammengekniffenen Lippen und noch tieferen Falten auf der Stirn als für gewöhnlich. Dulacre schien sich wirklich ganz aufrichtig Sorgen um ihn zu machen.

Augenrollend nahm er auch dieses Mal die Hilfe des Samurais an.

Doch als er sicher die kleine Distanz zwischen Steg und Boot überquert hatte, hielt der Ältere seine Hand eine Sekunde länger als nötig.

Er sagte nichts zum Abschied, doch sein kalter Blick und er ernste Gesichtsausdruck sprachen Bände.

Schmunzelnd hob Zorro beide Augenbrauen hoch, sagte jedoch auch nichts.

Sein nerviges Kleid zurecht zupfend nahm er neben Perona Platz und entschied der Insel hinter ihm keinen Blick mehr zuzuwerfen.

Mihawk sollte schon sehen, dass sein Verhalten affig war. Diese unnötige Sorge, dieses väterliche Getue, welches leider Gottes von Fremden nur zu leicht falsch verstanden werden konnte. All das war unnötig. Er war die letzten zwanzig Jahre gut ohne den Samurai zurecht gekommen und jetzt machte dieser so einen Aufstand.

„Er macht sich wirklich Sorgen“, murmelte Perona neben ihm.

Er nickte nur, da er nicht sagen konnte was er dachte ohne dass die Männer der Marine aufgehorcht hätten.

Diese waren jedoch mit anderen Dingen beschäftigt. Zwei von ihnen ruderten wie wild um sie möglichst schnell zum Kriegsschiff zu befördern.

Jedoch schienen sie nicht sehr geübt darin zu sein und Zorro war der Überzeugung, dass er alleine als Loreen besser voran kommen würde.

Der Dritte saß ihm und Perona gegenüber, angeblich bearbeitete er Unterlagen um sicherzugehen, dass Lady Loreens Gepäck nicht verloren ging, allerdings bewegten seine Augen sich nicht und Zorro konnte ihm ansehen, dass er von seinen Gästen ganz verzückt war.

Übel nehmen konnte Zorro es ihm nicht wirklich. Er war daran gewohnt, dass Lady Loreen von Fremden so angestarrt wurde; er mochte es nicht, aber er wusste mittlerweile, dass es passieren würde. Das von Perona ausgesuchte Kleid tat sein übriges dazu.

Perona selbst hatte sich allerdings auch herausgeputzt. Sie trug das gleiche Kleid wie damals als Eizen zu Besuch kam und anstatt ihrer lächerlichen Zöpfe trug sie ihr Haar offen, nur ein paar Strähnen durch Spangen zurückgehalten.

Sie wirkte deutlich älter als sonst, reifer. Was allerdings auch an ihrer blasierten Miene liegen konnte, die sie anstelle von bunter Schminke trug. Sie schien in ihrer Rolle als Lady Loreens Gesellschafterin voll und ganz aufzugehen.

Immerhin einer von ihnen der Spaß an der Sache hatte.

Minuten später hatten sie das riesige Kriegsschiff dann endlich erreicht, doch anstatt an einer Trittleiter hochzuklettern, wie Zorro es erwartet hatte, wurde das gesamte Boot an zwei Haken befestigt und mit vereinten Kräften zogen die Marinesoldaten an schweren Tauen und hievten das Boot in die Höhe.

Auf Höhe des Decks rasteten irgendwelche ungesehenen Sicherheitsbügel ein und das Boot schwankte nun noch leicht in der Luft.

Die beiden Ruderer machten sich sogleich daran das Gepäck zu verladen während Nummer Drei Perona beim Ausstieg half.

Zorro stand ebenfalls auf und begab sich zum Rand. Aus dem Augenwinkel konnte er Kuraigana sehen und als er aufschaute stellte er fest, dass dort am kleinen Steg immer noch eine einzelne Person stand.

Plötzlich ruckelte das Boot zur Seite und Zorro verlor das Gleichgewicht.

Nach Halt suchend ruderte seine Hand blind umher, während er sich mit der anderen an der Reling des Kriegsschiffs festhielt. Doch dann zog jemand ihn fast mühelos auf die andere Seite der Reling.

„Du scheinst darin nicht sehr geübt zu sein.“

Überrascht blickte er auf.

Leuchtend grüne Augen, halb versteckt unter blonden Locken blitzten ihn an, nur überstrahlt von einem breiten Grinsen, das Ruffy Konkurrenz machen konnte.

„Jiroushin?“

„Freut mich dich wiederzusehen.“

Und bevor Zorro wusste was passierte, nahm der blonde Riese ihn in eine freundliche Umarmung.

 

Eine halbe Stunde später waren Perona und Zorro in ihrer Kajüte, wobei dieses Wort nicht ansatzweise dem riesigen Raum mit den zwei angrenzenden Schlafzimmern gerecht wurde, die ihnen zur Verfügung gestellt worden waren.

Es war eine große Überraschung gewesen dem Konteradmiral Cho Jiroushin zu treffen, doch noch überraschender war gewesen ihm als Befehlshaber des Schiffs dabei zuzusehen wie er seine Soldaten umher scheuchte. Zwar verließ das breite Dauergrinsen nie sein Gesicht und doch zweifelte selbst Zorro seine Autorität keine Sekunde an.

Mihawks Kindheitsfreund hatte versprochen vorbeizuschauen sobald das Schiff auf Kurs war und die Arbeiten erledigt waren.

„Also nur das ich das richtig verstehe“, murmelte Perona während sie von einem Zimmer ins andere Klamotten und Koffer trug, „dieser Blondschopf ist mit Falkenauge und dir befreundet, weiß aber nicht wer du bist?“

„Und solange du dich nicht verplapperst wird das auch so bleiben“, murrte er. Auch er streifte durch die Räume, dachte jedoch nicht im Traum daran der Geisterprinzessin zu helfen, sondern untersuchte Bilderrahmen und hob Teppiche hoch.

Er wusste nicht ob es ihn überraschen sollte oder nicht, aber er fand tatsächlich keinerlei Abhörgeräte.

Seufzend ließ er sich auf einem ausladenden Sofa nieder. Sie würden etwa zwei Tage brauchen um auf Mary Joa anzukommen; er hätte nie gedacht, dass er jemals dorthin zurückkehren würde.

Erneut seufzend nahm er den kleinen Aktenkoffer, den Perona ihm wortlos reichte und öffnete ihn. Eizen hatte ihm Vorhinein schon sämtliche Unterlagen geschickt, mit der Bitte sich auf die Verhandlungen vorzubereiten und obwohl er sich wirklich besseres vorstellen konnte, begann er zu lesen.

Gleichzeitig jedoch nahm er sich zu Herzen was der Samurai ihm aufgetragen hatte und öffnete seinen Geist. Zehn Tage Training würden hierfür drauf gehen. Vielleicht nicht viel auf zwei Jahre gesehen, aber für ihn war es eine kleine Ewigkeit, also tat er das was Dulacre ihm geraten hatte.

Seine Haut begann zu prickeln.

Tief atmete er ein, erst in den letzten Tagen hatten sie damit angefangen, der gleichzeitige Einsatz von Observations- und Rüstungshaki.

Zorro wusste nicht, warum sein Lehrmeister entschieden hatte schon beide Variationen zu verbinden und das obwohl er das Rüstungshaki immer noch kaum beherrschte, aber er stellte fest, dass es ihm relativ leicht fiel.

Zwar war sein Panzer noch schwach und unter der Form des Verhärtens konnte er sich noch nicht viel vorstellen, aber er hatte das Gefühl, dass beide Fähigkeiten einander Halt gaben. Es fühlte sich beinahe natürlicher an sie gemeinsam einzusetzen als getrennt.

Die Zeit verging während er die Akten durchlas.

Irgendwann brachte das Geistesmädchen ihm etwas zum trinken, ehe sie sich zurückzog. Ihm sollte es nur Recht sein, denn es fiel ihm einfacher sich zu konzentrieren wenn er alleine war. Anders als der Samurai konnte sie ihren Geist nicht abschirmen und wann immer Zorro das Observationshaki anwandte konnte er ihre nervigen Gedanken kaum ausblenden. Eine Wand zwischen ihnen machte es ihm da deutlich einfacher.

Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, doch dann klopfte es an der Tür und Konteradmiral Cho Jiroushin kam hereingeschneit. Es überraschte Zorro kaum, dass er dessen Gedanken nicht hören konnte. Selbst als Neuling in der Anwendung des Hakis wusste Zorro wie wichtig es war, die eigenen Gedanken vor unerwünschten Zuhörern zu verbergen. Glücklicherweise hatte er laut dem Samurai grundsätzlich eine Mauer um seinen Geist. Ob es an seinen täglichen meditativen Übungen lag oder ob er einfach ein sehr verschlossener Mensch war, es war Zorro egal, er hatte einfach keinen Bock darauf, dass fremde Leute in seinen Gedanken rumwühlten, so wie er keinen Bock darauf hatte die nervigen Stimmen anderer in seinem Kopf zu hören. Daher war er dankbar, dass er sein unauffälliges Training fortsetzen konnte, ohne dass Jiroushin es unbedingt bemerkte.

Zorro mochte den Blondschopf, mit dem er schon den ein oder anderen Übungskampf ausgefochten hatte und freute sich umso mehr über die willkommene Ablenkung.

Lange unterhielten sie sich, sprachen über Falkenauge, über Sasaki, über den Krieg.

Mal lachten sie ausgelassen, mal waren sie ernst.

Jiroushin erzählte ihm davon, dass er bald Vater werden würde und dass er befördert wurde, zum Vizeadmiral.

Im Gegenzug wollte er Neuigkeiten über seinen Kindheitsfreund erfahren und wissen, wie Lorrens Training vonstatten ging.

Bereitwillig berichtete Zorro ihm alles, ohne jedoch preiszugeben, wer er in Wirklichkeit war.

Es überraschte ihn beinahe, wie gerne er mit dem frischgebackenen Vizeadmiral Zeit verbrachte und als dieser sie dann auch noch als gute Freunde betitelte, hatte Zorro plötzlich dieses unerwartete Bedürfnis ihm die Wahrheit zu sagen.

Aber natürlich tat er das nicht. Natürlich konnte er ihm nicht die Wahrheit sagen. Selbst wenn er es wollte, selbst wenn er die Auseinandersetzung riskieren wollen würde, so stand mittlerweile doch noch mehr auf dem Spiel als sein eigenes Leben. Eizen wusste wer er war und Eizen hatte seine Augen und Ohren überall.

Nein, er würde nicht verhindern können, wenn der Samurai irgendwann entscheiden würde sich einzubringen, aber zumindest diesen Blondschopf konnte er raushalten.

Der Vizeadmiral schien seinen inneren Disput nicht mitzubekommen während er bei seinen Untergebenen Essen für sie bestellte und selbst während sie aßen nicht eine Sekunde lang ruhig bleiben konnte.

Sein Lachen erinnerte Zorro immer wieder an seinen Kapitän und doch war er so ganz anders. Mit ihm konnte man wenigstens auch über ernstere Themen sprechen.

Wobei dies nicht der Fall war, solange Perona mit am Tisch saß, die Jiroushin auch eingeladen hatte. Sie und der Blondschopf diskutierten gerade todernst darüber, ob sie gemeinsam den Samurai dazu überreden konnten dem Schloss einen neuen Anstrich zu verleihen, wobei ihre Ansichten grundverschieden darüber waren, was renoviert werden sollte.

Zorro nahm ihre lautstarke Unterhaltung weniger ernst und wunderte sich eher darüber, dass der Mann der Marine solange seinen Pflichten fern bleiben konnte. Immer wieder kamen zwar andere Beamte herein um ihn um Anweisungen zu bitten, aber keinen von ihnen schien es zu stören, dass Jiroushin seine Arbeitszeit damit verbrachte, mit Lady Loreen und ihrer Gesellschafterin zu essen.

Nachdem die Reste des Mahls abgeräumt waren zog Perona sich zurück um etwas zu schlafen, die beiden Verbliebenen wandten sich danach wieder etwas interessanteren Themen zu.

Erst als der Tag deutlich vorangeschritten war und Zorro sein Haki nicht mehr aufrechterhalten konnte, erhob der Vizeadmiral sich schließlich um sich zu verabschieden.

Doch dann blieb er in der Türe stehen.

„Sag mal, Loreen.“ Der Blondschopf schloss die Türe wieder und drehte sich zu ihm um, nun strahlte er nicht mehr diese Leichtigkeit aus, sondern wirkte deutlich nachdenklicher.

„Kann ich dich etwas fragen?“

Zorro bemerkte den Umschwung sofort und erhob sich ebenfalls.

„Natürlich“, murmelte er und erwiderte den ernsten Blick des anderen.

Jiroushin auf der anderen Seite schaute weg und verschränkte die Arme.

„Ziehst du Dulacre in irgendetwas mit rein?“, fragte er, sich der Last seiner Worte offenbar bewusst.

Überrascht hob Zorro eine Augenbraue hoch, entgegnete jedoch nichts.

Nun rieb sich der andere den Nacken.

„Ich will nicht unhöflich sein oder so und Dulacre kann wirklich gut auf sich selbst aufpassen. Es ist nur...“ Er sah immer noch zu Boden und schüttelte leicht den Kopf, ehe er wieder lächelte. „Es tut mir leid, Loreen. Das war unbedacht von mir. Bitte vergiss was ich gesagt habe.“

Noch während er sprach drehte er sich zur Tür und wollte offensichtlich gehen.

„Jiroushin.“

Der Vizeadmiral verharrte mitten in der Bewegung.

„Du machst dir Sorgen um Dulacre, nicht wahr?“

Es war selten, dass der anderen den Samurai bei seinem Vornamen nannte und Zorro wusste, dass er es nur tat, wenn er nicht zu Scherzen aufgelegt war.

Mihawk hatte ihm schon gesagt, dass dessen Kindheitsfreund langsam misstrauisch wurde und dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er herausfinden würde wer Zorro in Wirklichkeit war.

„Eigentlich bräuchte ich das nicht“, murmelte der andere nun und drehte sich wieder zu ihm herum.

„Ich meine, ich weiß nicht wie sehr du es bemerkt hast, aber seitdem du in seinem Leben aufgetaucht bist, hat Hawky sich ziemlich verändern.“ Jiroushin lächelte schwach. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich ihn schon lange nicht mehr so glücklich gesehen wie in den letzten Wochen und das liegt nur an dir.“

Wieder schüttelte er den Kopf während Zorro nicht verhindern konnte, dass er errötete.

„Als ich von Lorenor Zorros Tod gehört habe, war ich wirklich in Sorge um Hawky. Du musst wissen, dass er einen richtigen Narren an diesem Piraten gefressen hatte. Er war beinahe schon besessen.“

Der Vizeadmiral zuckte mit den Schulter.

„Wie dem auch sei, das ist ja jetzt auch nicht mehr wichtig.“

Zorro sah das ganze etwas anders und hätte wohl geschmunzelt, wenn der andere nicht so ernst klingen würde. Jetzt hatte er wieder etwas, was er dem Samurai auf die Nase binden konnte, wenn dieser sich wieder unmöglich benehmen sollte.

„Du kennst Dulacres und meine Geschichte, du weißt was ich für ihn tun würde. Auch wenn wir nicht unbedingt auf der gleichen Seite des Rechts stehen, bedeutet das noch lange nicht...“

„Jiroushin“, unterbrach er den anderen sachte, bevor dieser noch mehr abschweifen konnte, „warum erzählst du mir das alles?“

Der andere sah weg, tiefe Falten gruben sich in seine sonst so sorgenfreie Stirn.

„Bei unserem letzten Treffen hat Hawky etwas gesagt, das mir große Sorgen macht und es ging dabei um dich.“

Der Vizeadmiral lächelte wieder, doch diesmal war es beinahe zynisch.

„Er hat sogar darüber nachgedacht sich mit mir zu verfeinden, was natürlich totaler Schwachsinn ist. Ganz egal was dieser Idiot für einen Mist anstellen würde, ich würde mich nie gegen ihn stellen“, murrte der andere dann genervt. „Aber alleine, dass er darüber nachdenkt bereitet mir große Sorgen. Ich dachte immer er wüsste, dass er mir vertrauen kann, aber anscheinend zweifelt er es wegen dir an. Deshalb frage ich dich noch einmal, Loreen – und bitte sage mir, dass ich falsch liege und zu viel in seine Worte hineininterpretiere – aber ziehst du Dulacre in irgendetwas mit hinein?“

Mittlerweile hatte Zorro sich mit verschränkten Armen gegen den Tisch gelehnt.

Die Worte des anderen beunruhigten ihn ebenfalls. Zorro war kein Idiot, selbst er hatte bemerkt, dass der Samurai sich absolut ungewöhnlich benahm wenn es um ihn ging, aber die Ausmaße waren ihm offensichtlich nicht bewusst gewesen.

„Loreen, bitte sag mir, dass seine Worte keinen tieferen Sinn hatten.“

Jetzt war Zorro es, der wegsah.

„Tut mir leid, das kann ich leider nicht tun“, gestand er schließlich ein.

„Was?“ Nun starrte der andere ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

„Ich weiß nicht, warum Dulacre dir so etwas gesagt hat, aber ich möchte dir versichern, dass es seine Entscheidung war. Ich wusste davon nichts und halte auch nicht viel davon.“

Er wusste nicht, was er sagen sollte. Nie hätte er von Mihawk verlangt sich zwischen ihn und Jiroushin zu stellen. Nein, im Gegenteil, er wollte das noch nicht einmal. Es war dumm, kindisch und er bekam gerade so richtig Lust dem Samurai mal gehörig die Meinung zu sagen.

„Aber wieso?“, fragte der Vizeadmiral nun und machte einen Schritt auf ihn zu. „Wieso sollte er so etwas sagen? Loreen, was...“

„Ich werde dir die Wahrheit nicht sagen, Jiroushin.“ Er klang kälter als er es beabsichtigt hatte. „Ganz ehrlich, ich wünschte ich könnte. Aber es geht nicht, denn dann werden wir keine Freunde mehr sein können.“

„Was redest du denn da?!“ Der riesige Blonde stand nun direkt vor ihm und hatte beide Hände weit aufgerissen. „Wir sind doch Freunde!“

Warum erinnerte er ihn ausgerechnet jetzt so sehr an Ruffy?

„Wie kannst du so etwas nur sagen, Loreen?“

Zorro antwortete nicht und sah den anderen einfach nur an. Er hatte seinen Worten nichts mehr hinzuzufügen, auch wenn er wusste, dass er dem anderen eigentlich eine Erklärung schuldig war.

Plötzlich packte eben dieser ihn an den Oberarmen und schüttelte ihn ganz sachte.

Beinahe erschrocken sah Zorro auf. Die Geste selbst war ihm nicht unbekannt, wann immer Dulacre richtig wütend wurde packte er ihn so um ihn zur Vernunft zu bringen.

Nein die Geste selbst beeindruckte Zorro überhaupt nicht, insbesondere da der Vizeadmiral nicht ansatzweise so feste zupackte wie der Samurai es für gewöhnlich tat.

Aber das hier war Cho Jiroushin, einer der friedensliebendsten Menschen die Zorro kannte, und dieser schien von seiner eigenen Tat noch geschockter als Zorro selbst es sein konnte. Fast im gleichen Moment, wo der Mann der Marine ihn gepackt hatte, hatte er ihn auch schon wieder losgelassen.

„Es… es tut mir leid!“

Panisch sprang der andere zurück und brachte einen Meter zwischen sie, beinahe gleichzeitig öffnete sich das anliegende Zimmer und Perona steckte den Kopf herein.

Zorro nickte ihr kurz zu und sie schloss die Türe wieder.

„Ich meine es wirklich nicht böse, Jiroushin und ich verstehe wenn du mit der Situation nicht zufrieden bist. Aber wenn die Wahrheit die Freundschaft zwischen dir und Dulacre auch nur gefährden könnte, dann ist es für uns alle besser wenn du nichts weißt.“

Der andere wollte etwas sagen doch Zorro redete weiter.

„Ich kann nicht für Dulacre entscheiden, aber ich werde nicht riskieren, dass er sich im Zweifel dazwischen stellt wenn du dich gegen mich richtest.“

„Und warum sollte ich das tun?“

Der Vizeadmiral hatte mittlerweile eine kühle Miene aufgesetzt, er wirkte hochkonzentriert.

„Das wirst du wissen, sobald du es weißt.“

„Uhm, aber das...“

„Nimm es bitte nicht persönlich, aber ich würde nun gerne alleine sein. Ich muss mich noch auf die Versammlung vorbereiten.“

Der verzauberte Pirat drehte sich um und ging zu seiner Aktentasche hinüber, die nahe dem Sofa stand.

„Wie du willst, Lady Loreen“, hörte er den Mann der Marine hinter sich.

Schwere Schritte hallten durch den Raum.

„Jiroushin“, sagte er etwas lauter als gewollt als der andere die Türe öffnete.

„Ich schätze dich wirklich und würde mir wünschen, dass wir wirklich Freunde sein könnten. Aber wenn der Tag kommt, bitte ich dich nur um eines.“

Er hob den Aktenkoffer hoch.

„Bitte stelle dich nicht gegen Dulacre, nur wegen mir. Das würde mich sehr traurig machen.“

Die Tür hinter ihm fiel ins Schloss; der andere war gegangen.

Schwer atmend ließ er sich aufs Sofa fallen.

Wie ihn das alles nervte, diese ganzen komplizierten Verflechtungen, diese komplizierten Beziehungen, diese Politik und diese Lügen.

Perona steckte den Kopf aus dem angrenzenden Zimmer.

„Alles in Ordnung“, murmelte sie minder besorgt. „Der ist ja eben ziemlich laut geworden.“

„Alles okay“, murrte er nur und öffnete die Unterlagen.

„Mann, ich muss schon sagen, um dich herum passiert immer wirklich viel Drama, besser als jeder Schnulzen-Roman, den ich je gelesen habe.“

Obwohl er nichts entgegnete stimmte er ihr innerlich zu. Es war anstrengend und doch ließ er sich immer davon mitziehen. Natürlich hätte er Jiroushin nicht die Wahrheit sagen können, sonst wäre er vermutlich in Handschellen auf Mary Joa angekommen, aber warum hatte er das Thema nicht einfach ruhen lassen? Oder warum hat er ihm nicht gesagt, dass er sich an den Samurai wenden sollte?

Aufseufzend vergrub er den Kopf in den Papieren.

Der Vizeadmiral ließ sich in den Aufenthaltsräumen von Lady Loreen nicht mehr blicken. Seine Matrosen ließen immer ausrichten, dass er ihnen eine angenehme Reise wünschte, aber er selbst tauchte nicht mehr auf.

Erst als sie am oberirdischen Hafen von Mary Joa anlegten stand er dort, vor seinen Untergebenen, und salutierte synchron mit ihnen.

Anstelle einer Umarmung verbeugte er sich so tief vor Zorro, dass er den Schriftzug auf seinem Umhang lesen konnte und er lächelte nicht, als er sich wieder aufrichtete und doch reichte er Zorro seine Hand um von Bord zu gehen.

Doch sobald Zorro sich von dem anderen abgewandt hatte, ließ er diese Probleme hinter sich.

Denn vor ihm stand Eizen.

 

-Mihawk-

Auch wenn es kindisch war, er blieb am Steg stehen bis er das Schiff der Marine nicht mehr sehen konnte.

Schwer seufzte er auf und wandte sich um. Nun hatte er zehn Tage diese riesige Insel ganz für sich alleine und er wusste schon längst, dass er in genau zehn Tagen nach Mary Joa aufbrechen würde, sollte sein Wildfang dann nicht zurückgekehrt sein.

„Du meine Güte“, murrte er zu sich selbst und fuhr sich durch die Haare, „alleine es in Gedanken zu sagen hört sich schon erbärmlich an.“

Mitten im Wald blieb er stehen. Die Affen waren nicht dort, wo sie normalerweise waren, etwas stimmte nicht.

Mit zügigen Schritten eilte er die verwahrlosten Pfade entlang.

Es war niemand sonst auf der Insel, er brauchte sich also keine Sorgen zumachen, nun ja außer den alltäglichen Sorgen die er nun einmal hatte, wenn Lorenor auf Eizen traf und dann auch noch ohne seine Anwesenheit.

Trotzdem missfiel es ihm, dass sich die Affen im hinteren Garten des Schlosses zu sammeln schienen. Das war kein Ort an dem er ihnen erlaubte zu sein.

Er brauchte nur wenig Zeit um das Schloss zu umrunden und dort traf er sie an. Sie alle wichen erschrocken zurück als sie sahen, dass der Herr der Insel auf sie zu kamen, doch er war überrascht, wie lange sie dafür überhaupt gebraucht hatten.

Wie ein König schritt er zwischen ihren Reihen hindurch und erkannte worum sie sich geschart hatten.

Direkt am Treppenabsatz, der zur Hintertüre der Küche hinaufführte, lagen drei geöffnete Brotkörbe.

Beim hinein spähen stellte er fest, dass sie gefüllt waren mit süßem Gebäck, wobei die vorderen beiden Körbe bereits gut geleert waren.

Das tat sie also mit dem, was Lorenor und er nicht aßen. Sie gab es den Affen.

Langsam wandte er sich um, die Humandrills zuckten zurück.

„Tze.“

Dann ging er die Treppe hinauf und schlug die Tür hinter sich ins Schloss.

Was dachte sich dieses naive Kind dabei?

Kopfschüttelnd ging er durch die kalten Flure, ehe er ihm dunklen Kaminzimmer ankam und sich dort auf seinen altbewährten Sessel niederließ – beziehungsweise niederlassen wollte.

Auf seinem Platz lag ein kleiner, unscheinbar wirkender Haufen an zusammengehefteten Blättern, das oberste Blatt war blank, wie ein unbeschriebener Buchrücken.

Langsam beugte er sich hinab und hob es hoch. Fein säuberlich waren die vielen Blätter zusammengebunden, nicht eine Seite stand auffällig hervor, doch dann fiel ein gefaltetes Stück Papier hervor.

Stirnrunzelnd bückte er sich danach.

Mach keine Dummheiten!

„Tze! Dieser Bengel.“

Dann setzte er sich hin und begann zu lesen.

Kapitel 25 - Abstand

Kapitel 25 - Abstand

 

-Zorro-

Er wollte es sich nicht eingestehen, er durfte es sich nicht eingestehen.

Nach einer mehrstündigen Einweisung von Eizen und seiner Assistentin Frau Rihaku hatte Zorro am frühen Abend seiner ersten offiziellen Sitzung teilgenommen.

Zunächst hatte er sich wie damals auf der Versammlung der fünf Inseln, auf die Falkenauge ihn mitgeschleppt hatte, sehr gelangweilt und überhaupt gefragt, was er da tat und warum er überhaupt anwesend war.

Nur um seinen Vertrag nicht zu brechen – und weil er kurz davor gewesen war einzuschlafen - hatte er angefangen die Vorträge zu verfolgen, hatte in seinen Notizen und Unterlagen nachgeschlagen und hatte zugehört.

Er hatte nach und nach verstanden worum es ging, hatte verstanden worüber diskutiert wurde und warum unterschiedliche Meinungen anwesend waren. Er hatte nach und nach verstanden, warum die Leute laut wurden, wenn einzelne Namen in den Raum geworfen wurden.

Die Abgeordneten der Weltregierung stritten darüber welche Verträge mit den verschiedenen Königreichen verlängert, verändert oder aufgekündigt werden sollten und welche Folgen daraus entstehen konnten.

Eizen nahm im Namen der Weltaristokraten an den Tagungen teil, er saß neben einem glatzköpfigen Mann der wohl der Vertreter der fünf Weisen war.

Eizen hatte ihm nicht zu viel versprochen, Zorro befand sich im Herzen der Weltregierung und er wunderte sich, warum der Politiker bereitwillig einen Piraten einschleusen wollte.

Mittlerweile war bereits der dritte Tag angebrochen und auch wenn Zorro es nicht wahrhaben wollte, sich weigerte es zu akzeptieren, so konnte er nicht leugnen, dass das ganze doch irgendwie nicht so ganz langweilig war.

Es war übertrieben zu sagen, dass es ihn interessierte – nein, das ganz gewiss nicht – aber irgendwie wollte er schon wissen mit welchem Land warum ein Krieg ausbrechen konnte. Warum in welchem Königreich die Sklaverei abgeschafft wurde und was das für deren jeweilige Wirtschaft bedeuten könnte. Er war schon neugierig warum verschiedene Naturstämme sich weigerten ein gemeinsames Oberhaupt zu bestimmen um mit der Weltregierung zu verhandeln und ob ein gewaltsames Vorgehen gegen sie notwendig war.

Er hatte angefangen zuzuhören weil er es musste, weil er dazu gezwungen war. Dann hatte er sich dazu entschieden wenigstens alles was für seine Crew irgendwie nützlich sein könnte zu sammeln und aufzusaugen und so zäh und nervig das alles war, so konnte er sich doch einfach nicht dazu überwinden einfach die Augen zu schließen und einzupennen.

Er saß neben Frau Rihaku und blätterte durch die vorliegende Akte um nach der Aufstellung zu suchen, auf die sich der Vortragende stützte. Die kühle Frau mit den mandelförmigen Augen hatte sich derweil vorgebeugt und flüsterte ihrem Vorgesetzten etwas zu.

Endlich hatte er die Aufstellung gefunden und begann sie mit den Unterlagen zu vergleichen, die er selbst am Vorabend noch zusammengestellt hatte und gleichzeitig versuchte er dem Redner zuzuhören.

Es war nicht so, dass er sich wirklich dafür interessierte, schließlich waren solche Dinge noch nie wichtig für ihn gewesen.

Selbst die Gespräche mit Dulacre über die Geschehnisse in der Welt waren für ihn eher nervige Notwendigkeit gewesen. Er war kein Gelehrter, kein Belehrter und erst Recht kein Politiker.

Dinge wie Wirtschaftlichkeit einer Handelsbeziehungen oder internationale Friedensverträge waren Begriffe, die er vorher noch nie in den Mund genommen hatte und doch saß er jetzt hier und hatte das Gefühl eine neue Welt kennen gelernt zu haben.

Eine Welt von der er rein gar nichts wusste, die ihn auch eigentlich nur einen Dreck interessierte.

All diese Sachen waren für ihn nicht wichtig, betrafen sein persönliches Leben nicht im geringsten. Ihm sollte eigentlich egal sein ob die Weltaristokraten die verbliebenen Sklaven eines Königreiches im West Blue aufkaufen wollten oder nicht. Ihm sollte egal sein ob gegen das Naturvolk im Calm Belt Waffen eingesetzt werden mussten. All diese Themen spielten für sein eigenes Leben doch eigentlich gar keine Rolle.

Trotzdem saß er nun hier und konnte nicht verhindern, dass er sich klein fühlte, beinahe unbedeutend, wenn er über all das nachdachte was er bisher einfach aus Desinteresse ignoriert hatte.

Schon am ersten Abend hatte er festgestellt, dass Mihawk mit seiner Ausdrucksweise in dieser Gesellschaft keine Besonderheit gewesen wäre, mehr noch, langsam fragte er sich ob Mihawk an solchen Tagungen teilgenommen hatte, für so etwas geschult worden war.

Immer noch hatte er keine Ahnung warum Eizen ihn dabei haben wollte, was er zwischen all diesen Rhetorikern und Theoretikern zu suchen hatte, aber auf einmal wirkte diese Welt so unglaublich groß auf ihn. So viele Ort wurden genannt von denen er noch nie gehört hatte. Eine simple Fragestellung enthielt tausende kleine Probleme die beachtet werden mussten und jedes einzelne wurde angesprochen, wurde ausdiskutiert.

Er wunderte sich was Robin von dem ganzen hier halten würde, doch er konnte schon sehen wie sie sich erhob und ihre Meinung kundtat, er konnte sehen wie sie sich hier einbringen würde um die Welt zu verändern.

Rihaku beugte sich zu ihm und erläuterte mehrere Sachen mit leiser Stimme.

Sie hatte die undankbare Aufgabe erhalten Zorro alle seine Fragen zu beantworten und ihm Dinge die er nicht verstand zu erklären und davon gab es viele. Ganz ehrlich, hier unter all diesen Menschen fühlte der Schwertkämpfer sich wirklich dumm.

Aber er bemühte sich das nicht so deutlich nach draußen zu tragen.

Immer wieder flüsterte er Rihaku Fragen entgegen und sie beantwortete sie alle. Ob sie darüber genervt war, dass sie Zorros Babysitter spielen musste, wusste wohl nur sie selbst; ihre Miene verriet nichts.

Am frühen Abend war die Sitzung beendet und Zorro folgte Eizen und Rihaku in ihren Besprechungsraum; der kahlköpfige Mann, der neben Eizen gesessen hatte, war ebenfalls anwesend, an seiner Körperhaltung konnte Zorro erkennen, dass er vermutlich ein ziemlich guter Kämpfer war.

Nun wurde aufgearbeitet, diese Arbeit lag ihm noch weniger, aber eigentlich wurde von ihm ja auch nichts erwartet, er war Zuhörer, stiller Beobachter.

Trotzdem saß er da und las was Rihaku ihm vorlegte und antwortete auf die Fragen die Eizen ihm zwischendurch stellte.

Nicht, dass hier viel von ihm erwartet wurde. Eizen schien genau zu wissen was er ihn fragen konnte ohne dass er als Idiot dastehen würde. Denn das schien auch nicht in der Absicht des Politikers zu liegen. Manchmal nahm er Zorros recht plumpe Antworten und formulierte seine Worte so um, dass Zorro sie selbst gar nicht mehr verstand während Frau Rihaku neben ihm beflissen nickte.

So vergingen auch die restlichen Tage bis schließlich schließlich der Abend vorm Abreisetag anbrach.

Zorro hätte gerne gesagt, dass die Zeit wie im Flug vergangen wäre, dass er unsagbar viel über die Welt und sich selbst gelernt hatte und nun ein neuer Mensch war. Aber so war es nicht. Schon nach wenigen Tagen hatte ihn ein ständiger Kopfschmerz begleitet, der es unmöglich gemacht hatte in Ruhe Haki anzuwenden und er war ziemlich froh, dass er es fast geschafft hatte.

Gerade saß er in seinem Zimmer und versuchte sich die Namen der Leute einzuprägen die an der morgigen letzten Sitzung teilnehmen würden.

Er wusste noch nicht einmal wofür das nötig war, die meisten würde er doch eh nie wieder sehen.

„Darf ich reinkommen?“

Eizen stand in der Tür, wie immer trug er seine undurchsichtige Sonnenbrille.

„Wie ich sehe sind Sie noch fleißig, Liebes.“

Der Schwertkämpfer schluckte. Es war das erste Mal, dass der Politiker ihn in seinen Räumen besuchte. Perona war gerade im Zimmer nebenan um alles für die Abreise vorzubereiten.

Zorro entgegnete nichts sondern sah ihn nur kühl an.

Jetzt wo sie unter sich waren verbarg der Politiker sein Gesicht nicht hinter einer Maske aus Höflichkeit.

Der alte Mann schloss die Tür hinter sich.

„Und wie gefällt Ihnen Ihre erste Konferenz?“, fragte er unschuldig.

„Ich verstehe immer noch nicht warum Sie mich dabei haben wollen, Eizen“, entgegnete Zorro gelassen. „Wir beide wissen, dass ich von diesen Themen nicht viel verstehe und Frau Rihaku hat mit Sicherheit Wichtigeres zu tun als auf mich aufzupassen.“

Der andere lächelte und legte den Kopf leicht schief.

„Ich möchte, dass Sie einen Eindruck davon erlangen wie ein Kongress bei der Weltregierung abläuft. Ich möchte, dass Sie sehen wie die Leute sich verhalten, wie sie reden, wie sie sich bewegen. Ich möchte, dass Sie mit der Materie vertraut werden.“

„Warum?“

Zorro traute ihm kein Stück.

„Nun ist das nicht ganz offensichtlich? Sie werden bald an diesen Gesprächen teilnehmen, sie sogar leiten.“

Das Grinsen des Fremden wuchs ein Stück.

„Was?“

„Natürlich brauchen Sie sich keine Sorge zu machen. Sie werden vorher selbstredend geschult, ein so simples Gemüt wie das Ihre wird noch viel Training brauchen ehe Sie bereit sind, aber selbst dann werden anfallende Reden natürlich für Sie geschrieben.“

Hatte der andere ihn gerade als dumm bezeichnet?

Er war sich nicht sicher, der Typ benutzte immer so viele Worte.

„Warum sollte ich irgendwelche Reden schwingen, die Sie mir geschrieben haben?“

„Weil ich es Ihnen sage“, entgegnete der andere schmunzelnd.

„Und warum wollen Sie, dass ich das tue? Warum gehen Sie nicht selbst aufs Podium.“

Nun lachte der Politiker sachte.

„Wie oft werde ich es Ihnen noch erklären müssen, Liebes? Es ist Ihre Bestimmung, Ihre Gabe; die Leute werden Ihnen zuhören, Ihnen ihr Vertrauen schenken. Zunächst gehen wir in Bereiche die die breite Masse bewegen: Krieg, Sklaverei, Hungersnöte. Dort werden Sie viele Anhänger um sich scharen und dann gehen wir in die etwas sensibleren Themen, geben Ihnen die Tiefe und das nötige Fachwissen.“

Zorro schüttelte den Kopf.

„Warum? Warum ich?“

„Weil kaum einer sich für einen alten Politiker interessiert, für irgendwelche Schreibtischhengste. Aber Sie sind bekannt, jede Woche stehen Sie in der Zeitung und die Massen werden auf Sie hören.“

„Sie wollen mich missbrauchen um das Vertrauen der Leute zu erschleichen.“

„Keineswegs, Liebes.“ Der andere machte einen Schritt auf ihn zu. „Im Gegenteil, ich baue Sie auf, machen aus Ihnen das was nur wenige sein können. Ein Leitbild, ein Idol, eine Symbolfigur. Sie, Liebes, werden ein neues Zeitalter einleiten und es ist Ihnen noch nicht einmal bewusst.“

Nun stand der andere direkt vor ihm und Zorro fühlte sich gezwungen aufzustehen.

„Sie sollten dankbar sein, dass ich mir die Zeit nehme einem ungebildeten Schimpansen wie Ihnen den Weg zu bereiten. Ist es nicht ein eigenwilliges Schicksal, dass ein dreckiger Pirat dazu bestimmt ist die Welt zu verändern?“

Der Schwertkämpfer schluckte.

„Sie sind wahnsinnig, das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Was auch immer Sie vorhaben es wird nicht gelingen. Ich bezweifle, dass ich Ihren Erwartungen auch nur im Mindesten gerecht werden kann.“

Immer noch breit grinsend wandte der Politiker sich um.

„Oh Liebes, trotz Ihre eingeschränkten Geistes haben Sie meine Erwartungen schon weit übertroffen. Mihawk ist Ihr Schoßhündchen somit gehören die fünf Inseln schon längst zu Ihrem Gefolge und Sie verkaufen sich weit prächtiger als ich es je für möglich gehalten habe. Ich hatte Ihnen nicht so viel schauspielerisches Talent zugetraut. Selbst Rihaku hält Sie für gebildet und hat Gefallen an Ihnen gefunden.“

„Warum sind sie hier, Eizen? Warum erzählen Sie mir das alles?“ Zorro ignorierte die nun immer deutlich werdenden Seitenhiebe.

An der Tür angelangt sah der andere ihn wieder an.

„Ich möchte, dass Ihnen bewusst ist wohin die Reise gehen wird, Liebes. Ich möchte Ihnen zeigen was für Möglichkeiten Sie durch mich erhalten werden. Sie werden in ein paar Jahren zu den mächtigsten Menschen der Welt gehören.“

Dann zog der alte Mann seine Brille leicht hinab, sodass sie sich direkt ansehen konnten. Für einen kurzen Moment blitzten seine Augen leuchtend rot auf.

„Aber vor allem möchte ich, dass Ihnen Ihre Lage bewusst wird. Das Dorf Shimotzuki aus dem East Blue ist auf einer wichtigen Route der Marineschiffe, deswegen ist das Leben dort sehr friedlich. Wie Sie wissen befasst sich die morgige Sitzung mit Marineeinsätzen. Es wäre doch eine Schande, wenn die Route aus strategischen Gründen verändert werden müsste.“

Leise kichernd ging der andere und ließ Zorro zurück.

Atemlos fiel er zurück auf seinen Stuhl.

Wie sollte er je gegen diesen Typen gewinnen?

Am liebsten würde er ihm das Genick brechen, ihn ganz langsam, ganz schmerzhaft töten, und ihn dann ein für alle Mal los sein.

Er hatte gedacht er wäre ein Mitspieler, dem Politiker gewachsen, vielleicht sogar schon eine Gefahr, aber nein, er war nicht anders als der Samurai nur ein Spielstein auf dem Spielfeld der Politik.

Erschöpft vergrub er den Kopf in seinen Händen.

Vor noch nicht einmal einem Jahr war er im East Blue unterwegs gewesen, immer auf der Suche nach Falkenauge, dem besten Schwertkämpfer der Welt, hatte ein bescheidenes, unbedeutendes Leben geführt und jetzt, jetzt war er hier, in einer Welt die er nicht verstand.

Langsam fragte er sich wirklich wer er denn noch war?

War er denn wirklich noch Lorenor Zorro? Schwertkämpfer und Pirat?

Die zarten Finger vor seinen Augen sprachen eine andere Sprache.

„Verdammt!“

Er sprang auf und schlug gegen den Tisch vor ihm, zu seiner Überraschung flog dieser gegen die nächstbeste Wand und krachte zu Boden, ein Bein brach ab und rollte noch mehrere Meter weiter.

Verwundert sah er seine kleinen Hände an.

„Tze.“

 

-Mihawk-

Tag zehn!

Ja, er wusste es, er war ja kein Dummkopf, trotzdem stand er seit Sonnenaufgang im Schatten der Bäume und wartete darauf, dass am fernen Horizont ein Schatten den Himmel verdunkeln würde.

Was sollte er auch sonst tun?

Die letzten Tage waren ziemlich zäh gewesen; das Buch, welches Lorenor ihm übersetzt hatte, hatte er bereits am ersten Abend verschlungen und an den darauffolgenden Abenden noch mehrmals. Ansonsten hatte er nicht viel tun können. Die Zeitung hatte ihn tagtäglich vielleicht für eine Stunde beschäftigt, einzig die wenigen Artikel über den Kongress der Weltregierung hatten ihn etwas länger fesseln können.

War sein Leben wirklich immer schon so langweilig gewesen?

Es war nicht so, dass er hier stehen musste. Natürlich war er besorgt und auch ungeduldig, aber das konnte er genau so gut in seinem bequemen Sessel an der Feuerstelle sein.

Es war tatsächlich eher das Problem, dass er absolut nichts mit sich anzufangen wusste.

Seufzend lehnte er sich gegen den nächstbesten Baum.

Seit wann war sein Leben so grausam langweilig geworden?

Er hatte sogar angefangen Papierkram zu erledigen, obwohl so etwas ihn überhaupt nicht interessierte. Mehrfach hatte er versucht Jiroushin anzurufen, dieser war jedoch zurzeit nicht erreichbar.

Deswegen war er extra nach Sasaki gereist, doch sein Kindheitsfreund war nicht da gewesen. Immerhin hatte er ein Paket von Kanan abholen können.

Wenn er sich nicht irrte, mussten darin Lorenors neue Klamotten sein. Was auch immer sie sich zusammengedacht hatte.

Nun war er hier und fragte sich wie lange es wohl noch dauern würde bis das Schiff der Marine auftauchen würde.

Doch als die Sonne schon gefährlich nahe dem Horizont stand, war es kein Schiff der Marine, welches er in der Ferne ausmachen konnte.

Es war ein Schiff der Weltregierung.

„Dieser eingebildete Fatzke“, murrte er.

Neben den Weltaristokraten gab es nur ein oder zwei Menschen, die überhaupt so ein Schiff ihr eigen nennen durften. Eizen gehörte natürlich dazu und offensichtlich hatte er nichts besseres zu tun als Lady Loreen höchstpersönlich bis vor die Haustüre zu bringen.

Nun ja, immerhin brachte er Lorneor pünktlich Heim.

Die Sonne war schon halb hinterm Horizont verschwunden als das große Schiff endlich nahe genug gekommen war und ein kleines Boot ins Wasser hinabgelassen wurde.

„Willkommen daheim.“

Er konnte die Überraschung in den weit aufgerissenen Augen des Jungspunds sehen als er ihm wie immer eine Hand reichte um an Land zu kommen.

Perona und die Beamten der Weltregierung ignorierte er getrost, sollten die sich doch um das Gepäck kümmern.

Lorenor nickte ihm kurz dankend zu und trat dann den Weg zum Schloss an, ohne auch nur ein Wort zu sagen.

Offensichtlich hatten die vergangenen zehn Tage seinen Wildfang mit schlechter Laune versorgt.

Leise schmunzelnd folgte er dem Grünschopf.

„Also“, sprach er als er den anderen nach wenigen Schritten eingeholt hatte, „wie war es? Was wollte Eizen?“

„Können wir ausnahmsweise mal nicht darüber sprechen?“, murrte der andere ungewohnt rau für seine weibliche Gestalt. „Ich bin kurz davor diesem Mistkerl das Genick zu brechen.“

„Oh nein, war es so furchtbar?“ Der Samurai grinste immer noch über das Verhalten des anderen.

Doch dann wirbelte der verzauberte Pirat zu ihm herum und ihm verging das Lachen.

Lorenor war nicht nur wütend, das konnte er ganz einfach erkennen, seine Unterlippe zitterte, seine Fäuste bebten, er hatte die Augen weit aufgerissen und zwischen den Augenbrauen bildeten sich tiefe Furchen. Selten hatte er den anderen so komplett aufgewühlt gewesen.

„Können wir bitte trainieren?!“, brüllte der andere beinahe. „Wenn ich nicht irgendetwas tue, dann werde ich… Ich kann doch nicht...“

„Ich verstehe“, nickte er sachte und ging weiter.

Er verstand den anderen tatsächlich sehr gut. Dieses furchtbare Gefühl der Hilflosigkeit, der Machtlosigkeit, wenn man jemandem gehorchen musste. Die eigenen Hände gefesselt, der Willkür anderer ausgesetzt.

Schon lange glaubte er nicht mehr daran, dass Lorenor diesen Vertrag unterschrieben hatte, weil es zu Lady Loreen passte, wie der andere damals behauptet hatte. Natürlich erpresste Eizen auch den Jüngling, wahrscheinlich mit Dulacre und den Leuten auf Sasaki, womit auch sonst?

Er verstand warum Lorenor ihm das nicht sagte; Lorenor wusste, dass Dulacre nicht so bedacht handelte wie für gewöhnlich, wenn es um den verwunschenen Piraten ging. Aus genau diesem Grund hatte Dulacre das Thema auch noch nicht angesprochen, denn daraus würde nur ein erneuter Streit resultieren und den konnten sie sich derzeit nicht leisten.

Oder wollte er dem Unausweichlichen einfach aus dem Weg gehen um den brüchigen Frieden auf dieser kleinen Insel zu bewahren?

Schweigend eilten sie den Wald entlang und erreichten schließlich das Schloss.

„Verwandle dich und ziehe dich um, danach werden wir sogleich beginnen.“

Der andere reagierte noch nicht einmal sondern stürmte sofort davon.

Noch bevor er wieder auftauchte stand Perona im Türrahmen.

„Sag mal, hast du sie noch alle?!“, herrschte sie ihn an. „Wie soll ich alleine denn diese ganzen Gepäcksachen zum Schloss bringen? Du hättest zumindest...“

Unter seinem Blick schrumpfte sie zusammen.

„Das ist nicht mein Problem“, entgegnete er kalt. „Sprich Geistermädchen, was ist auf Mary Joa passiert?“

Immer noch verängstigt wich sie seinem Blick aus.

„Was wohl“, murmelte sie, „Eizen hat Lady Loreen zu den Sitzungen mitgenommen. Zorro war die ganze Zeit verplant und wenn er mal im Zimmer war, hat er immer nur gelesen, gelesen und gelesen. Ich hab mich zu Tode gelangweilt.“

Was hatte Eizen nur vor?

Wobei das konnte er sich fast denken; die viel wichtigere Frage war doch, warum?

Er entließ das Mädchen mit einem Wink als Lorenor den Raum betrat.

Jetzt als Mann wirkte er noch beeindruckender als vor wenigen Minuten und das obwohl seine Mimik nichts verriet, die Lippen eine dünne Linie wie so oft, die gewohnt ernste Miene, er sah beinahe aus wie immer.

Doch seine Augen sprachen Bände, verrieten noch mehr als das aufgewühlte Gesicht von Lady Loreen.

Der Dämon vom East Blue war offensichtlich erwacht.

Er folgte dem Jüngeren nach draußen, wohl wissend, dass sie heute keine komplizierten Techniken üben würden, der Jüngere musste sich austoben, seine angestaute Wut rauslassen.

Gerade wollte er ihm auftragen sowohl das Rüstungs- als auch das Observationshaki einzusetzen, da hatte der andere es bereits getan.

Unbeeindruckt sah Lorenor Zorro zu ihm hinüber.

„Können wir?“, knurrte er tief und dann lief er los.

Schwer seufzte der Samurai auf, doch dann rannte er dem anderen hinterher. Es war genau sein Plan gewesen, der Grünschopf sollte sich müde laufen, alles aus sich herausholen, damit er danach wieder klar denken konnte und so liefen sie wieder Runden um die Insel.

Es schien als hätte der andere während seiner zehntägigen Abwesenheit den Einsatz beider Fähigkeiten trainiert, allerdings nicht so viel wie Dulacre eigentlich erwartet hatte. Trotzdem sollte viel Zeit vergehen bis der andere anfing ruhiger zu werden, von Schwächeln konnte keine Rede sein.

Die ersten elf Runden jagte der junge Schwertkämpfer einer ungekannten Beute hinterher und brach dabei kein bisschen in seiner Geschwindigkeit ein.

Erst danach schien er langsam wieder Fassung zu gewinnen.

Die Sonne war mittlerweile untergegangen und mit jeder Sekunde wurde es dunkler, nicht dass sich einer der beiden davon stören ließ.

„Willst du jetzt drüber reden?“, bot der Schwarzhaarige an, der mit Leichtigkeit mit dem Jüngeren Schritt halten konnte.

„Nein!“ Die ernsten Augen waren stur geradeaus gerichtet, doch sein Kiefer war verkrampft. „Ich will kämpfen!“

Dann starrte der andere ihn beinahe herausfordernd an. „Ich will kämpfen!“

Missbilligend schüttelte der Samurai den Kopf.

„Lorenor, darüber haben wir doch schon oft genug gesprochen, ich werde nicht...“

„Dulacre!“ Lorenor war stehen geblieben, die Hände zu Fäusten geballt.

Der Ältere blieb stehen und betrachtete den Jüngeren eingehend.

„Du bist noch zu schwach; ich könnte dich schwer verletzten, aus Versehen töten.“

„Dann tu‘s halt nicht“, war alles was der andere entgegnete als er in Kampfstellung ging.

Keiner von beiden hatte Schwerter dabei, Yoru genoss seine verdiente Ruhe im Schloss und Lorenor hatte seine Schwerter zu Beginn des Trainings mit dem Rüstungshaki abgetreten.

„Tze, du bist unmöglich.“

Kopfschüttelnd öffnete er die Knöpfe seiner Weste und hing sie an den nächstbesten Baum, bevor er die Arme ausbreitete.

„Dann greif mich an, Lorenor. Zeig mir wie viel du dich verbessert hast.“

Er war nicht annähernd so gelassen wie er sich gab, aber er hatte zugestanden Lorenor nicht mehr nur wie einen Schüler, sondern mehr wie einen Kontrahenten zu behandeln, dann sollte der andere eben die Konsequenzen tragen.

Dieser ließ es sich nicht zweimal sagen und griff an.

Zu Dulacres Überraschung waren seine Attacken nicht annähernd so unkontrolliert wie er es erwartet hatte, sondern höchst kalkuliert. Der andere kämpfte anscheinend nicht emotional trotz seiner offensichtlichen Wut.

Der Samurai konzentrierte sich darauf Angriffe zu blocken oder ihnen auszuweichen, ohne selbst Haki anwenden zu müssen, dafür war der andere einfach noch nicht weit genug.

„Nicht so!“, knurrte der Jüngere zwischen zwei Schlägen. „Wehr dich!“

„Du bist ganz schön anmaßend“, meinte er nur und ließ den anderen ins Leere laufen. „Glaubst du tatsächlich, dass du auch nur einem Angriff von mir standhalten würdest?“

Lorenor wischte sich den Schweiß von der Stirn und grinste ihn böse an.

„Wir werden es wohl nie herausfinden wenn du es nicht tust.“

Der Ältere schnaubte laut auf und schüttelte halb grinsend den Kopf.

„Nun gut.“

Es war einfach, er wich den Fäusten aus, ein Mal, zwei Mal und dann schlug er zu!

Es war schon ein richtiger Schlag, nicht unbedingt ein Knockout in einem wahren Kampf, aber dennoch sollte es wohl genug sein um seinem Wildfang endlich mal Respekt zu lehren.

Er schmunzelte als Lorenor gerade noch rechtzeitig die Arme hochwarf und schützend vor seinem Kopf kreuzte.

Doch wieder einmal sollte der Jüngere ihn überraschen, langsam sollte das doch langweilig werden.

Anstatt wild durch die Luft zu fliegen, schlitterte er nur mehrere Meter zurück und blieb genau in dieser verteidigenden Position stehen, die Knie gebeugt, den Rücken gekrümmt, das Gesicht hinter den Armen versteckt.

Fassungslos sah er den Jüngeren an.

Es war nicht sein bester Angriff gewesen; er wusste, dass ein richtiger Schlag ausreichen würde um den Jüngeren umzubringen, aber trotzdem…

Wie es ihn ankotzte, dass der andere so schnell besser wurde.

„War… das schon alles?“, kam es stockend von dem Grünschopf ehe sein linkes Knie nachgab.

Mit beiden Händen musste er sich auffangen um nicht zu stürzen, dabei zuckte sein rechter Arm zurück und Lorenor verzog schmerzvoll das Gesicht. Mit diesem Arm hatte er den direkten Aufprall von Dulacres Schlag abgewehrt. Er wirkte nicht gebrochen, aber bereits jetzt schwoll er unnatürlich an.

Der andere atmete schwer, ließ ihn aber keine Sekunde aus den Augen, er war immer noch im Kampfmodus.

Langsam kam der Samurai auf den Jüngeren zu, ehe er schließlich auf ihn hinabsah.

Er konnte sehen wie Lorenor versuchte sich aufzurichten, aber kaum in der Lage war zu ihm hochzuschauen.

„Tze, vorlautes Gör!“

Er schnippte dem anderen gegen die Stirn und der Grünschopf knallte gegen den nächsten Baum.

„Uff!“

Alle Gliedmaßen von sich gestreckt blieb der Jüngere am Stamm liegen. Die Augen nur halb geöffnet, schwer am atmen. Ein feines Rinnsal aus rotem Blut glitt genau zwischen seinen Augen den Nasenrücken hinab und tropfte ihm auf die Unterlippe, während er den Kopf gegen den Stamm gelehnt hatte.

Die schwache Hülle die der Jüngere um sich gelegt hatte, war gebrochen und auch sein Observationshaki war inaktiv.

Verdammt, so gut sollte es sich nicht anfühlen dem anderen mal den Marsch zu blasen.

Ja, Dulacre musste aufpassen, dass er nicht Blut leckte, doch ein Grinsen konnte er nicht verbergen als er zu dem anderen trat.

„Zufrieden?“, meinte er betont blasiert, doch es wäre so einfach dem Jüngeren jetzt einen leichten Tritt in die Seite zu geben, vier oder fünf Rippen zu brechen, gar nicht mehr. Nur um ihm einfach mal…

Plötzlich sahen die grünen Augen ihn intensiv an.

„Das ist also dein Monster, was?“ Der andere beugte sich vor und hustete.

Dulacre machte einen Schritt zurück. Doch Lorenor warf nur den Kopf in den Nacken und lacht heiser auf.

Nicht verstehend beobachtete Dulacre wie der Jüngere lachte und sich zwischendurch über seinen schmerzenden Körper beschwerte.

„Ich kann nicht aufstehen“, murmelte er dann immer noch breit grinsend. „Ich kann noch nicht einmal aufstehen und mein rechter Arm tut höllisch weh. Sieht das für dich gebrochen aus?“

Dann sah der andere ihn wieder an und hielt ihm seinen arg geschwollenen Arm hin.

„Die Kluft zwischen uns ist echt noch riesig.“

Der Samurai schluckte schwer.

Sie war nicht annähernd mehr so groß wie er es erwartet hatte.

„Wie lange willst du mich noch so anstarren?“, meinte der Jüngere dann, immer noch dieses verschmitzte Grinsen.

Dann hatte Dulacre sich wieder gefasst und reichte dem anderen seineHand.

Vorsichtig wollte er den anderen nach oben ziehen, doch Lorenors Beine knickten weg und er wäre beinahe wieder gestürzt, wenn der Samurai ihn nicht aufgefangen hätte.

„Lächerlich“, murrte der andere gegen seine Schulter, „ich kann mich noch nicht einmal auf den Beinen halten.“

„Selbst Schuld“, entgegnete der Ältere nur und zog den linken Arm des anderen über seine Schulter und legte seine eigene rechte Hand um dessen Hüfte.

Es wäre wahrscheinlich einfacher sich den Grünschopf einfach über die Schulter zu werfen oder ihn mit beiden Armen hochzuheben, aber das wollte er nicht; er wollte, dass der andere selbst ging.

„Du hättest es dir nicht fragen sollen.“

Dulacre musste tief in die Knie gehen, damit Lorenor überhaupt den Boden berühren konnte, aber das machte ihm nichts aus.

Der andere atmete immer noch schwer während sie im Stockdunkeln zurück zum Schloss humpelten und unterwegs noch Dulacres Weste einsammelten.

„Doch, musste ich“, murmelte der Jüngere leise, „wie sonst soll ich dich kämpfen sehen?“

Ohne etwas darauf zu antworten brachte er den anderen zurück nach drinnen.

Die Verletzungen waren nicht schlimm, ein paar angeknackste Knochen, ein paar Prellungen, nichts ungewöhnliches für ihr Training. Aber er bemerkte wie viel zufriedener der Jüngere war, von seiner schlechten Laune war nichts mehr geblieben.

Perona hatte mittlerweile sämtliche Gepäckstücke nach drinnen geschafft, wie war Dulacre herzlich egal und auch bereits das Abendessen vorbereitet.

Er musste sich eingestehen, dass sie gar nicht so unnütz war.

Das gemeinsame Abendessen hatte etwas entspannendes, etwas lebhaftes, oder wirkte es nur so weil er zehn Tage alleine gewesen war?

Irgendwann schlenderten die beiden Schwertkämpfer zum Schachbrett hinüber und unterhielten sich ruhig während das Geistermädchen abräumte und sich danach zu Bett verabschiedete.

Auch hier erzielte Lorenor langsam aber sicher Fortschritte, allerdings deutlich langsamer als im Schwertkampf.

„Dulacre“, murmelte er schließlich als er einen seiner Bauern vom Schlachtfeld nahm. „Ich muss dir etwas erzählen. Ich habe Jiroushin getroffen.“

 

Kapitel 26 - Haki

Kapitel 26 - Haki

 

-Mihawk-

„Ich komme ja Lorenor, sieh mich nicht so an.“

Gähnend streckte er sich und kam den dunklen Flur entlang geschlendert.

Am anderen Ende wartete der ehemalige Piratenjäger auf ihn, kaum mehr als ein grober Umriss in der Dunkelheit und doch konnte Dulacre ihn ganz genau erkennen.

Kuraigana hatte nicht viel mit Jahreszeiten am Hut, das Wetter änderte sich selten, aber so wie alle anderen Inseln war auch dieses kleine Stück Land von der Sonne abhängig und mittlerweile hatte sie sich schon seit Tagen nicht mehr blicken lassen. Sehr zu seinem Missfallen; so wie die Sonnenzeit abnahm sank auch seine Laune.

Doch Lorenor ließ sich davon nicht aufhalten. Jeden Morgen war er früh auf und war vermutlich schon mehrere Runden um die Inseln gelaufen, bevor Dulacre selbst überhaupt daran dachte ein Auge auf zu machen, aber es sollte ihm nur Recht sein.

Er selbst stand meist erst auf wenn der Jüngere bereits geduscht und gefrühstückt hatte, die Reihenfolge war ihm dabei egal. Er persönlich war kein großer Liebhaber der wichtigsten Mahlzeit des Tages und solange in der Eingangshalle sein Kaffee auf ihn wartete, war er zufrieden.

Der gestrige Abend war spät geworden.

Selbstredend hatten sie wie immer lange trainiert, doch als der Samurai schon längst den Feierabend eingeläutet hatte und kurz davor gewesen war zu Bett zu gehen, war der Jungspund unerwartet in der Tür aufgetaucht und hatte ihm eine grüne Akte mit dem Wappen der Weltregierung hingehalten.

Sich den Nacken reibend hatte Lorenor ihm erklärt, dass er von Eizen Unterlagen erhalten hatte, diese aber nicht verstand. Es war Lorenor sichtlich unangenehm gewesen und auch peinlich. Doch obwohl es dem Samurai widerstrebte Eizen in seinen Machenschaften auch noch zu unterstützten und obwohl er diesen ganzen Papierkram als absolut langweilig empfand, so hatte er sich dennoch mit dem Jüngeren hingesetzt und war die Unterlagen durchgegangen.

Er konnte nicht verstehen warum es dem anderen so wichtig war sich mit dem Verhältnis von internationalem zu nationalem Recht auseinanderzusetzen, aber es schien ihm wichtig zu sein, also hatte Dulacre mit den Schultern gezuckt und es hingenommen ohne weiter nachzufragen.

Es war sogar ganz unterhaltsam gewesen, früher hatte er sich jeden Tag mit solchen Dingen beschäftigt, doch es hatte ihn immer nur ermüdet, aber hier und jetzt gefiel es ihm den Jüngeren etwas zu erklären.

Vielleicht aber auch nur weil Lorenor sich wirklich dumm anstellte wenn es um Theorie ging.

Nicht selten musste Dulacre sich mehrfach wiederholen und nicht selten musste er nachhaken ob der Jüngere es verstanden hatte, nur um dann ein beschämtes Kopfschütteln zu ernten.

Es war offensichtlich, dass der Grünschopf sich noch nie mit Dingen wie Politik, staatlichen Strukturen und Länderbeziehungen auseinandergesetzt hatte und oft standen ihm sein simpler Gerechtigkeitssinn und seine kindlichen Moralvorstellungen im Weg. Es hatte etwas niedliches, dass der Jüngere so oft auf Solidarität und Rechtschaffenheit pochte, beinahe naiv und das wollte nun mal so gar nicht zum blutrünstigen ehemaligen Piratenjäger Lorenor Zorro passen.

Auf der anderen Seite musste Dulacre zugeben, dass sich der andere zumindest gut vorbereitet hatte. Er hatte Namen gewusst, Orte gekannt, Begriffe verstanden. Er hatte sich vorbereitet. Nein falsch, er hatte sich gebildet. Lorenor hatte sich – aus welchem Grund auch immer – in anderen Dingen als dem Schwertkampf gebildet.

Der Samurai hatte es kaum für möglich gehalten, dass der Jüngere dafür überhaupt die nötige Gehirnkapazitäten hatte. Sein Wissen und seine Konzentration schienen sich immer nur um den Schwertkampf zu drehen und sein Interesse nahm ebenfalls drastisch ab sobald es nicht mehr um seine geliebte Schwertkunst ging.

Also hatte Dulacre sich in Geduld geübt – und ja, er hatte sehr geduldig sein müssen – und dem Jüngeren geholfen.

Doch das lag nun mehrere Stunden zurück und nun ging es wieder um das, was er Lorenor eigentlich beibringen wollte.

„Du bist spät dran“, murrte der Jungspund vorwurfsvoll und verschränkte die Arme.

„Hast du überhaupt geschlafen?“, entgegnete der Samurai und gähnte erneut während er den anderen einholte.

„In meinem Alter reichen ein paar Stunden.“ Lorenor grinste böse während Dulacre ihn genervt anfunkelte.

Seufzend ging er an dem anderen vorbei.

„Wirst du es je leid mich wegen meines Alters aufzuziehen?“, murmelte er und hörte wie der andere ihm folgte.

„Nicht so lange du es mir so einfach machst“, gluckste der junge Pirat und es hörte sich beinahe kindisch an.

Kopfschüttelnd ging er voran und erreichte zügig die Vorhalle, wo wie gewohnt eine Tasse heißen Kaffees auf ihn wartete.

„Hast du an alles gedacht was ich dir gesagt habe?“, meinte er nun gelassener und nahm einen Schluck.

„Wenn du meinst, dass ich mich über Nacht nicht verwandelt habe, dann ja, hab ich nicht.“

Somit war Lorenor nun seit genau einem Tag in seiner ursprünglichen Gestalt.

„Und wie lange hast du noch bis du dich zurückverwandeln wirst?“

Er hatte einen Plan, schließlich ließ er es nie auf den Zufall ankommen.

„So wie es sich anfühlt maximal zwei Stunden“, antwortete der andere und schloss zu ihm auf während sie das Schloss verließen. „Aber warum? Was ist der Sinn dahinter?“

Mit hochgezogener Augenbraue blickte er zum Jüngeren hinab und nun war er es der düster schmunzelte.

„Meiner bescheidener Meinung nach bist du bereit“, antwortete er schließlich als sie die Ruinen erreicht hatten. „Heute ist der Tag.“

Für eine Sekunde sah der andere ihn verwirrt an, doch dann wurde er bleich.

„Was? Aber meine Rüstung ist doch noch alles andere als stark und das mit dem Verhärten klappt auch nur so lala, also ich finde...“

„Lorenor, ich bin hier der Lehrmeister; ich entscheide was auf dem Plan steht und wenn ich sage, du bist soweit, dann bist du auch soweit.“

Seitdem der Jungspund von seinem Ausflug mit Eizen zurückgekehrt war, waren einige Wochen ins Land gezogen und Lorenor hatte sich stetig verbessert, seine Kontrolle hatte in dieser Zeit eine durchaus passable Qualität erreicht und er war mittlerweile in der Lage seinen Körper kurzfristig zu verhärten, dabei waren die sechs Monate, die der Jüngere sich selbst gesetzt hatte noch nicht einmal um.

Es war Zeit den nächsten Schritt in Angriff zu nehmen. Natürlich konnten sie noch Wochen damit verbringen die beiden Hakiformen zu perfektionieren, aber das war unnötig. Dafür würde Lorenor ihn nicht brauchen, das konnte er im Zweifel auch alleine.

Nein, sie mussten langsam zum Schwertkampf kommen, zum richtigen kämpfen, aber dafür, ja dafür musste Lorenor erst einmal lernen seine Rüstung auf Gegenstände zu erweitern und er wusste, dass Lorenor genau davor Angst hatte.

Er hatte Angst davor, dass der Gegenstand in seiner Hand zerbrechen würde und er die Kontrolle verliere würde; eine berechtigte Angst, das gestand der Samurai sogar ein, aber trotzdem konnten sie sich davon nicht aufhalten lassen.

Wenn Dulacre ganz ehrlich war, wollte er es sogar sehen. Er wollte sehen was passieren würde. Zum einen konnte er das Problem doch nur behandeln wenn er wusste worum es überhaupt ging und zum anderen hatte die Geschichte des Jüngeren ihn doch neugierig werden lassen.

Mit ruhigen Bewegungen zog er seine Weste aus und beobachtete dabei aufmerksam wie sich der Jüngere verhielt.

Lorenor hatte den Blick abgewandt und atmete schwer, offensichtlich war er beunruhigt, auch wenn er es nicht so deutlich zeigte wie Dulacre es erwartet hatte.

„Versuch dich zu entspannen“, riet er sanft, „es wird alles gut gehen.“

Der andere sah ihn kurz an ehe er wieder wegschaute.

Der Herr der Insel war jedoch kein Dummkopf, er hatte Vorkehrungen getroffen. Lorenor war mittlerweile schon nahe der Grenze sich in Loreen verwandeln zu müssen, sollte er also im Falle des Falles die Kontrolle verlieren, würde er sich vermutlich automatisch oder zumindest innerhalb kurzer Zeit verwandeln und Dulacre vermutete, dass dieses Monster nur in Lorenor Zorro schlief und nicht in Lady Loreen.

Natürlich waren das alles nur Vermutungen und selbst Dulacre höchstpersönlich konnte sich irren, aber er war sich schon ziemlich sicher.

„Gut, dann fangen wir an.“

Er konnte sehen wie der andere sich verkrampfte, die Hände zu Fäusten geballt, der Kiefer angespannt, so würde das wahrscheinlich nichts werden.

Leise seufzte er.

„Schau her, Lorenor, ich werde es dir vormachen.“

Mühelos hob er einen Bambusstab von einem bereitgelegten Berg an Bambusrohren hoch und hielt ihn dem anderen hin.

Überrascht sah der Jüngere auf.

„Was denn? Hast du etwa gedacht, dass wir mit echten Schwertern anfangen?“

„Ähm...“

„Ich mag vielleicht die Herausforderung, aber glaubst du wirklich ich würde riskieren, dass du ein Schwert zerstörst?“

Leise schmunzelte er, als Lorenor sich selbst zunickte und tief durchatmete.

„Es ist eigentlich ganz einfach, Rüstungshaki, verhärten, ummanteln. Die letzten beiden Punkte kann man nach belieben tauschen. Wie es der jeweiligen Situation angemessen ist.“

Während er sprach hatte er genau das getan und es erfreute ihn ungemein zu sehen wie Lorenors Augen groß wurden als sich der Bambus schwarz färbte.

„Ich wiederhole“, erklärte er, „schau genau hin: Rüstungshaki, verhärten, ummanteln.“

Diesmal machte er es langsamer damit Lorenor genau beobachten konnte was er tat.

Die theoretischen Grundlagen kannte der Jungspund schon zur genüge, auch damit hatten sie viele Abende am Schachbrett verbracht, trotzdem mochte Dulacre es manchmal das ein oder andere zu wiederholen.

„Und nun bist du dran.“

Er hielt dem anderen den Bambus hin.

„Nun nimm schon, er beißt nicht, versprochen.“

Wieder konnte er ein Schmunzeln nicht verhindern als Lorenor ihn böse ansah.

Dann packte der andere zu als würde sein Leben davon abhängen.

„Warum lässt du nicht los?“, fragte der Jüngere verwundert.

„Ich muss genau feststellen können was du tust um deine Fehler zu sehen. Das ist einfacher wenn ich den Gegenstand den du ummanteln sollst anfasse.“

Der Jüngere nickte nur und sagte nichts.

„Bereit?“, fragte er und Lorenor nickte erneut.

„Gut, dann so wie ich es dir gezeigt habe. Zuerst Rüstungshaki.“

Der andere folgte seinen Anweisungen.

„Jetzt verhärten, Hände und Unterarme reichen. Wir wollen ja nicht, dass du dich direkt verausgabst.“

Ob dem anderen auffiel wie einfach er es mittlerweile umsetzten konnte und das ohne auch nur im Mindesten in seiner Bewegung eingeschränkt zu sein?

Wieder atmete Lorenor tief ein, seine Augen stur auf den Bambusstab gerichtet.

„Und jetzt bis zur Hälfte ummanteln.“

Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte der Blick des anderen zu ihm hoch und eine weitere Sorgenfalte bildete sich auf dem ernsten Gesicht.

„Entspann dich Lorenor. Es ist alles in Ordnung.“

„Ich weiß“, knurrte der andere und ganz langsam konnte er dabei zusehen wie sich die schwarze Ummantelung auf den Stab ausbreiteten.

„Oh.“

„Was… was ist?“

Beinahe automatisch verschwand die Rüstung als Lorenor den Bambus losließ und sogar einen halben Schritt zurücktrat.

„Lass doch nicht einfach los, Lorenor. Wenn es etwas schlimmes gewesen wäre, dann hätte ich dir den Stab schon weggenommen.“

„Ja aber… was hast du bemerkt?“

Der Jüngere sah ihn ernst an.

„Ich bin mir noch nicht ganz sicher.“

„Was?“

Tadelnd hob er seine freie Hand.

„Was erwartest du? Du hast viel zu schnell losgelassen. Komm, mach es noch einmal.“

Auffordernd hielt er dem anderen den Stab wieder hin und Lorenor griff zu.

Beinahe augenblicklich verfärbte sich das Ende, welches der andere hielt.

„Das reicht schon“, murmelte Dulacre und analysierte was geschah.

Er konnte das Prickeln des fremden Hakis spüren, welches sich um den Stab legte, in jede Öffnung hineinschwamm wie schwarzes Öl und alles bedeckte, jede Lücke, jede noch so kleine Pore.

Erstaunt atmete er auf als er beobachtete wie sich das Gewächs vor seinem inneren Auge entfaltete.

Immer mehr Haki schwappte über die Fasern hinweg, drang in sie ein. Die Ummantelung wurde immer stärker.

„Das reicht, Lorenor, versuche diesen Zustand einfach...“

Das Rohr zerbrach.

Überrascht sahen beide Männer den Stab an, den nun nur noch der Samurai festhielt während feinste Splitter zwischen Lorenors schwarz gefärbten Fingern hindurch zu Boden rieselten.

Dann tauschten sie einen Blick aus.

„Interessant“, murmelte er und betrachtete die Bruchstelle genauer.

„Interessant?“, entgegnete der Jüngere nicht ganz so ruhig wie er es von ihm gewohnt war. „Es ist wieder passiert. Vielleicht...“

„Vielleicht solltest du keine voreiligen Schlüsse ziehen“, unterbrach er den anderen sofort. „Schließlich bist du noch du selbst, nicht wahr?“

Lorenor starrte ihn mit großen Augen an.

„Das eine hat mit dem anderen also nicht so viel zu tun wie du vielleicht meinst.“

„Aber du weißt was passiert ist?“, fragte der andere während Dulacre den Bambus wegwarf und einen neuen hochhob.

„Natürlich.“

„Und was?!“ Der Jüngere hatte einen Schritt auf ihn zu gemacht und sah fordernd zu ihm herauf.

„Das heißt, dass du ein abartiges Talent hast, nichts weiter.“

„Wie… wie meinst du das?“

Er beugte sich zu dem anderen hinab, so dass ihre Augen nur noch wenige Zentimeter voneinander einander trennten.

Oh, wie es ihn ankotzte, dass der andere in jeder Disziplin so fast schon übernatürlich begabt war.

Wenn Lorenor zusammen mit ihm aufgewachsen wäre, hätte dieser ungeschliffene Diamant ihn innerhalb weniger Jahre überholt, denn er war nie so fleißig gewesen wie der andere.

„Dulacre!“

Hatte er etwa geträumt?

„Es liegt daran wie du dein Haki fließen lässt. Bei den meisten Anwendern breitet sich die Ummantelung wie ein zähflüssiger Schleim über die Gegenstände aus. Manche brauchen sogar fast ein Dutzend Sekunden um etwas simples wie diesen Bambus hier zu ummanteln.“

Lorenor sah ihn misstrauisch an.

„Mit viel Übung werden sie meistens schneller. Bei dir ist es jedoch anders. Wie Öl dringt dein Haki in jede noch so kleine Pore ein, bedeckt aber alles gleichmäßig wie ein Schutzfilm. Das ist außerordentlich faszinierend.“

Zweifelnd sah der Jüngere ihn an.

„So wie du es beschreibst hört sich das ja alles schön und gut an, aber wieso ist der Stock zerbrochen?“

„Hab ich es dir nicht gerade schon erklärt“, entgegnete er beinahe grinsend. „Ob beabsichtigt oder nicht, anstatt nur den Stab von außen zu ummanteln, lässt du dein Haki jede einzelne Pore, nein jede einzelne Zelle umschließen. Selbst erfahrene Hakianwender hätten mit dieser präzisen Anwendung Schwierigkeiten.

Es hat aber auch seinen Grund warum man es normalerweise erst später lernt. Das Problem ist je dicker die Ummantelung ist, desto mehr werden die einzelnen Zellen auseinander gepresst, bis der Bambus oder das Schwert schließlich bersten.“

„Ach so“, murmelte Lorenor und betrachtete seine Hände, die immer noch verfärbt waren, „das heißt, wenn ich es schaffe nur den Stock als ganzes zu ummanteln, dann wird er nicht zerbrechen.“

„Genau“, stimmte er zu, „ich allerdings ummantel immer jede einzelne Zelle meines Schwertes.“

„Was? Wieso?“

Nun grinste er doch.

„Das ist doch ganz logisch. Eine Rüstung um ein Schwert herum schützt es zwar, jedoch verbraucht eine starke Verhärtung unglaublich viel Haki und ist folglich auf Dauer sehr anstrengend. Wenn man jedoch jede einzelne Zelle ummantelt ist es so gut wie unmöglich das Schwert zu zerbrechen und man verbraucht viel weniger Haki. Dafür erfordert die Zellummantelung natürlich viel mehr Konzentration.“

Unzufrieden betrachtete Lorenor den Bambusstab in Dulacres Hand.

„Aber das widerspricht sich doch. Du sagst, dass die Zellummantelung das Schwert unzerstörbar macht und doch ist der Stock dadurch zerbrochen.“

„Du hast ihn bersten lassen, das ist ein kleiner aber feiner Unterschied. Darum können nur hervorragende Hakianwender diese Spezialisierung anwenden. Der Trick besteht darin jede Zelle gleichmäßig zu umschließen ohne aber die Rüstung zu dick werden zu lassen. Wenn du das schaffst wird dein Schwert nicht bersten.“

Nachdenklich legte der Jüngere den Kopf schief, wohl immer noch nicht zufrieden.

„Aber ich dachte, dass die Härte der Ummantelung entscheidend dafür ist wer den Kampf gewinnt. Wenn die Zellummantelung nun aber eine gewisse Dicke nicht überschreiten darf, dann ist sie doch trotzdem schwächer als die generelle Verhärtung.“

Dulacre seufzte.

„Ein allgemeiner Irrglaube, der leider immer noch von vielen unterrichtet wird. Die Dicke der Ummantelung sagt nichts über deren Härte aus. Eine haarbreite Rüstung kann härter und stärker sein als eine fingerbreite Verhärtung.“

Nun sah Lorenor ihn wieder an.

„Das heißt, wenn ich die Dicke der Ummantelung kontrollieren kann, wird der Stock nicht bersten?“

Zufrieden nickte der Ältere.

„Genau, dein Problem ist, dass du von Natur aus viel Haki in dir trägst und du den Fluss einfach nicht kontrolliert hast. Du hast dein Haki einfach ungehindert in den Stock strömen lassen. Du musst lernen wie viel Energie du wann einsetzten musst. Es ist eine reine Übungssache. Der einzige Unterschied zwischen dir und anderen ist, dass du die Zellummantelung schon automatisch anwendest und sie nicht erst erlernst nachdem du die Grundlagen beherrschst. Deswegen zerbersten die Gegenstände. Ein erfahrenerer Hakianwender würde den Fluss schon besser kontrollieren können.“

Der andere schwieg.

„Was denn? Hast du etwas nicht verstanden? Wo hab ich dich verloren?“

„Gar nicht“, widersprach der Jüngere ruhig, „ich frage mich nur, was dann damals passiert ist. Wenn du sagst, dass das Bersten des Schwertes jedem hätte passieren können, warum bin ich dann durchgedreht?“

Nun sah der andere ihn an.

„Ich weiß es nicht“, gab er ehrlich zu, „bisher ist das einzig Ungewöhnliche nur dein unverschämtes Talent.“

Er hielt dem Jüngeren den Stab hin.

„Aber wenn wir weiterarbeiten finden wir es vielleicht heraus.“

Lorenor atmete tief ein, dann griff er zu.

Innerhalb weniger Sekunden zerbrach der Stab erneut.

„Du musst dich konzentrieren. Wenn du dein Haki so aus dir herausfließen lässt, wirst du keine fünfzehn Minuten durchhalten.“

Er nahm das nächste Rohr und das nächste und das nächste.

So leicht es Lorenor fiel das Rüstungshaki einzusetzen so schwer fiel es ihm es zu kontrollieren. Dulacre konnte förmlich sehen wie die Bäche aus reiner Energie aus seinen Fingern heraus strömten.

Ein Stab nach dem anderen zerbarst und Lorenor erschöpfte mehr und mehr.

Schon bald würde er zu ausgelaugt sein um seine Rüstung aufrecht zu erhalten, aber noch gab er nicht auf.

Der Berg an halben Bambusrohren hinter dem Samurai wuchs an während er den Jüngeren belehrte und korrigierte.

„Ich verstehe es nicht“, murrte Lorenor zwischen schweren Atemzügen. „Wie soll ich es kontrollieren, ich weiß nicht wie es sich anfühlen soll.“

„Dann lass es mich dir zeigen.“

Dulacre bedeutete dem anderen den nächsten Bambus zu nehmen ohne ihn jedoch zu ummanteln.

Dann verhärtete er seine eigene Hand und ließ sein Haki bewusst langsam in die Fasern gleiten.

Er hatte beinahe zwei Drittel des Stabs ummantelt.

„Jetzt du, nur bis zur Hälfte und dann beobachte den Fluss meines Hakis.“

„Ich wusste gar nicht, dass man Rüstungen überlappen kann“, murrte der Jüngere angestrengt. Schweiß tropfte sein Gesicht hinunter. Er wirkte ziemlich erschöpft und Dulacre war sich nicht sicher, ob es daran lag, dass er sich in ein paar Minuten verwandeln würde oder aber daran, dass sein Haki so gut wie aufgebraucht sein musste.

Plötzlich durchfuhr ihm ein seltsames Gefühl, beinahe so als ob jemand an seiner Seele zerren würde.

Sein Blick jagte auf den komplett schwarzen Stab hinunter, der im nächsten Moment zu feinstem Staub zerbarst.

Der Samurai taumelte zur Seite und holte tief Luft. Warum atmete er plötzlich so schwer? Das war doch nichts anstrengendes gewesen, nur die Überlagerung von zwei Rüstungen, nichts was man üblicherweise tat, aber auch nicht ungewöhnlich im Training.

Warum hatte es ihn so angestrengt.

„Lorenor, irgendetwas hier war seltsam. Wir sollten es noch einmal probieren, glaubst du, du...Ugh!“

Er stolperte mehrere Schritte zurück und verlor beinahe das Gleichgewicht.

Die rechte Hand des anderen bohrte sich tief in seine linke Schulter!

Vor Schmerz keuchte Dulacre auf und schleuderte den Jüngeren von sich, dieser riss dabei einige Haut- und Fleischfetzen mit sich.

Als der Samurai nach seiner Schulter griff konnte er das warme Blut fühlen das seine Hand benetzte und sein Hemd durchnässte.

„Was zur… Lorenor?“

Sein Schüler war mehrere Meter weit geflogen und gegen die nächstbeste Ruine gekracht, doch nun erhob er sich wieder, blieb allerdings in einer gebückten Haltung, die Hände wie groteske Klauen verkrampft.

Schweigend kam der andere auf ihn zu, langsam, beinahe elegant wie ein Raubtier und dann richtete Lorenor sich zu seiner vollen Größe auf.

Nur, dass das nicht mehr Lorenor war.

Seine ganze Haltung hatte sich verändert, selbstbewusst starrte er Dulacre an, den Kopf leicht schräg gelegt, die Schultern etwas zu weit zurück, die Arme lose nach hinten baumelnd.

Ein breites, beinahe animalisches Grinsen verzerrte seine Gesichtszüge, aber es waren diese weit aufgerissenen Augen, die absolut nichts mehr mit Lorenor Zorro zu tun hatten, die absolut nichts Menschliches mehr an sich hatten. Das tiefe Grün, was einst da gewesen war, Emotionen zu einfach zeigen oder verschließen konnte, war verschwunden, ließ nur noch reine Blutgier zurück.

„Und das ist also dein Monster?“, fragte er nach und betrachtete den anderen.

Mittlerweile zweifelte er an seiner schönen Theorie; Lorenor würde sich nicht in Loreen verwandeln, obwohl seine Zeit abgelaufen war. Oh nein, dieses Problem hatte nun er an der Backe.

„Wie lästig“, murrte er und betrachtete seine Schulter.

Schwer seufzend schüttelte er den Kopf.

„War das denn nun wirklich nötig, Lorenor? Guck dir das Hemd an, es ist ruiniert“, beschwerte er sich resigniert.

Leise lachte der andere, aber es war kein menschliches Lachen, es war schier wahnsinnig.

„Oh wirklich, so viel Klischee auf einmal, meinst du das ernst? Warte, lass das, das ist unhygienisch.“

Er wandte den Blick ab, als der andere seine rechte Hand hob und ein, zwei Tropfen Blut auffing, ehe er einen Finger entlang leckte.

„Uh.“ So viel Barbarei war ihm zuwider. Leicht schüttelte er sich.

„Warum werden alle immer zum wahnsinnigen Berserker? Warum kann dein Wahnsinn dich nicht kultiviert werden lassen?“

Im nächsten Moment griff das Monster vor ihm ihn an.

Er seufzte und wich ihm aus.

Der erste Angriff war ein Glückstreffer gewesen. Er hatte sich von der Überlagerung des Hakis ablenken lassen und hatte für eine Sekunde nicht damit gerechnet, dass der andere die Kontrolle verlieren würde.

Nur deswegen war der Jüngere überehaupt in der Lage gewesen ihn zu verletzen und natürlich weil er sein Rüstungshaki aufgelöst hatte.

Aber jetzt sah das ganze natürlich anders aus.

„Die Frage ist nur was mit dir passiert je länger dieser Zustand anhält“, murmelte er ruhig.

Eine Sekunde betrachtete er den anderen, beinahe wie eine Aura schwappte Lorenors Lebensenergie aus seinem Körper und waberte in der Luft.

Das Monster stahl ihm seine Kraft um mächtiger zu werden, saugte seinen Wirt aus, bis nur noch eine leere Hülle zurückbleiben würde, zumindest wirkte es so.

Dulacre vermutete, dass Lorenor über kurz oder lang sterben würde, wenn er nicht aufgehalten wurde.

„Ach, wie mühselig.“

Im nächsten Moment stand er neben dem Jungspund und schlug ihn gezielt in den Nacken.

Bewusstlos fiel Lorenor zu Boden.

„Und du dachtest wirklich, dieses Monster könnte mir gefährlich werden?“

Kopfschüttelnd warf er den anderen über seine unversehrte Schulter und trat den Rückweg an.

Immerhin hatte er es nun gesehen, endlich gesehen, nun wusste er endlich wovor Lorenor so große Angst hatte. Kein Wunder, dass die Marinesoldaten damals überfordert gewesen waren.

Dulacre fragte sich wie dieser Kampf wohl vonstatten gegangen wäre, wenn er keine Vorkenntnisse gehabt hätte, wenn Lorenor ihn nicht gewarnt hätte.

Vielleicht wäre es doch etwas gefährlicher geworden.

Nachdenklich stapfte er die Stufen zur Eingangstür empor und ging hinein.

„Oh, ihr seid schon wieder… was ist passiert?!“

Perona hatte offensichtlich auf sie gewartet und starrte ihn nun entgeistert an.

„Du bist verletzt!“, bemerkte sie entsetzt und deutete auf seine stetig blutende Schulter.

„Was für eine Beobachtungsgabe du doch hast“, kommentierte er kühl und ging an ihr vorbei, in die Tiefen des Schlosses.

In Lorenors Zimmer angekommen legte er diesen vorsichtig auf dessen Bett ab.

Nun sah er so unschuldig aus wie eh und je.

Kopfschüttelnd begab er sich ins anliegende Badezimmer und riss das zerstörte Hemd von seinem Körper, das sich mittlerweile schon komplett rot verfärbt hatte.

Einen Moment inspizierte er die Verletzung. Fünf unterschiedlich breite und tiefe Wunden hatten sich in sein Fleisch gefressen, beinahe wie die Krallen eines Tieres.

„Ich hab Verbandsmaterial geholt“, hörte er plötzlich die Stimme des Geistermädchens von nebenan.

Er warf einen weiteren Blick auf die Verletzung, ehe er kopfschüttelnd hinausging.

„Das ist nicht nötig, Geistermädchen.“

Unbeeindruckt zog sie eine Augenbraue nach oben.

„Hast du dich mal angesehen? Du blutest immer noch.“

„Es wird bald aufhören“, entgegnete er unwirsch.

„Stell dich nicht so an, du bist ja schlimmer als Zorro.“

Er ließ sie gewähren. Es war müßig mit ihr über so etwas zu streiten und außerdem musste er sich eingestehen doch etwas Ruhe genießen zu wollen.

„Hör zu“, erklärte er Perona während sie seine Schulter versorgte, „wir werden Lorenor nichts von diesem Kratzer sagen“, entschied er.

„Kratzer?“, wiederholte sie ironisch. „War er nicht dabei? Warum willst du ihm das verheimlichen?“

„Weil ich ihn kenne“, war alles, was er darauf antwortete.

Sie murrte irgendetwas zwischen zusammengebissenen Zähnen und ging dann.

Er jedoch blieb wie so häufig auf seinem Stuhl neben Lorenors Bett sitzen. Wie lange es wohl dauern würde, bis der andere aufwachen würde?

Vielleicht sollte er sich doch schnell noch ein neues Hemd holen.

Kapitel 27 - Respekt

Kapitel 27 - Respekt

 

-Mihawk-

Ein leises Stöhnen ließ ihn aufhorchen.

Er sah über seine Zeitung hinweg zur schmalen Gestalt im weißen Himmelbett, die sich kaum bewegt hatte, doch die Augen waren nun schmerzerfüllt zusammengekniffen.

Zufrieden faltete der Samurai seine Lieblingslektüre und legte sie auf den kleinen Nachtisch, Lorenor würde bald aufwachen.

Es wurde auch langsam Zeit, die Sonne hatte vor wenigen Minuten den Horizont verlassen, ein neuer Tag war angebrochen. Noch in der Nacht hatte Lorenor sich wieder in Loreen zurückverwandelt. Nachdem das Monster ihn verlassen hatte, war sein Körper zu erschöpft gewesen um sich seinem ewigen Fluch länger zu erwehren.

Der Samurai ließ seinen Blick durch das Zimmer des Jüngeren wandern, während er darauf wartete, dass Lorenor endlich zu sich kommen würde.

Es sah noch genauso aus wie damals als der verfluchte Pirat eingezogen war; der Raum war karg und leer, die wenigen Möbel schienen unbenutzt und verstaubt. Einzig und alleine der altertümliche Kleiderschrank und das danebenstehende Regal wirkten belebt.

Die Neugierde hatte Dulacre überreden wollen sich die Unterlagen auf dem Regal einmal etwas genauer anzuschauen – insbesondere den Vertrag mit Eizen, den Lorenor ihm vorenthielt – aber er hatte sich dagegen entschieden.

Das überraschte ihn selbst am meisten. Noch nie hatte er sich um solche Dinge geschert, aber hier und jetzt wollte er das Vertrauen, welches zwischen ihm und dem Jüngeren wuchs, nicht aufs Spiel setzten.

Seufzend fuhr er sich mit einer Hand durchs Gesicht.

Er hatte sich wirklich sehr verändert.

Dann fiel sein Blick auf den Jüngeren, dessen Lieder leicht flatterten, ehe er schließlich unter leisem Ächzen die Augen öffnete.

„Guten Morgen, Lorenor.“

Er konnte ein Lächeln nicht verhindern, als die verklärten Augen des anderen zu ihm herüber schwenkten. Der Jüngere wollte etwas entgegen, aber mehr als ein klägliches Wimmern kam nicht über seine Lippen.

„Beruhige dich, Lorenor. Ich bin mir sicher, dass dein Körper noch zu erschöpft ist. Du wirst dich vermutlich erst in ein paar Stunden wieder bewegen können.“

Lorenor blinzelte kurz und seufzte tief.

Obwohl sein Körper matt und kraftlos war, schien Lorenor geistig wach zu sein. Sein eben noch verschwommener Blick war nun zielgerichtet auf Dulacre gerichtet und ohne auch nur ein Wort zu sagen, wusste der Samurai was der andere von ihm wissen wollte.

„Du erinnerst dich nicht mehr daran, was passiert ist, oder?“

Der Jüngere blinzelte erneut und Dulacre nickte.

„Ja, das habe ich schon befürchtet. Es ist also wirklich genau wie in deiner Kindheit.“

Nun überschlug er die Beine und strich sich über den Bart.

„Also gut, ich werde dir von den Geschehnissen erzählen. Solltest du irgendwelche Fragen haben, kannst du sie mir immer noch später stellen.“

Wieder einmal bemerkte er wie ungewohnt es für ihn war, dass Lorenor ihn einfach so direkt anstarrte. Die meisten Menschen wichen seinem Blick aus, Lorenor jedoch suchte den Augenkontakt und hielt ihm problemlos stand.

„Wie dem auch sei, ich habe meine Vermutung was mit dir geschehen ist, aber lass uns beim Anfang beginnen.“

Er lehnte sich leicht vor, so fiel es ihm leichter den Blick des Jüngeren zu lesen, da seine Miene kaum mehr verriet als sein schweigsamer Mund.

„Wie du dich erinnern kannst bat ich dich darum meine Ummantelung des Bambusstabes zu überlagern. Ich wollte, dass du meinen Hakifluss wahrnimmst um zu verstehen, was dein Ziel ist. Allerdings ist dann etwas passiert mit dem selbst ich nicht gerechnet habe.“

Grinsend beobachtete er wie Lorenor ihn aus zusammengekniffenen Augen anstarrte. Seine rechte Augenbraue zuckte gefährlich und er atmete tief ein.

„Als deine Rüstung meine überlappte hast du mein Haki absorbiert.“

Nun weiteten sich Lorenors Augen und es war mehr als deutlich, dass der andere versuchte sich aufzurichten, doch nichts passierte und über seine Lippen kam nicht mehr als ein unzufriedenes Seufzen. Dulacre lachte leise auf.

„Ja, ich muss gestehen, dass ich von einer solchen Fähigkeit auch noch nie gehört habe“, meine er immer noch grinsend, „und doch zweifle ich nicht an meiner Beobachtungsgabe. Aber ich bin noch nicht fertig. Direkt nachdem du mein Haki aufgesaugt hast, bist du diesem Wahn verfallen, von dem du mir berichtet hast. Wir sind uns wohl einig darüber, dass ein Zusammenhang dazwischen besteht. Wie du weißt ist Haki nichts anderes als formgewordene Lebensenergie. Je höher das natürlich vorkommende Haki in einer Person ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie die Veranlagung des Königs in sich trägt, aber dazu mehr an einem anderen Tage. Ich vermute, dass du durch das Training eine hohe Menge deines eigenen Hakis verbraucht hast, vielleicht sogar eine lebensbedrohlich hohe Menge, ohne dass du dem Einhalt gebieten konntest.“

Der Jüngere beobachtete ihn ernst, nichts verriet was Lorenor wohl wirklich dachte und das würde sich auch nicht ändern, solange er sich nicht bewegen konnte, sodass Dulacre fortfuhr.

„Es ist eine deiner Eigenarten an deine eigenen Grenzen zu gehen und darüber hinaus. Ich glaube aber, dass in diesem Fall dein inneres Monster dich überwältigt hat und zwar in dem Moment, in dem du mein Haki absorbiert hast. Vermutlich um dein eigenes Leben zu retten.“

Nachdenklich rieb der Samurai sich den Nacken.

„Trotzdem ist es geradezu bedenklich, denn während du deinem Wahn verfallen warst, stieg zwar dein Haki in ungeahnte Höhen, gleichzeitig floss die Lebensenergie allerdings nur so aus dir heraus. Hätte ich dich nicht aufgehalten, hätte dieser enorme Kräfteverlust dich womöglich innerhalb weniger Minuten dahingerafft. Aus diesem Grund bist du nun auch so erschöpft.“

Seufzend erhob er sich.

„Du solltest jetzt noch etwas schlafen und dich erholen. Sobald es dir besser geht, können wir über dein zukünftiges Training sprechen.“

Lorenor wollte etwas entgegnen, doch sein Körper verriet ihn erneut und ihm entrang nicht mehr als ein schwerfälliges Stöhnen.

„Beruhige dich, Lorenor. Jetzt ist nicht die Zeit für Gespräche. Ich habe dir alles von Wichtigkeit mitgeteilt damit du nun in Ruhe zu Kräften kommen kannst. Also schlaf nun, sonst schicke ich nach dem Geistermädchen damit es auf dich Acht gibt.“

Der Jüngere schnaubte verächtlich und Dulacre nahm es als Zeichen zu gehen.

Für eine Sekunde überlegte er schlafen zu gehen, schließlich hatte er die vergangene Nacht wieder einmal am Bett seines Wildfangs verbracht, doch dann entschied er sich dagegen und wählte den Weg zum Kaminzimmer.

In der Eingangshalle traf er auf das Geistermädchen, die gerade das schwere Tor hinter sich zufallen ließ, in ihrem Arm ein riesiger, leerer Korb.

„Tze.“ Dulacre blieb stehen.

„Geistermädchen, ich erlaube dir zwar zu bleiben, aber es missfällt mir wie du meine Lebensmittel verschwendest.“

„Ich heiße Perona!“, entgegnete sie mit erhobenen Haupt und sah ihn ernst an. „Merke er sich das.“ Sie schien äußerst schlechte Laune zu haben, nicht dass es ihn kümmerte.

„Außerdem seit wann scherst du dich um so etwas wie Lebensmittel? Bei deinem Vermögen fallen doch ein paar Laib Brot mehr oder weniger kaum ins Gewicht.“

Eilig schritt sie an ihm vorbei, Richtung Küche.

„Glaubst du wirklich, dass dein Verhalten irgendetwas an der Situation ändert?“, fragte er kühl und sah ihr nach. „Egal wie viel Essen du ihnen bringst, die Humandrills werden dich trotzdem bei der erstbesten Gelegenheit erledigen. Es liegt in ihrer Natur und deine aufopfernde Nächstenliebe wird daran nichts ändern.“

„Na und?!“ Die Geisterprinzessin war stehen geblieben, drehte sich jedoch nicht zu ihm herum. „Darum geht es doch gar nicht!“

Leicht legte er den Kopf schief.

„Und worum geht es dann?“

„Ach, als würdest du das verstehen, schließlich hast du ein Herz aus Stein!“

Sie wollte weitergehen, blieb allerdings vor der Türe erneut stehen.

„Naja, außer es geht um Zorro natürlich.“

Mit diesen Worten verschwand sie.

Zurück blieb Dulacre, der sich von ihren Worten nicht einmal beeindrucken ließ. Natürlich verstand er, warum sie den Humandrills immer wieder die Essensreste brachte und normalerweise entschied er es zu ignorieren. Allerdings zweifelte er wirklich daran, dass ihre Gutmütigkeit Früchte tragen würde. Die Affen der Insel hatten über Generationen hinweg nur Kampf und Krieg kennengelernt, ein Mädchen mit rosa Zöpfen, die alle paar Tage einen Korb alte Backwaren vorbeibrachte, würde daran nicht viel ändern.

Auch der lächerliche Seitenhieb am Ende ihres Auftritts war nichts, worüber er sich Sorgen machte. Schließlich war es ein offenes Geheimnis, das Lorenor seine Schwäche war und es war nicht das erste Mal, dass das Geistermädchen in ihre Beziehung mehr hineininterpretierte als es tatsächlich war.

Wenige Sekunden später warf er sich auf seinen Lieblingssessel und zog die Zeitung wieder hervor, obwohl er sie bereits durchgelesen hatte. Dabei entschied er das unangenehme Ziepen seiner Schulter zu ignorieren.

Nicht ignorieren konnte er hingegen die Stimme des Geistermädchens.

Seufzend erhob er sich und entschied seinen Kindheitsfreund anzurufen, doch wieder einmal, war Jiroushin nicht zu erreichen.

Grübelnd kratzte Dulacre sich am Hinterkopf, ehe er schließlich den Kopf schüttelte und entschied solch sinnlose Gedanken nicht weiter zu verfolgen.

 

-Zorro-

Er sollte liegen bleiben.

Er sollte sich beruhigen.

Er sollte noch etwas schlafen.

Dieser Mihawk würde noch etwas erleben.

Nicht nur, dass Zorro sich überhaupt nicht bewegen konnte, nein, dann erzählte dieser Mistkerl ihm mal ebenso, dass er nicht nur durchdrehte, sondern auch noch Haki absorbierte, nur um dann abzuhauen und ihn hier alleine zu lassen.

Alleine in einem leeren Raum, unfähig sich zu bewegen, seinen im Kreis rennenden Gedanken hilflos ausgeliefert.

Es war also wieder passiert, Zorro hatte wieder das Rüstungshaki eingesetzt und wieder einmal hatte er keine Erinnerungen daran was passiert war.

Er erinnerte sich daran wie der Samurai den Bambus verhärtet hatte und ihn dann aufgefordert hatte das ebenfalls zu tun und dann war Zorro in seinem Bett aufgewacht, was dazwischen geschehen war, da konnte er nichts anderes tun als Dulacre Glauben schenken.

Die Fähigkeit Haki zu absorbieren.

Von so etwas hatte er noch nie gehört, nein so etwas konnte es nicht geben und warum sollte ausgerechnet er so etwas tun können?

Und warum hing es damit zusammen, dass er durchgedreht war?

Zorro verstand gar nichts mehr.

Aber zumindest eine Sache hatte er lapiert: Dulacre dachte anscheinen nicht einmal im Traum daran, das Training aufzugeben, ihn aufzugeben.

Was auch immer geschehen war, es hatte den Samurai anscheinend nicht so sehr schockiert wie Zorro es befürchtet hatte.

Nein, wenn er ganz ehrlich war, so hatte der andere eher neugierig, ja fast schon gespannt gewirkt.

Vielleicht, nur vielleicht, gab es also Hoffnung für ihn?

Schwer seufzte der ehemalige Piratenjäger auf. Selten haderte er mit der Vergangenheit, aber gerade fragte er sich wirklich was wohl geschehen wäre, wenn er von Anfang an unter Mihawks scharfen Augen den Schwertkampf gelernt hätte.

Nein, das war undankbar seinem Meister, seiner Vergangenheit gegenüber. Es war unfair Kuina gegenüber.

Außerdem hätte der Samurai nie ohne Weiteres ein vorlautes Gör unter seine Fittiche genommen. Selbst jetzt wunderte er sich manchmal, warum der andere sich so einfach von ihm beeinflussen ließ.

Er hatte nun schon mehrmals gehört, dass Dulacre nach ihrer ersten Begegnung ihm größeres Interesse gezollt hatte als sonst für ihn anscheinend üblich und natürlich war ihm auch aufgefallen, dass sie – trotz all ihrer Unterschiede, und davon gab es viele – auch einige Gemeinsamkeiten hatten.

Gerade was die Schwertkunst betraf teilten sie eine ähnliche Sichtweise und einen gleichwertig tiefen Respekt den Schwertern gegenüber, den Zorro bisher noch von keinem anderen Schwertkämpfer kannte.

Das sie mittlerweile eine bedeutsame Freundschaft verband konnte Zorro schon lange nicht mehr abstreiten, aber hätte der Samurai ihn damals auch unterstützt, wenn er nicht so besessen von ihm gewesen wäre?

Warum hatte der andere überhaupt einen Narren an ihm gefressen?

Der Pirat wusste, dass er einen Eindruck hinterlassen hatte, dass er den anderen vielleicht sogar beeindruckt hatte. Aber war das schon Grund genug für den anderen gewesen, sich über sämtliche Vorfälle seiner Crew zu informieren?

Erneut seufzte er, solche Gedankengänge würden ihm doch jetzt nichts bringen. Die Dinge waren nun einmal so wie sie waren und Zorro wusste, dass er an jenem verhängnisvollen Tag auch noch viel zu stolz gewesen wäre um den Samurai zu bitten, sein Lehrmeister zu werden.

Diese Demut hatte Zorro erst durch die Menschen gelernt, die ihm wichtiger waren als sein eigener Stolz.

Jetzt war er also hier, nach all diesen nervigen Umständen, in dem Körper einer jungen Frau, durch einen Vertrag an einenm Politiker gebunden, für zwei Jahre auf einer Insel mit dem besten Schwertkämpfer der Welt.

Nur damit er besser werden würde, nur damit er stark genug werden konnte um erst sich selbst und dann seine Crew beschützen zu können, nur damit er schließlich den Mann besiegen konnte, der ihn nun trainierte.

Jetzt war er also hier und konnte sich nicht bewegen, aber es machte ihm deutlich weniger aus als er es erwartet hatte.

Eigentlich war er sogar ganz guter Dinge.

Damals als Kind war sein Meister zwar ruhig mit ihm umgegangen, aber Zorro hatte gewusst, dass auch er mit den Geschehnissen überfordert gewesen war. Sie beide hatten geglaubt, dass seine Hakifähigkeiten irgendwie beeinträchtigt wären.

Dulacre hingegen hatte nicht im mindesten ernüchternd gewirkt oder gar eingeschüchtert. Für ihn schien es nicht mehr zu sein als eine neue Herausforderung, als ein spannendes Schachspiel und irgendwie, ja irgendwie fühlte Zorro sich dadurch sicher.

Wie schlimm konnte es schon sein, wenn selbst das Monster in ihm noch nicht einmal in der Lage war den stärksten Schwertkämpfer der Welt auch nur zu erschrecken?

Leicht schüttelte er den Kopf, dabei hatte er sich wirklich schon Sorgen gemacht, dass er den anderen verletzen würde, wie unnötig.

Oh, da viel ihm auf, dass sein Körper anscheinend langsam wieder auftaute, wurde aber auch Zeit. Auch wenn ihm bewusst war, dass er damals viel länger bewegungsunfähig gewesen war. Er vermutete, dass der Samurai seinen Zustand schneller unterbrochen hatte als es seinem Meister gelungen war.

Wie gerne würde er nun noch einmal mit dem alten Koshiro reden, eines Tages würde er in den East Blue zurückkehren und seinem Lehrmeister alles erzählen.

Mit diesem Gedanken erlaubte er sich tatsächlich wieder einzuschlafen.

 

Doch irgendwann wachte er dann wieder auf. Da sein Zimmer immer noch von Tageslicht geflutet wurde ging er davon aus, dass es noch – oder aber auch wieder – Tag war.

Zu seiner Überraschung saß jedoch nicht der Samurai auf dem Stuhl neben seinem Bett, sondern Perona.

Sie war am stricken und hatte noch nicht einmal bemerkt, dass er wieder aufgewacht war.

„Was machst du denn hier?“, murrte er und richtete sich mühsam auf, selbst seine Zunge fühlte sich geschwollen und schwer an.

Schmerzen hatte er keine, einzig ein nerviges, taubes Gefühl schlich durch seine Glieder und ließ sie immer wieder kribbeln.

Überrascht sah die junge Frau auf und dann schlich sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen.

Der Schwertkämpfer verstand nicht warum sie entschieden hatte auf dieser Insel zu bleiben und die meiste Zeit musste er dem Samurai zustimmen, dass sie eine reine Nervensäge war, aber eigentlich war sie auch nicht schlimmer als Nami und sobald ihr der Zucker ausging war sie sogar eine ganz passable Köchin. Zumindest war sie besser, als wenn Zorro selbst kochen würde und er musste ihr Zugute halten, dass sie sich immer um seine Verletzungen kümmerte – obwohl das auch nervig war – und jede noch so bescheuerte Scharade mitmachte.

„Na, nach dir sehen, was denn sonst?“, entgegnete sie nicht halb so schnippisch wie sie es wohl beabsichtigt hatte. „Falkenauge hat gesagt, dass du einen Durchbruch oder so hattest, aber ich hab keine Ahnung, was er damit meint, schließlich hast du fast einen kompletten Tag durchgepennt und außerdem hast du...“

Eine ihrer Stricknadeln fiel zu Boden.

„Ach verdammt! Ist ja auch egal. Ich werde diesen komischen Kauz wohl nie verstehen. Er ist so ein Idiot und immer so schlecht gelaunt. Wie kannst du ihn nur mögen? Zu mir ist er die ganze Zeit so fies, nicht einmal hat er mich bei meinem Namen genannt.“

Leicht schmunzelnd hob Zorro eine Augenbraue an. Im Verhältnis zum genannten Kauz sorgten die Unterhaltungen mit ihr selten für Kopfschmerzen, außer wenn sie ruckartig von einem Thema in ein völlig anderes abrutschte.

„Das mag daran liegen, dass du ziemlich respektlos bist“, mutmaßte er desinteressiert.

„Was? Wovon redest du? Als hättest du Manieren mit Löffeln gegessen, du ungehobelter Grobian.“

Unbeeindruckt hielt er ihrem Blick stand.

„Das eine hat doch nichts mit dem anderen zu tun. Ist doch egal mit welchem Messer man das Fleisch schneidet, aber warum sollte der Herr des Hauses dich respektvoll behandeln, wenn du es noch nicht einmal schaffst ihm bei seinem Namen zu nennen?“

Überrascht wuchsen ihre eh schon überdimensional großen Augen noch ein Stück.

„Wie meinst du das?“

Seufzend klopfte er leicht gegen seine kribbelnden Beine.

„Er mag den Beinamen ‚Falkenauge‘ nicht, ist dir das etwa noch nicht aufgefallen?“

Nun sah sie beinahe beschämt auf ihre Strickzeug.

„Ach so, er mag es also nicht wenn ich ihn so nenne“, murmelte sie sichtlich betroffen, „und deswegen ist er so gemein zu mir?“

Der Pirat zuckte mit den Achseln. Eigentlich konnte es ihm wirklich egal sein, wie der Samurai die Geisterprinzessin behandelte, aber ach ja, sie hatte ja auch ihre kindlichen Seiten.

„Naja, also um ganz ehrlich zu sein glaube ich, dass das nur eine Kleinigkeit ist“, murrte er und kratze seinen Hinterkopf.

„Was? Aber was ist es dann?“, entgegnete sie und rutschte auf ihrem Stuhl nach vorne. „Warum ist er nur zu dir lieb? Bei mir ist er immer wie ein unzivilisierter Grobian.“

Der Grünhaarige zweifelte an dieser Aussage und zuckte erneut mit den Schultern.

„Wie gesagt, es hat etwas mit Respekt zu tun. Ich denke es liegt eher an deiner generellen Art, du nervst ihn halt.“

„Ja aber warum? Was kann ich ändern, dass er etwas lieber zu mir ist?“

Langsam rückte sie ihm auf die Pelle.

„Woher soll ich das wissen?“, grummelte er abwehrend. „Und warum interessiert es dich was er von dir denkt? Wenn du immer nur anderen gefallen willst, kannst du irgendwann deinem Spiegelbild nicht mehr in die Augen gucken.“

Leicht legte sie den Kopf schräg.

„Wovon redest du? Ich will doch einfach nur hier wohnen können ohne dass er dauernd meint, dass ich seiner Meinung nach drauf gehen könnte.“

Zorro seufzte entnervt. Langsam ließ das Kribbeln nach, bald würde er das Bett und bitte auch dieses Gespräch verlassen können.

„Du vergisst wer Dulacre ist“, meinte er dann schließlich und entschied sich ihr tatsächlich zu helfen. „Du musst dir seine Wertschätzung erarbeiten. Keine Ahnung wie das geht, ganz ehrlich. Aber ich glaube, dass er dich nicht mögen wird nur weil du ein paar wilde Affen durch den Winter fütterst. Andauernd redest du darüber, dass du dir um Moria Sorgen machst, trotzdem willst du weder die Insel verlassen noch nach ihm suchen. Ich glaube einfach, dass Dulacre mit dir nichts anzufangen weiß da du deinen leeren Worten keine Taten folgen lässt.“

Zu seiner Verwunderung wirkte sie erstaunlich ernst.

„Dulacre wird dich nicht respektieren nur weil du dich im Schloss nützlich machst oder weil du aus Gutmütigkeit jemandem anderen hilfst.“

Für einen Moment schien sie nachzudenken, zupfte dabei immer wieder an ihren Zöpfen.

„Aber was muss ich dann tun?“, fragte sie ihn.

„Nun ja, ich würde sagen aufhören mich zu fragen was du tun sollst und mal selber nachdenken.“

Unzufrieden zog sie eine Schnute.

„Aber dich respektiert er doch.“

Kopfschüttelnd warf Zorro beide Beine über die Bettkante.

„Es gibt kein Lehrbuch darüber wie man Leute dazu kriegt einen zu mögen, Perona. Und wenn doch dann ist mir dieses Buch herzlich egal. Dulacre und ich haben ähnliche Ansichten und setzten uns ernsthaft mit der Schwertkunst auseinander, vielleicht respektiert er mich deswegen. Aber da musst du schon ihn fragen, warum genau.“

Wackelig stand er auf. Er hatte noch nicht einmal versucht, sich wieder in Zorro zu verwandeln, wissentlich, dass er es zurzeit nicht schaffen würde.

Die nachdenkliche Perona hinter sich lassend wankte er durch die Untiefen des Schlosses, bis er schließlich im großen Kaminsaal ankam.

Wie erwartet fand er dort auch den Samurai, der über sein Auftauchen sichtlich überrascht schien.

„Solltest du nicht noch im Bett liegen?“, fragte der Schwarzhaarige mit einem leichten Schmunzeln und sah von dem kleinen Buch in seiner Hand auf. „Deine Beine wirken noch recht unsicher.“

„Klappe“, murrte Zorro unbeeindruckt und ließ sich schwerfällig auf das Sofa gegenüber vom Samurai fallen.

Der kleine Marsch von seinem Zimmer bis hierhin hatte ihn doch erschöpft.

Wie er es hasste andauernd ausgelaugt zu sein.

„Ich bin hier“, murmelte er dann kühl, „also lass uns über den Trainingsplan reden!“

Der Ältere nickte und klappte das Buch zu.

„Wie du willst.“

Ein böses Grinsen schlich über die Züge des besten Schwertkämpfer der Welt.

„Natürlich kann ich von einem Versuch noch nicht sämtliche Rückschlüsse ziehen, trotzdem habe ich einen Plan.“

 

Kapitel 28 - Unterricht

Kapitel 28 - Unterricht

 

-Zorro-

„Bist du dir sicher?“, murrte er zweifelnd.

Der andere rollte übertrieben mit den Augen.

„Würde ich dir sonst diesen Vorschlag unterbreiten, Lorenor? Vertrau mir.“

Nun rollte Zorro genervt mit den Augen.

Für eine weitere Sekunde sah er den anderen noch missmutig an, doch dann atmete er tief ein und nickte.

Der Samurai hielt ihm seinen mit Haki ummantelten Arm hin.

Nachdem sie am vergangenen Tag überprüft hatten, dass seine Hakifähigkeiten nicht im mindesten durch seinen manischen Moment eingeschränkt worden waren, hatten sie ausprobiert, ob Zorro seine eigenartige Fähigkeit auch in Loreens Gestalt anwenden konnte, aber er war kläglich gescheitert und hatte Dulacres Vermutung bestätigt, dass er als Loreen weder Haki absorbieren konnte noch die Kontrolle verlieren würde.

Das hatte ihn zwar etwas beruhigt, aber das neuee Experiment war genug um seinen Puls wieder hochfahren zu lassen.

Heute hatte Zorro selbst noch keinerlei Haki eingesetzt um sicherzugehen, dass seine Speicher voll genug waren.

Mihawk wollte heute das Monster in ihm überhaupt nicht provozieren, sondern sich nur auf diese andere Fähigkeit konzentrieren um festzustellen, ob beides miteinander verbunden war.

Zorros heutige Aufgabe war eigentlich ziemlich simpel: er sollte Dulacre‘s Haki absorbieren.

Doch er fand diese Trainingsmethode schlichtweg dumm.

Was würde passieren, wenn er zu viel Haki des anderen aufnehmen würde nur um dann doch durchzudrehen?

Was wäre, wenn seine inneren Dämonen den anderen verletzen könnten?

„Beruhige dich, Lorenor. Selbst wenn du wieder deiner Manie erliegen solltest, so werde ich doch noch stark genug sein um dir nicht zum Opfer zu fallen.“

„Was macht dich da so sicher?“, murrte Zorro zweifelnd, doch der andere schmunzelte nur.

„Unterschätze mich bitte nicht. Ich bin ein fähiger Kämpfer, selbst ohne mein Schwert, und reine Kraft wird nicht ausreichen um mich zu besiegen.“

Sein vor Selbstbewusstsein strotzendes Ego konnte manchmal wirklich nervig sein und doch beruhigte es Zorro irgendwie. Nie vergaß er wer der andere war. Selbst wenn Dulacre in seinem großen Sessel vor sich hindöste oder für Kanan ein Bratenrezept aus der Zeitung ausschnitt, nie vergaß Zorro, dass der Mann vor ihm der beste Schwertkämpfer der Welt war.

Aber er musste eingestehen, dass er manchmal vergaß was das bedeutete.

Mihawk war nicht nur ein hervorragender Stratege und Meister seiner Kunst, nein, um diesen Titel zu erhalten und zu behalten brauchte es mehr, es brauchte Kraft, Ausdauer, Geschick, Mut und Dinge, die Zorro noch nicht einmal zu benennen wusste.

Manchmal vergaß Zorro, dass der Mann vor ihm alles andere war als nur ein Lehrmeister und Gelehrter.

Mihawk war schmaler gebaut als Zorro, sehniger, ähnlich wie der Koch, vielleicht lag es daran, dass der Grünschopf eine solche Statur nicht unbedingt mit Stärke verband.

Ja, der Koch war kein schlechter Kämpfer, ein ziemlich guter sogar – obwohl Zorro das nie laut zugeben würde – aber in Sachen Kraft war Zorro ihm immer überlegen gewesen. Einzig durch seine flinken Beine hatte er mit ihm mithalten können.

Nun sah er den anderen an; war er wirklich so naiv gewesen den besten Schwertkämpfer der Welt einzig aufgrund seiner Gestalt zu unterschätzen?

„Lass dich nicht ablenken, Lorenor“, ermahnte ihn sein Gegenüber kühl. „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Wir sollten anfangen.“

Sich selbst zunickend entschied der ehemalige Piratenjäger diesen Gedanken fürs erste zu verwerfen und sich auf die Aufgabe vor ihm zu konzentrieren.

Tief atmete er ein und griff zu.

Im ersten Moment passierte gar nichts.

Mihawks schwarz verfärbter Arm fühlte sich hart und beinahe kalt unter seinen Fingern an, eher wie Metall als wie lebendiges Fleisch.

Doch dann fühlte er es, beinahe beiläufig, wie Tropfen kalten Wassers die seine Fingerspitzen hinauf, über den Handrücken und die Handfläche hinweg seinen Arm empor glitten.

Dulacre hatte mit seiner Vermutung richtig gelegen.

„Interessant“, murmelte ebendieser und Zorros Blick huschte von seinem eigenen Arm hoch zum konzentrierten Gesicht des Samurais, welcher sich leicht hinabgebeugt hatte um seinen und Zorros Arm noch genauer betrachten zu können.

„Machst du es bewusst?“, fragte Dulacre dann und erwiderte seinen Blick.

„Ich hab keine Ahnung wie das geht oder was genau hier los ist“, entgegnete Zorro schnell mit einem leichten Schulterzucken. Sein eigener Arm fühlte sich mittlerweile recht kühl an und er konnte spüren, wie sich dieses Gefühl langsam über seine Brust verteilte.

„Das ist dein Haki?“, murmelte er, obwohl er es ja genau wusste und legte die andere Hand auf seine Brust, doch dann sah er wieder auf.

„Tut es weh?“

Das leichte Grinsen des anderen wurde eine Spur breiter.

„Machst du dir etwa Sorgen um mich?“

Zorro wollte etwas erwidern, aber der Ältere sprach bereits weiter.

„Es ziept unangenehm, als wäre eine winzige Injektionsnadel durch die Adern in meinem Arm bis zu meinem Herzen gelegt und würde direkt von dort mein Blut abpumpen.“

Überrascht lehnte der Jüngere sich etwas zurück.

„Das ist seltsam konkret“, murmelte er verwundert.

„Es ist auch ein seltsam konkretes Gefühl“, lachte der Samurai leise, bevor er wieder ernst wurde. „Wie fühl es sich für dich an?“

Zorro versuchte dem anderen das Gefühl der kalte Wassertropfen zu erklären während sich die Kälte sowohl über seinen anderen Arm als auch in seine Bauchgegend ausbreitete.

Allmählich wurde ihm übel.

Als hätte der andere seine Gedanken gelesen, bedeutete er ihm loszulassen.

Aber zu Zorros Überraschung war das gar nicht so leicht.

Wie festgefroren konnte er seine Finger nur schwerfällig bewegen und sein Arm war ungewohnt schwer.

In dem Moment als er den anderen endlich loslassen konnte fiel ihm das Atmen schwer, als wäre zu viel Last auf seinem Körper.

„Was…?“ Er konnte kaum sprechen, doch der Ältere sagte nichts sondern umkreiste ihn nur wie ein Bildhauer, der sein Werk begutachtete.

„Es ist zu viel Energie für deinen Körper“, erklärte der Samurai ruhig was er fragen wollte.

„Wie eine Flutwelle, die nur von einem Damm gehalten wird. Wenn wir nichts tun, wird es dich bald zerreißen.“

Und warum war der andere dann so verdammt gelassen?!

„Wie?“, keuchte Zorro und spürte, wie es ihm schwerfiel die Schultern gerade zu halten. Seine Muskeln verkrampften sich immer mehr und er konnte sich kaum bewegen.

„Das ist doch ganz simpel: Setze dein Haki ein.“

Es war wie eine Explosion.

Obwohl er nur die Arme verhärten wollte spürte er wie sein ganzer Körper vom Haki überzogen wurde.

„Sehr gut“, hörte er die Stimme des Älteren, „fühlt es sich besser an?“

Er nickte nur während er spürte wie die Kraft aus ihm herausjagte.

„In Ordnung, Lorenor, dann komm.“

Verwirrt starrte er den anderen an.

„Du musst dich bewegen unabhängig von der Stärke deiner Rüstung; lass die Energie nicht deine Muskeln lähmen, sonst wirst du Probleme bekommen dich überhaupt noch bewegen zu können. Also gehen wir jetzt laufen.“

Obwohl Zorro geradezu spüren konnte wie die Energie aus ihm herausfloss, dauerte es lange bis das bedrückende Gefühl der Enge nachließ.

Vor Schweiß triefend blieb er stehen, noch immer konnte er spüren wie diese ungekannte Kraft in ihm brodelte, aber nun war es nicht mehr zu viel, nun war es beinahe angenehm, beflügelnd.

Zufrieden nickte der Ältere und Zorro fragte sich einen Moment wie viel Lebensenergie er dem anderen abgezapft hatte und ob es ihn wirklich so wenig beeinflusste wie es schien.

„Gut, du musst also drei Dinge lernen.“

Der Samurai hob den ersten Finger.

„Erstens, dass du fremdes Haki nur absorbierst wenn du es auch möchtest. Dir ist es mit Sicherheit auch aufgefallen. Mit dieser Fähigkeit könntest du deine leeren Speicher in einem Kampf jederzeit wieder auffüllen, was dir ungeahnte Vorteile schaffen würde, aber wenn du es nicht abschalten kannst und zu viel absorbierst, verlangsamt und beschwert es dich nur.“

Zorro nickte.

„Damit einhergehend ist Nummer zwei: Du musst die Fasskraft deiner inneren Speicher maximieren und ihre Grenzen genau kennen um eben diese Tücken zu verhindern. Eben hast du viel zu viel von meinem Haki in dir aufgenommen und die Energie, die du nicht mehr halten konntest wird zu deinem Feind.“

Dann erhob der Samurai den dritten Finger.

„Und natürlich musst du lernen sowohl dein eigenes, als auch fremdes Haki zu kontrollieren. Wir müssen noch herausfinden wie ich dir den Fluss des Hakis zeigen kann, ohne dass du automatisch mein eigenes aufsaugst. Sonst wird es mir schwer fallen dir zu zeigen, wie viel Haki du einfach...“

„Ich hab‘s bemerkt“, unterbrach Zorro den anderen. „Du meinst damit doch, dass ich das Haki einfach so aus mir herauslaufen lasse, oder?“

Er mochte gar nicht wie sich das anhörte, aber der andere nickte.

„Ja, das habe ich gerade gespürt, ich konnte fast sehen, wie es aus meiner Haut tropfte.“

„Ah, das trifft sich ja gut. Dann lass uns direkt damit beginnen.“

„Und wie?“

Wie aus dem Nichts zog der andere einen Schwamm aus seiner hinteren Hosentasche.

Verdutzt starrte der Jüngere auf den orangengroßen Schwamm und fragte sich, ob der Ältere den wirklich die ganze Zeit mit sich herum getragen hatte, aber auch was er damit tun sollte.

„Ich möchte, dass du ihn ummantelst“, antwortete Dulacre auf seine ungestellte Frage, „aber ohne, dass er seine Form verändert.“

 

-Mihawk-

Und damit sollte Lorenor die nächsten Tage verbringen.

Schon seit über einer Woche waren sie nicht mehr zu den Ruinen aufgebrochen um gemeinsam zu trainieren.

Natürlich joggte der Jüngere immer noch seine Runden jeden Morgen und natürlich verbrachte er viel seiner Zeit unter Dualcres Aufsicht, aber solange er sein Rüstungshaki nicht im mindesten so gut konzentrieren konnte wie sein Observationshaki, konnten sie nicht mit dem eigentlichen Training - dem Kampftraining – beginnen.

Über die Tage hatte sich auch seine andere Vermutung bestätigt: solange sich Lorenors eigenes Haki nicht zu sehr erschöpfte zeigte sich sein persönlicher Dämon nicht.

Das hatte zum Vorteil, dass sie sich derzeit mit dem Thema noch nicht zu sehr beschäftigen mussten und das war auch gut so, denn Dulacre war sich noch uneins darüber, wie er es am besten angehen sollte.

Lorenors inneres Monster war ein Verteidigungsmechanismus; wenn Lorenors Kräfte ihn verließen und ein fremdes Haki in Reichweite kam, erwachte das Monster um die eigenen Speicher aufzufüllen, gleichzeitig jedoch verbrauchte es alle zur Verfügung stehende Energie für einen schnellen Sieg.

Das war zwar gefährlich, da dieser hohe Krafteinsatz für Zorro tödlich enden könnte, trotzdem fand Dulacre diesen inneren Dämon zunächst einmal nützlich.

Allerdings bestand da dieses kleine Problem, dass Lorenor in diesem Zustand ganz offensichtlich nicht Freund von Feind unterscheiden konnte, daher wäre es schon ganz gut, wenn er es kontrollieren lernen würde.

Aber wie wusste er halt noch nicht und natürlich waren die Vermutungen des Samurais alles andere als bestätigt, doch Dulacre war eigentlich noch ganz entspannt.

Bevor sie zu diesem Thema kommen würden, musste Lorenor erst einmal die anderen Aufgaben meistern und dieser saß gerade im Schneidersitz vor dem prasselnden Kaminfeuer, den Schwamm in beiden Händen, welcher genau in dieser Sekunde sich schwarz verfärbte und auf die Größe einer Wassermelone anschwoll; wie eine heiße Kartoffel ließ der Jüngere den Schwamm fallen.

Missmutig rieb er sich durchs Gesicht.

„Das war doch schon etwas besser“, meinte der Samurai aufbauend und faltete die Zeitung zusammen, doch der andere sah ihn nur unbeeindruckt an ohne etwas zu entgegnen.

„Komm her“, befahl er dann sachte und hielt dem Jungspund seinen Arm hin.

Sie hatten sich schnell angewöhnt, die Übung der Hakikontrolle mit dem der Hakiabsorbtion zu kombinieren. Dadurch konnte Lorenor zum einen die Zeit wirklich zum trainieren nutzen bis er sich zu Loreen verwandeln musste und zum anderen konnten sie so verhindern, dass Lorenor wieder seiner Manie verfallen würde.

„Das gefällt mir nicht“, murrte der andere, als er sich erhob und zu ihm stapfte. „Was ist, wenn das hier Nebenwirkungen für dich hat?“

Lorenor machte sich wirklich Sorgen um ihn, wie putzig.

„Wann wirst du endlich verstehen, dass deine Sorge um mich unbegründet ist?“

„Tze“, murmelte der andere nur leicht errötend, „halt doch einfach die Klappe.“

Wie ein hungernder Vampir griff der andere nach seinem Arm.

Erneut stellte er fest, dass Lorenor ihm kein Haki aussaugen konnte, solange er selbst es nicht anwandte.

Diese Information war sehr relevant für ihn. Schließlich trainierte er zwar den anderen damit dieser ihn eines Tages besiegen würde, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er es ihm einfach machen würde.

Nein, diese Situation gab auch ihm einen ungekannten Vorteil. Nun kannte er Lorenors geheimste Stärke und hatte Zeit sich eine Gegenstrategie zu überlegen.

Wie schockierend es für einen Gegner sein musste festzustellen, dass das eigene Haki viel schneller schwand als sonst während das Gegenüber immer stärker zu werden schien?

Dulacre vermutete, dass er wahrscheinlich nicht lange gebraucht hätte um herauszufinden was passierte, aber die Frage war doch, ob er innerhalb der kurzen Zeit eines Kampfes auch den Schwachpunkt hätten finden können.

Allerdings waren diese „Was wäre wenn...“ Gedanken müßig.

Zufrieden stellte er fest, dass Lorenor zumindest schon einschätzen konnte wie viel Haki er aufnehmen konnte.

„Du scheinst heute sehr unzufrieden“, mutmaßte er.

„Wundert dich das?“, entgegnete der Jüngere. „Wie soll ich ein besserer Kämpfer werden, wenn ich wochenlang an den Grundlagen festhänge? Auf Sasaki hab ich wenigstens gekämpft, mit oder ohne Schwert.“

Sein Wildfang ließ ihn los, noch immer war dies sein einziger Weg um den Hakistrom zu unterbrechen.

„Lorenor, mir ist wohl bewusst, dass du im direkten Kampf die meisten Fortschritte erzielst. Trotzdem“, mahnend erhob er den Zeigefinger, „gute Vorarbeit sichert den Erfolg.“

Verächtlich schnaubend stand der andere wieder auf und fischte nach seinem Schwamm.

„Das ist kein dummer Spruch, Lorenor“, schollt er die Gedanken des Jüngeren, „das ist die Wahrheit. Auf Sasaki habe ich mich auf deine größten Problemherde konzentriert um sicher zu gehen, dass du überleben würdest. Jetzt haben wir die Zeit dich wirklich aufzubauen und das würde ich ungern damit verschwenden, dich einfach nur Tag für Tag mit deinen Schwertern herumfuchteln zu lassen.“

„Herumfuchteln?“, wiederholte der andere und baute sich vor ihm auf, doch seine Drohung beeindruckte ihn nicht.

Dulacre seufzte.

„Sag Lorenor, wie hast du alleine trainiert? Eine Schrittfolge bis zum umfallen wiederholt, immer nur mit deinen Schwertern trainiert? Oder eher deine Muskeln mit Gewichten gestählt, deinen Geist mit Meditation gestärkt?“

Der Jüngere sah ihn äußerst sauer an ohne etwas zu sagen und wandte sich wieder seinem Schwamm zu, augenblicklich wuchs dieser auf doppelte Größe an.

 

Dieser Schwamm sollte Lorenors ständiger Begleiter werden, beim Schachspielen, beim Essen, wenn er Unterlagen von Eizen durcharbeitete.

Selbst als Loreen trug er ihn immer mit sich herum und versuchte ihn von innen heraus zu verhärten, ohne dass er anschwoll. In dieser Form fiel es ihm deutlich leichter, was aber auch einfach daran liegen mochte, dass Loreens natürlicher Hakifluss im generellen langsamer war. In Loreens Gestalt würde er langsamer sein Haki verbrauchen, gerade wenn er den Fluss noch nicht kontrollieren konnte.

„Ist er immer noch mit dem Schwamm dran?“ fragte das Geistermädchen verwundert nach, ehe sie im Türrahmen stehen blieb. „Was machst du eigentlich in der Küche?“

Der Samurai würdigte sie nicht eines Blickes, während er das heiße Wasser über die Kräuter goss.

„Das hier ist meine Küche, ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen.“

Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie sie ihm die Zunge herausstrecke.

Leise vor sich hin murmelnd begann sie damit das Abendessen vorzubereiten, er hingegen stellte den leeren Wasserkessel wieder weg und betrachtete die im heißen Wasser tanzenden Blätter.

Doch er kam nicht umhin sie zu beobachten.

Sie bemühte sich, dass gestand er klaglos ein, trotzdem machte sie Fehler die sogar ihm auffielen und er war nun wahrlich kein Meister in der Küche.

„Doch nicht so“, schritt er schließlich ein, als sie drauf und dran war die gewürfelten Zwiebeln gleichzeitig mit den anderen Zutaten in eine kalte Pfanne ohne Öl zu werfen.

„Du musst erst die Pfanne erhitzen und dann die Zwiebeln anbraten.“

Überrascht sah sie zu ihm auf, als er das Sieb mit seinen Kräutern in die Spüle legte und sich zu ihr an den Herd gesellte.

„Woher weißt du eigentlich wie man kocht?“, fragte sie erstaunt.

„Ich bin Jungesselle, was erwartest du?“, erwiderte er kühl und machte den alten Herd an. Seine Kochkünste konnten wahrlich nicht mit Kanans mithalten, aber er verbrachte viel Zeit alleine und es reichte zumindest seinem Gaumen.

„Wenn das Öl anfängt Schlieren zu ziehen, kannst du die Zwiebeln hineingeben“, wies er sie an und stellte die richtige Temperatur ein.

Danach ging er zur Spüle hinüber und kümmerte sich um seine Kräuter, wohl wissend, dass ihre großgeschminkten Augen ihn verfolgten.

„Danke“, sagte sie schließlich und er nickte ohne sie anzusehen.

„Was hast du da gemacht?“, fragte sie ihn, als er zur Teekanne hinüberging.

„Tee“, entgegnete er kühl.

„Ja, das sehe ich. Aber was für welchen? Er riecht komisch?“

Er wusste nicht so recht, ob ihn ihr Interesse überraschen oder nerven sollte, trotzdem antwortete er: „Es ist eine spezielle Mischung aus Grüntee, Matcha und noch ein paar anderen Zutaten. Er fördert die Konzentration und die Durchblutung.“

„Für Zorro?“, mutmaßte sie zutreffend.

Wieder nickte er und stellte Kanne und Tassen auf ein kleines Tablett.

„Du magst ihn wirklich sehr, oder?“

Nun diese direkte Frage traf ihn doch unvorbereitet.

„Er ist ein vielversprechendes Talent“, antwortete er vage.

Sie schnalzte mit der Zunge und schob die Pfanne ein wenig hin und her.

„Weich doch nicht aus. Es ist offensichtlich. Welcher Lehrmeister macht sich schon die Mühe Tee für seinen Schüler zu machen? Und du hast ihm noch nicht mal von deiner Verletzung erzählt.“

„Was auch so bleiben wird“, bestimmte er.

Abwehrend hob sie beide Hände hoch, ehe sie erneut in die Pfanne schaute.

„Meinst du so?“, fragte sie dann und seufzend beugte er sich über sie hinweg nur um sie zu bestätigen.

Bereitwillig begann sie die Zwiebeln hineinzugeben.

Kopfschüttelnd griff der Samurai das Tablett.

„Sag mal, kann ich dich was fragen?“, stellte sie sogleich eine Frage.

Er überlegte sie damit auszuspielen, entschied sich jedoch, dass sie nicht der Mühe wert war.

„Fahre fort“, erlaubte er großzügig.

Sie hatte ihm immer noch den Rücken zugewandt und schob die Zwiebeln unnötigerweise in der Pfanne hin und her.

„Du hast einmal gesagt, dass ich das Potential meiner Teufelskraft noch nicht ausgenutzt hätte und ich frage mich was ich tun kann um das zu ändern. Wenn ich zu Meister Moria zurückkehre, möchte ich ihm von Nutzen sein.“

Wieder schüttelte er den Kopf.

Ihre Worte waren wie Schall und Rauch, nichts was er ernst nehmen konnte.

„Woher soll ich das wissen?“, entgegnete er kühl. „Es ist nicht so, als ob ich deine Fähigkeiten kennen würde.“

„Warum hast du es dann damals gesagt?“

Nun drehte sie sich zu ihm herum, ihre Augen glänzten vor ungeweinten Tränen. „Wolltest du dich nur über mich lustig machen oder nimmst du mich nicht ernst?“

Diese Unterhaltung war lächerlich.

„Gib dich ans Kochen, Geistermädchen. Ich kann dir nichts beibringen, das wäre reine Zeitverschwendung.“

Damit ging er und ließ sie zurück.

Im Kaminzimmer traf er auf Lorenor, welcher immer noch mit seinem Schwamm beschäftigt war.

Er goss sich selbst und seinem Wildfang den Tee ein und rief diesen zum Schachbrett.

Das Spielen mit dem Jüngeren machte ihm Spaß, nicht unbedingt weil es ein gutes Spiel war – nein, das war es wirklich nicht – aber er mochte es dem Piraten beim Nachdenken zuzusehen, außerdem entstanden über dem Schachbrett immer die interessantesten Unterhaltungen.

So auch an diesem Abend, obwohl Lorenor sich mehrfach über den Tee beschwerte.

Immer wieder griff der andere zwischendurch nach dem Schwamm und ummantelte ihn, er machte Fortschritte, aber nur ganz kleine.

Sie sprachen über viele Dinge, die Unruhen im North Blue, ob es einen neuen Samurai geben würde und wer das sein könnte, einige Schwerttheorien – in denen Lorenor äußerst belesen war – und Geschichten namhafter Schwertkämpfer.

Diese Unterhaltungen beflügelten ihn unsagbar und er konnte Lorenor ansehen, dass auch dieser aufblühte, wenn er fasziniert erzählte und dabei einzelne Kampfsituationen mit den Händen nachstellte.

Nur wenn sie sich über solche Dinge unterhielten, taute der eiskalte Dämon des East Blues wirklich auf. Der kleine Junge, der damals der Schwertkunst verfallen war, kam darunter zum Vorschein.

Gerade lachte Lorenor laut auf und nahm nebenbei einen von Dulacres Bauern vom Feld.

„Hör mal“, meinte er dann und die gute Stimmung verließ ihn zügig, „fandest du nicht, dass du eben was hart zu Perona warst?“

Es verwunderte ihn nicht, dass der andere das Gespräch mitbekommen hatte. Sein Observationshaki war mittlerweile wirklich von Qualität.

„Nein“, antwortete er kurz angebunden.

„Nein?“, hakte Lorenor nach und sah zu ihm auf. „Du kannst ihr helfen, oder? Warum also lehnst du es ab?“

Nun trafen sich ihre Blicke.

„Soll ich es von deiner Trainingszeit abziehen?“, entgegnete er unbeeindruckt, doch Lorenor hob nur vielsagend den Schwamm hoch.

„Sie ist nervig“, rechtfertigte Dulacre sich, „und ich unterrichte nicht jede beliebige Person. Du bist eine Ausnahme, Lorenor, sei dir dessen bewusst und dankbar.“

Der Jüngere zuckte mit den Achseln, während sein Schwamm schwarz wurde und auf die Größe seines Kopfes anwuchs.

„Ich sag ja nicht, dass du sie unterrichten sollst wie mich. Aber du könntest ihr doch einen Tipp geben.“

„Nein.“

Unzufrieden grummelnd ließ der Jungspund den Schwamm wieder neben sich fallen.

„Warum nicht? Du brauchst sie ja nicht zu mögen.“

„Sie hat es nicht verdient.“

Nun wurden die Augen des anderen groß.

„Lorenor, sie ist ganz anders als du oder ich. Sie weiß nicht, was sie will und erst recht ist sie nicht bereit irgendetwas dafür einzusetzen.“

Er nahm Lorenors Dame vom Feld. Er verlor diese immer sehr schnell.

„Wenn sie wirklich Moria finden wollen würde, hätte sie diese Insel schon längst verlassen entgegen aller Widrigkeiten, denke doch nur an dich selbst, wenn es um deine Crew geht. Stattdessen macht sie sich hier im Haus nützlich, weil es einfacher ist sich als Haushaltshilfe auszugeben als die eigenen Ambitionen zu verfolgen.“

Der Jüngere beugte sich weiter über das Schachbrett.

„Wenn sie wirklich besser werden wollen würde, würde sie trainieren, so wie du, aber nein, sie steht in der Küche und fragt mich wie sie besser werden kann. Sie wählt den einfachen Weg und gibt die Verantwortung ab. So jemandem kann ich nicht helfen.“

Erst jetzt fiel ihm auf, dass Lorenor ihn immer noch beobachtete.

„Dafür, dass sie dir egal ist hast du dir aber verdammt viele Gedanken über sie gemacht.“

„Trink deinen Tee.“

 

Kapitel 29 - Stolz

Kapitel 29 - Stolz

 

-Zorro-

Endlich!

Fast zwei Wochen hatte er mit dem verdammten Schwamm zugebracht. Zwei Wochen in denen Mihawk ihn kaum unterrichtet hatte, solange er diesen blöden Schwamm nicht ummanteln konnte, ohne seinen Hakifluss zu kontrollieren.

Überaus zufrieden betrachtete er den kleinen schwarzen Schwamm in seinen Händen, ehe er ihn in seine Hosentasche steckte.

Endlich hatte er verstanden worum es ging, endlich konnte er den Hakifluss wahrnehmen.

Es war noch früh am Morgen und er war gerade von seinen üblichen Laufrunden zurückgekehrt. Mittlerweile musste er sich wegen den Humandrills keine Gedanken mehr machen, selbst wenn er in den Tiefen des Waldes unterwegs war, konnte er keinen von ihnen wahrnehmen und obwohl es mit Sicherheit wichtigere Dinge gab, so befriedigte ihn das schon irgendwie.

Sich streckend kam er durch die Tür vom Hinterhof in die Küche, wo er Perona schon vorfand.

Zu seiner Überraschung kochte sie gerade Kaffee und Rührei.

„Ist Dulacre schon auf?“, begrüßte er sie grob und ging an ihr vorbei zum Wasserhahn und zapfte sich ein Glas.

„Mhm“, nickte sie zustimmend. „Ist aber übel drauf.“

Er entgegnete nichts, sondern leerte sein Glas in einem Zug.

Auf dem Weg zur Tür gab er ihr einen vielsagenden Blick.

„Nein“, jammerte sie mit verschränkten Armen, „ich will nicht.“

In den letzten Tagen hatte Perona ihm immer wieder Gespräche aufgezwungen, da sie unbedingt wollte, dass der Samurai sie zumindest akzeptierte.

Zorro zuckte mit den Schultern.

„Deine Entscheidung. Aber ich kann den Schwamm nun ummanteln. Das heißt wir werden heute mit dem richtigen Training fortfahren. Dann kannst du‘s ganz vergessen.“

Damit ging er.

Was sie tat war ihm letzten Endes egal, aber anders als Mihawk, fand Zorro es unfair ihr noch nicht einmal eine Chance zu geben. Er verstand die Ansicht des Samurais und trotzdem, wenn er danach gehen würde, hätte er schon den ein oder anderen Menschen verloren, der ihm wichtig war.

„Hey“, grüßte er, als er ins Kaminzimmer ging, in dem der Ältere bereits saß und einen Brief oder sonst ein Blatt Papier in der Hand hielt. Er senkte seine Hand mit dem Schriftstück und betrachtete Zorro mit hochgezogenen Augenbrauen einmal von oben bis nach unten.

Ganz offensichtlich missfiel ihm etwas.

Der Pirat war sich nicht sicher was ihm nicht gefiel, entweder, dass er ungeduscht einfach herein kam oder aber, dass er nicht Perona mit Kaffee und Frühstück war.

„Guten Morgen“, antwortete er schließlich nach einer etwas zu langen Sekunde und ließ seinen Blick wieder auf das Papier in seiner Hand fallen.

Zorro konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er den Schwamm aus seiner Hosentasche zog, ihn ummantelte und dann dem anderen zuwarf.

Zu seiner Enttäuschung jedoch fing Mihawk das kleine Geschoss auf, ohne auch nur zu blinzeln.

„Du hast es also geschafft“, stellte er fest während der Schwamm in seiner Hand so langsam seine dunkle Farbe verlor, „du kannst deinen Hakifluss nun kontrollieren.“

Der Jüngere nickte nur und verschränkte die Arme.

Er wartete das Urteil des anderen ab, welcher ihn nun noch einmal begutachtete, diesmal etwas aufmerksamer.

Was genau der andere nun abwägte konnte er nur erraten, aber nicht eine Sekunde wandte er den Blick ab als diese gelben Augen ihn betrachteten.

Langsam begann der Ältere sich über den Bart zu fahren, als würde er angestrengt nachdenken, ein Bild das Zorro nicht so häufig zu Gesicht bekam.

Ja er grübelte oft, öfter als er je einen Menschen nachdenken sah, aber so gut wie nie sah er so aus als müsste er sich über irgendetwas den Kopf zerbrechen, als würden seine Gedankengänge ihm schwerfallen.

„In Ordnung“, meinte der Samurai schließlich, jedoch mehr zu sich selbst als zu Zorro, und nickte. „Geh dich duschen. Danach fangen wir an.“

„Womit?“

Er hatte bemerkt, wie sich der Blick des anderen geändert hatte; hatte bemerkt, wie sich der Kiefer des anderen etwas verspannt hatte; hatte bemerkt wie er für den Bruchteil einer Sekunde seine Schultern verkrampft hatte. Zorro wusste, dass der andere angespannt war.

Für eine Sekunde hatte er geglaubt, Mihawk würde ihm nun endlich in der Schwertkunst unterrichten, aber nein, er wusste was heute auf dem Programm stand.

„Du willst, dass ich es kontrollieren lerne.“

Der andere nickte nur, der Schatten eines Lächelns auf den schmalen Lippen. Zorro jedoch fand das nicht so lustig. Das einzige gute an den letzten zwei Wochen war gewesen, dass er nicht ein Mal seinem Monster begegnet war.

„Warum?“, fragte er, obwohl er die Antwort wusste. „Ich weiß jetzt, wie ich es verhindern kann. Also sollten wir...“

„Lorenor.“

Der Ältere war aufgestanden und Zorro biss die Zähne zusammen.

„Geh dich duschen.“

Diesmal folgte er der Aufforderung, wusste wann es klüger war die Diskussion auf später zu verschieben.

Es war seltsam, er brauchte kein Lob, kein Schulterklopfen. Er wusste, dass diese Übung nur Mittel zum Zweck gewesen war, aber dennoch war er nicht ganz zufrieden.

Schon tausendmal hatte er mit Dulacre darüber gesprochen, dass er erst die Grundlagen beherrschen würde, ehe sie mit dem richtigen Schwertkampf beginnen würden und natürlich stellte er so wie er jetzt war eine Gefahr dar, nicht nur für seine Feinde, sondern gerade auch für seine Freunde.

Es mochte sein, dass sein Dämon für Falkenauge keine Gefahr war, vielleicht würde Ruffy ihn aufhalten können, Robin und der Koch sich ihm erwehren können, aber was wäre mit Chopper, Lysop, Nami?

Natürlich konnte er es nicht einfach ignorieren.

Er dachte an Thriller Bark, er dachte an seinen Kampf gegen Homura, er dachte an die G6.

Jedes Mal war im Endeffekt keiner seiner Freunde zu Schaden gekommen, aber in weniger als zwei Jahren wollten sie die neue Welt bereisen, in gefährliche Gefilde aufbrechen.

Solange Zorro sein innerstes Monster nicht kontrollieren konnte, solange war er eine Gefahr für sie.

Außerdem wusste er auch, was Dulacre ihm bereits erklärt hatte; selbst dieses Monster könnte eines Tages ein Vorteil für ihn werden.

Aber davon war er noch weit entfernt.

Im Vorbeigehen musterte er sein Spiegelbild.

Viel hatte sich nicht verändert; bis auf das etwas längere Haar - was Perona ihm regelmäßig stutzte - und die kleine Kreuzkette zeugte nichts von den letzten Monaten.

Für eine Sekunde fragte er sich, ob er sich wirklich so viel verändert hatte, wie er manchmal dachte.

Kopfschüttelnd verließ er das Bad und zog sich an. Solche Zweifel sollte er jemandem überlassen, der sich darum scherrte.

Im Vorzimmer erwartete ihn wie immer Dulacre und zu seiner Verwunderung auch noch Perona. Sie sah anders aus als sonst, obwohl er nicht genau sagen konnte warum.

„Bist du bereit?“, fragte der Samurai ihn, ohne auch nur eine Antwort zu erwarten.

„Kommst du etwa mit?“, fragte er hingegen das Geistermädchen. Sie hatte die beiden Schwertkämpfer schon lange nicht mehr zum gemeinsamen Training begleitet und das war ihm nur recht so. „Das könnte gefährlich werden.“

„Mir egal!“, entgegnete sie.

„Das ist deine Sache“, meinte der Schwarzhaarige kühl, „aber sei versichert, dass ich mich nicht um dein Wohlbefinden kümmern werde.“

Sie trug Hosen! Das war es.

Zorro folgte dem Samurai, der die herausgestreckte Zunge der Geisterprinzessin einfach ignorierte und hinausging.

Wie immer führte sie ihr kurzer Marsch zu den Ruinen und wie immer ließen die Humandrills sie absolut ungestört, kein Wunder schließlich war der Herr der Insel anwesend.

Für einen Moment sagte keiner von ihnen etwas.

Perona schaute sich unsicher um und schwang ihre Arme hin und her als wollte sie abheben.

Zorro hingegen viel es schwer sich überhaupt zu bewegen. Er wollte nicht wieder die Kontrolle verlieren, aufwachen, ohne seinen Körper spüren zu können, ohne zu wissen was in den letzten Stunden passiert war.

Er wollte nicht Perona oder gar Dulacre in Gefahr bringen nur weil er die Kontrolle verlor, er wollte nicht die Augen öffnen mit der Ungewissheit, dass sie alle tot sein konnten.

Er wollte nicht…

„Du hast Angst.“

Der Samurai stand mit verschränkten Armen vor ihm.

Zorro entgegnete nichts.

„Ich kann mir vorstellen, dass diese Manie wahrlich kein angenehmes Gefühl sein kann.“

„Tze“, entkam es Zorro. Nett, wie der andere es ausdrückte. Kein angenehmes Gefühl, genau.

„Hast du überhaupt einen Plan, wie ich es kontrollieren könnte“, entgegnete er grob.

Nun streckte Mihawk seine Nase doch etwas gen Himmel.

„Was denn? Zweifelst du wirklich an meinen Fähigkeiten?“

Zorro lag ein passender Kommentar auf der Zunge, doch Perona lenkte ihn ab.

Laut stöhnte sie auf.

„Und das nennt ihr Training?“, beschwerte sie sich und verschränkte die Hände hinterm Hinterkopf. „Ihr starrt euch doch nur die ganze Zeit an und diskutiert, das kann...“

„Schweig oder ich enthaupte dich.“ Der Samurai sah sie noch nicht einmal an.

„Lorenor, wir werden heute mit der Bambuslektion fortfahren.“

Sein Tonfall änderte sich keine Sekunde, blieb sachlich und unbeeindruckt.

„Nachdem du nun endlich deinen Hakifluss unter Kontrolle hast, sollte es ein leichtes für dich sein, den Bambus zu ummanteln und deine Rüstung zu verstärken wie du möchtest, ohne dass sie dicker wird.“

Zorro nickte. Das hörte sich doch zumindest machbar an.

Dann folgte er dem anderen zum kleinen Haufen Bambusrohre, die noch von ihrer letzten Übung da lagen.

„Nun los, Lorenor, zeige mir deine Verhärtung.“

Er nahm einen der Rohre und gehorchte.

Dieses Mal gelang es ihm das Rohr komplett zu ummanteln, ohne dass es zerbrach.

„Sehr gut“, lobte der andere kühl.

„Und was jetzt?“, murmelte Zorro und sah den Älteren an. „Wie soll mir das helfen nicht durchzudrehen?“

Dulacre gluckste beinahe.

„Gar nicht“, meinte er dann kopfschüttelnd. „Bitte werde dir bewusst, dass du gerade die Grundlage des Verhärtens gemeistert hast, unabhängig von deinem Wahnsinn. Mit ein bisschen Übung wirst du bald in der Lage sein deine Schwerter zu verhärten ohne Gefahr zu laufen, dass sie bersten könnten.“

Überrascht schaute Zorro auf den schwarzen Stab in seiner Hand.

Der Samurai hatte Recht. Wie konnte ihm das entgangen sein? Gerade wendete er das Rüstungshaki an. Nie wieder würde er sich darum Sorgen machen müssen, dass eines seiner Schwerter leiden musste, nun konnte er sie beschützen.

„Solange du also derjenige mit den größeren Reserven bist, kannst du dein Haki ganz unbedacht einsetzen. Wir haben ja auch bereits festgestellt, dass die reine Aufnahme fremden Hakis deine Kontrolle nicht beeinflusst, solange deine Energiespeicher nicht zu erschöpft sind.“

„Und?“

Nun sah er den anderen wieder an. Ja auch darüber hatten sie schon mehrfach gesprochen in den letzten Tagen.

Der Ältere schmunzelte leicht und schüttelte den Kopf.

„Und das bedeutet, dass wir heute herausfinden werden, wo deine Grenze liegt. Wann überkommt dich dein Wahnsinn? Wann verlierst du die Kontrolle? Je mehr wir wissen, desto weniger bedrohlich ist dein Zustand.“

Er mochte es nicht, ganz und gar nicht. Aber er konnte nicht leugnen, dass der andere da an etwas dran war.

Wenn er wusste, wie lange er kämpfen konnte, ohne durchzudrehen konnte er auch die Gefahr eindämmen, die er für seine Freunde darstelle.

Gleichwohl war ihm bewusst, dass das Ziel des anderen war, dass er sein Monster komplett kontrollieren konnte. Wie das gehen sollte, tja, das ließ selbst der Samurai unbeantwortet.

„Das heißt, ich muss erst einmal mein Haki verbrauchen?“, fragte er dann nach. „Und wie?“

Das Grinsen des anderen wuchs eine Spur und er hob ebenfalls ein Bambusrohr hoch.

Innerhalb eines Blinzelns färbte sich das Rohr komplett schwarz.

„Greif mich an.“

Zorro konnte es kaum glauben.

„Ich werde jeden deiner Angriffe blocken. Also sieh zu, dass dein Stab nicht zerbricht.“

Mahnend hob der andere einen Zeigefinger.

„Absorbiere mein Haki nur, nachdem ich es dir sage, verstanden? Wenn du zu früh damit beginnst, werden wir den kritischen Bereich wohl nie erreichen.“

Warum klang diese Anordnung so seltsam?

Kritisch legte Zorro den Kopf schief, doch dann verstand er es.

„Du kannst es nicht kontrollieren“, murmelte er beinahe erstaunt.

Natürlich, Dulacre selbst hatte zugegeben noch nie von der Fähigkeit der Hakiabsorbtion gehört zu haben. Er mochte Zorro in allem überlegen sein, aber das einzige, was er rein theoretisch tun konnte, um zu verhindern, dass Zorro sein Haki absorbierte war keines anzuwenden.

Tatsächlich hatte Zorro dem Samurai etwas voraus, was der andere vermutlich nie selbst lernen konnte.

„Hast du es erst jetzt bemerkt?“, fragte der andere ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Aber glaube nicht, dass du mir deshalb bereits gewachsen wärest.“

Dulacre grinste immer noch.

„Mag sein, dass du eine Fähigkeit besitzt, die dir im Kampf einen Vorteil verschafft, trotzdem solltest du mich nicht unterschätzen. Meine Hakireserven sind weit größer als das, was du derzeit in dir aufnehmen kannst. Außerdem vergisst du, dass auch ich einen großen Vorteil habe.“

Verwundert tat Zorro es dem anderen gleich, als dieser in Kampfstellung ging.

„Lorenor, ich bin es, der dich trainiert. Ich kenne alle deine Fähigkeiten, all deine Schwächen. Niemand kennt deinen Kampfstil oder deine Technik so gut wie ich es tue und selbst deine Gabe Haki zu absorbieren habe ich ergründet, ehe sie dir überhaupt bewusst wurde.“

Das Grinsen des anderen wuchs noch eine Spur.

„Du bist wahrlich einzigartig was dein Talent und deinen Ehrgeiz angeht, mein lieber Lorenor. Aber du spielst noch lange nicht in meiner Liga.“

Da war er wieder, nicht der Samurai Falkenauge, nicht der hochwohlgeborene Sohn des Hauses Mihawk, nicht der kühle Stratege Dulacre, nein, der Mann, der ihm gegenüberstand war der beste Schwerkämpfer der Welt Mihawk Falkenauge Dulacre.

Auch Zorro konnte sich nun ein Grinsen nicht verkneifen.

Genau da wollte er hin und wenn das hier der einzige Weg war, um diesen eingebildeten Fatzke von seinem Thron zu werfen, nun dann sollte es wohl so sein.

„Du bist ganz schön arrogant“, spottete er und griff seinen Bambus fester.

Es mochte kein richtiger Kampf sein, kein Schwert in seiner Hand, aber es war immerhin kein Schwamm, immerhin keine Trockenübung.

„Nun ja, was das angeht hängst du mir zumindest nicht hinterher.“

Zorro griff an.

Für Stunden sollte diese Übung sie beschäftigen. Immer wieder zerbrach das Bambusrohr in Zorros Händen, weil er entweder zu viel Haki in die abgestorbene Pflanze fließen ließ oder weil seine Rüstung unter der Gegenwehr des Samurais brach.

Dieser ließ es sich nicht nehmen ihm mehrmals darauf hinzuweisen, dass die Rüstung, die der Samurai um seinen eigenen Bambus legte, um ein Vielfaches schwächer war als das, was er in einem wahren Kampf nutzen würde.

Ja, sein Lehrmeister schien großen Gefallen daran zu finden ihn zu verspotten und zu ärgern. Aber das war Zorro nur Recht. Damit konnte er viel eher umgehen als mit hochtrabenden Diskussionen und Gedanken. Wie er das vermisst hatte.

Mit dem Koch hatte er sich fast täglich auseinandergesetzt und gestritten, hatte mit ihm gekämpft und hatte seinen Frust an ihm auslassen können, so wie der Blondschopf es bei ihm gemacht hatte.

Mit dem Samurai war es anders, er bevorzugte den kühlen Gedankengang, das rationale Analysieren von Motiven und gezwungener Maßen hatte Zorro sich darauf eingelassen.

Es war notwendig, dass er nicht nur seinen Körper, sondern auch seinen Geist trainierte, das hatte er mittlerweile verstanden und wenn er ganz ehrlich war, fand er es gar nicht so furchtbar.

Aber natürlich war es nichts im Vergleich zu dem hier. Selbst mit blödem Bambus, selbst mit blöden Sprüchen vom Samurai, das hier war genau das was er wollte.

Er wollte kämpfen, nur hier war er wirklich in seinem Element und wie er es vermisst hatte. Fast hatte er vergessen, wie gut es sich anfühlte.

Aber der Kampf war alles andere als gut. Er war anstrengend und nervenaufreibend, nicht weil er so spannend war, sondern weil Zorro wusste was das Ziel dieser Übung war. Jedes aufeinandertreffen der Bambusstäbe diente einzig und allein dazu sein Haki zu verbrauchen, seine Reserven zu erschöpfen, nur um dann herauszufinden wann er die Kontrolle verlieren würde.

Er wusste, dass er diesen Punkt erreichen würde, nur so konnte er seine Schwäche überwinden. Doch mit der Zeit zerbrachen seine Bambusrohre in immer kürzeren Abständen und zwar nicht, weil er zu viel Haki in die Pflanzenfasern fließen ließ, sondern weil seine Rüstung schwächelte.

„Konzentriere dich, Lorenor“, schollt ihn der Ältere, „glaub ja nicht, dass ich nicht merke, wenn du dich zurücknimmst. Dein Haki ist noch nicht so gering, dass es eine solch schwache Rüstung nicht halten würde.“

Das Grinsen vom Morgen war beiden schon längst vergangen.

Der Samurai hatte seinem Wort Folge geleistet und bisher jeden einzelnen Schlag von Zorro geblockt ohne, dass es ihm was auszumachen schien. Nicht ein einziges Mal hatte er seine Fußposition ändern müssen und kaum ein Schweißtropfen rann seine Stirn hinab, während Zorro das Gefühl hatte samt Klamotten in eine heiße Quelle gesprungen zu sein.

Die im Nebel länger werdenden Schatten waren Beweis genug dafür, dass der Tag sich bereist seinem Ende zuwandte, mittlerweile hatte auch ein leichter Nieselregen eingesetzt, doch der Samurai brach die Übung nicht ab.

„So lange sollte es nicht brauchen, Lorenor“, herrschte er als das Tageslicht um sie abnahm und die Dämmerung einsetzte während Zorro einen weiteren zerbrochenen Stab wegwarf und sich einen neuen holte. „Deine Verhärtung ist zu schwach, es braucht zu lange, um dein Haki zu verbrauchen. Hör auf es zurückzuhalten.“

„Mache ich nicht“, knurrte er mit schweren Atemzügen. Es mochte sein, dass seine Reserven an Haki noch nicht an ihrem Limit waren, aber stundenlang Angriffe gegen eine Mauer aus stahlharten Muskeln auszuführen war nicht unbedingt ein Spaziergang.

Wie konnte der andere ihm vorwerfen, dass er nicht alles geben würde?

Er war hier, um den anderen zu übertreffen und dazu musste er nun mal seine größte Schwäche, das unkontrollierbare Monster in sich, besiegen, warum also warf der andere ihm vor, dass er nicht alles in seiner Macht mögliche tun würde?

„Dann zeig es mir!“, befahl der Ältere.

Irgendwann zog Perona sich zurück, doch Zorro verschwendete keinen Gedanken daran, warum sie überhaupt mitgekommen war.

Er konnte dem Samurai ansehen, dass dieser mit jeder Sekunde unzufriedener wurde. Seine Mundwinkel sanken immer tiefer und die üblichen Falten auf seiner Stirn wurden immer mehr.

Egal welchen Angriff Zorro ausübte, der andere zeigte sich nicht beeindruckt und mehr und mehr Rohre zerbrachen, während der Samurai noch nicht einen Kratzer auf seinem Bambus zugelassen hatte.

„Lorenor!“

Aus dem Nichts machte der andere plötzlich einen Schritt nach vorne und attackierte ihn.

Im letzten Moment konnte Zorro den Schlag parieren, sein Bambus jedoch zerbrach und der ummantelte Stab des anderen traf ihn volle Breitseite im Gesicht.

Aufkeuchend stolperte er zurück und landete auf dem Hosenboden.

„Lächerlich.“

Mihawk thronte über ihm.

„Tze, weder hätte dein Bambus zerbrechen dürfen, noch war dieser Angriff stark genug, um dir tatsächlich zu schaffen zu machen. Trotzdem kriechst du auf dem Boden.“

Zorro rieb sich den Kiefer und spukte Blut auf die kahle Erde.

„Wenn du es nicht ernst meinst, Lorenor, können wir es gleich sein lassen. Das hier ist reine Zeitverschwendung.“

Wie konnte er es wagen?!

Zum ersten Mal seit Wochen kam ihr Training endlich mal einem Kampf nahe, nicht nur sture, einfältige, blöde Konzentration auf Bambusstäbe oder Schwämme, nicht nur fader Theoriekram und nun warf dieser Schnösel ihm vor, dass er sich nicht anstrengte? Dass er es nicht ernst meinte?

Er warf ihm tatsächlich vor, seine Zeit zu vergeuden!

Stellte ihn auf eine Stufe mit Perona und Papierkram.

„Sag das noch mal!“, murrte er und erhob sich mühsam. „Du hast doch keine Ahnung was ich hier versuche, du Mistkerl.“

Der Samurai zeigte sich unbeeindruckt.

„Ach, tatsächlich. Also auf mich macht es den Eindruck als würdest du versuchen das Unausweichliche hinauszuzögern. Du benutzt so wenig Haki wie irgendwie möglich, zwackst mir immer wieder ein ganz bisschen ab und hoffst, dass es mir nicht auffällt und deine Angriffe werden mit jedem Schlag schwächer. Du enttäuschst mich.“

„Halt die Klappe, du...“

„Für eine Sekunde dachte ich sogar, dass du mittlerweile eine Gefahr für Jiroushin darstellen würdest, aber wenn ich so zusehe, wie du noch nicht einmal bereit bist, dich mit dir selbst auseinanderzusetzen, wie sollst du dann je für eine Auseinandersetzung mit mir gewappnet sein?“

Das tat weh!

„Solange du nicht bereit bist, über deinen Schatten zu springen und dich dem zu stellen, was dir Angst macht, brauchen wir unser Training nicht fortführen. Du hast es ja bereits 20 Jahre erfolgreich verdrängt, dann mach so weiter, wenn es dir so besser...“

„Hör auf!“

Er hatte den Bambus des anderen gepackt und ihm aus der Hand gerissen, wohl wissend, dass der andere es zugelassen hatte.

Schwer atmend stand er vor ihm.

Er wollte etwas sagen, wollte sich rechtfertigen, den anderen in seine Schranken weisen, aber kein Wort kam aus seinem Mund.

Mehrmals schluckte er und versuchte seinen Atem zu beruhigen.

Unbeeindruckt hielt der Ältere seinem Blick stand.

Er schien selbst gar nicht wütend zu sein, trotz seiner harten Worte, trotz seines Angriffes.

„Wenn ich so eine Enttäuschung bin“, brachte Zorro es schließlich hervor, „warum bist du dann so ruhig?“

Mihawk reagierte nicht.

„Dir ist das Training mit mir wichtig, hast selbst gesagt, dass ich dir wichtig bin. Wenn ich dich wirklich enttäuschen würde, du wirklich daran zweifeln würdest, dass ich zu dem Schwertkämpfer werden kann, der dich besiegen wird, warum zur Hölle macht es dich nicht rasend vor Wut?“

Und dann kapierte er es.

„Du willst mich provozieren“, murmelte er verwundert. „Du willst, dass ich wütend werde und dich angreife, ohne nachzudenken.“

Ihm ging ein Licht auf.

„Du denkst, dass ich so meine Hemmungen verlieren würde.“

Ein kaum sichtbares Lächeln umspielte die Lippen des Älteren.

„Aber es scheint, als ob du meine subtile Manipulation durchschaut hättest. Bravo.“

Er hatte mit ihm gespielt, hatte diesen Moment genutzt, um Zorros Charakter zu testen, zu überprüfen ob er seine Emotionen im Zaun halten konnte, um zu überprüfen ob er sich wirklich verändert hätte.

Das hitzige Gefühl in seiner Brust schwand leicht und er atmete tief durch.

„Allerdings waren meine Worte nicht an den Haaren herbeigezogen, Lorenor. Du lässt dich wirklich von deiner Angst hemmen. Egal ob bewusst oder unbewusst, du versuchst zu verhindern, dass deine Hakireserven in einen brenzligen Bereich herabsinken, damit du nicht Gefahr läufst die Kontrolle zu verlieren.“

Er klang genauso kühl wie eh und je; Zorro hatte keine Ahnung ob er vielleicht doch zornig oder gar enttäuscht war.

„In einem echten Kampf wäre das bei deinen derzeitigen Fähigkeiten keine schlechte Idee. Aber hier und jetzt wollen wir doch genau das erreichen, damit du dich in einer sicheren Umgebung damit auseinandersetzen kannst. Solange du nicht bereit bist den nächsten Schritt zu gehen kann ich dir nicht weiterhelfen.“

Das tat beinahe noch mehr weh, als was der andere zuvor gesagt hatte, um ihn zu provozieren.

„Und was nun?“, fragte er nach und starrte zu Boden.

„Nun werde wir das Training für heute beenden.“

Zorros Blick jagte nach oben.

„Aber…!“

„Hast du mir auch nur eine Sekunde zugehört?“

Jetzt klang der andere doch erbost. Etwas härter als zuvor sprach er weiter: „ Ich möchte, dass du den heutigen Abend nutzt um über dieses Training nachzudenken und morgen auch, wenn es nötig sein sollte. Solange wie du halt brauchst, um herauszufinden, was du erreichen willst und wie weit du dafür bereit bist zu gehen.“

Diese Worte hörten sich sehr bedrohlich an.

„Ich kann dich trainieren, Lorenor, deine Schwächen ausmerzen und deine Stärken perfektionieren. Deinen Fähigkeiten schulen und dein Können optimieren. Ich kann dir fehlendes Wissen beibringen und dich auf deinem Weg zu einem wahren Meister der Schwertkunst begleiten. Aber es gibt eine Sache, die ich nicht kann.“

Immer noch sah der Ältere ihn kalt an.

„Ich kann den Weg nicht für dich gehen. Du musst dich entscheiden, du musst dich deinen Ängsten stellen. Dass du diszipliniert und ausdauernd bist weiß ich. Du hast vor wenigen Dingen Angst, darum fällt es dir umso schwerer, wenn sie sich dir in den Weg stellen.“

Zorro biss sich auf die Unterlippe und senkte erneut den Blick.

„Denke in Ruhe darüber nach und teile mir dann deine Entscheidung mit. Solltest du bereit sein, dich deinen Ängsten wirklich zu stellen, werde ich dich weiter trainieren. Was du bis dahin machst, ist deine Sache.“

Schwer schluckte er. Der andere sagte es zwar nicht, aber es war ganz deutlich, dass sie hier an einem Schneidepunkt standen und Zorro wusste noch nicht einmal wie sie dahin gekommen waren. Von Zorros Entscheidung würde es abhängen, ob der andere ihn weiter trainieren würde und auch wenn er nun einfach sagen könnte, dass er sich doch von seinen Ängsten nicht unterkriegen lassen würde, dass er keine Ahnung von dem hatte, was der andere meinte, so wusste er doch auch, dass es stimmte.

Er hatte nicht alles gegeben. Er hatte sich gerade selbst sabotiert, nur um nicht in eine Situation zu kommen, die er vermeiden wollte.

Tze, das passte doch so gar nicht zu ihm. Er schämte sich.

„Und noch etwas.“ Zorro sah auf, der andere wirkte noch unzufriedener als eh schon.

„Mir ist aufgefallen, dass du deine individuellen Trainingseinheiten nur noch in dieser Gestalt durchführst.“ Der Jüngere presste die Zähne zusammen. „Ist dir der steigende Leistungsunterschied deiner beiden Gestalten gleichgültig?“

Kühl lagen die gelben Augen auf ihm und wartete wohl tatsächlich auf eine Antwort.

„Nein, ich...“

„Solltest du dich entscheiden, diesen Weg hier weiterzugehen, wirst du von nun an nur noch als Loreen trainieren, es sei denn du trainierst mit mir zusammen und ich sage dir etwas anderes.“

Aufschnaubend sah er weg.

„Hast du ein Problem damit?“

Und wie er das hatte. Endlich hatte er seine Körper wieder unter Kontrolle, konnte seine echte Gestalt nun für über 24 Stunden halten, konnte endlich das eigentliche Training aufnehmen und nun wollte Falkenauge ihm auch noch das verbieten?

Und das dann auch noch nachdem der Ältere ihm vorgeworfen hatte das Training nicht ernst zu nehmen und ihr gemeinsames Training auf die Waagschale warf.

„Du verstehst es immer noch nicht, oder?“

Enttäuscht schüttelte der Ältere mit dem Kopf. Es schien, als hätte er das vorherige Thema einfach abgeschlossen.

„Keiner deiner Gegner wird geduldig darauf warten, bis du dich wieder in diese Gestalt hier verwandeln kannst, um dich zu besiegen. Das wahre Leben ist kein Duell. Es geht nicht um Ehre und Stolz, um Fertigkeiten und Eleganz. Es geht rein ums Überleben.“

Als ob Zorro das nicht wusste.

„Lorenor, was ist deine größte Schwäche?“

Diese Frage überraschte ihn. Kurz zuckte er mit den Schultern.

„Abgesehen von dem eben? Naja, ich bin halt immer noch ziemlich träge im Vergl...“

„Falsch!“, unterbrach der Ältere ihn hart und machte einen Schritt auf ihn zu.

„Vielleicht fällt dir deine Entwicklung nicht auf, weil du hier nicht wie sonst jeden Tag kämpfst, aber was ich eben sagte glaube ich wirklich; meiner Meinung nach könntest du schon bald Jiroushin übertreffen.“

Es war als würde ihn ein Blitz treffen.

„Also nein, deine Technik ist zwar noch nicht perfekt, aber deine größte Schwäche ist eindeutig dein Stolz.“

Nun stierte Zorro auf den Boden und presste den Kiefer zusammen.

„Sonst hättest du dir schon längst eingestanden, dass du als Loreen noch viel besser werden musst. Wenn du so weiter machst wird deine andere Gestalt deine Achillesverse.“

Der andere verschränkte die Arme.

„Du hast so viel Angst vor deinem inneren Dämon, dass du deine wahre Schwäche einfach ignorierst. Dein Monster wird dich nicht umbringen, dafür kann ich sorgen, aber deinen Stolz kannst nur du selbst besiegen.“

Damit drehte Dulacre sich um und verschwand in der Dunkelheit, ließ Zorro zurück, der wütend die Fäuste zusammenballte.

„Mistkerl!“, knurrte er in die Stille hinein, wohl wissend, dass der andere Recht hatte.

Kapitel 30 - Perspektive

Kapitel 30 - Perspektive
 

-Zorro-

„Also was denkst du?“, fragte er beiläufig und doch auch beinahe kleinlaut den Samurai, der zu Abend aß und nebenbei die Zeitung las.

Selbst als Zorro hereingekommen war, hatte er nur kurz aufgeschaut und sich danach wieder auf seine Lieblingslektüre konzentriert.

„Ich denke, dass es ein passender Zeitpunkt ist, wenn auch etwas kurzfristig“, entgegnete der Ältere gelassen.

Zorro hatte keine Ahnung, ob das vergangene Training seine Stimmung beeinflusste oder eben nicht.

„Vielleicht ist es gut für dich die Insel ein paar Tage zu verlassen.“

Irgendwie stieß es ihm bitter auf wie entspannt der andere reagierte. Ein starker Kontrast zu seinem Verhalten, als sie das letzte Mal über so etwas gesprochen hatten.

Missmutig hob er den Brief hoch und überflog ihn noch einmal.

„Also hier steht, dass du auch mitkommen kannst, wenn du willst.“

Nun sah der Ältere ihn endlich mal an, eine Augenbraue fragend hochgezogen.

„Es ist nur eine halbtägige Abschlusssitzung oder so etwas mit anschließender Kundgabe. Keine fünf Tage, laut Eizen und er meinte es könnte sogar für dich interessant sein“, fuhr Zorro fort.

Der Brief war während ihres Trainings angekommen, doch Zorro sah das ganze etwas anders als der Samurai, unpassender hätte der Politiker ihn gar nicht einfordern können.

„Es tut mir leid, Lorenor“, entgegnete der Ältere und hob seine Zeitung wieder hoch, „aber selbst, wenn ich wollte, ich könnte dich nicht begleiten.“

„Was? Wieso?“

Warum sollte der andere nicht können? So etwas wie Hobbys oder Verpflichtungen hatte der Kerl doch eh nicht, wenn man mal von Zorros Training und dem Schutz der fünf Inseln absah, seine Pflichten als Samurai waren bis auf wenige Ausnahmen so gut wie nicht existent.

„Ich habe heute Morgen ebenfalls eine kurzfristige Terminankündigung erhalten, die ich nicht ablehnen sollte. Ich würde daher nicht rechtzeitig zurückkehren.“

„Ja sicher“, schnaubte Zorro und verschränkte die Arme. „Hör mal, wenn du keinen Bock hast, schon okay, aber dann erzähl mir doch wenigstens keine Märchen. Was solltest du schon für Termine haben?“

„Es handelt sich um eine private Angelegenheit“, wich der andere ihm aus und bestätigte Zorros Verdacht nur, dass der andere wirklich nur eine schlechte Ausrede brauchte, um ihn ein paar Tage los zu sein.

„Würdest du denn überhaupt wollen, dass ich dich begleite?“

Nun sah der andere ihn plötzlich an. Zorro war auf diese Frage nicht vorbereitet gewesen.

Abwehrend zuckte er mit den Achseln und hob beide Arme.

„Keine Ahnung. Nach dem letzten Mal dachte ich du magst es nicht, wenn ich allein mit Eizen unterwegs bin. Du hast doch diesen Kontrollzwang oder so.“

„Du hast mir doch gesagt, dass ich daran arbeiten soll und nun beschwerst du dich?“

Dulacre blätterte eine Seite um.

Für einen Moment blieb Zorro stehen, doch für den Älteren war das Gespräch offensichtlich geklärt.

Etwas hatte sich verändert, er wusste nur nicht genau was.

Das war nicht das erste Mal, dass die Stimmung zwischen ihnen komisch war und eigentlich war es Zorro auch ziemlich gleichgültig. Der andere hatte halt schon mal seine Phasen, sollte ihm doch egal sein.

Aber die Art wie er ihn vor die Wahl gestellt hatte.

Zorro hatte sich doch schon entschieden, hatte sich wieder und wieder dafür entschieden bei dem anderen zu bleiben, um besser zu werden, stärker.

Warum also zweifelte der andere daran, dass er es ernst meinte?

„Du verstehst es wirklich nicht, oder?“

Plötzlich sahen ihn diese gelben Augen direkt an.

„Du glaubst immer noch, dass ich dich testen würde, nicht wahr?“

„Bestrafen“, stimmte er halb scherzhaft zu, „oder so etwas in der Art.“

Nun schmunzelte der andere. „Manchmal überrascht es mich wie du es schaffst so einfältig zu sein.“

„Was?! Wenn du mich nur weiter beleidigen willst, kann ich auch gleich...“

„Lorenor.“ Lachend faltete der Ältere seine Zeitung.

„Ich meinte ernst was ich sagte. Du bist ein Mensch, der bereit ist vieles aufzugeben und vieles in Kauf zu nehmen, um die Dinge zu erreichen die dir wichtig sind. Deine Freunde beschützen, deinen Traum verwirklichen. Ich beneide dich beinahe um diesen unbeugsamen Willen.“

Abwehrend hob Zorro beide Arme. Dieser Seite des Samurais misstraute er am meisten; wenn der andere ihn lobte oder Honig um den Mund schmieren wollte, begaben sie sich immer auf gefährliches Terrain.

„Und doch bist auch du nicht perfekt, glücklicherweise; bei all deinem verdammten Talent und deinem gottverfluchten Ehrgeiz wäre es sonst wirklich unfair. Du bist ein Mensch, der nur vor wenigen, sehr wenigen Dingen Angst hat, dementsprechend setzt du dich auch nur sehr selten mit diesem Gefühl auseinander.“

Was redete der andere? Klar, er war kein Angsthase wie Lysop und er ließ sich von der Angst auch nicht lähmen wie zum Beispiel Nami oder Chopper, aber natürlich wusste er was Angst war.

„Ich rede nicht von dieser Anspannung, wenn Gefahr besteht; von der Unsicherheit ob man sich für das Richtige entscheidet.“

Es war als wüsste der andere genau was er dachte.

„Sag mir, Lorenor, wann hattest du so große Angst, dass du nicht mehr klar denken konntest, dass dir die Luft zum Atmen fehlte? Wann hattest du wirklich Angst?“

Sabaody Archipel

„Du bist niemand, der Angst vor dem eigenen Tod hat, das hast du schon mehrfach bewiesen. Es gibt nur zwei Dinge, die dir wirklich Angst machen.“

Nun stand der andere auf.

„Natürlich der Verlust von Menschen, die dir wichtig sind. Auch hier hast du schon des Öfteren bewiesen, dass du bereit bist das Unmögliche möglich zu machen, um deren Tod zu verhindern. Wir hatten ja schon des Öfteren besprochen, dass dein Beschützerinstinkt deinen Selbsterhaltungstrieb regelmäßig übertrumpft. Aber die Sorge um andere Menschen ist ja auch ein überaus verbreitetes Druckmittel, von dem auch ich mich nicht ganz freimachen kann.“

Wie überheblich der andere klang.

„Das andere ist viel interessanter. Du hast Angst zu versagen, Angst die Kontrolle zu verlieren. Du bist ein Perfektionist und schon bei unserem ersten Treffen lebtest du nach der Mentalität lieber beim Versuch zu sterben, als mit der Schande des Versagens zu leben.“

Zorro schwieg.

„Ich glaube, dass du auch Angst hast, dass du diese Manie nicht kontrollieren kannst, und anstatt zu versagen willst du es lieber gar nicht erst versuchen.“

Nun grinste der andere leicht.

„Du bist ein Mensch, der noch nicht einmal vor dem Tode Angst hat und statt der Angst zu erliegen, deine Freunde zu verlieren, wirfst du dich immer in die Schusslinie, weil du weißt, dass du sie beschützen kannst. Aus diesem Grund hast du nur äußerst selten Angst, und ich meine wahre Angst. Aber ich frage mich was passiert, wenn du wirklich hilflos bist? Wenn du nichts tun kannst, um dieser Angst zu entrinnen, was tust du dann? Solange du dich ihr trotzdem nicht entgegenstellen kannst, solange bist du noch nicht bereit um ein wahrer Schwertmeister zu werden.“

Zorro grinste nicht. Hatte der Samurai Recht?

Setzte er sich nicht mit einer Angst auseinander, die er noch nicht mal wahrnahm, nicht wahrnehmen wollte?

Hatte er vielleicht wirklich nicht alles gegeben, weil er Angst gehabt hatte?

„Du solltest die nächsten Tage nutzen und einmal in Ruhe darüber nachdenken, Lorenor. Angst ist nichts Schlimmes, sie ist sogar sehr wichtig.“

Das wusste er doch selbst.

„Danach wirst du verstehen was ich meine und warum du beim Training heute nicht über deinen eigenen Schatten springen konntest.“

Einen Moment überlegte er.

„Das heißt, diese Wahl, vor die du mich gestellt hast, war nur rein hypothetisch?“

Dulacre lachte leise und schritt an Zorro vorbei.

„Oh nein, das war ernst gemeint. Wenn du dich nicht dazu entscheidest, gegen dein Monster anzutreten, brauchen wir nicht weitermachen.“

Als sie auf einer Höhe waren blieb er stehen.

„Aber ich zweifle nicht eine Sekunde daran, dass du den richtigen Weg wählen wirst. Doch das musst du nun einmal selbst tun. Gute Nacht, Lorenor.“
 

Der nächste Morgen kam schneller, als Zorro lieb war.

Er hatte kaum geschlafen und über Mihawks kryptische Worte nachgedacht.

Noch immer wusste er nicht wirklich was der andere von ihm wollte. Natürlich wollte er sich seinem inneren Dämon stellen, er wollte unbedingt der beste Schwertkämpfer der Welt werden und im Kampf gegen den Samurai konnte er es sich nicht leisten darauf achten zu müssen, dass seine Hakireserven keinen kritischen Punkt erreichten.

Dafür trainierte er doch nun schon sein ganzes Leben.

Er wollte nicht verlieren, konnte nicht verlieren.

Wie sollte er sonst Kuina je wieder gegenübertreten können?

Folglich wollte er auch auf keinen Fall aufgeben. Er wollte weitermachen und er hatte auch nicht das Gefühl gehabt nur halbherzig trainiert zu haben.

Er hatte nicht wirklich geschlafen.

Nun hatte er Kuraigana samt Samurai und Geistermädchen hinter sich gelassen und fand sich in einem großen Gemach auf einem Schiff der Weltregierung wieder.

In zwei Stunden würde er sich mit Eizen und Rihaku treffen, um sich auf die Sitzung am übernächsten Tag vorzubereiten.

Aber bis dahin wollte er eigentlich etwas schlafen, doch er lag hellwach auf dem Sofa.

Der Reißverschluss seines Kleides zwickte unangenehm, aber viel mehr störte ihn, dass er keine Ruhe fand.

Warum sah er denn nicht was der Samurai meinte?

Er verstand ja was er sagte, aber er hatte einfach nicht das Gefühl, dass er vor Angst wie gelähmt gewesen war.

Natürlich, wenn er an jenen Tag zurückdachte als er auf Mary Joa hilflos hatte mitansehen müssen wie seine Crew besiegt worden war, ja, damals, das war wahre Angst gewesen.

Aber wenn er an den vergangenen Tag dachte, nein das Gefühl war doch nicht vergleichbar gewesen.

Ja, er freute sich nicht gerade darauf wieder die Kontrolle zu verlieren, aber er freute sich auch nicht auf Eizen – der noch nicht einmal aufgetaucht war, seitdem Zorro an Bord gekommen war – und trotzdem war er ja jetzt hier.

Plötzlich klopfte es an der Tür und Frau Rihaku steckte den Kopf herein, selbst das gelang ihr mit einer engelsgleichen Eleganz.

„Oh, Entschuldigung, ich wollte nicht stören.“

Wenn man bedachte wie anmutig sie sich unter all diesen hochwohlgeborenen Anzugträgern bewegte wirkte sie nun beinahe schüchtern, wie eine Unschuld vom Lande. Ihr seltenes, beinahe unsicheres Lächeln und die winzigen Grübchen ließen sie gleich deutlich jünger wirken als der kühle Blick, mit dem sie sonst unterwegs war.

„Ich wollte Ihnen nur den Zeitplan für die Sitzung bringen. Er ist gerade erst eingetroffen.“

Die Frau mit den mandelförmigen Augen verbeugte sich tief und hielt ihm ein Bündel Papiere hin.

Zorro stand eilig auf und kam zu ihr hinüber. Er bedankte sich rasch und bemühte sich Worte zu finden, die wohl zu einer Lady Loreen passen würden.

Nein, er wollte wirklich nicht hier sein, während er sich mit dieser Politikerin unterhielt und sie den morgigen Tagesplan besprachen, ehe sie sich schließlich verabschiedete.

Doch ehe sie die Türe schloss, biss sie sich mit errötenden Wangen auf die Unterlippe und sah Zorro wieder so ungewohnt unsicher an, was so überhaupt nicht zu ihrem sonst so erhabenen Blick übereinstimmen wollte.

„Dürfte ich Ihnen noch eine Frage stellen, Lady Loreen?“

Sie war wie immer äußerst höflich.

„Geht es Ihnen gut?“

„Na...natürlich.“ Verwirrt sah Zorro sie an, doch sie lächelte nur schwach, anders als bei Eizen wirkte es bei ihr absolut ehrlich.

„Ich entschuldige mich für meine Neugierde. Aber ich bin etwas besorgt. Herr Eizen hat mich natürlich über Ihre fragile Gesundheit informiert und nun bin ich überrascht, dass Sie so ganz ohne Begleitung unterwegs sind und dass obwohl Sie sehr erschöpft wirken. Es tut mir leid, wenn ich so direkt bin.“

Es stimmte, er hatte nicht gewollt, dass Perona ihn begleitete - aus mehreren Gründen - und Dulacre hatte nicht widersprochen. Aber er hatte nicht einen Moment darüber nachgedacht, wie er das begründen sollte oder, dass es überhaupt jemandem auffallen würde.

„Ähm… ähm...“

Wieder verbeugte die andere Frau sich tief.

„Es tut mir leid, dass ich so persönlich geworden bin.“

Es war immer wieder überraschend, sie wirkte gerade so unsicher, so schüchtern, doch sobald Eizen in ihrer Nähe war oder irgendwer sonst, war sie die Professionalität und Selbstsicherheit in Person.

„Nein, nein“, entgegnete er schnell und hob eine Hand, „es ist nichts, um das Sie sich Gedanken machen brauchen. Ich versichere Ihnen, dass Sie sich nicht um meine Gesundheit sorgen müssen.“

Verwundert sah Frau Rihaku ihn an, ehe sie nickte.

„Ich verstehe, Lady Loreen. Es ist wahrlich ein kluger Schachzug keine Schwäche zu zeigen, gerade in dieser Männerwelt.“

Dann drückte sie einen Moment Zorros Hand.

„Sollten Sie etwas brauchen, können Sie sich ganz vertrauensvoll an mich wenden. Ich kann schweigen wie ein Grab.“

Damit ging sie und kopfschüttelnd ließ Zorro sich wieder auf das Sofa fallen.

Vielleicht hatte Eizen ja wirklich Recht was seine Gabe anging, oder aber das war nur eine Falle, um sich Zorros Vertrauen zu erschleichen.
 

-Mihawk-

Lorenor hatte die Insel verlassen.

Fast automatisch sank Dulacres Stimmung.

Sie hatten sich heute Morgen nicht gesehen. Der Hauptgrund dafür war, dass Lorenor zu fast unmenschlicher Stunde abgereist war, es war sogar noch dunkel draußen.

Der eigentliche Grund war jedoch, dass der Samurai sich ganz simpel dagegen entschieden hatte, ihn zu verabschieden.

Es war nicht so, dass sie sich wiedermal stritten, eine kleine Spannung vielleicht, aber das gehörte zum Training nun mal dazu. Trotzdem war er froh, dass er den Jüngeren ein paar Tage nicht sehen brauchte.

Natürlich fand er es problematisch, dass sein Wildfang schon wieder mit Eizen unterwegs war, auf der anderen Seite war er erleichtert, dass er seine privaten Angelegenheiten auch wirklich privat regeln konnte.

Er war froh, dass Lorenor nicht mehr in der Schussbahn war, trotzdem lag er jetzt in seinem Bett und spürte wie sich der Jüngere mehr und mehr entfernte und das stimmte ihn äußerst missmutig.

Noch am Abend hatte der andere ihm in seinem Zimmer aufgesucht, um ihm mitzuteilen, wann er aufbrechen würde und dass er die Geisterprinzessin entgegen Dulacres Wunsch hin nicht mit nehmen würde, da sie bis zum geht nicht mehr nervt. Eine Aussage, die er nur bestätigen konnte.

Aber das bedeutete nun mal auch, dass sie jetzt noch hier war, vermutlich gerade in der Küche irgendetwas kochte und deswegen hatte er noch weniger Lust aufzustehen.

Das Geistermädchen hatte ihn schon mehrfach um Hilfe gebeten – und ihm war bewusst, dass Lorenor sie auch noch ermutigte – aber er hatte wahrlich besseres zu tun als für sie das Nachdenken zu übernehmen, hier herumliegen zum Beispiel.

Aber das bedeutete, dass er sich mit seinen eigenen Gedanken auseinandersetzten musste und das war beinahe noch nerviger.

Aufstöhnend erhob er sich. Draußen war es immer noch zappenduster, selbst nachdem er die Dusche verlassen hatte und dabei hatte er sich wirklich viel Zeit gelassen.

Im Spiegel fiel sein Blick auf die fünf feinen Linien an seiner rechten Schulter. Die Wunde war bereits verheilt, stellte natürlich überhaupt kein Problem dar, würde keine Narbe hinterlassen. Noch jedoch war die Haut uneben, sogar etwas empfindlich.

Kopfschüttelnd zog er sich an und verließ sein Zimmer.

Er sollte Recht behalten und das Geistermädchen in der Küche antreffen. Überrascht starrte sie von der Zeitung auf als er hereinkam.

„Was tust du denn schon hier?“, begrüßte sie ihn offensichtlich schockiert. „Du stehst doch normalerweise nicht vor Sonnenaufgang auf.“

Herablassend sah er zu ihr hinab. Wer war sie, dass sie ihm vorschreiben wollte, wann er in seine Küche kam?

„Dir auch einen guten Morgen“, entgegnete er kühl und ignorierte sie um sich um sein Frühstück zu kümmern.

„Ähm...“ Sie sprang auf und raste an ihm vorbei zur Spüle. „Der Kaffee ist noch nicht fertig. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du schon auf sein würdest.“

Er winkte nur ab und wühlte nach einer Schüssel, um sich sein Rührei zu machen, während sie begann Kaffee zu kochen.

In Stille arbeiteten sie nebeneinander her, auch wenn er ihre Augen auf sich fühlen konnte.

„Du bist wirklich gut“, murmelte sie und setzte sich auf den Tresen, um ihn besser beobachten zu können.

„Es ist nur Rührei“, meinte er unbeeindruckt. Allerdings stimmte es, dass er dieses Gericht perfektioniert hatte, einfach weil er es als Frühstück bevorzugte.

Wenn er sich die Zeit nahm zu frühstücken und wenn er es selbst vorbereitete, dann gab es immer nur Rührei, so einfach war das.

Seine hauseigene Schmarotzerin beobachtete ihn nun wieder ruhig, bis er schließlich mit Essen und Kaffee die Küche verließ.

Sie folgte ihm auffällig.

„Warum isst du eigentlich nie in der Küche?“, fragte sie neugierig. „Ganz alleine im Kaminzimmer zu essen ist doch total doof.“

„Personal isst in der Küche“, erklärte er abwertend, „außerdem sind die Stühle dort unbequem.“

Sie war nervig, warum hatte Lorenor sie nur hiergelassen?

„Ich esse gerne in der Küche“, murmelte sie schmollend.

„Sag ich ja.“

Schnaubend folgte sie ihm ins Kaminzimmer, wie eine nervige Klette.

Als er sich hinsetzte, hielt sie ihm die Zeitung hin.

„Hier, Mi..hawk?“

Für einen Moment sah er sie an, ehe er die Zeitung entgegen nahm.

Sie hatte ein zittriges Lächeln aufgesetzt und wirkte nervös, doch er entschied sich auf seine Lieblingslektüre zu konzentrieren.

Gnädiger Weise konnte er in absoluter Stille sein Frühstück genießen, obwohl er ihren Blick die ganze Zeit wahrnehmen konnte.

Er hatte das ungute Gefühl, dass sie ihn den Tag über verfolgen würde und er sollte Recht behalten.

Als er aufstand, um die Reste seines Mahls wegzuräumen, kam sie ihm hinterher.

„Bist du mein Schatten?“, fragte er genervt. „Oder warum verfolgst du mich?“

„Ich wollte dir beim Abwasch helfen“, murmelte sie unschuldig.

Er ließ sie machen.

„Sag mal, Mihawk“, stammelte sie dann, als sie den Teller entgegen nahm, „warst du gestern nicht ziemlich grob mit Zorro?“

„Wie bitte?“

Sie erlaubte sich sein Handeln zu kritisieren?

Sie sah sich in der Position seine Trainingsmethoden zu bewerten?

War sie lebensmüde?

„Also… also ich mein ja nur“, ruderte sie schnell zurück, „Zorro wirkte auf mich so, als ob er gar nicht verstehen würde, was du von ihm wolltest. Ich glaube nicht, dass ihm bewusst war, dass er nicht mit vollem Einsatz trainiert hat.“

Dulacre war nicht im Mindesten darüber verwundert, dass sie über alles Bescheid wusste. Schließlich schwebten überall ihre lächerlichen Geister herum und beobachteten alles.

Ihm war es gleichgültig, solange sie seine Privatsphäre in Ruhe ließ.

Aber er war mehr als überrascht, dass sie die Dreistigkeit hatte mit ihm über Lorenors Fortschritt zu diskutieren.

Sie schien seine Stimmung zu merken – nicht ganz verwunderlich, schließlich starrte er sie direkt an – denn sie sprach schnell weiter: „Weißt du, Angst und negative Gedanken sind meine Spezialität, daher weiß ich genau was du meinst. Aber Zorro hat vor so gut wie nichts Angst, ich glaube nicht, dass sie ihn je gehemmt hat, wenn überhaupt hat sie ihn bisher immer nur angespornt.“

Sie schien sich wirklich viele Gedanken darüber gemacht zu haben.

„Ich hab keine Ahnung von dem was du ihm beibringen willst und ich will mich da auch gar nicht einmischen.“

Das war auch besser so, für sie.

„Aber ich würde gerne verstehen, warum du Zorro vor eine Wahl stellst, anstatt ihm einfach zu erklären was los ist. Ich glaube nicht, dass er es verstanden hat.“

Er schuldete ihr keine Erklärung. Herrgott er schuldete ihr noch nicht mal einen feuchten Händedruck.

„Dann streng doch ausnahmsweise deinen eigenen Kopf an“, forderte er sie heraus. „Warum glaubst du, dass ich Lorenor wählen lassen?“

Dabei hatte er schon das Gefühl gehabt, es dem anderen sehr deutlich gesagt zu haben.

Für einen Moment betrachtete sie das Geschirrtuch in ihren Händen.

„Damit er es selber versteht“, murmelte sie nachdenklich. „Du weißt, dass er es noch nicht einmal bemerkt hat, also willst du, dass er selbst darüber nachdenkt. Denn wenn er später seinen eigenen Fehler noch nicht einmal bemerkt, wie soll er sich dann verbessern, wenn du nicht vor ihm stehst und es ihm erklärst?“

„Das stimmt“, gab er zu, „Lorenor muss mehr reflektieren lernen und zwar in den wenigen Bereichen, in denen es ihm schwerfällt. Er muss lernen auch in unangenehmen Situationen seine Konzentration zu wahren und eigene Schwächen wahrzunehmen. Die Aufgabe eines Lehrmeisters ist es nicht nur, einem Schüler sein Wissen beizubringen, sondern auch das selbständige Weiterdenken und Nachfragen zu fördern.“

Sie starrte ihn mit großen Augen an, wobei ihre Augen dank ihrer Schminke immer riesig wirkten.

„Was ist? Du scheinst überrascht. Hättest du nicht erwartet, dass mein Handeln einen tieferen Sinn hat?“

„Ähm doch“, meinte sie und sah weg. „Ich hätte nur nicht erwartet, dass du es mir erzählst. Das war nett, danke“, fügte sie kleinlaut hinzu.

Er verharrte einen Moment. Ihm war nicht einmal bewusst gewesen, dass es für sie wirklich relevant sein konnte.

Plötzlich piepste eine kleine Uhr neben ihr.

„Oh nein, ich bin spät dran!“, schrak sie plötzlich hervor und sprang auf.

„Was redest du denn da? Es ist doch niemand mehr da, für den du Frühstück vorbereiten müsstest.“

„Darum geht es doch gar nicht“, entgegnete sie während sie das Piepsen ausschaltete und durch die Küche hetzte.

Milde interessiert beobachtete er sie wie sie einen der großen Körbe aus der Speisekammer holte, gefüllt mit Lebensmitteln.

Er seufzte auf.

„Ich habe dir schon einmal erklärt, dass du die Lebensmittel nicht an die Humandrills verschwenden sollst. Das hier ist kein Wohlfahrtsverein. Du wirfst Geld zum Fenster hinaus, mein Geld wohlgemerkt.“

„Bei den Heizkosten, die dieses Schloss hier verschlingt, glaube ich nicht, dass du dir um Geld Gedanken machst.“

Sie hastete mit dem Korb Richtung Hinterausgang.

„Tze, wie dem auch sei. Es ist vertane Liebesmüh, Geistermädchen. Du kannst ihnen noch so viel...“

„Psst!“

Sie hatte den Korb gegen ihre Hüfte gestemmt, um eine Hand frei zu haben und die Tür zu öffnen. Dann hielt sie den Zeigefinger vor die Lippen.

„Wenn du so laut redest, kommen sie bestimmt nicht. Schließlich haben sie Angst vor dir.“

Verdutzt ließ er sich wirklich von dem Geistermädchen den Mund verbieten und sah ihr dabei zu wie sie die Stufen hinuntereilte und den Korb im Hinterhof abstellte. Am fernen Horizont deutete ein Streifen helles Blau das Ende der Nacht an.

Während sie die Tür schloss, schüttelte er den Kopf.

„Warum gibst du dir solche Mühe? Sobald du ohne Lorenor oder mich durch die Wälder streifst werden sie nicht zögern dich zu töten.“

Nun sah sie ihn ungewohnt kühl an.

„Na und?“ Sie verschränkte die Arme. „Warum sollte mich das abhalten hungrige Mäuler zu stopfen?“

Diese Gegenfrage überraschte ihn, doch sie hielt sich gar nicht mehr mit ihm auf, sondern huschte zum kleinen Küchenfenster hinüber.

Nun lächelte sie wieder freudig.

„Da kommen sie!“, flüsterte sie aufgeregt.

Seufzend folgte er ihr zum Fenster und sah ebenfalls hindurch.

Ein Dutzend Humandrills huschten vorsichtig durch den hinteren Garten. Sie schienen offensichtlich nervös und beäugten das Schloss argwöhnisch. Sie mussten Dulacres Anwesenheit spüren und wussten, dass er es nicht mochte, wenn sie seinem Heim zu nahe kamen.

Im Hinterhof angekommen teilten sie sich auf und nahmen links und rechts von der Treppe Aufstellung, auf deren unterstem Absatz die Geisterprinzessin den Korb mit den Lebensmitteln abgestellt hatte.

Es schien als würden sie jeden Moment mit einem Angriff rechnen.

Als nach mehreren Sekunden nichts passierte wollte der Samurai schon gehen, als plötzlich einer der Affen leise pfiff und sich ein weiterer Schatten aus dem dunklen Wald löste.

Erstaunt beobachtete Dulacre, wie der dreizehnte Humandrill vorsichtig näher kam, in seinen Händen ein Korb, identisch zu dem, der auf der Treppe stand. Ähnlich wie das Geistermädchen hatte der Affe den Korb gegen die Hüfte gestemmt, um so eine Hand frei zu haben, in der er eine Waffe hielt.

Beinahe erhaben ging der Affe zwischen den aufgestellten Artgenossen hindurch und erreichte die Treppe. Dort schaute er einmal skeptisch zur Türe hinauf ehe er vorsichtig den mitgebrachten Korb auf der untersten Treppenstufe abstellte.

Im nächsten Moment schnappte er sich den anderen Korb und rannte sogleich von dannen, gefolgt von den anderen Humandrills.

„Sind sie nicht süß?“, flüsterte die junge Frau an seiner Seite und eilte bereits zur Küchentür.

„Unglaublich putzig“, kommentierte er sarkastisch, doch dann schlich ihm ein überraschter Laut über die Lippen.

„Oh.“

Im Licht der Küche konnte er nun erkennen, dass der Korb, den das Geistermädchen hereintrug, überhaupt nicht leer war.

Fast bist zur Hälfte war er gefüllt mit allerlei Pilzen, Nüssen, Wurzeln und Früchten.

Das breite Grinsen seines Gegenübers konnte mit Jiroushins konkurrieren.

„Siehst du!“ Strahlend hielt sie ihm den Korb entgegen. „Sie sind keine bösen Monster. Sie sind nur missverstanden.“

„Wie du meinst.“

Er drehte sich um und ließ das Geistermädchen in der Küche zurück.

Die Humandrills hatten ihr tatsächlich Nahrungsmittel gebracht, sie hatten sich tatsächlich etwas von ihrer Gutmütigkeit abgeguckt.

Kopfschüttelnd begab er sich zurück in seine eigenen Gemächer, wohin sie ihm sicherlich nicht folgen würde.

Vielleicht, nur vielleicht, hatte er sie doch unterschätzt.

Kapitel 31 - Wille

Kapitel 31 - Wille
 

-Mihawk-

„Warum nochmal machen wir das?“

Er rollte mit den Augen.

„Ich habe es dir schon einmal erklärt, Geistermädchen. Ich bekomme morgen Besuch und daher soll dieser Raum vorzeigbar sein.“

Die Angesprochene schnaubte auf und rieb sich den Staub aus dem Gesicht.

„Ja, den Teil habe ich schon verstanden, aber warum muss ich dir helfen? Das hier ist so anstrengend, könnt ihr nicht einfach ins Kaminzimmer gehen oder in die Bibliothek.“

„Willst du den Rest allein machen?“, entgegnete er knapp worauf sie schnell den Kopf schüttelte und weiter die schweren Vorhänge von Staub und Spinnennetzen befreite.

Sie hatte nicht ganz Unrecht. Es gab absolut keinen vernünftigen Grund, der dagegen sprach, dass er seinen Termin in einem der anderen häufiger genutzten Räumen abhielt. Keinen einzigen außer, dass er es nun mal so wollte.

„Wenn du fertig bist bring noch einen Stuhl aus der Küche hierher“, befahl er während er selbst die verhüllten Gemälde und Plastiken von ihren Umhängen befreite.

„Was? Warum denn einen von dort?“

„Weil ich es dir sage.“

Sie waren schon seit fast zwei Stunden am Putzen und langsam sah der Saal wieder so prunkvoll aus wie zu seinen besseren Zeiten.

„Muss ja jemand ziemlich wichtiges sein, wenn du so einen Aufstand wegen dem machst.“

Er antwortete nicht, sondern betrachtete sein Werk.

Zugegeben, das Geistermädchen war ihm eine große Hilfe gewesen; sie war wirklich flink, wenn es ums Saubermachen ging.

Zufrieden ging er die drei Stufen am Ende des Saals hinauf und ließ sich auf dem einzigen Möbelstück nieder, das anwesend war, ein Stuhl, der mehr einem Thron glich, als einem Sessel.

Auf diesen Tag hatte er lange gewartet, allein dafür hatte er sich in diesem Schloss eingenistet.

Die grelle Frau kam mit wippenden pinken Haaren und Stuhl wieder hinein und blieb im Türrahmen stehen. Er konnte ihren beeindruckten Blick sehen, ehe sie schnell wegsah und die Türe hinter sich wieder schloss.

Er mochte die Türe dieses Zimmers. Es war eine doppelseitige Schiebetür, deren beiden Seiten durch einen speziellen Mechanismus miteinander verbunden waren und stets gleichzeitig auf und zu gingen, einem Neuankömmling somit ein beeindruckendes Bild bieten würden.

„Wo soll der Stuhl hin?“, fragte sie ihn schüchtern und er bedeutete ihr mit einem Fingerzeig ihn genau vor ihm, vor den drei Stufen abzustellen.

„Ist das nicht ein bisschen zu dramatisch?“, murmelte sie und sah zu ihm hoch.

„Soll ich dir noch eine Krone holen oder so?“

Sofort zuckte sie unter seinem Blick zusammen.

„Ich bin der Herr dieser Insel, ich sollte mich auch dementsprechend präsentieren. Allerdings erwarte ich nicht, dass du das verstehen würdest, Geistermädchen.“

Er stand auf und ging an ihr vorbei.

„Nein, das tue ich auch nicht“, stimmte sie ihm zu. „Warum machst du das?“

Nun sah er sie grinsend an.

„Weil ich will.“

Sein Grinsen wuchs über ihren perplexen Gesichtsausdruck.

„Und weil ich kann.“

Dann ging er weiter.

„Ich bin mein eigener Herr, ich kann tun und lassen was auch immer ich will. Wenn ich wollte, könnte ich diese Insel hier dem Erdboden gleich machen und keiner könnte mich zur Rechenschaft ziehen.“

Er konnte ihre klackenden Absätze hinter ihm hören.

„Hört sich selbstgefällig für mich an“, murmelte sie leise, „außerdem bist du doch Samurai, oder nicht? Macht dich das nicht zu einem Leibeigenen der Weltregierung?“

Oh, er hätte am vergangenen Morgen nicht so nett zu ihr sein sollen.

„Achte auf dein vorlautes Mundwerk, wenn du es behalten willst“, drohte er.

„Nein, nein, ich dachte nur...“

Sie verstummte für eine Sekunde ehe sie weitersprach.

„Denkst du wirklich, dass du trotzdem frei bist?“

Er blieb stehen und sah sie an, doch sie knetete ihre Hände in ihrer verstaubten Schürze.

„Ich meine, wie kannst du dein eigener Herr sein, wenn du jemandem anderen gehörst? Sind nicht irgendwie alle deine Entscheidungen daran gebunden, was...“

„Was für ein Irrsinn!“

Erschrocken starrte sie zu ihm herauf.

„Hör mir gut zu, ich werde dir das nur ein einziges Mal sagen.“

Er konnte sehen, wie die Angst in ihr wuchs.

„Solange man seinen eigenen Willen hat, ist man immer frei.“

Ihre Augen worden groß.

„Es mag sein, dass man ein Sklave ist, ein Leibeigener, aber ein jeder von uns wird mit seinem eigenen Willen geboren und solange man diesem nicht aufgibt, gehört man nur sich selbst und niemandem sonst.“

Ihre Fäuste zitterten.

„Auch wenn ich an die Weltregierung gekettet bin, so werden sie mich doch nie kontrollieren können. Was ist mit dir? Hast du einen eigenen Willen oder lässt du dich blind von fremder Menschen Willen lenken? Denn nur dann hast du dich selbst aufgegeben.“

Mit diesen Worten ging er, ließ sie zurück.

Sein eigener Wille, so oft hatte er ihn angepasst, unterdrückt, ignoriert.

Doch es hatte nur wenige Dinge im Leben gegeben, die er auch je gewollt hatte und meistens hatte er dann einfach zugegriffen, ohne zu zögern.

Er wusste, dass es nicht ganz so einfach war, wie er es eben gesagt hatte.

Aber, gestand er sich schmunzelnd ein, so in etwa hätte es wohl Lorenor ausgedrückt, nicht wahr?
 

Er war angespannt.

Wie ein Grünschnabel vor dem ersten Duell war er angespannt.

„Hey, Mihawk.“

Stöhnend rollte er mit den Augen. Sie konnte er gerade gar nicht gebrauchen.

„Was ist? Siehst du nicht, dass ich gerade beschäftigt bin?“, murrte er und ließ die Zeitung sinken.

Das Geistermädchen auf der anderen Seite der Nachrichten wich mit feuerrotem Kopf seinem Blick aus.

„Kann ich dich was fragen?“

Er hätte nie auf Lorenor hören sollen. Warum hatte er sie nicht schon vor Monaten rausgeworfen?

Sie war nervig und seit ein paar Tagen rückte sie ihm immer mehr auf die Pelle.

Als er nichts entgegnete begann sie ihre gefalteten Hände zu kneten und ließ sich schließlich auf dem Sofa nieder, auf dem sonst sein Wildfang zu schlafen pflegte.

Dann sah sie ihn mit einer unschuldigen Neugierde an.

„Wie finde ich heraus, was ich will?“

Ihm entglitt beinahe die Zeitung über eine solch armselige Frage.

„Wie meinst du das?“, fragte er bedacht desinteressiert. „Du wirst doch zumindest wissen, was du magst oder nicht?“

Natürlich erinnerte er sich an ihr Gespräch vom morgen, aber er hatte nicht gedacht, dass sie das Thema noch einmal ansprechen würde.

Sie sah ihn immer noch nicht an, sondern knetete nur ihre Hände in ihrem Schoß.

Aber Dulacre fand so oder so keinen Gefallen an dieser Unterhaltung also hob er die Zeitung wieder an und las weiter.

„Ich habe sorgsam über deine Worte nachgedacht, über alles was du mir bisher gesagt hast und du hast Recht. Wenn ich wirklich zu Meister Moria zurückkehren wollen würde, wäre ich wohl schon längst aufgebrochen, um ihn zu suchen. Aber die Sache ist die...“ Sie zögerte. „Eigentlich weiß ich gar nicht was ich will.“

Tief holte der Samurai Luft. Auf dieses Gespräch konnte er so gut verzichten.

„Das ist doch eine lächerliche Ausrede“, murrte er und faltete die Zeitung zusammen.

„Ist es nicht!“ Sie sprang auf. „Mein ganzes Leben...“ Sie schluckte schwer und Dulacre befürchtete, dass sie bald anfangen würde zu weinen. „Mein ganzes Leben lang konnte ich nicht für mich selbst bestimmen. Bis Meister Moria mich aufnahm, hatte ich nicht den Luxus darüber nachzudenken was ich mochte; ich tat alles, um irgendwie zu überleben.“

Er entgegnete nichts.

„Selbst bei Meister Moria tat ich das, was man mir auftrug. Ich war so froh ein Zuhause gefunden zu haben, dass ich alles getan hätte, um nicht wieder allein zu sein. Denn davor hat doch jeder Angst, oder? Ausgestoßen zu werden, abgelehnt zu werden, allein zurückzubleiben.“

Ausdruckslos betrachtete er wie stumme Tränen ihr Gesicht hinunterrannen.

„Aber jetzt bin ich hier und obwohl du ein herzloses Monster bist und Zorro ein ungehobelter Grobian, trotzdem bin ich gerne hier. Du behandelst mich gemein und meckerst über mein Kochen, aber trotzdem lässt du mich kochen was ich will, bestellst alles, was ich auf die Einkaufsliste schreibe, selbst wenn es nur mein eigener Süßkram ist und ansonsten kann ich tun und lassen was ich will, solange ich euch nicht störe. Zorro ist nicht viel besser, andauernd grummelt er vor sich hin wie ein verschlafener Bär, aber ich kann ihm immer Fragen stellen und er ist in Wirklichkeit viel netter als er immer tut. Außerdem lässt er mich neure Frisuren bei ihm anprobieren und diese Kanan schickt immer ganz tolle Kleider.“

Vergeblich versuchte sie ihre Tränen wegzuwischen.

„Seit ich hier bin muss ich zwar auch arbeiten, weil du mich ansonsten rauswirfst, aber es ist trotzdem sehr lustig dir und Zorro beim Schachspielen und streiten zuzusehen. Außerdem ist Zorro Lady Loreen und es macht unglaublichen Spaß ihn dann einzukleiden. Auch dass du immer...“

„Worauf willst du hinaus, Geistermädchen?“

Ihre Geschichte interessierte ihn nicht.

Sie ballte ihre Fäuste und sah ihn direkt an. Das erste Mal, dass sie seinem Blick erwiderte.

„Du bist der erste Mensch, der mich gefragt hat, was ich will. Vorher habe ich darüber nie nachgedacht. Ich dachte, dass Meister Moria der einzige Mensch ist zudem ich zurückkehren kann, aber jetzt...“

Sie schüttelte den Kopf.

„Jetzt weiß ich das nicht mehr. Denn ich bin gerne hier, trotz deiner üblen Laune und Zorros schlechter Stimmung. Daher...“

Ihre Lippe bebte.

„Daher, wenn ich wirklich das tun darf was ich will, wenn ich wirklich einen eigenen Willen haben darf und danach handeln kann, dann… dann...“

Plötzlich verbeugte sie sich tief.

„Darf ich dann bitte hier bei dir und Zorro bleiben?“

Noch immer sagte er nichts.

„Bitte! Kann ich bleiben?!“, schrie sie. „Ich will hier auf Kuraigana bleiben.“

Kopfschüttelnd stand er auf und warf die Zeitung auf einen kleinen Beistelltisch.

Sie rührte sich nicht als er an ihr vorbeiging und zur Tür schritt.

Dort blieb er stehen.

„Mihawk?!“, entkam es ihr atemlos, offensichtliche Verzweiflung in ihrer Stimme.

Noch immer stand sie tief verbeugt da.

„Ich weiß nicht, was du von mir willst“, entgegnete er kühl, „du weißt doch schon längst was du willst und hängt dein Wille doch nicht von meiner Entscheidung ab, oder? Schließlich bist du ein freier Mensch.“

Er öffnete die Tür und verließ das Zimmer.

„Vielen Dank!“

Schmunzelnd schloss er die Tür wieder hinter sich.

Er war viel zu weich geworden, erst knackte Lorenor seine Schale und nun appellierte sie an seine Gutmütigkeit.

„Tze.“
 

-Zorro-

Langeweile!

Am späten Morgen waren sie auf irgendeiner Insel angekommen, deren Name Zorro bereits wieder vergessen hatte.

Den gesamten vergangenen Tag hatte er mit Eizen und Rihaku in einem schwülstig ausgestatteten Raum verbracht und sich auf die morgige Sitzung vorbereitet.

Nun jedoch lag er auf einem riesigen Bett in einem noch größeren Zimmer und sollte sich eigentlich irgendwelche Berichte durchlesen, aber wenn er ehrlich war, dazu hatte er überhaupt keine Lust.

Missmutig betrachtete er die kleine, weiße Teleschnecke in seiner Hand. Natürlich könnte er jetzt den Samurai anrufen, es wäre vermutlich gar keine schlechte Idee.

Aber nein, schließlich war der andere am gestrigen Tag noch nicht einmal aufgestanden, um ihn zu verabschieden.

Außerdem wusste Zorro immer noch nicht wo jetzt das eigentliche Problem lag, worüber er genau eine Entscheidung treffen sollte.

Ja, er hatte den Teil mit der Angst kapiert, so halbwegs zumindest. Verstand was der andere meinte, aber das Ding war doch einfach, dass er nicht das Gefühl gehabt hatte sich zurückzuhalten.

Natürlich waren seine Hakireserven viel langsamer zu Neige gegangen als zuvor, das war doch der ganze Sinn hinter gewesen, dass Zorro gelernt hatte seinen Hakifluss zu regulieren und nach Stunden von hartem Training war es doch auch verständlich, wenn seine Schlagkraft anfing nachzulassen.

Tief seufzte er, verließ das Bett und verstaute die Schnecke wieder zwischen seinen Sachen.

Er hatte nur ein paar Tage, um herauszufinden was der andere gemeint hatte, ansonsten würden sie nicht weiter trainieren und das mussten sie.

Schließlich waren die sechs Monate fast um und das war die Zeit, die Zorro sich selbst gegeben hatte, um in der neuen Welt bestehen zu können.

Nur weil er jetzt deutlich länger auf Kuraigana bleiben konnte, änderte das nichts an seiner Zielstrebigkeit.

Wie sollte er sich seinen Ängsten stellen, wenn er noch nicht einmal das Gefühl hatte davor wegzulaufen.

Grübelnd begann er seine nervigen Haare zu bürsten. Eine reine Tätigkeit aus Langeweile, die er sich bei Perona abgeguckt hatte, auch wenn er das nie zugeben würde.

Na ja, was war denn überhaupt das Schlimmste, das passieren konnte, wenn er wieder die Kontrolle verlor?

Dass er Perona und Dulacre verletzte, logischerweise.

Aber nein, der Samurai war ihm deutlich überlegen und auch wenn er die Geisterprinzessin nicht wirklich leiden konnte, so würde er nicht zulassen, dass Zorro sie im Rausch umbrachte.

Leise vor sich hin grummelnd legte er die Bürste zur Seite und flocht sein Haar.

Dass er danach wieder bewegungsunfähig sein würde?

Nun, das war natürlich nicht schön, aber er hatte schon schlimmere Blessuren in Kauf genommen, um stärker zu werden. Außerdem war das Verwandeln in seine wahre Gestalt deutlich schmerzhafter. Selbst jetzt, nachdem er es seit Monaten trainierte, ließ es ihn immer etwas atemlos sich in Zorro zu verwandeln, nicht dass er sich davon aufhalten ließ.

Aber was konnte es sein?

Dass er beim Anwenden starb?

Nein, er hatte keine Angst vor dem Tod, jetzt erst recht nicht.

Also was zur Hölle sollte ihn davon abhalten im Training alles zu geben?

„Entschuldigung.“ Ein lautes Klopfen ertönte an der Zimmertür und eine junge Soldatin kam hinein. Ihre Augen hatte sie auf eine große Schriftrolle gerichtet, von der sie vorzulesen begann: „Sehr geehrte Lady Loreen, mein Name ist Yaone und im Namen der gesamten Marine und im Namen des Herrn...“

Verdammt!

Zorro hörte ihr schon lange nicht mehr zu.

Er kannte sie.

Verdammt noch mal! Er kannte diese Frau!

Er erinnerte sich an ihr langes blutrotes Haar, das nun bis zum Kinn abgeschnitten war, an die etwas zu enge Marineuniform, die sie nun durch eine besser sitzende ersetzt hatte.

Ach, ich bin übrigens Yaone. Wie heißt du denn?

Er erinnerte sich an ihr nicht enden wollendes Gerede und daran, was er getan hatte.

Sie war die Soldatin von der G6, die ihm unwissentlich geholfen hatte.

Die Soldatin, die er bei seinem Ausbruch zum Sterben zurückgelassen hatte.

Doch das allein war nicht der Grund, warum ihm abwechselnd heiß und kalt wurde.

Immer noch konzentrierte die Soldatin sich auf ihren abzulesenden Text, ihre rechte Hand war mit Bandagen umwickelt: „… wünsche ich Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und bei weiteren Fragen stehen Ihnen die Soldaten des Hauptquartiers und sowie das Personal zur Verfügung.“

Klick

„Was…?“

Überrascht schaute die junge Frau auf und drehte sich zu Zorro herum, der an ihr vorbeigehuscht war und gerade die Zimmertüre abgeschlossen hatte, in einer Hand Josei.

Mit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an und ließ die Pergamentrolle fallen.

„Aber… aber was zur Hölle...“

Im nächsten Moment griff sie nach ihrem Schwert, doch Zorro war schneller.

In einem fließenden Bogen riss er mit Josei ihren Gürtel ab und schleuderte ihn zu sich herüber. Ohne sich groß bewegen zu müssen fing er ihr Schwert auf, die Türe weiterhin am Blockieren.

„Das würde ich lassen“, riet er missmutig.

Das hier konnte er gerade so gar nicht gebrauchen.

Immer noch sah sie ihn an als würde sie einen Geist sehen. Sie schüttelte leicht den Kopf und sah hilfesuchend von links nach rechts, ohne ihn jedoch aus den Augen zu lassen.

„Okay, hör mich zu“, murrte Zorro und stellte sich etwas entspannter hin, „wir können das hier jetzt in Ruhe regeln, ohne dass irgendwer verletzt wird, verstanden?“

Nun sah sie wieder direkt ihn an, obwohl ihr Blick kurz zu ihrem Schwert huschte.

„Was zum Teufel sind Sie?“, flüsterte sie und zog einen kleinen Dolch aus ihrem Ärmel. Nicht, dass der eine Gefahr für Zorro darstellen würde; selbst als Loreen war er ihr meilenweit voraus.

Trotzdem verwirrte ihre Frage ihn etwas.

„Naja, das gleiche wie du“, meinte er kühl, „ein Wiedergeborener.“

„Was?!“ Sie schüttelte den Kopf und schien sich wieder zu fangen. „Ich habe keine Ahnung wovon Sie reden, Lady Loreen. Aber ich fordere Sie auf mir mein Schwert zurückzugeben und von der Tür zurückzuweichen.“

„Das kann ich leider nicht tun“, widersprach er und verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen.

„Wie bitte?“

Es überraschte Zorro, dass sie anscheinend keine Ahnung hatte wovon er redete, schließlich konnte er ihren Schatten sehen. Das immer wieder verschwimmende und schärfer werdende Abbild eines wahren Hünen von einem scheinbar schlafenden Mann verriet Zorro, dass diese Frau ebenso wie er selbst einst gestorben war und sich dann entschieden hatte in einem fremden Körper das alte Leben fortzuführen.

Doch so, wie er ihren Schatten sehen konnte, so musste sie auch seinen sehen, musste seine wahre Gestalt erkennen und so lief er Gefahr, dass sein größtes Geheimnis enthüllt wurde.

Hier, auf einer Insel der Weltregierung, die nur so von Marinesoldaten wimmelte und das auch noch ohne Falkenauge.

Wenn ihm nicht bald etwas einfiel würde er wirklich in der Patsche sitzen.

„Was sind Sie?“, fragte die Soldatin ihn nur deutlich gefasster. „Ein Formwandler?“

„Du hast keine Ahnung was hier vor sich geht, oder?“, murmelte er und fragte sich beiläufig, warum immer gleich alle an Formwandler dachten. Solche Märchengestalten gab es doch gar nicht. Nun ja, vielleicht war es wahrscheinlicher als von den Toten aufzuerstehen.

Sie ging in Kampfposition und sah ihn ernst an.

„Ganz offensichtlich habe ich gerade ein Geheimnis der Weltregierung gelüftet. Lorenor Zorro ist nie gestorben, sondern erhielt einen neuen Körper.“

„Ähm… das stimmt so nicht.“

Sie hatte das anscheinend in den ganz falschen Hals bekommen.

Aber wie kam sie überhaupt darauf, dass er was mit der Weltregierung zu schaffen… ach ja, Lady Loreen, Eizen, wenn er ehrlich war, schien es vielleicht doch nachvollziehbar; zumindest war es wahrscheinlich realistischer als die Wahrheit.

„Es ist mir egal!“, knurrte sie nun. „Wenn Sie wirklich Lorenor Zorro sind, dann habe ich keine andere Wahl als Sie hiermit festzunehmen, damit Sie für Ihre schrecklichen Taten gerichtet werden können.“

„Du nimmst das ganze hier ganz schön gelassen“, stellte Zorro anerkennend fest. „Du denkst also wirklich, dass ich Lorenor Zorro bin?“

„Naja“, murmelte sie nun auch mit einem spöttischen Grinsen, „ich zweifle schon gerade so ein bisschen an meinem Verstand. Lady Loreen und Lorenor Zorro sollen ein und dieselbe Person sein? Tze, ich glaube eher, dass das hier ein schlechter Traum ist.“

Für eine Sekunde nahm Zorro sich die Zeit die Wahrscheinlichkeit abzuwägen, dann schüttelte er jedoch den Kopf.

„Hör mal zu, Yaone – das war doch dein Name, oder? - ich hab keine Zeit für irgendwelche Probleme, verstanden? Also wenn du willst erkläre ich dir was los ist. Aber wenn du jetzt rumläufst und das hier herumerzählen willst, ja, dann muss ich dich wohl davon abhalten.“

Ihm gefiel das alles ganz und gar nicht.

Wie sollte er sie bitte davon abhalten, außer wenn er sie töten würde?

Eine böse Stimme sagte ihm, dass er das schon einmal versucht hatte und es ja dann keinen großen Unterschied machen würde, aber irgendwie war die Sache jetzt schon anders. Er konnte drauf verzichten irgendein dahergelaufenes Mädel umzubringen.

„Keine Worte der Welt können ändern was geschehen ist“, entgegnete sie unversöhnlich, „und nichts auf der Welt könnte Lorenor Zorros Schuld sühnen.“

Ob sie immer noch glaubte zu schlafen?

„Da hast du Recht“, stimmte Zorro ihr zu. „Diese Taten sind durch nichts zu rechtfertigen. Trotzdem...“ Er richtete sein Schwert auf sie. „Trotzdem kann ich dich nicht einfach so gehen lassen.“

Sie griff an.

Es dauerte keine zwei Sekunden bis sie auf dem Hintern landete, ihr Dolch in seiner freien Hand.

„Au“, murmelte sie und sah ihn plötzlich verunsichert an, „also ist es kein Traum?“

Zorro seufzte schwer und schüttelte den Kopf.

„Aber das ist doch unmöglich“, murmelte sie und zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihn. „Das heißt, das heißt… du lebst noch!“

„Hast du‘s jetzt gerafft?“

„Aber dann… dann muss ich…“

„Halt die Luft an und hör mir einfach mal einen Moment zu.“

Er hockte sich vor sie auf den Boden, immer noch zwischen ihr und der Türe.

„Du hast also wirklich keine Ahnung, dass du ein Wiedergeborener bist?“

Sie sah ihn zweifelnd an.

„Ein was? Wovon redest du?“

Einen Moment kratze er sich am Nacken und versuchte eine Lösung zu finden.

„Warst du schon mal auf der G2 bei Comil?“

Wieder schüttelte sie den Kopf und Zorro musste feststellen, dass es wohl seine Aufgabe war ihr alles zu erklären, wenn er verhindern wollte, dass sie ihn verriet.

Er erhob sich wieder und lehnte sich gegen die Tür.

„Okay, dann bin ich wohl der Pechvogel, der dir die Regeln beibringen muss. Du wirst mir vermutlich nicht glauben, aber es wichtig, dass du folgendes kapierst...“

Und dann begann er ihr alles zu erklären was er wusste, nun ja, fast alles.

Er erzählte ihr von den Wiedergeborenen, die – wie der Name schon sagte – nach einem meist gewaltsamen Tode, in einem fremden Körper wiedergeboren wurden.

Er erzählte ihr von seinem eigenen Schicksal und er erzählte ihr von Comil, dem Kommandanten der G2, der ebenfalls ein Wiedergeborener war und eine Schar von Gleichgesinnten um sich gesammelt hatte.

Selbst Zorro hatte er damals auf dem Marineball geholfen, wo Zorro selbst herausgefunden hatte, dass Comils echter Name Jade war, eine weitsichtige Dame, die schon viel in ihren Leben gesehen hatte.

Am Anfang hatte die junge Frau ihm offensichtlich misstrauisch und verwirrt zugehört. Er hatte ihr angesehen, dass sie versucht hatte sich einen Fluchtplan zusammenzulegen, aber irgendwann hatte sie ihm dann doch ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt.

Gerade beschrieb er ihr, wie ihr Schatten aussah.

„...und ich hab keine Ahnung, warum du dich nicht an dein altes Leben erinnerst, aber ganz offensichtlich gehörst du zu uns“, beendete er seine minutenlange Ausführung.

Sie schwieg eine gefühlte Ewigkeit und Zorro überlegte währenddessen, was er mit ihr tun sollte.

Der Ehrenkodex der Wiedergeborenen besagte, dass sie einander helfen mussten und sich nicht gegenseitig verraten durften.

Aber wie sollte er ihr diese Regeln aufzwingen.

„Wieso erzählst du mir das alles?“, murmelte sie schließlich, obwohl er ihr auch schon vom besagten Kodex berichtet hatte. „Schließlich weiß ich jetzt über alles Bescheid.“

„Na und?“, meinte er kühl und lehnte sich gegen die Tür. „Also mal ehrlich. Wer würde dir glauben? Du hast keinerlei Beweise. Die Marine glaubt, dass ich tot bin und Jade wird dir sicher nicht zustimmen, denn dann müsste sie erklären, woher sie es weiß und das würde alle anderen Wiedergeborenen gefährden.“

Sie sah ihn ernst an während er weitersprach: „Wir helfen einander, denn keiner von uns wusste zunächst was geschehen ist. Dadurch, dass du dich an dein altes Leben nicht mehr erinnerst, ist es vielleicht anders als bei mir, aber ich bin mir sicher, dass Comil auch dir helfen kann.“

Verwundert sah sie auf.

Zwar erleichterte es ihn wie einfach sie das alles aufnahm, aber irgendwie misstraute er der ganzen Sache auch.

„Was also hast du vor?“, fragte er sie direkt.

Überrascht öffnete sie den Mund, ohne etwas zu sagen, ehe sie sich schließlich erhob.

„Ich weiß es nicht“, gestand sie, „das alles ist aberwitzig und doch sehe ich es mit eigenen Augen. Wenn du das Monster Lorenor Zorro bist, dann muss ich dich festnehmen, aber wer würde mir schon glauben.“

Sie verschränkte die Arme.

„Ich könnte dich töten, aber dann würde alle Welt glauben, ich hätte Lady Loreen umgebracht und auch wenn ich dieses Opfer gerne bringen würde, ja sogar Falkenauges Zorn bereitwillig auf mich ziehen würde, so könnte ich mich auch irren und einen Unschuldigen umbringen.“

Da konnte sie unbesorgt sein, aber das brauchte Zorro ihr ja nicht auch noch unter die Nase zu binden.

„Wirst du mich umbringen?“, fragte sie ihn dann. „So wie du es damals versucht hast?“

„Ich würde es gerne vermeiden“, antwortete er ehrlich, „auch wenn ich es nicht entschuldigen kann, so musste ich es damals doch tun, um meine Crew zu retten und ich würde es heute wieder tun, wenn ich sie dadurch beschützen könnte.“

Sie atmete schwer aus und ihr Gesicht verzerrte sich vor Hass.

„Die Situation hier ist jedoch eine ganz andere. Hier ist niemand, den ich beschützen müsste, außerdem – dass magst du mir jetzt wahrscheinlich nicht glauben – aber ich töte nicht rein zum Spaß. Ich würde daher gerne einen anderen Weg nehmen.“

„Ja gerne“, murrte sie abfällig, „ergib dich doch. Dann wären alle Probleme gelöst.“

Zorro kratzte sich am Hinterkopf und zerstörte seine sorgsam geflochtene Frisur.

„Oder auch nicht. Also mal ganz abgesehen davon, dass ich besseres zu tun habe, als mich von der Weltregierung hinrichten zu lassen, würde so über kurz oder lang trotzdem herauskommen, dass Lady Loreen und Lorenor Zorro ein und dieselbe Person sind und das wiederum würde die anderen Wiedergeborenen - wie auch dich – in Gefahr bringen.“

Unzufrieden biss sie sich auf die Lippe.

„Also“, fragte sie ihn dann, „was machen wir jetzt?“

Kapitel 32 - Familie

Kapitel 32 - Familie

 

-Zorro-

Yaone hatte ihn nicht verraten.

Vielleicht lag es an dem glücklichen Zufall, dass noch am gleichen Tag Comil angereist war und Zorro mehr oder weniger aus seiner brenzligen Lage befreit hatte, aber die Soldatin mit den blutroten Haaren hatte entschieden, ihn zunächst einmal – wie sie es betont hatte – zu verschonen und Zorro war das nur Recht.

War ja nicht so als hätte er mit Eizen nicht bereits genug Probleme am Hut.

Ebendieser stand nun in seiner Zimmertüre, wie immer ein schmuckes Lächeln auf den faltigen Lippen und eine blickdichte Sonnenbrille auf der Nase.

„Sie haben sich heute gut angestellt“, lobte der Politiker und schloss die Türe hinter sich.

Zorro missfiel die gesamte Situation. Immer wenn der andere ihn in seinen privaten Zimmern aufsuchte konnte das nur eines bedeuten.

Wie auf Kommando zog Eizen seine Brille hinunter und sah ihn schmunzelnd an.

Dann blitzten seine Augen rot auf.

„Und wie Sie das mit der jungen Soldatin angestellt haben, hat mich wirklich beeindruckt. Was auch immer Sie ihr gesagt haben, sie hat Sie tatsächlich nicht verraten und das obwohl Sie sie beinahe umgebracht hätten. Bravo.“

Er setze die Brille wieder auf und klatschte Zorro leise Beifall.

„Das hat mir eine menge Arbeit erspart. Soldaten sind immer so umständlich, wenn es um Geheimnisse geht, die meisten nehmen kein Schweigegeld oder dergleichen an und meine Alternativen sind begrenzt.“

„Hören Sie mit diesem Unsinn auf“, widersprach Zorro und wandte sich von ihm ab.

Nie würde er vor dem anderen zugeben, was Eizen hören wollte.

Eizen wusste die Wahrheit, aber das hieß noch lange nicht, dass Zorro dies eingestehen musste.

Entschuldigend hob der Politiker beide Arme.

„Es tut mir leid. Mir ist bewusst, dass Sie dieses leidige Thema vermeiden möchten und natürlich ist es überaus müßig an einem so beeindruckenden Ort über diese dunkle Vergangenheit zu sprechen.“

„Möchten Sie mir nicht einfach erklären, warum Sie mich mit Ihrem Besuch beehren?“

Zorro war müde. Morgen würden sie endlich abreisen.

Die Sitzung war überraschend kurz gewesen, keine zwei Stunden und die anschließende Verkündung hatte auch nur wenige Minuten gebraucht.

Das Hauptquartier der Marine, welches im großen Krieg beinahe vollkommen zerstört worden war, sollte in die neue Welt verlegt werden.

Der Vorschlag war einstimmig angenommen worden.

Der Politiker lachte leise.

„Ihre Geduld ist heute nicht so ausdauernd wie sonst, kann es sein?“

Wie sollte Zorro ehrlich darauf antworten, ohne den anderen im gleichen Moment zu beleidigen?

„Da mögen Sie Recht haben“, knickte er ein.

Eizen lächelte breit, ehe seine Miene ernst wurde.

„Nun gut, dann komme ich halt direkt zum Grund meines Besuches.“

Innerlich atmete Zorro auf, aber äußerlich bemühte er sich, sein Pokerface aufrechtzuerhalten.

„Ich wollte mit Ihnen noch einmal über den heutigen Tag sprechen.“

Das überraschte Zorro nun doch.

Vor weniger als einer Stunde hatte er noch mit dem Politiker und seiner Assistentin in dessen Gemeinschaftsraum gesessen und eben dieses Thema besprochen.

„Ich dachte wir hätten das bereits zur Genüge“, entgegnete Zorro kühl und ließ sich auf dem Stuhl an seinem Schreibtisch nieder.

Seine Füße brannten, seit dem frühen Morgen schon rannte er in diesen hohen Hacken herum; so lange hatte er Absätze schon seit Monaten nicht mehr aushalten müssen.

„Das stimmt, ich möchte Sie nur auf eine kleine aber wichtige Sache hinweisen. Ist Ihnen aufgefallen wie die Stimmung im Sitzungssaal gekippt ist, nachdem Frau Rihaku ihre Rede vorgetragen hat?“

Zorro nickte.

Natürlich, Rihaku war die letzte Vortragende gewesen und bis zu ihrer Rede waren die Meinungen gespalten und feindselig gewesen.

Danach hatte es bei der Abstimmung noch nicht einmal Enthaltungen gegeben, geschweige denn Gegenstimmen.

„Worte haben Macht, Liebes, das sollte Ihnen mittlerweile bewusst sein. Frau Rihaku hat ein ausgesprochenes Talent, wenn es dazu kommt diese Macht zu nutzen, aber selbst sie kann nicht mit Ihrer Gabe mithalten.“

Zorro entgegnete nichts. Er war es leid immer und immer wieder darüber reden zu müssen. Schließlich hatte er sich das alles hier nicht ausgesucht.

„Und doch, Ihre Gabe allein wird nicht ausreichen. Ich kann Ihnen noch so viele Worte in den Mund legen. Dies alles ist unnütz, wenn Sie nicht in der Lage sind der Meinung anderer stand zu halten und zu entkräften.“

„Wie meinen Sie das?“

Hatte der andere denn noch nicht kapiert, wer Zorro war?

Er war selbstbewusst genug, um sich eine eigene Meinung zu bilden und würde die nicht wegen einer kleinen Rede einfach so umwerfen. Erst recht nicht, wenn es Eizens Rede war.

„Viele der Anwesenden heute hatten einen starken Willen, mit Ihrem vergleichbar möchte ich meinen, und doch reichten ein paar klug gewählte Worte, um sie umzustimmen.“

Zorro sah den anderen direkt an. Er wollte sich davon nicht einschüchtern lassen.

„Es kommt nicht nur auf den Willen an, auf die eigene Meinung. Ich verspreche Ihnen, mit den richtigen Worten können Sie Ihren Willen durchsetzen und den anderen auch noch in dem Glauben lassen, dass er gewonnen hätte. Es ist einfach die eigenen Absichten zu verlieren. Wenn man feilscht, vergisst man schnell, dass es nicht um den Preis geht.“

Zorro hatte keine Ahnung wovon der andere sprach.

„Wissen Sie was mein Ziel auf diesem Kongress war, Liebes?“

„Darüber haben wir doch gesprochen“, antwortete der Schwertkämpfer missmutig. „Sie wollten, dass das Hauptquartier der Marine auf den Stützpunkt der G1 verlegt wird.“

„Oh nein.“ Nun lachte Eizen erneut und schüttelte leicht den Kopf, als wäre Zorros Antwort überaus naiv. „Das ist nur das, was ich mit Ihnen und Frau Rihaku besprochen habe, damit sie ihre Rede auf die Vorteile eines Tausches der beiden Stützpunkte konzentrieren würde. Mein Ziel war ein ganz anderes.“

Der Politiker grinste breit während Zorro sich fragte, wie Eizen sein eigentliches Ziel denn erreicht haben konnte, wenn der Politiker eben nicht wollte, dass das Hauptquartier verlegt werden sollte.

„Alles, was ich erreichen wollte war, dass das Hauptquartier nahe der Red Line bleibt, nahe Mary Joa, um genau zu sein.“

Zorro konnte nicht verleugnen überrascht zu sein.

Der Stützpunkt der G1 lag zwar in der neuen Welt, war aber nicht wirklich weiter entfernt als die Insel des derzeitigen Hauptquartiers.

„Sie sehen es ging mir nie darum, wo genau sich das Hauptquartier befindet und deshalb konnte ich Zugeständnisse machen, Zugeständnisse, die für mich unwichtig waren. Doch meine Gegner glauben, dass meine Zugeständnisse einer Kapitulation gleichkamen. Sie wollten das Marinehauptquartier verlegen und sie haben gewonnen. Aber genau dorthin, wo ich es wollte. Sehen Sie, was der Unterschied ist?“

Die viel größere Frage war doch, warum der andere ihm das alles erzählte.

„Es ist wichtig das wahre Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, Liebes. Unsere Kontrahenten haben sich selbst so sehr darin verloren die Verlegung zu erreichen, dass sie über die Hintergründe nicht einmal mehr nachgedacht haben.“

Zorro schwieg als der andere sich umdrehte und zur Türe ging.

„Ich gestehe, dass dies vermutlich viel für Sie ist. Denken Sie in Ruhe über meine Worte nach. Mit der Zeit werden Sie verstehen.“

Der Politiker öffnete die Türe.

„Eizen.“ Nachdenklich betrachtete Zorro seine Finger, ehe er aufsah.

Der andere zeigte wie immer sein höfliches Lächeln.

„Warum wollten Sie, dass das Hauptquartier nahe der Red Line bleibt?“

Kopfschüttelnd schloss der Ältere wieder die Türe.

„Eine gute Frage, Liebes. Sehr gut. Die Antwort ist ganz einfach. Kontrolle fällt deutlich einfacher, wenn das Hauptquartier der Exekutive nicht am anderen Ende der Welt liegt.“

Diese Antwort genügte Zorro nicht.

„Es geht Ihnen nicht nur um Kontrolle, oder?“, sprach er seine Gedanken laut aus. „Wollen Sie eine Konzentration aller Mächte erreichen?“

„Aber Liebes“, gespielt entrüstet lachte der Politiker auf. „Ich bin doch nur ein Vertreter der Weltregierung, in keiner Machtposition. Warum also sollte ich so etwas unbedacht Gefährliches tun?“

Es ging ihm also genau darum.

„Nun gut, ich empfehle mich und wünsche Ihnen eine angenehme Nachtruhe.“

Die Türe viel hinter Eizen zu.

Was sollte dieser Besuch? Wollte er Zorro einfach nur in seinen Plan einweihen? Oder ging es ihm am Ende wirklich darum, ihm die Taschenspielereien der Politik beizubringen?

Aber warum hatte er es dann hinter Rihakus Rücken gemacht.

Oder… oder… worum ging es hier?

Um eine reine Machtdemonstration?

Zorro war verwirrt.

Aber während er durch den Raum schritt und abschloss wurde ihm etwas anderes bewusst.

Sich verlieren.

Für eine Sekunde glitt sein Blick zu seinem Schwert hinüber, das wie unschuldige Dekoration über dem Schreibtisch hing.

Endlich wusste er was der Samurai gemeint hatte.

Zorro verstand nun, davor hatte er also Angst und nun musste er entscheiden, ob er bereit war diese Furcht zu überwinden.

 

-Mihawk-

Hände in den Schoß oder auf die Armlehnen?

Sollte er stehen oder doch besser sitzen?

Oder vielleicht erst sitzen und dann aufstehen?

Kopfschüttelnd ließ Dulacre sich auf den Sessel, der fast einem Thron glich, fallen und starrte die drei Stufen hinab, den leeren Saal entlang zur großen Schiebetür.

Er wusste selbst nicht, warum er so nervös war, warum er sich beweisen musste.

Eigentlich war ihm doch schon immer egal gewesen was andere von ihm dachten.

Nein, so etwas interessierte ihn eigentlich selten.

Trotzdem, selbst Dulacre war nun einmal nur ein Mensch und konnte sich nicht ganz von diesen menschlichen Eigenschaften freisprechen. Es gab ein paar wenige Personen, deren Meinung ihm wichtig war, die er nicht enttäuschen wollte.

Der sich ankündigende Besuch gehörte jedoch nicht dazu!

Dulacre wusste genau, dass er dem Neuankömmling gegenüber sich nur beweisen wollte, nur etwas prahlen wollte. Kindisch gewiss, aber dennoch ein kleiner Wunsch auf dessen Erfüllung er sich schon seit Jahren freute.

Dumpf hallte das Schließen der schweren Eingangstore durchs kalte Schloss.

Der Besuch war also angekommen, von Perona in Empfang genommen worden.

Tief atmete der Samurai ein, endlich war es soweit.

Laut konnte er seinen Herzschlag hören, beinahe so nervig wie das Ticken einer Uhr während sich die wenigen Sekunden zu dehnen schienen und dann ging endlich die torähnliche Schiebetür auf.

Die Beine übereinanderwerfend breitete Dulacre beide Arme leicht aus, als wollte er den Besuch Willkommen heißen, oder aber nur darbieten was er sein Eigen nannte.

„Dulacre, ich freue mich dich wiederzusehen“, sprach der Neuankömmling und schritt selbstbewusst durch den großen Saal.

Nun erhob er sich doch.

„Nataku“, grüßte Drucale kühl, „ich würde dich gerne willkommen heißen, aber leider ist mir dein Besuch alles andere als willkommen.“

Homura Nataku, Vizeadmiral der Marine und drittbester Schwertkämpfer der Welt, schmunzelte leicht und blieb vor Dulacre stehen, musste dank der drei kleinen Stufen zu ihm hinaufblicken, was ihn jedoch nicht einzuschüchtern schien.

„Direkt wie eh und je, Dulacre“, entgegnete der Ältere immer noch lächelnd, ehe er sich abwandte und einen ausladenden Moment nahm, um den Thronsaal zu begutachten.

„Ein beeindruckendes Heim hast du dir hier ausgesucht.“

Ha! Selbst er konnte es nicht verleugnen. Ja, dieses Schloss war schon etwas prunkvoller als nur ein kleines Anwesen, nicht wahr?

„Allerdings ist es doch recht trostlos, so viele Räume, die niemand nutzt. Bist du nicht einsam, so ganz allein auf einer verlassenen Insel?“

Tze, was erlaubte dieser dahergelaufene Schmarotzer sich?

„Ich schätze meine Ruhe“, murrte Dulacre kühl und bedeutete dem anderen Platz zu nehmen während er sich selbst ebenfalls wieder auf seinem Stuhl niederließ, „und allein lebe ich hier auch nicht.“

Der Soldat folgte seiner Aufforderung und setzte sich auf den hölzernen Stuhl aus der Küche.

„Sprichst du von dieser Magd da drüben?“, fragte Nataku und nickte zum Geistermädchen hinüber, die noch im Türrahmen stand. „Oder meinst du etwa Lady Loreen, die gerade mit Rishou Eizen verreist ist?“

Der Stuhl knarzte leicht als der Soldat die Arme verschränkte und süffisant lächelte.

„Wir sollten etwas trinken. Magd, bring uns bitte einen...“

„Ihr Name ist Perona und sie ist zu Gast hier auf Kuraigana“, unterbrach Dulacre ihn, „und du hast hier keinerlei Befugnisse.“

Dann nickte er Perona zu, die daraufhin schnell das Zimmer verließ und die Türe hinter sich schloss.

„Und natürlich hat mein Schützling die Freiheit auch eigene Vorhaben zu verfolgen, ohne meine Anwesenheit. Ich wüsste im Übrigen nicht, was Lady Loreens Aktivitäten dich angehen.“

Natakus Lächeln wurde nur einen Hauch schmaler.

„Du bist wie immer gereizt, wenn ich auf dich treffe, Dulacre.“

„Ich bin nun mal kein Freund des unnötigen Zeitvertreibs, Nataku, also sei so gut nun endlich den Grund deiner Anwesenheit anzuschneiden und höre auf meine Zeit weiter zu verschwenden.“

Das Lächeln des Soldaten verschwand, stattdessen sah er beinahe bedrückt zu Boden.

„Dich scheint die Thematik nicht wirklich zu berühren, Dulacre.“

„Es scheint nicht nur so.“

Nun starrte Nataku ihn mit weit aufgerissenen Augen an, seine Unterlippe zitterte leicht.

„Wir sprechen hier von deinem Vater und anstatt die Beine in die Hand zu nehmen um zu ihm zu eilen, lässt du mich hier ankommen und behandelst mich wie einen unbedeutenden Boten.“

Dulacre schüttelte den Kopf.

„Bist du hier um mir Vorwürfe an den Kopf zu werfen oder um deinen Auftrag zu erfüllen?“, fragte er unbeeindruckt.

„Ist es dir wirklich egal?!“

Zu seiner Überraschung war Nataku aufgesprungen.

Die kalte Klinge der Gerechtigkeit schien heute äußerst leicht reizbar zu sein. Dieses Spiel hatte Dulacre so gut wie gewonnen.

„Oder verstehst du es nur nicht? Gat ist schwer krank, es könnte gut sein, dass er...“

„Das interessiert mich nicht“, entgegnete Dulacre kühl. „Nur ein Dummkopf frönt solchen Mengen an Alkohol und wundert sich dann, wenn der Körper kapituliert.“

„Sprich nicht so respektlos von...“

„Von wem? Meinem Vater? Ich bitte dich, dieser Mann ist mir so wichtig wie ein Staubkorn auf einem Bilderrahmen. Ob er lebt oder stirbt ist für mein Leben nicht von Bedeutung.“

Der Vizeadmiral zitterte vor Zorn. Bebend presste er seine Fäuste zusammen.

Es musste frustrierend sein jemandem Vernunft einprügeln zu wollen und doch so viel schwächer zu sein.

Selbstgefällig stützte Dulacre seinen rechten Ellenbogen auf der Armlehne ab und strich sich über seinen Bart. Er fand fast schon Gefallen daran den anderen so außer sich zu sehen, endlich mal so hilflos – machtlos - vor sich zu sehen.

Kopfschüttelnd starrte Nataku zu Boden.

„Ich kann kaum glauben was ich dich da sagen höre. Ich hätte nie geglaubt, dass du diese Familie...“

„Welche Familie, Nataku?“, unterbrach er ihn nun wieder eiskalt. „Die Familie Mihawk existiert schon lange nicht mehr.“

„Und was ist mit deinem Vater, Dulacre? Was ist mit mir?“

„Wage es ja nicht dich als mein Familienmitglied aufzuspielen!“, zischte er hart. „Du bist nicht mehr als ein gieriger Schmarotzer, ein Nichts.“

Nataku wollte etwas erwidern, doch Dulacre sprach weiter.

„Und was meinen Vater angeht: Er hat diese Familie schon vor langer Zeit verraten, er hat die Inseln im Stich gelassen, die Pflichten des Namen Mihawks und seine Kinder; alles was seiner Frau je wichtig gewesen war.“

Der Soldat ließ sich auf den Stuhl fallen.

„Er hat seine Fehler gemacht, Dulacre, aber er hatte seine Frau und Tochter verloren, kannst du das nicht verstehen? Jetzt liegt er vielleicht im Sterben und du willst ihm noch nicht einmal Lebewohl sagen?“

„Tze.“ Kalt lachte der Samurai auf und erhob sich. Das hier war ja beinahe lächerlich.

Immer noch höhnisch lachend ging er um seinen Thron herum und ergriff dann mit beiden Händen die Rückenlehne.

„Jetzt wo ihm wohl der Lebenssaft ausgeht braucht er plötzlich die Gewissheit, dass ihm alles verziehen ist, dass ich um ihn trauern werde?“

Dulacre bemühte sich ernst zu bleiben, aber wie sollte er einer solchen Lächerlichkeit ohne Sarkasmus gegenübertreten? Nicht nur, dass sein Vater nun einen auf Blutsverwandten machen wollte, nun spielte sich auch noch Nataku als Familienmitglied auf?

Dem Samurai blieb kaum etwas anderes übrig, als es mit Humor zu nehmen, sonst würde der ungebetene Gast seinen Zorn wohl kaum überstehen.

„Du hast Recht“, sprach Dulacre schließlich weiter, nun jedoch todernst. „Ich weiß nicht was es bedeutet Frau und Kind zu verlieren. Aber weißt du was, ich habe an jenem Tag meine Mutter und meine Schwester verloren und was macht mein Vater? Er verschwindet ans Ende der Welt, lässt mich - einen zwölfjährigen Bengel - in der Verantwortung der fünf Inseln. Er war nicht da als ich der Marine meine Treue schwor und auch nicht als ich diesen Schwur brach, noch nicht einmal als ich zum Samurai wurde.“

„Er hat getrauert, Dulacre, aber er hat dich nie verstoßen.“

Warum musste er sich vor diesem Kerl rechtfertigen, vor diesem Parasiten?

„Nein, verstoßen hat er mich nicht. Verlassen hat er mich, zum Sterben ausgesetzt, wie Vieh im Stall während der Waldbrand näher rückt. Also nein, ich werde jetzt nicht zu ihm kommen. Ich habe fast dreißig Jahre ohne einen Vater überlebt, dann kann er auch jetzt ohne einen Sohn sterben.“

So hatte das ganze hier nicht laufen sollen. Dulacre war doch diesem Taugenichts überlegen, warum also überkam ihn nun dieses Bedürfnis ihn eigenhändig rauszuwerfen?

„Du bist so egoistisch“, murmelte Nataku und sah zu ihm auf, blieb jedoch sitzen. „Ich sage nicht, dass Gat ein Heiliger gewesen war. Natürlich ist er von Verfehlungen nicht verschont geblieben, aber du tust ja geradeso als hätte er dich in die Gosse geworfen. Nach dem Tod deiner Mutter hat dein Vater sich in die Arbeit gestürzt, aber du warst in guten Händen, Kanan und Tenkai standen dir als Berater und Vorbilder zur Seite.“

„Tze.“

„Du sagst dein Vater hätte dich zurückgelassen, aber er war da nachdem du ihn verraten hattest und der Marine den Rücken gekehrt hast, nur seinem Wort hast du es zu verdanken, dass du Samurai wurdest und Jiroushin und dieser Arzt ihr Leben behalten durften.“

Nun war es der Soldat, der weitersprach und Dulacre nicht zu Wort kommen ließ.

„Du sagst Gat hätte dich zum Sterben ausgesetzt und doch musstest du nicht einen Tag in deinem Leben Hunger leiden oder dich um Geld sorgen. Dein Name allein ist mehr wert als das Leben vieler. Selbst jetzt, als Verbrecher, gehst du bei den Reichen und Mächtigen ein und aus wie bei einem öffentlichen Bad.“

Für eine ewige Sekunde sahen sie einander an.

„Glaubst du darum geht es mir“, fragte Dulacre nun und entschied die Waagschale wieder zu seinen Gunsten zu kippen. „Um den Namen Mihawk, um das Geld und den Wohlstand? Tze, wie zu erwarten von einem Habenichts wie dir. Aber du irrst dich. Wenn mein Erbe verlangt, dass ich meinen Vater verzeihen soll, dann will ich es nicht haben.“

Er blieb ruhig als er nun die Unterarme auf der Rückenlehne abstützte und sich nach vorne lehnte.

„Du kannst meinetwegen alles an dich reißen, Nataku. Es ist mir egal. Eine Last weniger, Sasaki ist eh schon lange nicht mehr meine Heimat und außerdem hat mein Vater dich doch immer in der Rolle des Sohnes mir gegenüber bevorzugt.“

„Jetzt reicht es!“

Erneut stand der andere auf und setzte einen Fuß auf die unterste Stufe.

„Ich bin dein Getue leid, Dulacre. Du bist immer noch der kleine Bengel von damals, der sich selbst leid tut und der Welt die Schuld gibt.“

Seine Worte beeindruckten den Samurai nicht im Mindesten.

„In deiner verklärten Wahrnehmung tust du so als wärest du der Außenseiter in deiner Familie gewesen, das unliebsame Anhängsel, aber wir wissen beide, dass du dir diesen Platz selbst ausgesucht hast. Deine Eltern haben dir alles zukommen lassen was sich ein Kind nur wünschen könnte und du...“

„Glaubst du, dass du in der Position bist meine Kindheit beurteilen zu dürfen? Du bist nichts weiter als...“

„Tu nicht so als wärest du das Opfer in dieser Geschichte!“

Nun standen sie sich direkt gegenüber, nur der Thron zwischen ihnen.

„Wir alle haben viel an jenem Tag verloren, weißt du? Es waren nicht nur deine Schwester und Mutter, Taruchie war auch Gat‘s Frau, Sharak war auch seine Tochter und meine...“

„Wag es nicht diesen Satz zu beenden!“

Dulacre fegte den Stuhl zur Seite.

„Wag es nicht dich mit mir auf eine Stufe zu stellen, Nataku! Du hast sie nur benutzt, sie war für dich nichts außer dein Weg in eine Welt aus Lichtern und Gold, aus Macht und Ehre. Sie war für dich nie viel mehr als eine Stufe auf der Karriereleiter. Wie mein Vater bei meiner Mutter wolltest du nicht mehr als ihren Namen und ihr Geld. Also wage es nicht...“

„Ich habe sie geliebt.“

Für einen Moment gefror die Welt. Aber nur für den Bruchteil einer Sekunde.

„Lügner. Du hast sie ausgenutzt, hast sie in dein Spinnennetz aus Schmeicheleien und Ammenmärchen eingeflochten. Du hast sie verändert, sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Das war keine Liebe, das war...“

„Du hast dich nicht verändert, das ist das Problem! Trotz deiner Größe, trotz deines Alters bist du kein bisschen reifer geworden, Dulacre! Schon immer warst du so besessen von ihr, hast Sharak umschwirrt wie eine Motte das Licht. Nein, du hast sie eher bewacht wie ein Drache seinen Schatz; du hattest so Angst darum, dass jemand kommen könnte und dir auch nur eine Münze stehlen könnte, dabei hat sie nie dir gehört.“

„Hörst du dir überhaupt beim...“

„Für dich war Sharak immer nur deine Schwester, aber du hast sie nie als das gesehen was sie war. Eine junge Frau mit Träumen und Ideen, eine Kriegerin mit einem einzigartigen Sinn für Gerechtigkeit und auch eine...“

„Erzähl mir nichts über ihre Träume! Ich kenne alle ihre Träume, sie wollte die Welt sehen, Kulturen ergründen, doch dann tauchtest du auf und nahmst ihr all das. Plötzlich sollte sie sesshaft werden, eine Familie gründen, alles aufgeben was sie je ausgemacht hat.“

„Sie hat nichts aufgegeben!“

Nataku packte ihn am Kragen, Tränen drohten ihn zu verraten.

„Sie ist älter geworden, verdammt nochmal! Ihre Sicht auf die Welt hat sich verändert. Sie war kein Kind mehr und so haben sich auch ihre Träume verändert. Aber du hast so an deiner jungen Schwester festgehalten, dass du gar nicht sehen konntest, dass sie erwachsen geworden ist. Du wolltest einfach nicht sehen, wie glücklich sie war.“

Dulacre schwieg, er würde sich von diesen Lügen nicht gefangen nehmen lassen.

„Irgendwann wird man erwachsen Dulacre und dann sehnt man sich vielleicht nach anderen Dingen als den großen Abenteuern. Ich hätte sie nie gezwungen irgendetwas zu tun, was sie nicht wollte. Ich hätte sie nie darum gebeten die Marine zu verlassen, um Kinder großzuziehen. Aber sie hat über diese Möglichkeit nachgedacht.“

„Nein.“

„Doch, ich weiß du willst es nicht wahrhaben, Dulacre. Aber Sharak war glücklich mit mir und ich habe sie geliebt.“

„Nein!“

Dulacre schlug die Hände des anderen weg.

„Es reicht“, knurrte er und wandte sich ab, doch Nataku sprach einfach weiter: „Die Wahrheit ist, weder hat dein Vater dich verlassen, noch habe ich dir deine Schwester genommen. Du warst besessen von ihr und wolltest nicht, dass sich etwas verändert, wolltest für immer dieser kleine Junge bleiben, auf den die große Schwester Acht gab. Aber sie hat sich verändert, hat sich weiterentwickelt und darüber bist du nie hinweggekommen.“

„Du hast meine Geduld überstrapaziert, Nataku. Es reicht!“

„Aber die Sache ist doch, du hast der ganzen Welt die Schuld gegeben, dass du deine Schwester verloren hast, der Marine, den Piraten, deinem Vater, mir. Doch in Wahrheit, der einzige Grund, warum Sharak an jenem Tag auf diesem Schiff war, warst du. Sie hat deinen Platz eingenommen, weil du zu faul warst deine Pflichten als Sohn zu erfüllen, weil sie eure Mutter nicht allein reisen lassen wollte. Also spiel hier ruhig das Opfer, Dulacre, aber wir beide wissen, dass die Schuld ganz allein bei dir...Uff!“

Nataku krachte gegen die hintere Wand, nur einen halben Meter neben die große Schiebetüre, nur wenige Zentimeter neben eine alte Büste.

„Ich sagte, es reicht!“

Schwer atmend stand Dulacre am Rande der drei Stufen und sah zu dem Mann hinab, der es wagte ihm Schuld am Tod seiner Schwester zu geben. Der Frau, für die er alles getan hatte, für die er gelebt hatte, die sein Leben gewesen war.

Plötzlich lachte Nataku laut auf und hielt sich den Kiefer.

„Der ach so mächtige Falkenauge.“

Der Samurai ballte die zitternden Fäuste.

„Du solltest dich sehen, wie du versuchst der Wahrheit davonzulaufen. Es ist schon erbärmlich.“ Mühsam erhob sich der Soldat, sich mit einer Hand an der Wand abstützend. „Immer gibst du dich so vornehm, so gut erzogen und so gelassen. Aber das ist alles nur Show. Das hier ist dein wahres Ich, aufbrausend, mehr schlecht als recht kontrolliert und so voller Zorn und Bitterkeit. All das nur weil es dir einfacher fällt die Welt um dich herum zu verfluchen als mit deiner eigenen Schuld zu leben.“

Langsam ging Dulacre die Stufen hinab. Es wäre ein einfaches jetzt aus der Haut zu fahren, aber das war gar nicht mehr nötig, anstatt unkontrollierter Wut erfüllte ihn nun tödlicher Zorn, kläre seinen Geist, schärfte seine Sinne.

„Ist das der Grund, warum du dich immer gegen mich gestellt hast, Nataku, damit ich für meine Schuld sühne?“

„Ganz recht. Ich war es, der deine Crew verraten hatte und ich habe auch diesen Schwächling aus dem East Blue getötet. Ich wollte, dass du dafür bezahlst was du getan hast. Ich wollte, dass du alles verlierst, was dir je wichtig gewesen ist, so wie du mir alles genommen hast.“

„Und deswegen bist du auch hinter Lady Loreen her.“

„Oh nein. Das hat tatsächlich nicht einen so niederträchtigen Beweggrund wie Rache.“

Nataku bewegte seinen Kiefer leicht, als wollte er prüfen, ob noch alles funktionierte, dann verschränkte er die Arme und kam Dulacre entgegen.

„Ich will nur verhindern, dass du ihr dasselbe antust wie Sharak. Schon jetzt ist es offensichtlich wie besessen du von diesem Mädchen bist. Du bewachst sie als wäre sie dein Eigentum, als hättest du irgendein Mitspracherecht in ihrem Leben.“

„Du solltest deine nächsten Worte mit Vorsicht wählen, Nataku.“

„Oh, ich war lange genug vorsichtig mit dir, Dulacre. Es war mir immer egal, was du mit deinem Leben angestellt hast. Sharak hat dich geliebt, aber du hattest sie nicht verdient und nun ist dir erneut ein unschuldiges Wesen in Fänge geraten und ich werde nicht dabei zusehen, wie du noch ein Leben zerstörst.“

„Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst.“

Wieder standen sie einander gegenüber.

„Doch, das weiß ich. Du bist gestört, Dulacre. Du denkst, dass du jemanden liebst, aber in Wahrheit willst du diese Person beherrschen, kontrollieren, besitzen. Das hat nichts mit Liebe zu tun und irgendwann wird Loreen - genauso wie Sharak damals - aufwachen und ihren Weg gehen und dich zurücklassen und das wirst du nicht zulassen können. Denn brauchst sie so sehr, dass du ohne sie nicht leben kannst. Aber sie braucht dich nicht in ihrem Leben, du schränkst sie ein und hältst sie zurück. Du bist wie ein Gift was jede Pflanze abtötet. Aber glaub mir, dieses Mädchen wird blühen, nur nicht solange sie in deinem Garten gefangen ist.“

Für gefühlte Minuten schwiegen sie.

„Bist du jetzt fertig?“, fragte Dulacre kühl und kniff die Augen leicht zusammen. Jedes Wort war bedacht gewählt und sorgsam ausgesprochen.

„Du kannst jetzt gehen. Deine Dienste werden nicht länger benötigt. Richte meinem Vater aus, dass ich nicht im Traum daran denke auch nur einen Atemzug an ihn zu verschwenden, und wenn es sein letzter sein sollte, ganz gleich was mit meinem Erbe geschieht.“

„Ist das alles was du dazu zu sagen hast?“

„Ich habe dich nicht in mein Haus kommen lassen um mich von dir beschuldigen und beleidigen zu lassen, also gehe jetzt und bete, dass wir uns nie wieder über den Weg laufen, Nataku. Denn wenn schon nicht für meine Schwester, so wirst du doch für Lorenor Zorros Tod die Konsequenzen tragen müssen.“

Für eine Sekunde schien es, als würde der andere etwas in Dulacres Augen suchen.

„Besessen“, murmelte er. „Dein obsessiver Wahn wird dich eines Tages zu Fall bringen, Dulacre. Diese Besessenheit könnte dein Todesurteil sein, glaubst du wirklich, dass Sharak das gewollt hätte?“

„Zumindest wird es dein Todesurteil sein, wenn du jetzt nicht gehst, das kann ich dir versichern.“

„Wie du willst. Dann lebe wohl, Dulacre.“

Nataku drehte sich um und schritt davon. An der Türe blieb er stehen.

„Weißt du, ich hatte damals wirklich versucht dir wie ein großer Bruder zu sein. Ich hatte mich wirklich bemüht dich liebzugewinnen, deiner Schwester zur Liebe. Sie würde über das heutige Gespräch Tränen vergießen. Sie würde trauern um den Mann, der du hättest sein können, wenn du dich nicht entschieden hättest ein Monster zu werden. Sie hätte nicht gewollt, dass du - ihr Bruder - alles verrätst was ihr je wichtig gewesen war.“

Die Tür fiel zu.

Schwer atmend stand Dulacre inmitten des kargen Raumes.

Er hatte...verloren.

 

Kapitel 33 - Alkohol

Kapitel 33 - Alkohol

 

-Zorro-

Gähnend wanderte er durch den Wald, das Gepäck auf seiner Schulter, viel zu viel um von solch schmächtigen Schultern getragen zu werden, aber glücklicherweise wurde er selbst in seiner schwachen Form stärker.

Es überraschte ihn ein klein wenig, dass ihn niemand erwartet hatte, aber zu viele Gedanken machte er sich darüber auch nicht.

Zorro war froh die letzten Tage hinter sich gebracht zu haben und freute sich darauf nun endlich weiter zu trainieren.

Endlich hatte er verstanden was Dulacre gemeint hatte als er behauptet hatte, dass Zorro nicht mit voller Kraft kämpfen würde. Zorro hatte endlich verstanden, dass er sich davor gefürchtet hatte, sich selbst zu verlieren. Es war genau wie damals, als Zorro in diesem fremden Körper zu sich gekommen war. Das einzige, auf das er sich hatte immer verlassen können, war sein eigener Körper gewesen, doch dann hatte er ihn verloren. Mit der Zeit hatte Zorro kapiert, dass ihm aber noch etwas viel wichtigeres geblieben war, sein Wille.

Deswegen hatte er gezögert, deswegen hatte er nicht alles gegeben, er hatte Angst gehabt nun auch noch das einbüßen zu müssen. Der verdammte Samurai hatte Recht gehabt, Zorro hatte sich zurückgehalten, weil er sich gefürchtet hatte.

Aber jetzt hatte er sich entschieden, er würde riskieren sich selbst zu verlieren, er musste über seinen eigenen Schatten springen und das würde er tun, schließlich war das sein einziger Weg um der beste Schwertkämpfer der Welt zu werden und nichts würde ihn davon abhalten.

Erwartungsvoll eilte er den schmalen Pfad entlang, konnte es kaum erwarten Mihawk davon zu erzählen. Die Sonne hinter den Nebelschwaden stand schon tief über dem Horizont, also würden sie vermutlich heute nicht mehr trainieren, aber morgen dann, morgen würde er lernen stärker zu werden.

Im Haus angekommen ließ Zorro sein Gepäck einfach in der Eingangshalle stehen, entschieden nicht einen weiteren Gedanken an Eizen, Yaone und die Versammlung zu verschwenden, sondern nur nach vorne zu schauen.

Zorro würde sich jetzt verwandeln, dann etwas essen und mit dem Samurai die nächsten Tage planen. Der Tatendrang hatte ihn gepackt, endlich wusste er, was er tun konnte, endlich konnte er…

„Endlich bist du da!“

Durch die Tür Richtung Küche kam Perona hereingestürmt. Zorro bemerkte beiläufig, dass sie die Kleidung trug, die sie immer anzog, wenn sie einen auf Anstandsdame machte, doch ihr blasses Gesicht beunruhigte ihn.

„Was ist passiert?“, murrte er.

„Es ist Mihawk“, erklärte sie aufgebracht und biss sich auf die Unterlippe. „Er ist in seinem Zimmer.“

Der Pirat hob eine Augenbraue an, sagte jedoch nichts darauf, sondern machte sich auf den Weg zu den Gemächern.

Es war nicht ungewöhnlich, dass Perona und Dulacre aneinandergerieten, tatsächlich fast so häufig wie Zorro selbst sich mit der Geisterprinzessin anlegte, aber normalerweise machte ihr das nicht wirklich etwas aus.

Zorros Zimmer war das erste im langen Flur der Schlafzimmer und er nutzte das auch um sich erst zu verwandeln und umzuziehen, ehe er den Samurai aufsuchte.

Was auch immer los war, Zorro fühlte sich wohler, wenn er das in seiner wahren Gestalt angehen konnte.

Den Flur hinunter überlegte er noch, ob es klug gewesen wäre sich von Perona eine Vorwarnung geben zu lassen, was ihn nun erwarten würde, aber dafür war es jetzt eh zu spät.

Irgendwie hatte er ein ganz mulmiges Gefühl.

Missmutig klopfte er an die schwere Eichentür.

„Verschwinde!“, kam es von der anderen Seite zugleich. „Ich habe dir doch gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst, Geistermädchen!“

„Ich bin es“, murrte Zorro und drückte die Klinke nach unten.

„Oh“, antwortete der Ältere mit ungewohnt brüchiger Stimme, „du bist wieder da...? Hau ab.“

Leicht überrascht aber mehr noch irritiert ignorierte Zorro diesen Befehl und stieß die Türe auf.

Nur selten war er in diesen Räumen - warum sollte er auch, wenn dieses Schloss hunderte Zimmer anbot, die nicht in die Privatsphäre seines Lehrmeisters eingriffen? Dennoch hatte Zorro einen seltsamen Moment des Déjà-vus als er hineintrat und ihm der vertraute kühle hölzerne Geruch gemischt mit Alkohol und Schweiß entgegenkam.

Im spartanisch, wenngleich auch hochwertig eingerichteten Schlafzimmer brauchte er einen Moment, um den Samurai auszumachen. Dieser saß im Durchgang zum Ankleidezimmer, den Rücken gegen den Türrahmen gelehnt, ein Bein links und das andere rechts entlang der Wand ausgestreckt. Eine Spur aus leeren Flaschen pflasterte seinen Weg einmal ums Bett herum, hinüber zur dunklen Kommode auf der Yoru wie ein unbeteiligter Zuschauer lag, vorbei am kleinen Lesetisch, bis zum Samurai selbst.

In einer Hand hielt er eine halb geleerte Flasche mit goldener Flüssigkeit.

Oh ja, Zorro konnte sich einige Monate zurückerinnern, als er seinen Lehrmeister schon einmal betrunken und verkatert in dessen Schlafzimmer vorgefunden hatte. Glücklicherweise hatte Mihawk dieses Mal etwas mehr an als nur eine Unterhose.

Die leicht glasigen Falkenaugen schwenkten zu ihm herüber und der Samurai winkte ab.

„Verschwinde, Lorenor. Ich will mich jetzt nicht mit dir unterhalten.“

„Ach ne“, entgegnete Zorro tonlos und schloss die Tür hinter sich. „Mensch, siehst du beschissen aus.“

Der andere entgegnete nichts, sondern nahm einen weiteren Schluck.

Zorro seufzte, er hatte keine Ahnung was vorgefallen war, aber irgendetwas musste passiert sein, dass der Samurai entschieden hatte sich einfach mal abzuschießen.

„Oh Mann, du bist so anstrengend“, murrte Zorro und stapfte durch den Raum. Dem Älteren direkt gegenüber ließ er sich an der Wand auf den Hosenboden fallen und verschränkte die Arme hinterm Hinterkopf.

Mihawk folgte seinen Bewegungen mehr oder weniger aufmerksam ehe sein Blick auf Zorros rechtem Knie zum Ruhen kam, welches nur wenige Zentimeter neben seinem nackten Fuß lag.

Zorro folgte dem Blick des Älteren und sah zu, wie Mihawk Zorros Bein mit dem dicken Zeh anstupste, als wollte er sichergehen, dass der Pirat wirklich da war, nicht nur eine Einbildung.

„Was willst du hier, Lorenor“ Nun sah Dulacre doch zu ihm auf. „Ich will nicht mit dir reden.“

„Ist mir ziemlich egal“, entgegnete Zorro unbeeindruckt und griff nach einer der Flaschen um ihn herum, unglücklicherweise waren sie tatsächlich alle leer.

„Reich mal rüber“, meinte er und streckte dem Älteren seine leere Hand entgegen.

Mihawk rollte seine Augen theatralisch und schüttelte den Kopf.

„Verschwinde Lorenor, ich bin nicht in der Stimmung mich mit dir zu befassen.“

„Hab ich das verlangt?“, fragte Zorro mit erhobener Augenbraue, „alles was ich will, ist diese Flasche da in deiner Hand. Oder eine volle, falls noch eine da ist.“

„Oben in der Küche.“

„Ist mir zu weit weg.“

„Im Weinkeller.“

„Ich denke nicht daran jetzt aufzustehen nur um mir Alkohol zu holen, wenn da eine Flasche Rum vor mir steht.“

„Das ist Corn.“

Nun grinste Zorro breit, als der andere ihm tatsächlich die Flasche reichte.

„Hochprozentiger Whisky, noch besser.“

In einem Zug leerte Zorro den kläglichen Rest und genoss das Brennen. Oh, wie lange schon hatte er keinen Alkohol mehr getrunken? Ach ja, seitdem der verdammte Samurai es ihm verboten hatte bis er Haki kontrollieren konnte.

„Lorenor, wirklich?“, beschwerte sich Mihawk.

„Stell dich nicht so an, du hast doch schon genug getrunken.“

Missmutig sah Zorro sich nach einer weiteren Flasche um, fand jedoch keine.

„Hast du nicht noch mehr da?“, hakte er nach.

„Wie gesagt“, murrte der andere augenrollend, „im Weinkel...“

„Hier im Zimmer, meine ich.“

Lange sahen ihn die sonst so scharfen Augen seines Lehrmeisters an.

„Was willst du, Lorenor? Kannst du mich nicht für diesen einen Abend in Ruhe lassen? Morgen werde ich mich bereitwillig wieder mit deinen Problemen befassen.“

Schnaubend erhob Zorro sich und stieg einfach über den anderen hinweg ins Ankleidezimmer.

„Lorenor!“

„Hör auf so rumzujammern, das ist ja erbärmlich. Und du willst der beste Schwertkämpfer der Welt sein?“

Zorro drehte sich noch nicht einmal zu dem anderen um während er einen Schrank nach dem anderen durchforstete, Klamotten rauszog und achtlos liegen ließ. Irgendwo würde er schon noch eines der Alkoholverstecke finden.

„Wie oft denn noch“, seufzte Mihawk nun hinter ihm, „auch ich bin nur ein einfacher Mensch, Lorenor.“

„Falsch!“

Triumphierend drehte Zorro sich herum und deutete mit der vollen Flasche auf den Älteren.

„Schließlich will ich dich besiegen und was würde das über meinen Traum aussagen, wenn du nur ein einfacher Mensch wärest?“

„Oh Lorenor, das ist ein Single Malt Whisky.“

„Keine Sorge, wird schon seinen Zweck erfüllen.“

Zorro stieg wieder über den andern hinweg und fläzte sich erneut auf den Boden an der gegenüberliegenden Wand.

Falkenauge stöhnte leise auf und rieb sich mit der Hand durchs Gesicht.

„Muss das wirklich sein Lorenor? Geh doch einfach in dein Zimmer oder wo auch immer hin und lass mir diesen Abend. Wenn es um dein Training geht...“

„Wovon redest…?“

„Meinetwegen können wir morgen weitermachen. Zufrieden? Wenn es dir so wichtig ist, dann lass mich heute Abend ausnahmsweise mal in Frieden und dafür trainiere ich dich morgen weiter, damit sind doch alle glücklich, oder? Dann kannst du ja jetzt...“

„Hey!“

Mit weit aufgerissenen Augen registrierte der Samurai wie eine der leeren Flaschen nur um Millimeter sein Gesicht verfehlte und hinter ihm an der Wand zerbarst.

Zorro riss den Verschluss des Whiskeys ab und nahm einen tiefen Schluck.

„Mach das ja nie wieder, verstanden?“, murrte er wütend und stierte Mihawk zu Boden. „Ist mir egal was dein Problem ist, ob's an diesem bescheuerten privaten Treffen von dir liegt oder an Eizen oder ob du dir einfach mal so die Kannte geben wolltest.“

Zorro nahm noch einen Schluck.

„Mir egal, ob du mich beleidigst, ignorierst oder mich zum Teufel jagst. Mir egal ob du ein arrogantes Arschloch bist oder dich für den Durchschnittspiraten Nummer 3 hältst.“

Hart stellte er die halbgeleerte Flasche auf dem Boden ab.

„Aber wenn du mein Training nicht ernst nimmst dann kriegen wir ein Problem, Freundchen!“

Sie starrten einander an, doch Zorro dachte erst gar nicht daran klein beizugeben.

„Mir ist egal was passiert ist, aber vor ein paar Tagen wusstest du noch nicht einmal ob du mich überhaupt weiter trainieren würdest. Wenn du mich also damit nun vertrösten willst nur um ein paar Stunden Ruhe zu haben, dann will ich dich nicht mehr als Lehrmeister haben, verstanden?“

Die Falkenaugen wurden groß.

„Ich bin nicht hier für irgendwelche Spielchen, Dulacre, und ich habe keinen Bock mich von dir verarschen zu lassen. Also nimm es ernst oder lass es bleiben, kapiert?“

Zorro hielt die halbgeleerte Flasche am Hals fest, bereit sie jederzeit zu werfen, falls es nötig sein sollte. Dieser Mistkerl trieb ihn noch zur Weißglut.

Immer noch sah der andere ihn mit großen Augen an.

„Was? Zunge verschluckt oder warum kannst du mir nicht mal eine vernünftige Antwort geben?“

Ganz langsam neigte der Ältere den Kopf zur Seite.

„Du bist wirklich unmöglich, Lorenor.“

„Erzähl mir etwas Neues“, entgegnete er und reichte die Flasche dem anderen, doch dieser lehnte nur mit einer schwachen Handbewegung ab.

Schulterzuckend nahm Zorro noch einen Schluck.

„Du willst also nicht, dass ich morgen das Training mit dir wieder aufnehme.“

„Doch natürlich“, murrte Zorro und rieb sich mit dem Ärmel seines Mantels über den Mund, „aber ich will, dass du‘s tust, weil es das Richtige ist und nicht damit du deine Ruhe hast.“

Ausdruckslos betrachtete der Samurai ihn. Der Alkohol trieb ihm augenscheinlich die Röte ins Gesicht, aber Zorro musste gestehen, dass er wohl recht viel vertrug, wenn er tatsächlich all die leeren Flaschen hier allein ausgetrunken hatte. Mit Zorro messen konnte der Samurai sich allerdings noch lange nicht, zumindest nicht in diesem Bereich.

Für einige Zeit schwiegen sie während Zorro nach und nach die Flasche leerte und Mihawk ihn mal ansah und dann wieder den Blick durch den Raum schweifen ließ. Obwohl der Alkohol ihm offensichtlich übel mitspielte war er nicht annähernd in einem so schlechten Zustand wie das letzte Mal, als Zorro ihn verkatert und noch angetrunken aufgefunden hatte. Er schien sogar noch in einer recht klaren Verfassung.

„Ist das also alles was du zu sagen hast?“, fragte der Ältere ihn schließlich.

„Du wolltest doch nicht reden“, meinte Zorro knapp. „Und ich wollte nur trinken.“

„Tze.“ Mihawk schloss die Augen und lehnte seinen Kopf gegen den Türrahmen. „Hatten wir nicht abgemacht, dass du nichts trinkst, bis du deine Schwerter verhärten kannst?“

„Ja, wo ist denn nur mein strenger Lehrmeister, der mich für mein Fehlverhalten maßregelt?“

Der andere sah ihn aus halbgeöffneten Augen missbilligend an.

„Machst du dich etwa lustig über mich?“

Nun grinste Zorro breit. Wie sollte er sich nicht über dieses Abbild des ach so großen Falkenauges lustig machen?

„Du weißt ich könnte dich mit einem Fingerschnippen töten“, murmelte der andere und wie zur Demonstration versuchte er zu schnippen, scheiterte jedoch kläglich.

„Versuch‘s ruhig“, prustete Zorro in seine Flasche.

Entnervt murmelte Mihawk etwas in seinen Bart, doch Zorro sollte es nur recht sein, sollte der andere sich etwas aufregen, schließlich war das alles seine Schuld.

„Nimmst du mich nicht ernst?“

Schmunzelnd erwiderte er den unsteten Blick des Älteren.

„Gerade in diesem Moment? Nein.“

Eine Zornesader tauchte auf der Stirn des Samurais auf. Er schien auf einmal wirklich wütend zu sein; wer wusste was sein angetrunkenes Hirn sich da zusammenreimte?

„Warum nicht? Warum schüchtere ich dich nicht ein? Zoll mir gefälligst Respekt! Hab Angst vor mir!“

„Was ist denn bei dir kaputt?“ Nun war es an Zorro entnervt mit den Augen zu rollen. „Warum sollte ich Angst vor dir haben?“

Er hob die Flasche an und betrachtete einen Moment den kläglichen Rest, der am Boden hin und her schwappte.

„Es ist doch absolut hirnrissig vor einer anderen Person Angst zu haben und ich wüsste nicht warum ich ausgerechnet bei dir eine Ausnahme machen sollte.“

Dann leerte er die Flasche, doch im nächsten Moment wurde sie ihm aus der Hand gerissen und Mihawk hob ihn am Kragen hoch bis Zorro den Boden unter den Füßen verlor, presste ihn gegen die Wand und starrte regelrecht durch ihn hindurch.

„Du solltest aber vor mir Angst haben!“

Bevor Zorro auch nur irgendetwas tun konnte schleuderte der andere ihn zu Boden. Im letzten Moment konnte er sich abfangen, doch Dulacre war bereits über ihn und drückte ihn gegen den kalten Stein.

„Vergisst du mit wem du es zu tun hast? Ich bin Falkenauge! Der einzige Grund warum du noch am Leben bist ist dein gottverdammtes, unnatürliches Talent. Ansonsten hätte ich dich schon längst getötet!“

Der Samurai hockte auf ihm, hielt seine Beine mit seinen eigenen unter Kontrolle und hatte beide seiner Handgelenke mit einer Hand fest gegen den harten Boden geheftet.

Zorro wusste ganz genau, dass Dulacre ihm überlegen war; er wusste ganz genau, dass er sich aus diesem Griff nicht befreien konnte und oh wie ihn das ankotzte.

„Dann tu‘s doch.“

Die ach so feinsäuberliche Frisur des Samurais war zerstört und schwarze Strähnen hingen ihm ins Gesicht, verbargen teilweise seine stechenden Augen, die im dämmrigen Licht des Raumes beinahe leuchteten.

Zorro hatte keine Ahnung was mit dem anderen los war, aber er hatte sich doch jetzt nicht fünf Tage mit Eizen und anderen Problemen herumgeschlagen nur damit dieser Kerl jetzt an einem Nervenzusammenbruch den Verstand verlor.

„Ich bin es leid, dass du mir immer mit so einem Scheiß drohst, wann immer es dir zu viel wird. Ich habe keine Angst vor dir und dafür gibt es auch keinen Grund. Dann töte mich halt, wenn‘s dich glücklich macht. Wäre nicht mein erster Sprung auf die andere Seite und zurück, weißt du?“

Der andere zitterte, sein ganzer Körper bebte. Vielleicht hatte Zorro sich geirrt und der Alkohol war doch etwas zu viel des Guten für den feinen Pinkel von Weintrinker gewesen.

Mihawks Gesicht hingegen war ruhig, die dünnen Lippen einfach nur zusammengepresst, die typischen Sorgenfalten nicht tiefer als für gewöhnlich, wenn da nicht diese Augen wären, diese Augen, die Zorro so noch nie gesehen hatte.

„Na komm, Dulacre. Brings hinter dich.“ Zorro lachte leise. „Aber sag nicht ich hätte dich nicht gewarnt. Wenn du mich tötest, wer wird dich dann eines Tages besiegen und sich deinen Titel sichern?“

Für eine Sekunde starrte der andere einfach weiter zu ihm hinab und dann konnte Zorro sehen wie es klick machte.

„Verdammt!“, ächzte er, doch es war bereits zu spät.

Die Welt drehte sich viel zu schnell, als Mihawk ihn wie eine Puppe einfach am Handgelenk hochhob und einfach durch den Raum schleuderte.

Schwer keuchend krachte Zorro gegen Tisch und Wand, polterte zwischen Holz und Stein zu Boden. Er rang nach Luft, doch es viel ihm schwer zu atmen. Hustend schmeckte er Blut, Staub und Mörtel rieselten auf ihn hinab.

So sah es also aus, wenn der andere ernst machte.

„Warum bist du nur so?!“

Der Samurai stand vor ihm. Die Hände zu Fäusten geballt, mindestens so schwer am Atmen wie Zorro selbst.

„Warum siehst du mich immer so an? Warum wendest du den Blick nicht ab, wie alle anderen? Warum bist du überhaupt hier? Warum bist du bei mir geblieben und nicht zurückgekehrt? Warum zur Hölle hast du keine Angst vor mir?“

„Das sind ganz schön viele Fragen auf einmal“, murrte Zorro rau und hustete erneut, doch Mihawk sprach bereits fahrig weiter: „Egal was ich tue, egal was ich sage, es scheint dich nicht zu kümmern. Ich könnte dich töten, aus Versehen, in einen Moment der Unachtsamkeit oder in einem Moment der Wut, des Zorns oder einfach nur weil du mir lästig wärest. Ich ziehe dich in gefährliche Dinge hinein, setzte dich Nataku, Eizen und den Weltaristokraten aus und dir ist das alles egal. Ich werde deinen sicheren Tod bedeuten, egal was du tust, egal was deine Absichten sind, und du tust immer noch so, als ob wir beide…“

„Jetzt komm mal von deinem hohen Ross runter.“

Noch immer gehorchte seine Stimme ihm kaum und seine Beine zitterten, sein ganzer Körper schmerzte, aber Zorro würde gewiss nicht mitmachen, dass der andere sich wie ein Wahnsinniger aufspielte und ihn einfach so gegen die nächstbeste Wand warf.

„Also Erstens, dass du mich töten könntest ist nichts Besonderes. Weißt du wie oft Ruffy mich schon aus Versehen beinahe um die Ecke gebracht hat oder Perona mich beinahe mit ihren Kochkünsten vergiftet hat? Verdammt noch mal, eine engagierte Ente könnte mich umbringen, wenn sie es nur richtig versuchen würde. Außerdem war ich schon mal tot, deine Drohungen sind also weder besonders noch irgendwie originell.“

Er hatte keine Ahnung ob der andere ihm überhaupt zuhörte, geschweige denn ihn verstand. Immer noch stand er wie ein drohender Turm über ihm.

„Zweitens, erklär mir doch mal zum Teufel warum ich Angst vor dir haben sollte? Du hast es doch selbst gesagt, du bist nur ein einfacher Mensch, genau wie ich. Es gibt für mich keinen Grund Angst vor einem anderen Menschen zu haben. Du kannst mich foltern, töten, mir alles nehmen was mir wichtig ist und trotzdem werde ich nie Angst vor dir haben, schließlich bist du auch nur ein Mensch.“

Schwerfällig erhob Zorro sich, er konnte hören wie etwas in seinem Rücken knackste, vermutlich hatte er sich ein oder zwei Rippen gebrochen, gab schlimmeres.

„Und drittens...“ Zorro richtete sich schwer atmend vor dem anderen auf und ging auf ihn zu. Er packte den Samurai am Hemd und zog ihn zu sich herunter, sodass sie auf Augenhöhe waren. „Du hast nicht über meinen Tod zu entscheiden und erst recht nicht über mein Leben. Ist mir egal, was du sagst oder tust und wie viel Angst ich vor dir haben sollte. Ich fälle meine eigenen Entscheidungen, nicht du. Ich habe entschieden hier zu sein, nicht du und ich habe entschieden dich um Hilfe zu bitten, nicht du. Ich habe diesen Vertrag mit Eizen unterschrieben und ich habe entschieden auf diesen Ball und diese Veranstaltungen zu gehen, nicht du!“

Er ließ den Samurai los, doch dieser verharrte in ebendieser Position, als wäre er unfähig sich zu bewegen.

„Du bist mein Lehrmeister und deswegen vertraue ich auf deine Entscheidungen, aber ich gehorche dir nicht blindlings wie ein dahergelaufener Köter; jedes einzelne Mal entscheide ich mich dazu, genau wie ich mich jeden einzelnen Tag, jede einzelne Sekunde dazu entscheide meinem Kapitän zu folgen. Also tu nicht so, als hättest du irgendein Mitspracherecht in meinem Schicksal, denn das bestimme immer noch ich allein!“

Erneut wisch Zorro sich mit seinem Mantelärmel über den Mund, doch dieses Mal sah er Blutstropfen statt Alkohol, die das dunkle Grün beinahe schwarz färbten, dann starrte er den anderen wieder an.

„Und wenn du damit nicht klarkommst, dann ist das dein Problem, kapiert? Was du dann damit machst, das ist deine Entscheidung, aber mir ist das dann herzlich egal!“

Zorro drehte sich um und ließ den anderen stehen.

Er schritt durch den Raum ins Badezimmer des Samurais und er sollte Recht behalten; selbst hier, zwischen den Handtüchern konnte er noch eine Flasche mit klarer Flüssigkeit finden.

Zorro war ziemlich wütend. Er hatte keine Ahnung was hier vor sich ging oder was mit dem anderen los war. Er wusste nur, dass es ihn ankotzte durch den Raum geworfen zu werden wie ein Spielball und den Worten eines Durchgedrehten zuhören zu müssen, da hatte er schon genug mit Eizen an der Backe.

Als er sich das Gesicht gewaschen hatte und zurück in den Hauptraum kam, sah er den Samurai auf der Bettkante hocken, das Gesicht in den Händen vergraben. Na, hoffentlich heulte der jetzt nicht auch noch.

„Was soll das denn werden, wenn‘s fertig ist?“

Der andere reagierte nicht.

Vor sich hinmurrend hob Zorro den schweren Sessel auf, der bei seiner Flugstunde umgekippt war, und ließ sich darin nieder.

„Du Mistkerl hast mir mindestens eine Rippe gebrochen“, beschwerte Zorro sich während er die Flasche öffnete und einen großzügigen Schluck nahm.

Es war Absinth.

Nicht, dass Zorro wählerisch war, wenn es um Alkohol ging, aber dieses Gesöff war wirklich nicht das wahre. Schulterzuckend nahm er noch einen Schluck, zur Desinfektion der inneren Wunden natürlich.

Mit hochgezogener Augenbraue beobachtete er den Samurai, der sich immer noch nicht bewegt hatte.

„Ich denke ich hab’s im Übrigen jetzt kapiert, warum du mich nicht weiter trainieren wolltest. Ich denke, ich bin jetzt soweit.“

Wiederum erhielt er keine Reaktion vom Älteren, langsam wurde das unheimlich. Aber noch mehr nervte es, also trank Zorro von dem ekelhaften Gebräu und sprach weiter.

„Die Versammlung war übrigens ziemlich interessant, ging um die Verlegung des Marinehauptquartiers.“

Mihawk rührte sich weiterhin nicht also nahm Zorro das als Zeichen zu reden. Er erzählte dem anderen von allem was während seiner Reise passiert war, von Yaone über Comil bis hin zur Versammlung und deren Ergebnis. Selbst seine Gespräche mit Eizen erwähnte er, wobei er darauf achtete, was er dem anderen davon mitteile, unabhängig davon ob der Samurai ihm überhaupt zuhörte.

Zorro sprach auch über die Gedanken, die er sich bezüglich des Trainings gemacht hatte und wie er zu seiner Entscheidung gekommen war.

All diese Zeit über kam nicht eine Reaktion vom Älteren und nachdem Zorro nichts mehr zu sagen hatte und die Flasche Absinth auch gut geleert war, saßen sie einfach nur schweigend da.

Durch das weite Fenster hinter dem Kopfende vom Bett war schon längst die Nacht hereingebrochen und nur fahles Mondlicht warf verschwommene Schatten über die wenigen Möbel.

Zorro hatte seine Augen derweil auf Yoru geheftet. Das Schwert zur Linken seines Meisters schien unentwegt zu summen, nun deutlich leiser als vorher, aber immer noch nicht so angenehm wie sonst. Er vermutete, dass selbst das Black Sword nicht daran gewöhnt war, dass sein Meister sich so gehen ließ.

Langsam wunderte Zorro sich wirklich was wohl vorgefallen war während er die Insel verlassen hatte. Sein Rücken pochte immer noch schmerzhaft, aber von ein paar angeknackster Rippen ließ er sich nichts sagen. Sein linkes Handgelenk auf der anderen Seite störte ihn schon etwas mehr. Es war ihm zunächst nicht aufgefallen, vermutlich durch das Adrenalin oder einfach, weil ihm der Geduldsfaden gerissen war, aber so angeschwollen wie es mittlerweile war konnte er davon ausgehen, dass da auch irgendwas gebrochen war.

Seufzend leerte er den Absinth.

Zu seiner Überraschung sah er, wie Mihawk aufschaute und ihn mit mindestens ebenso großer Verwunderung betrachtete.

„Lorenor?“, murmelte er. „Du bist noch hier?“

„Offensichtlich.“

Mihawk begutachtete ihn immer noch wie ein ungekanntes Wesen.

„Warum bist du noch hier?“, fragte er dann verwirrt.

„Wo hätte ich denn hingehen sollen?“, entgegnete Zorro mit einem Schulterzucken.

Nun wandte der andere den Blick ab.

„Es tut mir leid“, flüsterte er, „ich habe dich verletzt.“

„Ach mach dir nichts draus.“ Erneut zuckte Zorro mit den Schultern. „Nicht meine schlimmsten Verletzungen, gerade nicht von dir.“

Doch der Samurai sah ihn immer noch nicht an. Mit einer Hand rieb er sich den Nacken und mit der anderen versuchte er die wild gewordenen Strähnen nach hinten zu streifen, doch widerspenstig sprangen sie wieder nach vorne.

„Erzählst du mir jetzt endlich was los ist?“

Nun sah der Samurai ihn doch an. Es war nicht so, dass Zorro groß Lust hatte sich mit den Problemen anderer herumzuschlagen, aber hey, der Typ hatte ihn gerade durch den Raum katapultiert wie ein Kanonengeschoss und sich danach über eine halbe Stunde lang nicht gerührt, irgendwas war nicht in Ordnung und wenn Zorro morgen trainieren wollte, würde er das jetzt regeln müssen.

„Warum interessiert es dich? Du hättest gutes Recht den Raum zu verlassen und nie wieder ein Wort mit mir wechseln zu wollen.“

„Oh Gott bist du erbärmlich.“ Entnervt rollte Zorro mit den Augen. „Warst du schon immer so dramatisch oder kam das erst mit dem Alter?“

Kopfschüttelnd lehnte er sich zur Seite, um den anderen besser im Blick haben zu können.

„Also ehrlich, so schnell kriegst du mich nicht zum Abhauen, da musst du dir schon was anderes einfallen lassen, als dein theatralisches Gehabe.“

Leise seufzte er.

„Außerdem sind wir doch Freunde, oder etwa nicht?“

Er konnte sehen, wie Mihawk aufhörte zu atmen, was er mit einem leisen Schmunzeln hinnahm.

„Ist schon so, dass mich der ganze Kram hier unglaublich nervt, aber von meiner Crew habe ich gelernt, dass man für einander da ist. Ich bin zwar nicht so gut in so was wie Robin, aber ich bin nun mal als einziger hier, also Pech gehabt.“

Schief grinsend beobachtete Zorro, wie der andere seine Worte verarbeitete. Dann lachte der Ältere leise auf und schüttelte den Kopf.

„Du bist schon unglaublich, Lorenor.“

„Erzähl mir was Neues.“

Erneut sahen sie einander an.

„Was ist passiert Dulacre?“, wiederholte Zorro seine Frage, weniger weil es ihn wirklich interessierte, sondern eher, weil er darauf verzichten konnte, dass so etwas die nächsten Tage noch öfters passieren würde.

„Nataku war hier“, murmelte der andere ergebend.

„Homura?“

Mihawk nickte dem Fußboden zu. Das würde zumindest auch erklären, warum der Samurai sich so wenig gegen Zorros Außeneinsatz gewehrt hatte und noch nicht einmal darauf bestanden hatte mitzukommen.

„Wir hatten eine Auseinandersetzung und nun ja, was soll ich sagen, es scheint als hätte ich verloren.“

„Und deswegen machst du hier so einen Aufstand?“

„Es ging um Sharak.“

„Oh.“ Es hatte also mit der verstorbenen Schwester zu tun, die Klein-Mihawk angehimmelt hatte, der Frau die dem Samurai zufolge selbst dessen Fähigkeiten bei Weitem übertroffen hatte.

„Du weißt, dass Nataku ihr Verlobter war?“

Zorro nickte sachte. Irgendwann und irgendwo hatte er es schon einmal aufgeschnappt.

„Seiner Meinung nach werde ich dein Untergang sein, so wie ich auch meine Schwester in den Tod getrieben habe.“

Zorro wusste nicht was ihn mehr überraschte, was Mihawk ihm gerade gesagt hatte oder dass er überhaupt so offen mit ihm sprach.

„Mir ist bewusst, dass meine Gefühle Sharak gegenüber schon immer sehr außergewöhnlich waren und ich kann nicht abstreiten, dass sie meinetwegen gestorben ist. Aber ich möchte nicht für deinen Tod verantwortlich sein, ich möchte nicht, dass auch du meinetwegen...“

„Noch ein Wort und ich lass wieder Flaschen fliegen!“

Geschockt riss der andere den Kopf hoch und starrte ihn an, während Zorro wie auf Geheiß die leere Absinthflasche am Hals gepackt hielt, bereit sie jederzeit zu werfen.

„So einen Schwachsinn habe ich ja schon lange nicht mehr gehört und ich bin Mitglied einer Crew von Vollidioten.“

„Lorenor?“

Lorenor mich nicht. Hast du mir eben auch nur eine Sekunde zugehört? Ich entscheide über mein Schicksal, kapiert? Nicht du, nicht Ruffy und erst recht kein dahergelaufener drittklassiger Schwertkämpfer der Marine, der zu blöd ist zu erkennen wann er den Mund halten sollte.“

„Aber Lorenor, was du da...“

„Klappe!“

Nun warf er die Flasche, allerdings so leicht, dass sie nur gegen Mihawks Arm klatschte und kraftlos auf die Bettdecke plumpste.

„Also, um das ein für alle Mal klarzustellen. Ich habe keine Ahnung, was damals mit deiner Schwester war und ehrlich gesagt interessiert mich das einen feuchten Dreck. Aber was mich angeht, ich kann meine Entscheidungen selbst treffen, unabhängig davon was du oder ein dahergelaufener Vollidiot sagt und ich lasse mir dieses Recht auch nicht nehmen, von niemandem. Meinetwegen bist du mein Untergang oder das fleischgewordene Unglück. Meinetwegen hast du deine Schwester in den Tod getrieben und bist so fanatisch, dass du bei mir das gleiche machst. Aber weißt du was? Das sind alles deine Probleme!“

Der andere öffnete den Mund, doch Zorro war noch nicht fertig.

„Weißt du, ich bin stark und ich habe einen noch stärkeren Willen. Kann sein, dass deine Schwester mit dir nicht klarkam, keine Ahnung, vielleicht warst du ja wirklich wie ein Wahnsinniger von ihr besessen. Mir egal, aber ich komme damit klar. Ich halte dich aus mit all deinen nervigen Macken, mit all deinem arroganten Gehabe und all deiner unnötigen Sorge. Weil Ich stark bin und weil ich auf mich selber Acht geben kann und für mich selbst Entscheidungen fällen kann.“

Immer noch sah ihn Mihawk ungläubig an, schüttelte sogar leicht den Kopf.

„Also hör auf meine Entscheidungen nicht zu respektieren. Ich bin alt genug, um mir die Menschen in meinem Leben selbst auszusuchen. Du bist zwar echt nervtötend, aber nicht ansatzweise so schlimm wie der verdammte Koch und ich kann dich die meiste Zeit über auch ganz gut leiden, also tu nicht so, als hätte ich das alles hier nicht selbst zu verantworten, als wärest du an irgendetwas schuld. Im Hause Mihawk mag es Gang und gebe sein, dass man die Verantwortung für die übernimmt, die man sich ins Haus holt, aber ich bin ein Lorenor und ein Lorenor lässt niemanden Entscheidungen für sich fällen.“

Tief atmete Zorro ein. Wie schafften es die anderen aus der Crew immer so viel zu reden bei solchen Gesprächen? Er ging sich ja bereits selbst auf die Nerven.

Der Samurai betrachtete erst die Flasche neben sich und sah dann zu ihm auf.

„Ganz schön viele Worte für deine Verhältnisse, Lorenor“, stimmte ihm der Ältere zu.

„Du bist ja auch ganz schön blöd für deine Verhältnisse“, entgegnete er und rieb sich die Augen. Mann, war der andere anstrengend.

„Hast du das alles ernst gemeint, was du gesagt hast?“ Mihawk sah ihn nun mit geneigtem Kopf an. „Oder sagst du das nur, damit ich mich besser fühle?“

„Tze.“ Zorro schmunzelte leicht. „Ich lüge nicht nur damit sich irgendein Sensibelchen nicht angegriffen fühlt, das solltest du wissen.“

Der Ältere nickte, erhob sich und sah mit verschränkten Armen aus dem Fenster hinaus. Zorro beobachtete ihn. Der kleine Wutausbruch hatte ihn zumindest nüchtern werden lassen.

„Ich muss mich erneut bei dir entschuldigen, Lorenor“, sprach Mihawk nun wieder wie immer. „Wieder einmal habe ich mich von meinen Emotionen überrumpeln lassen und dich in Gefahr gebracht. Jemandem wie mir sollte so etwas nicht passieren.“

Kopfschüttelnd verschränkte Zorro ebenfalls die Arme.

„Was soll der Kram mit Emotionen und Gefahr denn?“ Er stand auf und ging zur Türe. „Weißt du, mir ist der ganze Mist herzlich egal. Die Zeit wird zeigen, was stärker ist, dein Unglück oder mein Glück, also hör auf so einen Müll zu reden und komm einfach.“

 

Kapitel 34 - Sekunde

Kapitel 34 - Sekunde

 

-Zorro-

„Wo gehst du hin?“, hörte er den anderen ihm hinterherrufen, als Zorro die Tür öffnete und sich zum Gehen wandte.

„In die Küche, da gibt‘s noch mehr Alkohol.“

Mihawk schnaubte leise.

„Du hast eine Flasche feinsten Whisky getrunken und den Absinth, reicht das nicht in Anbetracht deiner monatelangen Abstinenz?“

„Sagt der Kerl, der mal eben sechs Flaschen Plörre im Alleingang getrunken hat.“

Zu seiner Überraschung folgte der Ältere ihm tatsächlich und begleitete ihn in die verlassene Küche. Perona war offensichtlich schon schlafen gegangen und die alte Uhr über dem noch älteren Herd verriet Zorro, dass es schon bedeutend später war als angenommen.

Während Zorro die Küche nach Snacks durchforstete brachte der Samurai mehrere Flaschen zum Arbeitstisch, ehe Dulacre sich mit einer Schale von Nüssen auf die Küchenzeile setzte.

„Da sind auch Stühle“, murrte Zorro und zog sich einen von denen zur Rate; auf einen weiteren warf er seine Füße, ehe er nach einer Flasche griff.

„Die sind mir zu unbequem. Warum gehen wir nicht ins Kaminzimmer?“

Mit erhobener Augenbraue drehte Zorro sich zu ihm.

„Jetzt sitze ich, also bleiben wir hier.“

Mihawk entgegnete nichts, sondern begann damit die Schale mit Nüssen zu leeren.

„Was wollte Homura eigentlich?“, fragte Zorro und kaute auf einem alten Reisbällchen herum. „Der ist doch mit Sicherheit nicht nur gekommen, um sich mit dir wegen deiner Schwester anzulegen.“

Aus dem Augenwinkel konnte er sehen wie der andere schmunzelnd den Kopf schüttelte.

Für eine gefühlte Ewigkeit schwiegen sie. Zorro war daran mittlerweile schon gewohnt. Der Samurai wollte halt nicht immer reden oder brauchte eine gefühlte Ewigkeit, um seine Gedanken zu ordnen.

Ihm konnte das nur recht sein, so hatte er zumindest Zeit seinen Alkohol zu genießen. Nach so einer Begrüßung hatte er das auch bitter nötig.

„Es kann sein, dass mein Vater im Sterben liegt“, antwortete der andere gleichgültig und aß weiter Nüsse.

„Oh, mein Beileid?“

„Nicht nötig, ich habe schon seit Jahren nicht mehr mit meinem Vater gesprochen und wüsste auch nicht, warum sich das nun ändern sollte.“

Zorro nickte zustimmend und beobachtete die goldene Flüssigkeit in seiner Flasche.

„Du siehst das anders, Lorenor?“

Überrascht sah er auf.

„Was? Nein, es ist nur...“

Zorro zuckte mit den Schultern.

„Ja?“ Dulacre hatte seine Ellenbogen auf den Oberschenkeln abgestützt und sein bärtiges Kinn auf den gefalteten Händen abgelegt.

Zorro seufzte.

„Weißt du, geht mich ja nichts an und so, aber ich hatte auch nicht so das beste Verhältnis zu meiner Mutter. Mir ist schon klar, dass die Verhältnisse zu den Eltern manchmal echt kompliziert sein können, je nachdem wie viel Scheiße die halt gebaut haben, das Ding ist aber einfach...“ Erneut zuckte er mit den Achseln. „Wenn ich heute noch einmal die Chance hätte meiner Mutter gegenüberzustehen und ihr von meinem Leben zu erzählen, ich würde es wohl machen.“

Schmunzelnd nahm Zorro noch einen Schluck.

„Sie wäre vermutlich ziemlich enttäuscht von mir. Piratenjäger, Pirat, gesuchter Verbrecher. Nicht besonders ehrenhaft.“

In Gedanken prostete er ihr zu.

„Auf der anderen Seite bin ich ein verdammt guter Schwertkämpfer, ein Krieger und haben meinen eigenen Ehrenkodex und meinen Stolz. Also wer weiß, was sie sagen würde.“

 

-Mihawk-

Er beobachtete Lorenor dabei, wie dieser von seiner Mutter sprach.

Es klang ganz anders als wenn Dulacre an seinen Vater dachte. Der Jüngere schien tiefen Respekt vor ihr zu haben und dass obwohl sie ihn schon als Kind allein gelassen hatte.

„Deine Mutter klingt wie eine beeindruckende Person“, murmelte Dulacre und sah wie Lorenor sich zu ihm umwandte. „Wie war sie so?“

Mit einem schiefen Grinsen nahm der Jüngere noch einen Schluck seines Getränks.

„Um ehrlich zu sein, manchmal erinnerst du mich an sie.“

„Wie bitte?“

Nun lachte der andere leicht.

„Oh ja, die gleiche Arroganz, ein bisschen zu eitel, ein bisschen zu eingebildet. Ziemlich hochnäsig und überheblich.“

Dem Samurai gefror sein Grinsen. Wie hatte der andere es geschafft die Darstellung seiner toten Mutter dazu nutzen zu können ihn zu beleidigen?

„Aber sie war auch sehr selbstbewusst, stolz und voller Ehre.“

Es war ungewohnt Lorenor so reden zu hören, tiefer Respekt klang in seiner Stimme wieder und doch wirkte er äußerst kritisch.

Ein bisschen erinnerte es Dulacre daran, wie wenn Lorenor von seinem Kapitän sprach, auch eine Beziehung, die Dulacre nicht nachvollziehen konnte, auch ein Mensch, der entgegen jedweder Logik Lorenor wichtig war.

Dulacre beugte sich noch mehr vor.

„Erzähl mir mehr von deiner Mutter, von deiner Kindheit.“

Der Jüngere zuckte mit den Achseln.

„Gibt nicht viel zu erzählen. Bin in einem Tempel aufgewachsen, keine Ahnung wer mein Vater war, ist mir auch ziemlich egal. Die Mönche haben mich ausgebildet. Sie konnten meine Mutter verstehen, aber nicht selbst in ihrer Sprache reden. Durch sie habe ich lesen und schreiben gelernt. Als ich fünf oder so war sind meine Mutter und ich fort.“

Unbeeindruckt leerte Lorenor die Flasche in seiner Hand mit einem Zug.

„Warum?“, fragte Dulacre nach. Es war selten, dass Lorenor so gesprächig war wie heute und das wollte er nutzen. Zum einen war Dulacre einfach neugierig mehr über die Vergangenheit seines Wildfangs zu erfahren; er hatte viele Fragen, die nur der Jüngere ihm beantworten konnte.

Wer war seine Mutter gewesen? Warum sprach sie diese tote Sprache? Wie starb sie und was geschah danach mit Lorenor?

Dulacre wollte verstehen, er wollte wissen, aber obwohl Lorenor nicht unbedingt ein Geheimnis um seine Kindheit machte, so war er einfach nicht der Mitteilungsbedürftigste.

Auf der anderen Seite war Dulacre dankbar darüber die letzten Stunden vergessen zu dürfen, zumindest für den Moment. Zumindest für die nächsten Minuten konnte er diesen katastrophalen Tag ignorieren; wobei ihm natürlich bewusst war, dass er sich damit noch würde befassen müssen. Lorenor schien einen Moment zu überlegen, spielte mit der leeren Flasche auf dem Tisch, die Augen aufs kleine Küchenfenster gerichtet. Im Profil sah er nun wirklich nachdenklich aus.

„Keine Ahnung warum“, murmelte Lorenor dann. „Eines Morgens sind wir einfach gegangen. Ich habe nie gefragt warum.“ Er schmunzelte leicht. „Es war die Entscheidung meiner Mutter und ich entschied mit ihr zu gehen.“

„Und wo seid ihr dann hin? Was geschah?“

Nun sah der Jüngere zu ihm herüber.

„Du fragst ziemlich viel“, urteilte er mit hochgezogener Augenbraue.

„Ich bin einfach nur interessiert“, entgegnete Dulacre und nahm sich erneut von den Nüssen.

„Jaja, sicher.“ Der Jungspund schüttelte den Kopf, doch dann griff er sich noch eines der alten Reisbällchen und fuhr zwischen zwei Bissen fort.

„Es ist keine spannende Geschichte, ganz ehrlich. Wir lebten in einer kleinen Hütte am Rande eines kleinen Dorfes auf irgendeiner kleinen Insel irgendwo im East Blue. Wir hatten nicht wirklich Geld und meine Mutter war zu stolz, um arbeiten zu gehen. Sie sagte immer, dass die Leistung eines Lorenors nicht in Geld aufzuwiegen sei und es sei entwürdigend für ein paar metallene Münzen den eigenen Körper zu verkaufen.“

Dulacre konnte jetzt schon verstehen, woher Lorenor seinen starken Willen hatte.

„Nun ja, es ist schon verständlich, dass gestandene Frau nicht einfach ihren Körper...“

„Es ging nicht um solche Sachen“, unterbrach der andere ihn grob und rollte mit den Augen. „Meine Mutter hatte viele Fähigkeiten, all unsere Kleidung hatte sie selbst genäht und obwohl ich sie nie in Aktion gesehen habe, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie gut kämpfen konnte. Sie war diejenige, die mir alles über Selbstverteidigung und Angriff beibrachte was ich wusste, bevor ich Meister Koshiro begegnete. Sie war vielleicht keine Schwertmeisterin, aber ich glaube schon, dass sie eine Kriegerin war. Sie hatte diese typische Körperhaltung und katzenhafte Reflexe, aber benehmen tat sie sich eher wie arroganter Adel, also wie du halt.“

Neugierig beobachtete Dulacre den anderen und ignorierte den kleinen Seitenhieb. Ja, Mutter Lorenor hätte er zu gerne kennen gelernt.

Mittlerweile schien der andere aufgetaut und sprach ganz frei.

„Am Anfang haben die Leute im Dorf noch versucht uns zu helfen, aber meine Mutter hat das alles abgelehnt und sich auch geweigert deren Sprache zu lernen. Sie sagte oft ‚ein Lorenor bettelt nicht um Almosen‘ oder Dinge ‚wie Die Leute wollen doch mit mir reden, warum sollte ich also deren Sprache lernen?‘

Dulacre lachte leise auf. Das hörte sich wirklich fast schon arrogant an und schon ein bisschen nach ihm.

„Aber wir brauchten Geld zum Überleben, also habe ich mich schon sehr früh den Holzfällern des Dorfes angeschlossen, war wahrscheinlich am Anfang keine große Hilfe und trotzdem gaben sie mir jede Woche einen Lohn von 500 Berry.“

Der Jüngere hörte sich dankbar und stolz an, doch der Samurai wurde demütig. Ein kleiner Junge, der hart arbeiten gehen musste, weil die Mutter zu stolz dafür war, weil die Leistung eines Lorenors nicht in Geld aufzuwiegen sei. Noch vielmehr jedoch schockierte ihn der mickrige Lohn, den der andere anpries, wie sollten zwei Personen von 500 Berry eine Woche überleben? Insbesondere wenn man bedachte, dass allein schon die tägliche Zeitung vor 15 Jahren bereits 80 Berry gekostet hatte.

Gerade wurde Dulacre zum ersten Mal bewusst was der Jüngere ihm bereits des Öfteren an den Kopf geworfen hatte; sie kamen wirklich aus komplett verschiedenen Welten.

„Meine Mutter war davon alles andere als begeistert, aber es war nun mal meine Entscheidung.“

„Deiner Mutter schien das Durchsetzen des eigenen Willens sehr wichtig“, bemerkte er und entschied den fahlen Beigeschmack zu ignorieren.

„Oh ja“, stimmte der Jüngere nickend zu. „Sie sagte mir immer, dass nur ich für mein Leben verantwortlich sei und dass ich jede Entscheidung ernst nehmen solle und egal was passierte, sie erhob immer ihren Zeigefinger und sagte: Bereue nicht, Ren, ein Lorenor bereut nie seine Entscheidung.“

„Ren?“, wiederholte Dulacre fragend. „Sie nannte dich Ren?“

„Ach so“, murmelte Lorenor und sah auf. „Ja, sie nannte mich nie bei meinem Namen, außer wenn andere im Raum waren. Sonst nannte sie mich immer nur Ren. Es war eine strenge Regel, dass ich sie Ni - also Mutter - nur nennen durfte, wenn wir unter uns waren, wobei ich selbst dann sie eigentlich immer Lo Ni nannte, was eine respektvolle Anrede ist. Sobald andere Menschen da waren, selbst bei den Mönchen, war sie immer nur Lorenor Zakuro.“

Das auf der anderen Seite kam Dulacre seltsam vertraut vor. Schmunzelnd erinnerte er sich daran, wie seine eigene Mutter ihn gescholten hatte, wenn er ihr nicht den nötigen Respekt entgegengebracht hatte. Schließlich hieß es Frau Mutter und Herr Vater und seit frühester Kindheit hatten seine Eltern ihn mit Sohn – oder Sohnemann, wenn es mal ganz herzlich sein sollte - angesprochen. Mit Ausnahme seiner Schwester und weniger anderer Leute, war er ansonsten schon immer der junge Herr gewesen.

„Also bedeutet Ren so viel wie Sohn?“, fragte er dann und lehnte sich vor, um die Flasche entgegen zu nehmen, die der Jüngere ihm reichte. Dieser rieb sich nachdenklich den Nacken.

„Ja das kommt schon hin, Sohn oder Kind meinte sie wohl damit, aber eigentlich würde ich Ren eher mit Nachfahre oder Abkömmling übersetzen, es kommt auf den Zusammenhang an.“

Nun lehnte sich der Samurai wieder zurück und griff nach einem Glas neben der Spüle.

Während er sich zwei Fingerbreit eingoss begutachtete er den Jüngeren.

Dieser hielt seinem Blick unbeeindruckt stand.

„Wo kommt deine Mutter her, Lorenor? Was war vor der Zeit im Tempel? So wie du sie beschreibst, muss sie von hohem Stand gewesen sein.“

Lorenor zuckte mit den Achseln.

„Da fragst du mich was. Bis auf die Geschichten der Helden Alciels und Harukyuu hat sie mir nicht viel erzählt. Auch von meinem Vater hat sie so gut wie nie gesprochen.“

„Und doch schien sie sehr stolz auf ihre Abstammung zu sein. Sie schien stolz auf den Namen Lorenor zu sein.“

Der andere nickte sachte. „Der Name Lorenor war ihre Erklärung für alles. ‚Ein Lorenor macht so etwas nicht, ein Lorenor braucht nicht…‘, es zwar ziemlich nervig.“

„Also teilst du ihre Ansicht nicht?“

Nun rollte Lorenor mit den Augen.

„Es ist doch nur ein Name. Nur ein Wort, so etwas ist bedeutungslos. Es kommt nicht auf die Worte an, sondern auf die Taten. Ja, ich habe meinen Stolz, aber nicht, weil ich Lorenor heiße.“

Dulacre fragte sich gerade was für ein Donnerwetter er sich eingefangen hätte, wenn er seinen Eltern diese Meinung gesagt hätte, selbst seine Schwester hatte nie etwas in dieser Art geäußert und auch wenn Dulacre sich nicht viel aus seinem Erbe machte, so trug der den Namen Mihawk Falkenauge Dulacre doch mit Stolz.

„Du hast also deinen Stolz von ihr und dein Ehrgefühl, aber eigentlich weißt du gar nichts über deine Mutter, oder deinen Vater oder deine Herkunft.“

Wieder zuckte sein Wildfang mit den Achseln.

„So ist das halt. Sie hat ihn nie beim Namen genannt, wenn sie von ihm sprach - was sie eh so gut wie nie getan hat; ich glaube vielleicht zwei oder drei Mal.“

„Hast du nicht gefragt? Du musst doch neugierig gewesen sein.“

„Natürlich, aber wenn sie nicht antworten wollte, hat sie nicht geantwortet. Einmal hat sie gesagt, dass er noch vor meiner Geburt gestorben ist und das war‘s so ziemlich. Allerdings sprach sie nie respektlos von ihm.“

Für einen Moment schwiegen sie beide, beide in Gedanken verloren.

„Und wie starb sie?“ Es war keine Frage, die Dulacre leichtfertig stellte. Er kannte den Schmerz die eigene Mutter zu verlieren sehr gut und doch schien er anders damit umzugehen als Lorenor.

„Sie war dumm“, urteilte ebendieser kalt. „Weil sie keine Hilfe annehmen wollte und mein geringer Lohn kaum zum Überleben reichte ging sie immer in den Wald um Pilze und Wurzeln und so ein Zeug zu sammeln. Am Anfang jagte sie auch, aber das wurde wegen Wildknappheit oder so kurz nachdem wir dorthin zogen verboten. Sie war eine grässliche Köchin und hatte keine Ahnung davon wie Dinge zubereitet wurden.“

Nun betrachtete der Jungspund wieder die Flasche in seiner Hand.

„Als ich so sieben war kam ich nach der Arbeit nach Hause und da lag sie einfach nur da, an der Feuerstelle, sie hatte mit Eisenhut gekocht.“

Lorenor zuckte mit den Achseln.

„Ich rief den Arzt, obwohl sie schon kalt und steif gewesen war. Er meinte sie wäre wohl schon vor Stunden gestorben, vom Gift wahrscheinlich in weniger als einer Stunde dahingerafft worden.“

Dulacre schwieg.

„Ich habe daraufhin das Dorf verlassen, um Schwertkämpfer zu werden.“

„Du bist nicht geblieben?“

„Aus welchem Grund? Ich war doch nur wegen meiner Mutter dort gewesen. Schon bei den Mönchen hatte ich den Schwertkampf lernen wollen, aber sie war dagegen gewesen und ich hatte mich ihrem Willen gebeugt. Eine solide Verteidigung fand sie sinnvoll, aber sie war dagegen, dass ich zum Krieger erzogen würde. Sie war der Ansicht, dass dieser Weg nur Unheil für mich bedeuten würde.“

„Trotzdem wurdest du Schwertkämpfer.“

Lorenor grinste sachte, aber seine Augenlider wirkten schwer, fast so als wäre er müde.

„Natürlich, schließlich ist es mein Leben und nur ich entscheide über mein Schicksal.“

Nun waren sie beide ruhig, für Minuten sagte keiner von ihnen ein Wort; die alte Küchenuhr warnte sie zwischendurch, dass bereits die frühesten Morgenstunden anbrachen, aber keiner von ihnen ging.

„Ist es dir nie in den Sinn gekommen, dass du ein Nachfahre Alciels sein könntest? Vielleicht der letzte Überlebende?“

Sein Wildfang beäugte ihn aus den Augenwinkeln, ohne etwas zu erwidern.

„In dem Buch von Hakuryuus Lehrling hieß es, dass Hakuryuu seine Schüler angewiesen hatte sämtliche Bürger Alciels auszulöschen und die anderen Reiche dieser Erde jagten jenes Volk ebenfalls. Vielleicht weißt du deshalb nichts über deine Herkunft.“

„Na und?“ Mit zur Seite geneigtem Kopf drehte der andere sich zu ihm. „Das ist doch egal, oder nicht? Mich interessiert weder welches Blut in meinen Adern fließt noch welcher Name meine Vorfahren hatten. Das hat nichts mit mir zu tun.“

„Das sehe ich etwas anders, schließlich...“

„Mir egal.“

Lorenor war aufgestanden und streckte sich. Obwohl der Pirat ihn gerade so unhöflich unterbrochen hatte wirkte er entspannt und gelassen, ganz offensichtlich nicht auf Streit aus.

„Wir sind unterschiedlich, Dulacre. Du bist in dieser Welt groß geworden. Einer Welt von Namen und Titeln, deine Vorfahren haben die fünf Inseln besiedelt und irgendwer in der Reihe war doch mal ein Weltaristokrat oder so, nicht wahr?“

Dulacre hatte kaum Zeit über diese saloppe Zusammenfassung seiner Herkunft zu nicken, da sprach der andere bereits weiter.

„Aber weißt du, mir ist das alles ziemlich gleichgültig. Ob Titel oder nicht, du kannst trotzdem ein Arschloch sein und meinen Schwertern ist egal mit welchem Blut sie getränkt werden. Der einzige Titel, der mich in irgendeiner Form interessiert, ist deiner und den werde ich mir holen.“

Damit winkte der andere ihm kurz zu und wandte sich zur Türe.

„Ich hatte ein paar beschissene Tage und werde jetzt schlafen gehen. Morgen früh trainieren wir dann.“

Dulacre schmunzelte über das Verhalten des Jüngeren.

„Du bist ganz schön anmaßend, Lorenor. Noch bin ich hier der Lehrmeister und noch gelten meine Entscheidungen.“

Laut lachend winkte der andere ab, hielt sich dann jedoch sein in Mitleidenschaft gezogenes Handgelenk.

„Bild dir das ruhig ein, alter Mann.“

Missbilligend schnalzte der Samurai mit der Zunge. Dieses Handgelenk sah wirklich nicht gesund aus, aber der Jüngere würde sich über seine Sorge nur lustig machen.

„Warte Lorenor, einen Gedanken möchte ich dir noch mit auf den Weg geben.“

Die Augenbrauen nach oben ziehend drehte Lorenor sich zu ihm um.

„Auch wenn es dir gleichgültig ist welches Blut durch deine Adern fließt und ob du ein Nachfahre Alciels bist, so wundere ich mich dennoch ob das vielleicht deine Fähigkeit der Hakiabsorbtion erklären würde. Schließlich galt das Volk Alciels nicht umsonst als eine gefährliche Kriegerrasse, nicht wahr?“

Es dauerte einen Moment, doch dann wurden die sonst so ernsten Augen groß.

„Und ich mag mich irren, aber vielleicht, nur vielleicht, finden sich in einem dieser Bücher, die nur du lesen kannst, auch ein Hinweis darauf warum du dem Wahnsinn verfällst.“

Er konnte beinahe sehen, wie die Rädchen hinter Lorenors Stirn ratterten, ehe sie nach mehreren Atemzügen schließlich einrasteten.

„Mag sein“, murmelte jener und zuckte mit den Schultern, doch Dulacre konnte sehen, dass er es nicht annähernd so unbedeutend abtat wie er gerade vorspielte.

Lorenor wünschte ihm eine gute Nacht und ging dann.

Dulacre sollte auch zu Bett gehen, er hatte die vergangenen Nächte nicht gut geschlafen und der heutige Tag hatte einiges von ihm abverlangt.

Es fühlte sich so an, als wären mehrere Wochen ins Land gezogen und nicht nur wenige Stunden. Noch am Morgen hatte er sich darauf gefreut Nataku vorzuführen, doch dann war das Gespräch so ganz anders verlaufen, als er es erwartet hatte.

Natakus Worte hatten einen wunden Punkt getroffen, einen Punkt, über den er nicht nachdenken wollte. Er hatte es abgestritten, als lächerliche Anschuldigung verworfen. Aber er hatte sich nicht ganz davon frei machen können. Ihm war ja bereits selbst aufgefallen, dass die Art wie sein Wildfang ihn beeinflussen konnte gefährlich war und er wusste wie wichtig ihm seine Schwester gewesen war, immer noch war. Vielleicht war es eine Obsession, vielleicht hatte dieser Schmarotzer tatsächlich Recht.

Es war keine kluge Idee gewesen seine Gedanken mit Alkohol ertränken zu wollen, verstummt waren sie dadurch nicht. Eher im Gegenteil, nach und nach hatten seine verworrenen Gedanken dem Marinesoldaten zugestimmt, hatten ihm gedroht, dass seine Impulsivität, seine schlechte Kontrolle, sein brodelnder Zorn eines Tages Lorenors Untergang bedeuten würden. Trunken war er zu der Überzeugung gekommen, dass Lorenor sich ihm gar nicht erwehren konnte, es wahrscheinlich immer wieder versuchte, aber letzten Endes auf ihn angewiesen war. Er war zu dem Schluss gekommen, dass Lorenor nur bei ihm war, da er keine andere Wahl gehabt hatte, vielleicht geistig auch so beschränkt war, dass er gar nicht die Gefahr erkennen konnte die Dulacre darstellte.

Er hatte beinahe gehofft, dass Lorenor dies auch einsehen würde, wenn er ihm nur einmal wirklich gefährlich werden würde.

Beschämt betrachtete der Samurai das leere Glas in seiner Hand. Selten hatte er sich so gehen lassen.

Nataku hatte Recht. Er bemühte sich immer so sehr gelassen und überlegt zu handeln. Wirkte immer gefasst und besonnen, aber er wusste selbst, dass das alles nur eine Maske war. Eine Maske, die er bis zur Perfektion ausgeformt hatte. Während der letzten Jahre hatte er sie nicht ein einziges Mal abnehmen müssen, sie nicht ein einziges Mal verloren und dann tauchte vor ein paar Monaten dieser unverschämte Jungspund auf und plötzlich bekam sie Risse.

Schon lange hatte Dulacre sich nicht mehr von seiner Kampfeslust, seiner Blutgier, überkommen lassen, doch dieser Junge brachte sein Blut in Wallung und Lorenor machte ihn so einfach wütend, ließ ihn so einfach aus der Haut fahren. Ohne zu zögern kam Lorenor in sein Leben, riss ihm seine so sorgsam gepflegte Maske vom Gesicht und starrte ihn nieder.

Doch das Schlimmste an allem war, es war Lorenor gleichgültig; er machte es noch nicht mal mit Absicht, es passierte ihm nur so nebenbei während er sein Ziel stetig verfolgte.

Lorenor ließ sich von ihm nicht einschüchtern, ließ sich von ihm nichts sagen und erst recht nichts befehlen.

Du hast nicht über meinen Tod zu entscheiden und erst recht nicht über mein Leben. Ich fälle meine eigenen Entscheidungen, nicht du.

Genau das hatte der andere ihm gesagt, hatte ihn einfach aus der Verantwortung genommen.

Weißt du, ich bin stark und ich habe einen noch stärkeren Willen.

Konnte es sein, dass er Lorenor wieder einmal unterschätzte?

Aufseufzend erhob Dulacre sich und fuhr sich durchs Gesicht. Es stimmte schon, immer wieder hatte er den Jungspund mit seiner verstorbenen Schwester verglichen. Das gleiche abartige Talent, die gleiche naive Rechtschaffenheit, ja sie teilten wichtige Charakterzüge.

Doch es wäre vermessen zu verkennen, dass Lorenor so ganz anders war. Er war nicht so unschuldig, so kindlich naiv wie Sharak, nicht so gutmütig und vertrauensselig wie sie, aber auch nicht so laut und fröhlich, nahm das Leben ernster und machte sich gleichzeitig um viele Dinge überhaupt keine Gedanken.

Ich bin alt genug, um mir die Menschen in meinem Leben selbst auszusuchen. Ich komme mit dir klar und kann dich die meiste Zeit über auch ganz gut leiden.

Lorenor traf seine eigenen Entscheidungen und bereute sie nicht, dass hatte er selbst gesagt. Vielleicht war es an der Zeit, dass Dulacre sich von dem Gedanken löste, dass Lorenor und Sharak etwas gemein hatten. Vielleicht war es an der Zeit, dass er Lorenor vertraute und seine Entscheidungen respektierte.

„Was bist du nur für ein Dummkopf“, schollt Dulacre sich selbst und verließ die Küche. All dies hätte vermieden werden können, wenn er sich nicht dazu erdreistet hätte für den Jungspund entscheiden zu wollen, nicht versucht hätte ihm die Verantwortung zu entziehen.

Lorenor hatte Recht, in Bezug auf seinen Wildfang war es irrelevant was damals mit Sharak geschehen war, das lag in der Vergangenheit und es war einfältig von ihm daran festzuhalten.

Sich den Kopf kratzend schritt er durch die leeren Flure. Aber Lorenor war doch ein eigenartiger Kauz, das musste er schon zugeben. Je mehr er ihn kennen lernte, desto weniger verstand er ihn.

Aber vielleicht war das ja auch gar nicht nötig.

In seinem Zimmer angekommen fegte Dulacre die leere Flasche von seinem Bett und ignorierte, dass sie auf den kalten Steinfliesen zerbarst, ehe er sich einfach in die weichen Laken fallen ließ.

Er wusste, dass er viel Alkohol vertrug, allerdings schon lange nicht mehr so viel wie in seiner Jugend und ihm war bewusst, dass sein Körper sich in ein paar Stunden rächen würde, auch wenn der vertraute Kopfschmerz noch nicht eingetreten war, bald würde er kommen.

Noch während er sich darüber Gedanken machte schlief er ein.

 

Der herbeieilende Morgen bestätigte seine Befürchtungen.

Die Sonne war noch dem Horizont nahe als Dulacre sich aus den weichen Laken rollte und sein Kopf dröhnte unheilvoll. Schief grinsend erinnerte er sich daran, dass er heute mit Lorenor weiter trainieren wollte, gerade war er sich nicht einmal sicher, dass er es unfallfrei ins Bad schaffen würde. So viel zum ach so großen Samurai Falkenauge.

Er brauchte lange, um sich alltagsfertig zu machen, auf dem Weg ins Bad war er vier Mal in irgendwelche Scherben hineingelaufen und beinahe auf einer Flasche ausgerutscht, es war erbärmlich.

Nach dem dritten Schnitt entschied er sich seinen Bart heute nicht aufs Haar genau zu trimmen. Es missfiel ihm zwar, aber er brauchte eindeutig erst Kaffee und Kopfschmerztabletten, ehe er sich mit solchen Dingen auseinandersetzen konnte.

Von Lorenor wollte er gar nicht erst anfangen.

Hatte er denn so viel mehr getrunken, als vor einigen Monaten auf Sasaki?

Nein, eigentlich nicht, er war auch deutlich klarer als damals gewesen, war auch am gestrigen Abend nicht annähernd so unzurechenbar gewesen wie an jenem Abend. Was aber auch daran gelegen haben konnte, dass er dieses Mal zumindest hauptsächlich eine Sorte Alkohol getrunken hatte.

Mit einem Schmunzeln fragte er sich ob Lorenor auch unter den Folgen der gestrigen Nacht litt.

Schwerfällig trotte er die kahlen Flure entlang. Im Eingangsbereich wartete wie fast jeden Morgen ein Tablett mit abgedecktem Frühstück, Zeitung und Kaffee auf ihn.

Ach, das Geistermädchen hätte er fast vergessen, auch sie hatte am vergangenen Tag versucht ihn in seinem Zimmer aufzusuchen, aber er hatte ihr ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass er auf ihre Anwesenheit verzichten konnte und sie verschwinden sollte, sofern ihr etwas an ihrem Leben lag.

Er war schon immer so gut mit Worten gewesen.

Im Kaminzimmer angekommen klaubte Dulacre die Tabletten vom Teebrett und spülte sie mit genügend Kaffee hinunter. Danach schlenderte er zum Sofa hinüber und entschied noch eine halbe Stunde zu dösen bis die Tabletten ihre Wirkung entfalten würden.

Doch daraus wurde nichts, denn schon nach wenigen Minuten weckte ihn das leise Knarzen der Türe. Die geschlossenen Augen rollend drehte er sich auf die Seite. Lorenor musste soeben von seiner morgendlichen Laufrunde zurückgekehrt sein. Unglaublich, dass dieser Kerl selbst nach dem gestrigen Abend noch diszipliniert genug war seinen Trainingsplan einzuhalten. Dulacre selbst wäre noch nicht einmal aufgestanden, wenn er sich nicht darum sorgen müsste, was der Jüngere dann wieder anstellen würde.

Schon wieder im Halbschlaf wunderte er sich in welcher Gestalt Lorenor trainieren gewesen war. Dulacre hatte ihm empfohlen Lady Loreen nicht zu sehr zu vernachlässigen. Bereits jetzt klaffte zwischen beiden Individuen ein beträchtlicher Kräfteunterschied und wenn Lorenor nicht aufpasste würde dieser immer größer werden.

Es wäre fatal, wenn sein Wildfang eines Tages einem Gegner gegenüberstehen würde und sich dann in seine schwächere Form verwandeln müsste.

„So verbissenen trainiert der Samurai Falkenauge also seine geschätzte Lady Loreen.“

Er sprang auf.

Direkt vor seinem Sofa hockte niemand anderes als Konter… nein Vizeadmiral Cho Jiroushin, ein verschmitztes Grinsen auf dem fröhlichen Gesicht, eine Marinekappe falsch herum auf den blonden Locken.

„Mann, du siehst ja ziemlich bescheiden aus, Hawky“, lachte sein bester Freund seit Kindheitstagen.

„Jirou?“, stellte Dulacre verdutzt fest und fuhr sich überrascht durchs Haar. „Was machst du denn hier?“

Die viel wichtigere Frage war, warum hatte er den anderen nicht bemerkt?

Seine Kopfschmerzen hatten sich mittlerweile auf ein moderates Level heruntergeschraubt, aber er konnte kaum glauben, dass er nicht wahrgenommen hatte wie sich jemand ihm bis auf wenige Zentimeter nähern konnte, ohne dass sämtliche Alarmglocken angingen.

„Oh mein Gott, guck doch nicht so geschockt.“ Der Blondschopf lachte erneut. „Du warst doch derjenige, der mich eingeladen hat.“

Noch eine Sekunde überlegte Dulacre wie ihm so etwas hatte passieren können, doch dann überwog die Freude, dass sein bester Freund und ehemaliger Vize wirklich vorbeigekommen war. Es war zwar eine unerwartete, aber nicht unerfreuliche Überraschung.

„Jirou. Es ist schön dich zu sehen. Ich habe schon lange nicht mehr von dir gehört. Seit unserem Gespräch vor vier Monaten schien es unmöglich dich zu erreichen.“

Nun rieb sich der andere verlegen den Nacken während sie zum Esstisch hinüber schlenderten.

„Tja, tut mir leid, aber mit meiner neuen Position und all den Vorbereitungen für das Kind hatte ich kaum noch Luft zum Atmen.“

Der Samurai griff eine weitere Tasse vom Teewagen und bot seinem Freund etwas Kaffee an.

„Lirin lässt dich einfach so verreisen? Ist sie nicht bald ausgerechnet?“

Synchron setzten sie sich hin und griffen je nach einer Gabel.

Normalerweise würde Dulacre niemandem erlauben von seinem Teller zu essen, erst recht nicht sein Frühstück, aber nun ja, es war Jiroushin.

Ebendieser winkte mit einem tiefen Seufzer ab.

„Ehrlich gesagt war es ihre Idee. Ihr geht es gut und sie hat noch etwas mehr als zwei Monate und meinte es würde mir gut tun noch mal etwas zu unternehmen, ehe mich meine väterlichen Pflichten einholen würden.“

Für einen Moment entgegnete Dulacre nichts.

„Du hast eine kluge Frau, Jirou“, meinte er dann schlicht und konzentrierte sich auf sein Rührei. Natürlich hatte er die Ausrede des anderen sofort durchschaut, von wegen zu wenig Zeit.

Dulacre wusste ganz genau, warum der andere ihm für Monate aus dem Weg gegangen war. Es lag an…

„Hey, Dulacre, wo bleibst du denn? Wir hatten doch gesagt, dass wir...“

Wie aufs verdammte Stichwort kam Lorenor ins Kaminzimmer.

Die nächste Sekunde dehnte sich ins unendliche als erst Überraschung und dann Entsetzen über Lorenors hartes Gesicht glitten, gleichzeitig nahm Dulacre aus dem Augenwinkel war, wie Jiroushin neben ihm seine Gabel fallen ließ. Sein eigener Blick raste durch den Raum. Dulacre fand was er suchte.

„Lorenor Zorro!“

Dann griff Vizeadmiral Cho Jiroushin an.

Kapitel 35 - Konflikt

Kapitel 35 – Konflikt

 

-Zorro-

„Lorenor Zorro!“

Verdammte Scheiße!

Noch bevor Zorro diesen Gedanken auch nur zu Ende denken konnte prallte Stahl auf Stahl.

Der Windstoß des Aufpralls schnitt seine Wange auf. Wie von feinsten Klingen berührt rissen an Schulter und Oberarm mehrere dünne Linien Stoff und Haut auf.

Kaum einen Zentimeter vor Zorro stand Dulacre, ein einfaches Schwert gezogen und ummantelt. Seine Klinge war gekreuzt mit dem üblichen Schwert, welches ein jeder Marinesoldat mit sich herumtrug.

„Geh mir aus dem Weg, Dulacre!“

Dem Samurai gegenüber stand niemand anderes als Cho Jiroushin, Vizeadmiral der Marine und Dulacres engster Vertrauter.

Über die hochgewachsene Schulter des Älteren konnte Zorro kaum etwas erkennen, aber der pure Hasse, der aus der Silbe des Blondschopfes tropfte, erreichte ihn auch so.

„Tut mir leid, Jiroushin, das kann ich nicht tun.“

Der Samurai klang gelassen wie eh und je.

Erst jetzt realisierte Zorro, dass Mihawk eines der Schwerter genommen hatte, die zur Dekoration über dem Kamin hingen. Wie schnell musste er gewesen sein, um rechtzeitig den Angriff seines Kindheitsfreundes hatte parieren zu können?

„Ich wiederhole mich nur äußerst ungern, Samurai Falkenauge.“ Zorro konnte sich nicht erinnern, den meist gutgelaunten Jiroushin je so ernst reden gehört zu haben.

„Tritt zur Seite!“

Zorro war unaufmerksam gewesen, er hatte nur wenig geschlafen und sich mental auf das heutige Training vorbereitet. Die letzten Monate waren er und der Samurai nie auf Kuraigana von ungebetenen Gästen gestört worden, noch nicht einmal mehr von Eizen; ganz offensichtlich hatte Zorro sich daran etwas zu sehr gewöhnt.

„Nein.“

Dulacre hörte sich immer noch alles andere als angespannt an und das obwohl er den Angriff seines besten Freundes abgehalten hatte.

Sowohl Zorro als auch Mihawk hatten damit gerechnet, dass der Tag irgendwann kommen würde; der Tag, an dem Jiroushin herausfinden würde, wer Lady Loreen wirklich war.

Dass es so geschehen würde, damit hatte Zorro allerdings nicht gerechnet.

Er hatte den Schwerthieb des Soldaten kaum vorhersehen können, hatte kaum die Zeit gehabt auszuweichen. Hätte der Samurai sich nicht dazwischen gestellt, wäre Zorro jetzt höchstwahrscheinlich tot oder zumindest ziemlich blutig.

Und da behauptete Mihawk tatsächlich, dass Zorro dem Blondschopf bald ebenbürtig sein sollte? Von wegen.

„Dulacre“, brachte Zorro sich ein. Er wollte nicht, dass die beiden sich seinetwegen einander entgegenstellten. „Geh zur …“

„Halt dich da raus, Lorenor!“

Was fiel dem anderen ein ihm einfach den Mund zu verbieten? Hier ging es schließlich um ihn!

„Jiroushin“, ergriff der Samurai nun wieder das Wort, „ich habe dich damals darum gebeten, dass meine Worte dich erreichen mögen, wenn der Tag gekommen ist.“

Wovon redete der andere bitte?

„Also bitte, stecke dein Schwert ein und lass uns reden.“

„Was soll das?“, entgegnete der Soldat, deutlich kühler als Zorro von ihm gewohnt war. „Damals ging es um Loreen, Dulacre. Du wirst mich nicht davon abhalten den Zerstörer der G6 zur Rechenschaft zu ziehen.“

Leise lachte der Samurai auf und schüttelte leicht den Kopf.

„Oh nein, das kann ich nicht zulassen, Jiroushin.“

Zorro spürte wie das Blut seine Wange hinab glitt und auf sein Hemd tropfte, doch viel mehr beeindruckte ihn das Prickeln auf seiner Haut, dass durch die Männer vor ihm ausgelöst wurde, so stark waren sie also wirklich.

„Lass deine Spielchen!“, knurrte der Vizeadmiral bitterböse. „Hier geht es nicht um deine verqueren Vorlieben. Mag sein, dass er dein Protegé ist, aber ich kann ihn nicht ungestraft davonkommen lassen. Ein letztes Mal: tritt zur Seite!“

„Ein letztes Mal“, entgegnete der Samurai nun ebenso ernst, „wenn du Lorenor willst, muss du erst an mir vorbei und glaube mir, diesen Kampf wirst du verlieren.“

Wie um seine Worte zu unterstreichen veränderte Mihawk den Griff um sein Schwert leicht, sodass nun der Rücken der Klinge seiner Waffe Jiroushins Schneide standhielt. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der beste Schwertkämpfer der Welt bereit war zu kämpfen.

„Wenn du mir keine Wahl lässt werde ich dieser Forderung nachgeben.“

„Das reicht jetzt!“

Zorro entschied nun endlich dazwischen zu gehen, bevor es wirklich handgreiflich werden würde.

„Lorenor, tritt zurück, das hier hat nichts mit...“

„Hör doch auf“, unterbrach er den Samurai, „hier geht es nur um mich und ich habe dir schon mal gesagt, dass ich nicht zulasse, dass ihr eure Freundschaft wegen mir gefährdet.“

„Warte was?“

Schnell sah Zorro zum Blondschopf hinüber, der ihn misstrauisch beäugte.

„Das waren genau die Worte, die Loreen einst zu mir gesagt hat“, murmelte dieser.

„Wie schwer von Begriff bist du eigentlich, Jiroushin?“, murrte Mihawk und senkte seine Waffe. „Noch offensichtlicher können wir es dir doch nicht machen.“

Für einen Moment sah der Soldat zwischen Zorro und Dulacre hin und her und dann konnte Zorro sehen, wie Jiroushin auf seine Brust starrte, wo halb verdeckt von seinem Hemd die kleine Goldkette hing, die der Samurai ihm geschenkt hatte.

Die grünen Augen des Vizeadmirals wurden groß.

„Unmöglich“, flüsterte er, „das ist doch unmöglich.“

Jetzt waren sie alle still. Zorro wusste, dass Jiroushin ihn jederzeit erneut angreifen konnte und er zweifelte immer noch daran, dass er selbst vorbereitet schnell genug reagieren konnte, aber er würde sich nicht noch einmal vom Samurai beschützen lassen.

„Das meinst du nicht ernst.“ Mit einem halben Lachen schüttelte Jiroushin den Kopf und sah Dulacre anklagend über Zorro hinweg an. „Du willst mich doch für blöd verkaufen.“

„Nicht nötig, du stellst dich schon von allein dumm genug an.“

Der Jüngste von den Anwesenden rollte mit den Augen. Der Samurai wusste wirklich nicht wie man einen Konflikt entschärfte.

 „Du willst mir also weiß machen, dass dieser… dieses Monster...“ Der Soldat nickte zu Zorro hinüber, ohne ihn jedoch anzusehen. „und Lady Loreen ein und dieselbe Person sein sollen?“

„Ist das so viel unwahrscheinlicher, als dass Lorenor Zorro den Untergang der G6 unverletzt überlebt hat?“

Nun blitzten die ernsten Augen wieder zu Zorro hinüber.

Erneut sagte keiner ein einziges Wort.

Plötzlich ging die Tür hinter Zorro auf und Perona steckte den Kopf rein. Alle Schwertkämpfer sahen zu ihr hinüber, ihre Augen wuchsen auf doppelte Größe an und schnell schloss sie die Tür wieder und verschwand.

„Unmöglich“, murrte der Samurai genervt. „So unhöflich.“

„Du bist nicht viel besser“, brummte der Soldat ebenso verdrießlich und steckte sein Schwert weg.

Ganz offensichtlich war die Spannung gebrochen.

„Ach, ich bitte dich, ich weiß wenigstens wie man sich benimmt“, entgegnete Mihawk und brachte seine Waffe zurück zu ihrer Halterung.

„Dann mach von diesem Wissen doch wenigstens mal ab und an Gebrauch.“

Zorro beobachtete die anderen beiden, anscheinend war er der Einzige, für den der Kampf noch nicht vorbei war und der Samurai bemerkte es, denn er nickte zu ihm hinüber und verschränkte die Arme.

„Alles in Ordnung Lorenor. Du kannst dich entspannen.“

„Da wäre ich mir aber nicht so sicher“, widersprach Jiroushin und ließ sich entgegen seiner Worte auf einen Stuhl am Esstisch fallen. Missmutig zog er eine halbgeleerte Kaffeetasse zu sich rüber.

Dabei waren seine sonst so fröhlichen Augen fest auf Zorro gerichtet, sein sonst immer grinsender Mund zu einer schmalen Linie zusammengepresst.

„Ach bitte“, meinte Mihawk nun und ging am Soldaten vorbei. Am Tisch angekommen zog er die übliche Tageszeitung vom Frühstückstablett, ehe er zu seinem Lieblingssessel hinüber schlenderte und sich hineinfallen ließ.

Mit überschlagenen Beinen öffnete er die Zeitung als wäre der Konflikt bereits vorbei.

„Jetzt bist du noch wütend und wahrscheinlich auch verärgert, aber sobald alles geklärt ist wirst du schon bald wieder so dämlich aus der Wäsche grinsen wie sonst.“

Der Vizeadmiral schnaubte verächtlich auf.

„Du bist ganz schön gelassen für diese Situation hier, Dulacre.“

„Oh nein, das missverstehst du, Jiroushin, ich bin über alle Maße erzürnt. Es ist eine Sache, wenn Lorenor unbedachte, leichtsinnige Fehler begeht...“

„Hey“, murrte Zorro doch der andere ignorierte ihn vollkommen.

„... aber, dass ich nicht wahrnehme, wenn ein Vizeadmiral an Land kommt, tze. Dafür kann es keine Entschuldigung geben.“

Der genannte Vizeadmiral wollte etwas erwidern, plötzlich jedoch schaute der Samurai über die Zeitung hinweg und sah Zorro ziemlich entrüstet an.

„Und trotzdem Lorenor, das rechtfertigt noch lange nicht, dass du so unbedacht hereinspaziert kamst. Du hättest Jiroushin bemerken müssen und nicht einfach so hereinplatzen sollen.“

„Sagt der, der tief und fest geschlafen hat als ich hereinkam“, murmelte Jiroushin.

Dem Jüngsten im Bunde gefiel das ganze überhaupt nicht. Vor wenigen Sekunden hatten beide Männer sich noch kampfbereit gegenübergestanden und nun benahmen sie sich beinahe so, als hätte dieser Moment vor wenigen Sekunden nie stattgefunden.

Doch dann erkannte Zorro es, erkannte es so plötzlich und klar, dass er die Welle der Wehmut kaum aufhalten konnte ehe sie über ihn hereinschwappte.

Diese beiden Idioten waren genau wie Ruffy und er.

Ein halbes Jahr war er mit seinem Kapitän unterwegs gewesen, nur ein halbes Jahr, doch Zorro hatte ziemlich schnell gewusst, innerhalb weniger Tage, wenn er ehrlich war - auch wenn er es damals nicht hatte wahrhaben wollen - wie viel er bereit war für seine Kapitän zu geben.

Vor über einem halben Jahr hatte er sich für seine Crew letztendlich geopfert und kurz darauf war seine Crew zerstört worden. Heute auf den Tag war ein Viertel der Zeit um, die sie alle hatten, um stärker zu werden. Erst ein Viertel und doch hatte Zorro nun auf Kuraigana genau so viel Zeit verbracht wie an Ruffys Seite.

„Lorenor, hörst du mir überhaupt zu?!“

Überrascht sah Zorro auf. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er sich in dieser gefährlichen Situation hatte ablenken lassen.

„Wo bist du mit deinen Gedanken?“, schollt sein Lehrmeister dann auch sogleich.

Doch Zorro wandte sich dem Vizeadmiral zu, der immer noch am Küchentisch saß, die leere Kaffeetasse in den Händen.

„Du scheinst das alles sehr gelassen zu nehmen, Cho Jiroushin.“

Lange sahen ihn diese sonst so freudestrahlenden Augen ernst an. Vom Kamin her konnte Zorro Papierrascheln hören, der Samurai hatte wohl entschieden, diese Unterhaltung nur aus der Ferne zu beobachten oder ihm war seine Zeitung einfach wichtiger.

Jiroushin lachte halbherzig auf und schüttelte den Kopf.

„Eher im Gegenteil“, murmelte er dann und sah wieder zu Zorro hinüber. „Weißt du, dass du einer der ersten Menschen warst, die ich gerne selbst getötet hätte?“

Dieses Geständnis überraschte Zorro vielleicht nicht so sehr wie es sollte.

„Für uns Marinesoldaten ist es selbstverständlich unser Leben tagtäglich aufs Spiel zu setzen und jeder Kampf, gewiss jeder Krieg kann Verluste herbeiführen.“

Nun beugte Jiroushin sich über den Tisch hinweg und griff nach der Kaffeekanne.

„Aber das was du gemacht hast, das war kein Kampf, keine faire Auseinandersetzung. Wie Ungeziefer hast du meine Kameraden in ihrer Burg ausgeräuchert. Die fähigen Krieger, die naiven Anfänger, die zur Ruhe kommenden Veteranen zugleich. Doch auf diesem Stützpunkt lebten ja nicht nur die Soldaten, die ihr Leben der Gerechtigkeit geschworen hatten, sondern auch Ärzte, Reinigungs- und Küchenpersonal, Werftmitarbeiter und Techniker. Nicht nur für einen Soldaten ist die Basis eine zweite Heimat, für manche sogar die einzige und du hast das alles zerstört, all diese Leben und die Leben der Familienmitglieder, der Freunde.“

Der Blondschopf schnaubte auf.

„Und wofür? Für eine Handvoll Verbrecher und Piraten.“

Kopfschüttelnd sah Jiroushin zum Samurai hinüber.

„Vergib mir, dass ich deinen ach so verehrten Wunderknaben nicht so herzlich empfange, wie du es offenbar kannst.“

Der Soldat klang so erschöpft, dass in seiner Stimme noch nicht einmal Sarkasmus mitschwang.

Zorro nahm diese Worte hin. Es war nicht das erste Mal, dass er die Anklage hörte und es würde nicht das letzte Mal sein. Er wusste was er getan hatte, war sich dem Ausmaß wirklich bewusst gewesen. Zorro hatte keine Entschuldigung, wollte und konnte sich nicht rechtfertigen. Ja, er hatte unzählige unschuldige Menschen getötet nur um seine Freunde zu retten und von all diesen Menschen hatte ausgerechnet er eine zweite Chance bekommen, war durch nicht mehr als einen seltsamen Zufall doch am Leben.

Diese Ungerechtigkeit stimmte selbst ihn des Öfteren nachdenklich und er würde nie vergessen was er getan hatte und immer noch bereit war zu tun. Aber die Welt war nun mal kein gerechter Ort und Zorro würde tun was er tun musste, um seine Freunde vor dieser Ungerechtigkeit zu bewahren.

„Jetzt stehst du hier, wie durch ein Wunder am Leben, und mein bester Freund bittet mich nicht nur darum dich am Leben zu lassen, sondern dich gleich ganz zu verschonen. Hochverrat zu begehen indem ich dein Überleben meinen Vorgesetzten verschweige und als wäre das noch nicht genug, behauptet ihr doch glatt, dass du und Lady Loreen - die liebenswerte, unschuldige Loreen - ein und dieselbe Person sein wollt.“

Nun lehnte Jiroushin sich kopfschüttelnd zurück, Hände immer noch an seiner bereits wieder halbleeren Tasse.

„Wusstest du es, Dulacre? Als du mich um Informationen über die Strohhüte batst? Als du mich darum batst Loreen zu trainieren? Als ich mit ihr gekämpft habe? Auf dem Ball getanzt habe?“

„Ja, Jiroushin, ich habe dich von Anfang an belogen.“

Der Vizeadmiral entgegnete nichts, sondern nahm einen tiefen Schluck.

Jiroushin sah älter aus als sonst. Sein Gesicht so ungewohnt ernst, so ungewohnt hart und voller Trauer. Sein Blick auf die Tasse zwischen seinen Fingern gerichtet lachte er leise auf.

„Wie oft habe ich mit Lirin darüber gesprochen, dass ich mir Sorgen um dich mache, Dulacre, da du wie ein Wahnsinniger irgendeinen Bengel aus dem East Blue verfolgst und als ich damals von der G6 und Lorenor Zorros Tod erfahren hatte, war mein erster Gedanke nicht wie schrecklich das alles war, wie viele Kameraden und Freunde ich verloren hatte, was das für eine furchtbare Tat gewesen war. Nein, meine erste Sorge war, dass du vielleicht etwas wirklich Dummes anstellen würdest.“

Überrascht über diese Aussage senkte Zorro den Blick, spürte wie seine Wangen warm wurden. Er hatte schon oft gehört, dass Mihawks Interesse an ihm nach ihrem Aufeinandertreffen im East Blue größer gewesen war als er je vermutet und der andere je zugegeben hätte.

„Jetzt übertreib mal nicht“, murrte der Samurai von seinem Sessel herüber. „Ich war aufgebracht, aber...“

„Aufgebracht ist gar kein Ausdruck, du warst regelrecht außer dir. Doch dann tauchte aus dem Nichts diese zierliche, zerbrechliche Lady Loreen auf und du warst wie ausgewechselt. Ich habe dich selten so glücklich gesehen und obwohl ich meine Zweifel hatte, meine Fragen hatte, habe ich doch entschieden das alles zu ignorieren, um deinem Glück nicht im Weg zu stehen. Jetzt im Nachhinein kommt mir das alles wirklich sehr gutgläubig vor. Ich hätte von Anfang an sehen müssen, dass an der ganzen Situation doch was faul war.“

Mihawk schnalzte leicht mit der Zunge und erhob sich.

„Es ist nicht dein Vergehen, Jiroushin. Die Leute tendieren dazu das Unmögliche nicht in Betracht zu ziehen und ich wollte sichergehen, dass du Lorenor nicht in seiner weiblichen Gestalt angreifen würdest. Er war so zerbrechlich. Selbst jetzt...“

Er beendete den Satz nicht und deutete einfach nur auf Zorro.

„Könntest du mal damit aufhören?“, murrte Zorro ziemlich wütend und rieb sich das Blut von der Wange. „Von wegen zerbrechlich. Außerdem wer hat mich gestern noch durch den Raum geworfen?“

Zorro konnte sehen, dass allein die Erinnerung an den vergangenen Abend ausreichte, um den Samurai in seine Schranken zu weisen.

Dann bemerkte er wieder die Augen des Vizeadmirals auf sich.

„Und du willst Lady Loreen sein? Das will ich einfach nicht glauben. Ihr seid wie Tag und Nacht.“

Zorro zuckte mit den Achseln.

„Das brauchst du mir nicht sagen, glaub mir ich…“

„Ich habe euch meinen Segen gegeben!“ Plötzlich sprang der Blondschopf auf und eilte drei Schritte in Mihawks Richtung, klappernd fiel sein Stuhl zu Boden.

„Was?“ Zorro hatte keine Ahnung was der Soldat damit meinte, aber anhand der rosigen Wangen des Samurais ahnte er, dass es nichts Gutes bedeuten konnte, während der Soldat weiter stammelte.

„Warte mal, warte mal! Er, Hawky? Er?! Ich meine, bei dem Altersunterschied mit Loreen wollte ich ja nichts sagen, weil du glücklich warst und du weißt, dass ich mich in solche Dinge nicht einmische, aber...“

„Jiroushin!“, kühl unterbrach Dulacre den Blondschopf. „Lorenor und ich sind kein Liebespaar.“

„Was?! Woher kommt denn plötzlich der Scheiß?!“

Fassungslos starrte Zorro die anderen beiden Männer vor ihm an.

„Wer kommt denn auf die hirnrissige Idee, dass ...“ Er konnte den Gedanken kaum weitersprechen. Dulacre war sein Lehrmeister, sein größter Rivale, vielleicht auch ein Freund, nun gut sie waren Freunde und vielleicht hatten sie durch ihre Ansichten im Schwertkampf eine Ebene miteinander die nicht viele hatten, aber...so etwas?

Der Samurai sah ihn herablassend an.

„Natürlich ist diese Idee von außen gesehen nicht so abwegig, Lorenor. Die Presse hat die innige Beziehung zwischen Falkenauge und Lady Loreen sehr schnell verbreitet und ausgeschmückt; wir selbst haben uns bemüht die Kluft zwischen Sein und Schein möglichst groß zu halten.“

„Ja aber Liebe? Wer glaubt denn an so einen Schwachsinn?“

Zu seiner Verwunderung wurde Zorro nun von beiden Männern angesehen. Mihawks Ausdruck schwer lesbar, zwischen belustigt, genervt und kühl. Der Vizeadmiral eher verwirrt und auch leicht beleidigt.

„Du weißt schon, dass ich mit der Liebe meines Lebens gerade ein Kind erwarte?“

Entschuldigend hob Zorro beide Hände in die Höhe.

„Tschuldigung, aber in welcher Sekunde habe ich dir bitte irgendwie zu verstehen gegeben, dass da irgendwas mit diesem hochnäsigen alten Mistkerl von wegen Lehrmeister laufen würde?“

„Lorenor!“

„Wann nicht?!“, entgegnete der Vizeadmiral, der ebenfalls den Samurai außen vorließ. „Also als wir uns das erste Mal trafen trugst du eines von Hawkys Hemden…“

„Das war mein Hemd. Außerdem haben wir uns nicht da zum ersten Mal getroffen.“

Für einen Moment sah Jiroushin ihn verdutzt an.

„Nicht?“

„Nein. Shelltown, Marinebasis, vor etwas mehr als einem Jahr“, murrte Zorro, bemüht das Thema in eine andere Richtung zu lenken.

„Oh, ich erinnere mich. Kapitän Morgan; da war dieser junge Mann an ein Holzkreuz gefesselt. Er hatte wohl den Sohn von Morgan angegriffen und sollte deshalb hingerichtet werden. Das warst du?“

Zorro konnte ein leises Grinsen nicht verhindern, die Geschichte damals hatte sich doch etwas anders abgespielt, aber es wunderte ihn nicht im mindesten, dass dieser Axtheini von Anfang an nicht vorgehabt hatte ihn nach den 30 Tagen laufen zu lassen.

Glücklicherweise war ja dann Ruffy aufgetaucht.

„Und schon damals bist du nicht gestorben, nicht wahr?“

Nun schmunzelte Zorro leicht über diese fast anklagenden Worte.

„Der Tod und ich sind halt keine Freunde.“

„Nun gut, könnten wir dieses leidige Thema dann abschließen?“, brachte sich nun der Samurai wieder ein, offensichtlich beleidigt, dass sie ihn ignoriert hatten.

„Also es ist jetzt alles geklärt, oder? Lorenor ist Lady Loreen, niemand darf davon erfahren. Ihr habt euch ausgesprochen und alle sind zufrieden. Jirou, könnten wir dann zum eigentlichen Punkt kommen? Was Lorenors Training angeht habe ich mir überlegt, dass wir...“

„Halt mal!“ Der andere unterbrach Mihawk mit der flachen Hand ins Gesicht gedrückt. „Das meinst du jetzt nicht ernst, oder?“

Sich keiner Schuld bewusst neigte der Schwarzhaarige den Kopf und löste sich von der Hand des anderen.

„Du lässt mich unter Verschluss gestellte Akten stehlen, lügst mich monatelang an, benutzt mich ohne mein Wissen um einen Verbrecher zu trainieren, verlangst nun von mir, dass ich ihn nicht an die Marine ausliefere und denkst du kannst mich jetzt einfach wieder ins Training einspannen?“

Für einen Atemzug war es ruhig.

„Nun, ja.“ Dulacre nickte.

„Bist du denn wahnsinnig?! Warum sollte ich so etwas tun?!“

„Weil ich dich darum bitte und du mir eine große Hilfe wärest. Mit dir zusammen wären einige Punkte in Lorenors Trainingsplan viel einfacher anzugehen.“

„Neihein!“

Schnaubend wandte sich der Blondschopf um und stakste durch den Raum, die Arme verschränkt.

„Ich werde dir nicht helfen damit das Training für einen meiner Feinde und einen Feind der Marine einfacher wird! Wie kannst du nur glauben, dass ich so etwas tun würde?!“

„Ich bin wirklich überrascht wie aufbrausend du heute bist, Jiroushin. Das bin ich nicht von dir gewöhnt.“

„Könntest du eine Sekunde ernst bleiben, Hawky? Wieso trainierst du ihn überhaupt?“ Nun zeigte der Marinesoldat mit ausgestrecktem Arm auf Zorro. „Dieser Kerl ist auch dein Feind. Schließlich will er dich doch besiegen, dir deinen Titel rauben, oder nicht? Also...“

„Lorenor, bitte gib Jiroushin und mir ein paar Minuten.“ Es wirkte noch nicht einmal so, als ob der Samurai den anderen unterbrechen würde. Er hatte bereits entschieden.

„Du solltest etwas frühstücken und dann treffen wir uns – sagen wir – in 15 Minuten in der Eingangshalle, in Ordnung?“

„Hawky! Ignorier mich nicht einfach!“

Zorro erkannte die Art wie der andere mit ihm sprach. Hier gab es keine Diskussion, keine Widerrede.  Ob wohl er die Situation alles andere als für geklärt hielt nickte er knapp und wandte sich zum Gehen.

„Noch eine Frage Lorenor.“

An der Tür blieb Zorro seufzend stehen, sein Lehrmeister konnte schon wirklich nervig sein.

„In welcher Gestalt warst du heute Morgen laufen?“

Überrascht sah er Mihawl kurz an, ehe er kopfschüttelnd ging.

„Wir hatten das doch abgesprochen, nicht in dieser.“

 

 

-Mihawk-

Schmunzelnd beobachtete er wie Lorenor ging, erst dann wandte Dulacre sich seinem Kindheitsfreund zu, der ihn nun deutlich zu ruhig ansah.

„Du meinst es ernst, nicht wahr? Du willst mich wirklich dazu überreden dir dabei zu helfen aus diesem Monster einen unbesiegbaren Feind zu machen?“

Nun konnte Dulacre kaum ein böses Grinsen verhindern.

„Genau.“

Kopfschüttelnd lehnte Jiroushin sich gegen den Tisch.

„Warum? Reichen dir die Feinde die sowohl du als auch die Marine hat noch nicht? War der Krieg nicht schlimm genug?“

„Beruhige dich Jirou. Es ist...“

„Ich werde mich nicht beruhigen“, entgegnete der Blondschopf, ohne auch nur laut zu werden. Es war diese stille Wut, die Dulacre deutlich signalisierte, dass sein Freund es wahrlich ernst meinte. „Wie kannst du diesen Bengel nach allem was er getan hat immer noch schützen wollen? Er ist ein Monster.“

„So wie ich?“, fragte Dulacre nüchtern nach und konnte sehen wie sich die Augen seines Freundes weiteten.

„Was, aber nein, bei dir ist das doch etwas ganz...“

„Weißt du wie viele Menschen ich getötet habe, Jiroushin?“

Für einen Moment glaubte sein Freund wohl, dass er eine rhetorische Frage stellte, aber da Dulacre nicht weitersprach zuckte Jiroushin dann doch mit den Achseln.

„Weißt du wie viele Menschen in diesem Krieg gefallen sind? Für das Leben eines Verbrechers?“

„Worauf willst du hinaus, Hawky?“

Der Vizeadmiral hatte die Stirn in ernste Falten gelegt.

„Wenn du Lorenor wegen seiner Taten verurteilst, frage ich mich wie du der Marine noch so treu dienen kannst, das ist alles.“

„Bist du noch bei Trost? Du vergleichst einen unvermeidbaren Krieg von Soldaten gegen einen Zusammenschluss unzähliger Piraten mit einem Attentat eines Einzelnen mit zivilen Opfern? Hast du sie noch alle?!“

„Du hast wohl recht. Es ist wahrlich nicht gerecht eine sinnlose Machtdemonstration der Weltregierung, die ihre Fürsorgepflichten gegenüber ihren Angestellten aufgegeben hat nur um einen einzigen Piraten komme was wolle hinrichten zu können, mit einem einzelnen Mann zu vergleichen, der bereit war das Leben seiner Kameraden über alles andere zu stellen.“

Jiroushin schnaubte auf.

„Du warst schon immer begabt darin Tatsachen so ausdrücken zu können wie sie dir passen. Willst du mir etwas sagen, dass du gutheißt was dieser Pirat getan hat?“

Nun schmunzelte Dulacre wieder.

„Ich will damit sagen, dass ich sowohl Lorenors als auch den Willen seines Kapitäns beneide.“

„Was? Wovon redest du?“

Der Samurai wandte sich ab und betrachtete die dunkle Feuerstelle.

„Findest du es nicht beinahe wahnwitzig; der eine zerstört eine komplette Marinebasis nur um seine Freunde zu retten, der andere bricht in das sicherste Gefängnis der Weltregierung ein, nur um einen Freund zu retten, bricht erfolgreich wieder aus und nimmt dann auch noch an einem Krieg teil, dem er so einfach hätte zum Opfer fallen können?“

„Wahnsinnig ist wohl eher der passende Begriff für diese Monster.“

Erneut sah Dulacre seinen Kindheitsfreund an und lächelte schwach.

„Ich wünschte ich wäre mehr wie diesen beiden Wahnsinnigen.“

„Was?“

„Dann hätte ich damals vielleicht einen anderen Weg gewählt.“

Überrascht öffnete Jiroushin den Mund, ohne jedoch etwas zu sagen.

„Wäre mein Wille damals etwas stärker gewesen; wenn ich damals bereit gewesen wäre so viel zu opfern wie Lorenor oder sein Kapitän, dann wären die Dinge wohl ganz anders verlaufen.“

Kopfschüttelnd winkte er ab, als der andere immer noch nicht antwortete.

„Du hast Recht seinen Taten zu verurteilen, ethisch gesehen ist es wohl wirklich kritisch, doch wir beide wissen, dass ich mich um so etwas nie geschert habe. Aber Lorenor hat seine Prinzipien und Prioritäten und allein danach handelt er, ungeachtet etwaiger Konsequenzen und das ist tatsächlich eine Stärke, die ich sehr beneide.“

Dulacre zuckte seine Achseln.

„Ob man einen Menschen tötet oder hunderte, ein Mörder ist ein Mörder, die wahre Frage ist doch, ob man dabei seinem eigenen Ehrgefühl treu bleibt.“

Für einige Sekunden schwiegen sie beide, ehe Jiroushin schließlich antwortete: „Wie immer hast du eine eigene Logik, mit der du die Welt betrachtest, Dulacre. Ich stimme mit deinen Worten nicht überein und ich verstehe auch nicht wieso du diesem Bengel helfen willst? Was fasziniert dich an ihm so sehr, dass du die Wahrheit so verdrehst?“

Langsam drehte Dulacre sich zu seinem ehemaligen Vizen um.

„Oh Jiroushin, bin wirklich ich es, der die Wahrheit verdreht oder die Weltregierung? Glaub mir, ob wir wollen oder nicht, bald wird ein neues Zeitalter anbrechen und ich habe das sichere Gefühl, dass der Strohhut und seine Crew nicht unbeachtlich daran beteiligt sein werden. Allerdings hat das nichts, aber auch gar nichts mit meinem Interesse an Lorenor zu tun.“

„Nicht?“, fragte Jiroushin und verschränkte die Arme, offensichtlich alles andere als zufrieden mit dem Verlauf des Gespräches.

„Ich mache dir einen Vorschlag Jiroushin, hilf mir bei Lorenors Training heute und falls du...“, unterbrach Dulacre direkt den aufkeimenden Einwand seines Freundes,“...am Ende des Tages nicht ebenso überrascht und fasziniert von Lorenors Talent bist wie ich, werde ich mich dir nicht in den Weg stellen.“

„Was?“

Dulacre nickte: „Ganz recht, du kannst Lorenor zur Rechenschaft ziehen wie auch immer es dir beliebt und ich werde mich nicht einmischen.“

Ungläubig begutachtete der Vizeadmiral ihn eindringlich.

„Du bist niemand der so leichtsinnig Wetten mit einem solch hohen Einsatz eingehen würde, das hier ist doch ein abgekartetes Spiel“, mutmaßte Jiroushin leise schnaubend.

„Ich biete nur eine Möglichkeit an diesen Konflikt fair zu lösen. Du musst ja nicht drauf eingehen.“

„Und was wäre mein Einsatz, falls du mich überzeugen solltest?“, fragte der Soldat äußerst misstrauisch nach.

„Du wirst Lorenor nicht verraten, nicht an die Marine, die Weltregierung, an niemanden, noch nicht einmal an Lirin, außerdem wirst du mir im Rahmen deiner Möglichkeiten bei Lorenors Training zur Seite stehen. Deine Erfahrung und Fertigkeiten kämen mir sehr gelegen.“

Laut lachte der andere auf.

„Du bist ja wahnsinnig!“

„Mag sein, aber glaube mir, nach dem heutigen Tage möchtest du wissen wie viel besser Lorenor noch werden kann.“

Sie sahen einander an.

„Du bist dir ziemlich sicher, dass du gewinnen wirst. Er mag zwar ein Wunderknabe sein, aber letzten Endes ist auch er nur ein einfacher Mensch, Hawky. Ich habe schon Hunderte im Schwertkampf unterrichtet, glaubst du wirklich, dass er der eine ist der mich noch überraschen kann?“

Dulacre schmunzelte.

„Wenn du es so siehst, kannst du diese Wette ja beruhigt eingehen oder scheust du dich etwa?“

„Natürlich nicht.“

Sie schlugen ein und der Samurai konnte ein leises Lachen nicht verhindern.

„Du hast bereits jetzt verloren, Jiroushin.“

Mit diesen Worten wandte er sich zur Tür.

„Was macht dich da so sicher, Hawky?“

Über die Schulter hinweg grinste er den anderen an.

„Glaube mir, mein Freund, so etwas wie Lorenor habe ich noch nie gesehen.“

Kapitel 36 - Waagschale

Kapitel 36 - Waagschale

 

-Zorro-

Wenn er ehrlich war überraschte es ihn nicht wirklich, dass er neben dem Samurai auch noch dessen ehemaligen Vizekapitän in der Eingangshalle antraf.

Doch irgendetwas an den beiden war seltsam. Mihawk grinste süffisant als hätte er gerade ein äußerst gewitztes Wortduell gewonnen. Jiroushin auf der anderen Seite wirkte so ungewohnt ernst und starrte Zorro sowohl misstrauisch als auch verachtend an.

Es war beinahe so als hätten die beiden ihre Körper getauscht, so untypisch und gegensätzlich sahen sie gerade drein.

„Bist du bereit, Lorenor? Heute wird uns Jiroushin bei deinem Training helfen.“

Zorro nickte nur und folgte seinem Lehrmeister.

Er traute dem Braten mal so gar nicht. Irgendwas war hier faul.

Aber er hatte noch ein ganz anderes Problem.

Dies sollte seine erste Trainingseinheit mit dem Samurai werden seitdem dieser ihn vor die Wahl gestellt hatte. Zorro wusste, dass er das Rüstungshaki nur meistern konnte, wenn er es trainierte und das bedeutete, dass er früher oder später auch wieder die Kontrolle verlieren würde.

So wie der Samurai sich benahm vermutete Zorro eher früher als später und das gefiel ihm ganz und gar nicht.

Erst recht nicht, wenn jetzt auch noch Jiroushin dabei war.

Doch Zorro sagte nichts, sondern folgte Mihawk stumm bis zu den Ruinen, bei denen sie zu trainieren pflegten.

Der Marinesoldat an Mihawks Seite hatte die Arme verschränkt und sah alles andere als glücklich aus, Zorro entschied erst mal auch das zu ignorieren. Es war ihm egal was die beiden untereinander besprochen hatten, aber er hätte wirklich gerne vermieden Jiroushin mit in die Sache reinzuziehen. Ganz im Gegensatz zum Samurai, der über die jüngsten Entwicklungen hocherfreut schien.

„Nun gut“, sprach ebendieser und lehnte sich gegen eine umgestürzte Säule, „wie wir alle wissen lernt Lorenor am schnellsten durch die direkte Konfrontation, daher denke ich ist es am Sinnvollsten, wenn wir genau da weiter machen wo wir letztes Mal aufgehört haben. Nur dieses Mal ist Jiroushin dein Gegner.“

Zorro nickte nur während der Blondschopf sich umsah.

„Und wo sind wir dran?“, murmelte Jiroushin unzufrieden und bückte sich nach einem zerbrochenen Bambusstab. „Verhärtung?“

Der Samurai nickte: „Ganz recht.  Lorenor ist noch nicht bereit Waffen zu verhärten. Aber seine Hülle wird immer gleichmäßiger. Es wird dir Spaß machen, Jirou.“

Der Angesprochene murrte etwas Zustimmendes und schnallte sein Schwert ab.

„Das alles nur weil du nicht selbst gegen diesen Mistkerl kämpfen willst.“

Zorro wusste ganz genau, dass er dieser Mistkerl war, aber damit konnte er leben. Also griff er nach einem der Bambusstäbe von dem einfach nicht schrumpfen wollenden Berg und ging in Kampfposition.

Kopfschüttelnd tat Jiroushin es ihm gleich.

„Ich kann es immer noch nicht glauben“, murrte er als er Zorro gegenüberstand. „Deswegen hast du dich also so oft so komisch benommen… deswegen warst du so gut.“

Grinsend zuckte Zorro mit den Achseln und verhärtete seine Waffe.

„Ich hab keine Ahnung was du meinst“, entgegnete er und umfasste den Bambus härter, „aber denk ja nicht, dass ich in dieser Gestalt auch so schwach bin wie Loreen.“

Irgendwie war es befreiend es endlich laut vor dem Blondschopf auszusprechen.

„Einen Moment noch.“

Der Samurai kam zu Zorro hinüber, nun wieder einen kühlen, rationalen Ausdruck in den Augen. Mihawk beugte sich zu ihm hinab und sprach so leise, dass Jiroushin es anscheinend nicht hören sollte.

„Da du noch nicht gut kontrollieren kannst, wann du fremdes Haki aufsaugst und wann nicht, ist mir das zunächst einmal nicht so wichtig. Achte erst einmal nur darauf, dass du den Stab gleichmäßig ummantelst, verstanden?“

Zorro nickte, immer noch den Marinesoldaten im Blick haltend, der ihn wiederum kühl betrachtete.

„Außerdem brauchst du dir keine Sorgen zu machen, solange du sein Haki absorbierst, sollten deine eigenen Reserven nicht in einen gefährlichen Bereich sinken.“

Wieder nickte er, doch dann sah er den anderen an als Mihawk ihn an der Schulter berührte.

„Jiroushin wird nicht versuchen dich umzubringen, aber er wird nicht so zurückhaltend sein wie auf Sasaki. Konzentriere dich.“

„Schon klar.“

„Können wir denn dann mal so langsam?“, brachte sich der Vizeadmiral ein. „Wie lange wollt ihr noch Flüsterpost spielen?“

Entschuldigend beide Hände hebend begab sich der Samurai zurück auf seine Säule und Zorro stand dem Soldaten gegenüber. Ein Prickeln glitt über seine Haut, was nichts mit Haki zu tun hatte.

Mit Mihawk konnte er nicht wirklich kämpfen, dieser gab immer sein Bestes, um es zu vermeiden und daher lag Zorros letzter richtiger Kampf schon echt lange zurück.

Es war egal, dass er gerade nur einen Bambusstab in den Händen hielt, dass der andere ihm überlegen war, dass Dulacre eine blutige Auseinandersetzung verhindern würde.

Alles was gerade zählte war sein Gegner vor ihm und Zorro konnte ganz genau sehen wie Jiroushin ihn beobachtete. Sein erster richtiger Kampf gegen den friedvollen Krieger, fünftbester Schwertkämpfer der Welt.

Für eine Sekunde schloss er die Augen und atmete tief ein, spürte diese vertraute Ruhe in sich, und dann griff Zorro an.

 

Der Samurai sollte Recht behalten; Jiroushin versuchte ihn vielleicht nicht direkt zu töten, aber gegen eine mittelschwere Gehirnerschütterung hatte er wohl nichts einzuwenden.

Ziemlich zügig stellte Zorro drei Dinge fest.

Zum ersten konnte er sein geschwollenes linkes Handgelenk nicht so bewegen wie er wollte ohne, dass es an seiner Konzentration nagte, weswegen er den Stab mittlerweile rechts führte.

Als zweites bemerkte er die scharfen Augen seines Lehrmeisters und Zorro war sich langsam nicht mehr sicher, wen von ihnen der Samurai mehr beobachtete. Vertraute Mihawk am Ende doch nicht darauf, dass Jiroushin sich zurückhalten würde?

Doch beides war unwichtig.

Denn was Zorro am schnellsten bemerkt hatte war, dass er gut war. Nicht Jiroushin, davon war er von Anfang an ausgegangen. Nein, Zorros letzter echter Kampf auf Leben und Tod, Sieg oder Niederlage, lag nun schon Monate zurück und seine eigene Leistung immer im Verhältnis zum besten Schwertkämpfer der Welt zu sehen, hatte anscheinend seine Selbsteinschätzung getrübt.

Nein, Zorro bemerkte wie gut er geworden war.

Natürlich konnte er die heutige Auseinandersetzung nicht mit der letzten vergleichen. Damals war er Loreen gewesen und Jiroushin hatte nicht mal halbernst gemacht, aber vor allem lag es sechs Monate zurück und Zorro war einfach nicht mehr derselbe wie vorher.

Nun wusste er was der Samurai gemeint hatte.

Trotzdem hieß das noch lange nicht, dass das Spiel hier einfach war. Konnte sein, dass Zorro dem Marinesoldaten gar nicht so unterlegen war wie er gedacht hatte, aber zum einen kämpften sie gerade mit verdammten Bambusstöcken – und davon auch nur jeweils einen – und zum anderen hatte Jiroushin ihm Jahre der Hakianwendung voraus.

Aber all das war ihm eigentlich egal.

Zorro hatte Spaß.

Dulacre hatte Recht, solange er bei jedem Aufprall etwas Haki des anderen absorbierte, solange würde er nicht Gefahr laufen durchzudrehen, solange konnte er sich einfach nur dem Kampf hingeben und zum ersten Mal seit langer, langer Zeit konnte er genießen was er tat.

Stunden vergingen wie im Flug und Zorro wurde einfach nicht müde und das obwohl er einem mächtigen Gegner entgegenstand.

Jedes Mal, wenn ihre Stäbe gegeneinanderprallten konnte er spüren wie etwas Kälte durch seine Fingerspitzen glitt; er bildete sich ein, dass es sich anders anfühlte als beim Samurai, aber da konnte er sich genauso irren.

Mit der Zeit wurde er immer sicherer, nachdem er am Anfang mehrere Rohre hintereinander zerbrochen hatte, hielt der jetzige nun endlich.

Zorro konnte die scharfen Augen seines Lehrmeisters auf sich spüren, genauso wie die nicht minder harten Augen seines Gegners. Doch anders als sonst redete Jiroushin kaum.

Damals auf Sasaki hatte der Soldat unablässig im Kampf mit ihm gesprochen, hatte ihm erklärt wie oder warum er etwas machte, hatte ihm Tipps und Tricks erläutert oder sich einfach mit ihm unterhalten.

Nun war er ruhig, hochkonzentriert und todernst, nutzte jeden Fehler Zorros gnadenlos aus und gab ihm kaum Zeit einen Angriff zu parieren, vom Boden aufzuspringen, gab ihm kaum Zeit zu atmen.

Aber ganz langsam konnte Zorro es sehen, konnte sehen, dass diese Auseinandersetzung nicht nur für ihn anstrengend war und das beruhigte ihn doch ein bisschen.

„Du hast gute Reserven“, urteilte der Vizeadmiral als die Dämmerung begann einzusetzen.

Von all den Dingen, die er loben konnte, entschied er das eine zu nehmen bei dem Zorro ganz offensichtlich schummelte.

„Wenn du meinst“, entgegnete er grimmig und blockte den kommenden Angriff.

Dann bemerkte er wie der Samurai leicht den Kopf neigte und ihm zunickte.

Zorro verstand und nickte zurück; er hatte auch vermutet, dass die Aussage seines Gegners dahergekommen war, dass Jiroushins Hakireserven langsam zur Neige gingen, nun sollte Zorro also voll aufdrehen.

Das konnte er, mal sehen wie lange er also brauchen würde, um dem Vizeadmiral all sein Haki zu entziehen.

Aber es war schwieriger als gedacht.

Es war eine Sache den Arm des Samurais zu packen und in Ruhe Energie zu ziehen, hier schlugen zwei ummantelte Gegenstände teilweise nur eine Millisekunde aneinander und er sollte diesen Moment nutzen, um dem anderen auszusaugen und das so schnell er konnte, ohne das es auffiel und sich dabei noch auf den Kampf konzentrieren.

Ja, gar nicht so einfach.

„Was soll das werden, wenn es fertig ist?!“

Beide Schwertkämpfer unterbrachen ihren jeweiligen Angriff und sahen zum Herrn der Insel herüber, der bis dahin nicht ein Wort gesagt hatte und sie nur mit verschränkten Armen beobachtet hatte.

Nun sah er jedoch überaus erbost zu Zorro hinüber.

„Was?“ Der Jüngste im Bunde hatte keine Ahnung warum Mihawk ihn so anstarrte als hätte er gerade Yoru von seiner Kommode heruntergestoßen.

Erneut gab der Ältere ihm diesen Blick und nickte leicht.

„Was denn, ich mach doch!“, knurrte Zorro.

„Ganz offensichtlich nicht!“

„Was geht denn hier vor?“ Jiroushin schaute missbilligend zwischen ihnen hin und her.

„Du treibst mich in den Wahnsinn, Lorenor.“

Schwer seufzend erhob sich der Samurai und schritt zu Zorro hinüber.

„Ich habe dir doch das Zeichen gegeben“, murrte er entnervt.

„Ja, ich weiß“, entgegnete Zorro nicht weniger genervt.

„Warum saugst du ihm dann weiter Haki aus?“

Erneut konnte nur Zorro den Samurai hören, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er verstand was der andere von ihm wissen wollte.

„Das hast du mir doch gesagt“, meinte er und zog eine Augenbraue nach oben.

„Was? Wann soll ich dir das gesagt haben?“

„Ja gerade eben, als du mir so komisch zugenickt hast.“

Zorro musste gestehen, dass es ihm schwer fiel bei so viel Blödheit ruhig zu bleiben.

„Wovon redest du?“ Kopfschüttelnd sah Dulacre ihn beinahe entrüstet an. „Ich habe dir gesagt, dass du genug von Jirou‘s Haki aufgesaugt hast und deshalb nun aufhören sollst. Damit auch deine Speicher leer werden.“

„Was? Wann hast du das denn gesagt?“

„Gerade doch als ich dir zugenickt habe.“

„Du hast mir zugenickt!“ Sie waren beide nicht mehr so leise wie sie wollten. „Woher soll ich wissen was du damit meintest? Ich dachte du meintest gib ihm den Gnadenstoß und nicht nimm dich zurück.“

„Welchen Sinn würde es denn ergeben so weiter zu machen wie bisher, Lorenor? Es war doch ganz offensichtlich was ich wollte.“

„Ganz offensichtlich nicht, sonst hätte ich dich ja nicht falsch verstanden!“

„Hey, hey!“ Jiroushin hatte sich dazugesellt und zog sie nun mehr oder weniger auseinander.  „Könnte mir bitte auch mal einer erklären was hier vor sich geht?“

„Lorenor ist zu dumm meine Anweisungen zu befolgen!“

„Woher soll ich wissen was ein verdammtes Zunicken bedeuten soll? Ein Nicken ist keine eindeutige Anweisung, es ist noch nicht mal irgendeine Anweisung, du hättest genauso gut einfach einen Schlaganfall haben können.“

„Hör auf mein Alter als Argumentationsgrundlage zu nutzen.“

„Hör auf einfach Dinge vorauszusetzen. Wenn du willst, dass ich etwas mache dann erkläre es mir mit Worten wie jeder normale Mensch auch und nicke mir nicht einfach mitten in einem Kampf zu.“

„Ich habe vorher mit dir besprochen, dass du dich zunächst an den Kampf gewöhnen sollst und danach...“

„Und danach was? Du hast nichts von und danach gesagt!“

„Jetzt beruhigt euch doch mal!“

Zorro und Mihawk drehten sich simultan zum Vizeadmiral um, der gerade augenscheinlich bereute ihrer beider zornigen Blicke auf sich zu ziehen.

„Okay“, murmelte Jiroushin und hatte beide Arme beruhigend erhoben, „jetzt ist alles geklärt, oder? Du weißt jetzt was du zu tun hast?“

Er sah Zorro direkt an.

„Ja, jetzt schon“, murrte der Jüngste im Bunde bissig.

„Sehr gut“, unterbrach Jiroushin den aufkommenden Kommentar des Samurais. „Dann können wir ja jetzt weitermachen. Der Tag neigt sich dem Ende zu, ihr habt nicht mehr viel Zeit.“

„Viel Zeit wofür?“, hakte Zorro misstrauisch nach.

Doch der Blondschopf gab ihm nur ein halbes Grinsen und winkte ab, auch Mihawk schwieg, aber Zorro wusste sofort, dass die Gefahr vom Morgen noch nicht verflogen war.

Wieder ging er in seine Ausgangsposition.

„Eine Sekunde noch.“

Überrascht nahm Zorro einen zweiten Bambusstab vom Samurai entgegen.

„Für dein Haki“, murmelte der Ältere ruhig und Zorro war sich ziemlich sicher, dass er es diesmal richtig verstand. Er musste seinen Hakiverbrauch erhöhen.

Bis zu diesem Punkt war Zorro schon oft gekommen, aber an dieser Stelle hatte der Samurai ihr letztes Training unterbrochen.

Zorro musste ihm beweisen, dass er es ernst meinte, dass er bereit war, seinem Monster gegenüberzustehen.

Der Bambus brach.

 

-Mihawk-

„Konzentriere dich!“, schollt er seinen Schüler und reichte ihm zwei neue Rohre.

Er konnte ganz genau sehen, dass Lorenor nervös war, für einen Moment hatte er seinen Hakifluss nicht unter Kontrolle gehabt.

Es war halt offensichtlich. Lorenor lernte schnell und dank seines Talents und seiner Kraft konnte er schon jetzt mit den ganz Großen mithalten, aber er war dennoch ein Anfänger in der Verwendung von Haki und machte dementsprechend auch noch Anfängerfehler.

Auf diesem Niveau fielen sie halt einfach noch deutlicher auf.

Dann ging der Kampf weiter.

Jetzt wo Lorenor nicht mehr Jirous Haki anzapfte konnte auch Mihawk sich auch auf andere Dinge konzentrieren.

Auch wenn Dulacre es nicht zugeben würde, war es höchst anstrengend für ihn Lorenors Hakifluss zu folgen. Es erforderte schon besonderes Können den Hakifluss eines anderen wahrnehmen zu können, etwas was Dulacre perfektioniert hatte. Aber dann auch noch wahrzunehmen, wenn winzige Tropfen Energie zwischen verschiedenen Rüstungen ausgetauscht wurden war selbst für ihn nicht einfach. Wenn er es fühlen könnte, wäre es machbarer, aber aus mehreren Metern Entfernung, inmitten eines ernsten Kampfes, ja das forderte wirklich auch ihn.

Nun jedoch war das vorbei, nun konnte er sich ganz normal dem Kampf widmen und Lorenors Fortschritt beurteilen.

Es brauchte keinen Meister, um zu erkennen, dass sein Wildfang nicht mehr der Selbe war wie vor sechs Monaten.

Obwohl das Training sich nur um Haki gedreht hatte, sie kaum einen echten Kampf nachgestellt hatten, hatte Lorenor sich gut entwickelt.

Immer noch haperte es an seinem Observationshaki, viel zu oft brauchte er zu lange und konnte Angriffe nur im letzten Moment parieren, noch seltener ausweichen. Nun als Mann und mit einer beachtlichen rohen Kraft ausgestattet konnte er diese Patzer ausgleichen, aber als Loreen wäre er schon längst besiegt.

Doch dafür hielt Dulacre dem Jüngeren zugute, dass er sich noch nicht einmal anmerken ließ, dass sein Handgelenk schmerzte. Ein Fremder hätte nicht bemerkt, dass dies derzeit eine Schwachstelle war.

Es war wirklich beachtlich.

Im Vergleich zu Jirou war Lorenor grobschlächtig und unausgereift, immer noch versuchte er mit bloßer Muskelkraft auszugleichen was ihm an Geschick und Geschwindigkeit fehlte. Sein Rüstungshaki war schon ganz gut, nicht perfekt und noch viel zu unstet, um eine Verlassbasis in einem echten Kampf zu sein, aber es wirkte fast schon ausgereifter als sein Observationshaki – was aber einfach nicht für letzteres sprach.

Unter diesen Voraussetzungen sollte man meinen, dass Lorenor noch einen langen Weg vor sich hätte bis er überhaupt Jirou einholen würde, geschweige denn Dulacre.

Sollte man meinen, denn je länger der Kampf anhielt, desto besser wurde Lorenor.

Hier zeigte sich seine wahre Stärke, sein wahres Talent, etwas was dem Samurai schon früh aufgefallen war.

Am Anfang hatte Jirou sich noch sehr zurückgehalten, Lorenor hatte es vielleicht nicht bemerkt, aber der Soldat war nahezu perfekt darin zu erkennen, wie weit er gehen konnte, ohne seinen Gegner direkt schwer zu verletzen.

Je länger der Kampf jedoch angehalten hatte, desto weniger hielt Jirou sich zurück. Als er Lorenor wegen dessen Reserven angesprochen hatte, hatte er nicht dessen Haki gemeint - denn es würde schon einen längeren, härteren Kampf bedürfen, um diese Energiequelle versiegen zu lassen – sondern seine ganz simplen Kraftreserven.

Jirou war davon ausgegangen, dass Lorenor von Anfang an mit voller Kraft gekämpft hatte und wunderte sich zurecht, warum der Jüngere mit der Zeit nicht nachließ, sondern nur noch stärker und besser wurde.

Aber das war genau der Fehler.

Mit jedem Angriff, jeder Parade, jedem Block und jedem Atemzug wurde Lorenor besser, schneller, stärker.

Doch nicht, weil er sich am Anfang so sehr zurückgehalten hatte, nein, sondern einfach, weil er die Fähigkeit besaß und perfektioniert hatte seinen Gegner zu lesen.

So wie er es mit Jiroushin tat.

Mittlerweile war der Kampf auf einem Level angekommen, das Dulacres Behauptung bestätigte. Lorenor konnte es mit dem Vizeadmiral aufnehmen.

Nicht von Anfang an, nicht in jedem Bereich, aber je länger der Kampf andauerte, desto stärker wurde Lorenor. Wenn sein Gegner den Fehler machte ihm Zeit zu geben, entweder weil man ihn nicht ernst nahm oder um mit ihm zu spielen, dann würde Lorenor das für sich nutzen, genau wie er es jetzt bei Jiroushin tat.

Am Anfang war Jiroushin der klare Gewinner gewesen, doch Lorenor holte auf und er war verdammt schnell darin.

Wie Dulacre das alles nervte!

Dieses verdammte, unnatürliche, unfaire Talent!

Als die Sonne den Horizont streifte merkte er einen schnellen Seitenblick seines besten Freundes.

Das überraschte ihn.

Zum einen bedeutete es, dass Lorenors Hakiabsorbtion so subtil verlaufen war, dass der Schwertmeister der Marine noch nicht einmal bemerkt hatte wie der Jüngling sich an seinen Reserven bedient hatte.

Zum anderen war es höchst ungewöhnlich für Jiroushin seine Aufmerksamkeit nicht vollständig auf den Kampf vor sich zu lenken.

Doch dann schmunzelte Dulacre. Der Blick des Blondschopfes hatte ihm ganz deutlich zu verstehen gegeben, dass der andere ihn an die Wette erinnern wollte, dass seine Zeit ablief und der Soldat noch immer nicht von Lorenor überzeugt war.

Aber dass Jiroushin sich die Zeit genommen hatte, um ihn überhaupt anzusehen bedeutete eigentlich schon komplett das Gegenteil, Jiroushin brauchte nicht mehr an Informationen, um sein Urteil zu fällen, auch wenn es ihm selbst vielleicht noch nicht bewusst war.

Dieser Blick gerade bedeutete in Wahrheit, dass der Mann der Marine aufhören wollte, bevor Lorenor ihn überzeugen konnte, denn so langsam kippte die Waagschale.

Dieser kleine Seitenblick bedeutete, dass Dulacre seine Wette gewonnen hatte, obwohl Jiroushin dachte, dass er der Sieger sein würde.

Und sie waren noch nicht fertig.

Er konnte es Lorenor ansehen, die Anstrengung, die über sein Gesicht glitt und das obwohl sein Körper immer noch so leichtfüßig war wie zu Beginn.

Seitdem sein Wildfang mit zwei Stäben kämpfte zeigte sich deutlich, dass er sich sicherer fühlte, dass er mehr in seinem Element war. Aber zwei Rohre bedeuteten auch doppelt so schnellen Hakiverbrauch und das schien der Jüngere nicht einberechnet zu haben.

Lange würde dieser Kampf nicht mehr andauern und eine erwartungsvolle Spannung erfüllte Dulacre. Dieses Mal würde er ganz genau hinsehen, wollte ganz genau sehen was passierte.

Seine Schulter kribbelte leicht, er wollte das Monster sehen, Lorenors wahres Ich.

Plötzlich wurde es deutlich dunkler, die Sonne war wohl soeben untergegangen und Jiroushin nahm das wohl als Zeichen, den Kampf zu beenden.

„Es reicht!“, brüllte er in einem direkten Angriff.

Bambus brach und Lorenor rutschte auf allen Vieren über den Boden.

Die Luft war voller Elektrizität, wie bei einem Gewitter.

Sich dessen augenscheinlich nicht bewusst sah Jiroushin zu Dulacre herüber.

„Es tut mir leid, Hawky. Es ist vorbei, dein Schützling konnte mich...“

„Shh...“

Dulacre hob eine Hand und unterbrach seinen Freund während er ein paar Schritte auf ihn zumachte.

Sein Blick war auf Lorenor geheftet, der immer noch auf dem Boden hockte, die Hände wie Krallen in die Erde gebohrt.

Da war er wieder, der Dämon des East Blues war erwacht.

„Hawky, was soll…?“

Langsam erhob Lorenor sich, den Kopf halb zur Seite gekippt, ein beinahe wahnsinniges Grinsen auf den schmalen Lippen, die dreckigen Finger schlossen und öffneten sich wie von vor Anspannung verzerrte Klauen und immer noch waren es diese Augen die Dulacre mehr faszinierten als alles andere.

Ein leises, kehliges Lachen hallte durch die aufkeimende Dunkelheit und der Samurai spürte die eigene Blutgier aufsteigen. Er wollte kämpfen.

„Was zur…?“

„Darf ich vorstellen, Jiroushin? Der Dämon des East Blue: Lorenor Zorro.“

Es war genau wie beim letzten Mal, doch jetzt wusste Dulacre es mit Sicherheit. Nun verstand er zumindest den Auslöser dieses Monsters.

Lorenors eigene Reserven waren noch nicht erschöpft gewesen, sein Haki war noch gar nicht auf ein lebensbedrohliches Level hinabgesunken. Aber das stimmte nur auf den ersten Blick. Tatsächlich waren Lorenors Speicher noch gut gefüllt, aber nicht mit seinem eigenen Haki – das konnte Dulacre wenn überhaupt nur noch schemenhaft wahrnehmen – sondern mit dem Haki, welches Lorenor Jiroushin abgesaugt hatte.

Aber das Problem war, dass dieses fremde Haki die Reste von Lorenors eigenem komplett überlagert hatte.

Deswegen verbrauchte das Monster so viel Haki. Es verhinderte, dass das fremde Haki das eigene zerstören würde.

Zumindest war das Dulacres Vermutung.

Viel mehr als Vermutungen aufgrund seiner Beobachtungen aufstellen konnte Dulacre so oder so nicht machen und er war sich auch schon fast sicher warum.

Wenn zwei verschiedene Rüstungshaki sich überlappten würde das stärkere immer das schwächere zerstören. Das mächtigere Königshaki durchbrach das unterlegene.

Er konnte sich gut vorstellen, dass zu viel fremdes Haki für Lorenor tödlich sein könnte, wenn sein eigenes so gefährlich niedrig wurde.

Doch dann kam ihm eine neue Idee, etwas, die erklären würde warum Lorenor so lange zum Regenerieren brauchte. Vielleicht zerstörte ein so drastisches Missverhältnis zwischen eigenem und fremden Haki Lorenors Fähigkeit neues Haki zu produzieren, zumindest zeitweise.

„Interessant...“

„Hawky, was geht hier vor sich?“

Noch immer starrte Lorenor beinahe durch sie hindurch während sein kratziges, hallendes Lachen durch die aufsteigende Dunkelheit waberte.

Dulacres Blut pulsierte, erinnerte sich an das letzte Mal als der andere in dieser Gestalt gewesen war.

„Siehst du es, Jirou?“, flüsterte er beinahe ehrfürchtig. „Der Beginn eines neuen Zeitalters!“

 

Kapitel 37 - Verständnis

Kapitel 37 - Verständnis

 

-Mihawk-

„Ich verstehe immer noch nicht was da passiert ist.“

„Wie oft soll ich es dir noch erklären, Jirou? Muss ich es dir etwa aufschreiben?“

„Könntest du aufhören dich über mich lustig zu machen? Heute Morgen wollte ich einfach nur dich und Loreen besuchen und nun wurde ich von einem tollwütigen totgeglaubten Lorenor Zorro angegriffen!“

„Wir haben ja ganz hervorragende Laune.“

Mit der gleichen missmutigen Miene schritten sie nebeneinander her, Richtung Schloss.  Dulacre hatte sich den bewusstlosen Jungspund über die Schulter geworfen.

Erst vor wenigen Minuten hatte Lorenor seinem Wahnsinn nachgegeben und dann versucht Jiroushin anzugreifen.

Der Samurai war eingeschritten. Dieses Mal war es ihm noch deutlicher aufgefallen als beim ersten Mal. Die Schnelligkeit, die rohe Kraft und die unberechenbaren Bewegungen. Lorenor war nicht der erste Berserker, dem er begegnete; im Gegenteil, Lorenor war ein absolutes Musterbeispiel. Der Verstand schaltete aus und wurde von simpelsten Instinkten überlagert. Ein primitives Verlangen nach Schmerz und Blut verdrängte alles andere.

Diesbezüglich unterschied sich Lorenors Manie wenig von anderen, einzig der Auslöser war anders und Dulacre zerbrach sich bereits den Kopf darüber, wie er Lorenor bezüglich dieses Monsters helfen konnte.

„Das war ziemlich unfair von dir“, murrte Jiroushin als sie dem Schloss immer näherkamen. „Hakiabsorbtion, ich hätte nicht gedacht, dass das überhaupt möglich ist.“

„Du warst schon immer ein schlechter Verlierer, mein lieber Freund. Gib doch zu, dass Lorenor dich bereits vorher überzeugt hatte. Sein Talent ist einzig, so etwas hast selbst du noch nicht vorhergesehen.“

Der andere zuckte nur wortlos mit den Schultern.

„Wie bitte? Du stimmst mir nicht zu?“

Sie hatten das Schloss erreicht und Jiroushin öffnete ihm die Türe.

„Ich glaube du trägst eine rosarote Brille“, urteilte er milde und brachte sich direkt ein ärgerliches Zungenschnalzen des Samurais ein.

„Tze, du wirfst mir vor nicht objektiv zu sein?“

Nun schnaubte sein Freund leicht lachend auf und folgte ihm durchs Schloss, ohne jedoch etwas zu entgegnen.

Doch seine Schweigsamkeit war Antwort genug und Dulacre ärgerte sich darüber.

„Sag bloß du hast nicht bemerkt, dass er im Laufe eures Kampfes immer besser geworden ist, Jirou? Wenn ich nicht eingeschritten wäre und ihm verboten hätte weiter dein Haki zu absorbieren, hätte er dich mittlerweile besiegt.“

Er hatte das Zimmer seines Jungspunds erreicht und trat die Tür einfach auf.

„Glaubst du das wirklich?“, fragte der Blondschopf hinter ihm. „Glaubst du wirklich, dass dieser Mistkerl eines Piraten mir schon ebenbürtig ist.“

Vorsichtig ließ Dulacre seinen Wildfang in die weichen Laken sinken.

„Du nicht?“, entgegnete er, ohne aufzusehen.

Wieder schwieg der andere und gesellte sich zu Dulacre ans Bett während er Lorenors Stiefel auszog, bald würde sein Wildfang sich wohl verwandeln.

„Er ist gut“, lenkte der Vizeadmiral schließlich ein. „Wenn ich bedenke, dass du ihn erst ein halbes Jahr trainierst und er bis dahin noch nicht mal wusste was Hak ist, bin ich wirklich beeindruckt. Er wird dich zweifelsohne in ein paar Jahren übertreffen.“

„Warum also klingst du so unzufrieden?“

Der erste Stiefel fiel ab. Diese Aufgabe war trotz vielfacher Anwendung immer noch nicht einfacher für ihn geworden.

„Weil ich es nicht verstehe“, murrte der andere hinter ihm. „Du hast gesehen wie er eben war; das war gefährlich. Ich sehe zwar nicht ein, dass Lorenor Zorro schon bereit ist mich zu schlagen, aber dieses Monster da gerade, das könnte sogar dir gefährlich werden.“

Dulacre nickte als der zweite Schuh abkam.

„Ich weiß“, bestätigte er und zog sein Hemd leicht zur Seite, offenbarte die feinen Linien, die so gut wie verblasst waren.

Schwere Schritte ertönten hinter ihm und Dulacre wehrte sich nicht als der andere von hinten seinen Hemdkragen griff und grob zur Seite zog.

„Pass bitte auf“, murrte Dulacre kühl, „du reißt es noch kaputt.“

„Das war er?“, fragte Jiroushin fassungslos, ohne eine Antwort zu erwarten. „Er hat es tatsächlich geschafft dich zu verletzen?“

„Natürlich nicht. Solange Lorenor solche Fähigkeiten nur abrufen kann, wenn er den Verstand verliert, ist es keine Verletzung, sondern nur ein Missgeschick.“

„Tze, Ausrede.“ Der andere ließ ihn los. „Aber genau das meine ich. Wieso trainierst du ihn? Warum in Gottes Namen hilfst du einem aus der untersten Kategorie Verbrecher dabei noch stärker zu werden, wenn er schon so zu einem unberechenbaren Monster werden kann, welches sogar dir gefährlich ist?“

„Er ist mir nicht gefährlich. Es war ein unglücklicher Zwischenfall, das ist auch schon alles.“

Nun stöhnte der andere auf.

„Aber das beantwortet meine Frage nicht. Warum bist du so scharf darauf in dieser Welt voller Gefahren auch noch eine weitere selbst heranzuzüchten?“

Langsam drehte Dulacre sich zu Jiroushin herum.

„Du denkst viel zu kurzsichtig, Jirou. Hast du dir das von deinen Vorgesetzten abgeguckt?“ Dulacre redete direkt weiter als der andere widersprechen wollte: „Du hast Recht, diese Manie ist eine Gefahr für Lorenors Umfeld – mich nicht einbezogen, natürlich – aber selbst, wenn ich ihn nicht trainieren würde, Lorenor will mich besiegen und daher wird er stärker werden. Also frage ich dich was ist dir lieber? Ein unbesiegbarer Feind, der aber über Vernunft und Barmherzigkeit verfügt oder ein unberechenbares Monster, welches nicht Freund von Feind unterscheiden kann?“

„Deswegen trainierst du ihn?“, meinte der Soldat dann schließlich nachdenklich. „Damit er lernt die Kontrolle über dieses Ding zu erhalten?“

Dulacre warf eine Decke über seinen Wildfang. „Es geht um viel mehr als nur Kontrolle.“

„Und das ist der Grund, warum du ihn damals verschont hast?“

„Nein, von Lorenors speziellen Fähigkeiten habe ich erst vor ein paar Monaten erfahren. Mir war schon vorher bewusst, dass ich ihn trainieren will und es schockiert mich, dass du sein Talent nicht wahrnimmst.“

Jiroushin schwieg für einen Moment.

„Es ist nicht so, dass ich sein Talent nicht sehe, Dulacre“, meinte er dann ernst, „aber es haut mich einfach nicht so vom Hocker wie dich. In meinen Augen ist er nicht unbedingt so übermenschlich begabt wie du ihn darstellst.“

„Was? Was redest du denn da, Jiroushin? Haben die Tage in der Kadettenakademie dich um den Verstand gebracht? Hast du nicht gesehen wie er sich über die letzten Stunden entwickelt hat? Am Anfang eures Kampfes hättest du ihn ausradieren können und eben war er dir bereits ebenbürtig.“

„Doch, Hawky, natürlich habe ich seine Leistung gesehen, aber glaub mir, das hat nicht unbedingt etwas mit Talent zu tun.“

Nun wurde Dulacre doch langsam wütend. Immer und immer wieder hatte Lorenor seine Erwartungen Lügen gestraft, war über sich selbst hinausgewachsen und hatte Dulacre sein ekelhaftes Talent beinahe unter die Nase gerieben und nun wollte sein Kindheitsfreund ihm weismachen, dass er doch gar nicht so talentiert war?

„Oh, das regt dich wirklich auf, o…?“

„Natürlich!“

Er warf den Schuh seines Wildfangs zu Boden.

„Wie kommst du dazu Lorenors Talent so kleinzureden? Meinetwegen ist er der schlimmste Bösewicht deiner Geschichte und meinetwegen hasst du ihn aus der Tiefe deiner Seele aber selbst du kannst nicht abstreiten, dass er herausragend ist! Und ich rede nicht von dieser seltsamen Begabung. Hast du ihn je wirklich kämpfen sehen, in einem richtigen Kampf meine ich? Seine Fähigkeiten mit dem Schwerte sind beeindruckend und du hast ihn noch nicht mit drei...“

Er unterbrach sich als Jiroushin sich neben ihm vor Lachen krümmte.

„Du findest das lustig?“

Den Lachtränen nahe nickte der Vizeadmiral und versuchte sich vergebens zu beruhigen. Dulacre spürte wie Zorn in ihm aufstieg, Zorn, den er selten so fühlte. Er mochte es nicht, wenn man sich über ihn lustig machte, ihn nicht ernst nahm. Gerade bei Jiroushin nicht, nicht nach dem gestrigen Tag. Nicht nachdem sich erst Nataku und dann auch noch Lorenor über ihn lustig gemacht hatten.

Plötzlich hörte Jiroushin auf zu lachen.

„Du nimmst das ganze ja wirklich ernst“, murmelte er während der Samurai sich darauf konzentrierte seine eigenen Gefühle im Zaum zu halten.

Beide atmeten sie tief durch.

„Also um das klar zu stellen“, murrte Jiroushin dann und der Witz von vorher war verschwunden, „ich streite nicht ab, dass er gut ist. Ich streite noch nicht einmal ab, dass er talentiert ist, aber ich habe dich gesehen als du ausgebildet wurdest, ich habe Sharak gesehen, Nataku, Shanks und noch so viele mehr. Es ist nicht sein Talent, das ihn von der Masse abhebt.“

Langsam legte sich sein Zorn wieder als Dulacre sah, dass sein Kindheitsfreund nun ernsthafter mit seinen Gedanken umging, wobei er es vehement ablehnte den roten Shanks als talentiert zu bezeichnen.

„Ich glaube tatsächlich nicht, dass sein Talent so überragend ist. Der Grund warum dieser Pirat so gut ist, ist schlicht und einfach sein kompromissloser Ehrgeiz.“

„Wovon redest du…?“

„Ich liege richtig, Dulacre und das weißt du. Er ist nicht talentierter als du, nicht mal unbedingt talentierter als ich. Sein Oberservationshaki ist für ein halbes Jahr Training zwar wirklich gut aber nicht herausragend, von übernatürlichem Talent kann da keine Rede sein. Nein, der Grund warum du dich so über ihn aufregst und gleichzeitig so fasziniert von ihm bist ist einzig und allein sein Ehrgeiz und dieses unbändige Verlangen besser zu werden.“

Nun sah Jiroushin ihn ungewohnt ernst an und verschränkte die Arme.

„Lorenor Zorro ist kein Wunderknabe und doch ist wohl die Fähigkeit alles andere zu überdauern nur um sein Ziel zu erreichen wohl sein größtes Talent. Und je mehr Zeit du mit ihm verbringst, je länger du ihm beim Training zusiehst und beim Kämpfen, desto mehr fragst du dich, wie gut du wohl heute sein könntest, wenn du damals so wie er gewesen wärest. Wenn du damals einen Rivalen wie ihn gehabt hättest, der dich dazu zwingt immer über dich hinauszuwachsen, immer diesen einen Schritt mehr zu gehen.“

Dulacre schwieg.

„Du hast mir mal gesagt, dass ich mehr Talent im Observationshaki besäße als du, da ich es schneller erlernt hätte. Das ist Schwachsinn. Ich war nie so begabt wie du oder deine Schwester, aber ich wollte euch beeindrucken; ich musste doch die Jahre die du mir voraus warst aufholen und wollte bei deinem Training dir keine Last am Bein sein. Deswegen habe ich Tag und Nacht trainiert. Im Unterricht, Privatunterricht, selbst beim Abendessen. Ich habe die Grundlagen nicht schneller als du erlernt, weil es mir leicht viel, sondern einfach nur weil ich nichts anderes damals getan habe bis ich es konnte.“

Verwundert betrachtete er seinen Kindheitsfreund.  Tatsächlich hatte Dulacre zusammen mit seiner Schwester damals Jiroushin unter seine Fittiche genommen, nachdem sie angefangen hatten sich anzufreunden, und ja, bis zum heutigen Tage war er überzeugt gewesen, dass er einfach nur das Talent in seinem Freund erkannt hatte.

„Du bist ein Mensch dem vieles zufliegt, Hawky. Du musstest nie wirklich für irgendetwas lernen. In der Schule warst du Klassenbester obwohl du die meiste Zeit gepennt hast, im Privatunterricht hast du die Bücher einmal gelesen und konntest dann den Lehrern was erklären. Selbst im Kampftraining musste man dir nur einmal etwas zeigen und du konntest es sofort nachahmen. Du hast dich nie für irgendetwas anstrengen müssen, ganz anders als der Rest der Welt. Dein Vater war meist sehr unzufrieden mit dir, weil du dich nie bemüht hast und trotzdem zu den Besten gehörtest. Aber dir war alles immer zur mühselig, zu anstrengend, alles was keine schnellen Ergebnisse brachte war eine Zeitverschwendung für dich.“

„Worauf willst du hinaus, Jirou? Ich bin nicht in der Stimmung mich von dir belehren zu lassen.“

Jiroushin neigte den Kopf leicht zur Seite.

„Nur sehr selten hast du dich wirklich für etwas interessiert, nur sehr selten war dir etwas der Mühe wert. Die wenigsten Kämpfe konnten dir auch nur ein Lächeln abringen. Seit Shanks weiß ich gar nicht...“

„Jiourshin!“ Hart schnalzte er mit der Zunge. Dieses Gespräch missfiel ihm sehr. Am vergangenen Tag hatte er sich gar nicht so unähnliche Worte von Nataku anhören müssen und nun meinte Jiroushin ihm das gleiche vorkauen zu müssen? Als wüsste er nicht selbst wer er war und wie er sich benahm.

„Du liebst die Kunst des Schwertes. Ich habe nie jemanden getroffen, der den Schwertkampf so ehrt, bewundert, genießt und verfolgt wie du. Es ist mehr als eine Passion oder eine Leidenschaft, dein ganzes Leben wird durch deine Liebe zu deinen Schwertern und ihrer Kunst bestimmt und anscheinend ist ausgerechnet dieser Mistkerl Lorenor Zorro dir da sehr ähnlich.“

In langsamen Schritten ging der Vizeadmiral um das große Bett herum, die Augen auf den schlafenden Piraten gerichtet.

„Gleichzeitig jedoch ist er so anders als du. Du genießt den Schwertkampf, aber eigentlich lässt du dich nur dazu herab, du mit all deinen Talenten hast dich für das eine entschieden, welches dich am wenigsten Zeit verschwenden lässt. Er jedoch, er nimmt alles in Kauf um dennoch ein Schwertkämpfer zu werden. Er steht seinem Gegner aber auch sich selbst kompromisslos gegenüber wenn es darum geht der Beste zu werden und ich glaube, dass du das kaum begreifen kannst; kaum nachvollziehen kannst, wie jemand bereit ist alles zu geben, selbst wenn es nichts bringen könnte, nur um seinen Traum zu verfolgen.“

Nachdenklich betrachtete Dulacre nun auch seinen Wildfang. Es überraschte ihn, wie viele Gedanken sein Kindheitsfreund an Lorenor bereits verschwendet hatte.

„Da hast du vollkommen Recht“, gestand er ruhig ein, ehe er sich abwandte. „Es macht mich so wütend, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Ich hatte die besten Lehrmeister, das nötige Talent und alle Freiheiten, die man gebrauchen kann. Er auf der anderen Seite, mit einem Zweitklassigen Lehrmeister, zweitklassigen Talent und Kind aus der Arbeiterklasse, er hat das eine was mir immer gefehlt hat, verbissener Ehrgeiz.“

Er bückte sich nach dem zu Boden geworfenen Stiefel und klaubte auch den anderen vom Boden, räumte sie weg.

„Allerdings irrst du dich, wenn du denkst, dass ich damit hadere. Das Vergangene ist vergangen und auch wenn ich damals vielleicht mein Potential nicht voll ausgeschöpft habe, so bin ich doch der Beste und das Zurecht und was Lorenor betrifft, unter meiner Führung wird er bald schon die verpassten Möglichkeiten aufgeholt haben und dann noch weit über sich hinauswachsen.“

Er schwieg einen Moment.

„Nein, was mich wütend macht ist, dass weder er noch ich diese Perfektion sind, nach der ich suche. Ich bin nahe dran und Lorenor wird noch besser sein, aber dennoch, dennoch können wir das fehlende Etwas aus unserer Jugend nicht ausmerzen, egal wie viele Jahre vergehen werden, nicht bei ihm und nicht bei mir.“

Leise lachte Jiroushin auf.

„Was redest du denn da? Diese Perfektion, von der du da sprichst, die gibt es nicht. Menschengeschaffenes kann nicht perfekt sein und es gibt keine Perfektion in der Schwertkunst, deswegen heißt es Kunst, weil sie unendlich, unvollständig ist und immer sein wird.“

Dulacre entgegnete nichts.

„Aber du hast Recht, ich kenne niemanden der näher an dieser unerreichbaren Perfektion dran ist als du und wer weiß, vielleicht wird dieser Bengel dich tatsächlich übertreffen.“

„Du verstehst es nicht, Jiroushin. Du verstehst mich nicht.“

Der andere lächelte sanft.

„Nein, das tue ich nicht. Niemand versteht dich diesbezüglich.“

Wieder entschied sich der Samurai darauf nicht zu antworten.

„Diesen Schüler, den deine Schwester gesucht hat, den du gesucht hast, den gibt es nicht, Dulacre, das weißt du. Niemand könnte diesen Ansprüchen gerecht werden, denen du noch nicht einmal Folge leisten konntest. Ich halte nicht viel von diesem Piraten hier, aber selbst ihm gegenüber ist es nicht fair was du da sagst. Er ist nicht das Talent, welches du in ihm sehen möchtest, aber dennoch sehe ich das Potential in ihm dich zu übertreffen, das gestehe ich ein.“

Mit einem leichten Kopfschütteln verschränkte Dulacre die Arme und seufzte leise.

Sie sprachen aneinander vorbei, wie so oft, wenn er versuchte dem anderen zu erklären was er wirklich dachte, wenn es um die Schwertkunst ging. Jiroushin hatte Recht, noch nie hatte jemand seine Ansichten, sein tiefes Verlangen nach Perfektion und nach diesem… diesem Mehr verstanden.

„Hast du ihn deshalb als Schüler akzeptiert? Weil du dachtest er wäre derjenige welche?“

Erneut schüttelte Dulacre den Kopf.

„Ich habe es dir doch gerade bereits gesagt, Jirou. Er ist es nicht und ich habe es nie von ihm erwartet, er muss nicht perfekt sein, um mich zu übertreffen, schließlich bin ich es auch nicht. Lorenor wird der beste Schwertkämpfer der Welt, da bin ich mir ganz sicher.“

Seufzend ließ Dulacre sich auf seinen Stuhl neben dem Bett nieder und griff nach dem Büchlein auf Lorenors Nachttisch; es war der dritte Band, den Lorenor derzeit übersetzte.

„Warum dann, Hawky? Ich begreife einfach nicht warum du ihn damals verschont hast. Du warst so beeindruckt von ihm. Ich weiß noch genau wie du mich vor einem Jahr angerufen und von ihm erzählt hast. Er ist gut, keine Frage, aber selbst als Loreen, nein selbst damals schon hat er deinen Kampfgeist erweckt, hat dieses Feuer bei dir entfacht, welches selbst Shanks nur mühselig am Brennen halten konnte. Ich verstehe einfach nicht… Oh.“

Während seiner Monologe war der Vizeadmiral im kargen Raum auf- und abgewandert, hatte dem Samurai immer wieder mal einen Blick zugeworfen aber die meiste Zeit mit verschränkten Armen zu sich selbst gesprochen. Nun war er endlich zu einem Ergebnis gekommen und sah zu Dulacre hinüber, der versuchte die unbekannten Runen vor sich zu entziffern.

„So ist das also, er versteht es? Er versteht dich?“

Ohne aufzuschauen nickte Dulacre langsam. So unterschiedlich oder ähnlich sie einander auch sein mochten, das alles war nicht von Bedeutung. Selten führte er solche Gespräche mit Lorenor, aber es war auch nicht notwendig; selbst, wenn er die Worte nicht finden konnte, um zu beschreiben wonach es ihm sehnte so wusste er, dass Lorenor es verstand, es genauso verfolgte und suchte.

Lorenor mochte noch so schlicht gestrickt sein und hatte eine naive Weltansicht, doch in der Schwertkunst war er der erste der verstand, der selbst ohne Worte verstand was Dulacre fühlte, wenn er ein Schwert hielt. Manchmal hatte er sogar das Gefühl, dass Lorenor diese Dinge noch viel einfacher begriff als er selbst und oh wie ihn das aufregen konnte.

„Weißt du“, murmelte er und sah über die runenbedeckten Seiten hinweg auf den schlafenden Piraten, „du hast Recht. Damals als er mir gegenüberstand im East Blue kam er mir nicht furchtbar talentiert vor; er konnte noch nicht einmal seine Schwerter davor bewahren zu zerbrechen. Mit fast zwanzig Jahren konnte er noch kein Haki anwenden. Nein, sein Gehabe hat mich gleichermaßen erheitert als auch beeindruckt. Seine Technik belustigt und verwundert. Aber du hast Recht, ich habe schon bedeutend stärkeren Gegnern gegenübergestanden, und trotzdem war der Kampf meist langweilig und meiner Zeit nicht würdig.“

„Und doch hat dieser Junge aus dem East Blue dein Blut in Wallung gebracht.“

Ein leises Grinsen schlich über seine Züge.

„Ja.“

Nun seufzte Jiroushin leise.

„Du bist unverbesserlich und so egoistisch. Du trainierst ihn nur damit du endlich einen würdigen Gegner hast, nicht wahr?“

„Natürlich. Warum sonst sollte ich es auch tun?“

Der andere schnaubte auf und ließ sich auf der Bettkante nieder.

„Ich will mit ihm kämpfen, Jiroushin, ich will mit ihm kämpfen ohne Rücksicht auf Verluste, bis die Insel unter uns zerbricht und ich meinen Körper vor Schmerzen nicht mehr bewegen kann. Ich will mit ihm kämpfen, immer und immer wieder. Ich will endlich wieder richtig kämpfen, Jiroushin.“

Der Blondschopf betrachtete ihn kopfschüttelnd.

„Du bist unmöglich. Seit wir damals auf Shanks trafen habe ich dich nicht mehr so wild reden hören. Ich wusste gar nicht, dass du dieses kindliche Verlangen immer noch in dir trägst.“

Dulacre entgegnete nichts. Wie sollte er jemandem der eine blutige Auseinandersetzung in jedem Fall verhindern wollte erklären, dass diese Gier ihn nie verließ. Oft war sie ruhig, waberte nur unter der Oberfläche, aber sie war nie fort.

Das war der Preis, wenn man der Beste war, es gab niemanden mehr gegen den man sich voll entfalten konnte ohne die Gefahr eingehen zu müssen denjenigen zu töten und obwohl es Dulacre meist gleichgültig war, ob sein Feind überlebte, so lag der letzte Kampf indem er wirklich an seine Grenzen gekommen war schon viele Jahre zurück.

Das war seine große Hoffnung. Das Lorenor zu einem solchen Gegner heranwachsen würde und er endlich jemanden hatte, bei dem er sich nicht mehr zurücknehmen musste. Ja, das war sein Traum, sein wahrer, egoistischer, selbstzerstörerischer Traum.

Sein Blick lag immer noch auf dem bewusstlosen Jungspund. Er wusste gar nicht wann genau er begonnen hatte all seine Hoffnung in dieses Balg zu setzen, aber er wusste, dass es schon weit länger zurücklag als nur sechs Monate.

Dann bemerkte er wie die klugen Augen seines Kindheitsfreundes ihn beobachteten und schaute auf. Schmunzelnd legte Jiroushin eine Hand an sein Kinn.

„Er ist dir wirklich wichtig, nicht wahr?“

Herablassend lehnte er sich zurück.

„Tze, was für eine unnötige Frage.“

Kopfschüttelnd erhob der andere sich.

„So meinte ich das nicht. Ich meinte… du magst ihn, oder?“

Kopfschüttelnd legte Dulacre das Buch weg und verschränkte die Arme.

„Geh dich duschen, Jiroushin, du riechst nach Schweiß und Dreck.“

Lachend nickte der andere, blieb jedoch stehen und sah mit vor Schreck aufgerissenen Augen aufs Bett. Dulacre folgte seinem Blick.

„Immer wieder faszinierend, nicht wahr?“

Wie erwartet beeinflusste Lorenors Wahnsinn seinen Körper. Erst am Morgen hatte er als Loreen seine morgendlichen Runden absolviert, trotzdem verwandelte er sich gerade.

Dulacre wusste, dass körperliche Erschöpfung die Rückverwandlung beschleunigte, ebenso wenn Lorenors Hakireserven deutlich ausgeschöpft waren. Bedeutete das, dass selbst wenn Lorenor sein inneres Monster kontrollieren lernen würde, er sich über kurz oder lang auf jeden Fall danach in Loreen verwandeln würde?

Wenn ja, war das nur ein Grund mehr, dass er als Loreen deutlich stärker werden musste.

„Wie ist das überhaupt möglich?“, murmelte Jiroushin fassungslos und trat einen Schritt näher ans Bett.

„Ihr habt also die Wahrheit gesagt. Lorenor Zorro und Lady Loreen sind ein und dieselbe Person.“

„Was? Hast du wirklich noch daran gezweifelt? Bitte, wenn ich eine Ausrede gebraucht hätte, hätte ich mir etwas Plausibleres einfallen lassen.“

Der andere nickte abwesend.

„Aber ich verstehe immer noch nicht, wie es möglich ist.“

Dulacre zuckte mit den Achseln.

„Frag mich nicht. Das wenige, was Lorenor selbst über diesen seltsamen Zustand weiß, teilt er nur äußerst ungerne mit mir.“

„Konnte er das denn schon immer? Ist ja Wahnsinn, ein richtiger Gestaltwandler.“

„Nein, erst seit Senichi und erst seit dem Krieg kann er seine richtige Gestalt wieder annehmen. Es ist ziemlich nervig.“

„Ach so, das erklärt einiges“, murmelte der andere und hob die Bettdecke hoch.

„Was machst du da, Jirou? Wenn das deine Frau wüsste...“

„Halt die Klappe, Hawky. Ich wollte nur etwas überprüfen.“

„Und das wäre?“

Er beobachtete wie der andere das linke Handgelenk des verzauberten Piraten vorsichtig hochhob. Es überraschte ihn nicht, dass Jiroushin im Laufe des Kampfes bemerkt hatte, dass Lorenor es geschont hatte. Er war ein äußerst aufmerksamer Beobachter und hatte mit Sicherheit sofort überlegt aus welchem Grund Lorenor gleich zu Beginn des Kampfes den Bambus aus der linken in die rechte Hand gewechselt hatte.

„Seine Verletzungen bleiben also auch wenn er zu Loreen wird.“

„Natürlich. Ist ja nicht so, als ob sie einfach verschwinden würden. Im Gegenteil, was ihm als Lorenor Zorro kaum Probleme bereitet kann ihn in dieser Gestalt leicht behindern. Allerdings verheilen die Wunden in beiden Gestalten tatsächlich unterschiedlich.“

„Hawky?“

„Hmm?“

Sie sahen einander an.

„Er sagte heute Morgen doch du hättest ihn durch den Raum geworfen. Das ist äußerst untypisch für dich.“

Mit einem halben Grinsen sah er weg. Wie sollte er Jiroushin nur erklären, dass jenes Verhalten leider Gottes gar nicht so untypisch für ihn war, sobald es Lorenor betraf? Doch als er an den Grund dieser Auseinandersetzung dachte, verging ihm das Grinsen.

„Nataku war zuvor zu Besuch. Es war kein angenehmes Treffen, wie du dir denken kannst. Unglücklicherweise war Lorenor zur falschen Zeit am falschen Ort.“

„Ach, er war also wirklich schneller als ich.“

„Wohl wahr. Du wusstest also von meinem Vater?“

„Ja, du weißt doch Marineklatsch verbreitet sich schnell.“

Synchron seufzten sie.

„Nataku sagt er läge im Sterben.“

„Oh, also soweit ich weiß liegt er auf der Krankenstation und musste wohl auch operiert werden, so schlimm soll es jedoch wohl noch nicht sein. Aber wir wissen beide ja, dass Nataku schon mal gerne eine dramatische Wortwahl hat.“

Vorsichtig deckte der Vizeadmiral den verzauberten Piraten wieder zu.

„Wirst du ihn besuchen fahren?“, fragte der Blondschopf ihn dann.

„Ich habe wichtigeres zu tun als durch die Weltgeschichte zu reisen um meinen Vater in einen Krankenbett zu sehen, Lorenor trainieren zum Beispiel.“

Der andere zuckte nur mit den Achseln.

„Du siehst das anders?“

„Ach ich weiß nicht, ich will dir nichts vorschreiben, es ist deine Entscheidung und Gat und du habt wahrlich kein einfaches Verhältnis.“ Erneut zuckte Jiroushin mit den Achseln. „Ich an deiner Stelle würde wohl fahren.“

„Du auch?“

Der andere legte den Kopf schief.

„Ich auch?“

„Lorenor hat mir gestern in etwa das gleiche geraten“, meinte er mit einem Seufzen und rieb sich durchs Gesicht.

„Nun ja, wenn er und ich übereinstimmen scheint ja etwas Wahres dran zu sein. Ist es okay, wenn ich wieder das Zimmer am unteren Ende des Flures nehme? Das hat eine Badewanne.“

Der andere schritt bereits los.

„Jaja mach nur, aber Jirou kann ich dich um etwas bitten?“

Mit großen Augen drehte der andere sich zu ihm um.

„Ich werde dich nicht darum bitten Lorenor für seine Taten zu vergeben, natürlich nicht. Denn ich weiß nicht ob das überhaupt möglich ist.“

Nun hob der Vizeadmiral eine Augenbraue hoch und sah ihn ernst an.

„Aber versuch bitte für ein paar Tage darüber hinwegzusehen und Lorenor kennen zu lernen, für mich. Ich glaube, dass du ihn mögen konntest, schließlich mochtest du auch Loreen.“

Seufzend rieb Jiroushin seinen Nacken.

„Es tut mir leid, Hawky. Das ist nicht möglich. Ich werde mein Wort dir gegenüber halten und dir helfen und ich bin bereit Hochverrat zu begehen und alles was ich auf dieser Insel erlebt habe für mich zu behalten. Aber versteh mich nicht falsch, Hawky. Ich tue das für dich und nur für dich. In dem Moment wo er dir den Rücken zukehrt oder irgendetwas passiert, in genau diesem Moment werde ich ihn höchstpersönlich zur Marinehauptquartier zerren und ihm seine gerechte Strafe zukommen lassen. Verstehst du mich?“

Der Blondschopf ging, ließ einen entnervten Samurai zurück.

„Ah, so ein verdammter Moralapostel.“

Kapitel 38 - Kontrolle

Kapitel 38 - Kontrolle

 

-Mihawk-

„Man, du bist ja immer noch hier. Hast du nicht vor irgendwann ins Bett zu gehen?“

Er sah von den losen Blättern in seinem Schoss auf als der Vizeadmiral hereinkam, nun nicht mehr in seiner Uniform, sondern offenbar in Klamotten, die er sich aus Dulacres Schrank geklaubt hatte. Seine nassen Locken wippten wild in alle Richtungen.

„Hast du etwa vor hier zu sitzen bis sie… ich meine er aufwacht? Meine Güte ist das verwirrend.“

„Du gewöhnst dich schon dran und ja, wie du weißt bin ich ein Gewohnheitsmensch und es ist mir zur Gewohnheit geworden zu warten bis Lorenor aufwacht.“

Dulacre konnte sehen wie der andere die Augen leicht zusammenkniff und ihn ernst ansah.

„Wann hast du dich nur so verändert? Und es ist mir noch nicht mal aufgefallen.“

Jiroushin zog sich einen Stuhl zu ihm herüber.

„Das stimmt nicht, dir ist es aufgefallen. Aber du hast es alles auf Lady Loreen geschoben und als du bemerktest, dass da etwas nicht stimmen konnte hast du den Kontakt zu mir stillgelegt.“

Etwas Zustimmendes in seinen nicht vorhandenen Bart grummelnd ließ der andere sich neben ihm auf seinen Stuhl fallen.

„Was liest du da? Notizen über euer Training?“

„Nicht wirklich.“

Mit einem Schmunzeln legte er die Blätter wieder in der richtigen Reihenfolge zusammen und verstaute sie im kleinen Nachttisch, bemüht es so aussehen zu lassen als wäre er nie dran gewesen. Lorenor mochte nicht, wenn er las ehe der andere fertig war.

„Du solltest dich etwas hinlegen, Jirou. Es war doch sicherlich ein anstrengender Tag für dich.“

„Später, vorher will ich, dass du mir all das erzählst, was du in den letzten Monaten verschwiegen hast.“

Ernst sahen sie einander an und er bemerkte, dass Jiroushin ihm diesmal standhielt; es war ihm wirklich ernst.

„Warum sollte ich das tun?“

Nun grinste der andere und ein schelmisches Funkeln erhellte seine Augen.

„Was willst du? Ich mache bei deiner Scharade mit, aber dafür will ich in alles eingeweiht werden. Wie soll ich dir bestmöglich helfen, wenn ich nicht weiß wo ihr dran seid. Was mache ich das nächste Mal, wenn er mir als Loreen gegenübersteht und Eizen um die Ecke kommt? Verdammt, weiß Eizen eigentlich etwas? Warum infiltriert dieser Pirat die Weltregierung? Dulacre was zur Hölle…?“

„Beruhige dich, Jiroushin. Glaube mir, Lorenor und ich könnten sehr gut ohne Eizen auskommen. Tatsächlich ist mir sein ständiges Einmischen ein Dorn im Auge.“

Aber er tat was der andere von ihm verlangte und begann zu erzählen und zwar ganz am Anfang, als er das ohnmächtige Mädchen im Wald von Sasaki gefunden hatte, welches sich Stunden später als Lorenor Zorro herausgestellt hatte.

Nur wenige Dinge ließ er aus oder wandelte er leicht ab. Jiroushin brauchte nicht jede Kleinigkeit zu wissen, nicht jedes delikate Detail oder jeden emotionale Moment.

Es überraschte ihn wie lange er brauchte, um die letzten paar Monate zusammenzufassen und als er endlich endete merkte er wie trocken sein Mund war. Genervt lehnte er sich zurück gegen seinen Stuhl. Das war alles so umständlich.

Jiroushin neben ihm hatte die Arme verschränkt und betrachtete schon seit längerem den schlafenden Piraten.

„Ich kann es immer noch nicht glauben. Du hast mich eiskalt ins Messer laufen lassen. Ich hab Loreen vertraut, wegen dir habe ich Lorenor Zorro vertraut! Ich hab ihn trainiert, mich mit ihm über Dinge unterhalten, die ihn überhaupt nichts angehen. Ich habe mit ihm auf dem Ball getanzt und… und euch meinen Segen gegeben.“

„Und jetzt weißt du warum ich so ablehnend reagiert habe.“ Dulacre entschied den Rest der Anklage zu ignorieren. „Von Lorenor will ich gar nicht erst anfangen. Er hat es gehasst, wenn Kanan seine weibliche Seite erziehen wollte. Er sagt er würde gar nicht einsehen warum für Frauen andere Standarte gelten sollen als für Männer. Es ist sehr amüsant ihm dabei zuzusehen, wenn er sich darüber ereifert.“

Der andere schwieg für einen Moment ehe er schließlich tief aufseufzte.

„Ach, das kotzt mich an.“

„Was genau, mein lieber Freund?“ Der Samurai lehnte sich mit verschränkten Armen zurück.

„Nun ja, wenn ich in Betracht ziehe womit ihr euch die letzten Monate noch so rumschlagen musstest, komm ich nicht umhin beeindruckt zu sein.“

„Gibst du es jetzt endlich zu?“

„Ich habe doch gar nichts abgestritten. Mensch du bist aber auch anstrengend.“

Synchron rieben sie sich durchs Gesicht und funkelten einander leicht genervt an.

„Was hast du jetzt eigentlich wegen deinem Vater vor? Wirst du hinreisen?“

Dulacre zuckte mit den Schultern.

„Eher nicht. Ich würde vermutlich etwas länger als zwei Wochen unterwegs sein, selbst mit meinem Schiff, und Lorenor solange unbeaufsichtigt trainieren zu lassen behagt mir überhaupt nicht. Die Alternative ihn mitzunehmen und Nataku sozusagen zum Fraß vorzuwerfen missfällt mir allerdings noch viel mehr. Nataku scheint ein ungesundes Interesse an ihm – also natürlich an Lady Loreen – zu haben.“

Sein Kindheitsfreund hob eine Augenbraue an.

„Für mich klingt das nach einer faulen Ausrede. Als würde es ihn umbringen zwei Wochen ohne dich zu trainieren.“

„Du kennst doch Lorenors Geschichte, Jiroushin, das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Außerdem regt ihn jeder einzelne Tag, den wir nicht fürs Training nutzen, auf und wenn ich zwischen ihm und meinem Vater wählen muss, ist die Entscheidung schon längst gefallen.“

Nun schüttelte der andere den Kopf.

„Du bist ganz schön hart.“

„Nonsens, ich halte nur nichts von Zeitverschwendung und so frustrierend das Training mit Lorenor sein kann, so kann es doch nicht ansatzweise mit der Frustration mithalten, die ich aushalten muss, wenn ich sieben nutzlose Tage durch die Gegend reise, nur für eine halbe Stunde am Krankenbett meines Vaters und dann sieben Tage zurückreise. Da trainiere ich lieber Lorenor und passe auf, dass er sich nicht aus Versehen selbst umbringt.“

„Ich könnte die zwei Wochen auf ihn aufpassen.“

Verwirrt legte Dulacre den Kopf schief als der andere es beinahe unhörbar vor sich hinmurmelte und den schlafenden Schwertkämpfer betrachtete als würden sie über einen rüpelhaften Hundewelpen sprechen.

„Was redest du da, Jiroushin? Eben meintest du noch ihn bei der erstbesten Gelegenheit auszuliefern zu wollen. Außerdem du hast eine schwangere Frau Zuhause; Lirin wird alles andere als begeistert sein, wenn du so lange fort bist.“

„Ach, was das angeht...“ Offensichtlich verlegen rieb der andere sich langsam den Nacken, ohne jedoch aufzusehen. „...also, um ehrlich zu sein war es ihre Idee, dass ich euch besuchen komme.“

Nun sah er doch zum Samurai hinüber, der noch nicht mal fragen brauchte, um seine Antwort zu erhalten. Der andere seufzte schwer.

„Sie sagt ich würde sie stressen und ich kann es ihr noch nicht mal verübeln. Du weißt was passiert ist, was sie durchmachen musste und in ihrem Alter sind Schwangerschaften auch nicht ohne Risiko, also will ich doch nur...“

„Du bist also zum überbesorgten Drachenvater mutiert.“

„Wie nett du es doch ausdrückst“, grummelte der andere, nickte jedoch. „Sie sagt meine liebevolle Fürsorge würde sie erdrücken, deswegen hat sie mich weggeschickt. Ein paar Wochen Urlaub meinte sie.“

„Und da schickt sie dich zu mir? Und du nimmst noch nicht mal Klamotten mit?“

Der andere erhob sich und zuckte mit den Achseln.

„Vielleicht hat sie mich auch rausgeschmissen, weil ich ihr zu sehr auf die Nerven gegangen bin und da ich meinen Schwangerschaftsurlaub schon eingereicht hatte...“

„Wieso das denn? Du bist doch nicht derjenige, der das Kind austrägt? Warum solltest du dir frei nehmen?“

Jiroushin sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an.

„Du bist genauso gemein wie Lirin.“

Nun konnte Dulacre ein leises Lächeln nicht verhindern.

„Du bist zu überfürsorglich, Jirou. Lirin‘s Eltern haben doch einen ganzen Hofstaat an Ärzten und es wird rund um die Uhr jemand für sie da sein, da musst du sie nicht auch noch überwachen wie eine tickende Zeitbombe.“

„Sagst gerade du? Wie war das noch mit Lorenor Zorro?“

Aufschnaubend verschränkte der Samurai die Arme.

„Das ist etwas anderes. Lirin ist eine kluge, achtsame Frau und Lorenor ein egoistischer Tor.“

Dann tu‘s doch.

Dulacre betrachtete seinen bewusstlosen Wildfang.

Dann töte mich halt, wenn‘s dich glücklich macht.

„Egoistischer Tor“, murmelte er erneut und schüttelte den Kopf. Wie oft hatte Lorenor ihm bereits sein Leben angeboten? Ihn beinahe darum gebeten ihn zu töten?

Bereits bei ihrem ersten Aufeinandertreffen hatte Lorenor sein Leben als Preis dargeboten, nur um ein einziges Mal gegen ihn kämpfen zu können.

Leise schnalzte Dulacre mit der Zunge. Wieso war er dann derjenige, der sich bedroht vorkam, obwohl Lorenor derjenige war, der sein Leben aufs Spiel setzte?

Überrascht schaute er auf, als Jiroushin ihm leicht auf die Schulter klopfte.

„Hörst du mir überhaupt zu Hawky? Was ist denn los? Worüber ärgerst du dich denn nun schon wieder?“

Er hatte ganz vergessen, dass der Soldat auch noch da war. Doch nun hob der Blondschopf grinsend eine Augenbraue an.

„Also, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dass du dich um diesen Piraten sorgst.“

Für einen Augenblick sahen sie einander an.

„Geh schlafen Jiroushin. Glaube mir, du wirst deine ganze Kraft brauchen. Lorenor zu beaufsichtigen ist schlimmer als einen Sack Flöhe zu hüten.“

Der Blondschopf neben ihm lachte auf.

„Soll das etwa heißen, du gehst darauf ein? Du wirst also Gat besuchen und mir deinen werten Meisterschüler anvertrauen?“

Dulacre nickte stumm, die Augen auf Lorenor geheftet.

„Woher das Einsehen? Ich dachte du hältst nichts von Zeitverschwendung. Außerdem könnte ich deinen Lorenor immer noch ausliefern, nicht wahr? Solange er mir noch nicht überlegen ist.“

„Nenn ihn nicht so.“

„Wie? Was stört dich daran? So heißt er nun…“

„Jiroushin.“ Dulacre erhob sich und schritt durch den kargen Raum zum Fenster, sah in die Dunkelheit der Nacht hinaus. „Ich werde morgen früh aufbrechen und so schnell ich kann zurückkommen. Solange vertraute ich darauf, dass du auf Lorenor aufpasst.“

Er hörte wie der andere aufstutze.

„Ähm, okay klar. Aber wie gesagt, Hawky. Er ist kein kleines Kind – oder eine Frau während einer Risikoschwangerschaft – warum redest du immer so von ihm als würde…“

„Er hängt nicht am Leben.“

„Was?“

Seufzend verschränkte Dulacre die Arme.

„Es ist wie du sagst, Lorenor ist erbarmungslos. Nicht nur anderen gegenüber, nicht nur dem Schwertkampf gegenüber, sondern auch – nein, vor allem – sich selbst gegenüber. Er setzt immer alles ein was er hat, auch sein Leben. Es wäre nicht gut, wenn bei einer solchen Entscheidung sein Glück ihn mal verlässt.“

Er konnte hören wie sich Jiroushin hinter ihm erhob.

„Deine Worte ergeben wieder einmal keinen Sinn für mich, Hawky. Aber sei es drum. Ich werde jetzt deinem Rat Folge leisten und schlafen gehen. Was ist mit dir? Solltest du dich nicht auch etwas ausruhen?“

Er schüttelte den Kopf, ohne sich umzudrehen.

„Ich werde ab morgen sieben Tage Zeit haben, um mich auszuruhen. Aber ich möchte noch mit Lorenor reden ehe ich morgen früh abreise, also werde ich warten bis er aufwacht.“

„Wie du meinst.“

Er konnte schwere Schritte hören als der andere ging.

„Jiroushin.“ Die Schritte verstummten und Dulacre seufzte erneut, wissend, dass er die folgenden Worte bald bereuen würde. „Auch wenn ich es nicht gerne zugebe, du hast wohl recht was Lorenor betrifft.“

„Da musst du schon etwas genauer werden Hawky. Ich nehme an, du meinst nicht den Teil wo ich ihn für einen der schlimmsten Verbrecher des Jahrhunderts halte…“

Das brachte Dulacre doch tatsächlich zum Grinsen, allerdings nur für einen kurzen Moment ehe er wieder ernst wurde.

„Er ist mir wirklich wichtig und ich mache mir andauernd Sorgen um ihn. Selbst jetzt, wo er sicher vor mir im Bett liegt, kann ich nicht aufhören mir Gedanken zu machen.“

Kopfschüttelnd betrachtete er sein unscharfes Spiegelbild im Glas.

„Du hast Recht, ich mag ihn, sehr sogar. Also bitte, pass die nächsten Tage gut auf Lorenor auf. Ich vertraue dir sein Leben an, Jiroushin, das Leben meines Wildfangs.“

Schweigen.

„Tze, du bist sowas von egoistisch, Hawky. Bis morgen früh.“

Schwer fiel die Tür ins Schloss. Langsam wandte Dulacre sich um und atmete tief aus. Er mochte keine Veränderung, doch seit Lorenor da war veränderte sich sein Leben am laufenden Band, selbst seine so eintönig beständige Freundschaft zu Jiroushin schien sich zu verändern.

Kopfschüttelnd ging er zurück zu seinem Platz an der Seite von Lorenors Bett. Früher hätte er so etwas nicht gesagt, hätte nie um so etwas gebeten, hätte wohl nie…

„Egoistisch, nicht wahr?“

 

-Zorro-

„Einen schönen guten Morgen.“

Mühselig versuchte er seine Augen offen zu halten. Sein Körper fühlte sich taub und schwer an, er hatte also wieder die Kontrolle verloren. Was wohl passiert war? Wieder einmal konnte er sich an nichts erinnern. An nicht viel mehr, als an den Kampf gegen Jiroushin und daran, dass dieser den Kampf hatte beenden wollen.

Am Rande seines Blickfeldes konnte er den verschwommenen Schemen des Samurais ausmachen, doch sein Kopf wollte ihm nicht gehorchen und sich zur Seite wenden.

Bis auf die kleine Lichtquelle hinter Dulacre war das Zimmer stockdüster, es musste also mitten in der Nacht sein. Das bedeutete, dass Zorro entweder nur ein paar Stunden oder aber mindestens einen ganzen Tag ohnmächtig gewesen war.

„Sechs Stunden warst du bewusstlos“, antwortete der Samurai als ob er Zorros Gedankengängen verfolgt hätte, „deutlich kürzer als beim letzten Mal. Was auch daran liegen mag, dass ich dich dieses Mal schneller ausgeschaltet habe, aber du brauchst mir nicht zu danken.“

Zorro schnaubte höhnisch auf.

„Ach sieh einer an, du scheinst dich auch deutlich schneller zu erholen. Wie erfreulich.“

Trotzdem konnte Zorro sich nicht wirklich bewegen und würde eine nervige Strähne ihm nicht im Gesicht hängen, hätte er noch nicht einmal sagen können, in welchem Körper er sich gerade befand, so fern schien er.

Er konnte hören, wie sich der andere bewegte und dann saß Dulacre auf der Bettkannte, brachte sich bewusst in Zorros Blickfeld. Für einen Moment sagte der Samurai gar nichts, sondern sah Zorro einfach nur an, schien ihn zu mustern.

„Ich gehe davon aus, dass du dich auch dieses Mal an nichts erinnern kannst.“

Anstatt eines Nickens konnte Zorro nur zustimmend grunzen.

„Nun gut.“ Der Ältere seufzte und unterbrach für einen Moment den Augenkontakt. „Dann werde ich dir jetzt alles erklären und dann wirst du schlafen, verstanden?“

Zorro dachte noch nicht mal daran, diese lächerliche Anweisung mit einer Antwort zu würdigen.

„Du kannst dich freuen Lorenor, deine Manie ist ab jetzt für mich kein Rätsel mehr. Das bedeutet sobald du wieder trainieren kannst, wirst du lernen es zu kontrollieren.“

Wovon sprach der andere da? Wie war es möglich, dass Dulacre nach nur zwei Mal beobachten schon behaupten konnte, es durchschaut zu haben?

„Ja, das überrascht dich, nicht wahr?“ Nun grinste der Samurai überheblich. „Dabei ist es ganz einfach. Deine Manie ist ein Abwehrmechanismus deines Körpers, um dich zu schützen. Sieh mich nicht so an, ich werde es dir ja jetzt erklären.“

Das war auch bitter nötig, denn Zorro verstand kein Wort.

„Wie du weißt ist jedes Haki so individuell wie der Fingerabdruck, mit Sicherheit fühlte sich Jiroushins Haki für dich auch anders an als meines.“

Das stimmte, Zorro hatte noch gedacht es sich einzubilden, aber anscheinend unterschieden sie sich wirklich.

„Und wie du weißt zerstört das stärkere Haki immer das schwächere, die härtere Rüstung bricht die schwächere.“

Diesmal schaffte Zorro es zu nicken.

„Haki ist natürlich nichts anderes als die manifestierte Form der eigenen Lebensenergie. Wie Blut formt der Körper es immer wieder neu, versorgt die Organe und Zellen damit und füllt die Reserven auf. Durch deine Gabe allerdings, kannst du dir fremdes Haki wie eine Bluttransfusion zuführen und es mit deinem eigenen Haki vermischen.“

Soweit kam Zorro mit.

„Natürlich solltest du das alles bereits wissen, schließlich sind das die Grundlagen, mit denen wir uns lange beschäftigt haben. Aber ab jetzt wird es interessant. Das Problem ist jedoch, dass man nicht einfach jedes Blut jedem Menschen spenden kann. Es gibt verschiedene Gruppen von Blut mit verschiedenen Partikeln und manche Menschen vertragen manche Partikel nicht und die verschiedenen Blutsorten können sich gegenseitig zerstören. Ganz ähnlich verhält… Du verstehst diesen Vergleich nicht, oder?“

Zorro schüttelte den Kopf, zumindest versuchte er es. Bis gerade hatte er keine Ahnung davon gehabt, dass es verschiedene Blutgruppen gab, nun verstand er auch, warum Chopper von einem jeden aus der Crew Blutkonserven lagerte. Hatte der junge Arzt vielleicht mal etwas in diese Richtung erwähnt? Er wusste es nicht und es war ihm um ehrlich zu sein auch egal.

Der Samurai rollte mit den Augen und fuhr sich entnervt durchs Gesicht.

„Warum versuch ich’s überhaupt?“, grummelte er. „In Ordnungn, Lorenor, es ist ganz einfach erklärt. Es ist unnatürlich fremdes Haki im Körper zu haben, da verschiedene Hakis immer versuchen werden einander zu zerstören. Trotzdem bist du dazu in der Lage und du kannst das fremde Haki sogar kontrollieren und einsetzen wie dein eigenes. Dein Haki zerstört das fremde Haki in deinem Körper warum auch immer nicht, selbst wenn dein eigenes Haki viel stärker ist als das fremde. Wenn jetzt aber der Punkt kommt, wo du sehr viel von deinem eigenen und wenig von dem fremden Haki verbraucht hast, kippt dieses Verhältnis. Ab diesem Zeitpunkt ist das fremde Haki stärker als das deine und versucht dein Haki zu zerstören. Verstehst du? Und wenn dein eigenes Haki erlischt und dein Körper durch das fremde Haki daran gehindert wird neues zu bilden, dann stirbst du.“

Was Zorro am meisten an dieser Aussage störte war, dass er keine Ahnung hatte, wann und wie der Samurai das alles herausbekommen hatte, während er selbst sich bereits schwer tat zu verstehen, was Mihawk ihm versuchte zu erklären.

„In dem Moment also, wo das fremde Haki stärker wird als dein eigenes, entweder weil du zu viel Eigenes verbrauchst oder gerade zu viel Fremdes auf einmal aufnimmst – wie es sowohl im Kampf gegen Jiroushin als auch gegen mich der Fall war – geht dein Körper in diesen Verteidigungsmechanismus, um möglichst schnell möglichst viel fremdes Haki zu verbrauchen, damit dein eigenes Haki wieder das stärkere von beiden ist und nicht zerstört wird.“

Langsam verstand Zorro, was das bedeuten konnte.

„Es ist genau das, was du denkst Lorenor. Solange du also das fremde Haki verbrauchst anstelle von deinem eigenen, dann wirst du dieser Manie nie wieder erliegen, so simple ist das Ganze.“

Da war die Lösung. Ein Albtraum, der ihn sein ganzes Leben verfolgt hatte und plötzlich hatte er den Schrecken verloren, plötzlich war dieser Albtraum keine Realität mehr.

Erst jetzt bemerkte Zorro, dass der Samurai ihn aufmerksam beobachtete, ein fast schon böses Schmunzeln auf den dünnen Lippen.

„Ist das also der Weg, den du gehen willst, Lorenor?“

Diese Frage verwirrte ihn und das Grinsen des anderen wurde größer. Natürlich wollte er das, warum sollte er es nicht wollen? Mit ein bisschen Training würde er in der Lage sein, nur noch die Vorteile dieser Fähigkeit nutzen zu können und den Nachteil auszumerzen. Nie wieder würde er aufwachen und sich nicht bewegen können, nicht wissend was in den letzten Stunden passiert war.

Leise lachte der Samurai auf und wandte den Blick ab.

„So naiv?“

„W..was?“, knurrte Zorro, doch seine Stimme gehorchte ihm kaum.

„Na du hast es immer noch nicht verstanden, Lorenor. Natürlich kannst du verhindern, dass du je wieder zu diesem Monster wirst. Aber…“ Auf einmal beugte sich Dulacre zu ihm hinab, sodass ihre Nasenspitzen sich fast berührten und Zorro nichts anderes sehen konnte als diese einnehmenden intensiven Augen. „Aber so wirst du mich nie besiegen können.“

Nun brachte der Samurai wieder wenige Zentimeter Abstand zwischen sie, seine Stimme war nur ein Hauch und sein Grinsen hatte etwas wildes, beinahe etwas animalisches, wie Zorro es erst wenige Male bei seinem Lehrmeister und größten Rivalen gesehen hatte.

„Ich spiele in einer ganz anderen Liga, Lorenor, und es gibt nur ganz, ganz wenige Menschen auf dieser Welt, die auf diesem Level mithalten können. Und was ich von dir gesehen habe reicht vielleicht aus, um da irgendwann mitspielen zu können. Aber glaub mir, um mich zu besiegen braucht es schon ein richtiges Monster und nicht einen angeleinten Köter.“

Wollte der andere ihm etwa sagen, dass er…?

„Wenn du mich besiegen willst, Lorenor, dann reicht es nicht aus, das Monster unter Verschluss zu halten. Wenn ich sage, dass du dieses Monster kontrollieren musst, meine ich, du musst dieses Monster werden und seine Fähigkeiten für dich nutzen, verstehst du?“

Dieser Mistkerl!

Dulacre setzte sich wieder aufrecht hin, immer noch überheblich am grinsen, und fuhr sich durch seinen Bart.

„Du hast wirklich geglaubt, dass es ausreichen würde, sich ein paar Wochen mit deinem Problemchen auseinanderzusetzen, ein paar Wochen sich deiner Angst stellen, und dann könntest du es für immer vergraben? Ach Lorenor, ich hatte dich wirklich für erwachsener gehalten.“

Irgendwie nervte der andere ihn gerade unglaublich und das schlimmste war, dass Zorro noch nicht einmal die Kraft hatte ihm zu widersprechen, was ihn noch viel mehr nervte.

„Als ich dich vor die Wahl stellte, als ich dir sagte, dass du Angst hättest den nächsten Schritt zu gehen, da ging es nicht darum, ob du bereit bist dich deinem Monster zu stellen, Lorenor, ich dachte das wäre klar geworden. Es ging darum, ob du bereit bist das Monster zu werden.“

Für eine Sekunde war der andere still und begutachtete seine Hand, dann erhob er sich.

„Aber darum musst du dich jetzt noch nicht kümmern.“ Nun klang er wieder so aalglatt wie eh und je. „Ich habe entschieden deinem und Jirous Rat zu folgen und meinen Vater besuchen zu fahren, um die Dinge ein für alle Mal zu klären. Ich werde zwei Wochen fort sein. In dieser Zeit wird Jirou dein Training überwachen und ihr werdet genau an dem arbeiten, was wir eben besprochen haben. Ich denke zwei Wochen sollten für dich genug Zeit sein um die verschiedenen Hakis innerhalb deines Körpers unterscheiden und einsetzen zu lernen und wenn ich wieder da bin, kannst du mir mitteilen, ob du bereit bist ein Monster zu werden, um mich zu besiegen.“

Der Samurai hob eine Hand und verschwand aus Zorros Blickfeld als er zur Tür schritt.

„Ich bitte dich, Jirou nicht zu viele Umstände zu bereiten. Er wird demnächst Vater und sollte sich nicht…“

„Du..lacre!“

Schwer atmend setzte Zorro sich auf. Sein Oberkörper fiel beinahe wieder vornüber und seine Hände lagen kraftlos in seinem Schoß, doch nun konnte er den Samurai wieder ansehen und dieser begegnete seinem Blick mit einem beinahe überraschten Ausdruck.

„Lorenor, du solltest nicht…“

„Halt… halt die Klappe.“ Warum hatte er das Gefühl, als würde sein Körper Tonnen wiegen? „Jetzt bin… ich dran.“

Dulacre wandte sich ihm wieder zu und verschränkte die Arme.

„Nun gut, ich warte.“

Zorro konnte ein Grinsen nicht verhindern.

„Du bist ein richtiger… Arsch, weißt du das? Ich… ich dachte die ganze Zeit, es geht um was Wichtiges. Ich dachte du… wolltest mich nicht mehr trainieren… weil ich Angst davor habe wieder die Kon..trolle zu verlieren und sie… nicht wiederzuerlangen…“

Es war anstrengend, aber er wollte das jetzt aussprechen, nicht zwei Wochen warten, dem anderen nicht das Genugtun verschaffen.

„Und nun sagst du mir…, dass ich nur das… Monster werden brauche?“

Nur?“

„Du Vollidiot, wenn alles… was ich tun brauche, um mein Monster zu besiegen, ist selber… das Monster zu werden… wenn das ausreicht, um dich zu besiegen, dann…“ Er konnte sehen wie Dulacres Augen groß wurden. „Warum hast du das nicht gleich… gesagt?“

Sein Körper wurde schwer und er ließ sich zurück aufs Kissen fallen.

„Weiß du… man nennt mich nicht umsonst den Dämon des East Blue.“

Das war anstrengend gewesen, er war müde und seine Augen wollten zufallen.

Ein leises Lachen kam von der Tür.

„Du bist wirklich unmöglich Lorenor.“

Er entgegnete nichts, er war zu erschöpft, um noch groß etwas zu sagen; es kostete all seine Kraft wach zu bleiben.

„Du solltest jetzt wirklich schlafen. Wir sehen uns in zwei Wochen wieder und dann bringe ich dir bei mich zu besiegen.“

Mit einem Grinsen schlief Zorro ein.

 

-Mihawk-

„Bist du dir wirklich sicher, dass du ihm das antun willst?“

Er eilte durch den dunklen Wald, Jiroushin neben ihm. Es würde noch dauern bis die Sonne aufging.

Direkt nach seinem Gespräch mit Lorenor war er in sein Zimmer packen gegangen – welches keine Spuren mehr der vergangenen Nacht gezeigt hatte, obwohl er nicht wusste, ob Perona oder aber Jiroushin dafür verantwortlich gewesen waren – und nun wollte er aufbrechen. Je früher er abreiste, desto früher würde er wieder zurückkommen.

„Es ist seine Entscheidung, Jiroushin, und er ist bereit, mehr als das.“

Der Soldat neben ihm schnaubte auf.

„Er hat doch keine Ahnung, was das für ihn bedeutet. Es wäre viel sicherer für ihn, diesen Wahnsinn zu unterdrücken, nicht ihn auszuleben.“

Dulacre blieb stehen und sah den Blondschopf kühl an.

„Aber Jiroushin, was bringt ihm Sicherheit, wenn er mich nicht besiegen kann?“

Mit offenem Mund schüttelte der andere den Kopf, offensichtlich nicht in der Lage ihm zu antworten.

„Du musst von seinem Standpunkt aus denken, mein lieber Freund.“ Dulacre setzte seinen Weg wieder fort. „Du hast es doch selbst gesagt, Lorenor ist erbarmungslos, kompromisslos. Ich glaube er war sogar erleichtert, als er verstanden hatte, was wirklich auf ihn zukommt. Mit dem Kopf durch die Wand, das ist seine Devise.“

„Eine Devise, die ihn umbringen wird.“

„Oder mich, wenn er gut genug wird.“

„Tze…“

Der andere schwieg.

„Was ist denn dein Problem, Jiroushin? Sollte es dir nicht recht sein, wenn er bei dem Versucht es zu beherrschen bricht und den Verstand verliert? Ein Monster weniger, um das du dich sorgen musst.“

„Du bist an allem schuld“, murrte der andere nur als sie den Hafen erreicht hatten. Das Marineschiff, welches den Blondschopf wohl hergebracht hatte, war schon längst wieder verschwunden.

„Ich wünschte, er wäre dir nicht so wichtig, Hawky, dann wären viele Dinge einfacher. Dann könnte es mir egal sein, was mit ihm passiert.“

Nun blieb Dulacre wieder stehen und musterte seinen Freund von der Seite, der stur geradeaus starrte.

„Aber so wie die Dinge liegen, so muss ich nun hoffen, dass ihm nichts passiert, muss sein Leben im Zweifel verteidigen, nur wegen dir und deiner verkorksten Gefühle für diesen Mistkerl.“

„Du weißt, dass ich dich zu nichts davon verpflichte, Jirou. Selbst wenn du ihn nach meiner Abreise umbringen solltest, so könnte ich es verstehen und würde es dir nicht verübeln.“

Jiroushin schwieg für eine Sekunde.

„Lügner“, flüsterte er dann, „du kannst es vielleicht verstehen und kannst vielleicht mein Handeln nachvollziehen. Trotzdem würdest du mich dafür hassen, trotzdem würdest du Rache wollen.“

Dulacre betrachtete wie ein schwacher Streifen Silber den Horizont erhellte.

„Du kennst mich zu gut, Jiroushin. Dennoch, unabhängig davon was passiert, selbst wenn du Lorenor töten solltest, dein Leben werde ich nie nehmen und auch nicht die Leben der Menschen, die dir wichtig sind. Das solltest du auch wissen.“

„Und ich habe dir immer gesagt, dass ich mich nie gegen dich stellen werde, Dulacre. Doch trotzdem habe ich das heute Morgen getan.“

Nun schmunzelte er.

„Ach nein, das war doch kein Entgegenstellen. Ich kenne deine Schnelligkeit Jirou. Wenn du wirklich ernst gemacht hättest, hätte ich kaum die Zeit gehabt, mir ein Schwert zu holen und mich noch vor Lorenor zu stellen, Ich hätte dich von der Seite her blocken müssen.“

Er hob die Hand zum Gruß und ging den schmalen Steg entlang.

„Dulacre!“ Er blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. „Wenn ich Lorenor mitnehmen würde und vor Gericht bringen würde. Du würdest ihn holen kommen, oder? Du würdest nicht zulassen, dass er hingerichtet wird, oder?“

Wollte Jiroushin ihn wirklich gerade testen? Was für ein lächerlicher Versuch.

„Ich bitte dich, Jirou, ich bin doch nicht mehr zwanzig.“

Damit ging er weiter.

„Wenn die Marine es noch mal wagen sollte, sich mir in den Weg zu stellen, dann werde ich sie dieses Mal auf ihre Grundmauern niederbrennen.“

„Du bist besessen, Dualcre, ist dir das bewusst?“

Nun schmunzelte er.

„Oh ja, und wie mir das bewusst ist.“

 

Kapitel 39 - Wagnis

Kapitel 39 – Wagnis

 

-Zorro-

Schweigsam arbeitete er weiter, legte die Puderquaste zur Seite und nahm das Baumwolltuch zur Rate, welches Josei dem Reispapier vorzog, ganz anders als seine anderen Schwerter.

Er konnte die Augen auf sich fühlen, entschied jedoch sie zu ignorieren. Solange der andere nicht sprach gab es auch für ihn keinen Grund, die Stille zu unterbrechen.

Am Morgen war Dulacre aufgebrochen um seinen Vater zu besuchen und im Laufe des Tages hatte Zorro sich wieder bewegen können, doch nach einem kurzen Wortwechsel hatte Jiroushin es abgelehnt bereits heute das Training mit ihm aufzunehmen, solange Zorro es nicht schaffte, sich wieder in seine ursprüngliche Gestalt zurück zu verwandeln.

Es beeindruckte Zorro fast, wie unumstößlich der sonst so gut gelaunte Soldat geklungen hatte; er musste lange mit Dulacre über Zorros Training gesprochen haben.

So war Zorro laufen gegangen, wie jeden Tag, und jetzt saß er auf seinem Sofa und pflegte seine Schwerter. Sich der Augen des Vizeadmirals sehr wohl bewusst.

Perona war vor mehreren Minuten aufgetaucht und hatte erwähnt, dass es in einer halben Stunde Abendessen geben würde. Sie hatte als letzte davon erfahren, dass Jiroushin für Dulacre einspringen würde, doch sie wirkte hoch erfreut darüber. Offensichtlich mochte sie den Marinesoldaten.

„Ach, ich kann mich einfach nicht dran gewöhnen“, stöhnte Jiroushin nun auf. „Kannst du dich nicht endlich verwandeln?“

„Es geht noch nicht“, antwortete Zorro abwesend während er weiterhin sein Schwert begutachtete. „Glaub mir, ich lauf nicht freiwillig so rum.“

„Argh!“ Nun sah er doch auf, als der Blondschopf sich die Haare raufte. „Wie konnte mir das nur entgangen sein? Wie habe ich nur je denken können, dass Loreen -dass du! – süß sein könntest? Ich meine, die schroffe Ausdrucksweise, die grobe Manier, wie konnte mir das nur alles entgangen sein?“

„Hat nichts mit dir zu tun“, meinte Zorro nur und fuhr ein letztes Mal über Josei, ehe er es wegsteckte. „Das geht allen so, solange sie nicht wissen wer Lady Loreen in Wirklichkeit ist. Also zerbrich dir darüber nicht den Kopf, bringt eh nichts.“

Die Schritte des anderen hallten durch den Raum während er wohl auf und ab ging. Zorro indes entschied noch einmal einen Blick auf sein Wado-Ichi-Monji zu werfen, welches er zwar selbstredend als erstes gepflegt hatte, aber er fühlte sich schuldig, dass es schon seit so langer Zeit nicht mehr mit ihm trainieren durfte.

Nur um sie zu pflegen erlaubte Dulacre es ihm seine Schwerter bei sich zu führen, mit Ausnahme von Josei, welches er mit sich nahm, wann immer er als Lady Loreen unterwegs war.

„Du nimmst das ganze ziemlich gelassen“, murrte der Marinesoldat

„Naja, was erwartest du? Egal wie sehr ich mich dagegen wehre, nach etwas mehr als einem Tag verwandle ich mich halt, und wenn mein Haki sehr erschöpft ist dann noch schneller. Ist nicht toll oder so, aber nach ein paar Monaten gewöhnt man sich halt dran. Eigentlich kann ich ja dankbar sein, dass ich überhaupt in der Lage bin, mich zurückzuverwandeln. Wäre ziemlich nervig, wenn der Koch mir beim Streiten nicht mehr in die Augen gucken könnte.“

„Der Koch? Redest du von deiner Crew?“

Zorro nickte nur, während seine Augen wieder einmal die wenigen feinen Linien fixierten, die er sein Schwert hatte erleiden lassen.

„Aber deine Crew existiert doch nicht mehr, oder?“

Einen Moment verharrte Zorros Blick auf dem feinsten Kratzer, dann sah er den anderen direkt an.

„Ich glaube es wäre für dich besser, je weniger du als Marinesoldat weißt, aber in 18 Monaten werde ich mein Training unter Dulacre beenden.“

Er konnte sehen, wie diese leuchtenden Augen noch größer wurden. Dann wandte Zorro jedoch den Blick ab und entschied sich wieder auf sein Schwert zu konzentrieren.

„Zwei Jahre also“, hörte er den anderen murmeln, „glaubst du wirklich, dass insgesamt zwei Jahre genug Zeit sind, um Hawky besiegen zu können?“

„Woher soll ich das wissen.“ Zorro zuckte mit den Achseln und steckte sein Schwert wieder weg. „Woher soll ich wissen, wie stark ich werden muss? Schließlich habe ich diesen Mistkerl noch nie wirklich kämpfen sehen.“

Er legte seine Schwerter weg und sah den Soldaten an. Auch wenn die Stimmung zwischen Zorro und Jiroushin derzeit angespannt war, so mochte er es doch sich mit dem Älteren zu unterhalten.

Bereits damals auf Sasaki hatten die beiden so manche Stunden damit verbracht sich nicht nur über den Schwertkampf, sondern auch über die speziellen Launen des Samurais auszutauschen, geteiltes Leid war schließlich halbes Leid. Außerdem hatte Zorro feststellen müssen, dass es ihm relativ leicht fiel, sich gegenüber Jiroushin zu öffnen – was ihm anfangs sehr missfallen hatte – auch wenn er nicht genau wusste, woran es lag. Vielleicht weil der Blondschopf Zorro oft an Ruffy erinnerte oder aber, weil Jiroushin Dulacres bester – und einziger – Freund war und Zorro ihm deshalb vertraute. Er konnte es nicht sagen und wollte sich darüber auch nicht wirklich den Kopf zerbrechen.

„Manchmal im Training oder in anderen Situationen gibt es einen kleinen Moment, wo ich denke ‚ach, das ist also sein Level‘, nur um dann wieder festzustellen, dass ich seine Fähigkeiten bei Weitem noch nicht erfassen kann, selbst nach einem halben Jahr nicht.“ Leicht schlug er gegen die Armlehne. „Kotzt mich ziemlich an, dass er nicht einfach mit mir kämpfen will.“

Nun erhob Zorro sich und begann seine Reinigungsmaterialien zusammenzuräumen.

„Bei unserem ersten Kampf konnte ich ziemlich gut abschätzen, wie stark du bist. Gleiches gilt für diesen Homura, obwohl er mir damals noch meilenweit voraus war. Ich dachte, Dulacre über euch einordnen zu können, aber er behauptet, dass ihr selbst zusammen keine Chance gegen ihn hättet.“

Wie ihn das alles ankotzte. Es war als würde er blind versuchen wollen Steine nach Farben zu sortieren während der Samurai ihm lachend dabei zusah.

„Aber wie soll ich abschätzen können, wie stark er wirklich ist, wenn er nie mit mir kämpft, wenn er nie mal was ernster…“

„Er hat es dir also nicht erklärt.“

Überrascht sah Zorro auf. Jiroushin stand am anderen Ende des Raumes und hatte sich mit verschränkten Armen dem dunklen Fenster zugewandt, nun jedoch sah er zu Zorro hinüber.

„Warum überrascht es mich nicht. So ein Egoist.“

„Was hat er mir nicht erklärt?“

Der Soldat seufzte. „Hat er dir nie erklärt, warum er nicht gegen dich kämpfen kann?“

„Doch tausend Mal“, murrte Zorro unbeeindruckt, „immer irgendetwas von wegen, dass er mich verletzen und umbringen könnte. Irgendeine Ausrede von wegen, dass er sich nicht zurücknehmen könnte.“

Nun lächelte Jiroushin leise. „Naja, um ehrlich zu sein, ist es keine Ausrede, sondern die Wahrheit. Der Grund, warum du Hawky noch nie hast richtig kämpfen sehen, liegt daran, dass er es so gut wie nie kann.“

Das verwirrte Zorro.

„Warum sollte ein Schwertkämpfer nicht kämpfen wollen?“

„Oh, es liegt nicht daran, dass er es nicht will – glaub mir, er verzehrt sich danach – aber er kann nicht. Nicht solange er nicht einen richtigen Gegner hat mit dem er richtig kämpfen und seine ganze Kraft einsetzen kann.“

„Was? Was meinst du damit?“

Zorro verstand kein Wort. Natürlich konnte ein starker Gegner einen anspornen; etwas aus einem rauskitzeln, was vorher nicht da war, aber man konnte doch auch sonst kämpfen. Selbst die kleinen Scharmützel gegen den Koch konnten Spaß machen, ohne dass Zorro direkt alles geben brauchte. Was sollte diese Ausrede?

Jiroushin beobachtete ihn und neigte dann den Kopf leicht zur Seite.

„Es ist eigentlich ganz einfach, weißt du. Für Hawky gibt es nur zwei Sorten von Kampf, die die seiner Zeit würdig sind und die anderen. Die meisten Gegner entfachen in ihm keinerlei Interesse, kein Feuer. Gegen die kann er kämpfen, ohne Probleme – nun ja, bis auf das Problem, dass ihn solche Kämpfe meist langweilen. Gegner, die sein Blut nicht in Wallung bringen, bekämpft Dulacre stets, ohne auch nur einen Bruchteil seiner wahren Kraft einzusetzen. Ich habe schon unzählige Male gegen ihn gekämpft, aber ich sage dir, sollte der Tag je kommen, dass Dulacre seine Blutgier mir gegenüber zeigt, dann wird jener Tag mein Todesurteil sein.“

„Wovon redest du?“, murrte Zorro und lehnte sich gegen die Rückenlehne des Sofas. „Warum sollte Dulacre dich umbringen wollen? Selbst wenn er Spaß an einem…“

„Wenn Dulacre richtig kämpft…“ Jiroushin unterbrach ihn, sah jedoch wieder zum Fenster hinaus. „…dann geht es nicht mehr um Spaß. Wenn Dulacre richtig kämpft, dann gibt es keine Zurückhaltung mehr, keine Kontrolle. Wahrscheinlich würde einer seiner Angriffe ausreichen, um mich direkt zu töten und von dir will ich gar nicht erst reden.“

Fassungslos starrte Zorro den Soldaten an. Die Kraft, von der der andere sprach, schockierte ihn nicht wirklich; er hoffte doch, dass der Samurai so unfassbar stark war, dass es einen dem Atem raubte. Was ihn aber beunruhigte war die Art, wie Jiroushin darüber sprach.

„Sagt dir der Begriff mentale Selbstregulierung etwas, Lorenor Zorro?“

Er schüttelte den Kopf.

„Es ist eigentlich ganz einfach erklärt. Der menschliche Körper besitzt sehr viel Kraft, genug, um zum Beispiel die eigenen Knochen oder den Kiefer zu brechen. Deshalb beschränkt unser Gehirn die Kraft unserer Muskeln und hindert uns daran sie abzurufen; reguliert zum Beispiel wie viel Kraft wir einsetzen müssen, damit wir beim Versuch einen leeren Eimer anzuheben nicht genauso viel Kraft einsetzen, wie wenn wir versuchen einen Zentner zu heben. Verstehst du das?“

Langsam nickte Zorro. Zwar hatte er noch nie davon gehört, aber es ergab Sinn. Natürlich, wenn er mit der gleichen Kraft, mit der er seine Schwerter schwang, Chopper anschaukeln würde, hätte er ziemlich schnell ein Problem.

„Nun ja, die Sache ist die: Wenn Dulacre anfängt richtig zu kämpfen, dann besteht diese mentale Selbstregulierung nicht mehr.“

Langsam drehte der Soldat sich zu ihm um.

„In einem richtigen Kampf, ein Kampf bei dem Dulacres Blutgier erwacht, in einem solchen verliert er die Fähigkeit seine Angriffe zu beherrschen, selbst seine Blocks sind dann so hart wie Angriffe. Obwohl man es ihm nicht ansieht, obwohl er sich allem was er tut genau bewusst ist, so verliert er doch komplett die Kontrolle.“

Jiroushin begann nun wieder durch den Raum zu tigern.

„Um einen richtigen Kampf mit Dulacre zu überleben, musst du mit seiner rohen, uneingeschränkten Kraft mithalten, und das können nicht viele. Der rote Shanks war einer der wenigen. Obwohl er kein wirklicher Schwertkämpfer ist, ist auch er in der Lage die mentale Selbstregulation abzulegen und mit ganzer Kraft zu kämpfen. Seit er jedoch damals seinen Arm für deinen Kapitän gab, hat Dulacre sich geweigert gegen ihn zu kämpfen.“

Zorro versuchte zu begreifen, was das alles zu bedeuten hatte.

„Es gibt nicht viele Menschen, die es schaffen diese mentale Regulierung zu überwinden, es bedarf meist viel Training und sowohl an einem hohen Level an Intelligenz als auch an Konzentration. Neben Shanks würden mir nur eine Handvoll Leute einfallen, so wie Whitebeard oder Gol D. Roger und Silvers Rayleigh.“

Noch bevor Zorro das Wort erheben konnte sprach der andere jedoch bereits weiter.

„Sie alle haben eine Gemeinsamkeit, etwas was sie von Hawky unterscheidet. Sie alle haben es als eine Art Technik erlernt, so wie du die Anwendung von Haki oder die Zellummantelung. Hawky auf der anderen Seite hat es nie erlernt, er kämpft einfach so und deswegen ist er so unglaublich gefährlich.“

Zorro war sich nicht mehr sicher, ob Jiroushin wirklich noch mit ihm redete, so wie der andere den Boden anstarrte.

„Um ehrlich zu sein ist es wirklich beängstigend, ihn so zu sehen. Er sagt dann immer so Sachen, dass er seinem Feind ja nur ein bisschen weh tun möchte, nur ein kleiner Schnitt, ein sanfter Schlag, nur genug, um den anderen zu beeindrucken, aber das tat er dann nie. Er kann sich dann nie zurücknehmen, er redet zwar davon seinen Gegner nur einzuschüchtern, aber schließlich bringt er sie dann alle erbarmungslos und schmerzhaft um.“

Plötzlich sah der Soldat wieder auf und starrte Zorro an.

„Bist du dir wirklich sicher, dass du auch so ein Monster werden willst, nur um Dulacre zu besiegen? Versteh mich nicht falsch, mir ist um ehrlich zu sein ziemlich egal was mit dir passiert, aber Dulacre hat einen Narren an dir gefressen und ich weiß nicht was mit ihm passiert, falls er dich doch tötet. Trotzdem kann ich nicht gutheißen, dass er aus dir ein Monster machen will, so die Kontrolle zu verlieren ist…“

„Wovon redest du denn da?“ Zorro verschränkte die Arme während Jiroushin ihn mit großen Augen ansah. „Also du meinst, dass ich, um Dulacre besiegen zu können, diese mentale Selbstregulierung oder wie das hieß überwinden muss?“

Jiroushin nickte: „Ja schon, aber hast du mir nicht zu…?“

„Und das ist alles?“

„Was?“

Zorro neigte den Kopf leicht zur Seite.

„Also so besonders ist das ja nicht, oder? Es ist doch einfach nur, die ganze Kraft im Körper freizusetzen, bis die Muskeln zerreißen und man das Gefühl hat, dass allein das Anspannen der Muskeln genug ist, den eigenen Knochen brechen zu lassen, oder?“

Der Marinesoldat sah aus als wäre er kurz davor sich zu übergeben.

„Du willst mir sagen, du hast die mentale Selbstregulierung schon längst überwunden?“

Zorro zuckte mit den Achseln. „Klappt natürlich nicht immer, aber wenn der Kampf spannend genug wird… ja klar, ich will doch gewinnen. Und wie gesagt, so besonders ist das jetzt nicht. Ruffy macht das auch regelmäßig, wenn er kämpft, ich glaube sogar der dämliche Koch kriegt es manchmal hin, keine Ahnung, seine Kämpfe sind meistens langweilig. Aber wenn das…“

„Was zur Hölle…?!“ Jiroushin starrte ihn fassungslos an. „Du willst mir erzählen, dass dein Kapitän, der Schwarzfuß Sanji und du eine Technik erlernt haben, die sonst nur den Stärksten und Klügsten gelingt? Ihr seid doch viel zu schwach dafür!“

„Wie bitte?“, knurrte Zorro und machte einen Schritt nach vorne. „Aber was redest du die ganze Zeit von Technik? Ich glaube nicht, dass irgendeiner von uns das bewusst geübt hat oder so, also ich zumindest nicht. Wenn der Gegner stärker ist muss man halt auch stärker werden. Um ehrlich zu sein dachte ich, dass das jeder Kämpfer kann.“

Kopfschüttelnd wandte der Blondschopf sich ab und begann wieder durchs Zimmer zu tigern.

„Monster“, murmelte er dabei, ehe er plötzlich auf Zorro zeigte, „du und diese beiden anderen, ihr seid wahre Monster!“

Leise lachte Zorro zuckte erneut mit den Achseln.

„Ich weiß, wie gesagt, du machst dir umsonst Sorgen. Wir können schon auf uns aufpassen und wenn ich ehrlich bin, ich kann es kaum erwarten gegen Dulacre zu kämpfen.“

„Was? Obwohl ich dir eben…“

„Das macht es doch noch viel aufregender. Alles was ich tun muss, ist meine Kräfte zu kontrollieren damit ich nicht mehr durchdrehe und noch stärker werden und dann, wenn ich endlich gegen ihn kämpfen werde, dann wird er mit seiner ganzen Kraft, mit allem was er hat, gegen mich kämpfen. Er wird sich nicht zurückhalten, wird mich nicht schonen. Es wird ein Kampf auf Leben und Tod, entweder ich bin stark genug, um ihn zu bezwingen oder er besiegt mich.“ 

Im Hintergrund ging die Türe auf und Perona kam mit dem Essenswägelchen herein, doch Zorro bemerkte sie kaum, als er Jiroushin anstrahlte.

„Warum hast du mir das alles nur erzählt? Jetzt bin ich noch ungeduldiger als vorher. Ich kann es kaum erwarten gegen ihn zu kämpfen!“

Der Soldat beäugte ihn argwöhnisch, doch dann schüttelte er auf einmal den Kopf und lachte laut auf.

„Du bist wirklich ein komischer Kerl, Lorenor Zorro.“ Nun sah Jiroushin ihn an. „Aber ich muss gestehen, dass du mich gerade sehr an Hawky erinnerst. Er würde sich wohl auch auf so einen Kampf freuen.“

Nun trollte sich der Soldat zum Essenstisch hinüber.

„Nicht, dass ich das verstehen könnte. Es ist mir unbegreiflich, wie man bereitwillig auf Leben und Tod kämpfen möchte und sich gegenseitig schmerzhafte Verletzungen zufügt. Ihr seid ja wahnsinnig.“

Zorro folgte dem anderen an den Tisch.

„Aber wenn du wirklich vorhast Hawky zu besiegen, musst du wirklich noch an deinem Rüstungshaki arbeiten.“

„Ja, ich weiß. Meine Rüstung muss stärker sein als Dulacres sonst wird er wieder meine Schwerter zerbrechen.“

„Oder du selbst zerbrichst sie.“

Überrascht sah Zorro auf, während er Platz nahm. Perona, schräg gegenüber von ihm, rollte mit den Augen. Vermutlich weil sie sie komplett ignorierten und sich über etwas unterhielten, wo sie nicht mitreden konnte.

Jiroushin zuckte mit den Schultern und begann sich Unmengen an Kartoffeln aufzuladen.

„Warum meinst du besitzt Hawky Yuro? Es ist das stärkste Schwert der Welt und unzerstörbar darüber hinaus. Ein normales Schwert würde unter Hawkys wahrer Kraft sofort zerbrechen. Auch Shanks Schwert ist extrem widerstandskräftig, sonst könnte er nie seine ganze Kraft einsetzen; die Gefahr ein normales Schwert dabei zu zerbrechen ist einfach zu groß.“

Zorro bediente sich an den Reisbällchen.

„Du hast gute Schwerter, mit Yuro mithalten können sie allerdings nicht, selbst Josei nicht. Natürlich muss du sie deshalb verhärten, um sie vor Dulacres und Yuros Kraft zu schützen, aber vergiss nicht, dass je stärker du wirst, desto mehr Kraft übst auch du auf deine Schwerter aus.“

Nachdenklich sah Jiroushin zu Zorros Schwertern hinüber.

„Es ist fast schon ein kleines Wunder, dass du sie noch nicht selbst zerstört hast.“

Zorro überlegte wovon der andere sprach. Er hatte schon oft gefühlt, dass er diese seltsame mentale Selbstregulation oder wie das hieß hinter sich gelassen hatte, um seinen Gegner zu besiegen – das erste Mal gegen Mister One, wenn er ehrlich war. Aber noch nie hatte er das Gefühl gehabt, dass er dabei seine Schwerter gefährden würde. Selbst im härtesten Kampf hatten sie sich nie beschwert.

„Jiroushin.“ Der Soldat sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Nach dem Essen werde ich mich verwandeln. Können wir dann trainieren?“

„Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich mit…“

„Ich weiß, aber mir geht es gut, ich erhole mich schnell, aber wir haben nur ein paar Tage bis Dulacre wieder da ist und ich will stärker werden. Außerdem geht es jetzt doch erst einmal nur darum, dass ich das Haki unterscheiden lerne, das ist ja nicht unbedingt körperlich anstrengend.“

Der Soldat beäugte ihn ernst, während er Kartoffeln in sich reinschaufelte.

„Du bist wirklich dickköpfig. Wir haben gestern fast den kompletten Tag gekämpft und heute Morgen konntest du dich noch nicht einmal bewegen und jetzt willst du schon wieder weitermachen? Irgendwann musst du auch mal Pause machen.“

Unbeeindruckt hob Zorro eine Augenbraue an.

„Sag mal, wie alt ist Dulacre eigentlich?“

„Er ist im März 42 geworden, warum?“

Nachdenklich nickte Zorro.

„Und glaubst du er ist zurzeit auf dem Höhepunkt seiner Kraft oder war er schon mal stärker?“

Er konnte sehen, wie Jiroushin ihn misstrauisch beobachtete, während er seine Gabel neben dem leeren Teller ablegte.

„Worauf willst du hinauf, Lorenor Zorro?“

Mit den Schultern zuckend nahm Zorro das nächste Reisbällchen.

„Ist doch klar, ich bin fast zwanzig Jahre jünger als er. Wir werden alle älter und irgendwann wird Dulacre anfangen schwächer zu werden. Natürlich nicht von heute auf morgen, aber irgendwann wird seine maximale Leistungskraft abnehmen, so wie bei Rayleigh. Natürlich wird er immer erfahrener und wird wahrscheinlich selbst im hohen Alter noch herausragend sein, aber ich will nicht warten bis er alt und grau ist. Ich will ihn besiegen, solange er noch am Höhepunkt seiner Leistung steht.“

Perona beäugte ihn und Jiroushin mit großen Augen, sagte jedoch nicht ein Wort, sondern stopfte sich aufgeregt die frittierten Pilze in den Mund.

Jiroushin auf der anderen Seite hatte die Arme verschränkt und begutachtete Zorro mit ernstem Gesichtsausdruck, doch Zorro ließ sich davon nicht stören, während er sich das letzte Reisbällchen nahm.

Dann sah er wie der Soldat leicht grinste.

„Es ist schon seltsam. Ihr seid euch so ähnlich und doch so verschieden.“

Zorro sagte dazu nichts. Es war ihm egal wie sehr er dem Samurai glich oder nicht, schließlich wollte er ihn übertreffen.

Jiroushin seufzte.

„Nun gut, meinetwegen. Aber wir machen heute nur ein bisschen Theorie und probieren es aus, okay? Hawky möchte nicht, dass du ausversehen durchdrehst während er nicht da ist, also wollen wir vermeiden, dass du zu viel Haki aufsaugst, verstanden?“

Zorro nickte nur. Er hatte geschafft was er wollte, sie würden weiter trainieren, damit war er zufrieden. Hauptsache er konnte besser werden.

Nachdem was Jiroushin ihm erzählt hatte, war das Verlangen in ihm endlich gegen Dulacre kämpfen zu können nur noch größer geworden.

Natürlich hatte er noch ein paar Jahre Zeit, ehe Dulacre an Kraft verlieren würde, aber er wusste nicht, ob er sich so lange gedulden konnte.

Am liebsten würde er ihn sofort herausfordern.

 

Kapitel 40 - Narben

Kapitel 40 – Narben

 

-Zorro-

„Du meine Güte, du bist aber ganz schön schnell unterwegs!“

Zorro drosselte sein Tempo, als Jiroushin neben ihm schnaubte.

„Ich dachte bei diesen Runden geht es eher darum, dich daran zu gewöhnen Haki auch in Bewegung anzuwenden.“

Zorro entgegnete nichts, sondern zuckte nur mit den Schultern während sie weiterliefen.

Anders als Dulacre, der die frühen Morgenstunden lieber noch im Land der Träume verbrachte, hatte Jiroushin darauf bestanden Zorro bei seinem Aufwärmritual zu begleiten.

Zum einen hatte der Soldat ihn noch etwas mehr beobachten wollen, um seine Entwicklung besser bewerten zu können, und zum anderen folgte Jiroushin schon seit je her der Devise, dass ein guter Lehrmeister in einer Einheit mindestens genauso viel schwitzen musste, wie der Schüler.

Und gerade verfolgte Jiroushin diese Anforderung hervorragend. Obwohl sie noch nicht einmal die zwanzigste Runde hinter sich hatte, schien er schon die Lust zu verlieren.

„Wie viele Runden läufst du denn so für gewöhnlich?“

„Kommt drauf an“, murrte Zorro. Er sprach nicht so gerne, wenn er den gesamten Körper verhärtet hatte, es fühlte sich im Rachen immer so kratzig an. „Ich muss aufpassen, dass der Kraftunterschied nicht noch größer wird, daher mach ich in dieser Gestalt meistens mehr Runden, so um die 50.“

„Was?!“

„Ja, wie gesagt, du brauchst nicht mitlaufen, macht Mihawk auch nie. Ist ihm viel zu mühselig.“

„Schon okay, ich hätte nur nicht gedacht, dass meine Kondition sich durch die viele Schreibtischarbeit so verschlechtert hätte. Zum Glück ist Hawky nicht hier, der würde mich nur auslachen.“

Zorro entgegnete nichts. Beim Kampf gegen Jiroushin hatte er zum ersten Mal realisiert wie gut er geworden war, und auch hier hatte Zorro, wenn überhaupt den Samurai als Vergleich, der noch nie auch nur eine Schweißperle geopfert hatte.

Es war nicht so, dass Zorro nicht am schwitzen war - er schwitzte immer sehr schnell - aber schon seit mehreren Wochen diente dieses Training bereits nicht mehr seiner körperlichen Auslastung, sondern nur als reine Vorbereitung, selbst in diesem Körper begann er langsam sich dabei auch zu entspannen.

Am vergangenen Abend hatten er und Jiroushin begonnen Mihawks Aufgabe in die Tat umzusetzen und hatten etwas sehr schnell festgestellt: Solange Zorro fremdes Haki in Ruhe aufnehmen und abgeben konnte, hatte er überhaupt kein Problem damit – wahrscheinlich hatte es deshalb auch damals bei der Übung mit dem Schwamm keine Probleme gegeben – aber sobald auch nur ein bisschen Bewegung hineinkam wurde es schwierig.

Jiroushin hatte das Training ziemlich schnell beendet; sich nicht überreden lassen, gestern erneut gegen Zorro zu kämpfen. Aber heute, heute würden sie gegeneinander kämpfen, denn nur so konnte Zorro lernen, seine eigenen Hakireserven zu schonen und nur das Haki zu verbrauchen, dass er Jiroushin abzwacken würde.

Gleichzeitig bedeutete das aber auch, dass er, falls er es nicht richtig machen würde, wieder Gefahr lief die Kontrolle zu verlieren, und das wollte Jiroushin ja auf jeden Fall verhindern, bis Dulacre wieder da war.

Schweigend liefen die beiden nun nebeneinander her. Es war wirklich nicht mehr so wie früher.

Ja, Jiroushin war immer noch gesprächig und ja Zorro fühlte sich fast so wohl mit ihm wie mit seiner Crew oder mit Dulacre, aber es war eindeutig nicht mehr wie vor über einem halben Jahr auf Sasaki.

Der Soldat war nicht mehr so unbedarft beim Reden, wählte seine Worte mit Bedacht und bei den Mahlzeiten unterhielt er sich hauptsächlich mit Perona über irgendwelche Pflanzen und Kräuter, sprach mit Zorro nur, wenn es ums Training oder um Mihawk ging.

Nicht, dass es Zorro wirklich störte, er mochte seine Ruhe, und wenn die anstrengende Perona sich mit Jiroushin über die Wiederbelebung des Nutzgartens hinterm Schloss unterhielt, ließ sie ihn zumindest in Frieden.

Aber irgendwie störte es ihn, dass der sonst so gutgelaunte, fast schon hibbelige, und aufgedrehte Strahlemann eines Marinesoldaten nun oft ernst und missbilligend dreinschaute.

Natürlich wusste Zorro, dass Jiroushin gutes Recht hatte ihm gegenüber alles andere als gut gelaunt zu sein und eigentlich war ihm eine angespannte Stimmung immer gleichgültig gewesen.

Aber seufzend gestand Zorro sich ein, dass er sich an die gelassene Atmosphäre auf Kuraigana gewöhnt hatte, an das einvernehmliche, angenehme Schweigen zwischen ihm und dem Samurai, welches nur manchmal von Perona unterbrochen wurde.

Erst jetzt verstand Zorro, dass er sich auf dieser Insel wohlfühlte und irgendwie wollte er einfach nicht, dass diese befremdliche Harmonie durch irgendetwas gestört wurde.

Es war seltsam, eigentlich waren Veränderungen ihm gleichgültig, und eigentlich beeinflusste ihn so etwas überhaupt nicht. Uneigentlich störte es ihn aber doch. Die Dinge hatten sich verändert, aber auf Kuraigana veränderte sich doch sonst nie etwas, schließlich hasste Dulacre Veränderungen.

Auf der anderen Seite hatte Zorro damals auch nicht gerade Luftsprünge gemacht, als Robin Crewmitglied geworden war, auch da hatte am Anfang große Anspannung geherrscht und auch da hatte er die Veränderungen eher zähneknirschend als wohlwollend angenommen.

Als sie die nächste Runde antraten entschied Zorro diese Gedanken nun zu verwerfen, da sie ihn eh nicht weiterbringen würden, und sich aufs Training zu konzentrieren.

Sie sollten noch einige weitere Runden laufen, ehe sie zum richtigen Training übergehen konnten. Natürlich musste Zorro sich vorher verwandeln und umziehen, was Jiroushin nutzte, um ein schnelles Telefonat mit seiner Frau zu führen - weshalb Zorro knapp eine halbe Stunde auf ihn warten musste – aber irgendwann hatten sie sich endlich bei den Ruinen eingefunden und begannen mit dem Training.

 

-Mihawk-

Langeweile!

Wann war er das letzte Mal unterwegs gewesen und hatte sich dermaßen gelangweilt? Er konnte es nicht sagen.

Es stimmte, dass er manchmal kleine Aufträge der Weltregierung unternahm, für kurze organisatorische Gespräche mal nach Sasaki musste, oder aus anderweitigen Gründen nicht jeden Tag bei Lorenors Training anwesend gewesen war.

Aber das Wissen, dass noch nicht mal der erste Tag einer siebentägigen Reise um war, und Lorenor mit Jiroushin ohne ihn trainierte, während er hier saß und den Himmel beobachtete…

Am liebsten würde Dulacre auf der Stelle umkehren. Wenn er jetzt die Heimreise antreten würde, könnte er bereits während der frühesten Morgenstunden wieder auf Kuraigana eintreffen.

Aber wie würde das aussehen, wenn er jetzt umkehren würde?

Er konnte schon Jiroushin und Lorenor hören, wie sie sich über ihn lustig machten, seine Sorge und seine Zweifel nicht begreifen wollend.

Es gab nur einen einzigen Grund für Dulacre diese Reise hier anzutreten, und zwar um ein für alle Mal seinem Vater zu erklären, dass dieser nichts in seinem Leben zu suchen hatte. Gat brauchte weder Nataku nach ihm zu schicken noch sonst wen.

Es ging Gat auch nichts an, was Dulacre entschied mit seinem Leben anzufangen und was nicht. Dieses Recht hatte der alte Mann verwirkt, als er Dulacre damals als kleinen Jungen zurückgelassen hatte.

Das einzige Sinnvolle, was er aus dieser nervtötenden Reise erhoffen konnte war, dass sowohl Gat als auch Nataku ihre Finger von Lorenor ließen, selbst wenn er dafür alles andere verlieren musste.

Die Inseln würde Jiroushin schon irgendwie beschützen und seinen Titel hatte Dulacre an dem Tag aufgegeben, als Nataku versucht hatte Lorenor seinetwegen zu töten.

Noch gehorchte er dem Ruf der Weltregierung, aber nur solange es ihm noch von Nutzen war.

Nein, obwohl er immer noch der Meinung war, dass er einer der wenigen war, die den Titel eines Samurais – den Hunden der Weltregierung – sowohl durch Stärke als auch Intelligenz tatsächlich verdienten, so hatte er doch längst daran das Interesse verloren.

Sein Interesse galt nur noch Lorenor, Lorenor und seinem egoistischen Traum.

Seufzend betrachtete er den Himmel. Er wusste, dass weder solche Gedanken noch solches Handeln für jemandem wie ihn angemessen waren. Sich um einen unerzogenen Bengel aus dem East Blue sorgen. Sein ganzes verdammtes Leben dem Wohl dieses Jungen unterzuordnen.

Es nagte nicht nur an seinem Stolz als Adliger, als Samurai, als Schwertkämpfer. Es erniedrigte ihn nicht nur als Mihawk und als Falkenauge, nein, es war viel schlimmer.

„Ich bin wie Shanks.“

Er rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht. Nie wieder konnte er dem Roten unter die Augen treten.

Wie konnte es nur sein? Sie kamen aus verschiedensten Welten; andere Herkunft, andere Erziehung, andere Umgangsformen, andere Lebensläufe. Sie waren wie Tag und Nacht. Der eine der hochwohlgeborene Sohn einer erhabenen Adelsfamilie, der andere ein Niemand aus einem namenlosen Dorf. Der eine gebildet und Meister seiner Kunst, der andere grob und ein Fröner des Schönen und Billigem. Der eine egoistisch und eitel, der andere selbstlos und freundlich.

Doch trotz all ihrer Unterschiede waren sie nun im Endeffekt gleich.

Dulacre hatte früher nie verstanden, warum Shanks seinen Arm für irgendein Kind geopfert hatte; viel mehr noch hatte er nie verstanden, warum Shanks diesen Arm überhaupt hatte opfern müssen bei seiner Stärke – wobei er im Stillen ja immer geglaubt hatte, dass der Rote das nur getan hatte, um nicht mehr gegen ihn kämpfen zu müssen-.

Aber nun wusste er es besser, nun kannte er diese Emotionen, die den Verstand benebelten, und nun wusste er, dass er bereit war deutlich mehr zu opfern, als nur einen Arm.

„Allerdings“, murmelte er und betrachtete seine linke Hand, „werde ich wohl mit solchen selbstlosen Taten noch warten müssen, bis Lorenor mich besiegt. Schließlich will ich ihn ja nicht so enttäuschen wie du mich damals.“

Dulacre hatte immer gewusst, dass er egoistisch und selbstbezogen war. Zwei Attribute, die meist negativ belastet waren, aber ihm war das nur Recht so. Er war stolz darauf gewesen, sich um nichts scheren zu müssen, außer sich selbst. Aber es war nicht so, als ob er diese Charaktereigenschaften für Lorenor ablegte, nein, so war es ganz gewiss nicht.

Es war einfach so, dass Lorenor - ob bewusst oder nicht – seine Zufriedenheit überdurchschnittlich beeinflusste, also würde Dulacre auch weiterhin alles tun, um zufrieden zu bleiben, so einfach war es.

Aber ganz so einfach war es dann doch wieder nicht…

 

-Zorro-

Erschöpft ließ er sich auf ein Knie sinken, rieb sich mit dem Unterarm über Stirn und Gesicht.

„Na!“, hörte er Jiroushin und als er aufsah, zeigte der nicht minder hechelnde Soldat mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihn, während Schweiß seinen Ärmel hinuntertropfte. „Wärst du mal lieber nicht so viele Runden laufen gegangen. Bereust du es schon?“

Grinsend erhob Zorro sich.

„Glaubst du, so einfach mach ich schlapp? Ich bin keiner deiner drittklassigen Kadetten. Das hier ist kaum mehr als ein besseres Aufwärmen für mich.“

Der Blondschopf lachte, doch stockte als Zorro sich sein bereits arg in Mitleidenschaft gezogenes Shirt hinunterriss und neben den grünen Mantel warf, den er bereits zu Beginn ihres Kampfes ausgezogen hatte.

„Das ist sie also“, murmelte Jiroushin, auf einmal beinahe demütig, „die Narbe.“

Unbewusst strich Zorro über die verwucherte Naht auf seinem linken Schlüsselbein. Dann rieb er sich den Nacken, versuchte noch nicht einmal sein Grinsen zu verbergen.

„Es ist selten jemanden zu sehen, der einen direkten Angriff von Hawky überlebt hat. Du musst sehr stolz auf diese Narbe sein.“ Es überraschte Zorro, dass der friedvolle Krieger ihn verstand.  „Hawky zumindest achtet diese Narbe sehr, zugleich ist sie ein Zeichen seiner Achtung dir gegenüber. Ich habe noch nie erlebt, dass er einen Herausforderer am Leben ließ. Mehr noch, diese Narbe ist euer Versprechen, dass du ihn eines Tages ebenso zeichnen wirst.“

„Du weißt ja ganz schön viel über diese Narbe.“

Zorro ging wieder in Kampfposition, doch Jiroushin winkte ab, während er sich auf den Hosenboden fallen ließ.

„Natürlich, glaubst du, ich würde mich nicht an daran erinnert, wenn mein Kapitän mich nach über fast vier Jahren von sich aus anruft, nur um mir von einem unbedeutenden Piratenjäger aus dem East Blue zu erzählen?“

Jiroushin sah ihn von der Seite her an und zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß alles über dich, was es zu wissen gibt. Stundenlang hat Dulacre über dich gesprochen und mich immer wieder darum gebeten Informationen über dich einzuholen, sogar den roten Shanks hat er besucht, nur in der Hoffnung, dass er dich kennen könnte. Natürlich weiß ich, was diese Narbe bedeutet. Aber es ist ganz schön verwegen zu glauben, dass du Hawky solch eine Narbe zufügen könntest. Glaub mir, in all seinen Kämpfen hat er nicht eine einzige davongetragen.“

Zorro verschränkte missmutig die Arme. „Ich weiß, er hat es mir gezeigt“, murrte er und neigte den Kopf. „Aber um ehrlich zu sein ist mir das gerade ziemlich egal. Lass uns weiter machen.“

Der Soldat winkte erneut ab. „Ich denke, es reicht für heute.“

„Was?“, knurrte Zorro und schritt auf den Blondschopf zu. Es mochte sein, dass dieser Kerl Dulacres bester Freund war und darüber hinaus ihm noch überlegen, aber wenn der jetzt schon aufhören wollte, würde Zorro ihm Vernunft einbläuen müssen. „Die Sonne ist gerade erst untergegangen und du hast gestern noch gesagt, dass wir heute so lange kämpfen würden, bis ich nicht mehr könnte. Ich kann noch, also kämpfen wir weiter.“

Jiroushin rollte mit den Augen.

„Das hab ich doch nur gesagt, weil du unbedingt schon gestern weitertrainieren wolltest. Es ist ungesund jeden Tag bis zur vollkommenen Erschöpfung…“

„Ist mir egal!“

Der Soldat sah ihn mit großen Augen an, doch Zorro starrte nur kühl zurück.

„Ich hab das schon oft genug mit Dulacre durchgekaut und hab keinen Bock das gleiche mit dir zu diskutieren.“

Mühsam erhob Jiroushin sich. „Na, hör mal, so kannst du nicht…“

„Ich bin nicht so ein Grünschnabel von deinen Kadetten, kapiert? Mir reicht es nicht irgendein Durchschnittsschwertkämpfer zu sein. Ich will Dulacre besiegen und das am besten, bevor er vor Altersschwäche anfängt mit den Knochen zu knacken.“

„Das verstehe ich ja, aber…“

„Wirklich?“

Zorro hatte kein Problem damit den anderen zu unterbrechen und er merkte dem Blondschopf an, dass dies ihn überraschte. Er hatte Respekt vor Jiroushin, dem friedvollen Krieger, fünftbester Schwertkämpfer der Welt, ehemaliger Vizekapitän Falkenauges und Dulacres bester Freund seit Kindheitstagen. Er vertraute auf Mihawks Urteil, dass Jiroushin ihm helfen konnte besser zu werden, aber Zorro würde sich auf keinen Fall ausbremsen lassen, weder von Dulacres nerviger Sorge noch von Jiroushins Bedenken.

„Nimm es mir nicht übel, aber ich bezweifle, dass du es wirklich nachvollziehen kannst. Daher kannst du wahrscheinlich auch nicht verstehen, warum ich mich nicht schonen kann, es nicht ruhiger angehen…“

„Du bist ganz schön unverschämt.“ Mit verschränkten Armen sah der Soldat zu Zorro hinab. „Mir mag vielleicht dein und Hawkys Kampfgeist fehlen, aber unterschätze mich nicht, Lorenor Zorro, sonst wirst du es bereuen.“

Es war keine ernsthafte Drohung und doch wirkte der Vizeadmiral alles andere als freundlich.

„Ich verstehe sehr wohl wie du tickst. Du bist nicht besonders schwer zu lesen, nicht für jemanden der Dulacre so lange kennt wie ich.“

Zorro verzog keine Miene, obwohl es ihm leicht sauer aufstieß. Es war nicht so, dass er es darauf anlegte als geheimnisvoll rüber zu kommen, so wie es Robin und Dulacre gerne taten, aber dennoch mochte er es gar nicht als leicht lesbar beschrieben zu werden.

„Ich verstehe, dass du viel von dir verlangst“, sprach Jiroushin nun weiter. „Du bist erbarmungslos, gnadenlos, dir gegenüber fast noch mehr als bei deinen Gegnern. Das ist mir durchaus bewusst. Wie gesagt, ich habe viele Informationen über dich einholen müssen. Und mir ist auch bewusst, dass du nicht nur dir selbst sondern auch Hawky einiges beweisen willst und deswegen das meiste aus diesen zwei Wochen hier herausholen möchtest.“

Langsam verstand Zorro, warum dieser Kerl ein begehrter Lehrer innerhalb der Marine war, er war wirklich ein helles Köpfchen, vermutlich schlauer als Zorro es überhaupt erfassen konnte. Aber das hier war nicht die Marine und er war kein gewöhnlicher Lehrling.

„Trotzdem halte ich es für falsch, wenn du zu häufig über die Grenzen, die dein Körper dir aufzeigt, hinausgehst. Gerade im Training, wenn das nicht sein muss. Außerdem…“, sprach der Vizeadmiral direkt weiter und hob eine Hand, um Zorro zu unterbrechen als er den Mund öffnete. „Außerdem hast du das Prinzip bereits verstanden. Das einzige was dir fehlt ist die schlichte Übung und die wird mit der Zeit kommen. Aber da sprechen wir nicht von zwei Wochen, sondern von Monaten, Jahren. So wie deine Hakifertigkeiten mit der Zeit immer selbstverständlicher werden, so wird auch dies dir mit der Zeit immer leichter fallen.“

Leicht verwirrt neigte Zorro den Kopf.

„Wie meinst du das?“, fragte er misstrauisch.

Es stimmte, dass er im Laufe des Tages immer besser darin geworden war, auch in Bewegung darauf zu achten, welches der beiden Hakis in seinem Körper er einsetzte. Vor wenigen Stunden hatten sie sogar mit leichten Standartkampfübungen begonnen, aber es war anstrengend für ihn. Es viel ihm schwer sich auf alles gleichzeitig zu konzentrieren. Welches Haki er nahm, sowohl Observations- als auch Rüstungshaki einzusetzen und dann noch die Bewegungsabläufe möglichst fehlerfrei umsetzen und Jiroushin in der halben Sekunde, in der sich ihre Bambusstöcke kreuzten, auch noch Haki absaugen.

Es war anstrengend und obwohl Zorro körperlich noch lange nicht an seine Grenzen gekommen war, so war er doch erschöpft. Er musste besser werden, es durfte ihn nicht so fordern.

Nun schüttelte Jiroushin leicht den Kopf, ehe er leicht lächelte.

„Es ist völlig normal, dass du erschöpft bist, Lorenor Zorro. Du muss auf viele Dinge gleichzeitig achten. Die Standartübungen mögen dir schon in Fleisch und Blut übergegangen sein, aber du bist ein Neuling im Bereich der Hakianwendung. Viele, die das Haki erst so seit so kurzem trainieren wie du, wären bereits überfordert beide Variationen gleichzeitig einzusetzen, du musst aber noch zusätzlich Haki absorbieren und jede Sekunde entscheiden, welches Haki du einsetzt. So viele Aufgaben auf einmal zu bewältigen, würde jeden zunächst überfordern. Aber mit der Zeit wird es für dich zur Gewohnheit werden. Ganz so, wie du bei diesen simplen Bewegungsabläufen früher als Anfänger auf jeden Muskel achten musstest, auf jedes Körperteil und auf deine Balance, und jetzt ist es für dich ganz selbstverständlich.“

Jiroushin zuckte mit den Achseln.

„Ich weiß, um ehrlich zu sein nicht, was du von mir willst. Meine Aufgabe war es dir beizubringen, auch im Kampf zu unterscheiden, welches Haki du einsetzen kannst, bis Hawky wieder da ist. Wir haben zwar kaum einen Tag gebraucht, aber du kannst es doch. Alles was dir jetzt noch fehlt, ist Übung und die wirst du heute nicht mehr bekommen. Du bist bereits geistig sehr erschöpft und wenn wir jetzt weiter trainieren wirst du nur unkonzentriert und dann wirst du Fehler machen. Also, du hast geschafft, was dein Lehrmeister von dir wollte, und damit würde ich sagen sollten wir es für heute gut heißen.“

„Nein.“

Kopfschüttelnd ging Zorro wieder in Kampfposition.

„Was ist dein Problem?“, murrte Jiroushin und warf beide Hände in die Luft. „Wir haben noch fast zwei Wochen Zeit und du hast das Ziel dafür bereits heute erreicht. Was willst du denn noch?“

Nun grinste Zorro.

„Ich will gegen dich kämpfen.“

„Was?“

„Ja klar, gestern sagtest du, wir würden heute kämpfen, richtig kämpfen, nicht diese paar Ausfallschritte vor und zurück. Mag sein, dass ich erschöpft bin, mag sein, dass ich jetzt Fehler mache. Aber dann ist es doch deine Aufgabe mich zu korrigieren, oder nicht?“

Jiroushin sah ihn beinahe ausdruckslos an.

„Mir ist egal, ob ich Dulacres Hausaufgaben bereits erfüllt habe oder nicht. Darum geht es mir nicht. Ich will so gut werden wie möglich, innerhalb der Zeit, die ich habe. Ich weiß, dass Dulacre mir beibringen wird, wie ich diesen Zustand - wenn ich durchdrehe - kontrollieren lerne, also muss ich alles andere bis dahin so gut beherrschen wie nur irgendwie möglich. Du sagst, mir fehlt dafür nur die Übung; ich sage, lass uns üben.“

Für wenige Sekunden reagierte der Soldat überhaupt nicht, doch dann nickte er, zog den Bambusstab aus seinem Stiefel und ging ebenfalls in Kampfposition.

„Nun gut, ich kenne Sturköpfe wie dich. Dann ernte die Früchte deiner Starrköpfigkeit. Du willst kämpfen, also kämpfen wir. Für jeden Fehler, den du machst, wirst du morgen früh zehn Runden mehr laufen. Mal sehen, ob du dann immer noch so vorlaut bist.“

Zorros Grinsen wuchs.

„Gewagt von dir zu glauben, dass mich so etwas einschüchtert und nicht etwa anspornt.“

Anstatt zu antworten, griff Jiroushin an.

Es war ein Kampf wie Zorro ihn mochte. Hatten ihn vorher Kopfschmerzen geplagt, verschwanden sie schnell im Rausche der Auseinandersetzung. Es war schwierig und ja Zorro machte Fehler, aber es machte auch verdammt viel Spaß und er merkte, dass er bereits heute besser war, als noch bei seinem letzten Kampf gegen den Vizeadmiral vor zwei Tagen.

Auch Jiroushin schien Gefallen an der Nachhilfestunde zu haben. Er genoss es sichtlich, Zorro für jede Lücke in der Abwehr, jeden zweitklassigen Angriff und jeden sonstigen Fehler büßen zu lassen, aber nicht einmal zerbrach Zorros Bambus.

Mit der Zeit wurde aus der kühlen Lehrstunde ein fast freundschaftlicher Schlagabtausch. Während Zorro zum wiederholten Male den Boden küsste, lachte Jiroushin laut auf und neckte ihn, doch Zorro revanchierte sich nur zu gerne, wenn er sich unter der eisernen Abwehr des Vizeadmirals durchmogelte oder sie einfach mit roher Gewalt niederriss.

Ganz unerwartet endete ihr Kampf als Zorro dem Blondschopf den Bambus aus der Hand riss und dieser gegen eine umgestürzte Ruine prallte und zersplitterte. Überrascht sahen beide Schwertkämpfer einander an, ehe Jiroushin anerkennend nickte.

„Vielleicht muss ich mich bei Hawky entschuldigen. Du bist doch etwas talentierter, als ich zugeben wollte.“

Zorro entgegnete nichts, was aber hauptsächlich daran lag, dass er zu beschäftigt damit war nach Luft zu hecheln.

Ihr letzter Schlagabtausch hatte ihn an die Grenzen seiner Fähigkeiten gebracht, nicht nur was das Haki betraf, sondern auch seine Kampffertigkeiten. Es mochte sein, dass Zorro den Mann vor sich bald übertreffen würde, aber die jahrzehntelange Erfahrung würde er nicht so schnell einholen können.

„Bist du jetzt damit einverstanden, dass wir das Training für heute beenden?“

Nickend ließ Zorro sich auf die Knie sinken, stütze sich mit beiden Händen vom Boden ab.

Ein dumpfes Plop bedeutete ihm, dass auch Jiroushin sich hatte auf den Boden fallen lassen.

„Du bist schon unglaublich“, schnaubte der Vizeadmiral auf, „du kannst gar nicht anders, als in jedem Kampf alles zu geben. Deswegen steigerst du dich sogar noch mitten drin, oder?“

Zorro zuckte nur mit den Achseln und brachte sich in eine aufrecht knieende Position, um den anderen ansehen zu können. Glücklicherweise sah Jiroushin nicht minder erschöpft aus.

Der Ältere schmunzelte Zorro an, so wie er ihn damals auf Sasaki angegrinst hatte.

„Du bist ein Vollidiot. Dir ist bewusst, dass das hier nur Training ist, oder? Und morgen musst du zusätzlich zu deinen 50 Runden noch 70 weitere rennen. Wenn ich dich so ansehen, glaube ich, dass ich morgen einen freien Tag haben werde.“

Leise auflachend rutschte Zorro auf seinen Hintern, um bequemer sitzen zu können.

„Mach dir keine Sorgen, ich werde dich auch morgen herausfordern.“

Jiroushin hob nur eine Augenbraue an, ehe er sich gegen einen großen Stein lehnte und die Arme verschränkte.

„Meinetwegen.“

Sie verstummten, während sie beide neue Kraft tankten.

Mit der Fußspitze trat Zorro seinen Bambus zur Seite.

„Ich frag mich, wie lange Mihawk mir noch verbietet mit meinen Schwertern zu kämpfen“, murrte er mehr zu sich selbst, als zum Soldaten.

„Vermutlich, bis du deinen wahnhaften Zustand kontrollieren kannst“, mutmaßte Jiroushin. „Wobei dein Rüstungshaki meiner Meinung nach bald stetig genug sein sollte, damit du dich an echten Schwertern ausprobieren kannst.“

Offensichtlich erheitert lachte der Soldat auf.

„Ach, mein Gott, guck doch nicht so. Du lernst halt schnell. Wenn du sicherer darin geworden bist, welches Haki du einsetzt, können wir uns meinetwegen gerne mal an richtige Waffen wagen.“

„Echt jetzt?“

Vielleicht würde Zorro es doch noch genießen, dass sein strenger, aber überbesorgter Lehrmeister mal für ein paar Tage weg war.

Erneut lachte Jiroushin auf.

„Unglaublich, jetzt sehe ich die Ähnlichkeit zwischen dir und Loreen, wenn du mich so anstrahlst.“

Errötend bemühte Zorro sich, seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Wobei ich auch schon gespannt bin zu sehen, wie Hawky vorgehen wird“, murmelte Jiroushin. „So eine Manie sieht man ja auch nicht alle Tage.“

Etwas gefasster erhob Zorro sich und begann damit sich zu dehnen, um einen Muskelkater zu verhindern.

„Was würdest du denn machen?“, fragte er neugierig. Dulacre war bisher ziemlich ungenau in seinen Erklärungen gewesen. Zorro hatte bis vor kurzem noch gedacht, dass kontrollieren bedeuten würde, dass er nicht mehr diesen seltsamen Zustand erreichen würde; jetzt wusste er, dass er ihn sehr wohl erreichen sollte, aber ohne dabei den Verstand zu verlieren. Aber wie das genau gehen sollte, davon hatte der Samurai noch kein Sterbenswörtchen verraten.

Jiroushin kratzte sich am Hinterkopf.

„Tja, du bist halt schon ein seltsamer Fall. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde nicht schon drüber nachgedacht zu haben.“ Der Blondschopf stand auf und begann sich mit Zorro zu dehnen. „Wie es im Kampf passiert ist, also dass du erst Unmengen an fremden Haki aufgenommen und dann dein eigenes abgegeben hast bis du diesen Zustand erreicht hattest, gefällt mir nicht. Es ist schwerer zu kontrollieren und somit gefährlicher für dich.“

Verwirrt richtete Zorro sich auf. „Das verstehe ich nicht.“

Jiroushin nickte sachte. „Damit du lernen kannst diesen Zustand zu kontrollieren, musst du ihn bewusst herbeiführen können. Aber damit meine ich nicht wie es im Kampf gegen mich geschehen ist. Das war viel zu ungenau. Ich würde genau den Moment bestimmen wollen, an dem du die Kontrolle verlierst und dann mit dir an dieser Schwelle bleiben.“

„Was für eine Schwelle?“

Sie sahen einander an.

„Die Schwelle an dem das fremde Haki stärker wird als dein eigenes und dein Körper entscheidet die Kontrolle zu übernehmen, um dich zu retten.“

„Aber warum?“, murmelte Zorro. „Dulacre hat gesagt, ich muss zum Monster werden. Aber du hast gesagt, ich müsste nur die mentale Selbstregulation überwinden. Ich dachte, das wäre das gleiche.“

Kopfschüttelnd dehnte Jiroushin seine Schultern.

„Nein, es sind wohl nur zwei Seiten derselben Münze, aber du wirst dennoch beide brauchen, um gegen Dulacre bestehen zu können, da stimme ich ihm schon zu. Wenn du jenen Zustand kontrollieren kannst, wirst du in der Lage sein, alle Kräfte in deinem Körper auf einmal zu entfalten, gemeinsam mit der Überwindung der mentalen Selbstregulation, kannst du sogar die Grenzen deines eigenen Körpers hinter dir lassen, genau wie Dulacre. Aber je länger dieser Zustand anhält, desto schwerwiegender werden die Folgen für deinen Körper sein. Du hast ja schon bemerkt, wie sehr dich nur eine halbe Minute belastet.“

Zorro entgegnete nichts.

„Ich denke ich würde dich erst etwas Haki verbrauchen lassen und dann würden wir uns in kleinen Schritten der Schwelle nähern, das wäre viel sicherer als anders herum wie wir im Kampf bereits gesehen haben und falls du Gefahr laufen solltest die Kontrolle zu verlieren, gibst du einfach etwas vom fremden Haki ab. Ja, ich denke so würde ich es in etwa machen.“

Wieder schwiegen sie für eine ganze Weile und führten ihr Dehnen in einvernehmlicher Stille durch.

„Du bist ja ganz schön schweigsam, Lorenor Zorro. Du hältst nichts von meinem Vorschlag, oder? Wahrscheinlich viel zu brav im Verhältnis zu dem was Hawky vorhat.“

Zorro schnaubte nur leise auf. Es war nicht so, als ob Mihawk bereitwillig Risiken einging, solange es mit Zorro zu tun hatte.

„Das ist es nicht“, murrte er nur, schließlich wusste er nicht einmal was der Plan des Samurais war. „Aber könntest du nicht aufhören mich immer so anzusprechen, als würdest du mir im nächsten Satz die Anklage vorlesen? Ich weiß schon, wie ich heiße, keine Sorge.“

„Tze.“ Jiroushin richtete sich auf und stemmte beide Händen in die Hüften. „Was soll ich denn machen? Hawky wurde ziemlich wütend, als ich dich bei deinem Nachnamen nannte.“

Zorro zuckte mit den Schultern.

„Na und? Ist sein Problem, oder nicht? Ich weiß, du kannst mich nicht wirklich leiden, aber es ist echt nervig, okay? Kannst du mich nicht einfach Zorro nennen, wie alle anderen mit denen ich ein paar Sätze gewechselt habe?“

Nun richtete Zorro sich auch auf und betrachtete den anderen.

„Hawky nennt dich nicht Zorro?“

„Ja, der Typ hat sie ja auch nicht mehr alle.“

Seufzend wandte sich der Soldat um und schritt zu seinem Schwert hinüber.

„Nun ja, meinetwegen. Zorro also. Aber das macht uns nicht zu Freunden, verstanden?“

Abwehrend hob Zorro beide Arme und sammelte seine verstreuten Klamotten ein. Dann folgte er dem Vizeadmiral zum Schloss.

„Sag mal“, murmelte Zorro dann hinter dem Soldaten, „kann ich dich was fragen?“

„Hmm?“ Jiroushins Locken wippten wild, als er sich zu ihm umwandte.

„Wenn ich in den nächsten Tagen etwas geübter werde, würdest du es mit mir ausprobieren?“

Der Soldat blieb stehen und sah ihn misstrauisch an. „Was soll ich mit dir ausprobieren?“

„Deine Methode. Dulacre hat mir noch überhaupt nicht erklärt, was er vorhat und ich…“

„Auf keinen Fall!“ Jiroushin setzte seinen Weg fort. „Bist du wahnsinnig? Hawky würde durchdrehen, falls irgendetwas schiefgehen sollte.“

Zorro beeilte sich dem Soldaten zu folgen.

„Aber…“

„Nichts aber! Was für eine wahnwitzige Idee.“

„Jiroushin…“

Am Tor blieb der Vizeadmiral plötzlich stehen und Zorro rannte beinahe gegen ihn.

„Ich denke, du hast noch nicht begriffen, was hier auf dem Spiel steht.“

Jiroushin drehte sich zu ihm um, er wirkte viel zu ernst für sein sonst so freundliches Gesicht.

„Ist dir bewusst, in was für einer Situation wir uns hier befinden? Ich begehe Hochverrat wegen dir und Dulacre hat mir dein Leben anvertraut.“

„Was zur…“

„Meine Ehre verlangt von mir, dass ich dich auf der Stelle umbringe, gleichzeitig muss ich mit meinem Leben verhindern, dass dir etwas geschieht. Ich werde keine Experimente mit dir machen, die dich gefährden könnten, nur um mir dann vorzuwerfen, das Leben meines besten Freundes zerstört zu haben. Wir werden nie Freunde sein, weil du das Leben unzähliger meiner Kammeraden genommen hast und du mein Erzfeind sein solltest.“

Tief seufzte der Vizeadmiral auf und als er Zorro dann ansah, schlich beinahe ein sanftes Lächeln über seine Lippen.

„Aus der Tiefe meines Herzens will ich dich wirklich, wirklich hassen. Ich wünschte mir könnte egal sein, was aus dir wird. Dann könnten wir gerne meinen Vorschlag ausprobieren. Aber Fakt ist nun mal…“

„Dass dieser Mistkerl eines Samurais einen Narren an mir gefressen hat und da ihr Freunde seid, ist es dir nicht egal, ob ich draufgehe oder nicht“, beendete Zorro den Satz des anderen, unsicher was diese Situation sollte, aber mehr noch genervt darüber, dass der Soldat die beschwerliche Fürsorge seines dramatischen Lehrmeisters als Ausrede nahm.

Nickend öffnete Jiroushin die Tür und schritt hinein.

„Genau, das und…“ Leise lachte der Soldat auf. „Und die Kleinigkeit, dass ich dich einfach nicht nicht leiden kann, so sehr ich es auch versuche.“

„Was?“ Doppelte Verneinung war nicht Zorros Stärke.

„Aber wie gesagt, wir sind keine Freunde, verstanden, Zorro?“

Augenrollend folgte er dem Älteren.

„Oh man, du bist mir echt zu kompliziert. Fast noch schlimmer als Dulacre.“

„Tja, willkommen in der Erwachsenenwelt. Nicht jeder von uns kann tun und lassen, was er will. Wir haben Verpflichtungen und manchmal konkurrieren diese mit unseren persönlichen Wünschen.“

Mittlerweile staksten sie die Treppe hinauf zum langen Flur von Gemächern.

„Was auch immer du damit sagen willst.“ Zorro lachte leicht auf und wisch sich mit seinem zerschlissenen Hemd über die verschwitzten Schultern als er seine Zimmertür erreichte. „Mein einziger Wunsch ist gerade eine heiße Dusche.“

Jiroushin streckte ihm einen Daumen hoch entgegen, während er den Flur weiter entlang schritt.

„Gute Idee. Meine ruft auch schon. Aber hey, warte mal.“

Sich bereits das Oberteil am ausziehen wirbelte der Soldat dann zu Zorro herum.

„Du solltest vielleicht besser ein Bad nehmen, damit sich deine Muskeln nicht zu sehr verspannen, und denk dran etwas Vernünftiges zu Essen. Damit meine ich nicht nur Reis in Algenblättern, verstanden?“

„Wie glaubst du eigentlich habe ich die letzten zwanzig Jahre überlebt?“

Der Blondschopf zuckte mit den Achseln, ein schmuckes Grinsen im Gesicht. Dann tat er es Zorro gleich und rieb sich mit seinem Hemd den Schweiß vom Körper.

„Geh früh schlafen. Du musst morgen einige Runden laufen, wir werden daher zwei Stunden vor Sonnenaufgang anfangen, damit wir danach noch genug Zeit für den echten Kampf haben.“

„Wie Ihr befehlt, Meister.“ Zorro verbeugte sich übertrieben und verabschiedete sich dann mit einem Wink in sein Zimmer.

Doch sobald die Tür zufiel verschwand sein Grinsen.

Es ist nicht mein Körper, der von Narben gezeichnet ist.

Anscheinend hatte er Dulacres Worte damals falsch verstanden.

Ich habe noch nie erlebt, dass er einen Gegner am Leben ließ.

Plötzlich verstand Zorro, was es in Wirklichkeit mit dem kämpfenden Schatten auf sich hatte, warum Dulacre damals als Pirat so gut wie nie selbst gegen Gegner gekämpft hatte, sondern Jiroushin den Vortritt gelassen hatte.

Langsam wurde Zorro ganz heiß. Was für einen Gegner hatte er da nur gefunden?

Kapitel 41 - Namen

Kapitel 41 – Namen

 

-Mihawk-

„Guten Morgen, Herr… Aber warten Sie doch bitte… Sie können doch nicht einfach…“

„Aus dem Weg.“

„Ich bitte Sie mein Herr, das hier ist der…“

Dulacre riss die Türe auf. Das Pflegepersonal und die Soldaten, die versucht hatten ihn aufzuhalten, sowie die Menschen im Raum, erstarrten alle als er eintrat.

Doch sein Blick lag auf dem aschfahlen Mann, der mit weißer Robe in einem ebenso weißen Bett saß. Das einst volle rabenschwarze Haar war schüttern und grau, der einst sorgsam gepflegte und gezwirbelte Schnurrbart verdrängt von einem rauen Mehrtagebart, die einst kühlen dunklen Augen waren dumpf und vergilbt, der einst muskulöse und aufrechte Körper war abgemagert und zusammengesunken.

Das also sollte der einst so respektierte Vizeadmiral sein, Verfechter der Gerechtigkeit und ehemaliger Anwärter auf den Posten des Großadmirals? Nun ja, solch goldene Zeiten lagen nun fast schon dreißig Jahre zurück, bevor jener Mann Frau und Tochter, sowie Stolz und Würde verloren hatte.

Mihawk Gat war ein Schatten seiner selbst und Dulacre bereute es nicht, ihn über Jahre nicht gesehen zu haben. Es lag unter seinem Niveau einem solch erbärmlichen Verfall beizuwohnen. Dieser Mann war eine Schande für den Namen seiner Mutter.

„Mein Sohn.“ Selbst seine Stimme hatte nichts mehr von der früheren Autorität, von dem unstreitigen Respekt, den dieser Mann Dulacre in seiner Kindheit eingebläut hatte.

Es widerte Dulacre an, dass das Blut dieses Mannes durch seine Adern floss.

„Verlasst den Raum.“

Sämtliche Anwesende, Ärzte, Pfleger, Soldaten, beugten sich Dulacres Befehl, ließen ihn und dem Mann im Bett allein.

Dieser zeigte ein fast ehrliches Lächeln. Zumindest vermutete Dulacre, dass dies sein echtes Lächeln war, sicher war er sich allerdings nicht, schließlich kannte er bisher nur das falsche Lächeln seines Vaters, welches er nur zu gerne Gästen geschenkt hatte.

„Du bist also doch gekommen. Ich hatte nicht zu hoffen…“

„Deine Hoffnung ist vergebens. Ich bin es schlicht leid, dass du deine Hunde nach mir aussendest.“

Mit verschränkten Armen schritt er durch den Raum.

„Glaube mir, mein Sohn, wäre ich in einer Verfassung zu reisen oder wärest du in einer Gemütslage, dass ich dich hätte kontaktieren können, hätte ich Nataku nicht damit belasten müssen…“

„Ich bin nicht hergekommen, um über diesen streuenden Köter zu sprechen, nur um dir zu sagen, dass du dich aus meinen Angelegenheiten heraushalten sollst.“

„Mein Sohn, ich bitte dich, können wir nicht zumindest…“

„Nur weil dein Blut durch meine Adern fließt, bin ich noch lange nicht dein Sohn. Ich habe nicht vor noch mehr Zeit mit einem Gespräch voller Floskeln und geheuchelter Höflichkeit zu verschwenden, ist das deutlich genug?“

Nun stand er direkt vor dem Krankenbett des alten Mannes, fragte sich ob nur die Unmengen an Alkohol hierfür verantwortlich waren oder ob dieser Mann das Ebenbild seiner eigenen Zukunft war.

Sein Vater seufzte schwer und lehnte sich gegen das aufgerichtete Kopfteil seines Bettes.

„Ja, das war sehr deutlich“, antwortete Gat und sah ihn traurig an, „aber wenn dies das letzte Gespräch sein soll, das wir miteinander führen werden, kannst du dann nicht wenigstens ein paar Minuten opfern?“

Für einen Moment schwiegen sie beide, dann schnalzte Dulacre mit der Zunge und hob ergebend beide Hände. Mit langen Schritten trat er an den Besuchersessel heran und ließ sich reinfallen, überkreuzte die Beine.

„Nun gut. Ein paar Minuten unbedeutenden Austausch kann ich wohl verschwenden. Worüber willst du reden?“

„Zu gütig“, murmelte der alte Mann und lachte hohl. Selbst das Lachen war Dulacre fremd, erinnerte ihn aber eher an das falsche Lachen, wenn Gäste zu Besuch waren als dieses ehrliche Lächeln. „Es ist lange her, dass wir miteinander sprachen. Wie ist es dir ergangen, Sohnemann?“

„Besser, wenn ich diesen Stützpunkt hinter mir gelassen habe.“

„Könntest du wenigstens die Farce aufrechterhalten als würdest du dich bemühen dieses Gespräch führen zu wollen? Wenn du mir schon nicht den Respekt entgegenbringst, den ich als dein Vater verdiene.“

Simultan schnalzten sie mit der Zunge, unzufrieden über den Verlauf der Dinge und uneinsichtig über das jeweilige Verhalten.

„Nataku sagt du lägest im Sterben, für einen Toten sprichst du mir jedoch zu viel.“

Der alte Mann lachte leise.

„Und du redest recht ungezügelt für die Erziehung, die ich dir habe zukommen lassen. Ich kann mich nicht erinnern solch respektlosen Umgang je gutgeheißen zu haben.“

„Oh, werter Herr Vater, diesen Respekt habt Ihr vor langer Zeit verwirkt und ich bin zu nachtragend, um zu vergessen.“

Kalt sahen sie einander an, dann hob Gat nachgebend eine Hand.

„Wie du willst. Wer bin ich schon, um dem rechtmäßigen Erben des Mihawk Geschlechts zu tadeln?“

„Ja, wer bist du schon?“

Das falsche Lächeln des alten Mannes gefror für den Bruchteil einer Sekunde, doch war er zu gut in politischen Machenschaften gebildet, um es sich länger anmerken zu lassen.

„Wie dem auch sei, nein, ich liege nicht auf dem Sterbebett, auch wenn es dich enttäuschen mag. Mein Körper arbeitet nicht mehr wie er sollte, aber noch arbeitet er. Bald wird es mir besser gehen und ich werde zumindest meine beratenden und beaufsichtigenden Tätigkeiten wieder aufnehmen können.“

Dulacre entgegnete nichts.

„Aber dir ist das selbstredend gleichgültig, nicht wahr?“

„Warum sollte Ich Mitleid mit einem Narr haben, der die Torheit besaß, seinen eigenen Körper so zuzurichten?“

„Wenn es mir besser geht“, sprach Gat weiter, als ob Dulacres Worte ihn nicht stören würden, „dann würde ich gerne Lady Loreen kennen lernen.“

„Und das werde ich mit allen Mitteln zu verhindern wissen.“

Nun zum ersten Mal zeigte der alte Vizeadmiral einen fast schon traurig-überraschten Gesichtsausdruck.

„Hasst du mich so sehr?“

Dulacre lächelte kühl. „Ach bitte, du bist nicht bedeutsam genug, als dass ich irgendeine Art von Gefühlen an dich verschwenden würde. Und wo wir schon dabei sind, ich denke ich habe genug Zeit an diese sinnlose Konversation verschwendet. Daher werde ich nun zum eigentlichen Grund meines Besuches kommen.“

Er erhob sich.

„Wie du wünschst“, entgegnete der alte Mann und streckte seinen Rücken, eine schwache Erinnerung an seine Zeit als einfacher Kadett.

„Ich bin hergekommen, um klarzustellen, dass weder du noch Nataku noch irgendetwas in meinem Leben verloren haben und solltest du ihn noch einmal nach mir aussenden, dann werde ich mir die Freiheit nehmen ihn dafür büßen zu lassen.“

„Mein Sohn, ist das nicht…“

„Keiner von euch ist mir willkommen, habe ich mich verständlich gemacht? Ich hege kein Interesse daran ob du lebst oder stirbst und wenn es mich mein Erbe kosten soll, dann sei es so.“

Gat sah ihn für einige Sekunden einfach nur an, ehe er nickte: „Auch wenn ich die Entwicklung sehr bedauere, so wissen wir doch beide, dass ich dir nicht vorenthalten kann, was rechtmäßig dir gehört. Ich habe in jene Familie nur eingeheiratet, du aber bist ein wahrer Mihawk. Nach Taruchies und Sharaks Tod auch der letzte. Ich war nur der offizielle Verwalter der Inseln, bis du zwanzig wurdest, seit jenem Tag bist du Herr der Inseln und es gibt nichts was ich dagegen tun könnte.“

„Ich habe kein Interesse an den Inseln. Wenn du oder Nataku sie haben wollt, ist mir das gleichgültig.“

Nun schüttelte der alte Mann den Kopf.

„Es ist traurig, wie wenig dir dein Name - der Name deiner Mutter - nur noch bedeutet. Dein Erbe einfach so darzubieten, wie einen alten Gaul. Unbeachtet unserer Differenzen dachte ich immer, du wärest stolz darauf ein Mihawk zu sein.“

Mit verschränkten Armen wandte sich Dulacre dem Fenster zu.

„Vielleicht habe ich ja auch einfach mittlerweile eingesehen, dass es wichtigere Dinge gibt als ein paar zufällig aneinandergereihte Buchstaben.“

„Das fällt mir nun doch recht schwer zu glauben. Liegt dein so seltsamer Sinneswandel an dieser Lady Loreen?“

Er entgegnete nichts, sondern sah auf den Innenhof der Festung, auf dem mehrere Hundert Kadetten mehr schlecht als recht den Schwertkampf übten. Es tat seinen Augen weh zu sehen wie sie die schwertförmigen metallenen Klumpen durch die Luft schwangen wie Barbaren ihre Keulen.

„Ich muss gestehen, dass ich anfangs, als ich von dieser Lady Loreen gehört habe, befürchtete, dass sie nur wegen deines Namens und deines Erbes an dir Interesse zeigte.“

„Etwa so wie Nataku?“, kommentierte Dulacre abfällig.

„Nun ja, ein hübsches Ding, welches sich auch noch in der Gesellschaft zu benehmen weiß. Ich habe gehört sie arbeitet jetzt mit Rishou Eizen zusammen, und dabei ist sie noch fast ein Kind, und deine soziale Intelligenz hat immer schon zu wünschen übriggelassen. Es gab für mich allen Grund misstrauisch über ihre Motive zu sein.“

„Weil es so abwegig ist, dass mich ein Mensch einfach meiner selbst wegen wertschätzen könnte, nicht wahr?“

„Leg mir nicht Worte in den Mund, mein Sohn. Ob es dir passt oder nicht, du bemühst dich nicht gerade darum von anderen gemocht zu werden. Aber ja ich muss gestehen, dass ich langsam doch die Hoffnung hege, dass sie deinetwillen bei dir bleibt.“

Nun schwieg Dulacre wieder.

„Denn ob du es glaubst oder nicht, auch wenn ich dir egal sein sollte, ich würde mir sehr für dich wünschen, dass du glücklich bist, sesshaft wirst und vielleicht sogar Kinder kriegst und wenn dieses Mädchen dir diesen Weg zeigen kann, dir zurück auf den rechten Pfad helfen kann, dann bin ich ihr zu tiefen Dank verpflichtet.“

Schmunzelnd wandte Dulacre sich nun von den bedauerlichen Kampfversuchen ab.

„Du missverstehst die Zeichen. Ich habe nicht vor dem rechten Pfad zu folgen, mehr denn je bin ich bereit meine Fesseln abzustreifen, wenn nur der rechte Zeitpunkt gekommen ist.“

Er schritt durch den Raum, blieb jedoch stehen.

„Außerdem werde ich nie Kinder haben. Anders als du bin ich der Meinung, dass es für alle Beteiligten besser wäre, wenn nicht jeder dahergelaufene Idiot darauf bestehen würde, sich fortzupflanzen.“

„Dann wirst du das Geschlecht der Mihawks also mit dir aussterben lassen?“

Er wandte sich nicht um.

„Das Geschlecht der Mihawks ist schon vor langer Zeit ausgestorben; damals als sie zu Himmelsdrachenmenschen wurden, starben sie aus und als Yakumo sie verließ, hat er ihren Untergang besiegelt.“

„Was für eine traurige Ausrede für einen Mann deines Formats. Aber auch hier möchte ich dir widersprechen. Trotz allem was geschehen ist, trotz all der Fehler, die ich begangen habe, so habe ich es doch nie bereut, Vater zu sein.“

Leise lachte Dulacre auf, sah die Türe vor sich an.

„Als wärest du je ein richtiger Vater gewesen.“

„Ich möchte mich nicht länger von dir beleidigen lassen, stattdessen bitte ich dich noch um eine Antwort, ehe du dieses Gespräch einfach beendest.“

Mit hochgezogener Augenbraue drehte Dulacre sich zu dem alten Mann im Bett um.

„Wenn ich es richtig verstehe bist du im Begriff deinen Titel als Samurai aufzugeben und somit wieder ein verfolgter Gesetzesloser zu werden. Gleichzeitig bietest du dieser Lady Loreen jedoch Heim und Schutz. Ist es dir gleich, was du ihr mit dieser Entscheidung antun würdest?“

Dulacre konnte ein Lächeln nicht verhindern.

„Wieder missverstehst du. Meine junge Gesellschaft ist wohl der Grund warum ich bereit bin die Dinge zu verändern.“

Zum ersten Mal erinnerte der Mann im Bett Dulacre tatsächlich an seinen Herrn Vater aus Kindertagen. Seine dunklen, vergilbten Augen waren neugierig, glitzerten beinahe vor Interesse und Ernsthaftigkeit. Seine Stirn warf konzentrierte Falten und er hatte sich so weit nachvorne gelehnt, dass er drohte sein Bett bald zu verlassen.

„Dann erlaube mir noch eine letzte Frage an dich zu stellen, als dein Vater.“

Der Samurai schwieg und gab sein stilles Einverständnis.

„Bist du mit Lady Loreen an deiner Seite glücklich?“

Diese Frage überraschte Dulacre dann doch. Er hatte mit allem gerechnet, mit jedem Vorwurf, jeder Bitte, jeder Klage, aber alles in ihm sträubte sich dagegen diese Frage mit ehrlichem Interesse zu verwechseln.

„Du brauchst ziemlich lange für eine Antwort.“

Kopfschüttelnd entschied Dulacre, dass nichts was er diesem Mann sagen würde, gefährlich für ihn sein würde. Langsam drehte er sich um und erlaubte sich zum ersten Mal ehrlich zu lächeln.

„Tze, was für ein sentimentaler Irrsinn.“

„Ist das ein Ja?“

„Es ist was es ist. Ich glaube nicht an solch gefühlsduselige Mätzchen, aber wenn du mich fragst ob ich zum ersten Mal in meinem Leben etwas über meinen Egoismus stelle, dann ja, das tue ich.“

Der Mann im Bett schmunzelte kopfschüttelnd ehe er sich mühselig erhob, trotz seines abgemagerten Zustandes stand er immer noch groß und gerade, war fast auf Augenhöhe mit Dulacre als er vor ihm stand und ihm eine knochige Hand auf die Schulter legte.

„Das macht mich sehr froh, mein Sohn. Es macht mich sehr froh zu wissen, dass du in dieser Welt jemanden gefunden hast, der dich nimmt so wie du bist, für den du selbstlos handeln willst.“

Anscheinend wurden Männer im Alter weich. Dulacre konnte sich nicht erinnern, dass sein Vater ihm je etwas auch nur ansatzweise Freundliches gesagt hatte. Es übertraf tatsächlich seinen neunten Geburtstag, als er mit seinem Vater einer Tagung auf Mary Joa als einzige Nicht-Weltaristokraten beigewohnt hatte und sein Vater beim Verlassen des Saals behauptet hatte, dass sie beiden mit Abstand die Klügsten im Raum gewesen waren.

 „Weißt du, dass ich Sharak damals das gleiche gefragt habe?“

Er hielt diesen vergilbten Augen problemlos stand, vergaß die Vergangenheit, erlaubte keinen sentimentalen Gedanken Platz zu nehmen.

„Sie hat auch ungewöhnlich lange für eine Antwort gebraucht und wenn du so lächelst, dann kann ich sie in dir sehen.“

Dulacre streifte die Hand ab.

„Ich habe genug Minuten vergeudet, es ist an der Zeit für mich zu gehen.“

„Danke, dass du gekommen bist.“

Schweigend ging er zur Tür, doch dort blieb er stehen.

„Ich habe auch noch eine Frage an dich“, meinte er und sah zurück, wo der alte Mann wieder auf dem Bett saß. „Was sagt dir der Name Lorenor?“

Leise lachte Gat und schüttelte den Kopf.

„Der Name eines unbedeutenden Schwertkämpfers aus dem East Blue.“

Kühl betrachtete er den alten Mann.

„Aber das meintest du wohl nicht, oder?“ Sein Vater verschränkte die Arme. „Dann hast du also meine Bibliothek durchforstet und meine Aufzeichnungen gefunden.“

Dulacre entgegnete nichts. Er wusste nicht, von welchen Aufzeichnungen sein Vater sprach, aber anscheinend hatte er doch den richtigen Riecher gehabt. Sein Vater war immer schon ein Bücherwurm gewesen. Für einen Marinesoldaten zu klug, für einen Gelehrten zu wohlhabend. Seitdem Dulacre die Verbindung zwischen Lorenor und den Büchern gesehen hatte, hatte er die Vermutung gehabt, dass sein Vater vielleicht etwas wissen konnte, nur vielleicht.

„Hat es etwas mit der wahren Geschichte zu tun? Dem verlorenen Jahrhundert?“

„Sei kein Narr, mein Sohn. Jegliches Wissen über jene Zeit ist strengstens verboten und allein der Versuch die Runen der alten Zeit zu lesen könnte dich deinen Kopf kosten. Hat das Schicksal der Teufel Oharas dich denn gar nichts gelehrt? Als Mann der Marine und Verfechter der Gerechtigkeit würde mir nichts ferner liegen, als mich einem solchen Befehl zu widersetzen.“

„Aber du sprachst von deinen Aufzeichnungen. Also…“

„Ich halte es nicht für klug, wenn du versuchen solltest sie zu entziffern. Manches Wissen sollte lieber begraben werden, vertrau mir. Es ist besser, wenn der Name Lorenor nicht mehr ist als der Name eines unbedeutenden Wichts aus dem East Blue.“

Das war Antwort genug für Dulacre. An der Tür stoppten ihn jedoch die Worte des alten Mannes.

„Ich weiß, was dich umtreibt, mein Sohn, doch dieses Wissen ist verflucht. Der Name dieses Jungen ist in Vergessenheit geraten, und da er nun tot ist, wären deine Mühen so oder so vergebens; nichts was du über seinen Namen herausfinden magst, wird ihn wieder ins Leben rufen, jedoch könnte es dich dein Leben kosten.“

„Ist es nicht äußerst scheinheilig, dass du mir dies sagst, nachdem du selbst solch Aufzeichnungen erstellt hast?“

„Und dann habe ich sie verworfen und in den Tiefen der Mauern eines zurückgelassenen Anwesens versteckt, wo sie keinen Schaden anrichten sollten. Ich warne dich, mir ist sehr wohl bewusst, warum du nun plötzlich Interesse an jenem Namen zeigst. Aber es ist für alle Beteiligten besser, wenn dieser Bengel der einzige Lorenor bleibt, den du je gekannt hast. Verstehst du mich?“

Dulacre schwieg.

„Du begibst dich auf dünnes Eis, mein Sohn. Dieser Name bedeutet für dich und dieses Kind nur Unheil. Der letzte Lorenor ist tot und so soll es auch bleiben.“

„Man könnte fast meinen, du hättest vor dem Namen Lorenor so viel Angst wie die Weltaristokraten vor dem sagenumwobenen D.“, sprach Dulacre klar, ohne sich umzuwenden.

„Du hast ja keine Ahnung wovon du da sprichst, mein Sohn. Dieses Wissen könnte deinen Tod bedeuten und den deines Mädchens. Und hüte dich davor diese verfluchten Namen in einem Satz zu nennen, wenn du nicht willst, dass die Weltaristokraten auf dich oder dieses Mädchen in deinem Heim aufmerksam werden.“

„Tze, du warst schon immer ein ängstlicher Mann, aber diese Ammenmärchen lehren mich nicht das Fürchten.“

„Das sollten sie aber. Glaube mir, lass die Vergangenheit ruhen. Lorenor Zorro ist tot und das ist gut so. Sollte sich dein Mädchen als eine Lorenor entpuppen, wird man sie töten, ehe sie einem D. in die Hände fallen kann.“

Nun wurde Dulacre doch neugierig. Doch er wusste, dass er hier keine Antworten mehr erhalten würde, nicht dass das nötig wäre.

„Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Lebe wohl.“

Damit ging er, ließ die Wachen und den Mann, dessen Blut er teilte, hinter sich. An Bord seines kleinen Schiffes bemühte er die alte Teleschnecke.

„Guten Morgen, hier spricht Bosatsu, Haus…“

„Kanan“, unterbrach er die Haushälterin seines Anwesens auf Sasaki grob. „Ich brauche Ihre Hilfe.“

 

Missmutig trommelte er mit den Fingern auf seiner Armlehne herum. In wenigen Stunden würde er endlich Kuraigana erreichen. Der kurze Umweg über Sasaki hatte ihn mehr als einen ganzen Tag gekostet, aber das kleine Bündel handgeschriebener, halbverblichener Notizen seines Vaters war es wert gewesen.

Doch ihm sagte all dies kaum etwas. Obwohl er es sich nicht eingestehen wollte, entsprach es der Wahrheit, dass er mit den vollgeschriebenen Seiten wenig anfangen konnte, wobei seine Bemühungen sich auch in Grenzen hielten. Zu ungeduldig wartete er darauf endlich seine Reise zu beenden. Zu lange schon hatte er nichts mehr von Lorenor gehört.

Ganz zu seinem Missfallen hatte Lorenor sich nicht ein einziges Mal gemeldet und er selbst war zu stolz gewesen, der Erste zu sein, wohl wissend, dass eine solche Handlung ihm wieder den Spott seines besten Freundes und seines Schülers einbringen würde.

Doch nun wurde er ungehalten. Natürlich vertraute er Jiroushin, vertraute in seine Fähigkeiten und sein Urteil; vertraute darauf, dass er jegliches Leid von Lorenor und sich selbst fernhalten konnte. Natürlich wusste er auch, dass seine Sorge um Lorenor rein auf emotionaler Basis beruhte und ihm war sehr wohl bewusst, dass sein Wildfang durchaus in der Lage war auf sich selbst Acht zu geben.

Es ärgerte ihn, wie irrational er empfand und gleichzeitig konnte er diese Sorge doch nie ganz zum Schweigen bringen, während er sich bemühte sie auszublenden und sich auf die verblichenen Blätter vor sich zu konzentrieren.

Kanan hatte nach seinem Anruf ganze vier Tage unermüdlicher Suche gebraucht, um sie zu finden. Schließlich hatte sie das eine Bücherregal zur Seite geschoben und die Wand dahinter aufgebrochen, um in den kleinen Hohlraum hinter der Feuerstelle zu gelangen. Dort hatte sie eine komplette Mauer eingerissen – es waren die Überbleibsel einer vergangenen Burg gewesen auf deren Ruinen die alten Mihawks das Anwesen errichtet hatten – nur um dahinter in der Rückwand des Kaminzimmers einen eingemauerten hohlen Stein zu finden, in dessen Bauch eine kleine Holzkiste mit einem Gemisch aus Stroh und Mörtel festgelegt war.

Dulacre musste gestehen, dass es ein Schock gewesen war, das Kaminzimmer zu betreten und das, obwohl Kanan bereits wieder mehrere Tage Arbeit damit verbracht hatte, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Er zweifelte auch daran, dass er selbst das Holzkistchen überhaupt gefunden hätte. Vermutlich hätte er noch am ersten Abend die Geduld verloren und aufgegeben oder das Kaminzimmer auseinander gerissen.

Sein Vater war wohl wirklich bemüht gewesen, seine Aufzeichnungen zu begraben, ohne sie direkt zu zerstören. Ohara hatte ihn wohl gelehrt, dass selbst die schrecklichsten Zeitzeugnisse nicht zerstört werden durften.

Seufzend erinnerte Dulacre sich an die Besuche auf der dem Untergang geweihten Insel, damals vor langer Zeit, als er noch ein Kind gewesen war und Ohara ein Ort der Lehre und des Wissens.

Er erinnerte sich an den Tag als Ohara gefallen war. In allen Zeitungen hatte es gestanden, hatte von den Teufeln gesprochen und der Gefahr, die von der Weltregierung aufgehalten wurde.

Sein Vater hatte vermutlich getrauert, um das verlorene Wissen, die abertausenden ungelesenen Worte und um die geistreichen Menschen, die die Welt an jenem Tage verloren hatte.

Dulacre hatte zu jener Zeit die Marine verraten, vielleicht das ein oder andere Jahr früher, er erinnerte sich nicht mehr genau an jenen Tag oder wann es geschehen war. Er musste wohl so um die zwanzig gewesen sein, in Lorenors Alter in etwa. Es war ihm einerlei gewesen, doch nun fragte er sich, welch seltsames Schicksal dem Kind in seinem Heim auferlegt war.

Sollte sich dein Mädchen als eine Lorenor entpuppen, wird man sie töten, ehe sie einem D. in die Hände fallen kann.

Lorenor hatte ihm einst erzählt, dass er nicht vorgehabt hatte, dem Strohhut zu folgen, aber die Dinge hatten sich nun einmal so entwickelt und Dulacre erinnerte sich gut an jenem Tag im East Blue, wo er gegen Lorenor gekämpft hatte und der Junge mit dem Strohhut sich ihm ebenfalls in den Weg gestellt hatte.

Konnte es ein Zufall sein, dass ein Einzelgänger wie Lorenor einem Chaoten wie dem Strohhut folgte und innerhalb weniger Tage nachdem sie sich kannten bereit war sein Leben für ebendiesen zu opfern; sogar bereit war seinen Traum, den er zwanzig Jahre lang verfolgt hatte, zu opfern nur für diesen Mann?

Konnte es Zufall sein, dass ausgerechnet der letzte Teufel von Ohara, Nico Robin, ebenjener Crew beitrat, nachdem sie sogar zunächst Feinde gewesen waren, wenn er es richtig in Erinnerung behalten hatte?

Seufzend betrachtete er die Blätter in seinen Händen.

Wusste Nico Robin etwa, was es mit dem sagenumwobenen D. auf sich hatte? Hatte sie eine Ahnung, warum der Name Lorenor nicht im selben Satz genannt werden durfte?

Kopfschüttelnd rieb er sich durchs Gesicht. Sie war noch ein Kind gewesen als Ohara zerstört worden war; es war höchst unwahrscheinlich, dass sie die Antworten hatte, die er derzeit suchte.

Wenn er ehrlich war interessierte sich Dulacre nicht wirklich für das so bekannte D., noch weniger für die wahre Geschichte oder generell irgendetwas, das mit den Himmelsdrachenmenschen zu tun hatte.

Aber als Lorenor damals die Bücher hatte lesen können, die Bücher, die sein Vater auf seinen unzähligen Reisen gesammelt hatte und angeblich selbst von den Forschern Oharas nicht hatten entziffert werden können, da hatte Dulacre befürchtet, dass die Dinge mühselig werden würden.

Und das hatte sein Vater ihm nun nur noch bestätigt. Es war nicht mehr als eine Ahnung gewesen. Zu viele Zufälle hatten ihn misstrauisch werden lassen. Die Bücher mit der unlesbaren Schrift und Lorenor, der von den Toten auferstand und diese Bücher lesen konnte. Eine namenlose Vergangenheit aber ein Name der mit der vergessenen Geschichte in Verbindung stand.

Zu allem Überfluss schien es so als würden diejenigen, die zumindest etwas über die wahre Geschichte wussten, verhindern wollen, dass ein Lorenor einem Träger des D. in die Hände fallen würde.

Was also bedeutete das für Lorenor und seinen Kapitän und warum hatte man diese Crew dann solange gewähren lassen? Warum hatte man nicht bereits bei den Unruhen in Alabasta, nein, warum war die Weltregierung nicht bereits eingeschritten als der Name des Dämons des East Blues zum ersten Mal aufgetaucht war?

Aber die Antwort lag auf der Hand. Vermutlich wussten nur eine Hand voll Leute darüber Bescheid und wenn die Weltregierung jemanden aussenden würde, um einen unbedeutenden Piratenjäger zu töten, hätte das wohl die Aufmerksamkeit mancher Feinde erweckt.

Außerdem passte es zu den faulen Adligen nicht wirklich vorausschauend zu handeln und die fünf Weisen glaubten bereits aus Prinzip nicht an die Märchen und Mythen, die den Untergang der Himmelsdrachenmenschen vorhersagten. Grinsend dachte Dulacre, dass ebenjener Hochmut ihren Fall bedeuten würde.

Doch er wusste nicht ob er hoffen sollte, dass dies noch zu seiner Zeit geschehen würde. Natürlich würde das diese Welt noch einmal interessant machen, auf der anderen Seite hörte sich ein Umsturz der Gewalten auch nach viele Mühe an.

Am Horizont zeichneten sich die dunklen Umrisse Kuraiganas ab und etwas wie Erleichterung bereitete sich in ihm aus. Bald würde er Zuhause sein, würde Lorenors Fortschritt sehen und vielleicht mehr über die vergessene Geschichte herausfinden, als er je wissen wollte.

Aber je näher er kam, desto misstrauischer wurde er und das aus gutem Grund.

Jiroushin konnte er wahrnehmen wie ein Licht in der Dunkelheit und das, obwohl er noch nicht mal das Land erreicht hatte. Es rief ein Schmunzeln auf Dulacres Gesicht. Obwohl Kuraigana nicht sehr einladend wirkte, schien es seine Gäste in Sicherheit zu wiegen, so sehr, dass man vergaß seine eigene Anwesenheit zu verbergen und nach der Anwesenheit Fremder Ausschau zu halten.

Fähigkeiten, die Kämpfer ihrer Qualität in einer solchen Perfektion beherrschten, dass sie diese ganz automatisch einsetzten, ohne überhaupt drüber nachzudenken; außer anscheinend, wenn man auf Kuraigana war.

Es überraschte Dulacre dementsprechend wenig, dass sein Kindheitsfreund vergessen hatte seine Anwesenheit zu verbergen. Aber warum in Gottes Namen konnte er Lorenor nicht wahrnehmen?

Lorenor war noch ein Anfänger in der Kunst des Hakis, und sich gegen ein solche ausgereiftes Observationshaki zu schützen wie Dulacre es beherrschte, fiel selbst den Besten schwer, ganz zu schweigen von dem hohen Maß an Konzentration und Denkvermögen, die diese Fertigkeit bedurfte.

Natürlich dachte Dulacre nicht im Traum daran, dass Jiroushin Lorenor doch umgebracht hatte, aber selbst als Loreen konnte Lorenor seine Anwesenheit nicht vollständig verbergen, obwohl er dann nicht ansatzweise so deutlich wahrzunehmen war.

Unterschätzte er Lorenor gerade etwa erneut?

Nein, das tat er gewiss nicht. Selbst wenn sie direkt nach Dulacres Abreise angefangen hatten diese Fertigkeit zu trainieren, so würde Dulacre ihn doch zumindest dann wahrnehmen müssen, wenn er sich bewusst darauf konzentrierte.

Endlich war er nahe genug, um den Abstand zum Festland mit einem beherzten Sprung überbrücken zu können, vertraute darauf, dass sein Boot seine Führung für die letzten paar Meter nicht mehr brauchen würde.

Stillen Schrittes eilte er durch den vertrauten Wald, konnte Jiroushins ruhige Stimme schon von weit her hören, jedoch nicht seine Worte verstehen.

Als er den Rand der Bäume erreicht hatte und nur noch die Ruinen vor sich sah, erstarrte er.

„Was in Gottes Namen…?“

Zwischen den Ruinen stand Jiroushin, ihm gegenüber Lorenor und an seinen Augen erkannte Dulacre sofort warum er seine Anwesenheit nicht mehr gespürt hatte.

Denn dort stand nicht Lorenor, sondern der Dämon.

Kapitel 42 - Fehler

Kapitel 42 – Fehler

 

-Mihawk-

„Was in Gottes Namen…?“

Plötzlich sahen ihn sowohl der Dämon seines Schülers als auch Jiroushin an.

„Hawky? Was machst…?“

„Was geht hier vor sich?“, knurrte er, unfähig die Augen von Lorenor zu nehmen. „Warum zur Hölle habt ihr…?“

„Zorro, ignorier ihn. Du darfst die Kontrolle jetzt nicht verlieren, verstanden? Deine Ummantelung ist brüchig geworden.“

„Okay.“ Lorenor wandte den Blick von Dulacre ab, nickte dem Vizeadmiral zu und schloss jene seltsamen Augen, die selbst Dulacre beeindrucken konnten.

„Was…?“

„Hawky, sei bitte ruhig. Deine Anwesenheit trägt sicherlich nicht zu Zorros Konzentration…“

„Was geht hier vor?!“ Dulacre unterbrach den Vizeadmiral und hetzte auf ihn zu, Lorenor nie aus dem Augenwinkel lassend, welcher wie eine Statur dastand und den Bambusstab in seiner Hand stetig ummantelte. „Erkläre dich, Jiroushin!“

Sie standen Stirn and Stirn.

„Beruhige dich, Dulacre. Du bist zwei Tage zu spät, Zorro ist ein schneller Lerner. Wir machen nichts weiter als ihn an die Schwelle heranführen und wie du siehst, funktioniert…“

„Du Narr.“ Dulacre schnellte herum, riss sich Yuro vom Rücken und die Holzkette vom Hals, drängte beides in Jiroushins Arme.

Dann schritt er auf seinen Schützling zu.

„Lorenor, leg die tote Pflanze weg und greif mich an.“

Sowohl der Mann hinter ihm als auch der Junge vor ihm machten einen überraschten Laut und Dulacre fühlte beider Augen auf sich.

„Hawky, was du da…“

„Schweig!“

Ein Blick über seine Schulter hinweg zeigte ihm einen Ausdruck, den er über die Jahre gewohnt war und den Jiroushin sonst so gut verbergen konnte. Aber sein Zorn und seine Entrüstung waren zu groß, als dass Dulacre Jiroushins Gefühlen Bedeutung schenken konnte.

„Warum soll ich dich angreifen?“

Lorenor auf der anderen Seite schien nicht im Mindesten eingeschüchtert. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er sich anstrengen musste, um die Konzentration zu halten, sein Körper zitterte leicht und seine Stimme war noch rauer als sonst. Aber er hielt Dulacres Augen stand wie sonst auch. Es schien beinahe so, als würde Lorenor aus einer Art Trance erwachen, viel aufmerksamer als nur Sekunden zuvor.

„Damit ich diesen Stümper eines Lehrmeisters seine Unfähigkeit unter die Nase reiben kann.“

Jiroushin atmete hart, sprach aber nicht. Ganz anders jedoch Lorenor.

„Ich dachte du kämpfst nicht gegen mich, damit du mich in deinem Kampfrausch nicht umbringst.“

„Dann lass uns beide hoffen, dass in einem solchen Falle Jiroushin Yoru schnell genug zieht, um mich aufzuhalten, ehe ich dich töte.“

Noch eine Sekunde sah Lorenor ihn unleserlich an, dann warf er den Bambus fort und noch ehe dieser den Boden berührte griff Lorenor an.

Normalerweise wäre der Samurai ihm wohl ausgewichen, aber das war nicht Sinn dieser Lektion. Mit Leichtigkeit parierte Dulacre die ummantelte Faust seines Schützlings.

Für einen Moment zögerte Lorenor, trat einen Schritt zurück und begutachtete sein Lehrmeister als wisse er nicht was er von der Situation halten sollte. Doch dann schüttelte er den Kopf, zeigte sein fast schon gleichgültiges Grinsen und griff erneut an.

Dieses Mal blockte Dulacre die Faust nicht, sondern umschloss sie mit seiner eigenen Hand, packte fest zu, grub seine Finger in das ummantelte Fleisch des Jüngeren.

„Dulacre, was tust du denn da? Du wirst ihm noch die Finger brechen!“

Der Samurai ignorierte die Worte seines Freundes und starte seinen Schüler direkt an, der zwar schwer atmete aber seinen Blick problemlos erwiderte. Nach einem weiteren Atemzug grunzte Lorenor leise auf und schlug mit seiner freien Hand zu, doch abermals packte Dulacre die Faust des anderen und hielt ihn nun beinahe wehrlos fest.

„Wenn du nicht willst, dass ich deine Finger breche, würde ich dir empfehlen dich nicht länger zurückzuhalten“, knurrte der Samurai und drückte noch fester zu.

Er hielt es Lorenor zugute, dass dieser nur das Gesicht verzog und ansonsten keinerlei Zeichen gab, dass er Schmerzen hatte. Aber Dulacre war hier nicht um den guten Lehrmeister zu spielen, sondern um die Gefahr zu bändigen, der Jiroushin sich selbst und Lorenor ausgesetzt hatte.

Mit einer leichten Bewegung erlaubte er Lorenor seine Finger zu befreien und gegen Dulacres zu drücken. Wären sie ebenbürtig hätte dies nun eine interessanter Kräfteaustausch sein können, sich gegenseitig an den Händen packend, nur eine Armlänge zwischen ihren Gesichtern. Doch da Lorenor ihm deutlich unterlegen war, versuchte er nur mit allen Mitteln Dulacre davon abzuhalten ihm seine Handrücken zu brechen. Lorenors Haki war mittlerweile fast schon eine ordentliche Rüstung, aber unter dem Druck, den der Samurai ausübte, schaffte sein Schüler es kaum, sie aufrechtzuerhalten.

Dulacre konnte fühlen wie sich Lorenor unter seinen Fingern wandte; natürlich war er zu schwach, um sich zu befreien. Je länger der Kampf anhielt - wenn man es dann einen Kampf nennen wollte - desto unsteter wurde Lorenors Hakifluss, das konnte Dulacre deutlich fühlen und es bestätigte seine Befürchtung. Wenn er jetzt brach, dann würde auch Lorenor brechen.

Erneut konnte er hören wie Jiroushin ihm Worte zurief, ihn bat einzuhalten indem was er tat, doch dafür war es zu spät, dafür war es schon seit langer Zeit zu spät.

Noch immer beschwerte Lorenor sich nicht, bis auf seinen stockenden Atem und seine windenden Finger zeugte nichts davon, dass er einen Kampf kämpfte, den er bereits verloren hatte. Doch Dulacre fragte sich so langsam wie lange es noch dauern würde, wie lange er Jiroushins Rufe noch ignorieren musste und wie lange Lorenor noch bereit war die Schmerzen auszuhalten. Aber Dulacre wusste, dass wenn sich nicht bald etwas ändern würde, Lorenors Knochen nachgeben würden, sie würden brechen und trotz seiner Wut, trotz seines Zornes und seiner Fähigkeit schnell die Kontrolle zu verlieren, wenn es um Lorenor ging, hatte Dulacre natürlich nicht vor seinem Schützling die Hände zu brechen.

„Wenn du es nicht bald zulässt, werde ich dir wirklich deine Hände brechen!“ Ohne den Blick abzuwenden wiederholte Dulacre seine Warnung, wohl wissend, dass gebrochene Hände dann Lorenors kleinstes Problem sein würden. Denn wenn schon nicht seine Knochen, so würde doch bald Lorenor selbst brechen.

Doch genau in jenem Moment passierte es. Plötzlich war da Gegendruck, plötzlich gruben sich auch Lorenors Finger tief in Dulacres Fleisch. Plötzlich war das Haki von Lorenor so viel stärker als zuvor, so viel ebenmäßiger als zuvor und plötzlich gelang es ihm Dulacre sein Haki zu entziehen und dass, obwohl Dulacre sein Haki so sehr kontrollierte, wie er nur konnte. Für eine Sekunde - vielleicht etwas länger als eine Sekunde - standen sie sich einander gegenüber und Dulacre spürte wie sein Kampfgeist zum Leben erwachte.

Doch dann war dieser Druck weg, Lorenors Beine gaben nach und sein Haki verschwand. Schwer atmend kniete er vor Dulacre, seine Hände immer noch in dessen Gewalt, ohne in der Lage zu sein sich zu befreien.

Dulacre beobachtete ihn eindringlich. Das war es also tatsächlich gewesen. Jiroushins unbedachtes Verhalten hatte doch tatsächlich dazu geführt, dass Lorenor zum Monster geworden war, ohne die Kontrolle verloren zu haben, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Trotzdem war es gefährlich gewesen - äußerst gefährlich – von Jiroushin mit Lorenor an der Schwelle zu trainieren und jederzeit zu riskieren, dass Lorenor die Kontrolle verlieren würde, sich in ein Monster verwandeln würde, ein Monster das Jiroushin zweifelsohne überlegen war. Selbst Dulacre hatte lange überlegt ob er diesen Weg gehen würde; es war mit Sicherheit der erfolgversprechendste, aber gleichsam auch der einfachste Weg, um Lorenor zu brechen, ihn für immer an den Wahnsinn zu verlieren. Es war reines Glück gewesen, dass Lorenor es überstanden hatte.

„Lass ihn los!“

Überrascht riss Dulacre den Kopf hoch und sah Jiroushin an, dann blickt er auf seine eigenen Hände, die immer noch von Haki verfärbt waren. Zwischen seinen Fingern tropfte Blut hinab, dort wo er Lorenors Hände zerdrückte.

Schnell ließ er los. Kraftlos klatschten Lorenors Hände auf den Boden, wo er sich noch nicht mal die Mühe gab sie sich anzusehen, während er schwer atmete, ehe er zu Seite sackte. Er hatte die Augen halb geöffnet, aber er schien kaum noch bei Sinnen zu sein.

Dulacre starrte Jiroushin an.

„An die Schwelle heranführen?“, flüstert er, während er fast genauso schwer atmete, wie sein Wildfang am Boden. „Warst du wirklich zu dumm, um zu sehen, dass Lorenor diese Schwelle bereits lange überschritten hatte oder warst du so naiv zu glauben, dass er nicht brechen könnte?“

Er schritt nach vorne und nahm Jiroushin seine Schwerter aus dem Arm, dann machte er auf dem Absatz kehrt und eilte in den Wald hinein.

„Kümmere dich um ihn!“, befahl er und stapfte zurück zu seinem Boot, um es sicher anzulegen.

Die ungezügelte Wut in ihm war groß, doch zeitgleich war er hocherfreut. Was Jiroushin getan hatte war ein Fehler gewesen, zweifelsohne, er war ein Risiko eingegangen, welches Dulacre bei allen Mitteln hatte verhindern wollen. Er selbst wäre wohl einen anderen Weg gegangen, einen langwierigen und damit fordernden Weg, der aber sichergestellt hätte, dass Lorenor zum Monster werden konnte, ohne vorher zu zerbrechen.

Aber die Dinge lagen nun mal jetzt so wie sie lagen, Lorenor hatte für den Bruchteil einer Sekunde seine wahren Kräfte entdeckt. In etwas mehr als einem halben Jahr war er so stark geworden wofür Dulacre ihm noch ein gutes Jahr mehr Zeit gegeben hätte. Mittlerweile war er sich sicher, Lorenor würde keine fünf Jahre mehr brauchen, um ihn zu besiegen und nachdem er nicht mehr zu hoffen gewagt hatte je wieder einen ebenbürtigen Gegner zu finden, nachdem er fast 15 Jahre gesucht hatte, wirkte dieser Zeitraum unfassbar kurz.

Nachdem er sein Sargboot sicher am kleinen Steg vertaut hatte und seine wenigen Habseligkeiten von Bord genommen hatte, eilte er den Wald entlang.

Trotz allem würde er mit Jiroushin abrechnen müssen. Weniger war es ein Problem, dass der Vizeadmiral eine Methode gewählt hatte, die Dulacre selbst als viel zu aggressiv und gefährlich ansah – obwohl das wohl ein Problem geworden wäre, wenn Lorenor Schaden davongetragen hätte - sondern eher, dass Dulacre und Jiroushin ganz klar besprochen hatten was er mit Lorenor trainieren konnte und was nicht. Lorenor hatte lernen sollen sein eigenes Haki von fremden zu unterscheiden, ihm war sehr wohl bewusst gewesen, dass Lorenor dafür nicht lange brauchen würde, zumindest für die Grundlagen hatte Dulacre bezweifelt, dass Lorenor länger als ein-zwei Tage brauchen würde. Daher hatte er mit Jiroushin besprochen, dass Lorenor danach wohl bereit gewesen wäre zu lernen, seine eigene Anwesenheit zu verbergen als auch durch das Observationshaki fremde Anwesenheiten wahrzunehmen.

Dulacre wäre sogar noch damit einverstanden gewesen, wenn Jiroushin erlaubt hätte, dass Lorenor sich an echtem Stall ausprobiert hätte. Irgendwann musste der Jungspund ja damit anfangen auch echte Waffen zu ummanteln, also hätte Dulacre das hingenommen; er wäre vielleicht nicht erfreut gewesen, bei Lorenors ersten Versuch nicht dabei zu sein, aber er hätte es verstanden.

Doch das hier war etwas anderes. Jiroushin hatte willentlich Lorenor und sich selbst in Gefahr gebracht. Obwohl der Vizeadmiral wusste wie gefährlich Lorenor werden konnte, wenn er zum Monster wurde, ohne es kontrollieren zu können, hatte er mit Dulacres Wildfang trainiert, die Schwelle einzugrenzen, bei deren überschreiten Lorenor zerbrechen und den Verstand verlieren konnte. Aber offensichtlich hatte Jiroushin verkannt, dass Lorenor als Dulacre dazu getreten war diese Schwelle schon längst überschritten hatte.

Dulacre hatte das Schloss erreicht, das schwere Tor fiel hinter ihm zu und er ließ seine Sachen unbeachtet in der Eingangshalle zurück, während er zum Flur eilte, wo die Gemächer lagen.

Auf halbem Wege kam ihm Jiroushin entgegen. Als dieser Dulacre sah, blieb er stehen.

„Hör mal Hawky. Ich verstehe ja, dass du verärgert bist, aber können wir nicht…?“

„Ich werde deine Unfähigkeit nicht auf dem Flur diskutieren, Jiroushin“, unterbrach er den anderen grob und verschränkte die Arme. „Warte im Kaminzimmer auf mich. Ich werde zunächst nach Lorenor sehen und dir dann folgen.“

„Aber warte doch mal, Hawky.“

„Mehr habe ich dir nicht zu sagen.“

Dulacre setzte seinen Weg fort. Auch wenn sich die Situation erfreulich entwickelt hatte, so war er doch überaus wütend auf Jiroushin, mehr noch, er fühlte sich verraten von seinem besten Freund.

Er hatte mit Jiroushin genau abgesprochen, was Lorenor trainieren durfte und was nicht und Jiroushin hatte sich einfach darüber hinweggesetzt, hatte Lorenor und sich selbst in Gefahr gebracht.

Wenn Dulacre nur wenige Minuten später angekommen wäre, hätte es zu spät sein können. Lorenors Haki war bei seinem Eintreffen bereits derart unstet gewesen, dass es Dulacre schleierhaft war, wie Jiroushin es nicht bemerkt haben konnte.

In dem Moment wo Lorenor seiner eigenen Kraft nachgegeben hatte, sich erlaubt hatte sie freizusetzen, in jenem Moment hätte er genauso gut dieser Kraft unterliegen können oder sie hätte ihn irgendwann einfach übermannt.

Ohne anzuklopfen stapfte der Herr der Insel in die Räumlichkeiten seines Wildfanges. Lorenor war nirgends zu sehen, doch aus dem angrenzenden Badezimmer konnte er Wasser laufen hören, ehe es abgedreht wurde.

Wenige hallende Schritte später tauchte der Jungspund im Türrahmen auf und sah nur milde überrascht zu ihm hinüber.

„Wie geht es dir, Lorenor?“, fragte Dulacre nun, bewusst deutlich freundlicher als er mit Jiroushin gesprochen hatte.

Lorenor zuckte mit den Achseln und warf sich ein Handtuch über die nackten Schultern, mit dem er sich zuvor durchs Gesicht gerieben hatte.

„Erschöpft“, gestand er überraschenderweise ein, anstatt sich wie sonst unbeeindruckt zu geben.

Dulacre beobachtete ihn, während der Jüngere zum Bett hinüber schlurfte und sich dort auf die ungemachten Laken fallen ließ.

Bis auf die Unterhose war Lorenor nackt, hatte offensichtlich bis vor wenigen Sekunden noch unter der Dusche gestanden. Sein nackter Oberkörper, sowie Beine und Arme zeigten die Blessuren der vergangenen Tage, verfärbte Flecken, Schürfwunden und kleinere Schnitte, nichts von Belang, kein ungewöhnliches Bild.

Anders jedoch seine Hände. Trotz der schludrig angelegten Verbände – die teilweise bereits leicht verfärbt und feucht vom Duschen waren – konnte er die Schwellungen deutlich zu sehen.

„Wie schlimm sind deine Verletzungen?“, fragte Dulacre schuldbewusst und schritt zum Bett hinüber.

„Ach das?“ Lorenor hob die linke Hand in die Höhe und ließ sie dann auf seine Augen fallen, als würde das Licht ihn blenden. „Nicht schlimm, ein bisschen gestaucht, ein bisschen geprellt. Werde dir wohl ein paar Tage mit rechts nicht den Mittelfinger zeigen können, aber nichts worüber man sich Gedanken machen würde.“

„Ich kann mich nicht erinnern, dass du mir je eine solche obszöne Geste entgegengebracht hättest“, kommentierte Dulacre ruhig und ließ sich in seinen Stuhl fallen.

„Zumindest nicht, wenn du hinsiehst“, entgegnete Lorenor schmunzelnd und sah ihn aus dem Schatten seines Armes heraus an.

„Ich bin überrascht, dass du dich noch nicht verwandelt hast“, fuhr Dulacre das Gespräch fort und entschied nicht auf diesen kleinen Seitenhieb einzugehen.

„Es ist bald soweit, ich kann es fühlen“, murmelte Lorenor. „Aber ich hab mir schon gedacht, dass du noch kommen würdest, daher…“

Der Jüngere beendete seinen Satz nicht, sondern zuckte erneut mit den Schultern, ließ wie so oft einiges ungesagt.

„Nun gut, du solltest dich ausruhen und dann etwas essen. Komm danach ins Kaminzimmer. Ich werde derweil Jiroushin über sein Fehlverhalten belehren müssen.“

„Tze, als wäre er dein Untergebener.“

Dulacre erhob sich.

„Das war er für einige Jahre, sowohl in der Zeit der Marine als auch danach. Doch meinem Befehl widersetzt hat er sich nie, bis heute und dafür wird er die Konsequenzen tragen müssen. Aber das soll ich deine Bürde sein. Schlaf etwas.“

„Du redest wieder so unglaublich geschwollen daher, so nervig“, murrte der andere während Dulacre zur Tür ging.

„Dulacre.“ Er blieb stehen. „Gib nicht Jiroushin die Schuld. Er konnte nichts dafür. Ich habe ihn gezwungen.“

Langsam drehte sich der Samurai zum Jüngeren herum, der sich nicht einen Zentimeter bewegt hatte.

„Wovon redest du da? Wie solltest du Jiroushin bitte zwingen können dich zu unter…“

„Es ist eigentlich deine Schuld.“

„Was?!“

Schwerfällig setzte Lorenor sich auf und sah ihm vom Bett her an.

„Naja, du bist halt einfach nicht aufgetaucht und ich wurde ungeduldig. Noch während der ersten Tage hat Jiroushin mir erzählt wie ich versuchen kann diesen Zustand zu erreichen, ohne durchzudrehen, aber er sagte es wäre zu gefährlich und du wärest wohl dagegen es auf diese Weise zu machen. Aber ich wollte halt weiter trainieren und nicht Zeit mit Nichts tun verschwenden, daher hab ich ihm gesagt er kann mitkommen und ein Auge drauf halten oder ich würde es alleine machen.“

Fassungslos starrte Dulacre den Jüngeren an. Für einen Moment hatte er vergessen, dass Lorenor so sein konnte. Stur und uneinsichtig.

„Wegen zwei Tagen hast du so einen Aufstand gemacht? Dabei gibt es doch noch so viele andere Dinge, die du hättest lernen können in der Zeit.“

Lorenor zuckte mit den Achseln.

„Wusste ja nicht, wann du wieder kommst und Jiroushin sagte du würdest wohl dabei sein wollen, wenn ich das erste Mal ein Schwert ummanteln würde. Also hatte ich ja nicht viel mehr andere Möglichkeiten um…“

„Du hättest so lange mit Jiroushin trainieren können, bis du…“

„Bis ich was? Die Anwesenheit von anderen wahrnehmen und meine verbergen kann? Fremdes Haki von dem meinen unterscheiden und beides unabhängig voneinander einsetzen kann? Bis ich Jiroushin besiegt habe?“

„Ja!“ Wütend öffnete er beide Arme. „Ja! Warum hast du nicht solange gegen ihn gekämpft, bis du ihn besiegt hast, bis dein…“

„Ich habe ihn besiegt.“

Für einen Moment sahen sie sich einfach nur an.

„Was?“

„Sowohl mit Stock als auch ohne, vorgestern innerhalb weniger als einer halben Stunde. Seinen Degen will er allerdings erst einsetzen, wenn ich meine Schwerter verhärten kann.“

Fassungslos sah er den Jüngeren an, der unbeeindruckt zurück guckte.

„Also nein, da war nichts anderes mehr was ich tun konnte. Alles andere wird laut Jiroushin mit der Zeit kommen, aber nicht in Tagen oder Wochen, sondern eher Monaten oder Jahren. Daher habe ich entschieden meine größte Herausforderung in Angriff zu nehmen, erfolgreich, wie dir vielleicht aufgefallen ist.“

Wortlos starrte er Lorenor an. Er hatte geahnt, dass sein Wildfang Jiroushin bald übertreffen würde, aber dass es so schnell gehen würde, hatte er nicht ahnen können. Es war also wirklich höchste Zeit ihm beizubringen mit echten Waffen zu kämpfen.

„Du dummer Junge“, murmelte Dulacre schließlich. „Du hättest dem Wahn verfallen können, Jiroushin und dich selbst umbringen können, und das alles nur für ein paar Tage Vorsprung im Training. War es das wirklich wert?“

Lorenor grinste ihn süffisant an.

„Sag du es mir?“, flüsterte er beinahe spielerisch. „Hattest du Spaß?“

Auf diese Frage konnte Dulacre nicht antworten. Er konnte nicht sagen, wie sehr dieser Moment, als Lorenor endlich seine wahre Kraft entfacht hatte, ihn erregt hatte, ihn beflügelt hatte, ihn beinahe dazu gebracht hatte wirklich zu kämpfen.

Nun grinste Lorenor breit und neigte den Kopf leicht, wirkte nun viel gefährlicher als während ihrer Auseinandersetzung.

„Dachte ich mir.“

„Du verstehst also, was passiert ist? Was mit dir geschehen ist?“

Lorenor nickte, nun wieder ernst.

„Jiroushin hat mir den Kram über die mentale Selbstregulation erklärt und dass ich in jenem Zustand all mein Haki gleichzeitig freisetzen kann. Er sagte, dass ich wohl beide Fähigkeiten zusammen einsetzen müsste, um je eine Chance gegen dich haben zu können.“

„Da hat er nicht Unrecht“, stimmte der Samurai zu. „Aber er irrt über eine Sache. Das Beeindruckende an deiner Fähigkeit ist nicht, dass du all dein eigenes und das gesammelte Haki gleichzeitig freisetzen kannst, sondern dass du darüber hinaus auch noch Haki einsetzen kannst, selbst wenn deine Reserven erschöpft sind, so wie nur ich und eine Handvoll anderer Menschen es können.“

Der Jüngere erwiderte seinen Blick kühl.

„Natürlich ist es gefährlich, wird dich schwächen und könnte dich dein Leben kosten.“ Nun konnte Dulacre ein Grinsen nicht verhindern. „Aber ich bezweifle, dass dich dieser Preis abschrecken wird.“

Leise lachte Lorenor. „Ich bin überrascht, dass du es mir nicht ausredest. Gerade wo du vor einer halben Minute Jiroushin noch das Fell über die Ohren ziehen wolltest, weil er uns in Gefahr gebracht hat.“

„Das ist etwas anderes, Lorenor. Ich will nicht, dass dir irgendetwas passiert, ehe du mich besiegen kannst.“ Er lachte nicht, sondern war todernst. „Aber wenn jener Tag kommt, will ich, dass du mir mit allem was du hast und kannst entgegentrittst. Ich will, dass du deine ganze Kraft einsetzt, dich nicht zurückhältst und mich als der bessere Schwertkämpfer besiegst.“

Mit jedem Wort war Lorenors Miene unlesbarer geworden. Nun erwiderte er Dulacre’s Blick schweigsam und der Samurai wunderte sich was der junge Mann dachte.

„Was denn? Keine gewitzte Antwort, keine waghalsige Versprechung, noch nicht einmal ein überhebliches Grinsen? Ich bin schockiert, Lorenor, solch ein Verhalten bin ich von dir gar nicht gewohnt. Wo ist deine große Rede darüber, dass ich dich wieder einmal unterschätzt habe, dass du nun wieder einen Schritt näher gekommen bist, mich eilig verfolgst?“

Lorenor schwieg, doch von seinem verschmitzten Grinsen war nichts mehr geblieben. Nachdenklich beobachtete Dulacre den Jüngeren. Jiroushin mochte es nicht bemerkt haben, aber konnte es sein, dass…

„Es war gut, dass du gekommen bist.“ Lorenor wich seinem Blick nun aus. „Bei den Ruinen… kurz bevor du kamst… ich weiß nicht, ob…“

„Ich weiß“, unterbrach er Lorenor, als dieser versuchte in Worte zu fassen, was er wohl kaum verstehen konnte. Doch, dass er überhaupt in der Lage war seine Verfassung zu realisieren während er sich an den letzten Funken seines Bewusstseins geklammert hatte, beeindruckte Dulacre ungemein. „Du hast dich gut gehalten Lorenor, ein anderer an deiner Stelle wäre gebrochen.“

„Wärest du nicht gekommen… ich wäre gebrochen“, gestand Lorenor heiser ein. „Ich konnte es spüren, ich… ich hatte… es hätte schief gehen können.“

Selten war Lorenor so ehrlich und offen ihm gegenüber und noch seltener gestand Lorenor seine eigene Unsicherheit ein; er schämte sich, ganz offensichtlich.

„Aber du bist nicht gebrochen, du warst erfolgreich und von nun an wirst du nur noch stärker werden. Ich bin wahrlich neugierig zu sehen, wie schnell du noch besser werden kannst.“

Lorenor entgegnete nichts. Gerade wirkte er wieder so ungewöhnlich jung. Manchmal vergaß Dulacre, dass Lorenor fast noch ein Kind war. Nein, er vergaß eigentlich nie, dass sein Wildfang nur halb so alt war wie er, aber manchmal in ihren Gesprächen, wenn Lorenor ihn ansah, ihm furchtlos gegenüberstand, sich über ihn lustig machte, manchmal vergaß Dulacre dann doch, dass er noch so jung war, noch so unsicher sein konnte.

„Ich kenne dieses Gefühl“, meinte er schlicht und sah wie der andere ihn anstarrte. „Als ich damals verstand, wie gefährlich und unkontrollierbar ich sein kann, da erging es mir ganz ähnlich. Irgendwann wird es leichter.“

Er wandte sich zum Gehen.

„Wann?“

„Wenn du weißt, dass es jemanden gibt, der stark genug ist, dich im Zweifel aufzuhalten. Du kannst also ganz unbesorgt sein, solange ich noch stärker bin als du, werde ich diese Verantwortung schultern.“

„Tze, ich dachte du würdest mir Trainingstipps geben, nicht irgendsoeinen philosophischen Schwachsinn.“

Schmunzelt griff Dulacre nach der Türe.

„Unverbesserlich. Schlaf Lorenor, erhole dich und später reden wir dann.“

Er zog die Türe hinter sich zu.

„Als ob ich mir von dir Befehle erteilen lassen würde.“

Dulacre marschierte durch die Eingangshalle Richtung Kaminzimmer. Doch das sanfte Gefühl, dass er eben noch vernommen hatte, verschwand mit jedem Schritt. Er war froh über Lorenors Entwicklung, dankbar darüber, dass er es unbeschadet überstanden hatte. Obwohl er natürlich auch wusste, was Lorenor nun bevorstand. Es war nicht einfach sein Monster zu bezwingen, aber viel schwerer war es wohl selbst das Monster zu werden. Doch darüber sollte Lorenor sich heute Abend keine Gedanken machen müssen.

Aber Jiroushin gegenüber war Dulacre nicht so wohlwollend gestimmt. Lorenor war nun mal stur, unbesonnen und lebensmüde. Es überraschte Dulacre nicht im Mindesten, dass dieser Grünschnabel auf solch gefährliche Ideen kam und sie ohne Rücksicht auf Konsequenzen umzusetzen gedachte.

Genau aus diesem Grund hatte Jiroushin doch auf ihn aufpassen sollen!

Hinter dem dauergrinsenden Lebemann steckte ein verlässlicher, ernsthafter Stratege, dem Dulacre bedingungslos vertraute. Er hatte nicht eine Sekunde daran gezweifelt, dass Jiroushin mit dem Starrsinn seines Wildfanges fertig werden würde, hatte nicht daran gezweifelt, dass Jiroushin seinen Worten folgen würde.

Mürrisch riss er die Tür zum Kaminzimmer auf. Sein bester Freund kniete ihm gegenüber am Kamin und entfachte gerade ein Feuer. Als er Dulacre sah, erhob er sich und klopfte dem Staub von seiner Hose.

„Sieh mich nicht so an, Hawky, das habe ich nicht verdient.“

„Den Kopf abgeschlagen hättest du verdient!“ Die Wut, die gerade erst abgeflaut war, flammte wieder auf als er auf Jiroushin zuschritt. „Was hast du dir dabei gedacht? War dir nicht bewusst, dass…“

„Flaum mich nicht so an“, unterbrach ihn der Blondschopf ebenfalls erbost, „es war nicht so, als wollte ich, dass Zorro so etwas riskantes ausprobiert! Er hat mir keine Wahl gelassen.“

„Wovon redest du? Er ist noch fast ein Kind! Wie willst du Vater werden, wenn du noch nicht einmal mit einem halbstarken Jungspund umgehen kannst?“

Plötzlich wurde Jiroushin blass vor Zorn.

„Wag es ja nicht, mein ungeborenes Kind hier mitreinzuziehen! Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen, du ach so großer Schwertmeister? Er wusste was zu tun war und falls es dir noch nicht aufgefallen ist, dieser Pirat hält sich nicht an Befehle und Verbote.“

Dulacre ignorierte die verletzten Gefühle des anderen.

„Dann hättest du ihn eben zwingen müssen, notfalls mit Gewalt. Schließlich ist er dir doch…“

„Ist er mir was? Unterlegen?“ Der Vizeadmiral schnaubte höhnisch auf. „Das du dich da mal nicht täuschst. Der einzige Weg, wie ich ihn hätte aufhalten können, wäre mit meinem Degen und du wirst den Tag nicht erleben, dass ich einen mir anvertrauten Schüler verletzte, nur um…“

„Oh ja, du Pazifist, und du verteidigst dich auch noch? Anstatt einen Stich gegen Lorenor zu führen, hast du es also lieber riskiert, dass er zerbrechen würde.“

„Jetzt hör aber mal auf!“ Nun brülle Jiroushin regelrecht, eine ungesunde Röte kroch seinen Hals empor und verdrängte die Zornesbleiche. „Du kennst Zorro besser als ich. Dir muss bewusst gewesen sein, dass er sich nicht aufhalten lassen würde, weder von dir und erst recht nicht von mir. Ich hatte keine Wahl und ich werde mir von dir nicht vorwerfen lassen, dass ich neben ihm stand, anstatt es ihn allein durchmachen zu lassen.“

Er war es nicht gewohnt, dass Jiroushin sich mit ihm stritt, nicht so. Normalerweise erkannte der Blondschopf seine Fehler schnell ein und entschuldigte sich; meistens waren ihre Auseinandersetzungen nur von kurzer Dauer und das obwohl Dulacre doch so nachtragend sein konnte.

„Es war kein Fehler“, beharrte Jiroushin. „Ich habe keinen Fehler gemacht. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Aber du hast ein Problem damit, nicht weil es geschehen ist, sondern weil ich da war und nicht du. Weil Zorro und ich einen Weg gegangen sind, der dir zu riskant vorkam und du nicht da warst, um alles unter Kontrolle zu halten.“

„Und ich habe auch gutes Recht dazu.“ Anders als Jiroushin sprach Dulacre nun deutlich ruhiger, obwohl er rasend vor Wut die Fäuste ballte. „Ich habe gutes Recht dazu wütend zu sein, Jiroushin. Ich habe dir vertraut, dass du nichts dergleichen ausprobieren würdest und du hast mein Vertrauen missbraucht. Aber viel schlimmer als das ist, dass, wenn ich nicht gekommen wäre, Lorenor seinen Verstand verloren hätte, weil du es noch nicht einmal wahrgenommen…“

„Glaubst du wirklich, ich hätte es nicht bemerkt?“

Erschrocken sah er Jiroushin an, der sich auf die Lippe biss.

„Glaubst du wirklich ich hätte nicht bemerkt wie unstet Zorros Rüstung wurde, wie abwesend er dreingeblickt hatte? Glaubst du ich wusste nicht, dass er drauf und dran war zu zerbrechen.“

„Warum hast du dann weitergemacht? Warum hast du nicht abgebrochen? Du hättest…“

Mittlerweile waren sie wieder auf Zimmerlautstärke angekommen, es war fast schon wieder eine Unterhaltung, wären da nicht diese verletzten Gefühle.

„Es war zu spät, Dulacre. Du kamst nicht just in dem Moment, in dem er diesen Zustand erreicht hatte. Kaum hatte er die Schwelle auch nur angekratzt, hatte er sich verändert. Er hat gebebt und gezittert, war abwesend gewesen, hat mir kaum noch zugehört, hat jeden meiner Vorschläge aufzuhören, einfach ignoriert und das Haki-level einfach erhöht. Alles was ich tun konnte, war da zu sein und zu hoffen, dass er es überstehen würde.“

Zweifelnd sah Dulacre den anderen an.

„Warum hast du ihn nicht einfach aufgehalten, warum hast du ihn nicht ausgeschaltet?“

„Tze, du meinst etwas so Leichtsinniges tun und ihn in einem solchen Zustand angreifen? So wie du es gemacht hast? Das war so ziemlich das letzte was mir in den Sinn kam und ich verstehe immer noch nicht wieso du so etwas Gefährliches getan hast und noch weniger wie er es überleben konnte. Jeder weiß doch, dass ein Kampf mit einem solch unsteten Hakifluss im Körper schwere Folgen hat. Er hätte es nicht überleben dürfen und erst recht nicht die Kontrolle erlangen dürfen.“

Plötzlich verstand Dulacre was passiert war, plötzlich verstand er warum sie sich so uneinig gegenüberstanden. Er hatte es vergessen, hatte vergessen wie Lorenor im Training sein konnte, dass er ein Nein nicht für ein Nein nehmen würde, dass er einem Verbot nicht Folge leisten würde.

Dulacre trainierte den Jüngeren schon so lange, dass er vergessen hatte, wie ungewöhnlich es war für einen Lehrmeister mit seinem Schüler einen Kompromiss finden zu müssen und er hatte vergessen, dass es Momente gab, in denen Lorenor keine Kompromisse hinnehmen würde und ja sein eigenes Monster gehörte mit Sicherheit zu den Dingen über die Lorenor nicht verhandeln würde.

Er hätte Jiroushin besser darauf vorbereiten müssen, hätte ihn warnen müssen, nicht nur vor der ungehobelten Starrköpfigkeit, der unverdrossenen Grobheit und dem unnachgiebigen Ehrgeiz, er hätte Jiroushin in erster Linie vor Lorenors erbarmungsloser Zielstrebigkeit warnen müssen.

Aber vielleicht hätte Jiroushin Dulacres Wildfang selbst dann nicht aufhalten können, vielleicht hätte es Dulacre noch nicht einmal selbst gekonnt. Wenn Lorenor eine Entscheidung getroffen hatte, konnte ihn nichts mehr davon abbringen, das wusste der Samurai nur zu gut.

Und natürlich hatte Jiroushin Recht. Lorenor war nicht der erste Mensch mit besonderen Hakifähigkeiten und ein jeder, der vernünftig Haki unterrichten wollte, wusste, dass ein unsteter Hakifluss nicht von außen gestört werden durfte. Wenn ein Anfänger viel Haki produzierte und der Fluss so unstet wurde, dass die Energie sich in manchen Bereichen staute, durfte der Anwender auf keinen Fall die Konzentration verlieren, denn so viel angestaute Energie, konnte beim Verlust der Kontrolle im Körper explodieren und dann war es fast egal, dass es bei Lorenor noch nicht mal sein eigenes war; in einem solchen Moment konnte ein Anfänger sich selbst umbringen und aus diesem Grund war eine vernünftige Basis in der Hakianwendung unverzichtbar.

Wenn man dann noch bedachte, dass Lorenor ein schlafendes Monster in sich trug, welches nur darauf wartete, dass er unter einer solchen last die Kontrolle verlieren würde, um seinen Platz einzunehmen, dann hatte Jiroushin tatsächlich Recht. Es grenzte an Wahnsinn, einen Schüler in einer solchen Situation auch noch anzugreifen.

Aber es ging hier ja nicht um irgendeinen Schüler, es ging um Lorenor, und woher hätte Jiroushin wissen sollen, dass Lorenors Stärke nun mal der direkte Kampf war? Dulacre wusste von Monaten des Haare Raufens, dass Lorenors Geist nie so scharf war, wie im echten Kampf. Lorenor, der sich sorgte nur ein tumber Knüppel zu sein, wurde im Kampf zur schärfsten Klinge, und das wusste Dulacre. Er wusste, dass Lorenor sich nie so sehr konzentrierte wie im Kampf, selbst beim Schachspielen, selbst wenn er seine Bücher las und übersetzte, nie konnte er sich so konzentrieren wie, wenn er kämpfte.

Daher hatte Dulacre ihn angegriffen, weil Lorenor kurz davor gewesen war die Konzentration und somit auch die Kontrolle zu verlieren und Dulacre hatte gewusst, dass dies der einzige Weg gewesen war, um ihn möglicherweise davor zu bewahren.

Aber woher hätte Jiroushin das wissen sollen?

Jetzt verstand Dulacre, warum er und Jiroushin so unterschiedlicher Meinung waren. Der Vizeadmiral war ein Lehrmeister wie er im Buche stand, kannte die Regeln und die Tabus, hatte mehr Leute im Schwertkampf unterrichtet als Dulacre wahrscheinlich je die Klingen mit gekreuzt hatte. Er tat das was richtig war, so wie es gelehrt wurde, vertraute auf seinen gesunden Menschenverstand und das erlernte Wissen.

Dulacre auf der anderen Seite interessierte sich nicht ein Stück für die konventionellen Trainings- und Lehrmethoden. Die wenigen Menschen, die er je unterrichtet hatte, hatte er meistens nach seinem eigenen Gutdünken geführt, hatte ihnen natürlich viele Dinge erklärt und war all diese Grundlagen und Übungen mit ihnen durchgegangen, die notwendig waren, aber letzten Endes hatte Dulacre nie etwas anderes getan, als die Schwächen seines Schülers bemerkt und diese ausgemerzt, bis keine mehr dagewesen waren.

Allerdings war das bei Lorenor auch nicht ganz so gewesen. Er wusste nicht, wie oft sie sich gestritten hatten, wie oft Lorenor Dulacres Befehle ignoriert und nach seinem eigenen Gefühl gehandelt hatte, wie oft Dulacre seine eigenen Methoden dem Jungspund hatte anpassen müssen. Ab einem gewissen Punkt hatte Dulacre akzeptiert, dass Lorenor alles andere als gewöhnlich war und dass er sich seinem Wildfang anpassen musste, damit Lorenor so lernen konnte, wie er es brauchte.

Es war ein langer, konfliktreicher Weg gewesen, den Dulacre nur sehr widerstrebend gegangen war, doch war er selbst schon jemand, der sich gerne von den althergebrachten Regeln abwandte. Wie hatte er erwarten können, dass Jiroushin dies innerhalb von weniger Tage schaffen würde, während er selbst mehrere Monate gebraucht hatte?

Der größte Unterschied zwischen ihnen beiden war, dass Dulacre Lorenor kannte und ihm eine Verantwortung gab - hatte abgeben müssen - die ein Lehrmeister normalerweise nie seinem Schüler überlassen würde, so wie Jiroushin es nicht hatte tun wollen.

Der Grund, warum die Dinge sich so entwickelt hatte, wie sie nun waren, lag daran, dass Dulacre nicht einkalkuliert hatte, wie gut er Lorenor kannte und dass kein Wissen der Welt, keine Erfahrung und keine Intelligenz dies wettmachen konnten.

Er hatte verkannt, dass der Grund warum er Lorenor so gut unterrichten konnte einzig und allein daran lag, dass sie sich so vertraut waren.

„Es war mein Fehler“, flüsterte er leise und wandte sich von Jiroushin ab, als die Wahrheit ihn einholte.

„Wie bitte?“, ertönte Jiroushin hinter ihm. „Du würdest doch niemals eingestehen, dass du etwas falsch gemacht hast. Ich dachte du könntest gar keine Fehler machen.“

Missbilligend schnalzte Dulacre mit der Zunge.

„Lorenor würde dir da deutlich widersprechen.“

„Das überrascht mich nicht, aber dass du überhaupt Fehler machst und sie dann auch noch selbstreflektiert bemerkst. Wer bist du und was hast du mit Hawky gemacht?“

Mit einem Schmunzeln musste Dulacre den anderen wieder ansehen.

„Ich muss mich entschuldigen, Jirou. Mir hätte bewusst sein müssen, dass ich dir eine Verantwortung nicht aufbürden kann, die nicht mal in meiner Hand liegt.“

„Ich verstehe nicht im Mindesten was du sagst, Hawky. Aber es ist Balsam für meine Seele, dass du dich entschuldigst, ganz gleich wofür.“

Kopfschüttelnd wanderte Dulacre zu seinem Sessel hinüber und ließ sich hineinfallen.

„Na dann sollte ich mich vielleicht eher bedanken. Dank dir hat Lorenor nun sein Monster besiegt und in sich aufgenommen, wobei wenn ich es Recht bedenke, sollte ich eher mir selbst danken, dass er dabei nicht um den Verstand gekommen ist.“

„Tze“, lachte Jiroushin, „diese Blumen will ich gar nicht, die kannst du ganz für dich allein haben. Ich bin nicht stolz darauf, dass Zorro nun selbst ein Monster geworden ist. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte er diesen dunklen Teil seiner selbst für immer vergraben.“

„Ach, Jiroushin. Du warst bei mir machtlos und auch Lorenor trifft seine Entscheidungen selbst, akzeptiere es oder halt dich raus, wenn du es nicht ertragen kannst.“

Der Blondschopf ließ sich neben ihm auf den Boden fallen, trotz der circa zwanzig Sitzgelegenheiten in seiner Umgebung.

„Das meinst du doch nicht ernst, Hawky. Ich soll Gefallen daran finden, einem Kind dabei zu helfen, sich selbst zu verlieren, so wie du dich damals verloren hast? Tut mir leid, wenn es mir lieber wäre, dass Zorro ein glücklicher, zufriedener Mensch ist, aber…“

„Oh, Jirou, hör dich reden“, lachte Dulacre beinahe. „Glück und Zufriedenheit? Glaubst du Lorenor könnte je glücklich werden, wenn er seinen Traum nicht weiter verfolgen könnte? Und was redest du jetzt so freundschaftlich von Zorro? Wolltest du ihn nicht für seine Vergehen bestrafen? Und nun soll Zorro ein glücklicher und zufriedener Mensch werden? Du hättest ihn eben sehen sollen, auf mich wirkte er weder unglücklich noch verloren. Im Gegenteil, ich glaube Lorenor hat endlich gefunden, wonach er lange gesucht hat.“

„Red dir das ruhig ein, Hawky. Aber falls du wirklich Recht haben solltest, beruhigt mich das zumindest ein bisschen.“

Mühsam erhob sich der Vizeadmiral.

„Wie dem auch sei, lass uns morgen weiterreden. Ich brauche nun was dringenden Schlaf. Dein kleiner Wildfang hat mich doch ganz schön auf Trapp gehalten.“

„Dann solltest du dich ausruhen. Ich möchte morgen die vergangenen Tage mir dir besprechen, aber nun muss ich zunächst einmal mit Lorenor sprechen.“

„Wie du meinst.“ Doch dann blieb Jiroushin stehen und sah ihn über die Schulter hinweg an. „Wie ging es eigentlich deinem Vater? Nataku hat wieder mal übertrieben, oder?“

Seufzend nickte der Samurai. „Natürlich. Der alte Gat hat einen vom Alkohol zerfressenen Körper, das ist es aber auch schon. Ansonsten war das Treffen so unnötig, wie man es hätte erwarten können.“

Mit hochgezogenen Augen sah Jiroushin ihn an, dann hob er jedoch nur eine Hand und murmelte: „Wie du meinst“, ehe er Dulacre allein zurückließ.

Gedankenverloren betrachtete Dulacre die flüsternden Flammen. Nie hätte er gedacht, dass die Dinge sich so entwickeln würden. Nie hätte er gedacht, sich je so fürchten zu würden, aber der Moment als er vor Lorenor gestanden hatte, wissend, dass er ihn nun jede Sekunde verlieren konnte, nur um jetzt von dessen Erfolg beseelt zu sein.

Tief aufatmend legte er eine Hand vor seine Augen, schloss die Hitze des Feuers für einen Moment aus. Da war etwas in seinen Gedanken, was er nicht ganz erfassen konnte, nicht ganz greifen und begreifen konnte und das machte ihm Kopfschmerzen. Er brauchte Ruhe, Stille, einen Moment der Sorglosigkeit, um es mit aller Geduld ertasten zu können.

Er dachte, dass er diese Ruhe die letzten Tage gehabt hätte, aber die ständige Sorge um Lorenor, hatte ihn nie losgelassen. Vielleicht war jetzt der Moment gekommen, jetzt wo er wusste, dass Lorenor in Sicherheit war, die größte Hürde seines Seins genommen hatte, vielleicht konnte Dulacre jetzt ein paar wenige Minuten sich in sich selbst zurückziehen und sich die Zeit nehmen, um…

„Du siehst ja beschissen aus. Hätte gedacht, dass du zumindest mal nach zwei Wochen Urlaub etwas weniger schlecht gelaunt dreinschauen würdest.“

„Lorenor“, murmelte er und rieb sich den Nasenrücken, als die sarkastische Stimme seines Wildfangs den Raum füllte.

Wie hatte er auch hoffen können, in diesem Schloss, seinem Rückzugsort von der Welt, für eine Sekunde mal Ruhe finden zu können?

 

Kapitel 43 - Erinnerungen

Kapitel 43 – Erinnerungen

 

-Mihawk-

Schwerfällig öffnete er die Augen und schaute zu Lorenor hinüber. Dieser sah ihn nur mit hochgezogenen Augenbrauen an und ließ sich dann auf das Sofa gegenüber fallen.

„So beschissen wie du aussiehst könnte man meinen, dass ich dich fertig gemacht hätte und nicht umgekehrt.“

Dulacre beobachtete seinen Wildfang dabei, wie dieser mit seinen bandagierten Händen eines der Bücher, die Dulacre ihm geschenkt hatte, aus der viel zu großen Tasche seines viel zu großen Mantels zog und darin zu lesen begann.

Er hatte nie verstanden, warum Lorenor aus all den Sachen, die Kanan ihm zur Anprobe geschickt hatte, sich für diesen hässlichen, untauglichen, grünen Mantel entschieden hatte. Selbst in dieser Gestalt drohte Lorenor bereits darin unterzugehen, als Lady Loreen wirkte er fast so, wie ein Kind, welches sich am Kleiderschrank der Eltern bedient hatte.

„Ich bin überrascht dich bereits jetzt anzutreffen und dazu noch in dieser Gestalt. Solltest du dich nicht ausruhen? Außerdem hatte ich erwartet, dass du dich längst verwandelt hättest.“

Nun beäugte Lorenor ihn über sein Buch hinweg mit fragendem Blick. Nach einer Sekunde legte er den Kopf schief, als würde er nachdenken.

„Dir ist aber schon bewusst, dass ich über vier Stunden geschlafen habe?“

Verstimmt wunderte Dulacre sich, was Lorenor mit einer solch oberflächlichen Lüge bezwecken wollte. Er konnte doch nicht erwarten schon mit dem Training weiterzumachen indem er so tat, als hätte er sich bereits erholt?

„Und ich hab auch schon was gegessen; Perona hat mir etwas zur Seite gestellt. Die ist übrigens jetzt ins Bett. Sie hat dich wohl durchs halbe Schloss brüllen gehört und hat jetzt Angst davor, dass du… Was guckst du mich so an, als ob ich…?“

„Ach, Lorenor. Was spielst du für ein Spiel mit mir. Wir haben doch abgesprochen, dass keine Lügen notwendig sind. Heute Abend werden wir nicht weitertrainieren, selbst wenn du schon vier Stunden geschlafen hättest, also…“

„Warte mal.“ Lorenor ließ sein Buch sinken und sah ihn nun genervt an. „Was redest du denn da für einen Schwachsinn? Als würde ich mir hier irgendetwas zusammenreimen. Ich hab schon kapiert, dass wir heute Nacht nicht mehr weitermachen würden und ob du’s glaubst oder nicht, ich bin um ehrlich zu sein ziemlich fertig und wäre schnurstracks wieder ins Bett gegangen, wenn du nicht gesagt hättest, dass du noch mit mir reden wolltest.“

Nun musste Dulacre eingestehen, dass er sich wirklich veräppelt vorkam, weil Lorenor so tat als hätte er etwas missverstanden. Kopfschüttelnd setzte er sich etwas gerader hin.

„Aber Lorenor, wenn das was du sagst stimmen sollte, dann hätten wir ja schon mitten in der Nacht.“

„Ja, haben wir“, bestätigte Lorenor nicht mehr ganz so gereizt und senkte seine Aufmerksamkeit wieder auf das Buch in seinen Händen. „Du bist ganz schön verpeilt, weißt du das? Es ist fast zwei Uhr nachts. Also nein, ich hab ausnahmsweise mal nicht vor weiter zu trainieren, zumindest nicht bevor die Sonne wieder aufgegangen ist.“

Nachdenklich beobachtete Dulacre wie Lorenor eine Seite umblätterte. Es sollten also bereits über sechs Stunden seit seinem Gespräch mit dem anderen vergangen sein? Dabei hätte er schwören können, dass kaum mehr als eine ins Land gegangen sei.

Hatte die kleine Auseinandersetzung mit Jiroushin deutlich mehr Zeit gekostet als er es wahrgenommen hatte oder waren die wenigen Sekunden, in denen er die Augen geschlossen hatte, vielleicht doch mehr als nur ein paar Herzschläge lang gewesen?

Was war nur los mit ihm?

„Also?“, murrte Lorenor, ohne überhaupt aufzusehen. „Du wolltest mit mir sprechen und hier bin ich. Worum geht’s?“

Schmunzelnd entschied Dulacre das Rätsel der Zeit für einen Moment zu ignorieren und sich seinem Schüler zuzuwenden.

„Eigentlich wollte ich nur wissen wie es dir die letzten Tage ergangen ist.“

Eine weitere Seite umblätternd schnaubte Lorenor leise auf. Es war ein angenehmes Bild ihm beim Lesen zuzusehen, auch wenn es Dulacre ein bisschen überraschte, dass er sich gleichzeitig unterhalten konnte und wenn er ganz ehrlich war, störte es ihn auch ein bisschen.

„Und wegen sowas kann ich noch nicht ins Bett?“ Doch er grinste schief, meinte es offensichtlich nicht ernst. „Wie soll es mir ergangen sein? Ich hab dir doch schon alles erzählt. Ich kann nun die Grundlagen in…“

„Ausnahmsweise meinte ich mal nicht deinen Trainingszustand.“ Nun schaute Lorenor ihn mit großen Augen an. „Als ich euch verließ war Jiroushin dir gegenüber alles andere als freundlich gestimmt und nun heißt es die ganze Zeit ‚Zorro hier und Zorro da‘. Ich frage mich wohl, was da passiert ist.“

„Nichts ist passiert“, brummte Lorenor und wandte sich wieder seinem Buch zu, „wir sind miteinander klargekommen, falls du das meinst. Jiroushin ist schon in Ordnung, denke ich, und ich kann ihm wohl kaum verübeln, dass er mich wegen Senichi nicht abhaben kann.“

„Oh, ich kann ihm das sehr wohl verübeln.“

Lorenor schwieg für einen Moment, ehe er weitersprach: „Es war ganz okay hier. Perona und Jiroushin verstehen sich gut, daher hat sie mich die meiste Zeit in Ruhe gelassen. Ich musste nur ein paar Mal beim Umgraben helfen, aber das haben Jiroushin und ich mit Training verbunden, daher war es eigentlich ganz gut.“

„Was habt ihr umgegraben?“, fragte Dulacre misstrauisch. Er mochte keine Veränderungen, erst recht nicht in seinem Heim.

„Entspann dich. Perona und Jiroushin haben entschieden den Nutzgarten im Hinterhof wiederzubeleben. Frag mich nicht warum, ist mir ziemlich egal, aber wie gesagt, Jiroushin meinte du hättest kein Problem damit, solange Perona nur draußen Dinge verändert und das Schloss in Ruhe lässt.“

Dem konnte Dulacre nicht wirklich widersprechen, sein Kindheitsfreund kannte ihn einfach zu gut. Er hatte dieses Schloss als seine Heimat erwählt, aber die Insel selbst war ihm ziemlich gleichgültig.

„Ach, übrigens. Eizen hat mir einen Brief geschrieben, indem er uns rät demnächst mal auf Mary Joa vorbeizuschauen.“

„Und warum sollten wir das tun?“, murrte Dulacre bemüht gelassen. Allein der Name des Politikers reichte aus, um ihn in Erinnerung zu rufen, dass Lorenor ihm wohl etwas verschwieg, etwas was mit Eizen zu tun hatte und Lorenor somit in Gefahr bringen konnte.

„Es geht wohl um die Ernennung eines neuen Samurais, der sich selbst eingeladen hat, oder so. Außerdem gibt es anscheinend noch einen Vorschlag für einen weiteren Kandidaten.“

„Na und? Glaubt Eizen wirklich, dass es mich in irgendeiner Form interessieren würde, welcher windige Pirat diesen Titel beschmutzt? Ich muss dir doch nicht erklären, dass ich eher früher als später die Samurai verlassen werde.“

„Lass das bloß nicht Jiroushin hören.“ Lorenor sah ihn wieder an. „Aber irgendwie widersprichst du dir doch selbst, oder nicht? Auf der einen Seite sagst du, dass dir der Titel gestohlen bleiben kann auf der anderen Seite willst du nicht, dass ihn jemand beschmutzt. Um ehrlich zu sein kapiere ich das nicht wirklich.“

Schulterzuckend erhob Dulacre sich.

„Daran ist nicht besonders viel zu verstehen, Lorenor. Die Samurai der Meere stellen eine wichtige Macht in der Gewaltenteilung dar. Aber natürlich bin ich dagegen, dass irgendwelche dahergelaufenen Hunde den gleichen Titel tragen wie ich. Meinst du es ist unterhaltsam mit einem Wahnsinnigen wie Don Quichotte de Flamingo an einem Tisch zu sitzen? Seine eitle Großspurigkeit ist alles andere als erheiternd und die Piratenkaiserin steht ihm da in nichts nach.“

„Scheint eine Voraussetzung für den Titel zu sein“, murmelte Lorenor dazwischen.

„Vergleich mich bitte nicht mit einem solchen Pack, Lorenor. In den letzten Jahren wurde die Besetzung immer enttäuschender und glaube mir, ich warte nur auf einen Grund diese Bühne zu verlassen. Also nein, wenn Eizen dich bezirzen will, muss er mich schon mit etwas Besserem locken.“

„Du bist so nervig.“

„Und du bist naiv.“

Leise lachte Lorenor auf: „Als naiv wurde ich wirklich noch nie bezeichnet.“

„Es gibt für alles ein erstes Mal“, entgegnete Dulacre nur und ließ Lorenor zurück im Kaminzimmer.

Als er wenige Sekunden später wieder hineinkam – nun mit dem alten Bündel Unterlagen seines Vaters – saß Lorenor unverändert auf seinem Sofa und las in dem kleinen Büchlein. Dulacre hoffte inständig, dass er auch dieses zügig übersetzen würde.

„Morgen werde ich mit Jiroushin besprechen, wie lange er noch bei uns bleiben wird und dann sollten wir dein weiteres Training planen.“

Lorenor nickte und sah langsam zu ihm auf. Dulacre ließ sich auf seinen Sessel nieder.

„Ich wollte eigentlich etwas ganz anderes mit dir besprechen, Lorenor, auch wenn mir nicht bewusst war, dass es nun schon so spät ist.“

Er streckte seine Hand nach dem Buch aus, das Lorenor las und der Jüngere reichte es ihm anstandslos. Gedankenverloren blätterte Dulacre ein paar Seiten durch die Runen – stets darauf bedacht die Seite, die Lorenor gerade las, nicht loszulassen – und fragte sich erneut welche Rätsel und Geheimnisse sie wohl enthielten.

„Ich habe mich immer schon gefragt, wenn du diese Bücher hier lesen kannst, dann kannst du doch auch die Porneglyphen lesen, nicht wahr?“

„Nein.“

Überrascht schaute Dulacre auf.

„Nicht? Für mich sehen diese Runen identisch aus, warum solltest du es also nicht lesen können?“

„Es sind die gleichen Schriftzeichen, zumindest die meisten von ihnen, aber ich kann sie trotzdem nicht lesen. Ich erkenne die Zeichen, aber sie ergeben keinen Sinn. Sie sind beinahe wie willkürlich aneinandergereiht bei den Porneglyphen. Ich hab mal ein paar von Robins Notizen gesehen, aber selbst damit hab ich’s nicht kapiert.“

Lorenor zuckte nur mit den Schultern. Doch für Dulacre erklärte dies vieles.

„Natürlich. Was wäre eine bessere Verschlüsselung als eine Geheimsprache aus einer toten Sprache zu formen? Jetzt verstehe ich so langsam.“

Sein Wildfang legte den Kopf schief.

„Wovon redest du eigentlich und wofür zur Hölle sollte das wichtig sein?“

Seufzend legte Dulacre das Buch zur Seite und reichte Lorenor die Unterlagen seines Vaters.

„Ist es dir nie in den Sinn gekommen, Lorenor? Du kannst eine tote Sprache sprechen, aus der vor über 800 Jahren eine geheime Sprache entwickelt wurde, damit…“

„Du nervst“, unterbrach Lorenor ihn, „ich hab dir doch schon mal gesagt, dass mir dieser Kram völlig egal ist.“

Beruhigend hob Dulacre eine Hand und flehte innerlich um Geduld.

„Hör mir doch bitte einfach mal zu. Weißt du, dass mein Vater seinerzeit versuchte diese Bücher zu entziffern, aber kläglich daran scheiterte? Es missfiel ihm so sehr, dass er sie auf einer seiner Reisen mit sich nach Ohara nahm, damit jene Forscher sie entschlüsseln konnten. Doch selbst ihnen gelang es nicht.“

Lorenor sah ihn nur milde interessiert an, während Dulacre weitersprach: „Natürlich ergibt das nun alles Sinn. Sie versuchten von einer Geheimsprache Rückschlüsse zu ziehen auf diese Sprache, die du sprichst. Vielleicht hätten sie einen völlig neuen Ansatz wählen müssen, um sie zu verstehen.“

„Und?“ Offensichtlich unbeeindruckt löse Lorenor den dünnen Faden, der die trockenen Blätter zusammenhielt und überflog sie flüchtig. „Warum erzählst du mir das alles?“

„Nun ja, es schien mir auffällig zufällig, dass ausgerechnet du jene Sprache lesen kannst, also entschied ich herauszufinden, was mein Vater weiß, da er deutlich mehr Zeit mit Büchern verbracht hat, als ich es je tun werde.“

Lorenor erhob sich langsam und blätterte die porösen Seiten weiter durch während er durch den Raum schritt.

„Lorenor, ich denke in diesen Papieren – die Notizen, die mein Vater in mühsamer Kleinarbeit über Jahre zusammengestellt und dann vor der Weltregierung versteckt hat – könnten Hinweise auf deine Vergangenheit, dein Vorfahren, dein Erbe… Lorenor!“

Er sprang auf und hechtete zu Lorenor hinüber, doch er war zu spät.

Wie ausgehungert verzerrten die Flammen das trockene Papier innerhalb eines Augenblicks, knisterten aufgebracht und bäumten sich auf.

Dulacre stieß Lorenor zur Seite und wollte nach den Unterlagen seines Vaters greifen, aber das Feuer hatte sie bereits zu Asche verwandelt.

Fassungslos stand er vor der lodernden Hitze. Jahre der Nachforschungen, all das Wissen vergangener Wissenschaftler, unzählige Gedankengänge seines Vaters, all das war innerhalb eines Momentes vergangen.

„Was hast du getan?“ Bebend wandte er sich zu Lorenor um, der ihn nur gleichgültig betrachtete. „Was hast du nur getan?!“

Er packte Lorenor an den Schultern, schüttelte ihn, als könnte er so die verlorenen Informationen wieder zurückholen.

„Was fällt dir ein, du dummes Kind?! Das waren die Antworten! Endlich hättest du herausfinden können, was dein Name bedeutet, wer deine Vorfahren waren, warum du diese Sprache kannst, vielleicht sogar warum du von den Toten auferstanden bist. Warum nur, warum hast du etwas so Manisches getan? Bist du von allen guten Geistern verlassen?! Wie sollen wir denn jetzt je die Wahrheit hinter deiner Fähigkeit herausfinden? Wolltest du nicht wissen wer du…“

„Hör auf.“

Lorenor klang ruhig, fast schon gelassen. Ganz anders Dulacre, der den Jüngeren am Liebsten gegen die nächstbeste Wand schleudern wollte.

„Das alles interessiert mich nicht.“

Kühl sah Lorenor zu ihm auf, sein Gesicht eine Maske der Gleichgültigkeit.

„Was redest du da?“, flüsterte Dulacre, kaum Herr seines Zornes. Endlich hatte er wichtige Anhaltspunkte gefunden. In diesen Seiten hätten die Puzzleteile enthalten sein können, die ihm noch gefehlt hatten, um zu verstehen wer Lorenor war, wer er in Wirklichkeit…

„Hier geht es nicht um mich“, sprach Lorenor kalt weiter und versuchte noch nicht einmal sich aus Dulacres Griff zu lösen. „Hier geht es nur um dich, um das was du willst.“

Als hätte er sich verbrannt ließ er von seinem Schüler ab.

„Mach dich nicht lächerlich“, herrschte er ihn an, „ich weiß wer ich bin, von wem ich abstamme, wessen Blut durch meine Adern fließt. Ich trage den Namen meiner Familie, die Titel meiner eigenen Taten und das Erbe meiner Ahnen. Du hingegen…“

„Ich sag’s ja, es geht nur darum was du willst.“ Fast schon zustimmend fauchten die Flammen hinter Dulacre auf. „Das hier ist ganz allein deine Sache. All diese Dinge sind mir sowas von scheißegal und damit hast du ein Problem. Du willst all diesen Schwachsinn über meine Vergangenheit wissen, du willst nach irgendetwas Bedeutungsvollem in meiner bedeutungslosen Geschichte suchen und es stört dich, dass mir das alles egal ist.“

Nun schritt Lorenor auf ihn zu, blieb eine Handbreit vor ihm stehen und obwohl Dulacre ihn um mehr als einen Kopf überragte, schien Lorenor auf ihn herabzusehen.

„Du bist derjenige von uns, der Namen und Titeln mehr zuspricht als Worten und Taten und weil ich deinen Titel will – und vermutlich auch weil ich einer der wenigen verdammten Menschen bin, die du überhaupt magst – bist du besessen davon in meiner Vergangenheit irgendetwas zu finden, dass das rechtfertigt. Du suchst eine scheiß Erklärung damit ich es wert bin vom ach so großen Mihawk Falkenauge Dulacre unterrichtet und respektiert zu werden.“

Auf einmal schlug Lorenor ihm leicht gegen die Brust, wobei Dulacre nicht wissen konnte, ob jener Schlag mit Absicht so schwach gewesen war.

„Aber mir geht dieser Kram am Arsch vorbei. Ich werde dich nicht besiegen, weil ich irgendein Nachfahre einer ach so tollen untergegangenen Zivilisation bin, sondern weil ich jeden Tag an meine Grenzen gehe und unablässig daraufhin trainiere! Ich werde deinen Titel nicht an mich nehmen, weil irgendein Blut adliger Ahnen durch meine Adern fließt, sondern weil ich es kann und weil ich es will.“

Selten erlebte er den Jüngeren so wütend.

„Also hör auf damit die Erklärung meiner Fähigkeiten in Dingen zu suchen, die ich nicht beeinflussen kann. Ich akzeptiere nicht, dass alle Opfer und Anstrengungen der vergangenen zwanzig Jahre weniger Wert sein sollen als das Blut irgendwelcher toter Menschen. Also rede meine Leistung nicht klein und tu nicht so, als würde es hier um mich gehen.“

Dulacre schwieg. Eigentlich sollte er doch zornig sein. Lorenor hatte die wertvollen Unterlagen seines Vaters zerstört. Warum also war es nun Lorenor der ihn wie ein wildes Tier anfauchte? Und warum war es Dulacre, der kaum wagte zu atmen?

Kopfschüttelnd drehte sich Lorenor von ihm weg und schritt durch den Raum, nahm das Buch von Dulacres Sessel und deutete damit auf ihn.

„Ich weiß genau wer ich bin, Dulacre, und anders als du definiere ich mich nicht über irgendwelche Namen und Titel, sondern nur über meine Taten, nur darüber ob ich meinen eigenen Ansprüchen genüge, ob ich meinem Spiegelbild stolz entgegentreten kann. Aber anscheinend reicht das für dich nicht.“ Lorenor schnaubte laut auf. „Anscheinend ist alles was ich tue unwichtig, solange ich nicht der Nachfahre irgendwelcher großer Namen bin, oder?“

„Lorenor, das…“

„Lass stecken, es ist mir egal. Geh zu deinem Vater und finde heraus, was du wissen willst, aber glaube nicht eine Sekunde, du würdest mich dadurch besser kennen lernen oder verstehen. Glaube nicht eine Sekunde, dass du so herausfinden wirst, wer ich wirklich bin.“

Fast schon kraftlos ließ Lorenor das Buch zurück auf Dulacres Sessel fallen.

„Weißt du, mir war immer bewusst, dass du und ich aus zwei völlig verschiedenen Welten kommen und auch wenn mich deine geschwollene Art manchmal echt nervt, so bist das nun mal auch du. Ich weiß, dass ich dir zu ungebildet, unkultiviert und schlicht bin, aber ich hab immer gedacht, dass du mich trotzdem als der, der ich bin respektieren würdest. Ich hab immer gedacht, dass du siehst wer ich wirklich bin. Tze, so kann man sich täuschen.“

„Lorenor, bitte höre mir doch eine Sekunde…“

„Nein. Ich bin müde. Ich will dir jetzt nicht mehr zuhören. Morgen früh werde ich meine Runden laufen und danach werden wir weitertrainieren und ich werde mich weiterhin deinem Willen als mein Lehrmeister beugen.“ Lorenor schritt zur Türe, ohne ihn auch nur anzusehen. „Aber was alles andere angeht, so kann mir deine Meinung echt gestohlen bleiben.“

Plötzlich sah er doch auf und dieser Blick fuhr dem Samurai tief in die Glieder. Er wusste genau an welchen Tag ihn dieser tiefe, verletzte Blick erinnerte. Etwas sagte ihm, dass er gerade in Begriff war Lorenor zu verlieren.

Dann schlug die Türe hinter dem Jüngeren zu, ließ Dulacre im eiskalten Kaminzimmer zurück. Er verstand kaum, was passiert war, warum Lorenor erst die Beherrschung und dann das Vertrauen in ihn verloren hatte, aber dieser Blick, der zum ersten Mal ihm, Dulacre, gegolten hatte erfüllte ihn mit einem ungekannten Grauen.

„Er hat Unrecht“, flüsterte er der anklagenden Stille zu.

Was war falsch daran, dass er mehr über Lorenors Vergangenheit herausfinden wollte? Was war falsch daran, dass er dem Rätsel um Lorenors eigenartige Mutter und dieser toten Sprache auf den Grund gehen wollte? Was war falsch daran, dass er hoffte darüber Hinweise zu finden, warum Lorenor diese einzigartige Fähigkeit besaß?

All dies hatte doch nichts mit Dulacres Respekt dem Jüngeren gegenüber zu tun, und wenn er dabei zufälliger Weise feststellen würde, dass Lorenor vielleicht wirklich ein Nachfahre Alciels war, wenn er dabei herausfinden würde, warum sein Vater den Namen Lorenor so fürchtete, was war dann schon dabei?

Schließlich würde dies nichts daran ändern, wer Lorenor war oder eben nicht. Es würde nichts an seinen herausragenden Fähigkeiten und seiner unermüdlichen Hingabe ändern, wenn überhaupt würde es ihm nur zugute kommen. Warum also, benahm sich Lorenor gerade so, als ob Dulacre ihn verraten hätte?

Wieso war Lorenor überhaupt derjenige, der außer sich war? War er nicht derjenige gewesen, der fremdes Eigentum einfach so unwiderruflich zerstört hatte? Müsste nicht eigentlich Dulacre durchs Schloss wüten, während Lorenor sich auf Knien für sein unbedachtes Verhalten entschuldigen müsste?

Nein, Dulacre würde jetzt diesem ungestümen Rotzbengel erklären, wer hier im Unrecht lag und wer nicht. Schließlich hatte er nicht mehr getan, als ein paar Informationen einzuholen. Er hatte Lorenor einen Gefallen tun wollen, verdammt noch mal! Er hatte nicht aus Egoismus gehandelt, sondern völlig selbstlos.

Natürlich hatte er sich schon seit jenem Abend aus Sasaki gefragt, warum ausgerechnet Lorenor diese Bücher lesen konnte, warum ausgerechnet Lorenor von den Toten auferstanden war und warum ausgerechnet Lorenor ihn eines Tages besiegen sollte.

Es musste Schicksal sein, dass Lorenor auf Sasaki landete, dass Dulacres Vater Unterlagen über diese Bücher angesammelt hatte, dass er wusste, was der Name Lorenors bedeuten konnte.

Wenn Lorenor sich nur nicht so zieren würde und Dulacre nichts erklärte, dann hätte Dulacre nicht den weiten Weg zur G2 auf sich nehmen müssen, um seinen Vater zu fragen. Nein, diese Situation hatte Lorenor vollumfänglich zu verantworten, er trug Schuld.

Warum verschwieg er ihm, wie er in diesem fremden Körper wiedergeboren wurde? Warum verschwieg er ihm, warum er in Wirklichkeit Eizen Gefolgschaft geschworen hatte? Warum entschied Lorenor sein Monster in Dulacres Abwesenheit herauszufordern?

Erzürnt stapfte er durch das dunkle Schloss, brauchte nur wenige Atemzüge bis er vor der Zimmertüre des Jüngeren stand und nach einem weiteren Atemzug riss er diese auf.

„Lorenor, du hast dich augenblicklich zu entschuldigen für dein…“

Trotz seiner Wut konnte Dulacre nicht verhindern, dass er errötete, als er den vollständig entblößten Lorenor vor sich sah, der wohl gerade aus dem Bad gekommen war.

Innerhalb eines Herzschlages veränderte sich der überraschte Gesichtsausdruck des Jüngeren in kalte Abweisung.

„Was willst du hier? Verschwinde und lass mich in Ruhe. Ich hab keinen Bock mehr mich mit dir zu unterhalten.“

Dulacre zwang sich den Blick nicht abzuwenden, sondern den anderen direkt anzusehen.

„Wir waren aber noch nicht fertig, außerdem ist dies mein Schloss und ich kann jeden Raum aufsuchen, der mir beliebt.“

Kopfschüttelnd bückte Lorenor sich nach einer achtlos auf dem Boden liegenden Unterhose.

„Ich dachte, dieses Zimmer wäre meins und dieses Schloss wäre auch mein Heim oder gilt das nur für die Tage an denen du großzügig bist oder für Leute, die dir würdig genug sind?“

Sarkasmus tropfte aus jedem Wort und Dulacre wurde wieder wütend über die herablassende Art, mit der Lorenor ihm gegenüber sprach, während dieser sich anzog.

„Sei nicht lächerlich, Lorenor. Aber in einem respektvollen Streitgespräch haben beide Seiten ein Anrecht darauf gehört zu…“

Ein respektvolles Streitgespräch? Willst du mich eigentlich verarschen?!“

Welches Kleidungsstück Lorenor auch immer gerade aufgehoben hatte, achtlos schmiss er es aufs Bett.

„Das hier ist kein Streitgespräch, keine zivilisierte Diskussion, kein kleiner Zwist. Du bist der Arsch, der hinter meinem Rücken in meiner Vergangenheit rumwühlt, obwohl ich klar gesagt habe, dass ich das nicht will! Du bist der Arsch, der mein ganzes Lebenswerk auf das Blut irgendwelcher toten Monarchen reduzieren will und wenn ich dir sage, dass ich meine Ruhe haben will, verfolgst du mich und meinst auch noch, dass ich mich entschuldigen muss! Wer ist hier respektlos?“

So einfach wollte Dulacre sich nicht von Lorenor vorführen lassen.

„Also zu aller erst einmal, hast du mich nicht einmal zu Wort kommen lassen, wie sollte ich also meinen Standpunkt verteidigen und dich beschwichtigen, außer indem ich dir nachfolge? Außerdem hast du mir mit keinem Wort verboten, Nachforschungen über deine Vergangenheit anzustellen, nur dass sie dir gleich ist. Auch habe ich mit keinem Wort gesagt, dass deine Leistungen weniger beeindruckend seien, nur weil du möglicher Weise von einem besonderen Volk abstammst. Wenn überhaupt, könnte das Wissen über deine Vergangenheit dir Vorteile verschaffen. Es könnte dir helfen deine Kräfte zu verstehen und vielleicht hast du ein Erbe, welches du antreten musst. Daher finde ich…“

„Ach zum Teufel, du kapierst es einfach nicht!“

Erst jetzt bemerkte Dulacre, dass Lorenor schwerer atmete, als dieser sich gegen den Bettpfosten lehnte.

„Lorenor?“

„Lass mich in Ruhe. Ich müsste mich längst verwandeln, mehr ist es nicht.“

Wütend sah der Jüngere ihn an.

„Dann werde ich es dir noch einmal mit ganz einfachen Worten erklären: Du respektierst mich nicht. Du hältst mich zwar für einen recht fähigen Schwertkämpfer und kannst mich wohl auch ganz gut leiden, aber letzten Endes respektierst du mich nicht. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, weil ich jünger bin, oder in deinen Augen mich nicht zu benehmen weiß, oder einfach daran, weil ich vor dir keinen Kratzbuckel mache, aber es scheint etwas damit zu tun haben, dass ich nicht den gleichen Hintergrund wie du habe. Du willst unbedingt, dass ich irgendwie besonders bin, dass ich irgendwie…“

„Das stimmt nicht, Lorenor“, unterbrach er den anderen nun abwehrend, beobachtete beunruhigt wie sehr Lorenor nun schwitzte. „Du irrst dich ungemein. Es gibt wohl kaum einen Menschen, den ich so respektiere wie dich.“

„Ach wirklich?“ Lorenor ließ sich aufs Bett fallen, offensichtlich würde er sich bald verwandeln müssen, aber dazu war er zu stolz. „Warum also hast du mich nicht einfach gefragt? Warum hast du mir nicht vorher gesagt, dass dein Vater Wissen haben könnte, dass mich interessieren könnte. Warum hast du nicht vorgeschlagen, dass ich mitkomme und ihn selber frage? Vielleicht hätte ich dir dann schon vorher gesagt, dass ich das alles nicht wissen will.“

Einen Moment atmete Lorenor tief ein und rieb sich den Schweiß von der Stirn.

„Aber nein, du hast einfach über meinen Kopf hinweg entschieden meine Vergangenheit aufzuwühlen. Was wolltest du damit bezwecken? Wolltest du, dass ich dir dafür dankbar bin, dass du in Dingen herumstocherst, die ich nicht wissen will und dich nichts angehen? Wolltest du der strahlende Held sein, der mir die frohe Botschaft bringt, dass ich der verlorene Königssohn einer untergegangenen Dynastie bin?“

„Nun ja, zumindest hatte ich mit keiner Strafpredigt gerechnet.“

„Du behandelst mich immer noch wie ein Kind, das von dir bevormundet werden muss und dass obwohl wir schon so oft darüber geredet haben, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe, und das soll ich auch noch gut finden?“

Kopfschüttelnd verschränkte Dulacre die Arme.

„Ich sage nicht, dass ich ausnahmslos besonnen handle, Lorenor, aber du hast selbst gesagt, dass du damit umgehen kannst, dass du mich auch dann aushältst, wenn ich nicht der rationale, kühne Mihawk bin, also…“

„Darum geht es doch gar nicht…“

„Doch, auch darum geht es. Vielleicht hätte ich dich vorher fragen sollen, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass dieses Thema für dich so sensibel ist. Vielleicht sind meine Absichten nicht die reinsten, vielleicht war ich zu neugierig in Bereichen, die privat waren, aber nachdem du so wenig über deine Vergangenheit preisgabst, blieb mir kaum etwas anderes übrig. Wie kannst du nur glauben, dass ich dich nur wertschätzen könnte, wenn du eine besondere Herkunft hättest? Denkst du wirklich so gering von mir?“

Nun schien es als würde Lorenor zum ersten Mal seine Worte hinterfragen, als er für einen Moment schwieg, doch diese Sekunde verging schnell.

„Was hast du mir denn anderes übriggelassen? Was sollte ich denn sonst denken? Andauernd redest du davon, wie armselig alle anderen doch sind. Die Weltaristokraten, die anderen Samurai, die Politiker deiner Inseln, andere Piraten, selbst deine eigene Familie und deine Freunde; immer tust du so, als ob du über ihnen allen stehen würdest, als wärest du ein verdammter Gott oder so, besser als jeder andere, als wärest du über jeder Verfehlung erhaben und hättest Weisheit und Wissen im Mutterleib eingepflanzt bekommen.“

Dann begann Lorenor sich zu verwandeln, doch er ließ sich gar nicht davon aufhalten, als er beflissen weitersprach.

„Und jedes Mal, wenn wir irgendwie auf die Bücher, meine Vergangenheit oder meine Mutter zu sprechen kamen, hast du immer direkt von meiner möglichen Herkunft geschwafelt. Ich weiß, dass du davon fantasiert hast, dass ich ein Nachfahre des letzten Königs von Alciel sein könnte, warum sonst wärest du so interessiert an meiner Mutter gewesen? Du wolltest unbedingt wahrhaben, dass ich irgendein mächtiger Adelsnachfahre bin, der am besten noch Anspruch auf irgendein zerfallenes Königreich hat, nur damit ich dir würdig wäre.“

Dulacre wandte den Blick ab, als Lorenor nicht daran dachte seinen nackten Oberkörper zu bedecken.

„Du irrst dich, Lorenor. Natürlich haben all diese fast zu willkürlich wirkenden Zufälle meine Neugierde geweckt, aber unabhängig davon, was ich in deiner Vergangenheit finden würde oder auch nicht, es würde mein Bild von dir nicht beeinflussen. Es würde nichts daran ändern wer du bist, nicht für mich.“

„Ach, Schwachsinn.“ Gnädiger Weise zog Lorenor sich nun ein viel zu großes Shirt über den Kopf und begann dann seine Verbände festzuziehen. „Natürlich hätte es dich in irgendeiner Form beeinflusst. Du bist in dieser Welt von Namen und Titel groß geworden und brüstest dich noch damit. Wenn es dir wirklich egal wäre, würdest du nicht wie ein Wahnsinniger auf Teufel komm raus versuchen alles aufzudecken.“

Dem konnte Dulacre nicht viel entgegensetzen. Natürlich konnte er es abstreiten, aber wenn er ganz ehrlich war, lag der Jüngere damit gar nicht so falsch.

„Und dann hätte ich dir vielleicht auch erzählt, was ich weiß.“

Diese Worte ließen Dulacre nun aufhorchen. Lorenor betrachtete ihn beinahe traurig, nein eher resigniert, die kindlichen Augen waren schwer und matt, der schmale Mund kaum mehr als eine dünne Linie.

„Was meinst du damit, Lorenor?“

„Weißt du noch, wie mich meine Mutter nannte?“, antwortet der Jüngere mit einer Gegenfrage.

„Selbstredend, Ren, was so viel bedeutet wie Kind oder Abkömmling.“

Lorenor nickte.

„Und wie nannte ich sie?“

„Nun ja, Mutter – Ni - wenn ich nicht irre. Lorenor, wo führt das ganze hin?“

„Ich nannte sie, Lo Ni, weil…“

Und dann verstand Dulacre auf einmal.

„Weil es eine respektvolle Anrede ist“, murmelte er und wunderte sich, wie es ihm damals hatte entgehen können.

„Lorenor ist gar kein Name“, flüsterte Dulacre und sah den anderen an, „es ist ein Titel.“

Er strich sich durchs Haar und stützte sich mit einer Hand an der Wand hinter sich ab.

„Es ist ein Titel für den hochwohlgeborenen Nachfahren eines… eines was? Was bedeutet das Or in deinem Namen?“

Lorenor zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht“, meinte er schlicht.

„Nein, das glaube ich dir nicht. Sag mir die Wahrheit, Lorenor. Nun kannst du auch alles sagen. Was für ein Nachfahre bist du?“

„Und das ist genau das, was ich gemeint habe“, murrte der andere nun, „darum wollte ich es dir nicht sagen, weil du jetzt eine riesen Sache daraus machen wirst und…“

„Aber es ist relevant, Lorenor! Wie ich es vermutet hatte, bist du wohl ein Nachfahre Alciels und das bedeutet…“

„Gar nichts bedeutet das!“, unterbrach nun Lorenor ihn wieder. „Ich habe nicht vor mich von irgendeinem ausgerotteten Volk beeinflussen zu lassen. Meine Herkunft hat nichts mit mir zu tun und sie wird nicht meine Zukunft formen, das mache ich schon ganz allein.“

Lorenors Ansicht war ihm absolut unverständlich. Also versuchte er diesen Diskussionspunkt erst einmal zu umgehen.

„Nun gut, Lorenor, aber von was für einer Herkunft sprechen wir hier überhaupt?“

„Ich hab’s dir doch gesagt, ich weiß es nicht.“ Der Jüngere wich seinem Blick aus. „Um ehrlich zu sein, ist mir das alles erst aufgefallen, als wir uns über meine Mutter unterhalten haben. Ich denke nicht oft über sie und meine Kindheit nach und irgendwie habe ich den Zusammenhang nie hergestellt. Aber als wir darüber sprachen, hast du so komische Dinge gesagt und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen und auf einmal haben so viele ihrer Aussagen und Handlungen Sinn ergeben, plötzlich ist die Frau aus meiner Erinnerung eine ganz andere und eigentlich weiß ich gar nicht, wer meine Mutter war.“

Dulacre schwieg. Er fragte sich, ob Lorenors Wut von vorher vielleicht einzig und allein in der Unsicherheit begründet lag, die seine Erkenntnis über seine Vergangenheit gebracht hatte, oder ob seine vorgebrachte Anklage, dass Dulacre ihn nur wegen eines Namens wertschätzen würde, vielleicht nicht ganz unbegründet gewesen war.

„Aber warum willst du dann nicht herausfinden, wer deine Mutter war?“, fragte er schlicht. „Warum willst du nicht so viel wie möglich über sie erfahren?“

„Weil es egal ist“, antwortete Lorenor entschieden, „selbst, wenn ich jeden Stein, jedes Buch und jedes Porneglyph nach Informationen über meine Mutter umdrehen würde, so wird das doch nichts an der Vergangenheit ändern. Schlussendlich wird sie doch niemand anders sein als die stolze Frau im geflickten Kleid, die sich selbst vergiftet hat. Und genauso ist es mit irgendwelchen Namen, Titeln oder Erbe. Selbst wenn ich alles darüber herausfinden würde, so ist es doch alles schon längst vergangen und ich lebe mein Leben nicht, um den Ansprüchen unbekannter Ahnen nachzukommen. Ich habe meinem Leben meinem Traum, meinem Versprechen und meinem Schwur gewidmet, und kein Name, kein Titel und erst recht kein verdammtes Erbe wird mich davon abhalten.“

Lange sah Dulacre seinen Schüler an, versuchte zu begreifen, was Lorenor damit meinte und scheiterte jedoch kläglich. Er verstand nicht, was an dem Wissen über die eigene Herkunft so abstoßend sein sollte. Er verstand nicht, warum Lorenor sich so sträubte und so aufbrausend reagierte.

Aber dann kam ihm eine überraschende Erkenntnis.

„Ich muss gestehen“, sagte er klar, „dass ich deine Beweggründe nicht im Mindesten nachvollziehen kann. Aber mir ist bewusst geworden, dass ich das vielleicht auch gar nicht muss. Unabhängig davon ob ich deine Ansichten verstehe oder nicht, sollte ich sie doch zumindest akzeptieren. Ich war von meinem eigenen Wunsch mehr über deine Herkunft zu erfahren so erfüllt, dass ich deine Entscheidung sie ruhen zu lassen, nicht respektiert habe, dafür möchte ich mich entschuldigen.“

Lorenor starrte Dulacre mit großen Augen und offenem Mund an.

„Allerdings möchte ich betonen, dass deine Reaktion auch alles andere als angebracht war. Die Unterlagen meines Vaters zu verbrennen, darüber bin ich sehr erzürnt, und wenn du mir von vornherein die Wahrheit gesagt hättest, wäre ich möglicherweise rücksichtsvoller gewesen.“ Nun zog Lorenor zweifelnd eine Augenbraue hoch. „Schließlich hatten wir vereinbart, dass wir ehrlich miteinander umgehen.“

Nach einer Sekunde nickte der verzauberte Pirat seufzend.

„Jaja, du hast ja schon Recht. Tut mir leid, dass ich dir nicht die Wahrheit gesagt habe und dass ich den Papierkram verbrannt habe. Hätte ich nicht tun sollen, mein Fehler.“

„Außerdem warst du mir gegenüber sehr unhöflich und hast…“

„Wir wollen’s jetzt mal nicht übertreiben, okay? Du bist ein arroganter Mistkerl und dafür werde ich mich auch nicht rechtfertigen.“

„Tze, du wirst dich nie ändern, oder Lorenor?“

Der Jüngere grinste.

„Das würdest du doch gar nicht wollen.“  Dann wurde er wieder ernst. „War’s das jetzt? Ich bin wirklich verdammt müde und will nur noch schlafen.“

„Na gut, ich sollte mich auch hinlegen. Aber eine Frage hätte ich noch.“

Lorenor sah ihn einfach nur an, doch Dulacre wusste nicht, wie er fragen sollte, was ihn beschäftigte. Für einige Atemzüge starrte er Lorenor schweigend an, bis dieser entnervt aufstöhnte. Beschwichtigend hob Dulacre beide Arme.

„Wir haben beide heute einige Dinge gesagt, die besser nicht laut ausgesprochen worden wären und ich wollte… mich nur vergewissern, dass wir…“

„Also ich für meinen Teil hab schon das meiste vergessen, was du oder ich gesagt haben“, warf Lorenor grob dazwischen. „Außerdem war es doch nur ein respektvolles Streitgespräch oder nicht. Warum machst du dir also direkt ins Hemd?“

Auch wenn Dulacre die Ausdrucksweise wirklich nicht gutheißen wollte, so erleichterten diese Worte ihn doch ungemein.

„Das heißt, es wäre nicht vermessen, wenn ich dich bitten würde von nun an wirklich ehrlich mit mir umzugehen? Keine Lügen mehr?“

„Keine Ahnung“, murrte Lorenor und zog sich die Bettdecke über die Beine, „aber wenn’s dich beruhigt mache ich da mit. Hauptsache ich kann jetzt schlafen.“

Kopfschüttelnd verabschiedete Dulacre sich mit einem Lächeln, hörte noch wie Lorenor sein Nachtlicht ausschaltete, ehe er die Tür zuzog.

Dieser Abend sollte ihm eigentlich viel zu denken geben, aber der einzige Gedanke, der ihm gerade einfiel, war dass es wohl niemanden gab, der Lorenor so respektvoll ansprach wie er es tat, erst unbewusst und von nun an bewusst.

Es erheiterte ihn, dass ein solcher Gedanke ihn so glücklich machte, aber als er sein Zimmer erreichte schwand das Lächeln.

Die gegenüberliegende Tür stand offen und Jiroushin lehnte im Türrahmen.

„Spannungen im Paradies?“, fragte dieser ohne jeglichen Schalk in der Stimme. „Habt euch ja ganz schön laut gestritten.“

„Es tut mir leid, falls wir deine Nachtruhe gestört haben sollten, Jiroushin. Das lag nicht in unserer Absicht.“

Der Blondschopf winkte ab.

„Schon gut. Wenn du willst, habe ich eine Minute.“

Dieses Angebot überraschte Dulacre fast noch mehr als die generelle Anwesenheit des Blonden.

„Vielleicht ein anderes Mal, Jirou. Jetzt sehne ich mich nur nach meinem Bett“, lehnte er höflich ab und öffnete seine Zimmertür.

„Du hast dich wirklich sehr verändert, Dulacre, ich erkenne dich kaum wieder.“

Diese Worte ließen Dulacre einen Moment innehalten, während Jiroushin weitersprach: „Früher hättest du nie so mit jemandem gestritten und früher hättest du nie so über jemanden gelächelt.“

„Jirou, ich bin zu erschöpft, um deine Beweggründe zwischen den Zeilen herauszufiltern, also fasse dich bitte kurz.“

„Ich wunder mich nur, Hawky, ist dir wirklich bewusst, was du für diesen Jungen empfindest? Denn ich glaube nicht, dass diese Liaison für euch beide glücklich ausgehen wird.“

„Jiroushin, was redest du da? Lorenor und ich unterhalten keine solche Beziehung, das solltest du doch wissen.“

Nun sah der andere ihn ernst an.

„Oh keine Sorge, ich weiß das und Zorro weiß das, aber die Frage ist doch, bist du dir dessen auch bewusst?“

Mit der Zunge schnalzend stieß Dulacre die Zimmertüre auf.

„Was für lächerliche Gedanken, Jiroushin, der Schlafmangel lässt dich Gespenster sehen.“

„Ich mache mir nur Sorgen um dich, Hawky. Egal was ich von Zorro halte, ich kann nicht wortlos danebenstehen und zusehen wie du in dein Verderben rennst. Ich kann ihn eigentlich ganz gut leiden, das weißt du, aber wenn du nicht gut aufpasst, wird er deinen Untergang bedeuten und das kann und werde ich nicht zulassen.“

Es wäre doch sehr schade, wenn nach Jimbei und Moria die Reihen der Samurai um ein weiteres Mitglied geschwächt würden.

Nun ist dir erneut ein unschuldiges Wesen in Fänge geraten und ich werde nicht dabei zusehen, wie du noch ein Leben zerstörst.

Dieser Name bedeutet für dich und dieses Kind nur Unheil. Der letzte Lorenor ist tot und so soll es auch bleiben.

Ich weiß nicht, ob ich Euch verzeihen kann, dass Ihr einem Kind ein solches Stigma aufgezwungen habt.

„Willst du mir etwa drohen, Jiroushin?“, fragte Dulacre warnend nach, während er sich an all die Worte von Freund und Feind erinnerte, die ihm und Lorenor bereits den Untergang prophezeit hatten.

„Nein, in keinem Fall. Ich bitte dich nur darum auf dich aufzupassen und eine emotionale Distanz zu Zorro zu wahren, wie es sich zwischen Schüler und Lehrmeister gehört.“

Damit schritt der Vizeadmiral zurück in sein Zimmer und ließ Dulacre einfach stehen.

Wieso sagten sie das alle? Wieso schienen alle Menschen in seinem Leben dieser Meinung zu sein?

Ob nun Eizen, Nataku, Gat oder Kanan, selbst Jiroushin! Sie alle warnten Dulacre, entweder davor, dass er Lorenors Elend heraufbeschwören würde oder umgekehrt. Die meisten Worte waren ihm gleichgültig gewesen, doch gerade erinnerte er sich an jeden Zweifel, den er je gehegt hatte, jeden Streit, den er je mit Lorenor ausgetragen hatte.

Konnte es sein, dass Dulacre gerade einen schweren Fehler beging? Konnte es sein, dass er zum ersten Mal in seinem Leben eine Situation falsch einschätzte? Konnte es sein, dass Jiroushin Recht hatte?

Führte der Weg, den er und Lorenor gewählt hatten, in ihrer beiden Verderben?

Dulacre wusste es nicht, doch er erinnerte sich gut daran, dass er sich einst vorgenommen hatte Distanz zu Lorenor zu wahren und dass er damit kläglich gescheitert war. Einst hatte er sich genau vor dem gefürchtet, was Jiroushin vermutet hatte.

Warum also, warum wollte er Jiroushins Worten also einfach keine Bedeutung schenken?

Also, um das ein für alle Mal klarzustellen, ich kann meine Entscheidungen selbst treffen, unabhängig davon was du oder ein dahergelaufener Vollidiot sagt und ich lasse mir dieses Recht auch nicht nehmen, von niemandem. Meinetwegen bist du mein Untergang oder das fleischgewordene Unglück. Aber weißt du was? Das sind alles deine Probleme!

Doch dann verstand er und die Zweifel schwanden so schnell wie sie gekommen waren.

Weißt du, ich bin stark und ich habe einen noch stärkeren Willen. Ich halte dich aus. Weil Ich stark bin und weil ich auf mich selber Acht geben kann und für mich selbst Entscheidungen fällen kann.

Sie alle kannten Lorenor nicht, nicht so wie Dulacre ihn kannte. Sie alle unterschätzen ihn so wie Dulacre es früher auch so oft getan hatte und manchmal immer noch tat.

Also hör auf meine Entscheidungen nicht zu respektieren. Ich bin alt genug, um mir die Menschen in meinem Leben selbst auszusuchen. Du bist zwar echt nervtötend, aber ich kann dich die meiste Zeit über ganz gut leiden, also tu nicht so, als hätte ich das alles hier nicht selbst zu verantworten, als wärest du an irgendetwas schuld. Ich bin ein Lorenor und ein Lorenor lässt niemanden Entscheidungen für sich fällen.

Nur Dulacre wusste, wie stark Lorenor wirklich war und jetzt verstand er auch, was Lorenor so verletzt hatte.

Dulacre wusste wer Lorenor in Wirklichkeit war, er konnte es sehen, weil Lorenor ihm sein wahres Gesicht immer wieder gezeigt hatte, aber aus welchem Grund auch immer, hatte Dulacre es vergessen, einfach vergessen.

Er hatte sich zu sehr um Lorenor gesorgt und hatte für einen Moment vergessen in ihn zu vertrauen, ihn wirklich wahrzunehmen.

Leise lächelnd verließ Dulacre den Flur.

Nun schuldet er Jiroushin noch mehr Dank, ohne dessen Warnung hätte er vielleicht erst viel zu spät bemerkt, dass er drohte vom rechten Weg abzuschweifen.

Kapitel 44 - Yoru

Kapitel 44 – Yoru

 

-Mihawk-

Das Frühstück war ungewohnt steif. Lorenor war noch dabei seine Runden zu laufen – zu Dulacres Grauen hatte Perona ihm erzählt, dass sein Wildfang trotz der langen Nacht zur gewohnt früher Stunde aufgestanden war, um sein Morgentraining zu absolvieren – während Perona unter den misstrauischen Augen der Human Drills sich nicht davon abhalten ließ, den Nutzgarten zu pflegen, so dass Jiroushin und Dulacre alleine am langen Esstisch speisten.

Normalerweise würde nun die laut scherzende Stimme des Vizeadmirals den Raum füllen, aber er schwieg, wich Dulacres Blick beinahe absichtlich aus. Ob er bereute was er ihm in der vergangenen Nacht gesagt hatte? Ob Jiroushin ihn wohl lieber belogen und seine wahren Gedanken verschwiegen hätte?

Am Anfang ihres gemeinsamen Mahles hatten sie sich noch ernsthaft über die vergangenen zwei Wochen Training unterhalten; hatten besprochen, was Jiroushin Lorenor beigebracht hatte, was gut funktioniert und was Schwierigkeiten bereitet hatte. Sie hatten ausgiebig beleuchtet welche Methoden Jiroushin angewandt hatte und wie Lorenor sie hatte umsetzen können. Generell hatte Dulacre darauf geachtet, dass sie nichts ausließen, was relevant sein konnte. Er musste jedes Detail wissen.

Doch irgendwann war dann doch alles gesagt worden und auch die zwanzigste Nachfrage hatte keine Überraschungen mehr offengelegt, so dass sie schweigend das Frühstück fortgesetzt hatten, nicht in der Lage ein Gespräch aufrechtzuerhalten; wofür Dulacre auch wohlweißlich einfach kein Talent besaß, was Jiroushin jedoch normalerweise überhaupt keine Schwierigkeiten bereitete.

Plötzlich ging die Türe auf und Lorenor stolperte hinein, das lange, wilde Haar kaum mit einem Haarband gezähmt, verschwitzt und dreckig, doch grinsend hielt er Jiroushin eine Hand mit gestrecktem Zeige- und Mittelfinger entgegen.

„Achtzig Runden“, erklärte er offensichtlich stolz.

Dulacre hatte erfahren, dass die beiden anderen vereinbart hatten, dass Lorenor seine morgendliche Einheit erhöhen sollte, damit er nicht noch weiter hinter sich selbst zurückfiel – ein fast schon zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, das auch noch viel Zeit in Anspruch nahm – und aus diesem Grund trainierte Lorenor nun anscheinend auch doppelt so oft in dieser Gestalt als in seiner wahren.

„Sehr gut“, lobte Jiroushin ihn viel zu überschwänglich für Dulacres Geschmack, „du hast dich schnell gesteigert. Hast du auch schön Rüstungshaki angewandt, wie ich dir riet?“

„Natürlich, ich bin ja nicht blöd“, winkte Lorenor unbeeindruckt ab.

„Du solltest dich erst duschen und umziehen“, riet Dulalcre kühl, als Lorenor Anstalten machte, sich an den Tisch zu setzen. „Du bist sehr verschwitzt.“

„Ach ne“, murrte der Jüngste im Bunde, erhob sich jedoch wieder.

„Außerdem möchte ich, dass du dich verwandelst. Wir werden heute nicht in diesem Körper trainieren.“

Nun sahen ihn die beiden Anwesenden mit großer Überraschung an.

„Nicht?“, fragte Jiroushin.

„Willst du etwa bei gestern Abend weitermachen?“, hakte Lorenor nach.

„Ach, Lorenor, sei nicht so naiv. Ein Blick verrät mir, dass deine Reserven sich noch nicht genug erholt haben, erst recht nicht nach dieser kurzen Nacht. Nach dem gestrigen Erfolg werden wir heute nichts riskieren. Ich denke nach ein bis zwei Tagen Ruhe können wir unbesorgt den nächsten Schritt angehen.“

„Unbesorgt?“, wiederholte Jiroushin sarkastisch.

„Und warum soll ich mich dann verwandeln?“, widersprach Lorenor mürrisch. „Sollten wir diese Zeit nicht lieber nutzen, damit ich in diesem Körper auch stärker werde?“

Dulacre konnte ein Schmunzeln nicht verhindern.

„Wenn du das möchtest, können wir das gerne machen, Lorenor. Ich dachte nur, dass du heute gerne etwas Neues ausprobieren würdest.“

„Und was?“ Lorenor beäugte ihn äußerst misstrauisch.

„Nun ja, nach Bambus, Spaten und Axt, möchtest du nicht endlich auch mal ein echtes Schwert ummanteln?“

Lorenor starrte ihn an, doch dann schlich ein unüblich breites Grinsen über sein sonst so ernstes Gesicht und er nickte nur, ehe er von dannen eilte.

„Nach dem gestrigen Tag möchtest du ihm direkt die nächste Herausforderung auf den Rücken binden?“, schollt Jiroushin ihn missbilligend.

„Ich will ihn belohnen, Jiroushin. Lorenor hat gestern seine größte Hürde genommen und nun bekommt er dafür das was er sich am meisten wünscht.“

„Und das wäre die Ummantelung von Schwertern?“

„Nicht unbedingt nur das, aber nach über einem halben Jahr wird Lorenor nun bald wieder mit seinen Schwertern kämpfen dürfen, und zwar sobald er die Ummantelung beherrscht.“

Nun schaute der Blondschopf doch auf.

„Du hast ihn all die Zeit nicht mit seinen Schwertern trainieren lassen?“

„Natürlich nicht. Wenn er sie zerstört hätte wäre es als sein Lehrmeister meine Schuld gewesen. Er war noch nicht bereit, aber bald wird er es sein.“

Jiroushin schwieg für einen Moment, mit den Gedanken wohl bei seinem Degen, der ihm ein weit besserer Freund war als Dulacre je sein wollte.

„Du bist ein grausamer Mann, Dulacre, gerade den Menschen gegenüber, die dir wichtig sind.“

Er entgegnete nichts. So einer Aussage wollte er nicht zustimmen, aber widersprechen konnte er auch nicht.

„Hör mal, Hawky. Wegen vergangener Nacht, was ich da gesagt habe… also ich denke…“

„Du hast natürlich jedes Recht der Welt deine Meinung zu äußern, Jirou, und ich sollte dankbar sein, dass ein so gutmütiger Mensch wie du sich um mich Sorgen macht.“

Unwohl kratzte Jiroushin sich am Kinn.

„Ja, mag schon sein, aber was ich eigentlich sagen will ist…“

„Es ist irrelevant, was du sagen willst, Jiroushin. Du kannst deine Meinung äußern aber akzeptiere, dass ich ihr keinen Wert beimesse. Es ist mir gleich ob du oder sonst jemand befürchtet, dass Lorenors und meine Beziehung eine Katastrophe heraufbeschwören wird oder nicht. Solange Lorenor mich nicht abweist, werde auch ich ihn nicht abweisen.“

Kopfschüttelnd stand Jiroushin auf.

„Du bist wieder einmal so egoistisch, Dulacre. Ich verstehe, dass du ihn magst; er versteht deine Liebe zum Schwerte wie wohl kaum einer seit Sharak, vielleicht sogar mehr als sie es je konnte. Aber was du da tust wird ihn und damit auch zwangsläufig dich selbst zerstören. Du überschätzt Zorro. Er ist selbstbewusst und stellt sein Licht nicht unter den Scheffel. Deswegen glaubt ihr beide, dass er stark genug ist. Aber er kennt dich doch kaum, nicht wenn du richtig wütend bist, nicht wenn du dich nicht mehr halten kannst. Zorro weiß nicht, worauf er sich da einlässt und du lässt ihn bereitwillig ins offene Messer laufen; er weiß doch nicht, wer du wirklich bist. Er überschätzt sich und weil du ihm glaubst, überschätzt du ihn auch.“

Elegant erhob sich auch Dulacre und schritt auf Jiroushin zu, begegnete seinem rationalen, ernsten Blick mit einem flüchtigen Lächeln.

„Du liegst falsch, Jiroushin“, flüsterte er beinahe und legte ihm eine Hand auf die Schulter, ehe er weiterging, „ich bin wohl der einzige, der Lorenor nicht unterschätzt. Ich bin wohl der einzige, der Lorenor wirklich als den sieht, der er ist.“

Er ging zum Kamin und griff nach einem der Schwerter, überlegte es sich jedoch dann anders und eilte zur Tür.

„Und du irrst dich in einer weiteren Sache, mein lieber Freund.“ Er blieb noch nicht mal stehen. „Mag sein, dass Lorenor mich kaum kennt, kaum etwas über mein Leben, meine Vergangenheit weiß und doch weiß er genau wer ich bin. Wer weiß, vielleicht versteht er mich ja sogar besser als du es tust. Ich habe das Gefühl, dass er durch meine Maske hindurchsieht, ob ich will oder nicht.“

Mit diesen Worten verließ er Jiroushin, doch dessen Worte hallten durch die leeren Flure wie eine letzte Warnung.

„Trotz deiner scharfen Falkenaugen bist du wie blind, Hawky.“

 

-Zorro-

Überrascht stellte er fest, dass nur ein ungewohnt schlecht gelaunt dreinblickender Jiroushin in der Eingangshalle auf ihn wartete.

„Wo ist denn Dulacre?“, fragte Zorro mürrisch. Hatte der Mistkerl es sich jetzt wieder anders überlegt?

Jiroushin zuckte nur mit den Achseln, offensichtlich alles andere als zufrieden.

„Sag mal“, murmelte der Soldat dann und faltete die Arme, „weißt du noch, worüber wir uns vor ein paar Tagen unterhalten haben? Als wir über deine Crew sprachen?“

Verwirrt erinnerte Zorro sich an das seltsame – und irgendwie auch unangenehme - Gespräch nach ihrem gemeinsamen Training vor vier oder fünf Tagen zurück. Jiroushin war sehr neugierig gewesen und hatte ihn viel über die anderen gefragt, speziell Robin war ihm wohl ins Auge gefallen. Auch über den lüsternen Koch und Franky hatten sie sich unterhalten. Aber warum griff Jiroushin dies nun wieder auf?

Der Soldat hatte ihn komische Fragen gestellt und immer wieder über irgendwelche Gefühle gesprochen, die im Zweifel jede Absprache, jeden Plan, ja sogar jeden Traum behindern können sollten. Es hatte fast schon wie eine Warnung geklungen, aber Zorro konnte sich nicht vorstellen, dass Gefühle – etwas Undefinierbares was man weder anfassen noch ganz begreifen konnte – so eine Macht haben sollten. Er hatte Jiroushin damals ganz klar gesagt, dass er sich weder von seinem Traum noch davon seine Crew zu beschützen ablenken lassen würde, erst recht nicht von irgendwelchen unsinnigen Gefühlen.

„Ich weiß, du hast ziemlich deutlich gemacht, dass du dich nur auf deinen Traum und auf den Schutz deiner Crew konzentrieren willst und all diese anderen Dinge dich nicht interessieren.“

„Hmm“, murrte Zorro zustimmend, unwohl was der andere ihn wohl nun fragen würde.

„Aber was wäre, wenn einer von ihnen anders fühlen würde? Würde das deine Meinung ändern?“

Zorro neigte den Kopf zur Seite.

„Warum sollte es?“, meinte er schlicht. „Meine Ansicht hat doch nichts mit den Gefühlen anderer zu tun. Wieso sollte ich mich davon beeinflussen lassen?“

„Weil ebendiese Einstellung Menschen, die dir wichtig sind, verletzen könnte.“

„Ich hab keine Ahnung, wovon du redest“, widersprach Zorro kühl.

Er wusste nicht, was das hier sollte. Er hatte sich auf eine interessante Lehrstunde mit dem Samurai gefreut. Endlich würde er Schwerter ummanteln. Aber jetzt kam Jiroushin mit so einer Gefühlsduselei an?  Solche Gespräche nervten ihn und waren in seinen Augen nur sinnloses Gerede; es interessierte ihn nicht.

„Nun ja“, erklärte Jiroushin, offensichtlich bemüht die gelassene Stimme eines Lehrers beizubehalten, „wenn du von deiner Entscheidung nicht abweichst obwohl dir ihre Gefühle bewusst sind, sagst du damit nicht gleichzeitig, dass dir ihre Gefühle egal sind? Dass du sie nicht genug wertschätzt, um ihre Gefühle zumindest in deine Überlegung miteinzubeziehen?“

Zoro war nur noch verwirrter.

„Aber das hat doch nichts miteinander zu tun“, meinte er schlicht. „Also mal ganz ehrlich. Klar kann niemand beeinflussen was er fühlt, Gefühle sind halt einfach da. Aber nur ein Vollidiot würde seinen Gefühlen einfach ohne Sinn und Verstand nachgeben, aber ich ganz sicher nicht. Und keiner aus meiner Crew würde aus so etwas einen Aufstand machen. Wir haben wirklich wichtigere Dinge, über die wir uns Gedanken machen, also könnten wir bitte endlich zum Training kommen?“

Jiroushin seufzte schwer.

„Du bist genauso ein Einfaltspinsel wie Dulacre, wenn es um solche Sachen geht. Es ist naiv von dir zu glauben, dass du dich nie mit den Gefühlen anderer auseinandersetzen musst. Aber wenn du weder weißt, wie sich solche Gefühle anfühlen noch bereit bist den Gefühlen anderer Wert beizubringen, was würdest du dann tun, wenn jemand der dir wichtig ist, dir dann doch mal mit solchen Gefühlen gegenübersteht?“

Diese Frage überraschte Zorro. Soweit hatte er noch nie gedacht. Er musste gestehen, dass er vor seinen Gesprächen mit Jiroushin und Dulacre noch nie viel über irgendetwas außerhalb des Schwertkampfes nachgedacht hatte.

In der Crew wurde nicht wirklich über Gefühle, Einfühlungsvermögen, Rücksichtnahme und solch einen Kram gesprochen. Sie waren halt alle so wie sie nun mal waren und kamen alle so mehr oder minder miteinander aus.

Ja, es stimmte schon, dass er das ein oder andere mal mit Robin solche tiefgreifende Themen angerissen hatte – natürlich jedes Mal von ihr angestoßen und er war einfach nur zu faul gewesen, den Raum zu später Stunde zu verlassen, um schlafen zu gehen – und ja, Robin hatte ihm auch schon öfters gesagt, dass Menschen ihre Gefühle einfach anders auslebten.

Sie hatte Zorro gerne mit dem Koch verglichen, um ihm zu erklären, warum der nervige Koch seine Emotionen so ungehemmt und nervtötend zeigte; er verliebte sich in jedes weibliche Wesen, welches seinen Weg kreuzte. Der Koch war laut Robin allein schon von den körperlichen Attributen einer Frau derart angezogen, dass er sich kaum gegen seine Gefühle wehren konnte, oder wollte.

Zorro hingegen konnte dem wenig abgewinnen. Er sah ob ein Mensch trainiert oder stark war oder nicht, aber diese Hingezogenheit allein aufgrund des Aussehens, die Robin ihm versucht hatte verständlich zu machen, konnte er einfach nicht nachvollziehen.

Auch diese Gespräche hatte Zorro eher so zähneknirschend hingenommen. Was interessierte es ihn warum der Koch sich alle paar Minuten wegen Nami oder Robin zum Deppen machte? Was interessierte es ihn, warum jemand anderes seine Gefühle nicht im Zaun halten konnte?

Er brauchte darüber nicht nachdenken und er brauchte erst recht keine nervigen Gespräche darüber, nicht mit Robin, nicht mit Dulacre und erst recht nicht mit Jiroushin.

Doch diesem war er anscheinend noch eine Antwort schuldig, eine Antwort, die er nicht hatte. Was sollte er schon antworten? Die Gefühle einer anderen Person gingen ihn nichts an und interessierten ihn auch nicht wirklich.

Es war doch egal, ob der Koch und Zorro sich nicht mochten und dementsprechend oft stritten, solange die Crew darunter nicht litt und genauso sah er es auch andersherum. Solange Gefühle nicht für Probleme innerhalb der Crew führten, war es ihm gleich wer was warum fühlte.

Er verstand einfach nicht worauf Jiroushin hinauswollte, doch dieser wartete immer noch mit verschränkten Armen und hochgezogenen Augenbrauen auf eine Antwort.

Glücklicherweise öffnete sich in diesem Moment die Tür ins Innere des Schlosses und der Samurai kam hinein. Auf seinem Rücken geschnallt das mächtigste Schwert der Welt und ein kaum sichtbares Lächeln auf den schmalen Lippen. Aufmerksam betrachtete er erst Zorro und dann Jiroushin.

„Ich scheine ein interessantes Gespräch zu unterbrechen, nicht wahr?“

Jiroushin schwieg, die Arme immer noch verschränkt.

„Nicht wirklich“, widersprach Zorro. „Können wir jetzt endlich mit dem Training loslegen?“

„Natürlich, auch wenn deine Ungeduld alles andere als angenehm ist.“ Zorro schnaubte nur verächtlich. „Na, dann kommt. Lasst uns gehen.“

„Warte mal, Hawky“, murrte Jiroushin nun während sie die Treppenstufen hinab gingen und das Schloss hinter sich ließen, „wo hast du denn die Übungsschwerter? Ich werde dir meines nicht leihen.“

„Als würde ich so etwas erwarten“, entgegnete der Samurai nur und wandte sich dann Zorro zu. „Du siehst, Lorenor, die meisten Schüler üben die Ummantelung an einfachen stumpfen Schwertern. Erst wenn sie diese im Kampf problemlos ummanteln können, dürfen sie an echte Schwerter heran. Ein guter Schüler zerbricht nur ein bis zwei Übungsschwerter, ehe er ein Gefühl für die Menge und die Stärke der Rüstung entwickelt, ein schlechter braucht schon mal gerne an die zehn Schwerter, nicht wahr Jiroushin? Was ist denn der traurige Rekord aus der Kadettenakademie?“

Der Vizeadmiral schnaubte: „Ich weiß es nicht, aber ich erinnere mich an einen recht einfältigen Kerl vor ein paar Jahren, der ganze vier Wochen brauchte und dabei mit Sicherheit hundert Schwerter zerbrach. Irgendwann hat man ihm eine Holzkeule gegeben, da Holz deutlich biegsamer ist und mehr verzeiht als Metall.“

Mihawk lachte beinahe erheitert auf, sagte jedoch nichts mehr bis sie die Ruinen erreicht hatten, dann wandte er sich Zorro zu.

„Wenn du also auf eine normale Ausbildung auswärest, Lorenor, würde ich dir nun einen schwertförmigen Klumpen Stahl in die Hände geben. Aber da du nun mal der Beste werden willst – und weil dir die Zellummantelung schon gelingt – und du vom Besten unterrichtet wirst, habe ich eine ganz besondere Aufgabe für dich.“

In einer einzigen eleganten Bewegung zog der Samurai das Schwert von seinem Rücken und platzierte dessen Spitze haargenau unter Zorros Kinn.

„Ummantle Yoru!“

„Was?“

„Was?!“

Zorro was verwirrt, Jiroushin außer sich.

„Was redest du denn da, Hawky? Niemand würde sein Schwert einfach einem Anfänger…“

„Er ist aber kein Anfänger, Jirou, und Yoru ist kein einfaches Schwert. Es wird Lorenor schon zeigen wie viel Haki er braucht, ohne dass wir überhaupt etwas machen müssen. Ich sage dir, entspannter kann man gar nicht unterrichten.“

Yoru an Zorros Hals summte leise wie so oft, vielleicht etwas lebendiger als sonst; freute es sich etwa auf eine neue Aufgabe?

„Trotzdem! Du hast doch gesehen, wie einfach ihm der Bambus bricht. Soll ich dir den zerborstenen Kopf der Axt zeigen? Nur weil du faul bist und es dir bequem machen willst, kannst du doch nicht Yoru…“

„Das stärkste Schwert der Welt“, flüsterte Zorro, als der Samurai es einmal durch die Luft schwang und ihm dann den Griff anbot, „stark genug, um Dulacre auszuhalten, wenn er sich nicht mehr kontrolliert und seine ganze Kraft einsetzt.“

Dann sah er Jiroushin an.

„Ich kann es nicht zerstören.“

Mit großen Augen schwieg der Blondschopf während Zorro ehrfürchtig die mächtige Waffe in den Händen wog. Natürlich war das Black Sword deutlich schwerer als seine Katanas, doch überraschte es ihn wie angenehm es sich unter seiner Haut anfühlte, wie angenehm es sich halten ließ. Diese Waffe war wahrlich ein Meisterwerk.

„Nun irre dich nicht, Lorenor. Selbst Yoru ist nicht unzerstörbar, allerdings wird es dir wahrscheinlich nicht erlauben, ihm auch nur einen Kratzer beizubringen.“

Was genau der Samurai damit meinte, wusste wohl nur er.

„Nimm dir einen Augenblick Zeit diese neue Waffe kennen zu lernen, sie zu fühlen, und dann möchte ich, dass du ganz gewohnt wie beim Bambus erst deine Hände und Unterarme ummantelst und die Rüstung gleichmäßig aufs Schwert ausweitest. Achte besonders auf die Dicke, denke an jede Zelle. Die Härte ist zunächst einmal unwichtig, fang schwach an, verstanden?“

Zorro nickte nur.

Es fiel ihm schwer sich auf die Worte des Samurais zu konzentrieren während Yoru unaufhörlich zu ihm sprach. Es war so eindringlich wie ein Donnergrollen, so angenehm wie das Prasseln des Regens, so beständig wie das Raunen der Wälder und so vereinnahmend wie das Rauschen des Meeres.

Er schloss die Augen, hörte wie Yoru unablässig leise summte, spürte wie das Wissen unzähliger Kämpfe durch seine Finger kribbelte, seine Unterarme hochkroch, ihn einhüllte wie die sanfte Umarmung eines barmherzigen Todes.

Sein Herz klopfte schneller, dieses Schwert war mächtig, nicht vergleichbar mir Josei, erst recht nicht mit seinem Kitetsu. Dieses Schwert konnte er nicht einfach meistern, gerade erlaubte Yoru ihm nur es zu führen.

Wie die Güte eines erfahrenen Pferds nutze das Black Sword seine Unwissenheit nicht aus, sondern ließ Zorro sich ausprobieren, aber die Warnung, dass selbst Yorus Geduld nicht unermesslich war, fühlte er in jedem Herzschlag.

Langsam ließ er sich auf den Rhythmus von Yorus Summen ein, hatte alles um sich herum vollständig ausgeblendet und passte seine Atmung an.

Allein dieses Schwert zu halten war schon eine Herausforderung an sich, er konnte sich kaum vorstellen es auch nur zu bewegen oder gar zu kämpfen. Selbst jetzt konnte er die tiefe Verbundenheit zum Samurai spüren, obwohl dieser sich einige Schritte entfernt hatte.

Selbst jetzt wusste er, dass Yoru über den Samurai wachte und Zorro nur erlaubte es zu halten, weil es Dulacre vertraute oder vielleicht war es andersherum. Dulacre vertraute dem Black Sword, wie bei einem alten Hund, von dem man wusste, dass er das nervige Kleinkind nicht beißen würde, selbst wenn es an dessen Ohren zog.

Zorro konnte nicht anders als sich zu wundern wie alt dieses Schwert sein mochte und wie vielen Meister es schon gedient hatte. Es strahlte eine Weisheit und Ruhe aus, die selbst das Wado-Ichi-Monji jung und ungestüm wirken ließen und doch wirkte es nicht eine Sekunde müde oder verbraucht.

Yoru wollte kämpfen, wollte Blut schmecken, doch es beugte sich dem Willen seines Herren, der nur selten einen Kampf einging. Die Frage war nur, beugte Yoru sich, weil Dulacre es bezwungen und gemeistert hatte oder war ihre Beziehung ganz anderer Natur? Das Black Sword schien kein Schwert zu sein, welches sich einfach so bezwingen ließ, nicht einmal vom besten Schwertkämpfer der Welt.

Innerlich sprach Zorro der Waffe in seiner Hand seinen Dank aus und bat um Geduld und darum, dass es seine Fehler verzeihen möge, bevor er nachgriff und mit der Ummantelung begann.

Beinahe sofort wurde Yorus Summen leiser und bedächtiger, als würde es aufhorchen, gleichzeitig wurde auch Zorros Atmung langsamer, als er sich bemühte dem Rhythmus zu folgen, konnte fast schon fühlen, wie dieses gleichmäßige Schwingen ihn entspannte.

Als die ersten Tropfen seines Hakis über den Griff des Schwertes glitten, schien Yoru unter seiner Haut freudig zu vibrieren, ihn beinahe willkommen heißen, ihn einzuladen dem Black Sword – das Schwert, welches ihn einst gezeichnet und beinahe getötet hatte – zu vertrauen, ihm sein Leben anzuvertrauen.

Was für ein eigenwilliges Schwert. Wo es ihn doch zeitgleich davor warnte zu viel Haki fließen zu lassen und sich leicht wandte, wann immer Zorro zu grob wurde.

Grinsend rollte Zorro leicht den Kopf von einer Schulter auf die andere, um die Verspannung in seinem Nacken zu lösen. Diese Einheit würde wohl nur für seinen Lehrmeister erholsam werden.

 

-Mihawk-

Breit grinsend beobachtete er wie Lorenor sein Schwert umschloss. Die Augen groß wie ein Kind, welches zum ersten Mal in seinem Leben das Steuerrad halten durfte.

Der Jüngere hörte ihm kaum zu während er ihm Anweisungen gab, aber das überraschte Dulacre kaum. Yorus Stimme war mächtig wie die eines uralten Geschöpfs und Lorenor würde sich diesem Klang nicht entziehen können, selbst wenn er wollte.

Es hatte ihn damals beeindruckt, dass Lorenor Yoru hören konnte. Es war nichts ungewöhnliches, dass Menschen, die Eisen schneiden konnten auch die Stimmen ihrer Waffen hörten.

Aber das Black Sword sprach nun mal nicht mit jedem und erlaubte auch nicht jedem seine Stimme zu hören. Ähnlich wie Dulacre schien auch Yoru seinen Wildfang zu mögen.

Jiroushin neben ihm schnaubte empört auf während Lorenor die Augen schloss und Dulacre ein paar Meter zu einer umgestürzten Säule ging und sich dagegen lehnte. Er entschied seinen besten Freund zu ignorieren.

Natürlich verstand er Jiroushins Zweifel und seine Bedenken, aber es war ihm gleichgültig. Yoru war Willens Lorenor zu lehren und niemand konnte einem die Ummantelung eines Schwertes so gut beibringen, wie das Black Sword, das wusste Dulacre aus eigener Erfahrung gut genug.

Außerdem war es faszinierend dabei zuzusehen wie Lorenor Yoru kennen lernte. Er schwang es nicht herum wie ein dahergelaufener Tölpel, auch starrte er es nicht blind an. Nein, er hatte die Augen geschlossen und lauschte, die Spitze gen Boden gerichtet, ohne jedoch die Erde zu berühren. Ganz still stand er da, wiegte leicht den Kopf im Rhythmus des Schwertes, einen sanften wenn auch ernsten Ausdruck im Gesicht. Wenn er ganz genau hinhörte meinte er sogar Lorenor leise summen zu hören, wahrlich faszinierend.

„Du machst das wegen gestern Nacht, oder?“, unterbracht Jiroushin seine begeisternden Beobachtungen. „Du machst das, um mir eins auszuwischen. Ich sag dir, du sollst ihn auf Abstand halten und du drückst ihm Yoru in die Hand. Du tust so als würdest du ihn belohnen wollen, aber in Wahrheit willst du nur…“

„Könntest du einen Moment einfach mal schweigen?“ Er wandte seinen Blick nicht von seinem Schüler ab, welcher nun leise grinste. „Yoru ist der beste Lehrmeister in diesem Bereich. Es wird Lorenor nicht erlauben, dass die Ummantelung zu dick oder aber brüchig wird. Zusammen mit Yoru wird er kaum einen Tag brauchen und das ist auch gut so; du weißt, was Lorenor bevor steht, nun da er sein Monster gezähmt hat.“

„Dennoch, du würdest nie dein Schwert einem anderen geben und ihn lässt du sogar damit trainieren.“

„Yoru war einverstanden, sonst hätte ich es wohl nicht gewagt. Aber das eine hat wenig mit dem anderen zu tun. Ich halte nicht viel von deiner Meinung und mir missfällt dein Verhalten sehr.“ Jiroushin wollte widersprechen, doch Dulacre sprach weiter. „Ich habe leider nicht mitverfolgt worüber du mit Lorenor gesprochen hast, aber an seinem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass du wohl auch ihm gegenüber ausfallend wurdest.“

„Du hast ja keine Ahnung was ausfallend werden eigentlich bedeutet.“

„Was auch immer du tust, beende es. Mich wirst du nicht umstimmen und ich möchte nicht, dass du Lorenor mit irgendwelchen an den Haaren herbeigezogenen Behauptungen Unbehagen bereitest.“

„Solange du mich nicht der Insel verweist, wirst du mir nicht den Mund verbieten können, Hawky.“

Dulacre wollte den Disput fortsetzen, aber dann begann Lorenor mit der Ummantelung und an Yorus Flüstern konnte er erkennen, wie aufregend es sein musste. Er hob eine Hand, um Jiroushin zum Schweigen zu bringen und flüsterte: „Aber meine Lehrmethoden würde ich nie von so etwas beeinflussen lassen. Schau und lerne.“

Erneut schnaubte Jiroushin genervt auf, aber er schwieg dankenswerter Weise.

Langsam breitete sich die schwarze Rüstung von Lorenors Händen über den kreuzförmigen Griff aus, beinahe zögerlich leckte es über die nachtschwarze Klinge, doch allmählich ummantelte Lorenor Zorro das beste Schwert der Welt.

 

Es sollten nur wenige Stunden ins Land gehen, bis Lorenor eine ebenmäßige, belastbare Rüstung um Yoru legen konnte, die tatsächlich für einen Kampf geeignet wäre.

Dulacre war entzückt, wie er erwartet hatte, war Lorenor nicht nur äußerst talentiert, sondern auch Yoru der perfekte Lehrmeister. Natürlich lag Lorenors schneller Erfolg nur an der gründlichen Vorarbeit, zu der Dulacre ihn regelrecht hatte zwingen müssen. Nur weil sie Wochen und Monate damit verbracht hatten, dass Lorenor die Anwendung des Hakis so selbstverständlich wie möglich empfand, konnte er sich nun so schnell steigern.

„Wahrlich beeindruckend“, murmelte Jiroushin neben ihm und begutachtete die schwarze Klinge eingehend während Dulacre unter dem Lob – welches eindeutig nicht ihm gegolten hatte – vor stolz zu platzen drohte. „Ich habe selten jemanden so schnell ein Schwert erfolgreich ummanteln sehen. Beachtlich.“

Nickend ließ Dulacre den Vizeadmiral hinter sich und trat auf Lorenor zu. Dieser hatte seine Augen höchstkonzentriert auf Yoru gerichtet. Sein Atem ging gleichmäßig, so gleichmäßig wie seine Rüstung Yoru bedeckte, doch seinem Gesicht sah er an, dass Yoru den Jüngeren deutlich forderte.

„Nun gut, Lorenor, hör mir zu.“ Sein Wildfang nickte, ohne aufzusehen. „Dieser Zustand sollte für dich so selbstverständlich werden, wie die generelle Anwendung von Haki.“

Lorenor schnaubte leise auf. „Ich glaube nicht, dass Yoru halten je selbstverständlich werden kann.“

Schmunzelnd musste Dulacre dem zustimmen.

„Mir ist natürlich bewusst, dass Yoru auch nur die kleinste Abweichung in der Dichte deiner Rüstung missfällt. Das heißt, sobald Yoru dich nicht mehr korrigiert, bist du in der Lage auch das zerbrechlichste Gut zu ummanteln, ohne es bersten zu lassen. Spätestens dann kannst du auch ganz beruhigt deine eigenen Schwerter führen.“

Nun sah Lorenor ihn an, ein verschmitztes Grinsen auf den dünnen Lippen.

„Es hat noch nicht einmal aufgehört, seitdem ich es ummantle.“

Achselzuckend hob Dulacre beide Hände.

„Natürlich. Yoru ist das stärkste Schwert der Welt, beinahe unzerstörbar, gleichzeitig jedoch ist es wohl auch das sensibelste und leidet je gröber es behandelt wird. Der Grund, warum es mich führen lässt, selbst wenn ich manchmal sehr zügellos kämpfe ist allein der, dass meine Hakikontrolle die feinste auf der ganzen Welt ist. Ich bin der einzige, der in der Lage ist, Yoru so zu führen, dass es einen Kampf genießen kann, ohne dabei zu leiden.“

„In Kurzform“, murrte Lorenor und streckte kurz seinen Nacken, „es wird nie aufhören herumzunörgeln.“

„Exakt, außer du kannst es so fein führen, wie ich es kann.“ Im Hintergrund schnaube Jiroushin auf, doch Dulacre ließ sich davon nicht beeindrucken. „Und jetzt, da du eine vernünftige Rüstung zustande gebracht hast, kommt der nächste Schritt, Lorenor.“

Er breitete die Arme weit aus.

„Greif mich an.“

 

Zu seiner Überraschung zögerte Lorenor nicht einmal.

Er hatte erwartet, dass Lorenor sich ziemen würde, erst eine Erklärung verlangen würde, aber nein, er griff einfach an.

„Du unverschämtes Gör.“ Mit Leichtigkeit parierte Dulacre sein eigenes Schwert mit seinem ummantelten Arm. „Mich anzugreifen, ohne überhaupt nachzudenken.“

„Ich habe nachgedacht“, entgegnete Lorenor schlicht und hielt Yoru als würde er es schon immer führen, „diese Übung ist wie jede andere bisher auch. Erst in Ruhe, dann in Bewegung und wenn ich dich dabei angreife, kannst du besser kontrollieren wie ebenmäßig meine Rüstung ist.“

Diese absolut zutreffende Aussage überraschte Dulacre fast noch mehr als der Angriff.

„Außerdem“, sprach Lorenor böse grinsend weiter und hob Yoru an, „gefällt es dir zu sehen, wie ich mit Yoru kämpfe, nicht wahr?“

„Tze, mitnichten“, leugnete Dulacre diese kleine Sünde, „und nun greif mich weiter an, ehe ich und Yoru die Geduld verlieren.“

Dem folgte Lorenor viel zu bereitwillig und es sollte ein unterhaltsamer Abend werden, so erfreulich, dass Dulacre beinahe das Misstrauen seines besten Freundes vergaß, aber natürlich war er dafür zu nachtragend.

So sollten die nächsten Einheiten vergehen. Eine stete Mischung aus Ummantelung von Schwertern als Lorenor Zorro und auch als Lady Loreen und zwischendrin tasteten sie sich immer wieder an Lorenors inneres Monster heran.

Doch jede Vorsicht schien vergebens, denn nun da Lorenor das Monster gebrochen und selbst zum Dämon geworden war, nun schien er diesen Zustand immer besser kontrollieren zu können, auch wenn er sich der Auswirkungen wohl noch kaum bewusst war.

Begeistert verfolgte Dulacre den Fortschritt seines Wildfangs, er hatte diese Entwicklung in weniger als einem Jahr wirklich nicht erwartet. Wenn es so weiter ging…

Bald konnte Lorenors wahres Training beginnen…

Kapitel 45 - Schwäche

Kapitel 45 – Schwäche

 

-Mihawk-

„Ich habe dem nicht zugestimmt“, erklärte er und pochte entschieden auf den Tisch, „ich verbiete es!“

„Du kannst es nicht verbieten“, murrte Lorenor vom weit entfernten Ende des Tisches her, ohne auch nur von der Zeitung aufzusehen.

„Natürlich kann ich das!“ Nun wandte Dulacre sich seinem Wildfang zu, der sich bis gerade aus dem Gespräch herausgehalten hatte. „Ich bin der Herr dieser Insel.“

„Aber kein König irgendwelcher Affen.“ Noch immer erteilte Lorenor ihm nicht mal die Ehre ihn anzusehen. „Wenn sie Perona helfen, dann lass sie doch.“

„Halt dich da raus, Lorenor. Das hier hat nichts mit dir zu tun.“

„Jetzt stell dich doch mal nicht so an. Als würde es dir einen Zacken aus deiner Krone brechen.“

„Ich… ich habe sie nicht drum gebeten“, murmelte das Geistermädchen nun kleinlaut und rieb sich die Hände. „Aber was sollte ich denn tun, als sie anfingen mir zu helfen?“

Der Herr der Insel legte seinen stechenden Blick wieder auf Perona, die ihm gegenüber am Essenstisch saß, ihr erkaltendes Abendessen längst vergessen.

„Es ist mir gleich, was du getan oder nicht getan hast. Du wolltest den Nutzgarten im Hinterhof wiederbeleben und ich habe es erlaubt…“

„Nicht, dass du groß eine Wahl gehabt hättest, weil du noch nicht mal anwesend warst.“

„… aber du hast keinerlei Befugnisse über den Vorgarten und die Human Drills haben dort nichts zu suchen. Ich verbiete, dass sie ihn einfach umgraben!“ Dulacre entschied Lorenors Einwurf zu ignorieren, der gerade eine Seite umblätterte.

„Aber ich habe doch gar nichts gemacht“, entgegnete Perona verzweifelt, „sie haben einfach mit den Arbeiten angefangen. Ich habe sie zu nichts ermutigt und ihnen auch keine Befehle gegeben, sie würden doch eh nicht auf mich hören.“

„Dann werde ich sie halt alle vernichten. Ich war so oder so schon viel zu lange umsichtig mit diesem Ge…“

„Jetzt hör doch mal auf.“ Laut aufstöhnend schlug Lorenor am Ende des Tisches die Zeitung zu. „Weder Perona noch die Affen können was für deine schlechte Laune. Es ist ein Garten, verdammt noch mal, lass sie ihn doch umgraben, da ist doch nichts dabei.“

„Könntest du dich ausnahmsweise mal nicht einmischen, Lorenor. Das hier hat doch nichts mit dir zu tun. Ich bin der Herr der Insel und mir waren die Human Drills bisher immer gleich, als Krieger des Waldes hatten sie wenigstens den Nutzen ungewollte Besucher abzuhalten, meistens“, fügte er hinzu und sah Perona abwertend an, „doch nun erdreisten sie sich als Gemüsebauern mein Land umzupflügen? Den Wald hinter den Ruinen habe ich ihnen gelassen, aber so…“

„Perona, verschwinde einfach. Ich mach das.“

Als hätte sie nur darauf gewartet, flüchtete die Geisterprinzessin, verließ den Raum schneller als Dulacre es für nötig gehalten hatte.

„Lorenor“, knurrte er nun den anderen an, „egal was du auch sagen magst, diese Diskussion ist nicht vorbei. Es ist mein Schloss, meine Insel und…“

„Komm mal runter.“ Lorenor erhob sich und kam zu ihm rüber, ließ sich auf einem Stuhl gegenüber Dulacre nieder. „In Wahrheit geht es dir doch gar nicht darum, dass ein paar blöde Schimpansen Perona zur Hand gehen. Du hast selbst gesagt, dass dir die Insel eigentlich egal ist, Hauptsache du hast das Schloss.“

Dulacre schob seinen Teller weg und sah Lorenor ernst an.

„Eigentlich ärgerst du dich doch über Eizens Brief, oder?“ Lorenor lehnte sich zurück. „Ich find’s auch nicht prickelnd, okay? Aber Perona kann dafür nichts und ich finde es gibt schlimmeres, als dass diese Affen ihr nachlaufen wie treue Hündchen. Ist doch gut, wenn die sich nützlich machen, weniger Arbeit für uns.“

„Dir ist schon bewusst, dass weder du noch ich auch nur einen Finger in diesem Haushalt rühren?“, entgegnete Dulacre kühl.

„Naja, wir trainieren ja auch den ganzen Tag und wenn Perona die Arbeit macht, sollten wir ihr überlassen, wie.“

Dem konnte Dulacre nicht viel widersprechen. Tatsächlich hatte Jiroushin während seiner Anwesenheit dem Geistermädchen mal ab und an geholfen und sowohl Lorenor als auch er selbst hatten in den vergangen Monaten einige Male am Herd gestanden – was in Zukunft vermieden werden sollte – aber die meiste Arbeit erledigte Perona wohl alleine und auch wenn Dulacre sie als überaus nervig empfand, so war es doch angenehm nach der harten Arbeit ein warmes Essen und frisch gewaschene Kleider vorzufinden.

Außerdem schien Lorenor sie aus welchen Gründen auch immer zu akzeptieren, also seufzte er und gab mit einem Nicken nach.

„Nun gut, meinetwegen. Wenn du dann Frieden gibst.“

Lorenor schnaubte auf: „Ich bin nicht derjenige, der sich wegen einem blöden Brief so aufregt.“

„Lorenor, er benutzt dich für seine Zwecke. Dir ist doch wohl bewusst, dass er dich zu all diesen Sitzungen nicht als Dekoration mitnimmt, sondern um…“

„Ich kann diese Predigt bald schon mitsprechen. Natürlich weiß ich das, Dulacre, aber es kommt jetzt was spät, findest du nicht? Wir können nicht jedes Mal, wenn so ein nerviger Brief ankommt, das gleiche Spiel spielen, okay? Es ist jetzt so und mich nervt Eizen auch, aber du machst es nicht besser.“

Er mochte es nicht, so von Lorenor kritisiert zu werden und er stimmte ihm nicht zu, aber mit einem Gedanken an die vergangenen Wochen entschied er, dass es vermutlich klüger war, einem Streit aus dem Weg zu gehen. Seufzend erhob er sich und begann damit den Tisch abzuräumen.

„Wann bist du nur so erwachsen geworden, Lorenor? Ich bin es nicht gewohnt, dass du die Stimme der Vernunft bist.“

„Tze“, murrte der andere nur und half ebenfalls. „Wäre ja auch nicht nötig, wenn du einfach vernünftig handeln würdest.“

„Sagt der Mann, der sich die eigenen Füße abschneiden wollte und sich selbst unter einem brennenden Turm begrub.“

„Pah, von einem Schnösel mit einem Hemdfetisch brauch ich mich nicht belehren zu lassen.“

Fast schon freundschaftlich neckten sie einander und beseitigten gemeinsam die Spuren des vergangenen Abendessens. Für wenige Minuten wurde die Stimmung leichter und Dulacre vergaß, dass sein Schüler in letzter Zeit so leicht zu reizen war, bis Lorenor das Gespräch auf den Brief zurückbrachte und seine Mundwinkel wieder nach unten sanken.

„Du weißt aber, dass du dieses Mal wieder mitkommen kannst?“

„Oh, wie gütig. Soll ich mich auch noch geehrt fühlen, dass Eizen mich einlädt?“ Dulacre war alles andere als erheitert darüber, dass Eizen ihn offensichtlich immer wieder vorführen wollte und dann auch noch vor Lorenors Augen.

„Dann halt nicht, meine Güte, bist du heute wieder anstrengend.“ Lorenor stöhnte auf und zog den Brief zurück, den er Dulacre hingehalten hatte. „Es war nur ein Angebot, ich dachte du fändest es interessant das neue Marinehauptquartier mal zu begutachten. Aber wenn du nicht willst, dann fahr ich halt allein. Sind ja eh wieder nur ein paar Tage, oder wie war das?“

Erst jetzt bemerkt Dulacre – leider wieder einmal zu spät – dass auch Lorenor überaus schlecht gelaunt war.

„Lorenor, ich…“, begann er beschwichtigend, doch Lorenor winkte direkt ab und begab sich zum Kamin, wo er damit anfing unnötig viel Feuerholz zu stapeln, was ein Entflammen nur erschweren würde.

Lorenor mich nicht immer, erst recht nicht nur weil du es nicht leiden kannst, wenn ich dir widerspreche.“

„Warum bist du denn jetzt auf einmal so aufgebracht? Du warst eben noch so zufrieden, oder liegt es daran, dass ich dir Yoru wieder weggenommen habe.“

„Natürlich nicht!“ Überzeugend klang Lorenor nicht während er weiter Holz im Kamin stapelte, eine Tätigkeit, die er sonst nie übernahm. Dulacre konnte sich - wenn er ehrlich war - nicht daran erinnern, dass Lorenor je das Kaminfeuer entfacht hätte.  „Aber du tust so, als wärest du immer der einzige Leidtragende hier. Falls du’s vergessen haben solltest: Ich bin derjenige, der in hochhackigen Schuhen einen auf liebes Mädchen machen muss!“

Wieder einmal hatte der Samurai vergessen wie leicht Lorenor derzeit zu reizen war und er hatte wohl deutlich unterschätzt wie sehr ihm dieses Thema zu schaffen machte. Vielleicht ging es ja um mehr als er gedacht hatte. Also lag es dieses Mal an Dulacre das Gespräch in die richtigen Bahnen zu leiten.

„Nun ja, du hast diesen Vertrag unterschrieben, Lorenor, und auch wenn ich nicht viel davon halte und du ihn meiner Meinung nach besser heute als morgen brichst, so hattest du wohl deine Gründe…“

„Glaubst du, das weiß ich nicht?!“

Lorenor warf den Scheit, den er gerade noch in der Hand gehalten hatte, so fest auf seinen Turm, dass dieser wie bei einer Explosion zerbarst. Holzscheite flogen umher und kamen um den Piraten herum zum Liegen wie gefallene Krieger. So viel zum Glätten der Wogen.

 „Nah!“ Dulacre hatte mahnend einen Zeigefinger erhoben während Lorenor ihn wie ein wildes, in die Enge getriebenes Biest, anstarrte.

Überrascht fasste Lorenor sich an die Schläfe und wandte den Blick ab.

„Tut mir leid“, murrte er, „ich hab‘s noch nicht einmal bemerkt.“

Milde lächelnd beobachtete er wie Lorenor mehrmals tief einatmete und seine Augen wieder menschliche Norm annahmen.

„Es ist nicht immer so leicht, nicht wahr? Der Nachteil daran, dass du in der Lage sein willst es mit mir aufzunehmen.“ Er gesellte sich zu Lorenor auf den Boden und sammelte das Holz auf. „Ich finde allerdings, dass du dich sehr gut machst. Selbst heutzutage kontrolliere ich mich ungerne so gut wie du es bereits nach wenigen Tagen tust. Aber du lässt dich ja so oder so selten von deinen eigenen Gefühlen kontrollieren.“

Lorenor nahm immer noch tiefe Atemzüge.

„Ich bin fast so schlimm wie du“, knurrte er und hockte sich hin, „dass ich mich so schnell wegen so etwas aufrege…“ Er legte die Hände hinter den Hinterkopf und ließ sich einfach zurückfallen. Auf dem Boden starrte er zur Decke. Dulacre entschied, sich von dieser kleinen Bemerkung nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, des zerbrechlichen Friedens willens.

„Ach, mach dir keine Gedanken, Lorenor. Du magst zwar besondere Fähigkeiten haben, aber ein Monster ist ein Monster und am Anfang war es für jeden von uns schwierig. Ich finde du schlägst dich ganz gut.“

„Na, danke, das Urteil eines Inselherren, der eben noch damit gedroht hat, eine ganze Rasse auszulöschen, weil sie etwas Erde umgraben, beruhigt mich ungemein.“

Schmunzelnd begann Dualcre damit das benötigte Holz aufzustellen und das restliche wegzuräumen. Es wäre ein leichtes sich über die Worte des Jüngeren aufzuregen, aber über die letzten Wochen – und eigentlich auch Monate – hatte er gelernt, dass Lorenor zwar geradeheraus sagte was er dachte, ganz gleich wie unschön es auch sein mochte, aber dass er es darüber hinaus nicht respektlos meinte.

„Du tust mir Unrecht, Lorenor.“

„Ach, tue ich das?“

„Wie gesagt, es ist ganz normal. Du bist nun dein eigener Dämon, alles was Vernunft und Güte in Frage stellen könnte liegt bei dir nun frei an der Oberfläche. Es wird etwas Zeit brauchen, bis du mit so ungewohnt starken und negativen Gefühlen umgehen kannst.“

„Ja ja, ich weiß“, schnaubte Lorenor hinter ihm nur, „das hast du mir schon so oft gesagt, aber es ist nervig. Ich bin übellauniger, als wenn ich meine Tage habe und das jetzt schon seit Wochen. Langsam verliere ich die Geduld.“

Dulacre errötete als der andere so frei über seine weiblichen Probleme sprach. Glücklicher Weise konnte Lorenor das nicht sehen.

„Nun ja, auf der anderen Seite kann ich ausnahmsweise mal hinter deine so gelassene Maske sehen. Wie hätte ich sonst erfahren, dass du dich so über Eizen ärgerst?“

Erneut schnaubte der Jüngere auf.

„Und das war dir nicht vorher klar? Mann, du musst deutlich an deiner Sozialkompetenz arbeiten.“

„Ich bin eher überrascht, dass du überhaupt weißt, was das Wort bedeutet.“

„Ach halt doch die Klappe.“

„Das klingt schon viel mehr nach dir.“

Dulacre hatte die restlichen Holzscheite wieder an ihren Platz geräumt und begab sich nun an die Feuerstelle.

„Hast du’s übrigens gelesen?“, murmelte der Jüngere dann. „Trafalgar Law wurde neuer Samurai. Er war auch auf dem Sabaody Archipel als die anderen da waren, oder?“

Er nickte nur. „Ein Möchtegern-Schwertkämpfer und ein Clown, ich sagte ja, dass der Titel immer weniger wert wird.“

„Ach ja, Buggy, den Idioten hätte ich fast vergessen. Wie der Samurai werden konnte, kann ich immer noch nicht verstehen.“

„Du kennst ihn?“

„Oh ja, hat Ruffy mal in einen Käfig gesperrt. War ein ziemlich nerviger Typ, aber damals haben wir auch Nami getroffen, also wer weiß wofür es gut war.“

Einen Moment hielt er inne. „Das war also noch zu den Anfängen euerer Crew, wenn ich dich recht verstehe?“

„Wenn du mit Crew Ruffy und mich meinst, dann ja.“ Tief seufzte Lorenor. „Damals waren die Dinge noch sehr einfach und klar. Manchmal vermisse ich das.“

„Ach ja, die Unbeschwertheit der Jugend, nicht wahr?“, entgegnete Dulacre leichtfertig, obwohl er alles andere als fröhlich gestimmt war.

„Mit Jugend hat das nichts zu tun“, murrte Lorenor nur leise, „alles ist irgendwie komplizierter geworden, aber vielleicht bilde ich mir das nur durch meine schlechte Laune ein.“

„Ein bisschen vielleicht“, stimmte Dulacre leise zu.

Er wusste genau was der andere meinte und er wusste welchen Weg Lorenor noch vor sich hatte, welchen Weg er dem Jüngeren eröffnete hatte, vor dem Jiroushin ihn natürlich gewarnt hatte.

Fast jeder Mensch trug ein Monster in sich, bei manchen war es stärker, bei anderen kaum wahrnehmbar, so individuell wie jeder Mensch selbst. Diesbezüglich stellte Lorenor keine Ausnahme dar und so wusste Dulacre doch genau, wie viel schwerer es war dieses Monster in sich zu akzeptieren, anstatt es im letzten Schatten des Verstandes verkümmern zu lassen.

Lorenors Monster war sehr präsent gewesen, hatte sich schnell gezeigt, wann immer es um Lorenors Leben ging und nun waren seine Anteile an Lorenors Charakter genauso stark. Denn nun war Lorenor selbst das Monster – der Dämon – vor dem er sich immer gefürchtet hatte.

Es würde Zeit brauchen, bis er seine gewohnte innere Ruhe zurückerlangen würde, aber Dulacre zweifelte nicht daran, dass Lorenor stark genug war es zu meistern, so wie er bisher alles gemeistert hatte.

Allerdings musste er eingestehen, dass ein launenhafter Lorenor nicht der einfachste Umgang war und beinahe fühlte Dulacre die Notwendigkeit sich bei Jiroushin für die Vergangenheit zu entschuldigen.

Ein paar Tage bevor dieser die Insel verlassen hatte, waren er und Lorenor in einen lautstarken Streit verwickelt gewesen.

Dulacre wusste gar nicht womit es genau angefangen hatte – es war ziemlich ungewöhnlich gewesen, da Lorenor und Jiroushin normalerweise sehr gut miteinander auskamen – aber als er dazugekommen war hatte Lorenor dem Vizeadmiral klipp und klar an den Kopf geworfen, dass er nicht bereute was er auf Senichi getan hatte und es wieder tun würde, ganz gleich der Konsequenten.

Ja, an dem Tag hatte ausnahmsweise mal Dulacre eine handfeste Auseinandersetzung verhindert und danach Stunden damit zugebracht beiden Freunden gut zuzureden, ein Talent, welches er beileibe nicht sein Eigen nannte.

Das Gute daran war gewesen, dass er sich mit Jiroushin ausgesprochen hatte, was er von Lorenor nicht behaupten konnte. Selbst als der Vizeadmiral abgereist war, hatte Lorenor kaum ein paar Sätze mit ihm gewechselt.

Danach war es besser geworden. Es konnte auch daran liegen, dass Dulacre im Gegensatz zu Jiroushin nachvollziehen konnte, wie schwierig es für Lorenor war, wenn plötzlich der eigene Verstand viel gereizter war als sonst; einen viel schneller rasende Wut und blanker Zorn, sowie kalter Hass überkommen konnte.

Trotzdem war es nicht leicht, auch nicht für ihn. Lorenor wurde sich selbst nicht mehr gefährlich und verlor auch nicht mehr den Verstand, aber in einer solchen Wut zu handeln machte es schwierig die eigenen Kräfte zu kontrollieren, auch das verstand Dulacre nur zu gut.

Er verstand auch, wie quälend es für jemanden wie Lorenor sein musste, der seine eigenen Emotionen sonst doch so gut kontrollieren konnte, schließlich erging es Dulacre ganz ähnlich sobald es um seinen Schützling ging; auch wenn es ihm missfiel, sich das einzugestehen, so hatte er es doch längst akzeptiert.

Gerade im Training machte sich Lorenors Laune bemerkbar. Seine Ungeduld und Unzufriedenheit stellte sie beide oft vor Herausforderungen und das obwohl er sich prächtig entwickelte.

Mittlerweile kämpfte Lorenor nicht mehr gegen Dulacre, und zwar einzig und alleine aus dem Grund, dass Dulacre in einem Moment sich beinahe vergessen hatte und das wollte er auf keinen Fall noch einmal riskieren.

Sein Schüler wurde einfach zu schnell zu gut.

Am heutigen Tag hatte Lorenor zum ersten Mal seine eigenen Schwerter ummantelt, was ihm natürlich perfekt gelungen war. Aus diesem Grund hatte er so lange mit Yoru üben müssen, damit seine Rüstung makellos war. Noch war sie nicht stark genug, aber das würde über die Zeit kommen und so war dies einer der wenigen Tage gewesen, an denen Lorenor mal guter Laune gewesen war.

Wobei dies natürlich nicht ganz stimmte. In seiner anderen Gestalt schien das Monster kaum Einfluss auf Lorenor zu nehmen, fast schon so als könnte selbst der Dämon des East Blue nicht die Reinheit der ehrenwerten Lady Loreen beflecken.

Auch aus diesem Grund hatten sie die meisten Trainingseinheiten in jener Gestalt abgelegt und auch dort waren Lorenors Fortschritte bemerkenswert.

Trotzdem hatte Dulacre das Gefühl, dass Lorenor in diesen Tagen ganz besonders schlecht auf seine weibliche Seite zu sprechen war.

„Mit welcher fadenscheinigen Begründung hat Eizen dich denn dieses Mal eingeladen?“, versuchte Dulacre das Gespräch weiterzuführen und dabei dieses Mal seine eigenen Gefühle im Zaum zu halten.

„Ich weiß es nicht und es ist mir egal. Ich hab jetzt schon einen Horror vor den Klamotten.“

Leise lachend entzündete Dulacre das Brennholz.

„Ja, du kannst lachen. Hast du auch nur ein einziges Mal in deinem Leben Absätze getragen oder Strumpfhosen oder ein verdammtes Mieder?“

„Natürlich nicht, Lorenor. Aber ich habe dich schon lange nicht mehr über solch Dinge schimpfen gehört. Ich dachte du hättest dich langsam an die Anforderungen des weiblichen Geschlechtes gewöhnt.“

„Als würde ich mich je daran gewöhnen.“

Dualcre wandte sich von den ersten knisternden Flammen ab und sah zu Lorenor hinunter, der nun eine Hand über die Augen gelehnt habe.

„Als würde ich mich je daran gewöhnen.“

Der Samurai schwieg. Schon lange hatten sie sich nicht mehr darüber unterhalten. Am Anfang - kurz nachdem er Lorenor als Mädchen auf Sasaki gefunden hatte - war dies natürlich meist ihr Gesprächsthema gewesen. Auch als Lorenor es geschafft hatte sich verwandeln zu können, hatten sie sich öfters darüber unterhalten. Aber meist hatte es um praktische Dinge gehandelt. Was für Kleidung Lorenor brauchte, wie er im Kampf damit umzugehen hatte, wie der Einsatz von Haki seine Gestalt beeinflussen würde und solche Dinge.

Selten, äußerst selten, hatten sie darüber gesprochen, wie es Lorenor damit ging, dass egal was er tat, er sich nach einem gewissen Zeitraum in Lady Loreen verwandeln musste. Obwohl er nun schon mehrere Monate verbissen trainierte, hielt er es kaum länger als anderthalb Tage aus und danach konnte er sich mehrere Stunden nicht zurückverwandeln.

Dulacre konnte kaum nachvollziehen, wie sich diese Gewissheit anfühlen musste. Aber er hatte schon vermutet, dass Lorenor sein Schicksal mittlerweile angenommen hatte. Zumindest machte er meist den Anschein.

Doch natürlich war er in seinem derzeitigen Zustand sehr angreifbar gegenüber negativen Gedanken.

Der Samurai wusste nicht was er entgegnen sollte. Er wollte nicht anmaßend sein und Lorenor erklären wie glücklich er sich schätzen konnte nach seinen Taten noch am Leben zu sein, denn Dulacre war sich sehr wohl bewusst, dass er nicht nachempfinden konnte, wie Lorenor sich fühlen musste.

Nach mehreren Minuten der Stille brachte Lorenor sich neben ihn in eine sitzende Position. Schwerfällig seufzte er auf und lehnte den Kopf erst nach rechts und dann nach links, bis seine Glieder knacksten.

Vielleicht sollte Dulacre es Lorenor noch einmal ermöglichen mit Leuten zu sprechen, die ähnliches erlebt hatten – namentlich gestorben waren und trotzdem lebten - wie zum Beispiel Vizeadmiral Comil, Kommandant der G2, von dem Dulacre wusste, dass auch er einst jemand anderes gewesen war, auch wenn Lorenor darüber schwieg.

Als Dulacre seinen Vater auf der G2 besucht hatte, hatte Comil auf ein Treffen bestanden, aber natürlich hatte Dulacre das ignoriert und war einfach abgereist. Nun bereute er es fast. Vielleicht würde es Lorenor guttun, sich Rat von jemanden einzuholen, der gleiches durchgestanden hatte.

„Weißt du“, murmelte Lorenor neben ihm, „seit damals ist es wirklich anders geworden.“

„Hmm?“ Dulacre wandte den Blick von den knisternden Flammen ab und sah den Jungspund an seiner Seite an, welcher das Feuer aufmerksam betrachtete.

„Auf Sasaki ist es mir nie aufgefallen, weil der Kamin so gut wie nie an war. Aber hier hab ich schon oft darüber nachgedacht; Feuer ist schon ein sehr eigenartiges Element, nicht wahr?“

Der Samurai wandte sich wieder den Flammen zu.

„Macht es dir Angst?“, fragte er schlicht mit den Gedanken an die G6.

„Nein. Ich hätte es zwar erwartet, aber wenn ich ganz ehrlich bin, zieht es mich fast schon an.“

Schweigend zog Dulacre sich einen Sessel heran und lehnte sich dagegen.

„Erinnerst du dich an damals?“ Er wusste die Antwort. „Erinnerst du dich daran, wie das Feuer dich verzehrt hat?“ Er wollte die Antwort nicht wissen und doch musste er fragen.

„Ja.“ Immer noch lag Lorenors Blick auf der Feuerstelle. „Manchmal träume ich davon, selbst jetzt kann ich es fühlen, ich brauche die Flammen nur anzusehen.“ Er lachte leise auf. „Lächerlich, nicht wahr?“

„Als jemand, der noch nicht verbrannt ist, erlaube ich mir darüber kein Urteil“, entgegnete Dulacre höflich.

„Manchmal nervt es mich fast schon, wie rücksichtsvoll du mir gegenüber bist.“

Dulacre sah den andere von der Seite her an.

„Nun ja, auf meine Fragen wirst du mir so oder so nicht antworten, oder?“

Nun begegnete Lorenor seinem Blick.

„Welchen Fragen?“

„Du weißt was geschehen ist, nicht wahr? Wie es sein kann, dass du auf Senichi starbst und auf Sasaki in diesem anderen Körper wieder zu dir kamst. Wie es sein kann, dass du in jenem Körper gefangen warst, bis du den Untergang deiner eigenen Crew sahst. Wie es sein kann, dass du dich nun verwandeln kannst, aber diesen anderen Körper doch nie hinter dir lassen kannst. Du weißt all dieser Hintergründe, nicht wahr?“

Es sprach für den Jüngeren, dass er Dulacres Blick nicht auswich. Einen Moment schien er ernsthaft nachzudenken, sich an Dinge zu erinnern, die er wohl tief vergraben hatte.

„Einiges weiß ich, aber mit Sicherheit nicht alles.“

„Aber du wirst mir nicht sagen, was du weißt, nicht wahr? Du wirst mir nicht sagen, wie du überleben konntest oder ob du noch mal überleben könntest? Du wirst mir nicht sagen, was es mit diesen anderen Menschen auf sich hat und ob es irgendwelche Gründe gab, warum du genau auf meiner Insel gelandet bist, genau an dem einen Tag, den ich zu Besuch war?“

Lorenor schwieg.

„Manchmal“, gestand Dulacre ein, „möchte ich gerne glauben, dass es Schicksal war. Aber natürlich ist mir bewusst, dass du nicht an das Schicksal glaubst, weil es bedeuten würde, dass der Weg, den du gehst, nicht auf deinen eigenen Entscheidungen beruhen würde.“

Lorenor neben ihm lehnte seine Ellenbogen auf den aufgestellten Knien ab und stütze sein Kinn auf die gefalteten Unterarme, während er weiter den Flammen zusah.

„Ich habe überlebt, weil ich es wollte“, sprach er den Flammen zu. „Ich habe entschieden ins Leben zurückzukehren, ganz gleich der Konsequenzen, mir sogar der Konsequenzen wohl bewusst. Das ist der Grund warum ich von nun an mein restliches Leben an Lady Loreen gefesselt sein werde.“

Fast hielt Dulacre den Atem an. Nach über acht Monaten entschied Lorenor nun endlich ihm die Wahrheit zu sagen, oder zumindest einen Teil davon. Er befürchtete, dass nur ein falsches Wort die Tore wiederzufallen lassen würde.

„Könntest du diese Entscheidung wieder treffen?“

„Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob ich noch einmal vor die Wahl gestellt werde. Falls doch, werde ich definitiv zurückkommen, ganz gleich was der Preis dann sein wird.“

Diese Antwort erfüllte Dulacre mit mehr Fragen, als er für möglich gehalten hatte und fast schon mit Grauen. Lorenor hatte hinter den Schleier des Todes gesehen; er wusste Dinge, die niemand sonst wissen konnte.

„Also könnte jeder zurückkommen, der bereit ist einen Preis zu zahlen?“

„Nein. Die meisten nicht, nicht so wie ich und die anderen. Wir sind die, die zurückgekommen sind.“ Lorenor seufzte leise. „Diejenigen, die noch nicht loslassen wollten.“

Eine Sekunde musste Dulacre an seine Mutter und Schwester denken, doch er entschied, in der Gegenwart zu verweilen und Lorenors seltene Gesprächigkeit auszukosten.

„Das heißt, du wusstest, dass du als Lady Loreen wiedergeboren wurdest?“

„Das heißt, ich wusste, dass ich schwach sein würde, schließlich hatte sie gesagt, dass ich aus meinen Fehlern lernen musste und mein Fehler war niemandem sonst zu vertrauen außer meiner eigenen Stärke, was du mir ja auch nur gefühlt tausendmal gesagt hast. Ich hatte gedacht, dass es mein Körper sein würde, nur viel schwächer, aber das hier, das hatte ich nicht erwartet.“

Lorenor klang verbittert. Doch Dulacre fragte sich gerade wer sie war, von der Lorenor da sprach, vielleicht war es eine Art Halluzination gewesen, die Lorenor im Augenblick des Todes gesehen hatte. Es war offensichtlich, dass dies keine wirkliche Unterhaltung zwischen ihnen mehr war, denn Lorenor war niemand, der sich in einem Gespräch öffnete und das bedeutete, dass Dulacre nun endlich Dinge erfahren konnte, die Lorenor ihm gegenüber sonst nie äußern würde. Also schwieg er.

„Ich dachte mein Körper würde nie mehr so stark werden, wie er einmal war. Aber es ist noch viel schlimmer. Anstatt mich einfach zu schwächen, kann ich in diesem Körper hier mein Ziel weiterverfolgen, aber ich verstehe einfach nicht warum ausgerechnet Lady Loreen meine Schwäche darstellen soll.“ Er schwieg für einen Moment, doch dann redete er weiter: „Weißt du, ich hasse es, wenn Menschen sagen, dass jemand etwas besser oder schlechter kann, nur wegen des Geschlechts. Ich hasse es, wie dieser verdammte Koch immer so tut als könnten Frauen sich nicht selbst beschützen, als wären sie nicht stark.“

Dulacre entgegnete nichts. Sie hatte ihm also gesagt, dass er aus seinen Fehlern lernen musste. Lorenor war also ins Leben zurückgekommen, um aus seinen Fehlern zu lernen, Lady Loreen existierte aus eben diesem Grund. War er aus diesem Grund auch nach Sasaki gekommen?

„Und jetzt ist meine Schwäche genau das. Ich hasse es, dass ich dieses Klischee erfülle, in diesem Körper hier bin ich stark und die Menschen fürchten meinen Blick, aber Loreen ist so schwach und alle mögen sie. Kuina war auch ein Mädchen, aber sie war nicht schwach, nicht so wie ich als Loreen. Ich habe sie nie besiegt, nicht ein einziges Mal bis sie gestorben ist und wenn sie heute noch leben würde, bin ich mir sicher, dass sie dich bereits besiegt hätte.“

Er wusste von wem der Jüngere sprach. Kuina, die Tochter von Lorenors erstem Lehrmeister und ehemalige Führerin des Wado-Ichi-Monji, Lorenor hatte sie nur wenige Male erwähnt, aber so respektvoll, dass Dulacre ihr wohl zu Dank verpflichtet war.

Allerdings hatte Dulacre das Gefühl, dass Lorenors Gedankengang anders war als der seine. Lorenor hatte gesagt, dass sie wollte, dass er aus seinen Fehlern lernte, aber bedeutete dies, dass Lady Loreen einfach nur den Kontrast zu seiner physischen Stärke darstellen sollte?

Nein, je länger er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher war es, dass sie nicht unbedingt Lorenors physische Stärke gemeint hatte. Aber was dann? Warum Lady Loreen? Warum Sasaki? Warum Dulacre?

Er hatte nicht den Hauch einer Ahnung wer sie war oder wie es überhaupt möglich sein konnte, dass Lorenor von den Toten in einem anderen Körper auferstanden war, aber eines wusste er ganz sicher:

Und mein Fehler war niemandem sonst zu vertrauen außer meiner eigenen Stärke.

Es ging nicht um Lorenors Stärke.

„Meine Schwester war stark“, sagte Dulacre nun, als Lorenor schwieg und er das Gefühl hatte, dass eine längere Stille seinem Wissensdurst hinderlich sein würde, „niemand hat sie besiegt und viele haben sie herausgefordert. Ich weiß nicht, ob ich ebenbürtig bin oder ob ich sie je besiegt hätte, aber es gab keinen Schwertkämpfer auf der Welt, der besser war als Sharak und ich bezeuge dir, sie war eine Frau, Lorenor, eine starke Frau. Es mag sein, dass Lady Loreen manch ein Klischee erfüllt, aber wir beide kennen Frauen, die dem widersprechen.“

„Ich weiß“, flüsterte der Jüngere nun, „und das macht es fast noch schlimmer. Am Anfang hab ich gedacht, dass es mir egal ist, ob Mann oder Frau. Ganz gleich der Körper, ich wusste ich könnte stark genug werden dich zu besiegen und irgendwie dachte ich, dass es… ich hätte dich gerne in diesem anderen Körper besiegt, wegen Kuina.“

Was für ein schmerzlicher Wunsch.

 „Aber es ist nicht möglich und du weißt das auch, oder? Ich merke es bei jedem Training, ich bin viel schneller erschöpft, hab viel schneller Muskelkater, ein langsameres Muskelwachstum. Egal wie viel ich als Loreen trainieren werde, ich werde der Welt nie beweisen können, dass Leute wie der Koch und mein alter Lehrmeister Unrecht haben. Ich dachte ich habe diesen Körper bekommen, um dieses Klischee ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen, doch je mehr Zeit vergeht desto mehr verstehe ich, dass ich das niemals schaffen kann und manchmal kotzt mich das richtig an.“

Erneut blieb Dulacre ruhig. Es stimmte schon, was Lorenor sagte. Sharaks Körperbau war dem seinen nicht unähnlich gewesen, sie war sehr groß gewesen, wahrscheinlich größer als er jetzt, ähnliche Proportionen, ähnlicher Muskeltonus. Ähnlich wie er war auch seine Schwester ein nahezu perfekter Athlet gewesen.

Ganz anders jedoch der schmächtige Körper Lady Loreens. Lorenors anderer Körper war nicht nur klein, sondern auch zerbrechlich. Trotz all der körperlichen Strapazen die Lorenor auf sich nahm, wurden seine Erfolge nicht seiner Leistung gerecht. Lady Loreens Körper war nicht dafür gemacht zu kämpfen und Lorenor hatte damit gerechnet, dass es so kommen würde, aber dass er damit ein altbekanntes Klischee erfüllte, das schien ihm tatsächlich am Meisten auszumachen und doch hatte Dulacre immer noch das stete Gefühl, dass die Gestalt Lady Loreens einem ganz anderen Grund diente, nicht als Strafe, noch nicht einmal unbedingt als Achillesverse oder Hemmnis.

Doch um dies tiefer ergründen zu können, musste er diese Unterhaltung am Laufen halten.

„Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich nicht absehen, dass du als Lady Loreen mich jemals besiegen wirst. Zumindest nicht, solange ich nicht altersbedingt schwächer werde.“

Diesmal war es Lorenor, der nur schweigend nickte. Dulacre entschied das Gespräch in eine andere – für ihn informationsreichere – Richtung zu lenken.

„Aber wenn dir doch bewusst war, dass du schwächer zurück ins Leben kommen würdest, warum bist du dieses Wagnis dann überhaupt eingegangen?“

Ganz langsam sah Lorenor zu ihm hinüber.

„Ich hatte keine Wahl. Ich musste zurück, ich wäre als Spielzeug zurückgekommen, wenn ich so Ruffy hätte beschützen können.“ Dann sah Lorenor wieder in die Flammen. „Aber klar, dass du das nicht kapierst.“

„Möchtest du es mir dann erklären?“ Er hatte eher das Gefühl, dass Lorenor derjenige war, der die Sache aus dem falschen Winkel heraus betrachtete.

„Ach, was ist da groß zu erklären?“, murrte Lorenor unleidiger. „Du hast es doch gesehen, damals, wie sie reagiert haben. Wie sie alle immer reagieren, wenn sie Lady Loreen gegenüberstehen.“

Schmunzelt streckte Dulacre die Beine aus und überschlug sie. Langsam verstand er Lorenors Gedankengang, seinen ach so kindlich naiven, falschen Gedankengang.

„Was meinst du? Die Höflichkeit? Der Respekt?“

„Sie alle benehmen sich anders, sie behandeln mich anders.“ Auf einmal drehte Lorenor sich ihm wieder zu. „Du bist der einzige, der mich nicht anders behandelt.“

Dulacre zuckte mit den Achseln, überlegte, ob es an ihm war Lorenor die Wahrheit zu sagen oder ob er dem Schicksal seinen Lauf lassen sollte.

„Nun, das mag daran liegen, dass ich weiß wer Lady Loreen in Wirklichkeit ist. Ein gemeiner Vorteil, würde ich sagen.“

„Ach Schwachsinn!“ Lorenor winkte ab. „Jiroushin weiß, wer ich bin und er hasst es, wenn ich als Loreen rumlaufe. Er kann es nicht leiden, weil er dann nicht mit mir umgehen kann. Kanan weiß es und ja sie ist trotzdem verdammt herzlich, aber sie ist zurückhaltender, vorsichtiger, und was Ei… ich meine, nur du bist immer gleich nervig, machst dir immer zu viele Sorgen, tadelst mich immer wie ein Kleinkind, ganz gleich in welchem Körper ich bin. Selbst diese Unterhaltung hier, ich glaube kaum, dass jemand anderes so mit mir reden würde, aber mit Loreen fällt es den Leuten leicht.“

Für einen Moment dachte Dulacre über die Worte des Jüngeren nach. Es erinnerte ihn an das Gespräch, welches sie geführt hatten, als Lorenor entschieden hatte nicht zu seiner Crew zurückzugehen.  Er war so nahe dran und doch am anderen Ende der Welt. Dulacre sollte ihm die Wahrheit sagen, sollte ihm sagen, dass es an Lorenor selbst lag und nicht an den anderen Menschen. Ob es dem Jüngeren bewusst war oder nicht, er konnte sich als Loreen anderen gegenüber viel leichter öffnen als in seiner wahren Gestalt. Seufzend betrachtete Dulacre seine Fingernägel, es wäre wohl lehrreicher, wenn Lorenor von selbst verstehen würde, aber dies würde viel Geduld von ihm erfordern.

„Aber Lorenor, du lobst mich zu Unrecht. Anfangs war ich alles andere als souverän im Umgang mit dir, insbesondere was Lady Loreen betrifft, aber ich hatte Monate Zeit dich kennen zu lernen.“

„Ich weiß was du meinst, aber ich rede von was anderem.“ Nun ließ Lorenor sich wieder auf den Rücken fallen. „Aber ich hab ja gesagt, dass du’s nicht kapierst.“

Dulacre überlegte einen Moment und fragte sich, wer hier was nicht verstand. Es wäre so viel einfacher Lorenor die Wahrheit zu sagen, aber wenn Lady Loreen dazu dienen sollte, dass Lorenor seine Fehler erkannte, dann war es wohl nicht zielführend, wenn Dulacre ihm diese Aufgabe abnahm. Allerdings konnte er dem anderen wohl einen kleinen Richtungsweis geben.

„Es geht um deine Crew“, meinte er nachdenklich. „Dein Problem ist nicht nur, dass du schwächer bist oder dass du ausgerechnet als Lady Loreen schwächer bist, es hat etwas mit deiner Crew zu tun.“

Lorenor schwieg, während Dulacre weiter seine Gedanken laut aussprach.

„Damals, als du sie wiedertrafst, haben sie nur Lady Loreen gesehen und das hat dich verunsichert. Du hast die Sorge, dass sie dich nie wieder nur als der starke, unverwüstliche Lorenor Zorro sehen. Du willst nicht, dass sie dich anders behandeln.“

Er sah auf den Jüngeren hinab, der stur zur Decke starrte.

„Aber du vergisst, dass sie noch nicht einmal die Chance hatten darüber nachzudenken, so wie ich, so wie Jiroushin. Sie werden etwas Zeit brauchen, um diese Veränderung zu verstehen. Denn Lorenor, du hast dich verändert, ob du willst oder nicht und somit werden sie dich auch anders behandeln.“ Immer noch verweigerte der Jüngere es ihn anzusehen. „Ich verstehe, dass du ungerne vor deiner Crew als schwach dastehen möchtest. Aber…“

„Das ist es nicht.“ Lorenor erhob sich. „Egal wie verletzt ich war, meine Crew war für mich da und hat mich beschützt. Das ist nicht mein Problem.“

„Was ist es dann, Lorenor?“

Doch der Jüngere schüttelte den Kopf.

„Ist egal. Ich geh jetzt ins Bett. Ich muss Eizen noch antworten. Kommst du nun übernächste Woche mit oder nicht?“

„Natürlich werde ich dich begleiten, sofern du das möchtest, aber Lorenor…“, sprach er schnell weiter als Lorenor sich anschickte zu gehen, „…bedeutet das etwa, dass du ihnen die Wahrheit vorenthalten willst?“

Zügig richtete er sich auf, um den anderen ein Gegenüber zu sein.

„Ich verstehe tatsächlich nicht warum du dich so zierst, wenn es dich nicht stört, dass sie möglicherweise dich beschützen und nicht umgekehrt. Was ist also dein Problem, Lorenor? Sag es mir doch, wenn ich es nicht verstehe.“

Doch Lorenor ging einfach weiter.

„Nein, ich werde es ihnen nicht sagen.“

Hinter ihm schlug die Tür zu.

 

 

Kapitel 46 - Monster

Kapitel 46 – Monster

 

-Mihawk-

„Konzentriere dich!“, tadelte er.

„Ich konzentriere mich!“, knurrte Lorenor sogleich zurück.

„Offensichtlich nicht, sonst würde ich nichts sagen.“

Aufschnaufend verkniff der Jüngere sich sichtlich einen Kommentar.

Nicht minder unzufrieden umrundete Dulacre seinen Schüler langsam erneut und begutachtete dessen Haltung, die dieser nun schon seit mehreren Stunden hielt. Obwohl es eine sehr ruhige und bedachte Übung war, forderte sie doch ihren Tribut von Lorenor, der seinen Körper in einer perfekten Harmonie aus Anspannung und Flexibilität, Balance und Agilität, Standhaftigkeit und Mobilität halten musste.

Schweiß rann Lorenors Körper hinab, das durchnässte Oberteil hatte er schon am frühen Morgen zu Boden geworfen, wodurch es Dulacre leicht fiel, jede Muskelanspannung und jede Bewegung seines Schülers zu verfolgen. Aufmerksam bemerkte er jedes leise Zittern, jedes Zögern, bemerkte wie unregelmäßig sich das Gewebe um jene Narbe herum bewegte, sah die kleinen Schweißtropfen im Haar und wie sich die Nackenhaare aufstellten, wann immer Dulacre zu nah hinter seinen Schützling trat.

Es war beeindruckend mit welcher Perfektion Lorenor die grundlegenden Kampfhaltungen mittlerweile beherrschte und sie auch auf Dauer halten konnte, ohne zu verkrampfen oder in Schonhaltungen zu verfallen.

Im echten Kampf später würde er natürlich nie für einen so langen Zeitraum den Körper nicht bewegen, aber es war notwendig, dass er in der Lage war diese Positionen jederzeit abrufen zu können, ganz gleich wie erschöpft oder versteift seine Muskeln sein würden. Gerade im Kampf gegen überlegene oder schwer einzuschätzende Gegner war ein geschmeidiges motorisches Gedächtnis eine Lebensversicherung.

„In Ordnung. Du kannst weitermachen.“

Automatisch glitt Lorenor in die nächste Position. Obwohl er sich lange nicht gerührt hatte, waren seine Bewegungen weder grob noch ungelenk gewesen, ganz im Gegenteil. So langsam erlangte Lorenor die Körperbeherrschung, die er als Schwertmeister benötigte.

Es gab nur wenig für Dulacre zu korrigieren, meistens verging viel Zeit bis Lorenor begann erste Schwächen zu zeigen, was gut war, denn sie hatten noch einige stramme Tage vor sich.

„Du hast mehr als acht Monate gebraucht, um die Grundlagen des Hakis sicher zu beherrschen und um deinen inneren Dämon soweit zu kontrollieren, dass er keine Gefahr mehr darstellt“, erklärte Dulacre nun und fasste mit einem Finger hinter Lorenors linkes Ohr ohne, dass dieser sich überhaupt rührte. Zwischen Kiefer und Schädel fühlte er Muskeln und Sehnen.

„Dein Kiefer verspannt sich. Schlechte Laune hin oder her, es wird sich über kurz oder lang auf Nacken, Schultern und Rücken auswirken.“

Für eine Sekunde verspannte sich der Muskel noch mehr, ehe Lorenor anfing den Kiefer durch hin und herschieben zu lockern. Dabei atmete er laut aus, auch wenn er weiterhin geradeaus starrte.

Seine Laune war in den letzten paar Tagen noch unausstehlicher geworden als vorher – sofern dies überhaupt möglich war – und Dulacre wusste genau, dass es vor dem Termin mit Eizen auch nicht mehr besser werden würde. Der einzige Grund, warum er überhaupt noch bereit war mit Lorenor zu arbeiten war der, dass Lorenors Ehrgeiz und sein Streben nach Weiterentwicklung und Wachstum selbst seine stetige Unzufriedenheit übertraf.

Auch gerade war der Kampf zwischen der Gier sich zu verbessern und den blanken Nerven ihm förmlich anzusehen, doch Lorenor beugte sich seinem Meister und versuchte sich zu entspannen. Aber so gleichmäßig seine Atmung und sein Puls auch war, die Spannung in seinen Gedanken wirkte sich weiterhin auf winzige Bereiche seines Körpers aus.

„Die Stirn“, murrte Dulacre nun und drückte mit drei Fingern leicht dagegen. „Das Gesicht ist Teil deines Körpers, jede deiner Schwächen wird sich als erstes hier bemerkbar machen.“

„Ich weiß“, knurrte Lorenor und sah ihn nun direkt an.

„Dann mach keine Fehler“, schollt Dulacre unbeeindruckt. Er mochte die Art nicht, wie Lorenor sich derzeit benahm, aber er konnte damit umgehen. Schließlich hatte er auch gelernt sich damit abzufinden, dass Lorenor seine eigenen gesundheitlichen Grenzen im Training wieder und wieder ignorierte und überschritt, auch wenn er es nicht guthieß.

Wenn Lorenor stur sein wollte, so wurde Dulacre sturer. Er wusste, dass der Jüngere gerade einen Kampf mit sich selbst ausführte und unter anderen Umständen Dulacres Anweisungen leichter folgen würde. Aber wenn Dulacre aus diesem Grund nun sanfter mit ihm umgehen würde oder Rücksicht üben würde, dann würde Lorenors Entwicklung sich verlangsamen, vielleicht sogar stagnieren, und das war das eine, was Lorenor auf keinen Fall wollte, und Dulacre stimmte in dem überein.

Also blieb er beharrlich und ließ sich von Lorenors unbedachten Bemerkungen nicht provozieren.

„Auch wenn deine Hakifertigkeiten sich bisher gut entwickelt haben“, sprach er dementsprechend weiter, als wäre nichts gewesen, „so bleiben uns nun keine sechszehn Monate mehr, um dich im Schwertkampf zu unterweisen.“

Er pochte sich selbst leicht an die Schläfe, um Lorenor zu bedeuten, dass er sich auch dort verkrampfte und der Jüngere verstand.

„Nun, da du in der Lage bist, deine Schwerter vor Schaden zu bewahren, müssen wir dafür sorgen, dass du für sie ein würdiger Meister wirst. Deine körperliche Stärke ist überproportional im Vergleich zu deinen sonstigen Attributen. In den vergangenen Monaten haben wir deine Wendigkeit und Fußarbeit deutlich verbessert, auch dein strategisches Denken zeigt sich nun langsam. Aber deine Rumpfmuskulatur ist immer noch zu steif und deine Körperbalance ungenügend. Auch an deiner generellen Flexibilität müssen wir noch arbeiten, deine Ausdauer hingegen ist mittlerweile auf einem guten Standard.“

Lorenor schwieg.

Dulacre wusste, dass er es schon mehrfach erklärt hatte, aber Lorenor hatte die Gabe, logische Erklärungen zu verdrängen, die ihn davon abhielten mit seinen Schwertern oder mit Gewichten zu arbeiten, also wiederholte er sich erneut, um den zornigen Jungen bei Laune und Verstand zu halten.

„Ich weiß, dir wäre es lieber einfach tagein, tagaus mit deinen Schwertern zu trainieren, aber das ist nicht zielführend. Du wirst sehen, dass diese Übungen hier dein Können weit mehr verbessern als ziellose Trockenkämpfe. Obwohl ich natürlich zugebe, dass es deutlich eintöniger ist als ein Kampf.“

„Ach ne“, murrte Lorenor und biss sich dann auf die Unterlippe, bevor sein Gesicht wieder ausdruckslos wurde. Ganz eindeutig war ihm dieser Kommentar gerade ungewollt herausgerutscht.

„Lorenor“, mahnte Dulacre kühl, „mir ist sehr wohl bewusst, dass du in einem direkten Kampf am besten lernst, aber diese Möglichkeit besteht nun nicht mehr, daher wirst du wohl oder übel damit zurechtkommen müssen, dass du dir dein Können mit reiner Fleißarbeit verdienen musst, so wie jeder andere auch.“

Für einige Zeit war es ruhig, doch dann sprach Lorenor kalt: „Du könntest wieder gegen mich kämpfen.“

„Diese Diskussion hatten wir schon vor zwei Wochen und ich werde sie nicht wiederaufkommen lassen.“ Barsch verwarf Dulacre diesen Vorschlag und bedeutete Lorenor in die nächste Position überzugehen. „Du weißt so gut wie ich, dass es mir schwer fallen wird in einem Übungskampf mit dir meine Kontrolle zu wahren und du bist mir bei weitem noch nicht ebenbürtig genug, dass ich riskieren würde dich gar zu töten.“

„Dann kontrolliere dich halt.“

Fast schon wie ein Befehl klangen diese Worte.

„Willst du mir etwas sagen?“, fragte Dulacre leise nach, Zorn stieg in ihm auf, als dieser Jungspund meinte ihn belehren zu müssen.

Dieser schwieg für einen Moment. Es war jedoch nur ein Moment und dann konnte er sich wohl nicht mehr halten.

„Den ganzen Tag redest du über nichts anderes“, murrte Lorenor nun, ohne seine Haltung zu ändern, „‚kontrolliere deine Körperhaltung, Lorenor‘, ‚du musst dein Monster kontrollieren lernen, sonst kannst du mich nicht besiegen, Lorenor‘, „wenn deine Hakikontrolle brüchig wird, wird Yuro deine Schwerter zerstören, Lorenor‘. Alles muss ich kontrollieren, damit ich dir auch nur gewachsen sein darf. Aber wenn es doch so einfach geht, warum kontrollierst du nicht ausnahmsweise Mal dich? Du willst mir etwas über Kontrolle beibringen und gleichzeitig schaffst du es noch nicht einmal ein paar meiner Schläge abzuwehren, ohne mich gleich umbringen zu wollen. Wer von uns beiden kann sich nicht kontrollieren?!“

Schwer atmend verließ Lorenor die Kampfhaltung – unterbrach ihre Übung – und sah ihn einfach nur an. Für einen Moment tat Dulacre es ihm gleich.

„Du meine Güte“, entgegnete er dann mit einem kühlen Grinsen, „das muss dich ja schon sehr lange gestört haben, nicht wahr? Interessant, was man so ausplaudert, wenn man sich nicht gut kontrollieren kann.“

Er sah Lorenor an, dass dieser zwar bereute was er gesagt hatte, aber er wich weder zurück, noch wandte er den Blick ab. Er stand zu seinen Worten, hatte diese Zweifel vermutlich schon seit Monaten immer wieder gehegt, doch nur der Dämon traute sich – oder war unbeherrscht genug - sie laut auszusprechen.

„Natürlich hast du Recht. Es ist sehr scheinheilig von mir dich immer wieder zu kritisieren während ich selbst mein Monster kaum in Schach halten kann.“

Langsam wandte sich Lorenors Blick in Überraschung, dann in Staunen und dann in…

„Aber du siehst Lorenor, der Unterschied zwischen dir und mir ist ein kleiner, aber feiner.“ Er trat auf den anderen zu. „Ich bin der Beste und du bist nur der, der mich besiegen will.“

„Na und, was für einen Unterschied macht das?“, murrte Lorenor und weder seine Worte noch seine Augen betrogen ihn, aber wohl sein Kiefer, der leicht zitterte. „Ob Bester oder nicht, du bist und bleibst jemand, der sich nicht kontrollieren kann, wenn er Spaß am Kämpfen entwickelt und verlangst von mir, dass ich es schaffe.“

„Du hast es immer noch nicht verstanden, ich dachte Jiroushin hätte es dir erklärt.“

Lorenor strauchelte zurück und sah ihn mit großen Augen an, als er für einen kurzen Moment das Gleichgewicht unter Dulacres Aura verlor. Auch wenn er nicht laut wurde, so brodelte es doch in ihm; es kostete ihn deutlich Nerven Lorenor nicht für sein vorlautes Mundwerk zu bestrafen.

„Ich kontrolliere mich immer, deswegen solltest du mich nicht auf die Probe stellen, wenn du nicht hinter die Maske sehen willst.“

Zum ersten Mal zögerte Lorenor und sah ihn undurchschaubar an.

Dulacre war wütend, Lorenors Vorwürfe waren die Vorwürfe, die er sich selbst lange Zeit gemacht hatte. Wie konnte es sein, dass jemand wie er, der ein Perfektionist war, talentiert, intelligent und letzten Endes in jeder Form ein herausragender Krieger war, wie konnte es sein, dass Dulacre sich nie vollständig kontrollieren konnte?

Nachdem es einmal ausgebrochen war, hatte er Jahre trainiert, sich zurückgezogen und dieses verzehrende Verlangen in sich versucht zu bändigen, aber erst viel später hatte er verstanden, dass er sich nie vollständig unter Kontrolle haben würde, nie mehr.

Aber diese Gedanken waren nun nebensächlich. Der dreiste Junge vor ihm hatte sich dieses Mal zu viel herausgenommen und Dulacre würde ihm wohl ein für alle Mal…

Lorenor nahm wieder seine Grundhaltung ein.

„Was tust du da?“, murmelte Dulacre, in seinem Gedankengang gestört.

Sein Schüler schloss die Augen und fast augenblicklich entspannte er sich. Selbst zornerfüllt beeindruckte es Dulacre, dass Lorenor wie auf Knopfdruck seine mentale Haltung ändern konnte.

„Ich will hinter die Maske sehen“, sagte er schlicht, „ich will stark genug werden, dass du im Kampf mit mir keine Maske mehr brauchst. Ich will, dass wenn wir kämpfen, du dich nicht mehr zurückhalten brauchst, nicht mehr kontrollieren brauchst. Aber noch bin ich nicht gut genug, also muss ich trainieren.“

Dann sah Lorenor ihn an.

„Und wenn ich soweit bin, wag es ja nicht, dich hinter deiner miserablen Kontrolle zu verstecken. Denn ich werde das auch nicht tun, verstanden?“ Fließend nahm Lorenor die nächste Haltung an. „Außerdem will ich, dass du mir endlich Königshaki beibringst oder zumindest wie ich mich besser dagegen wehren kann. Aber ich wette, das kommt erst dran, wenn ich meine körperlichen Defizite ausgeglichen habe, nicht wahr?“

Die Anspannung, die bis gerade noch in der Luft geknistert hatte, war verschwunden als Lorenor so tat als wäre nichts gewesen und fast augenblicklich verging auch Dulacres Zorn. Nein, es war viel mehr als das.

In diesem Moment wurde Dulacre etwas schmerzlich bewusst, wie vom Blitz getroffen realisierte er etwas, was er bisher in die dunkelsten Ecken seines Verstandes verbannt hatte. Plötzlich war es so offensichtlich und klar für ihn, dass er nicht wusste, wie er es bisher hatte ignorieren können.

Es war wie eine Offenbarung, wie ein klarer Sonnenaufgang nach einer dunklen Nacht, aber es tat auch weh und nahm ihm den Atem und für einen kurzen Moment wuchs in Dulacre eine ohnmächtige Verzweiflung heran, doch dann entschied er, diesen Gedanken mit all seinen entwaffnenden Gefühlen nicht weiter zu verfolgen, sondern nickte sachte.

„Ganz recht, Lorenor.“ Nun nahm er seine Lehrmeisterposition wieder ein. „Allerdings habe ich dir schon einmal gesagt, dass wir erst herausfinden müssen, ob du die Veranlagung des Königs überhaupt in dir trägst. Ansonsten wäre jedes Training in diese Richtung fruchtlos.“

Der Jüngere zuckte mit den Achseln.

„Und wie finden wir das heraus?“

„Das lass meine Sorge sein. Du konzentrierst dich auf deine Haltung. Dein linkes Knie muss etwas mehr in die Beuge.“

 

-Zorro-

Beide gähnten sie, fast schon gleichzeitig, Zorro hinter vorgehaltener Hand, Mihawk ihm gegenüber ganz unverhohlen, die Füße auf einen leeren Stuhl geworfen, zwischen ihnen nicht weniger als der gefüllte Sitzungssaal.

Zorro saß zu Eizens Linken, in einem simplen grauen Kostüm und Klackerschuhen, die seine Füße absterben ließen. Zu Eizens Rechten saß dessen Sekretärin Rihaku, die die ganze Sitzung lang nichts anderes machte als fleißig Protokoll zu schreiben.

Gerade beendete der neue Großadmiral Sakazuki seine ausschweifenden Berichte über die erfolgreiche Verlegung des Marinehauptquartiers, die Abdankung des ehemaligen Großadmirals Senghok, die Ernennung und Abdankung weiterer Vizeadmiräle und natürlich seine eigene Beförderung zum Großadmiral.

Es war eine öde Versammlung, wie Zorro fand und mittlerweile meinte er sich eine Meinung bilden zu können. Die heutige Versammlung sollte nicht wichtige Entscheidungen treffen oder Probleme bewältigen. Sie diente einzig und alleine dazu, den Abgesandten der verschiedenen Mitgliedstaaten der Weltregierung sowie den Vertretern der Weltaristokraten zu beweisen, dass die Marine nach dem großen Krieg viel stärker sei als noch zuvor.

Es war nicht mehr als ein Schauspiel. Keine der genannten Zahlen und erläuterten Taten beeindruckte oder überzeugte Zorro – wobei es ihn schon beinahe schockierte, dass er wirklich alles verstand, was hier erzählt wurde - und er wusste, dass noch weniger von ihnen stimmten.

Langsam fragte er sich, was er hier sollte und er konnte dem Samurai ansehen, dass dieser genau das gleiche dachte. Es war eine reine Zeitverschwendung; Zeit, die sie fürs Training hätten gebrauchen können oder für irgendetwas anderes.

Dulacre bemerkte seinen Blick und ein fast unbemerkbares Grinsen glitt über sein gelangweiltes Gesicht, doch Zorro ignorierte es, denn Sakazuki hatte geendet und nun war er an der Reihe.

Unter höflichem Applaus erhob Zorro sich und ging zum Podium.

Er erinnerte sich gut daran, wie Eizen ihm einst gesagt hatte, dass er Zorro – nein, wohl eher Lady Loreen – als Symbolfigur nutzen wollte, aber er hätte nie erwartet, dass dies bedeuten würde, dass er irgendwann mal Reden im Marinehauptquartier halten würde, erst Recht nicht vor über 300 Leuten aus der ganzen Welt und noch viel weniger unter den scharfen Augen seines Lehrmeisters.

Es war die erste Rede von Bedeutung, die Zorro – Lady Loreen – halten würde. Mit den Worten, die Eizen ihm vorgelegt hatte würde er über die jüngsten Entscheidung der fünf Weisen sprechen, über die Ernennung der neuen Samurai und über die Vorbereitungen der nächsten Weltkonferenz, die in weniger als zwei Jahren stattfinden würde.

Da es seine erste relevante Rede war, hatte Zorro viel üben müssen bis Eizen und Rihaku mit ihm zufrieden gewesen waren; über eine Woche hatte er im Hauptquartier zugebracht, doch jetzt gingen ihm die Worte ganz leicht von den Lippen, auch wenn er hasste sie sagen zu müssen.

Er sprach so, wie er es befohlen bekommen hatte, lächelte wann gewünscht, ließ Pausen wann notwendig, sah die Person an, die er am meisten erreichen sollte und wurde ernst, wann immer er sein sollte.

Doch nicht eine Sekunde ließ er den Samurai aus den Augen. Zu seiner leisen Überraschung machte sein Lehrmeister keinerlei Anzeichen einer Grimasse oder nur eines Grinsens. In den vergangenen Tagen hatte Dulacre ihm oft dabei zuhören müssen, wie er die Rede wieder und wieder laut vorgetragen hatte, auswendiggelernt hatte, hinterfragt hatte und dabei war der Samurai alles andere als eine Hilfe gewesen. Der Ältere hatte sich wiederholt über ihren Ausflug aufgeregt, hatte ihn mitten in der Rede mit nervigen und unnötigen Fragen unterbrochen, einmal hatte er sogar eine Nippesfigur nach Zorro geworfen, weil er seine Aufmerksamkeit verlangt hatte, wie eine gelangweilte Katze, oder wie Ruffy.

Daher war Zorro davon ausgegangen, dass dieser Mistkerl es ihm heute erst recht nicht einfacher machen würde, aber er sollte sich täuschen. Aus kalten, ernsten Augen beobachtete der Samurai ihn, seine Miene eine steinerne Maske, die kein einziges Gefühl offenbarte, während Zorro sprach.

Mihawk saß am anderen Ende des Raumes, weit entfernt von den Abgesandten der Weltaristokraten. Es war wahrscheinlich alles andere als gewöhnlich, dass ein Samurai bei dieser Versammlung anwesend war. Doch die meisten würden es wohl damit begründen, dass die ehrenwerte Lady Loreen so gut wie nie ohne ihren Wachhund das Haus verließ.

Dulacre hatte seine ganz eigene Vermutung. Laut dem Samurai ging es hier nur um Macht. Eizen wolle dem Samurai zeigen, dass er Zorro tanzen lassen konnte, wie es ihm passte und Dulacre dagegen nichts tun konnte. Der Samurai glaubte, dass Eizen ihn in seine Schranken weisen wollte.

Doch Zorro sah das anders. Vielleicht war das ein Nebeneffekt von dem was Eizen wollte, aber Zorro glaubte nicht, dass er das nur tat, um den Samurai vorzuführen. Dafür hatte der Politiker zu deutlich gemacht, dass er Dulacre noch nicht einmal als Mitspieler sah.

Vielleicht wollte Eizen dem Samurai nur zeigen, wie viel Macht er über Zorro hatte. Vielleicht wollte er aber auch Zorro zeigen wie viel Eizen zerstören konnte, sollte Zorro nicht gehorchen.

Der Politiker wusste nicht, dass Dulacre wusste wer Zorro in Wirklichkeit war und vielleicht dachte er, dass diese Drohung Zorro einschüchtern würde. Viel mehr beschäftigte Zorro jedoch das Damoklesschwert, welches Eizen über all seinen Freunden und Verbündeten schweben ließ, daneben brauchte der Politiker doch eigentlich nichts mehr, um Zorro unter Druck zu setzen.

Es war also sehr gut möglich, dass Eizen etwas ganz anderes damit bezwecken wollte, dass er auch Dulacre eingeladen hatte. Aber wenn er ganz ehrlich war, so war ihm das herzlich egal.

Egal was der Politiker auch vorhatte, Zorro würde seinen Weg gehen und seine Freunde beschützen, so wie er es immer tat.

Langsam kam Zorro zum Ende der fremden Rede, sich wohl bewusst, dass die meisten Augen ihm aufmerksam folgten. Es war wie Eizen gesagt hatte, die Leute hörten Lady Loreen zu, wollten Loreen glauben. Es waren Eizens Worte, aber nur weil Zorro – weil Lady Loreen – sie sprach, wurden sie gehört. Wie er Lady Loreens Gabe hasste.

Dann sah Zorro den letzten Satz, den er bisher nie laut vor dem Samurai ausgesprochen hatte, wohl wissend warum.

„… und ich freue mich, Ihnen allen mitzuteilen, dass ich die große Ehre habe, die bevorstehende Weltkonferenz moderieren zu dürfen. Ich danke Ihnen allen für Ihr entgegengebrachtes Vertrauen.“

Tief verbeugte Zorro sich, konnte das Brennen der Falkenaugen beinahe auf seiner Haut fühlen und als er sich aufrichtete, schluckte er schwer. Unter dem freundlichen und teils auch überschwänglichen Applaus war der Samurai aufgestanden und verließ soeben den Raum, sein Stuhl fiel klappernd zu Boden.

Für eine Sekunde wollte Zorro dem anderen nacheilen und ihm klarmachen, dass dieser sich nicht so anzustellen brauchte, doch Eizen nutzte den Moment, um ihn eine Hand auf die Schulter zu legen und sich den anderen Anwesenden zuzuwenden.

Das verdammte Damoklesschwert!

 

-Mihawk-

Es war ungewohnt Lorenor dabei zuzusehen, wie er Eizens Rede hielt. Nichts beschrieb Lorenors Veränderung der letzten Monate so sehr wie dieser Moment. Lorenor, der sich selbst immer als schlicht und tumb beschrieb, stand nun hier vor all diesen Herrschaften und sprach mit klarer, deutlicher Stimme. Worte, die er vor einem halben Jahr nicht einmal gekannt hatte, kamen nun selbstverständlich über seine Lippen.

Doch Lorenor sprach diese Worte nicht einfach nur vor, wie von Eizen erwartet. Die vergangenen Tage hatte er diese Rede auseinandergepflückt, jedes kleine Wort, jeden Punkt und jedes Komma analysiert und hinterfragt. Lorenor wusste ganz genau, was er sagte, stimmte vielem nicht zu – wie Dulacre genau wusste – aber gerade war er Eloquenz und Kompetenz in Person.

Oh, wie es Dulacre begeisterte und erzürnte.

Es erfreute ihn zu sehen, dass Lorenor auch in diesem Bereich zu dem wurde, den Dulacre schon immer in ihm gesehen hatte. Er mochte die Diskussionen mit Lorenor und es erregte ihn, wie selbstbewusst und gleichzeitig elegant Lorenor klingen konnte, wenn er denn nur wollte. Seitdem Lorenor sein eigenes Monster bezwungen hatte und geworden war, war er wahrlich erwachsen geworden.

Gleichzeitig konnte Dulacre es gar nicht gut leiden den Jüngeren hier stehen zu sehen, umgeben von Politikern, Weltaristokraten, Marinesoldaten und dem Adel der Welt. Er wusste, dass Lorenor diese Gesellschaft – aus der Dulacre selbst ebenfalls stammte – nicht gut leiden mochte.

Lorenor wollte nicht hier sein und doch wirkte er weder fehl am Platz, noch als würde es ihm wirklich missfallen. Es war als wollte Eizen Dulacre vorführen, wie viel besser Lady Loreen in dessen Welt passte als in Dulacres.

Ihm war natürlich wohl bewusst, dass der Politiker nur Lady Loreen kannte und nicht Lorenor, aber beruhigen tat ihn das nicht.

Er mochte nicht, wie Eizen ihn über seine undurchsichtige Sonnenbrille hinweg ansah, dieses leise, siegessichere Lächeln. Unabhängig davon, dass Eizen nicht wusste, was Dulacre wusste, so wollte er ihm Lorenor doch eindeutig entreißen, doch anders als Nataku, stellte er ein viel größeres Risiko dar und auch wenn Lorenor es nicht wollte, so schien er sich mehr und mehr im Spinnennetz der Politik zu verwickeln.

Allerdings sollte Dulacre sich nicht zu viele Sorgen machen. Eizen wusste nicht, dass Lady Loreen in kaum mehr als einem Jahr von der Bildfläche verschwinden würde, an ihrer ungekannten schlimmen Krankheit vermutlich verstorben, den erkaltenden Samurai Falkenauge zurücklassend. Was schon konnte der Politiker in so kurzer Zeit bewirken?

Tja, das war wohl das einzige was Dulacre und dieser Politiker gemein hatten, sie beide würden Lorenor verlieren. Aber das nahm Dulacre gerne in Kauf, wenn er seinen Wildfang dadurch beschützen konnte. Zufrieden, wenn auch nicht glücklich mit der Situation beließ er es dabei, während er Lorenor ruhig beobachtete, der immer wieder zu ihm hinüber sah.

Nun zum Ende hin jedoch wandte Lorenor sich ab und nach seinen abschließenden Worten wusste Dulacre auch warum.

„… und ich freue mich, Ihnen allen mitzuteilen, dass ich die große Ehre habe, die bevorstehende Weltkonferenz moderieren zu dürfen. Ich danke Ihnen allen für Ihr entgegengebrachtes Vertrauen.“

Beinahe fehlte ihm die Luft zum Atmen und dann sah Lorenor ihn an. Er hatte es gewusst, hatte gewusst, dass Eizen dies tun wollte und Lorenor hatte zugestimmt und es mit keiner Silbe erwähnt. Schon wieder hatte er Dulacre im Dunkeln gelassen. Immer und immer wieder brach Lorenor das Versprechen, welches sie sich…

Dulacre verließ den Raum, ohne sich noch einmal nach dem Jüngeren umzusehen.

Er wusste, dass Wut fehl am Platz war, aber er konnte es nicht ändern. Sobald es Lorenor betraf wollten seine aufbrausenden Gefühle seinem rationalen Verstand nicht Folge leisten und wie er es hasste, wenn der andere ihm die Wahrheit vorenthielt. Wie er es hasste, dass er Lorenor bald verlieren würde, aber Lady Loreen Eizen erhalten bleiben sollte.

„Du bist wahrlich nicht mehr der Mann, der du einst warst. Der perfekte, gefühlslose Stratege lässt sich von seinen Emotionen überrollen. Du solltest aufpassen, diese Schwäche könnte von anderen glatt als Menschlichkeit missverstanden werden.“

Dulacre blieb stehen.

„Du bist derjenige, der Vorsicht walten lassen sollte. In meiner derzeitigen Gemütslage würde ich es noch nicht einmal genießen können, wenn ich dich niederstrecke.“ Langsam wandte er sich um und konfrontierte den Mann, der ihm aus dem Sitzungssaal gefolgt war. „Ich werde meine Warnung vom letzten Mal nicht wiederholen. Also gehe mir besser aus den Augen, Nataku.“

Die kalte Klinge der Gerechtigkeit verneigte sich beinahe entschuldigend.

„Glaube mir, Dulacre, ich bin nicht deinetwegen hier. Wenn es nach mir ginge, ist alles zwischen uns gesagt, was gesagt werden musste.“

„Und doch stehst du vor mir“, entgegnete Dulacre unbeeindruckt.

Interessanterweise bemerkte er, dass sein Zorn über das soeben Geschehene durch das unerwartete Auftauchen des anderen etwas verblasste.

„Aber ganz gewiss nicht deinetwegen.“

„Sprich, Nataku, ich bin kein Mann von Geduld. Sag mir was du zu sagen hast oder verschwinde.“

Der Mann der Marine verschränkte die Arme.

„Ich weiß, warum du gerade geflohen bist.“

„Ich bin nicht geflohen, sondern gegangen, bemerke den Unterschied.“

„Nun ja. Trotzdem bist du…“

„Nataku“, unterbrach er den anderen nun mit kalter Stimme, „ich werde mich nicht wiederholen.“

Entschuldigend hob der Vizeadmiral beide Hände.

„Schon gut, schon gut. Aber lass mich doch zumindest erklären. Du weißt, dass Lady Loreen und ich gestern eine Unterhaltung geführt haben?“ Nein, das wusste er allerdings nicht. „Sie und ich warteten für einige Minuten in der gleichen Vorhalle, sie auf den werten Herrn Eizen und ich…“

„Habe ich mich auf Kuraigana nicht deutlich ausgedrückt?“ Dulacre überbrückte die Distanz zum anderen und starrte ihn nieder. „Habe ich dich nicht davor gewarnt, meinem Schützling je wieder zu nahe zu kommen?“

„Beruhige dich, Dulacre. Ob du es glaubst oder nicht, ich bin nicht hier, um mit dir in Konflikt zu treten. Wir mögen nicht auf der gleichen Seite sein, aber ich bin auf Lady Loreens und aus mir unverständlichen Gründen bist du ihr wichtig.“

Es war lächerlich wie besänftigend dieser kleine Halbsatz auf ihn wirkte.

„Nun gut, Nataku, dann sprich.“

Der Vizeadmiral warf einen Blick über die Schulter, als eine Tür zu ihrer Rechten aufging und zwei Soldaten hinaustraten, gefolgt von einigen Damen und Herren in Anzügen.

„Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir dies nicht auf offenen Fluren besprechen?“

Für einen kurzen Moment zögerte Dulacre. Er mochte es überhaupt nicht leiden, wenn Nataku Bedingungen stellte und noch weniger wollte er länger als nötig dessen Anwesenheit ertragen, aber vielleicht lag es an dem Misstrauen, welches soeben in dessen Augen aufgeblitzt war oder an der Art, wie er von Lorenor sprach. Was es auch gewesen war, mit einem Nicken wandte Dulacre sich um und schritt fort vom Vizeadmiral, befahl ihm mit einem Wink zu folgen.

In seinen Gemächern schlug er die Tür hinter Nataku zu und sah ihn kalt an.

„Nun dann, wir sind unter uns.“

Das war wohl offensichtlich. Niemand wagte es einen Samurai zu überwachen und außerdem waren alle, die von irgendeiner Relevanz waren, gerade im Sitzungssaal anwesend, und die einzige andere Person, die zu diesen Räume zutritt hatte, war natürlich Lorenor, dessen Zimmer über eine eingelassene Tür zwischen den Regalen erreicht werden konnte.

Mit einem sachten Nicken verschränkte Nataku die Arme.

„Ich danke dir für dein Entgegenkommen.“

„Lass es mich nicht bereuen.“

„Wann wirst du einsehen, dass deine Drohungen dir nur unnötige Feinde bereiten? Wollte ich mich deinem Zorn aussetzen, wüsste ich schon andere Mittel und Wege.“

Dulacre verschränkte die Arme ebenfalls.

„Das ist mir wohl bekannt, aber genug dergleichen. Du sprachst von einer Unterredung. Was willst du mir mitteilen, dass nicht von fremden Ohren gehört werden darf?“

Erneut nickte der Vizeadmiral.

„Zunächst möchte ich dir sagen, dass ich mein Bestreben Lady Loreen aus deinen Fängen zu befreien nicht weiter verfolgen werde.“

„Nicht, dass es in deiner Macht gestanden hätte“, warf der Samurai mit einem höhnischen Grinsen ein.

Doch tatsächlich überraschte dieses Eingeständnis Dulacre. Der andere klang ganz und gar nicht danach, als würde er es gutheißen – nicht, dass sein Wohlwollen irgendeine Bedeutung für Dulacre hatte – aber dennoch bot er gerade einen Waffenstillstand an. Dulacre wunderte sich immer mehr, was für ein Gespräch Lorenor ihm da verschwiegen hatte.

„Da ich also nicht mehr verhindern kann, dass du einen Teil in Lady Loreens Leben spielen wirst“, sprach der andere zwischen zusammengepressten Zähnen weiter, „bin ich gewillt mit dir zusammenzuarbeiten, um sie vor noch größerem Unheil zu bewahren.“

„Du scheinst meiner Begleitung ja wahrlich verfallen zu sein, Nataku, dass du für nicht mehr als einen Funken Gunst bereit bist über deinen Schatten zu springen. Aber was könnte deiner Meinung nach denn ein noch größeres Unheil für Lady Loreen darstellen als ich?“

Für einen Moment schwieg der andere.

„Rishou Eizen.“

Dulacres Grinsen gefror.

„Ich weiß genau, warum du den Sitzungssaal verlassen hast, Dulacre. Dir muss es auch bewusst sein. Rishou Eizen ist…“

„Ich weiß nicht wovon du da sprichst, Nataku. Ich mag nicht viel von Eizen halten, aber er ist ein hochgeschätzter Politiker, auserwählter Vermittler der Weltaristokraten. Du solltest äußerst vorsichtig sein welches Gedankengut du einem Wachhund der Regierung so leichtsinnig offenbarst.“

„Ach bitte, Dulacre, spar dir dieses Schauspiel für jemanden auf, den es interessiert. Du und ich, wir beide wissen, dass dieser Mann etwas plant was weit über ein bisschen kommunale Politik hinausgeht und auch wenn dir sicherlich die Zukunft der Weltregierung und der Welt schlechthin einerlei ist, so musst du doch sehen, dass Loreen sich derzeit im Auge eines heraufziehenden Orkans befindet.“

Mit ausgestrecktem Arm deutete Nataku in die Richtung, wo der Sitzungssaal lag.

Dulacre war fast schon beeindruckt, dass der Straßenköter seines Vaters die Gefahr bemerkt hatte, die von dem klapprigen, alten Mann ausging und er lag auch richtig: Dulacre interessierte sich kein bisschen für die Zukunft der Weltregierung und die Geschehnisse der Welt kümmerten ihn kaum solange sie so eintönig langweilig waren, aber sobald es Lorenor betraf… nun ja, natürlich würde er dann nicht eine Sekunde zögern.

„Was gedenkst du also zu tun, Nataku? Was ist der Grund deines Auftretens? Was begehrst du von mir?“

Nun machte der Vizeadmiral einen Schritt auf ihn zu.

„Ich will dich warnen, da Lady Loreen meine Warnung nicht hören wollte. Sie mag glauben, dass sie durch die Zusammenarbeit mit Eizen etwas bewegen kann, die Welt zu etwas Besserem verändern kann, aber Eizen will sie für irgendetwas missbrauchen. Ich weiß noch nicht was, aber ich habe die Vermutung, dass es etwas mit der kommenden Weltkonferenz zu tun hat.“

„Selbst, wenn ich dir diesbezüglich zustimmen würde, Nataku, was für eine Handlung schlägst du vor? Gegen eine Tat, die du bisher nicht mehr als ahnst? Ist dir bewusst, dass diese Zweifel allein ausreichend wären, um einen Treuebruch deinerseits vermuten zu lassen?“

„Und wenn ich recht behalte und wir untätig bleiben könnte die Weltordnung, wie wir sie kennen, in Gefahr geraten, das und Lady Loreen, daher baue ich auf deine Unterstützung.“

Dulacre schwieg und beobachtete den anderen aufmerksam. Mit jeder Faser seines Wesens verachtete er diesen Mann, allerdings musste er gestehen, dass er ihn immer noch diesem Eizen vorziehen würde, ihm würde er als Schwertkämpfer wenigstens einen respektablen Tod zugestehen, Eizen konnte ruhig in der Gosse verrotten.

Nataku hatte nicht Unrecht, Dulacre selbst hatte seit jenem Tag, als Lorenor den Vertrag mit dem Politiker unterschrieben hatte, vermutet, dass diese scheinbar unbedeutende Arbeitsbeziehung ungeahnte Auswirkungen mit sich führen würde, aber schon damals hatte er Lorenor nicht von dessen Handeln abbringen können, natürlich hatte Nataku nicht mal den Hauch einer Chance bei Lorenor Gehör zu finden.

„Aber was könnte ich denn schon tun? Ich bin ein Samurai, der Weltregierung treu ergeben“, zitierte er diese ironischen Worte, da kaum einer der Samurai den Titel aufgrund dieses Motives trug. „Außerdem habe selbst ich nur wenig Mitsprache in den Entscheidungen meines Günstlings. Nicht einmal ich könnte die weitere Zusammenarbeit zwischen Rishou Eizen und Lady Loreen verhindern.“

Er konnte sehen, wie seine offenen Worte den anderen überraschten, schon fast schockierten.

„Du stimmst mir also zu“, erfasste der Vizeadmiral zügig und bewahrte seine Contenance, „dir ist auch bewusst, dass Loreen auf Messers Schneide tanzt, gelenkt von Eizens Fäden.“

Er leugnete dies noch nicht mal.

„Noch einmal, Nataku, es gibt nichts was ich diesbezüglich tun könnte, selbst wenn ich dir zustimmen würde.“

„Verbiete es ihr!“ Diese emotionsgetragene Forderung verwunderte ihn. War es nicht erstaunlich, wie sehr dieser Mann Lady Loreen beschützen wollte, wo er doch Lorenors Tod zu verschulden hatte? „Sie ist dein Mündel oder deine Geliebte oder was auch immer. Du hast Einfluss auf sie. Du versorgst und behütest sie. Mit ihrer gebrechlichen Gesundheit müsste dir, dem mächtigen Samurai Falkenauge, doch sicherlich mehr als ein Weg einfallen, um sie von einer weiteren Zusammenarbeit mit Eizen abzuhalten!“

„Legst du mir gerade nahe etwas Unrechtes zu tun?“

„Oh bitte, komm von deinem hohen Ross hinunter, Pirat. Ich sage nicht, dass du ihr etwas antun sollst, aber egal was du tust, alles wäre besser als sie diesem Eizen weiterhin auszuliefern. Wie gesagt, sie ist von dir abhängig, also verbiete es ihr! Wenn du ihr keine Wahl lässt, wird sie sich schon fügen.“

Du bist gestört, Dulacre. Du denkst, dass du jemanden liebst, aber in Wahrheit willst du diese Person beherrschen, kontrollieren, besitzen.

„Liebe ist schon ein beängstigendes Gefühl, nicht wahr, Nataku?“

„Was?“ Verstört sah der andere ihn an, doch Dulacre lächelte leise während er durch den Raum schritt und sich auf einem Sofa niederließ.

„Eine unglaublich vereinnahmende Emotion und so unberechenbar. Wie viel Gutes man schwört aus Liebe zu tun und wie viele Kriege wegen ihr ausgefochten wurden.“

„Worauf willst du hinaus, Dulacre?“

„Du misst mir zu viel zu, Nataku. Die Macht, die du von mir einzusetzen forderst, besitze ich nicht.“

Der Ältere folgte ihm durch den Raum, blieb jedoch stehen.

„Was meinst du damit? Du bist doch sonst niemand, der sich in Bescheidenheit übt.“

„Ich bin nicht bescheiden, ganz im Gegenteil. Aber was du von mir verlangst kann ich nicht umsetzen, selbst wenn ich es wollte. Ich mag bitten, fragen und empfehlen, ich mag meine Meinung mitteilen und die anderer kritisieren, aber es gibt kein Verbot, keinen Zwang und erst recht keine Gewalt, mit der ich meinen Schützling meinem Willen unterwerfen könnte.“

Kopfschüttelnd lachte Nataku entgeistert auf.

„Was redest du da? Loreen mag eine beeindruckende Frau sein, aber sie ist nur ein schwaches Mädchen im Vergleich zu dir. Du könntest sie in einen Turm kettet und sie würde nie wieder das Tageslicht sehen, also speis mich nicht mit deinen Ausreden ab.“

Es war fast wie in einen Spiegel zu sehen, der einem die Vergangenheit zeigte, fand Dulacre. Er kannte all diese verzweifelten Argumente, all die guten Absichten, die versuchten großes Unheil durch kleine Übel zu verhindern, aber Nataku wusste letztendlich nicht, wer Lorenor wirklich war. Er würde nie sehen, was Dulacre sah.

„Du hast nicht Unrecht, Nataku, und glaube mir, dies zuzugeben schmerzt mich mehr als ich in Worte fassen kann. Ich stimme mit deinen Sorgen überein und würde lieber gestern als morgen dieses leidige Arbeitsverhältnis als beendet wissen, aber die Entscheidung darüber liegt nun mal nicht in meiner Hand.“

„Aber…“

„Um das zu erreichen, um meinen und deinen Willen durchzusetzen, würde mir nichts anderes übrigbleiben, als den Willen meiner Begleitung zu brechen, so wie du es vorschlägst und wenn ich nun ausnahmsweise ganz ehrlich mit dir sein würde, würde ich dir gestehen, dass ich mit dieser Überlegung in den letzten Monaten schon öfter gespielt habe als mir lieb ist. Aber was du nicht weißt, nicht wissen kannst, ist die einfache Tatsache, dass meine Willensstärke dazu nicht ausreichend ist.“

Dulacre erhob sich wieder und sah den anderen ruhig an.

„Ich kann diesen Willen nicht brechen; den Körper, natürlich, Fesseln wären wohl eine Möglichkeit oder jegliche andere Idee, die du hast. Aber all dies würde nicht zur Folge haben, dass Lady Loreen sich meinem Willen beugen und aufhören würde mit Eizen zu arbeiten. All dies hätte nur zur Folge, dass ich zu dem Monster werden würde, welches du in mir siehst.“

Er schritt zu Tür hinüber.

„Auch wenn es dich enttäuschen mag, ich kann die Entscheidungen meines Schützlings nicht kontrollieren, diesen Willen weder brechen noch beherrschen, also gibt es nichts was ich tun könnte.“

Nataku schluckte schwer und wandte den Blick ab, offensichtlich bemüht Fassung zu bewahren.

„Du enttäuschst mich Dulacre, du bist wahrlich nicht der Mann, der du vorgibst zu sein.“

„Sollte dies ein Kompliment sein, so ist es fruchtlos. Dein Lob ist mir gleich.“

Der Ältere schritt erneut zu ihm herüber.

„Das heißt, das war es nun? Du wirst untätig danebenstehen, während Loreen in ihr eigenes Verderben rennt und uns alle mit sich nimmt?“

„Das habe ich nicht gesagt. Du kannst dir sicher sein, dass ich alles in meiner Macht tun werde, um dieses Kind vor jeglichem Leid zu bewahren, ganz gleich der Konsequenzen.“

Nataku nickte nun etwas resoluter.

„Das bedeutet, dass wir zumindest diesbezüglich weiterhin auf der gleichen Seite stehen und ich mich auf deine Unterstützung verlassen kann?“

Dulacre lachte leise auf.

„Wir sind keine Verbündete in einem Krieg, Nataku. Ich habe dir meinen Standpunkt deutlich zu verstehen gegeben und wenn er sich in Bereichen mit deinen Überzeugungen decken sollte, dann ist es so, aber mehr ist es auch nicht.“

„Tze, unverbesserlich.“ Der Vizeadmiral schritt zur Türe.

„Nataku, beantworte mir noch, warum du dich entschieden hast dein Bestreben Lady Loreen aus meinen Fängen zu reißen aufgegeben hast.“

Die Klinke schon am Runterdrücken stutzte der andere auf und sah ihn an, doch sein Blick war so anders als zuvor. Es fehlte die Härte und der Hader aus dem vorherigen Gespräch. Für eine Sekunde fühlte sich Dulacre wieder wie der zwölfjährige Junge von damals und dann glitt auch noch dieses unscheinbare Lächeln über Natakus Gesicht.

Hallo Dulacre, deine große Schwester hat mich schon viel von dir erzählt. Ich heiße Nataku, freut mich dich kennenzulernen.

„Du bist wirklich noch ein Kind, Dulacre, trotz all deinen Jahren an Lebenserfahrung.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß, wann ich mich geschlagen gegeben muss, in Ordnung? Wie du schon ganz recht gesagt hast, Lady Loreen hat einen starken Willen und du kannst ihr ruhig etwas mehr Vertrauen schenken. Zumindest in diesem einen Punkt kannst du dir ihrer Gunst sicher sein.“

„In welchem Punkt?“, hakte Dulacre fast schon verwirrt nach als der Ältere nach draußen ging.

„Sie hat dich gewählt, du Dummkopf“, sprach Nataku und sah ihn über die Schulter hinweg an, „und sie scheint nicht zu den Menschen gehören, die ihre Entscheidungen revidieren.“

Kapitel 47 - Erkenntnis

Kapitel 47 – Erkenntnis

 

-Zorro-

Endlich war es vorbei.

Nachdem der Samurai die Versammlung fluchtartig verlassen hatte und Eizen dafür gesorgt hatte, dass Zorro nicht einfach folgen konnte – was er tatsächlich ernsthaft in Erwägung gezogen hatte – hatte die Sitzung noch gut über eine Stunde gedauert und mittlerweile waren seine Füße taub.

Während Frau Rihaku zügig ihre Unterlagen zusammenpackte hatte Eizen ihn in ein Gespräch mit Großadmiral Sakazuki verwickelt und bemühte sich sichtlich es am Laufen zu halten, doch Zorro bot ihm dabei keinerlei Unterstützung an.

Dieser Mann hatte Ace getötet und wenn die Umstände anders wären, dann würde Zorro ihm nun eine Klinge an die Kehle drücken, wohl wissend, dass er ihn wahrscheinlich nicht besiegen konnte.

Mit jedem Wort, das der Mann im roten Anzug sprach, wuchs in ihm der Wunsch diese Unterhaltung zu beenden. Allein wenn er an das Leid dachte, was Ruffy wegen diesem Kerl hatte erleiden müssen, so wurde es ihm beinahe unmöglich ihm nicht direkt anzugreifen, geschweige denn auch noch zu lächeln. Er hielt nicht viel von Rache, aber gerade reizte der Gedanke ihn doch sehr.

Als er es nicht mehr aushielt entschuldigte er sich aus dem Gespräch – ganz zum Missfallen seines Schirmherrn, wie er merkte – und versuchte ohne weitere Zwischenfälle die Türe zu erreichen, Eizens Augen stetig in seinem Rücken. Er wusste, dass der Politiker nicht gutheißen würde, dass er einfach ging, aber Zorro war das egal. Viel zu viele Tage hatte er nun schon hier verschwendet. Außerdem hatte er die Rede abgeliefert, wie Eizen es von ihm verlangt hatte, jetzt hatte Zorro seinen Feierabend verdient, und viel wichtiger noch, seinen wohlverdienten Schlaf, damit er bald wieder mit dem Training weitermachen konnte.

Gerade als er die schwere Doppeltüre hinter sich zu ziehen wollte kam es wie es bei seinem verdammten Glück ja kommen musste, ein großgewachsener älterer Mann in Marineuniform hielt das Türblatt fest.

„Lady Loreen?“, entkam es dem Soldaten als er hinter Zorro in den Flur eilte und die Tür schloss. „Hätten Sie wohl einen Moment?“

Genervt blieb Zorro stehen und sah den Fremden an, der sich zügig vor ihm verbeugte. Er brauchte eine schnelle Ausrede, denn er hatte nicht die geringste Lust sich mit diesem Typen zu unterhalten.

Doch dann richtete sich der Soldat auf und Zorro wusste wer er war.

„Es tut mir leid, dass ich Sie aufhalte, aber ich wollte die Chance nicht verstreichen lassen endlich mit Ihnen zu sprechen. Mein Name ist…“

„Mihawk Gat“, entkam es Zorro überrascht, ehe er sich fing, „die Ähnlichkeit mit Ihrem Sohn ist unverkennbar.“

Ein Lächeln glitt dem Soldaten übers Gesicht und er verneigte sich erneut.

„Ich freue mich Sie endlich kennen zu lernen, Lady Loreen.“

Dann erst machte es bei Zorro wirklich klick. In bester Lady Loreen Manier verbeugte er sich und lächelte höflich.

„Die Freude ist ganz meinerseits.“

„Hätten Sie etwas dagegen mir ein paar Minuten Ihrer wertvollen Zeit zu opfern?“

Die Entscheidung dafür war schnell getroffen. Hier länger rumstehen kam für Zorro nicht in Frage, da Eizen jederzeit hinterherkommen konnte und auf den hatte Zorro gerade so überhaupt keine Lust. Dulacre auf der anderen Seite schmollte wohl in seinem Zimmer und würde da auch noch schmollen, wenn Zorro zurückkommen würde, wobei er sich dann vielleicht zumindest etwas beruhigt hätte.

„Solange wir nicht im… zugigen Flur reden, gerne“, antwortete Zorro so galant, dass Kanan sich freuen würde und stolz darüber eine gute Ausrede gefunden zu haben.

„Natürlich, natürlich. Wenn Sie wollen, könnte ich meine Unterkunft anbieten oder wenn Ihnen Ihre Gemächer lieber wären…?“

Erneut verbeugte Mihawk Senior sich leicht und Zorro fragte sich, ob dieses Gespräch aus andauerndem Kopfgenicke bestehen würde.

„Ich richte mich da nach Ihnen.“

Erneut nickend ging der alte Mann los und Zorro beeilte sich mit seinen langen Gräten Schritt zu halten. Er schien fast so groß wie Dulacre, aber er schritt weniger elegant und mehr wie ein altgedienter Veteran, nur das sanfte Lächeln war fehl am Platz sowohl für einen Soldaten als auch für diesen Ort.

„Dann würde ich doch mein Zimmer vorschlagen.“

Schweigend gingen sie nebeneinander her und er betrachtete den Soldaten von der Seite. Die Ähnlichkeit der Gesichtszüge zum Samurai war unverkennbar, auch das schüttere Haar unter der Marinekappe schien einst schwarz gewesen zu sein. Er war deutlich schmächtiger als Dulacre und wirkte eher schlaksig als leichtfüßig. In keinster Weise konnte er mit der Ausstrahlung des Samurais mithalten; er war weder auffällig noch irgendwie besonders. Falls er je ein beeindruckender Kämpfer gewesen war, so hatte er diese Zeit schon lange hinter sich gelassen.

Nein, bis auf die Gesichtszüge ähnelten diese beiden einander überhaupt nicht, wobei auch dieses verdammte Lächeln Zorro vertrauter war als er sich eingestehen wollte. Der Samurai sah ihn manchmal so an, insbesondere wenn der Mistkerl dachte, dass Zorro es nicht bemerken würde.

Irgendwann hatten sie das Zimmer des Soldaten erreicht, es war deutlich schlichter und kleiner als Zorros – alleine schon, weil es nur ein Zimmer war und nicht so wie Zorros aus mehreren Räumen bestand – doch Zorro gefiel das viel besser als der Prunk, in dem man ihn immer bettete.

Der Soldat bot ihm einen Platz an, ein Getränk lehnte Zorro jedoch ab.

„Also, worüber wollten Sie mit mir sprechen?“, fragte Zorro und widerstand dem Verlangen sich die Schuhe auszutreten, auch das unangenehme Ziepen seines BHs ignorierte er, ein paar Minuten würde er es wohl noch aushalten.

Für einen Moment schwand das Lächeln und der alte Mann wich Zorros Blick aus. Er wirkte kränklich, seine Haut war nicht so blass wie Dulacres, aber hatte dafür einen Gelbstich.

„Ich wollte Sie unbedingt kennen lernen.“ Erneut verneigte der Mann sich im Sitzen und langsam wurde das echt nervig. „Und ich wollte mich bei Ihnen bedanken.“

Einen Moment zögerte Zorro. Er hatte gedacht, dass es eine kluge Idee sein würde, eher mit diesem Mann mitzugehen, als die Gefahr einzugehen von Eizen eingeholt zu werden, aber gerade fragte er sich, wo dieses Gespräch hinführen würde und ob er es überhaupt führen wollte.

„Okay“, murmelte er nach einer Sekunde und wusste sehr wohl, dass eine Lady Loreen nicht so reagieren sollte, aber der Tag war lang gewesen und seine Füße taten ihm weh und er hatte überhaupt keinen Bock mehr sich verstellen zu müssen.

Mihawk Gat lachte leicht verlegen und rieb sich seinen Nacken.

„Es tut mir leid, falls ich Sie überrumple. Sie hatten mit Sicherheit einen anstrengenden Tag.“

„Nein, nein, es ist schon in Ordnung. Ich hätte Dulacre damals gerne begleitet, als er Sie auf der G2 besuchte, allerdings wollte ich mich in Ihrer Familienangelegenheit nicht aufdrängen.“ Es war nicht ganz die Wahrheit, aber im Nachhinein betrachtet, hätte Zorro sich einiges an Stress erspart, wenn der Samurai wohl nicht allein den alten Mann besucht hätte, um Fragen zu stellen.

Dieser sah ihn mit großen Augen an, ehe er wieder lächelte.

„Sie haben ihn dazu überredet, nicht wahr? Ohne Ihr dazutun hätte Dulacre mich nicht besucht.“

Zorro zuckte mit den Achseln.

„Ich hab nur meine Meinung gesagt, alles andere hat Dulacre selbst entschieden.“

Mihawk Gat schüttelte den Kopf.

„Oh nein, Sie unterschätzen Ihren Einfluss. Mein Sohn hält nicht viel von den Meinungen anderer. Allein, dass er Ihnen Gehör schenkt ist schon außergewöhnlich.“

„Herr Mihawk, warum wollten Sie mit mir sprechen? Ich hoffe doch Sie versuchen nicht über mich irgendwie Ihren Sohn zu beeinflussen.“

„Oh nein.“ Abwehrend hob der andere beide Hände. „Bitte denken Sie nicht so von mir. Mir ist bewusst, dass mein Verhältnis zu Dulacre wohl nicht mehr zu retten ist. Allerdings ist er immer noch mein Kind und als Vater würde ich mir wünschen, dass er glücklich ist. Ich habe doch nur ein paar Fragen an ihn, aber er wird mir nicht antworten.“

Zorro beobachtete den alten Mann nachdenklich.

„Das heißt Sie wollen jetzt, dass ich Ihnen hinter seinem Rücken Fragen beantworte, da Dulacre mit Ihnen nicht reden möchte und sich wünscht, dass ich das auch nicht tue?“

Mihawk Gat wich seinem Blick aus.

„Wenn Sie es so aussprechen, klingt es alles andere als edel, fast schon hinterlistig, aber…“

„Das ist mir gleich.“ Mit großen Augen sah der andere ihn schnell an als Zorro erneut mit den Schultern zuckte. „Wenn Dulacre nicht mit Ihnen reden möchte, ist das seine Entscheidung, ich hingegen fälle die meinen selbst und ich habe kein Problem mit Ihnen zu sprechen.“

Der Soldat schluckte und lehnte sich leicht nach vorne.

„Ich bin Ihnen sehr dankbar, Lady Loreen, aber gleichsam erfüllen mich Ihre Worte mit Sorge. Mein Sohn wird Ihr Handeln nicht gutheißen.“

Es kostete Zorro alle Mühe nicht verächtlich aufzuschnauben oder mit den Augen zu rollen.

„Dann soll er es nicht gutheißen“, entgegnete er kühl. „Herr Mihawk, Dulacre ist mein Freund und mein Lehrmeister, aber er ist nicht mein Herr und Meister. Weder brauche ich seine Erlaubnis noch seine Gutheißung für mein Handeln. Hätte ich dieses Gespräch nicht führen wollen, wäre ich nicht mit Ihnen mitgekommen.“

Nun lächelte Mihawk Senior wieder verlegen, legte seine Kappe zur Seite und kratzte sich am Hinterkopf.

„Sie erstaunen mich, Lady Loreen.  Ich habe von Ihrer beeindruckenden Persönlichkeit gehört, aber man lobte Sie eher für Ihr sanftes Gemüt als für einen starken Kämpferwillen.“

Jetzt war es Zorro, der ein Grinsen nicht verhindern konnte. Das noch mehr wuchs als der andere ihn plötzlich ansah und seine Hand sinken ließ.

„Es… es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich dachte nur…“

„Machen Sie sich keine Gedanken“, beruhigte Zorro ihn mit einem leisen Lachen. „Ich denke Sie verstehen, dass Sanftmut bei Dulacre nicht unbedingt ausreicht.“

Der alte Mann nickte deutlich.

„Sie scheinen ihn zu nehmen zu wissen, das beruhigt mich.“ Er faltete seine Hände zwischen seinen Knien. „Dürfte ich Ihnen dann meine Fragen stellen?“

Zorro lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

„Nur unter einer Bedingung.“ Mihawk Senior hob eine Augenbraue an. „Ich möchte, dass Sie mir sagen, was Sie über Lorenor Zorro wissen und was Sie davon Dulacre erzählt haben?“

Der Soldat neigte den Kopf und setzte sich wieder aufrechter hin.

„Ich habe meinem Sohn gesagt, dass er dieses Wissen nicht an sich nehmen solle und es für die Welt besser wäre, wenn Lorenor Zorro in Vergessenheit geraten würde. Warum also stellen Sie mir ausgerechnet diese Bedingung?“

Ohne den vergilbten Augen des alten Mannes auszuweichen lächelte Zorro und überlegte für einen Moment, was wohl passieren würde, wenn dieser Mann die Wahrheit wüsste. Aber natürlich würde er diese Gefahr nicht eingehen. Er vertraute Mihawk Senior nicht im Mindesten. Irgendein Marinesoldat, der Zorro über den eigenen Sohn ausfragen wollte, weil er sich nicht traute mit ihm selbst zu sprechen.

„Ich wünschte ich müsste es nicht“, gestand er ehrlich ein, „und ich wünschte Dulacre hätte Sie nicht gefragt und Sie hätten ihm nicht diese kryptischen Antworten gegeben. Aber die Vergangenheit kann man nicht ändern und Hader bringt einen nicht weiter.“

„Sie geben mir also die Schuld?“

„Mir geht es hier nicht um Schuldzuweisungen, Herr Mihawk. Aber ich möchte nicht, dass Dulacre sich in irgendeine prekäre Situation begibt, erst recht nicht wegen mir, daher möchte ich über alles Bescheid wissen, das ihn möglicherweise gefährden könnte, verstehen Sie?“

„Lady Loreen“, schnappte der Soldat nach Luft, „das hört sich ja beinahe so an, als würden Sie Dulacre beschützen wollen? Ist Ihnen bewusst in was für eine Gefahr Sie sich begeben könnten?“

Zorros Grinsen wuchs.

„Sie sollten mich nicht unterschützen, Herr Mihawk. Sie wären nicht der erste, der das bereut.“

Mihawk Gat sah nun noch fassungsloser aus, doch nach einem Moment atmete er tief durch und nickte.

„Eigentlich sollte es mich nicht überraschen, dass Sie mit allen Wassern gewaschen sind, Lady Loreen. Sonst würden Sie es wohl kaum mit Dulacre aushalten können. Stille Wasser sind ja bekanntlich tief.“

 Erneut wuschelte der alte Mann sich durch sein Haar und nickte ein paar Mal.

„Nun gut, ich werde auf Ihre Bedingung eingehen, aber nur unter einem weiteren Vorbehalt.“ Zorro hob nur eine Augenbraue an und entgegnete nichts. „Das Wissen, um das Sie mich ersuchen, könnte Ihren Untergang bedeuten. Daher bitte ich Sie, was auch immer ich Ihnen heute Abend erzähle, Dulacre darf es nie erfahren. Als begnadigter Pirat lebt er bereits auf Messers Schneide und ich werde nichts tun, was das Leben meines letzten Familienmitgliedes auch nur irgendwie gefährden könnte. Sie müssen es versprechen, Sie müssen es schwören!“

Zorro beobachtete den anderen aufmerksam, fragte sich, ob diese Sorge ernstgemeint war, ob ein Vater, der seinen Sohn über Jahre nicht gesehen und in dessen Kindheit zurückgelassen hatte, wirklich so fühlen konnte, doch eigentlich waren ihm die Beweggründe des alten Mannes egal.

„Sie müssen Dulacre außen vorlassen! Ich bin Ihnen wirklich dankbar, was Sie für Dulacre getan haben und dass Sie ihn beschützen wollen. Aber Sie müssen auch mich verstehen. Wenn ich zwischen Ihnen und meinem Sohn wählen muss, werde ich ihn ganz gewiss nicht opfern.“

Mit einem halben Lächeln neigte Zorro den Kopf zur Seite.

„Sie können ganz beruhigt sein, Herr Mihawk. Ich hatte nicht vor Dulacre mit einzubeziehen und wenn es Ihnen so wichtig ist, gebe ich Ihnen auch mein Wort darauf.“

Laut aufatmend nickte der Soldat.

„Gut, nun da wir das geklärt hätten. Was wollen Sie wissen?“

 

-Mihawk-

Damit leerte er sein bereits viertes Weinglas.

Er wusste, dass er nicht so viel auf leeren Magen trinken sollte, erst recht nicht da er nicht wusste, wie Lorenor auf ihn zu sprechen war.

Vermutlich war der Jüngere wütend darüber, dass Dulacre einfach gegangen war, auf der anderen Seite war Dulacre auch nicht gerade glücklich über die Ereignisse.

Lorenor hatte ihm wieder einmal etwas vorenthalten, hatte ihm willentlich nicht mitgeteilt, dass er die Weltkonferenz in anderthalb Jahren an Eizens Seite moderieren würde.

Er konnte ja seine eigenen Entscheidungen treffen, aber dass er Dulacre noch nicht mal seine Entscheidung mitteilte; ihm noch nicht mal die Chance gab, seine eigene Meinung dazu zu äußern. Lorenor musste sich bewusst sein, dass Dulacre das nicht einfach lächelnd hinnehmen würde.

Auch wenn er jetzt daran nichts mehr ändern konnte. Es war ganz so, wie er es Nataku gesagt hatte. Es lag nicht in seiner Macht Lorenor aus Eizens Fängen zu befreien, solange Lorenor es nicht auch wollte.

Er war überzeugt, dass Lorenor nicht wegen der Alimente die Zusammenarbeit fortführte – Geld und materielle Werte waren Lorenor nicht gerade wichtig – und daher vermutete er, dass Eizen etwas gegen Lorenor in der Hand hatte, doch er war sich nicht sicher was dies sein konnte.

Das einzige was über Lady Loreens Privatleben bekannt war, gehörte zu Dulacres direkten Umfeld und das schützte selbstredend sein Titel. Eizen war auch nicht mächtig genug, um eben jenen zu gefährden und selbst wenn, so hatte Dulacre doch zumindest noch seinen Ruf, der die Inseln im Zweifel vor großem Unheil bewahren würde, und Jiroushin gab es ja auch noch.

Ansonsten zählten für Lorenor nur noch seine Freunde, aber das konnte Eizen natürlich nicht wissen. Es gab keine Verbindung zwischen Lorenor Zorro und Lady Loreen, daher…

Dulacre betrachtete sein Glas.

Nein, sein Gedankengang hier war unvollständig. Es gab ein paar Verbindungen, die er nicht außer Acht lassen sollte. Die eine war er selbst, aber nur Jiroushin und Nataku – weil Jiroushin dem anderen gegenüber nicht hatte den Mund halten können – wussten von Dulacres Interesse an dem Jüngeren. Selbst Shanks hatte er damals nicht erklärt, warum genau er ihm den Steckbrief vom Strohhut gebracht hatte, dass er erhofft hatte über den Trunkenbold an Informationen bezüglich Lorenor heranzukommen.

Dann war Lady Loreen nur wenige Tage nach Lorenor Zorros Tod in der Öffentlichkeit aufgetaucht, aber diese wenigen Tage reichten nicht ansatzweise aus, für die Distanz die Lorenor hätte zurücklegen müssen. Außerdem hatten beide Gestalten bis auf Haar- und Augenfarbe kaum Ähnlichkeiten und Lady Loreen wirkte auch Jahre jünger als Lorenor Zorro. Natürlich, die gerade Nase, die dünnen Lippen und der scharfe Blick waren Indizien, aber die Wangenstruktur, die Hautfarbe, die Gesichtsform, der Körperbau, noch nicht mal für Geschwister würde man sie halten.

Die letzte mögliche Verbindung war wohl die Gefährlichste, und zwar der Tag, an dem Lorenor seine Crew wiedergesehen hatte. Zwar waren sie beide vermummt gewesen, aber trotzdem hatten sie sich mehreren Soldaten stellen müssen und es war nicht unmöglich, dass jemand Dulacre erkannt und eins und eins zusammengezählt hatte, um herauszufinden, dass die kleine Gestalt an seiner Seite niemand anderes als Lady Loreen gewesen war.

Doch selbst wenn, war dies genug, um herauszufinden, dass Lady Loreen eine enge Verbindung zu den Strohhüten hatte?

Sicherlich reichte es nicht aus, um zu wissen, dass Lady Loreen und Lorenor Zorro ein und dieselbe Person waren. Außerdem waren die Strohhüte nur wenige Tage später vernichtend geschlagen worden und die Welt wusste nicht, dass die Piraten vorhatten sich in einigen Monaten wieder zu vereinigen.

Nein, wenn er alle Umstände miteinbezog war es einfach zu unwahrscheinlich, dass Eizen die Wahrheit kannte und Lorenor damit unter Druck setzen konnte.

Aber was war, wenn Dulacre nicht sämtliche Umstände kannte?

Es klopfte an seiner Türe.

Er vermutete, dass es nicht Lorenor war, denn dieser würde die eingelassene Tür zwischen den beiden Zimmern nutzen, und Dulacre wusste nicht, ob dessen Laune gut genug wäre, um sich an Höflichkeitsregeln zu halten.

Im Flur wartete Frau Rihaku auf ihn, wie immer wirkte sie äußerst elegant in ihrem tadellos sitzenden Hosenanzug und den langen glatten Haaren. Ihre tiefe Verbeugung zeugte von Respekt, aber ihr Lächeln und ihre mandelförmigen Augen zeigten kaum Emotionen und wirkten fast schon übermenschlich.

„Guten Abend, Herr Mihawk“, sprach sie mit ihrer gelassenen, unerschütterlichen Stimme, „wissen Sie zufällig wo Lady Loreen ist? Sie zog sich nach Beendigung der Sitzung relativ zügig zurück und antwortet nicht. Ich beginne mir Sorgen zu machen und Herr Eizen wollte noch mit ihr sprechen.“

Lorenor war also doch schon wieder zurückgekommen.

„Es tut mir leid, aber ich habe mit Lady Loreen noch nicht gesprochen“, erklärte er höflich. „Allerdings schien es mir als wäre meine Begleitung heute Morgen sehr erschöpft gewesen. Wären Sie so freundlich Herr Eizen auszurichten, dass Lady Loreen ihm erst morgen wieder zur Verfügung stehen kann? Ich werde derweil das Nachbarzimmer überprüfen.“

Zum ersten Mal wirkte Frau Rihaku vital als sie beflissen nickte und sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.

„Oh natürlich. Mir ist bewusst, dass Lady Loreen auf ihre fragile Gesundheit Acht geben muss. Ich bin ganz beeindruckt wie viel diese junge Dame stemmen kann. Bitte sagen Sie ihr, dass sie sich keine Gedanken machen braucht. Die Besprechung kann natürlich bis morgen warten.“ Sie verneigte sich tief. „Und wenn ich anderweitig behilflich sein kann, lassen Sie es mich bitte wissen.“

Nach einer höflichen Verabschiedung eilte Frau Rihaku ihres Weges, doch Dulacre sah ihr noch einen Moment hinterher. Alle paar Jahre war sie ihm über den Weg gelaufen und stets hatte sie wie ein übermenschliches Wesen aus einer anderen Welt gewirkt, jede Bewegung grazil und fließend, jedes Wort getragen und poetisch, jeder Blick überlegen und feierlich, gerade jedoch hatte sie für einen Moment gesprochen und gehandelt wie ein ganz normaler Mensch.

Ob es an Lorenor – Lady Loreen – lag?

Kopfschüttelnd ging Dulacre wieder hinein und entschied, dass diese Frage seiner Zeit nicht wert war, während er am Nachbarzimmer anklopfte.

Wie zu erwarten kam keine Antwort, also verschaffte er sich Zutritt.

Das Aufenthaltszimmer lag verlassen dar. Nichts zeugte von Lorenors Anwesenheit, insbesondere da er - um den Schein Lady Loreens zu wahren - dieses Zimmer in bester Ordnung hielt, ganz anders als sein Heim auf Kuraigana.

Auch das Schlafzimmer war dunkel, doch von dort konnte er den feinen Schimmer von Licht sehen, der aus dem Badezimmer zu kommen schien.

Seufzend klopfte Dulacre an. Aus welchem Grund auch immer schien Lorenor sich gerne im Badezimmer aufzuhalten, gerade wenn er Leuten aus dem Weg gehen wollte.

Er erhielt keine Antwort, also entschied er einfach einzutreten.

Das Bad war verhangen von warmen Nebelschwaden, der beschlagene Spiegel klärte sich nun langsam und der schwere Dampf in der Luft ließ die Klamotten klamm werden.

Lorenor sah noch nicht mal auf, als er hineinkam. Er hockte fast direkt hinter der Tür auf dem Boden, ein Handtuch auf den nackten Knien, als hätte ihm beim Abtrocknen einfach die Kraft verlassen.

Errötend wandte Dulacre den Blick ab.

„Du solltest dich an so einem Ort nicht in diese Gestalt verwandeln. Was, wenn dich jemand sehen würde?“

Lorenor sah ihn immer noch nicht an.

„Warum meinst du bin ich im Bad?“, entgegnete er trocken. „Keiner würde sich einfach reintrauen und Gefahr laufen die ehrenwerte Lady Loreen in Verlegenheit zu bringen. Selbst du lässt mich hier eigentlich in Ruhe.“

War das ein Vorwurf? Dulacre entschied das zu ignorieren und lehnte sich gegen die Wand neben der Tür; bereits jetzt war sein Hemd feucht und schwer. Warum musste Lorenor sich nur immer ins Bad zurückziehen, wenn er keine Gespräche führen wollte?

„Frau Rihaku hatte nach dir gesucht, daher wollte ich sichergehen, dass du wieder da bist. Nicht, dass dich irgendein Weltaristokrat entführt hätte“, erklärte er mit einem schiefen Grinsen, wobei dies tatsächlich immer wieder seine Befürchtung war.

Der Jüngere stöhnte laut auf und stieß seinen Kopf leicht gegen die Wand hinter sich. „Ich hab so keinen Bock mehr darauf, mich immer verstellen zu müssen. Ich will hier endlich weg“, murrte er ungewohnt wehleidig.

Dulacre rollte mit den Augen und beobachtete wie der Spiegel immer mehr vom Raum wiedergab.

„Nun ja, du bist selbst schuld, oder nicht? Und du wusstest, dass ich das sagen würde, sonst hättest du mir nicht verschwiegen, dass du vorhast die Weltkonferenz zu moderieren.“

„Das ist genau der Grund warum ich’s dir nicht gesagt hab“, klagte der Jüngere und schloss die Augen. „Mir war klar, dass du jedes Mal eine Szene machen würdest, wenn ich die Rede üben würde. Deshalb hab ich nichts gesagt. Du machst immer so ein Drama um alles.“

„Sagt der, der sich gerade im Badezimmer verkriecht“, murrte er zurück. „Du hättest mich trotzdem vorwarnen können oder mir zumindest die Möglichkeit geben können meine Meinung dazu zu äußern.“

Für einen kurzen Moment sah Lorenor zu ihm hinüber, ohne etwas zu erwidern, einen unlesbaren Ausdruck auf dem Gesicht. Dann seufzte er leise.

„Ich wusste was deine Meinung dazu sein würde“, murrte der Jüngere kühl, „ich wusste, dass du’s scheiße finden würdest und versuchen würdest es mir auszureden. Aber ja, es tut mir leid.“

Hatte Dulacre sich gerade verhört? Hatte Lorenor sich gerade wirklich entschuldigt?

„Du solltest dir etwas anziehen, du erkältest dich noch.“

„Keine Lust“, entgegnete Lorenor schlicht und bewegte sich nicht.

Langsam ließ Dulacre sich auch auf den Boden gleiten, sah Lorenor über seine Knie hinweg an.

„Wenn ich ehrlich bin ärger ich mich fast weniger darüber, dass du einfach so wieder irgendetwas entschieden hast, ohne mit mir darüber zu sprechen“, sprach er, obwohl es eine kleine Lüge war, „sondern viel mehr, dass du dieses Wagnis eingegangen bist. Du weißt, dass du zum Zeitpunkt der Weltkonferenz vermutlich schon wieder mit deiner Crew zusammen unterwegs sein wirst?“

Lorenor zuckte als Antwort nur mit den Schultern.

„Wie also hast du vor das umzusetzen? Ich gehe nicht davon aus, dass du deine Meinung geändert hast und deine Crew einweihen wirst.“

Der Jüngere schwieg für einen Moment.

„Darum kümmer ich mich, wenn es soweit ist“, antwortete er dann und zuckte erneut mit den Schultern.

„Aber Lorenor, du…“

„Ich hab übrigens deinen Vater getroffen.“

„Was?“

Es war offensichtlich, dass Lorenor das Thema wechseln wollte und in Gottes Namen, war er gut darin.

„Ja, ich war bei ihm im Zimmer und wir haben uns unterhalten.“

„Lorenor!“

Dulacre war drauf und dran auf Knien auf den anderen zuzurobben, als Lorenor abwinkte.

„Jetzt stell dich nicht so an. Warum machst du immer so einen Aufstand darum, wenn ich mit Leuten spreche, die du nicht abkannst?“

„Weil ich weiß, wie gefährlich sie sein können. Außerdem verrätst du mir die Hälfte ja nie oder hattest du mir vor zu sagen, dass du mit Nataku gesprochen hast?“

 „Wovon redest du?“, meinte Lorenor grob und legte die Stirn in Falten.

„Na, erst verrätst du mir nicht, was du mit Eizen abgesprochen hast, dann verschweigst du mir, dass du gestern mit Nataku ein Gespräch geführt hast, und dann heute mit meinem Vater. Willst du dich gegen mich verschwören?“

Nun kippte Lorenors Kopf leicht zur Seite und er sah Dulacre fassungslos an.

„Sag mal, hast du sie noch alle?“, knurrte er und warf – aus welchem gottlosen Grund auch immer – sein Handtuch zur Seite. „Glaubst du wirklich, dass ich mit irgendwelchen dahergelaufenen Typen gemeinsame Sache machen würde? Vertraust du mir überhaupt nicht, oder was?“

Dulacre wich beinahe zurück, wäre da nicht die Wand hinter seinem Rücken.

„Wir hatten kein Gespräch oder was auch immer du dir da ausmalst. Wir haben im gleichen Flur gewartet und er meinte dann mich blöd von der Seite anquatschen zu müssen. Glaubst du wirklich, ich hätte auch nur das kleinste Interesse daran, mich mit diesem Mistkerl Homura länger unterhalten zu müssen als nötig? Ich will ihm die Visage polieren und das war’s dann aber auch schon.“

Aufschnaubend verschränkte Lorenor die Arme.

„Manchmal bist du so nervig, Dulacre.“ Er sah auf, als der Jüngere ihn so anging. „Sobald irgendwer, den du nicht leiden kannst auftaucht, wirst du mega misstrauisch. Ich dachte immer, dass du mir einfach überhaupt nichts zutraust und deswegen immer so einen Aufstand machst. Aber das ist es nicht, oder?“

Warum fiel es Dulacre gerade so schwer Lorenors Blick standzuhalten?

Erneut schnaubte Lorenor auf und richtete sich schließlich auf. Jetzt wandte Dulacre bewusst den Blick ab, während der Jüngere begann sich abzutrocknen.

„Du bist wirklich nervig. Wie lange wirst du noch an mir zweifeln?“

Du kannst ihr ruhig etwas mehr Vertrauen schenken. Zumindest in diesem einen Punkt kannst du dir ihrer Gunst sicher sein.

Und dann verstand Dulacre was Nataku gemeint hatte.

„Tze, dass mich ein Grünschnabel wie du belehrt. Du bist ganz schön dreist.“

„Und du bist ganz schön nervig“, wiederholte Lorenor noch einmal, während er sich mit einem Handtuch durchs kurze Haar rubbelte.

„Das heißt Nataku hat wieder maßlos übertrieben, mit dem was er gesagt hat“, schlussfolgerte Dulacre aufseufzend.

Lorenor zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung, weiß ja nicht, was er dir gesagt hat. Ich hab ihn auf jeden Fall abblitzen lassen. Dieser Mistkerl ist anstrengend – und zwar noch anstrengender als du -  andauernd labert der mich blöd an. Als ob ich irgendwas mit dem zu tun haben will.“

Schmunzelnd sah Dulacre zu dem anderen auf, was er sofort bereute, da Lorenor immer noch völlig entblößt durchs Bad stakste und anscheinend nicht daran dachte sich anzuziehen.

„Zieh dir doch bitte etwas an“, murmelte er und wandte den Blick ab.

„Und was wollte Homura von dir?“, murrte Lorenor, der ihn anscheinend nicht gehört hatte, und stellte sich breitbeinig vor Dulacre hin, der seine Augen mit einer Hand bedeckte. „Ich dachte ihr könnt euch nicht abhaben?“

„Er wollte in mir einen Verbündeten finden und hatte die Hoffnung, dass ich dich zwingen würde deine Zusammenarbeit mit Eizen aufzugeben.“

„Was? Aber…“

„Könntest du dir bitte etwas anziehen?! Er ist der Überzeugung, dass Eizen dich benutzen will, um die derzeitige Weltordnung ins Wanken zu bringen. Wie er zu dieser Annahme kommt und wie Lady Loreen dazu in der Lage sein soll, kann ich dir nicht beantworten, aber er vermutet stark, dass dies etwas mit der Weltkonferenz zu tun hat.“

Leise lachte Lorenor auf.

„Tze, was hat der denn geraucht? Als ob ich zu so etwas fähig wäre. Eizen will mehr Macht, wie alle Politiker, und das kann er durch Lady Loreen erreichen. Aber mehr ist es doch nicht.“

Dulacre zuckte mit den Schultern, wagte jedoch nicht wieder aufzusehen, obwohl er hörte wie Lorenor wieder durch den Raum ging.

„Das musst du beurteilen“, entschied er eine Diskussion zu verhindern. „Darf ich denn zumindest fragen, was mein Vater von dir wollte?“

Mühsam erhob Dulacre sich. Er fühlte sich gerade sehr alt und die klammen Klamotten halfen ihm nicht wirklich.

Lorenor sah zu ihm auf und zuckte mit den Schultern, glücklicherweise nun nicht mehr komplett entblößt.

„Nichts Wichtiges. Hat viel nach dir gefragt und wollte wissen wie wir zu einander stehen.“

Aufgrund der Tatsache, dass Lorenor bis vor wenigen Sekunden noch nackt vor Dulacre herumgelaufen war und sie sich im Badezimmer unterhielten, errötete Dulacre noch mehr.

Doch Lorenor bemerkte dies anscheinend gar nicht, als er an Dulacre vorbeiging und nach einem bereitgelegten Hemd griff, das ebenfalls nass wirkte.

„Hat komische Sachen gefragt, ob wir heiraten würden und wie deine Essgewohnheiten sind und so ein Kram. War ziemlich anstrengend dabei nicht die Fassung zu verlieren, als ob ich je jemanden heiraten würde, und erst Recht nicht dich.“

Dulacre folgte dem Jüngeren aus dem Bad hinaus und ignorierte die unterschwellige Beleidigung, versuchte zu erwähnen, dass Lorenor sich vielleicht verwandeln sollte, aber als Lorenor unbeschwert weitersprach schwieg er ganz schnell.

„Hat dann auch noch gefragt ob ich Kinder will, was für ein Vollpfosten.“

„Wie bitte?“ Er schluckte schwer und seine Wangen wurden noch wärmer. Wie konnte sein Vater solche Themen einfach ansprechen mit einer Person, die er nicht kannte?

Lorenor zuckte nur erneut mit den Schultern und zog eine der engen Jogginghosen aus seinen Klamottenstapel, die aus dem gleichen Material war wie seine Unterhose. Kanan hatte sie extra für Lorenor besorgt, da sie sich seinem Körper selbst bei Verwandlungen anpassen konnten.

„Und?“, fragte Dulacre bewusst unbeeindruckt während Lorenor die Hose anzog. „Willst du Kinder haben?“ Dieser Abend sollte eine Feuerprobe für Dulacre werden, das wurde ihm nun bewusst.

„Was? Nein“, entgegnete Lorenor direkt. „So einer Verantwortung wäre ich wohl kaum gewachsen.“

„Wer ist das schon mit zwanzig?“, meinte Dulacre nur und ließ sich auf einen der Sessel nieder. Wie kam es, dass er sich jetzt mit Lorenor über so etwas unterhielt? Von sich aus hätte er es wohl nie angesprochen, aber neugierig war er schon.

„Wer ist das generell?“, murrte er dann unzufrieden.

Leise seufzend ließ sich Lorenor ebenfalls auf ein Sofa neben Dulacre fallen.

„Jiroushin“, murmelte er nachdenklich, „ich denke er wird ein guter Vater. Aber ansonsten würde mir auch niemand einfallen. Die Väter meiner Freunde haben meist ihr eigenes Ding gemacht und ihre Kinder bei ihren Müttern – oder sonst wem – zurückgelassen und ich selber hatte nie einen.“

Dulacre begutachtete seinen Wildfang. Lorenor dachte anscheinend gar nicht daran sich zurück zu verwandeln, während er einen Zipfel seines viel zu langen, feuchten Hemds – gehörte es vielleicht Dulacre? - zwischen den Fingern zwirbelte.

„Da hast du wohl Recht. Jiroushin wird mit Sicherheit ein guter Vater“, stimmte er zu. „Aber er ist auch mehr als bereit seine eigenen Ambitionen zum Wohle seiner Familie hintenanzustellen und das kann halt nicht jeder.“

„Ich könnte es wohl auch nicht“, meinte Lorenor nachdenklich, „aber das ist auch nichts worüber ich mir wirklich Gedanken machen muss. An oberster Stelle stehen meine Crew und mein Traum, daneben ist einfach kein Raum für irgendetwas anderes.“

Irgendwie tat der letzte Satz Dulacre weh. Er hatte es immer gewusst, wusste von Lorenors Zielstrebigkeit und seiner Entschlossenheit, und trotzdem war es ein bittersüßer Schmerz.

Gähnend erhob er sich und ignorierte dieses Gefühl.

„Ich werde mich etwas hinlegen. Du solltest dich am besten verwandeln, nicht das dich jemand sieht.“

„Jaja, mach nicht so einen Aufstand, als würde jetzt noch jemand zu Besuch kommen.“

Augenrollend sah Dulacre zu dem Jüngeren hinab.

„Denk dran, wir wollen morgen relativ zeitig aufbrechen. Vermutlich direkt nach deinem Gespräch mit Eizen, damit wir nicht noch mehr Zeit verlieren. Du solltest also heute noch packen und früh schlafen gehen.“

Lorenor nickte nur, während Dulacre sich auf die Unterlippe biss und zur Tür ging.

Vor wenigen Minuten hatte Lorenor ihm noch vorgeworfen, dass Dulacre ihm nicht vertraute, selbst Nataku hatte behauptet, dass Dulacre sich seiner sichersein konnte. Aber dieser eine Satz rief ihm wieder ins Gedächtnis welche Priorität er war.

Lorenor meinte es nicht böse. Er meinte es ehrlich, wenn er sagte, dass Dulacre sein Freund war, aber er war nun mal nur ein Freund, kein Crewmitglied, welches Lorenor mit seinem Leben beschützen würde. Kein Kapitän, für den Lorenor bereit war durch die Hölle zu gehen und selbst seinen Traum aufzugeben.

Dulacre wusste sehr wohl, dass Lorenor seinen eigenen Traum dem Leben und den Träumen seiner Crew untergeordnet hatte und da er selbst nicht viel mehr war als der Mittel zum Zweck, konnte er kaum erwarten, da mithalten zu können.

Es war nicht Lorenors Schuld, Dulacre las einfach zwischen die Zeilen mehr hinein als da war und deswegen wurde er immer wütend, wenn Lorenor dieses mehr nicht bestätigte.

„Lorenor“, fragte er ruhig an der Tür, „hast du eigentlich Geheimnisse vor mir?“

Einen Moment war es still hinter ihm. Dulacre wusste, dass es ein Fehler war dies zu fragen, er kannte die Antwort, hatte sie von Anfang an gewusst, selbst damals als er Lorenor darum gebeten hatte, ehrlich mit ihm umzugehen. Es war nicht Lorenors Schuld, Dulacre selbst hatte sich diese Falle gestellt.

„Ja“, war die Antwort, die seine Befürchtung bestätigte.

„Trotz unserer Abmachung, ehrlich umzugehen?“

„Ja.“ Lorenor versuchte noch nicht einmal es zu erklären.

„Wirst du mir sagen warum?“ Dulacre wusste die Antwort, zu jeder dieser Fragen, aber wenn er sie aussprach, war Lorenor der Schuldige und nicht mehr er selbst.

„Nein.“

Dulacre wandte sich um. Natürlich war es die Antwort, die er erwartet hatte.

„Weil du mir nicht vertraust?“

Lorenor hatte sich erhoben und sah zu ihm herüber.

„Weil wir gesagt haben, keine Lügen mehr, und nicht, dass ich dir jedes kleinste Detail aus meinem Leben offen darlegen muss.“ Dulacre wollte widersprechen, doch Lorenor redete weiter. „Oder erzählst du mir jede Kleinigkeit, über die du dir Gedanken machst? Kenne ich jedes deiner Geheimnisse und jedes deiner dunklen Kapitel aus deiner Vergangenheit?“

Nun zögerte der Samurai. Nein, natürlich erzählte er Lorenor nicht alles, schließlich wollte er Lorenor beschützen, im Zweifel auch vor ihm.

„Na siehst du?“ Doch ein leises Grinsen schlich über die Züge des Jüngeren. „Geheimnisse und Vertrauen schließen sich nicht aus, Dulacre. Ich muss nicht alles über dich wissen, um dir zu vertrauen und ich hoffe es ist andersherum auch so. Natürlich kannst du in meiner Vergangenheit herumwühlen, wenn’s dich glücklich macht, oder aber du vertraust mir, dass ich dir schon sagen werde, wenn es etwas gibt, was du wissen musst.“

„Geh jetzt schlafen, Lorenor. Es fällt mir schwer dir irgendwelche Weisheiten zu glauben, solange du so lächerliche Kleidung trägst.“

„Ach, halt die Klappe!“

Lorenor warf ein Kissen nach ihm, welches nur die Tür traf, welche Dulacre eilig hinter sich zuzog.

Doch in seinem Zimmer angekommen schwand Dulacres Lächeln sofort. Weniger wegen Lorenors letzten Worten und doch auch genau deswegen.

Erzählst du mir jede Kleinigkeit, über die du dir Gedanken machst?

Natürlich konnte er das nicht.

Ich dachte immer, dass du mir einfach überhaupt nichts zutraust und deswegen immer so einen Aufstand machst. Aber das ist es nicht, oder?

Nein, das war es wirklich nicht.

Wie lange wirst du noch an mir zweifeln?

Es war nicht so, als ob er an Lorenor zweifelte, eher im Gegenteil. Er wusste genau, woran er bei Lorenor war.

An oberster Stelle stehen meine Crew und mein Traum, daneben ist einfach kein Raum für irgendetwas anderes.

Für irgendetwas anderes? Oder für irgendjemanden?

Mittlerweile verstand Dulacre warum Lorenors Verhalten ihn immer so schnell aus der Haut fahren ließ, warum Lorenor glaubte, dass Dulacre ihm nichts zutraute und warum Dulacre im Endeffekt nicht in Lorenor vertraute.

Endlich gab er zu, warum Lorenor seine Erwartungen immer übertraf und doch nie gerecht werden konnte.

Leicht schlug er sich gegen die eigene Brust und dann verließt er eilig das Zimmer.

Jetzt konnte ihm nur noch einer helfen.

Kapitel 48 - Wahrheit

Kapitel 48 – Wahrheit

 

-Mihawk-

Eilig hechtete er den trostlosen Gang entlang, bemerkte erst jetzt, dass er immer noch sein feuchtes und zerknittertes Hemd trug, doch dafür konnte er jetzt nicht zurück.

Wütend pochte er an die letzte Türe des Ganges. Als keine Reaktion kam, klopfte er lauter an.

„Jaja, ich komme ja schon“, erklang es von der anderen Seite. „Du meine Güte, es ist schon… Dulacre?“

Die Türe öffnete niemand anderes als Homura Nataku.

„Was willst du denn hier?“

„Ist Jiroushin noch anwesend oder hat er das Hauptquartier bereits verlassen?“

Offensichtlich verwirrt sah der Soldat ihn an.

„Woher soll ich das denn wissen? Was willst du hier, Dulacre? Es ist schon spät und ich muss weg.“

Ohne dem anderen überhaupt zuzuhören drückte Dulacre ihn zur Seite und betrat das schlichte Zimmer.

„Man hat mir gesagt, dass Jiroushin vor seiner Abreise noch einen Termin bei dir gehabt hätte, aber sein Zimmer war verlassen und hier ist er nicht, also frage ich dich, wo ist er?“

„Ja, komm nur rein, mach’s dir bequem“, entgegnete Nataku sarkastisch. „Keine Ahnung, Dulacre. Es war kein richtiger Termin, er hat mir nur persönlich mitteilen wollen, dass er demnächst Vater wird und wollte mit mir ein paar organisatorische Dinge besprechen. Aber es waren vielleicht zehn Minuten. Er ist schon seit über einer halben Stunde…“

„Ist er noch im Hauptquartier?“ Dulacre unterbrach den anderen grob. Er hatte kein Interesse an Natakus privatem Leben.

Plötzlich sah der ältere Mann ihn misstrauisch an.

„Ist etwas passiert?“

„Nichts, das dich in irgendeiner Weise etwas angehen würde. Nun ruf auf der Station an und frag nach, ob Jiroushin abgereist ist.“

„Du bist nicht mein Vorgesetzter. Ruf doch selbst dort an.“

Aufschnaubend schritt Dulacre an dem anderen vorbei, griff nach dessen Zimmerteleschnecke und wählte eine kurze, interne Rufnummer.

Glücklicherweise stellte sich heraus, dass Jiroushin wohl gerade erst in Begriff war an Bord zu gehen, sodass Dulacre ihn zu Natakus Zimmer schicken ließ.

„Du bist wirklich zu gar nichts zu gebrauchen“, erklärte er abfällig als er auflegte. „Das hätte ich auch von meinen Gemächern aus erledigen können.“

„Warum hast du es nicht getan?“, entgegnete Nataku nicht minder verärgert. „Warum bist du überhaupt in meinem Zimmer? Hast du mich nicht heute Nachmittag noch rausgeworfen mit den Worten, dass wir keine Verbündeten seien und nun willst du meine Hilfe?“

„Ach, mach dich doch nicht lächerlich“, winkte Dulacre ab, „ich bin auf der Suche nach Jiroushin. Du kannst mir gestohlen bleiben.“

„Und warum bist du dann in meinem Zimmer und lässt mich nicht einfach in… ist etwas mit Lady Loreen geschehen? Was hast du getan?“

Erneut winkte Dulacre die Fragen des anderen ab.

„Es geht hier nicht um dich und deine Sorgen, Nataku. Also könntest du freundlicher Weise den Mund halten. Allein deine Stimme verursacht Kopfschmerzen.“

Kreidebleich vor Zorn schritt der ältere Mann zur Tür und stieß sie weit auf.

„Verschwinde Dulacre, ich habe noch Termine und keine Geduld für dein unhöfliches Gebären.“

„Nataku?“, kam es vom Gang, begleitet von eiligen Schritten. „Was ist denn los? Man hat mich regelrecht vom auslaufenden Schiff zurückgerufen und zu dir geschickt? Ist etwas passiert? Was willst du?“

„Ich will gar nichts“, erklärte Nataku verdrießlich und trat hinaus auf den Flur, „und ich habe dich auch nicht rufen lassen. Das war niemand anderes als dein Lieblingssamurai.“

„Dulacre?“

Aufs Stichwort trat ebendieser ebenfalls in den Gang.

„Ich muss mit dir sprechen, Jiroushin, ich dachte du wärest noch bei Nataku.“

„Nein, ich war bereits auf dem Heimweg, zu meiner hochschwangeren Frau“, widersprach sein bester Freund leicht beunruhigt.

„Nun, glücklicherweise habe ich dich noch aufhalten können. Wir müssen reden.“

„Tut was ihr wollt“, kommentierte Nataku, zog die Tür hinter sich zu und schloss sie ab, „ich muss jedenfalls jetzt los.“

„Einen Moment, Nataku“, wollte Dulacre den anderen aufhalten – was erlaubte er sich, Dulacre einfach so sein Zimmer vorzuenthalten? – als auf einmal die Türe des Nachbarzimmers aufging.

„Nataku, bist du schon soweit? Ich dachte, ich hätte dich… Dulacre?“

„Fantastisch“, murrte Dulacre augenrollend als niemand anderes als sein Vater hinzutrat.

„Worum geht es hier?“, fragte Gat aufmerksam nach.

„Nichts, was dich betreffen würde“, lehnte Dulacre sein Interesse direkt ab und wandte sich wieder Nataku zu. „Nun stell dich nicht so an und lass Jiroushin und mich in dein Zimmer.“

„Ich denke ja nicht dran“, widersprach der Angesprochene, „geht doch in deine Gemächer.“

„Das ist keine Option. Wir müssen ungestört reden können.“

„Und wer würde dich schon freiwillig stören wollen?“

„Dulacre?“, brachte sich nun auch Jiroushin wieder ein und gesellte sich zu ihm. „Hat dieser Wirbel hier etwas mit… Lady Loreen zu tun? Können wir deshalb nicht in deine Gemächer?“

Missmutig nickte der Samurai.

„Also doch“, entfuhr es Nataku. „Was ist passiert?““

„Nichts ist passiert“, entgegnete Dulacre grob, „ich muss nur mit Jiroushin reden können, ohne dass irgendwer stören oder ungebeten zuhören kann.“

„Ihr könnt mein Zimmer nehmen“, bot Gat an, „Nataku und ich müssen jetzt so oder so los.“

Unbeeindruckt musterte Dulacre seinen Vater.

„Jetzt schau mich nicht so an, Dulacre. Du weißt, dass mein Zimmer sicher ist. Schließlich war ich derjenige, der dir beibrachte, wie man unerwünschte Mithörer aufspürt und sich vor ihnen schützt.“

„Vielen Dank, Herr Mihawk.“ Jiroushin verbeugte sich knapp. „Das ist sehr freundlich von Ihnen.“

„Aber nicht doch“, lächelte der alte Mann höflich und trat zur Seite, um Ihnen Einlass zu gewähren.

„Das ändert überhaupt nichts“, klärte Dulacre als er ihn passierte, „denke ja nicht, dass dies mir irgendetwas bedeutet und solltest du noch einmal die Dreistigkeit besitzen, meinen Schützling zu beanspruchen, wirst du es bereuen.“

Sein Vater neigte leicht den Kopf.

„Ich hatte geahnt, dass es dich erzürnen würde, mein Sohn. Aber um es mit Lady Loreens Worten zu sagen. Du bist weder ihr Herr und Meister, noch ist sie auf deine Gutheißung oder gar deine Erlaubnis angewiesen.“

Hatte Lorenor das tatsächlich gesagt?! Natürlich, es passte zu dem Jüngeren seine Gedanken so direkt auszusprechen und die Wortwahl passte wohl auch zu Lady Loreen.

„Wohl wahr“, gestand Dulacre also ein, „aber das ändert nichts daran, dass ich dich oder deinen treuen Straßenköter hinter dir umbringen werde, sollte ihr meiner Begleitung noch ein einziges Mal zu nahe kommen.“

Dann drehte er sich um und eilte ins Zimmer.

„So höflich wie eh und je“, bemerkte Jiroushin hinter ihm und schloss mit einem leisen Klicken die Türe. „Könntest du wenigstens damit aufhören deinem eigen Fleisch und Blut mit dem Tod zu drohen?“

„Ach, Jiroushin, dieser Mann ist absolut irrelevant. Wir haben wichtigere Dinge zu besprechen.“

„Und was?“, fragte der Blondschopf hinter ihm. „Was ist so wichtig, dass du das Auslaufen einer ganzen Flotte aufhalten lässt, nur um mit mir zu reden? Und warum dieser Aufstand? Warum nicht deinen Räumen?“

Dulacre starrte auf die kahle Wand vor sich. Dieses Zimmer war eine Schande für einen Mihawk – selbst wenn dieser nur sein Vater war – nicht mehr als das Zimmer irgendeines Soldaten, ohne jegliche Wertschätzung.

„Hawky?“

Er wusste genau, warum er Jiroushin hergerufen hatte, aber wenn er es jetzt aussprach, dann würde es kein Zurück mehr geben. Wenn Dulacre es jetzt zugeben würde, dann würde es Wahrheit werden.

„Jetzt sprich oder ich gehe.“

Jiroushin war ungewohnt ungeduldig.

Seufzend fuhr Dulacre sich mit einer Hand übers Gesicht und sah dann zur Decke hinauf, als suchte er dort nach Antworten, doch ihn grüßte nur eine einfache Lampe.

„Ich kann es nicht sagen“, flüsterte er schließlich, sich dieser Schmach wohl bewusst, „wenn ich es sage, wird es alles verändern und das möchte ich vermeiden.“

Laut stöhnte der Soldat hinter ihm auf ehe das Klacken der Stiefelabsätze Dulacre verriet, dass der andere angefangen hatte auf und abzugehen.

„Hawky, ich weiß nicht, was los ist, aber wegen dir steht der Hafen des Hauptquartiers gerade still; nur weil du mit mir sprechen wolltest und das nicht über die Teleschnecke ging. Mir ist egal, was du willst oder nicht, ich habe nicht darum gebeten in deine und Zorros Streitereien mithineingezogen zu… warte mal… Es hat mit ihm zu tun, sagtest du und er soll nicht ausversehen zuhören oder in dieses Gespräch hineinplatzen. Dulacre bedeutet das etwa, dass…“

„Sag es nicht!“ Warnend streckte er dem anderen den erhobenen Zeigefinger entgegen. „Sag es nicht, Jiroushin.“

Sein bester Freund seit Kindertagen blieb stehen und schüttelte leicht den Kopf, ein sanftes Lächeln auf den Lippen.

„Aber Hawky, nur weil du es nicht aussprichst, es nicht wahrhaben willst, es verleugnest, macht es das nicht weniger wahr. Du willst nicht, dass die Dinge sich verändern, aber die Wahrheit ist, das haben sie längst und daran kannst du nichts ändern. Aber wenn du es aussprichst, können wir uns der Veränderung annehmen.“

Verdammt! Er hatte vergessen wie klug und einfühlsam Jiroushin sein konnte. Wieso hatte ausgerechnet er einen Freund, der so gut in den Sachen war, für die Dulacre ganz offensichtlich keine Begabung hatte.

„Ich weiß!“ Laut aufstöhnen ließ sich Dulacre auf das furchtbar unbequeme Bett fallen und rieb sich erneut durchs Gesicht, erlaubte sich eine Sekunde in der Dunkelheit seiner geschlossenen Augen zu verschwinden, wohl wissend, dass er nicht entkommen konnte.

„Also gut“, murmelte er dann und stützte beide Ellenbogen auf den Knien ab, ließ die Hände gefaltet hinabgleiten, sodass sie nur noch Nase und Mund bedeckten. Für einen Moment sah er zu Jiroushin hinauf, ehe er wieder auf das hässliche Beistelltischchen vor sich starrte.

„Nun gut, es ist wohl sinnlos weiter vor der Wahrheit davonzulaufen, wie ein feiger Hund.“

Der Blondschopf entgegnete nichts.

Noch einmal atmete Dulacre tief ein.

„Du hattest recht“, gestand er es dann leise ein und merkte wie es ihn schmerzte, „du hattest von Anfang an recht.“

Erneut atmete er beinahe zittrig ein.

„Ich… Ich habe Gefühle für… für… ihn.“ Er fuhr sich durchs Haar als die Wahrheit durch den Raum hallte und sein Blick von einer Ecke in die andere huschte, wohl bewusst, dass er Jiroushin nicht ansehen konnte. „Wie konnte ausgerechnet ich, bester Schwertkämpfer der Welt und ehrenhafter Lehrmeister, so etwas frevelhaftes geschehen lassen? Gefühle für meinen Schüler? Aber ich kann es nicht ändern. Es ist die Wahrheit und glaube mir ich wollte sie nicht wahrhaben.“

Er vergrub sein Gesicht erneut in seinen Händen, als er sich seiner Scham bewusst wurde.

„Ich habe mich in Lorenor Zorro verliebt.“

Für eine Ewigkeit war es furchtbar still, selbst Dulacres Gedanken – die sonst nie ruhig waren – schienen zu schweigen.

Doch dann klopfte Jiroushin ihm sachte auf die Schulter.

„Ich weiß“, meinte er und ließ sich neben Dulacre aufs Bett fallen. „Ich glaube, ich weiß das schon so viel länger als du.“

Dulacre atmete laut aus.

„Was natürlich nichts Besonderes ist, Jiroushin, da es mir erst seit einigen Tagen bewusst ist. Wie ein Narr habe ich meine eigenen Gefühle verleugnet und verkannt.“

„Nun ja, sei nicht zu hart zu dir. Immerhin wussten wir bis dahin gar nicht, ob du überhaupt zu solchen Gefühlen fähig bist, Hawky.“

„Mach dich nicht lustig über mich, Jirou, nicht gerade jetzt.“

Der andere legte einen Arm um Dulacres Schultern.

„Das mach ich nicht, Hawky. Ich meine es ganz ernst. Vor deinem kleinen Wunderknaben hätte ich beschwören, dass du gar nicht in der Lage wärst dich zu verlieben.“

„Soll mich das in irgendeiner Weise aufbauen? Du sollst mir helfen, Jiroushin, und das tust du gerade so überhaupt nicht.“

Jiroushin schwieg.

„Ab wann wusstest du es?“, fragte Dulacre nach.

„Wie bitte?“

„Ich habe es erst vor kurzem gemerkt, ich habe es erst bemerkt als es schon viel zu spät war, aber du hast schon seit Monaten immer wieder solche Anmerkungen gemacht. Also, ab wann wusstest du es? Ab wann haben meine Gefühle mein Verhalten gegenüber Lorenor beeinflusst?“ Tief einatmend lehnte er sich zurück. „Ich muss es wissen damit ich beurteilen kann, ab wann ich mich unprofessionell verhalten habe, ab wann meine Gefühle Lorenors Entwicklung im Weg gestanden haben.“

Der Blondschopf zog seinen Arm zurück und stützte ihn auf seinem Bein ab.

„Also, wenn du mich so fragst... Hmm… Nun ja, ganz ehrlich, du hast dich immer schon seltsam benommen sobald es um Zorro ging.“  Dulacre warf einen zweifelnden Seitenblick auf den anderen. „Nein, ehrlich. Ich weiß noch ganz genau wie verwirrt ich war, als du mich wegen ihm angerufen hast. Du hast von ihm geschwärmt wie von einem Popstar.“

„Das habe ich nicht“, widersprach er mürrisch.

„Oh Hawky, du kanntest seine Augenfarbe! Wer achtet in einem Kampf auf die Augenfarbe seines Gegners, insbesondere du, der sich noch nicht mal die Gesichter seiner eigenen Crewmitglieder innerhalb von zwei Monaten merken konnte?“

„Unwichtiges beachte ich nicht, Jiroushin.“

„Und genau das meine ich. Monatelang hast du dich nicht gemeldet und dann rufst du an, um alles über einen Jungen aus dem East Blue zu erfahren, mehr noch, um mir alles zu erzählen, um mir von ihm vorzuschwärmen. Du schwärmst sonst nie, von nichts, und so gut Zorro mittlerweile sein mag, damals war er noch ein blutiger Anfänger, im wahrsten Sinne des Wortes.“

Dem konnte Dulacre nur schwerlich widersprechen, wusste er doch, dass der andere Recht hatte.

„In Ordnung“, murmelte er, „aber das war nicht viel mehr als Interesse, vielleicht Begeisterung über ein vielversprechendes Talent, doch ich frage dich ab wann du wusstest, dass ich…, dass ich…, dass ich ihn liebe?“ Er schüttelte leicht den Kopf; wer glaubte, dass es nach dem ersten Mal einfacher wurde, irrte sich.

„Schwierig“, kommentierte Jiroushin neben ihm, „schließlich habt ihr ja noch die Schmierenkomödie mit Lady Loreen vorgespielt.“

Vielleicht war das auch ein Fehler gewesen. Vielleicht war seine gespielte Zuneigung in echte umgekippt.

„Wenn ich ganz ehrlich bin, fand ich schon dein Verhalten nach Zorros Tod…“ Jiroushin malte mit beiden Händen Anführungszeichen in die Luft. „…besorgniserregend. Du warst völlig außer dir und ich hatte wirklich Angst, dass du dich die nächste Klippe runter stürzen würdest.“

„Jirou…“

„Aber dann tauchte Lady Loreen auf und du wirktest so… so glücklich. Ich erinnere mich noch genau an den ersten Morgen, als wir über die Strohhüte gesprochen hatten – mir fällt es wirklich schwer zu akzeptieren, dass das Mädel im viel zu großen Hemd Zorro war – er hatte Kopfschmerzen und du warst die ganze Zeit genervt, aber gleichzeitig warst du so… lebendig.“ Jiroushin schüttelte den Kopf. „Ich kenne dich nun schon fast 35 Jahre, Hawky, und wenn wir ehrlich sind, hast du die meiste Zeit davon versucht dich von der Außenwelt zu isolieren, zumindest emotional.“

Dulacre entgegnete nichts.

„Ich mein, ja wir hatten unsere Abenteuer und unseren Spaß; erinnerst du dich noch an die Misriin-Drillinge?“

Der Name rief irgendetwas in Dulacre wach, aber mehr wusste er auch nicht.

„Ich habe Isis tagelang den Hof gemacht“, erinnerte Jiroushin sich mit einem leisen Lächeln und schweifte ganz offensichtlich ab, „und mich dabei ziemlich zum Narren gemacht.“

Vor Dulacres inneren Auge tauchten die schemenhaften Gestalten dreier Menschen auf. Er erinnerte sich an die Insel auf der Grandline, an der sie vor guten zwanzig Jahren angelegt hatten und an die drei Geschwister, die seine gesamte Crew verzaubert hatten.

„Und unser Eos hat diesem Osiris wochenlang nachgetrauert.“

„Wirklich? Davon wusste ich gar nichts“, bemerkte er nachdenklich, verwundert warum Jiroushin diese kleine Anekdote auskramte.

„Weil du nicht einmal nachgefragt hast, wieso der arme Kerl Tag und Nacht am Heulen war.“

„Ach, Eos hat doch immer wegen jeder Kleinigkeit geweint. So anstrengend.“

„Aber von uns allen warst nur du erfolgreich, oder nicht. Ich meine, Horus und…“

„Jiroushin, worauf möchtest du hinaus? Das ist alles vergangen und es war nur…“

Dulacre verstand nicht, warum sein Freund die drei lebensfrohen Geschwister jetzt erwähnte.

„Nun ja, Hawky, die ganze Crew war den dreien verfallen, alle außer dir.“

„Na und? Was hat das bitte mit…“

Aufstöhnend erhob sich Jiroushin und begann wieder damit durchs Zimmer zu wandern.

„Dulacre, das waren die drei charismatischsten, anziehendsten und begehrenswertesten Menschen, die ich je kennen gelernt habe…“

„Lass das nicht Lirin hören.“

„…und dir war das gleich. Du hattest deinen Spaß, ein kleines Abenteuer, aber danach hast du nicht einen Gedanken an die drei verschwendet, oder?“

Dulacre zuckte mit den Achseln.

„Natürlich nicht, warum hätte ich?“ Er gestand ein, dass alle drei Geschwister attraktiv gewesen waren und einen verführerischen Reiz ausgestrahlt hatten, aber nur weil Dulacre ihre erotischen Körper genossen hatte, hieß das doch nicht unweigerlich, dass er etwas für sie empfinden würde. Jenes sinnliche Vergnügen hatte für Dulacre kaum etwas mit der tiefen Zuneigung gemein, die er für Lorenor empfand.

Auflachend schüttelte Jiroushin den Kopf.

„Genau das meine ich doch. Ich habe immer gedacht, dass du überhaupt nicht so fühlen kannst und dann kommt Zorro daher; übelgelaunter, böse dreinblickender Zorro, und du verfällst ihn mit Haut und Haaren. Wäre ich nicht so erleichtert, dass du doch ein ganz normaler Mensch bist, fände ich es schon fast unterhaltsam.“

Dulacre fand die Situation alles andere als amüsant und er mochte nicht, dass Jiroushin sich über seine Gefühlswelt lustig machte.

„Könnten wir bitte zu meiner Frage zurückkommen? Ich finde es wirklich nicht belustigend und du hilfst mir überhaupt nicht.“

„Der Ball.“

Überrascht sah er auf.

„Der Ball?“

Jiroushin war stehen geblieben und nickte sachte.

„Auf dem Ball der Marine wusste ich, dass etwas nicht stimmte, dass du anders warst als vorher. Ich habe gesehen, wie du sie… ihn angesehen hast. Beim Tanzen, vom Tisch aus, als ihr miteinander gesprochen habt. Es war ganz offensichtlich, dass du nur wegen der Frau in Weiß anwesend warst.“

Dulacre dachte an den Marineball zurück. Erinnerte sich an den Prunk und die Pracht, erinnerte sich daran, wie er das falsche Mädchen zum Tanz aufgefordert hatte und wie sowohl Eizen als auch Nataku versucht hatten ihm Lorenor zu entreißen.

Er erinnerte sich an Lorenors Zorn, weil Dulacre an jenem Abend einen Fehler nach den anderen begangen hatte und Lorenor auf sich alleingestellt gewesen war und er erinnerte sich an ihren ersten und letzten Tanz an jenem Abend.

Er erinnerte sich daran wie glücklich er gewesen war, dass unter all den Menschen, die Lorenor hätte wählen können, er bei ihm geblieben war.

Er erinnerte sich daran, wie er Lorenor aufgefordert hatte die Maske abzunehmen und er erinnerte sich daran, wie Lorenor ihn dann angesehen hatte.

„Ich weiß noch was für ein Aufsehen er gemacht hat, die erste Frau, die einen Mann zum letzten Tanz des Abends auffordert. Ich bin immer noch überrascht, dass ihr dafür nicht bestraft wurdet“, erzählte Jiroushin nun weiter, „und du hast auch noch angenommen und dann hast du ihn auf die Stirn geküsst. Den Handkuss, den hätte ich verstanden, aber ich wusste in diesem Moment, dass du dich verliebt hattest, dass du glücklich warst.“

Dulacre erinnerte sich genau an dieses Gefühl, genau an jenen Moment.

Aber Dulacre erinnerte sich auch an die Nacht danach, an die Zweifel und den inneren Tumult. Er erinnerte sich genau an diese Gewissheit. In jener Nacht hatte er gewusst, was er wollte, was er wirklich wollte, und nie haben konnte, nie begehren durfte.

 „Das war vor fast neun Monaten“, flüsterte er, „das würde bedeuten, dass beinahe alle meine Entscheidungen bereits von meinen Gefühlen beeinflusst waren.“

Nun zuckte Jiroushin mit den Schultern.

„Mach dir nichts vor, Hawky. Alle deine Entscheidungen, die Zorro betreffen, waren jeher von deinen Gefühlen beeinflusst.“

„Das hilft mir nicht, Jiroushin.“ Dulacre wandte den Blick ab und rieb sich den Nacken. Wie konnte es sein, dass er – Analyst und Stratege – über Monate hinweg nicht bemerkt hatte – nein, sogar geleugnet hatte - dass er nicht mehr objektiv war, weit weg von jeder Objektivität gehandelt hatte.

„Nein, nein, das tut es wohl nicht.“

Auf einmal hockte sich Jiroushin vor ihm auf den Boden und sah zu ihm auf.

„Aber es ist nichts schlimmes, Hawky. Ich finde es sogar verständlich. Ich weiß nicht warum, aber wenn du mit Zorro zusammen bist, wirst du emotional, wirst wütend und sanft, kindisch und gutmütig. Ihr streitet andauernd und manchmal auch richtig heftig, aber er ist dir nie lange nachtragend und ihr vertragt euch schnell. Du bist kein einfacher Mensch, Hawky, und trotzdem hält Zorro all deine Launen aus, trotzdem hält er dich aus und bringt dich zum Lachen. Darüber hinaus ist er wohl einer der wenigen Menschen, die deine Passion nachvollziehen können, das Schwert so zu lieben wie du es tust, vielleicht auch den Kampf so zu lieben wie du es tust. Ich verstehe, dass du dich zu ihm hingezogen fühlst, auch wenn er übellaunig ist und nur halb so alt wie du.“

Aufstöhnend lehnte Dulacre sich zurück.

„Du machst es nicht besser, Jiroushin!“

Lachend warf der Blondschopf sich wieder neben ihm aufs Bett, doch Dulacre war nicht zum Lachen zumute.

„Selbst, wenn du Recht hast“, murmelte Dulacre dann nachdenklich, „selbst wenn es verständlich wäre, so ist es doch vergebens. Wir beide wissen, dass Lorenor nicht bei mir bleiben wird, ganz gleich was ich tue. Seine Crew steht über allem, selbst seinen eigenen Traum und außerdem sind meine Gefühle einseitig. Lorenor fühlt nicht dasselbe für mich, wie ich für ihn.“

Es tat weh, fast noch mehr als sein vorheriges Eingeständnis. Dulacre wusste nun ganz genau, warum seine vorherigen Bemühungen eine respektvolle Distanz zu Lorenor zu wahren, vergebens gewesen war.

Lorenor hatte ihn vor langer Zeit davor gewarnt, dass sie nicht mehr werden sollten als erwartungsvolle Rivalen, doch Dulacre war so davon überzeugt gewesen, dass er seinen eigenen Emotionen überlegen war, dass er diese Warnung nicht ernstgenommen hatte.

Endlich verstand er warum in ihrer Beziehung so eine Spannung lag; ein Missverhältnis, das oft zu Diskussionen führte.

Dulacre verlangte von Lorenor, dass dieser ihn wie einen Partner behandelte; jemanden, dessen Meinung man in die Entscheidungen des eigenen Lebens miteinbeziehen musste. Er verlangte von Lorenor, dass dieser ihm Dinge anvertraute, Sorgen und Geheimnisse verriet; Dulacre hatte von Lorenor eine emotionale Intimität verlangt, die es nur zwischen den wenigsten Menschen gab und die Lorenor nie hätte erfüllen können, nie vorgehabt hatte zu erfüllen.

Das war der Grund warum Lorenor ihn oft verletzte, weil Dulacre ihm gar keine andere Wahl ließ.

„Erbärmlich“, murrte er leise zu sich selbst.

„Sag das nicht“, meinte Jiroushin neben ihm. „Du kannst nicht beeinflussen, in wen du dich verliebst. Außerdem…“

„Außerdem was?“, fragte Dulacre nach, als sein bester Freund schwieg.

Jiroushin seufzte.

„Außerdem glaube ich, dass es unfair ist von Zorro zu erwarten, dass er fühlt wie du.“

„Das tue ich doch gar nicht. Natürlich erwarte ich nicht…“

„Ich bin noch nicht fertig, Hawky“, unterbrach Jiroushin ihn mit erhobener Hand. „Weißt du, weil ich ja bereits wusste was du nicht wahrhaben wolltest, habe ich ein paar Mal versucht mit Zorro über dieses Thema zu sprechen.“

„Jiroushin, was hast du…?“

„Beruhige dich, verdammt noch mal. Ich habe nichts verraten, aber ich dachte es könnte nicht schaden herauszufinden, ob er … gewisse Neigungen hat oder nicht.“

„Was soll das bedeuten?“

Der Blondschopf riss leicht verzweifelt beide Arme in die Luft.

„Keine Ahnung! Er ist ein Pirat, daher habe ich mir schon gedacht, dass Geschlechter und deren Rollen ihm eher einerlei sind, aber ich wollte sichergehen und überprüfen ob er vielleicht sogar vergeben ist.“

„Ist er nicht, er…“

„Das weiß ich. Lass mich doch mal ausreden.“ Jiroushin klang fahrig. „Das Ding an der ganzen Sache ist, ich glaube nicht, dass Zorro einfach nicht nur deine Gefühle nicht erwidert, ich glaube fast, dass er es gar nicht kann.“

Verwirrt starrte Dulacre den anderen an.

„Wovon redest du da, Jirou? Wenn selbst ich einen anderen Menschen begehren kann, mich nach ihm verzehren kann, warum sollte dann ausgerechnet Lorenor das nicht können?“

Ein böses Grinsen schlich über Jiroushins Züge.

„Du verzehrst dich nach ihm?“

„Bleib beim Thema!“ Leicht klatschte er dem anderen gegen den Hinterkopf.

„Hast du ihm mal beim Training gesehen“, murrte er dann leise hinterher, „wenn ich sehe, wie er sich bewegt, wie er sich konzentriert und sich so gut wie nie von seinen Gefühlen beeinflussen lässt… außerdem läuft er die Hälfte der Zeit völlig entblößt herum, wie soll mir da sein absolut perfekter Körper…“

„Schon gut, schon gut“, winkte Jiroushin ab. „Also, um es deutlich zu machen. Anscheinend hat Zorro keinerlei Interesse an… körperlichen Aktivitäten mit anderen Menschen oder…“

„Was redest du da, Jiroushin?“

„Sex, Hawky, Ich rede über Sex.“

„Du hast das einfach so mit ihm besprochen?“ Dulacre errötete.

Nun atmete der Blondschopf tief ein.

„Warum auch nicht, Hawky. Nicht jeder ist so verklemmt wie du.“

„Gut erzogen.“

„Verklemmt! Aber um auf den Punkt zu kommen: Ich glaube Zorro interessiert sich nur für seine Crew und seinen Traum und von dem was er mir gesagt hat, scheint es nicht so, als hätte er irgendein sexuelles Verlangen oder Begehren. Es schien mir so, als hätte er keine Ahnung wovon ich rede, als ich über Anziehungskraft und Flirten sprach. Also entweder ist er wirklich sehr naiv und in diesen Bereichen wirklich noch unterentwickelt für sein Alter oder aber...“

Jiroushin zuckte mit den Schultern.

„Oder aber er fühlt so etwas halt einfach nicht.“

Darauf wusste Dulacre nichts zu sagen. Es stimmte schon, dass er über dieses Thema deutlich reservierter sprach als die meisten – um Himmels Willen, mit niemandem außer Jiroushin wäre er bereit ein solches Gespräch zu führen und selbst jetzt war es beinahe zu viel für ihn – aber selbst er hatte in seiner Sturm-und-Drang-Phase das ein oder andere Stelldichein ausprobiert und sie meist nicht als unangenehm empfunden.

Auch war er selten dem Charme körperlicher Attribute erlegen, aber das bedeutete nicht, dass Dulacre sie nicht wahrnahm oder nicht auch ab und an genoss.

Doch es fiel ihm schwer zu glauben, dass jemand wie Lorenor - der gerade in der Blüte seiner Jahre stand und ein ausgesprochen gesundes Verlangen nach solchen Aktivitäten haben sollte – an so etwas keinerlei Interesse hegen sollte.

Auf der anderen Seite verbrachte Lorenor nun schon Monate bei Dulacre und da waren die Möglichkeiten sich die Hörner abzustoßen doch etwas begrenzt gewesen – und er zweifelte daran, dass Lorenor und Perona eine solche Beziehung führten – also vielleicht war diese Möglichkeit gar nicht so abwegig.

„Du meinst also“, wiederholte er nachdenklich, „dass Lorenor für mich gar keine romantischen Gefühle empfinden könnte?“

„Das habe ich nicht gesagt“, entgegnete der Soldat, „nur, dass er sich wahrscheinlich nicht nach dir verzehrt, so wie er generell sich nicht nach Sex sehnt. Ich glaube er fühlt sich halt einfach nie sexuell zu irgendjemandem hingezogen.“

Dulacre rieb sich durchs Gesicht und wog Jiroushins Aussage ab. Anders als Dulacre schien Jiroushin eine feste Verbindung zwischen sexuellem Begehren und romantischen Gefühlen zu sehen, die für Dulacre nicht so selbstredend war. Für ihn hatten diese beiden Begierden völlig unterschiedliche Bedeutungen und daher fragte er sich, was von Jiroushins Analyse tatsächlich auf Lorenor zutraf.

„Wie dem auch sei“, entschied er nach einer Weile, „ob Lorenor nun meine Gefühle nicht erwidert oder dazu überhaupt nicht in der Lage ist, es ändert nichts an der derzeitigen Situation. Ich nutze mein Vertrauensverhältnis zu meinem Schüler aus und habe unangemessene Gefühle entwickelt.“

„Nun ja, so einfach ist eure Situation nun doch auch nicht.“

„Doch Jiroushin, genauso einfach ist sie und die Lösung ist genauso simpel.“

„Du willst ihm also nichts sagen?“

„Natürlich nicht. Lorenor ist bereits überfordert mit unserer Beziehung wie sie derzeit ist. Er fühlt sich seiner Crew gegenüber schuldig, weil er damals nicht zurückgegangen ist und ich bin nun mal ein Teil dieser Entscheidung. Ich werde ihm die nächsten Monate nicht noch erschweren, indem ich ihn das Wissen meiner einseitigen Gefühle aufbürde.“

Der Soldat seufzte schwer.

„Du isolierst dich also wieder?“

Mit einem traurigen Lächeln schüttelte Dulacre den Kopf.

„Im Gegenteil, ich erlaube mir ganz egoistisch wie ich bin, in seiner Nähe zu bleiben, ohne, dass er anfängt über seine Worte und Taten mir gegenüber nachzudenken. Ich werde natürlich mein eigenes Verhalten besser reflektieren müssen, aber solange er unwissend ist, solange können die Dinge bleiben wie sie sind und das ist schon mehr als ich verlangen kann.“

Jiroushin schwieg.

„Ich bin enttäuscht, Jiroushin. Eigentlich hätte ich gedacht, dass du mich für wahnsinnig erklärst, mich in ein Kind zu verlieben und dann auch noch in Lorenor.“

„Er ist kein Kind“, entgegnete der andere nachdenklich. „Natürlich, er ist jung, zwanzig oder so, nicht wahr? Aber er kommt mir oft deutlich reifer vor, in manchen Dingen wirkt er fast schon älter als du – und du wirkst grundsätzlich wie ein alter Mann, egal worum es geht -, und wie gesagt, du kannst dir nicht aussuchen, in wen du dich verliebst und er ist dir ähnlich, also… was solls?“

Er zuckte mit den Schultern.

„Es macht mich traurig, dass du nun endlich erfährst, wie Liebe sich anfühlt und sie von vornerein zum Scheitern verurteilt ist. Vielleicht solltest du mit Zorro reden. Es ist grausam, Hawky, für euch beide. Das ist nicht okay, wirklich nicht okay.“

„Nein, das ist es wohl nicht“, stimmte Dulacre zu und erhob sich, „aber es ist was es ist.“

 Jiroushin tat es ihm gleich und seufzte erneut.

„Habe ich dein Wort darauf, dass du Lorenor nichts sagen wirst?“

„Ach, dass du das überhaupt fragst. Ich glaube er hätte dieses Gespräch hier mithören können und würde immer noch nicht verstehen worüber wir reden.“

Schmunzelnd ging Dulacre zur Tür.

„Ich weiß nicht, ob mich das aufmuntern soll oder nicht.“

„Dann sieh es anders. Wenn er bisher noch nicht kapiert hat, dass du an ihm interessiert bist – und das obwohl es so offensichtlich ist – dann würde er es wahrscheinlich nicht mal bemerken, wenn du nackt neben ihm im Bett liegen würdest. Daher brauchst du dir keine Gedanken darüber machen, dass er es plötzlich herausfindet.“

„Das wäre Belästigung“, murmelte Dulacre, überlegte dabei jedoch wie oft er den anderen schon nackt gesehen hatte – in beiden Gestalten – und ob Lorenor ihn je unbekleidet gesehen hatte.

Doch dann entließ er solch ungalanten Gedanken.

„Wie dem auch sei, morgen reisen wir ab und ab dann werden wir weitertrainieren, und darauf freue ich mich jetzt schon. Er wird langsam… Jirou, was ist denn?“

Aschfahl starrte der Blonde ihn an.

„Abreisen“, murmelte er und dann rannte er zur Tür. „Die Flotte, verdammt nochmal!“

Kapitel 49 - Anfang

Kapitel 49 – Anfang

 

-Zorro-

„Zu viel Knie“, korrigierte Zorro sich selbst missmutig und widerholte den Seitwärtsschritt.

Seit den frühen Morgenstunden trainierte er nun schon, immer wieder die gleichen Schritte, immer wieder die gleichen Übungen, die gleichen Bewegungen, bis zur Perfektion, bis zu tausend Wiederholungen von Perfektion.

Es war eine mühselige Arbeit, langweilig und anstrengend, aber natürlich hielt Zorro das nicht davon ab weiter zu machen.

Vor zwei Tagen waren er und Dulacre vom Hauptquartier zurückgekehrt und seitdem trainierte Zorro allein. Auf der Rückreise hatte der Samurai einen Geistesblitz gehabt und vergrub sich seitdem unter unzähligen Büchern in der Bibliothek, überließ Zorro sich selbst.

Er hatte gemeint, dass es für Zorros zukünftiges Training notwendig wäre und Zorro ein paar Tage ohne seine Aufsicht zurechtkommen würde.

Das stimmte wohl auch, ohne passenden Gegner konnte Zorro nicht kämpfen – und natürlich weigerte der Samurai sich weiterhin als Trainingspartner zur Verfügung zu stehen – und daher blieb ihm nicht viel mehr übrig außer der schnöden Trockenarbeit, die er bereits die letzten Wochen übte. Wiederholung war hier der Schlüssel zum Erfolg, nur mit vielen Wiederholungen würde sich seine körperliche Verfassung stetig verbessern.

Zorro wusste, dass er besser wurde, dass dieses Training sinnvoll war, aber ein Problem hatte es doch.

„Es ist langweilig!“

Aufstöhnend ließ er sich auf den Hintern fallen und rieb sich durchs verschwitzte Gesicht.

Er war unzufrieden; er wusste, dass das Training nicht immer Spaß machen konnte und dass man sich auch mal durchbeißen musste, aber so gefiel es ihm ganz und gar nicht. Er hatte kein Problem mit Disziplin, Durchhaltevermögen und tausenden anstrengenden Stunden, die keinerlei Früchte zogen. Er hatte kein Problem damit tausendmal in den Dreck zu fallen und wieder aufzustehen. Er hatte kein Problem damit tausendmal verbessert und korrigiert zu werden.

Aber es änderte nichts an einer kleinen Sache: Zorro gierte es nach einem Kampf.

Seufzend zog er sich an seinen Haaren.

„Und jetzt klinge ich schon wie dieser verdammte Mistkerl!“

Nie hätte er mal gedacht, dass er das Kämpfen so vermissen würde. Ja, er kämpfte gerne – wer tat das nicht? – aber Zorro hätte nicht gedacht, dass er sich benehmen würde wie der Kartoffelschäler auf Nikotinentzug. Allerdings musste er gestehen, dass es auch ein kalter Entzug für ihn war, außerdem war seine derzeitig stete schlechte Laune mit Sicherheit nicht förderlich.

Vor seinem Leben auf Kuraigana hatte Zorro fast täglich gekämpft und wenn die Tage auf der Sunny oder der Flying Lamb mal zu lang geworden waren, dann hatte die dämliche Kringelbraue sich nur zu gerne auf eine kleine Plänkelei eingelassen. Manchmal war es anstrengend gewesen – ach, wem machte er was vor, der Koch war immer anstrengend – aber stillschweigend hatten sie vereinbart aneinander Dampf ablassen zu können und das war bei Wochen auf hoher See mit denselben Gesichtern tagein tagaus auch manchmal echt nötig.

Hier auf der Insel hatte Zorro sich die ersten Tage mit den Human Drills versüßt und nachdem der Samurai aufgetaucht war, hatte er so oder so viel zu tun gehabt und gerade als er angefangen hatte sich zu langweilen, war Jiroushin aufgetaucht und hatte sich nur zu gerne mit ihm angelegt.

Doch jetzt war der Vizeadmiral seit einigen Wochen wieder zuhause und Dulacre weigerte sich gegen Zorro zu kämpfen, hinzukamen noch diese ungewohnte Stimmungsschwankungen, so dass er nun langsam wie ein Süchtiger die Geduld verlor.

Zorro wollte kämpfen.

Langsam verstand er, wie frustrierend es für Mihawk sein musste nicht kämpfen zu können. Zorro war beinahe egal wer sein Gegner war, ob schwach oder stark, ob nur ein freundschaftlicher Wettstreit oder eine Schlacht auf Leben und Tod, er würde so oder so seinen Spaß haben, dafür würde er im Zweifel schon sorgen.

Bei dem Samurai war das jedoch anders. Anscheinend konnte Dulacre nur richtig kämpfen, wenn sein Gegner auch stark genug war, ansonsten war es für ihn noch nicht mal ein wirklicher Kampf.

Wie lange also lag sein letzter Kampf nun schon zurück? Jiroushin hatte mal erwähnt, dass sein letzter ebenbürtiger Sparringpartner der rote Shanks gewesen war, bevor dieser seinen Arm wegen Ruffy verloren hatte.  Zorro hielt die paar Wochen schon kaum aus, wie würde er sich nach über 15 Jahren fühlen?

„Aber das bringt mich jetzt auch nicht weiter“, murrte er, erhob sich wieder und fuhr mit seinen Übungen fort.

Es war frustrierend, er wusste wie viel schneller er sich verbessern würde, wenn er ein Gegenüber zum Kämpfen hätte, aber laut Mihawk würde Jiroushin dafür nicht mehr ausreichen - was auch immer das bedeuteten mochte - und daher hatte Zorro niemanden mehr mit dem er sich messen konnte.

Niemandem, außer dem verdammten Samurai, der nicht gegen ihn kämpfen wollte.

Aber wie sonst sollte er seine Hakikontrolle verbessern?

Seine Bewegungen waren gut, noch nicht perfekt, aber gut. Doch er merkte, dass die Stärke und Flexibilität seiner Rumpfmuskulatur noch nicht da waren, wo Dulacre ihn haben wollte. Er wusste auch, dass seine Balance noch ausbaufähig war, doch je länger Zorro die Übungen wiederholte, desto sicherer wurde er, dass dies nicht der richtige Weg war.

Ja, er verbesserte sich, aber es war nicht genug, nur in statischen Bewegungen seinen Körper kontrollieren zu können.  Ein Kampf war keine Abfolge der gleichen Bewegungsabläufe wieder und wieder, sondern unerwartete Momente, plötzliche Impulse und unvorhersehbare Einflüsse.

Nichts davon würde Zorro in seinen Trockenübungen lernen. Um sich auf Kämpfe vorzubereiten musste Zorro im Kampf üben seinen Körper zu kontrollieren, so wie damals sein Observationshaki, welche Zorro viel leichter in Ruhe ausüben konnte als wenn er sich noch auf etwas anderes konzentrieren musste.

Mihawk würde nicht gegen ihn kämpfen, aber allein konnte Zorro eine Kampfsituation nur bedingt nachstellen. Er brauchte einen Gegner, ein Gegenüber, einen… Partner.

Für eine Sekunde stand er einfach nur da, belächelte sich für seine absolut lächerliche und erbärmliche Idee, und dann rannte er los.

 

Ungestüm stolperte er beinahe in die Bibliothek.

Der Samurai hatte sich gerade erhoben, einen Finger noch auf einer Zeile, und sah ihn überrascht an. Um ihn herum lagen zahllose Bücher, die meisten auf irgendeiner Seite aufgeschlagen und dann liegen gelassen.

„Lorenor“, erklärte er milde überrascht, „ist dein Training schon vorbei?“

„Nein“, entgegnete Zorro lautstark, „ich hab eine Idee!“

Nun neigte der Ältere leicht den Kopf und betrachtete ihn aufmerksam.

„Eine Idee für was?“, fragte er nach und klappte dann das Buch, welches er gerade noch gelesen hatte, zu.

„Wie du mit mir trainieren kannst, ohne dass wir kämpfen müssen, damit ich besser werde. Wir beide wissen, dass diese Trockenübungen mich nicht schnell genug weiterbringen.“

„Ist das so?“, bemerkte Mihawk und trat langsam auf ihn zu.

In den letzten Tagen benahm er sich seltsam, fand Zorro, aber es kümmerte ihn nicht wirklich, der andere hatte schon mal solche Phasen, das wusste Zorro. Dennoch war der Samurai die letzten Tage relativ gut gelaunt, was es für Zorro überraschenderweise auch einfacher gemacht hatte, seine eigene Laune zu kontrollieren. Trotzdem fiel es Zorro immer noch relativ schwer nicht in negativen Gedanken zu schwelgen.

Dennoch war Zorro nicht entfallen, dass der andere vorsichtiger in seiner Wortwahl geworden war; er stellte mittlerweile öfters Fragen – wie diese gerade – anstatt einfach zu sagen was er dachte. Seit ihrer Rückkehr war er sehr höflich und selten forsch gewesen.

Am Anfang hatte Zorro gedacht, dass der Ältere Rücksicht darauf nahm, dass Zorro immer noch Schwierigkeiten damit hatte seinen Dämon zu kontrollieren, aber irgendetwas war seltsam.

Mit den Schultern zuckend, ignorierte er diesen Gedanken.

„Du hast mir mal gesagt“, meinte er und atmete tief ein ehe er weitersprach, „dass ein guter Schwertkampf wie ein Tanz ist.“

Die Augen des Samurais weiteten sich eine Spur.

„Also, tanzen wir.“

„Wie bitte?“ Ein böses Grinsen schlich sich über Dulacres Züge. „Du hasst es zu tanzen.“

„Ich weiß“, murrte Zorro und hob die Hände entnervt.

„Außerdem haben wir das doch bereits am Anfang deiner Ausbildung ausprobiert und du schienst nicht…“

„Das war was anderes. Ich hab’s nicht verstanden, okay?“ Zorro ging auf den anderen zu und blieb direkt vor ihm stehen. „Es ging damals nur ums Observationshaki, aber dir muss doch auch aufgefallen sein, dass ich den Kram mit der Balance und der Flexibilität so nicht wirklich verbessern kann.“

„Den Kram?“, widerholte Dulacre mit hochgezogener Augenbraue.

„Ach verdammt nochmal, du weißt was ich meine und du weißt, dass ich Recht habe. Diese blöden Standartübungen helfen mir nicht wirklich weiter. Ich muss meine Schwachpunkte trainieren, aber in den Übungen fallen sie nicht auf. Wenn ich im Kampf keine Fehler machen soll, muss ich das Gefühl im Kampf üben. Ich kann nicht erwarten meinen Körper jederzeit im Kampf perfekt kontrollieren zu können, wenn ich nicht daran gewöhnt bin, dass etwas unvorhergesehenes passiert.“

„Und du denkst, du könntest das am ehesten lernen, indem wir miteinander tanzen?“

„Nein“, knurrte Zorro den anderen an und war drauf und dran ihm am Hemdkragen zu sich runter zu ziehen. „Ich denke, dass ich es am ehesten üben könnte, wenn wir miteinander kämpfen würden oder wenn ich mit irgendwem kämpfen würde, aber…“

Dulacre winkte ab. „Ich weiß ja, dass du gerne kämpfst, Lorenor, aber ein Training mit einem schwächeren Gegner wird dich nicht wirklich fördern, auch wenn es sich anders anfühlen mag, daher ist Jiroushin…“

„Ich weiß!“ Nun zog Zorro den Älteren doch zu sich herunter. „Hör mir doch einfach mal zu, du Mistkerl!“

Er schnaubte laut auf und sah den anderen direkt an, der nur die Augenbrauen anhob und ansonsten schwieg, sich nicht mal gegen Zorros Hände wehrte.

„Ich akzeptiere, dass Kämpfen nicht drin ist, okay, aber ich brauche die Unberechenbarkeit eines Gegners zum Trainieren und wenn das im Kampf mit dir nicht möglich ist, dann…“

„... vielleicht in einem Tanz“, beendete der Samurai seinen Satz nachdenklich und löste sich nun doch von seinem Griff.

„Genau.“ Tief einatmend machte Zorro einen Schritt zurück und beobachtete den anderen dabei, wie er seinen Vorschlag abwog.

Mihawk verschränkte die Arme und begutachtete Zorro eindringlich, seine gelben Augen schienen alles an ihm wahrzunehmen, schienen ihn ansehen zu können wie er die letzten Stunden Training verbracht hatte.

Zorro mochte diesen Blick, er erfüllte ihn mit einer Mischung aus Stolz und Neugierde.

„Nun gut“, sprach Dulacre mit einem sachten Nicken, „es ist wohl einen Versuch wert.“

Ein erleichtertes Lächeln glitt Zorro übers Gesicht, bis ihm bewusst wurde, wozu er den Samurai gerade überredet hatte.

„Meinetwegen, Lorenor, lass uns ausprobieren, ob deine Idee wirklich sinnvoller ist als dein jetziges Training.“

Dulacre schritt an ihm vorbei und plötzlich war es wieder Zorro, der dem anderen hinterherlief.

„Aber warst du nicht gerade dabei irgendetwas nachzulesen?“, murmelte er als sie durchs Schloss eilten und irgendeine Treppe hinaufgingen.

„Gerade als du kamst habe ich die Antwort gefunden, nach der ich gesucht habe“, erklärte der Ältere, „glücklicherweise, möchte ich meinen, ich kann mich nicht erinnern so lange am Stück recherchiert zu haben. So langweilig.“

„Hast du etwa die ganze Nacht durchgelesen?“

Am vergangenen Abend hatte Zorro nur mit Perona gegessen, weil der andere noch in der Bibliothek gehockt hatte.

„So ziemlich“, gähnte der andere auch sogleich ungehalten, „ich wollte es schnell hinter mich bringen, damit ich so wenig von deinem Training verpasse, wie möglich.“

„Wo laufen wir eigentlich hin?“ Zorro ignorierte die seltsame Bemerkung, die vielleicht ein Lob darstellen sollte. „Ich dachte, du gehst mit mir raus trainieren, aber ich hab das Gefühl, dass wir uns irgendwo verlaufen haben.“

Ich verlaufe mich nicht, Lorenor“, entgegnete der andere kühl, aber mit einem schneidenden Unterton, „und wir gehen nicht nach draußen trainieren, wir gehen tanzen und wo macht man das am besten?“

Sie hatten die oberste Stufe der langen Treppe erreicht und der Samurai stieß die dort auf sie wartenden Flügeltüren auf.

„In einem Ballsaal.“

„Wir haben einen Ballsaal?“

Zorro lugte an dem anderen vorbei in den… Saal, anders konnte er es nicht beschreiben. Sie standen an einer riesigen Empore, von der an den Seiten und in der Mitte Treppen aus weißem Mamor nach unten auf eine riesige Tanzfläche führten, fast so groß wie damals der Saal, in dem der Marineball stattgefunden hatte.

„Natürlich, Lorenor. Das hier ist ein Schloss, früher gab es hier auch Bälle, daher der Ballsaal.“

„Aha…“

Im Dämmerlicht des Tages, welches durch die riesigen, verstaubten Fenster mehr schlecht als recht den Raum erhellte, wirkte der Saal nicht so eindrucksvoll wie Dulacre wohl beabsichtigte. Verlassene Spinnennetze verklebten einst goldene Kerzenständer und Kronleuchter, schwere Wandvorhänge wirkten vor Staub eintönig und grau.

„Nun denn, Lorenor.“ Plötzlich verbeugte sich der Samurai tief vor ihm und hielt ihm seine Hand hin. „Erweist du mir die Ehre eines Tanzes?“

Eine Sekunde starrte Zorro den anderen verwirrt an.

„Ach, lass den Schwachsinn“, murrte er, ließ den anderen stehen und ging die Treppe zum Saal hinab.

„Tze, unmöglich.“ Die Schritte des Älteren folgten ihm. „Bist du dir wirklich sicher, dass du das tun möchtest?“

„Mit jedem Wort, das du sagst, weniger“, erwiderte Zorro böse grinsend und drehte sich zum Samurai um als sie unten ankamen. „Aber ich will besser werden, koste es was es wolle.“

„So unverschämt.“ Dulacre hielt ihm erneut eine Hand hin. „Was für ein vorlautes Mundwerk du doch hast.“

Anstatt zu antworten griff Zorro diesmal zu und erlaubte, dass Dulacre ihn in eine Tanzposition zog.

„Du genießt das hier viel zu sehr für meinen Geschmack“, knurrte er und legte seine freie Hand auf die Schulter des Samurais. Erneut fiel ihm auf, dass der geringere Größenunterschied es wirklich angenehmer machte als in seiner anderen Gestalt.

„Ach, nur ein bisschen.“ Erst schmunzelte er, doch dann wurde der Ältere ernst. „Mir ist egal, ob du bei dieser Übung auch Haki üben möchtest oder nicht; sinnvoller wäre es wohl, aber wie du schon sagst ist der Hauptsinn, dass du deinen Körper auch in unerwarteten Bewegungen in einer perfekten Harmonie hältst, um nicht nur reagieren sondern auch um agieren zu können.“

Mit seinem Ellenbogen stieß Dulacre Zorros Arm nach oben.

„Darum erwarte ich von dir eine perfekte Körperhaltung. Verzichte lieber auf Haki, als dass deine Körperhaltung drunter leidet und konzentriere dich erst darauf, wenn du keine anderen Fehler mehr machst. Ich will, dass du so gut tanzt, als wäre es dein Leben, als würdest du Kanan stolz machen wollen.“

„Was?“ Entgeistert sah Zorro zu dem anderen auf. „Hör mal, ich weiß was der Sinn dieser Übung ist – es war meine verdammte Idee – aber ich muss es nicht mögen, okay?“

Missbilligend schnalzte Mihawk mit der Zunge.

„Du verstehst es anscheinend nicht, Lorenor, und das obwohl es deine Idee ist. Solange du dich wehrst, solange lässt du dich nicht völlig drauf ein und jeder Widerstand in deinem Kopf wird auch zu einem Widerstand in deinem Körper, das weißt du doch.“

Verdammt, das klang leider nachvollziehbar.

„Okay“, murrte Zorro und schollt sich innerlich für seine eigene, beschissene Idee.

„Jetzt schmoll nicht, Lorenor. Ich finde deine Idee gut; es ist eine sinnvolle Möglichkeit für mich deinen Kampfpartner darzustellen, ohne dich in Gefahr zu bringen.“

„Ja, ganz super“, kommentierte er sarkastisch.

„Ach, Lorenor. Du hast schon recht, Schwertkampf und Tanz sind sich nicht unähnlich. Ein guter Kämpfer ist meist auch ein guter Tänzer und umgekehrt.“ Der andere griff Zorros Hand fester. „Und ich bin der beste Schwertkämpfer der Welt.“

Es ging schnell. Bevor Zorro wusste was überhaupt geschah, zog der Samurai ihn durch den Raum. Das hier hatte nichts mit dem Tanzen zu tun, was Zorro bisher kannte. Bisher hatten sie zu einem gleichmäßigen Takt Schritte wiederholt und wiederholt bis Zorro sie sich eingeprägt hatte.

Nun jedoch schien der Samurai kaum auf ihn zu achten, zog ihn einfach mit sich und schleuderte ihn durch den Raum. In einer Sekunde waren sie an der Treppe, in der nächsten direkt am anderen Ende des Tanzbereiches.

„Achte auf deine Beinarbeit, Lorenor, meine Aufgabe ist nicht, dich durch die Gegend zu schleifen.“

Höhnisch lachte er auf, er hatte kaum das Gefühl überhaupt den Boden berühren zu können, so schnell eilten sie über den Boden.

„Nicht nach unten schauen, du verwirfst dich.“

„Mach mal langsamer, ich komm kaum mit.“

„Nein.“

Im nächsten Moment stieß der Samurai ihn von sich, nur um ihn innerhalb desselben Atemzugs wieder zu sich zu ziehen.

„Deine Aufgabe ist es mitzuhalten. Ich werde mich deinem Können nicht anpassen. Du willst besser werden? Dann werde besser.“

Was für ein Training hatte Zorro sich da eingebrockt?

Innerhalb von wenigen Minuten war er außer Atem und schwitzte am ganzen Körper. Das Training vom Morgen wirkte dagegen wie nicht mehr als eine kleine Dehnübung. Wieso war Tanzen plötzlich so anstrengend?

„Du bist zu verspannt“, erklärte Dulacre, als ob er seine Gedanken lesen würde. „Du gehst dieses Training falsch an. Es ist wie du gesagt hast, ich bin dein Gegner, dir um Längen überlegen, werfe dich durch den Raum wie es mir passt, und was machst du? Du denkst über mögliche Tanzschritte nach? Du versuchst den Takt des nichtvorhandenen Liedes zu hören?“

Aus dem Nichts klatschte der Samurai ihm gegen die Wange, ohne dass seine Hand sich von Zorros Schulterblatt gelöst zu haben schien.

„Wach auf, Lorenor! Wir tanzen hier nicht auf einem Marineball, das hier ist unser erster richtiger Kampf!“

Es war wie ein Blitzeinschlag.

Es war eine Idee gewesen – eine verdammte Schnapsidee – und nun machte Dulacre bitterernst. Obwohl er vor weniger als einer halben Stunde erst davon gehört hatte, schien er schon einen Plan zu haben, und Zorro konnte es kaum glauben.

Aber das war jetzt egal. Das hier war kein Tanz, keine Trainingsidee, keine Trockenübung, kein Übungskampf; es war genau wie Dulacre sagte, das hier war ihr allererster Kampf.

Zorros Herzschlag verlangsamte sich und für einen Moment wurde die Welt ganz ruhig. Genau, es war wie ein Kampf, ein Kampf gegen einen hoffnungslos unbesiegbaren Gegner. Allmählich kroch ihm ein Grinsen auf die Lippen, solche Kämpfe waren ihm die liebsten.

Eine Sekunde lang schloss er die Augen und nahm langsam alles in sich auf, schärfte seine Sinne und weckte alle seine Fähigkeiten, öffnete seinen Geist.

„Also doch Haki“, murmelte der Samurai, doch Zorro ignorierte ihn.  „Na, so einfach mach ich es dir nicht.“

Im nächsten Moment stolperte Zorro und wäre beinahe gefallen, wenn der andere ihn nicht wieder nach oben gezogen hätte. Böse grinste Dulacre zu ihm hinab.

„Komm, mein kleines Äffchen, tanz.“

Es machte ihm also doch Spaß. Zorro erkannte dieses Grinsen sofort. Es war das gleiche wie damals, als Dulacre festgestellt hatte, dass Zorro Lady Loreen sein könnte, das gleiche Grinsen, wie damals als Dulacre ihm fast die Kehle zugedrückt und in die Luft gehoben hatte. Es war das gleiche Grinsen, wie damals als Zorro ihn gefragt hatte, ob es Dulacre Spaß gemacht hatte mit seinem Dämon zu kämpfen.

„Wer ist jetzt hier vorlaut?“, murrte er und griff fester zu, fast gleichzeitig legte sich eine unsichtbare Rüstung um seine Haut.

„Ist die Ummantelung Absicht?“, hakte Dulacre direkt nach. „Ansonsten weg damit. Sie ist derzeit sinnlos; du wirst mir so oder so nichts tun können und du bist noch nicht soweit dich auch noch darauf konzentrieren zu können.“

Zorro schwieg, er hatte auch keinen Atem zu antworten, während er mehr schlecht als recht versuchte den Schritten des anderen zu folgen. Es war eindeutig kein Tanzen, er versuchte nur irgendwie rechtzeitig den Boden zu berühren, bevor er stolpern würde.

„Hörst du mir nicht zu? Kein Rüstungshaki.“

Er musste seine Atmung anpassen, wenn er zu schnell aus der Puste kam würde sein Herzschlag hektisch werden, was ein ruhiges Denken erschweren würde und er musste ruhig sein, wenn er seinen Gegner analysieren und bezwingen wollte.

„Lorenor!“

Plötzlich hielten sie an, irgendwo mitten im Raum. Wütend starrte der Samurai zu ihm hinab.

„Konzentrier dich, hörst du?“ Dulacre ließ ihn los. „So wird das nichts.“

„Was?“

Warum war der andere denn jetzt plötzlich sauer?

„Was ist dein Problem?“

„Mein Problem ist, dass du nicht zuhörst. Das hier ist nicht ungefährlich, verstanden?“

„Du hast eben noch gesagt, dass es dir egal ist, ob ich Haki einsetze oder nicht, also…“

„Ich hätte kein Problem damit, wenn du dein Rüstungshaki absichtlich angewandt hättest, aber das hast du nicht, oder?“

Dulacre ergriff seine Hand und legte die andere an Zorros Schulterblatt.

„Lorenor, deine Stärke - dein Talent - ist deine unfassbare Kontrolle über dich selbst. Du wirst mich nur besiegen können, wenn du in dieser einen Sache besser wirst, die ich nicht perfektioniert habe.“

„Freundlichkeit, Respekt, Einfühlungsvermögen, Bescheidenheit, Ged…“

„Kontrolle!“, bellte der Samurai errötend dazwischen.

Zorro grinste ihn nur an.

„Du missratenes Gör, es ist wichtig, was ich dir sage, also mach keine Scherze darüber.“

Er hörte auf zu Grinsen, als der andere fast schon enttäuscht zu ihm hinabblickte. Das mochte er nicht, er wollte keine Enttäuschung – keine Zeitverschwendung - sein.

„Lorenor, begreife es doch endlich. Hier geht es nicht nur um dich, hier geht es auch um das was ich will. Ich weiß genau, wie gut du bist und ich weiß genau, was dir noch fehlt und dein einziger Vorteil mir gegenüber ist nun mal deine Kontrolle, also darf diese nicht ein einziges Mal auch nur wanken, wenn du es je mit mir aufnehmen willst.“

„Warum bist du jetzt auf einmal so ernst. Das weiß ich doch alles?“

Der Samurai seufzte schwer. Doch dann lächelte er sachte.

„Dann ist ja gut. Lass uns weitermachen.“

„Nein.“

Dulacre hatte bereits den ersten Schritt gemacht und hatte sichtlich Mühe sich selbst zu unterbrechen.

„Wie bitte?“

Zorro holte tief Luft. Er hatte sich Gedanken gemacht, dass der Samurai komisch drauf war, aber nun war er wieder genau wie vorher, schnell von einer Stimmung in die andere gerutscht. Aber das gerade, das war…

„Du lügst mich an.“

„Was?“ Nun sah der Ältere ihn beinahe erschrocken an.

„Wenn du so grundlos wütend wirst, hat das meistens einen Grund, den ich nicht weißt.“

„Hörst du dir überhaupt zu?“, versuchte Mihawk ihn zu unterbrechen, aber Zorro sprach weiter.

„Warum betonst du das so? Warum bist du so wütend darüber, dass ich eine Sekunde lang nicht auf mein Haki aufgepasst habe? Du tust so, als wäre es etwas Schlimmes, aber warum sollte es das sein? Was verheimlichst du mir?“

Lachend ließ Dulacre ihn los und wandte sich ab. Er ging einige Schritte weg, ehe er sich wieder zu Zorro umdrehte.

„Lorenor, du wirst mir manchmal wirklich unheimlich.“

„Ich habe also Recht.“

Der Ältere nickte und ging in die Ausgangsposition.

Kurz seufzte Zorro auf, dann schritt er auf den Samurai zu und nahm dessen Hand. Überraschend langsam drehten sie sich; das erste Mal, dass Zorro mit den Schrittfolgen des Älteren überhaupt mithalten konnte.

„Für Menschen wie uns ist Kontrolle absolut essenziell“, erklärte Dulacre ruhig, „wir haben Kräfte, von denen andere nur träumen können, stark genug, um uns selbst zu zerstören.“

Aufmerksam hörte Zorro dem anderen zu. Er hatte keine Ahnung, worauf der andere hinauswollte und es war nicht so, als hätte Mihawk so etwas nicht schon tausendmal erklärt, aber die Art wie er nun klang, die Art wie er sich die letzten Tage benommen hatte, all das ließ Zorro aufhorchen.

„Was hat Jiroushin dir über mich erzählt?“, fragte der Ältere dann unvermittelt.

Verwirrt sah Zorro auf, doch Dulacres Blick lag nicht auf ihm, die gelben Auge schienen irgendetwas in weiter Ferne zu begutachten.

„Dass du dich nicht kontrollieren kannst. Dass du von Natur aus keine Selbstregulation hast.“

Erneut schmunzelte der Ältere.

„Ach, der gute Jiroushin, ganz Unrecht hat er wohl nicht.“ Dann sah der Samurai Zorro doch an. „Und doch liegt er falsch.“

„Was meinst du damit?“

„Oh, Lorenor, ist es nicht ganz offensichtlich? Ich war mal wie du.“

„Was?“

Erneut drehten sie sich.

„Oh ja, ich war nicht dieses unkontrollierbare Monster, vor dem heute die ganze Welt Angst hat. Ich war ein überaus talentierter Schwertkämpfer und wich keinem Kampf aus, der interessant werden könnte. Meine Kontrolle war sondergleichen und bereits als Kind war ich besser als die meisten Erwachsenen. Natürlich konnte ich nie an Sharak herankommen, aber verstecken brauchte ich mich gewiss nicht und ja, es gab kaum einen Kampf den ich nicht führen wollte, selbst gegen Schwächere, solange sie es wert waren.“

„Und was ist dann passiert?“

„Meine Schwester starb, meine Mutter starb, und meine Kontrolle wurde mir gleich.“ Dulacre neigte leicht den Kopf. „Ich war eben nicht ganz ehrlich zu dir; du wirst mich wahrscheinlich selbst dann besiegen können, wenn du deine eigene Kontrolle nicht perfektionieren solltest. Aber das wäre ein Schicksal, das ich dir gerne ersparen würde.“

„Warum?“

„Weil deine einzige Hoffnung auf einen richtigen Kampf dann ein vorlauter Bengel sein wird, den du selbst trainieren musst in der dauernden Sorge ihn ausversehen umzubringen.“ Immer noch lächelte der Ältere beinahe zuckersüß. „Es geht bei der Kontrolle nicht um die absolute Stärke, Lorenor. Vielleicht ist sie sogar hinderlich; wahrscheinlich bin ich noch viel stärker, weil ich mich nie ganz regulieren kann.“

Zorro drehte sich aus.

„Aber wenn du der Beste wirst auf dem gleichen Weg, wie ich der Beste wurde, Lorenor, dann wird es eine einsame Bürde werden. Glaub mir, ich weiß genau wovon ich rede.“

Schweigend dachte er über die Worte des anderen nach.

„Das werde ich nicht zulassen“, murrte Zorro dann entschlossen, drehte sich wieder ein und packte den anderen fest an der Hand.

„Ich hab schon längst entschieden, dass ich dich nicht nur einmal besiegen will.“ Die Augen des anderen wurden groß, aber er sagte nichts. „Ich will gegen dich tausendmal kämpfen und jedes einzelne Mal davon gewinnen und dann will ich dich noch tausendmal als Loreen besiegen und da ich dich nicht ausversehen umbringen will, bedeutet das, dass ich meine Kontrolle perfektionieren werde, egal wie schwierig das sein mag.“

Dulacre wandte den Blick ab.

„Du bist einfach unmöglich“, murmelte er und sah wieder auf. „Du weißt schon, dass du mir gerade gestanden hast, dass du nicht vorhast mich bei unserer alles entscheidenden Schlacht umzubringen?“

Zorro schnaubte lachend auf.

„Hast du wirklich noch geglaubt, dass ich das nach alle dem was geschehen ist, noch tun würde? Du bist zwar echt nervig und manchmal frage ich mich, wie ich es mit dir aushalte, aber umbringen werde ich dich deswegen nicht.“

Plötzlich nahm der Ältere Tempo auf und Zorro merkte wieder einmal, dass er trotz seiner großen Worte noch lange nicht da war, wo er sein wollte.

„Und wieder einmal unterschätze ich dich, Lorenor“, lachte der Ältere, „also komm, werde stärker und besiege mich.“

 

 

Kapitel 50 - Gartenarbeit

Kapitel 50 – Gartenarbeit

 

-Zorro-

„Willkommen zurück“, murrte er, ohne von seinem Buch aufzusehen.

Der Samurai murmelte etwas Zustimmendes und ließ sich in seinen Sessel fallen und zog mühsam seine Stiefel aus, ein Zeichen dafür wie anstrengend sein Tag gewesen sein musste.

„Wie war es?“, fragte Zorro milde interessiert nach.

„Laut“, kommentierte Dulacre trocken, erhob sich wieder und ging auf Socken zum kleinen Teewaagen hinüber, auf dem verschiedenster Alkohol stand, den er normalerweise nur selten anrührte.

„Ich nehm auch ein Glas“, bemerkte Zorro, weiterhin am Lesen.

„Ein Glas Wasser nehme ich an.“

„Ach, komm, stell dich nicht so an. Ein bisschen Whiskey wird mich schon nicht umbringen.“

Er konnte den entschiedenen Blick des Älteren auf sich fühlen und winkte aufgebend ab.

„Lirin hat nach dir gefragt“, erklärte Dulacre dann ruhig und setzte sich erneut hin, einen tiefen Schluck von seinem viel zu vollen Glas nehmend. „Sie war ziemlich wütend, dass ich dich nicht mitgebracht habe.“

Zorro hob nur eine Augenbraue an.

„Ich denke, Jiroushin sah das etwas anders“, meinte er und blätterte eine Seite um.

„Nun ja, Jiroushin war so außer sich, ich glaube er hätte dir sogar das mit der G6 verziehen, wenn du ihn gefragt hättest.“

„Also ist alles gut verlaufen?“

Laut ausatmend nickte der Samurai und lehnte sich zurück.

„Alles ist gut verlaufen, Jiroushin ist Vater.“ Dann lächelte Dulacre und es war einer der wenigen ehrlichen Momente, die Zorro bei ihm gesehen hatte.  „Ein Glück ist alles gut gegangen. Ein gesundes Kind, stark, sagen die Ärzte, insbesondere wenn man bedenkt, dass Lirin schon keine junge Frau mehr ist. Aber beiden geht es gut und alle sind ganz aus dem Häuschen. Ein Wunder, dass das kleine Ding bei dem ganzen Tumult überhaupt schlafen konnte.“

Zorro beobachtete den anderen aus dem Augenwinkel, während dieser weitersprach.

„Ich meine, ich weiß, ich bin nicht wirklich ein Familienmensch, aber du meine Güte, wie viele Mitglieder hat so eine normale Familie denn? Und sind die immer alle so laut? Ich weiß nicht wie viele fremde Menschen mich einfach umarmt haben. Es war ganz grausig, wer geht denn schon gerne auf solche Familienfeste?“

„Na, das kann uns ja nicht passieren“, bemerkte Zorro abwesend und wandte sich wieder seinem Buch zu.

„Wie bitte?“ Ein halber Blick sagte ihm, dass sich der Samurai etwas gerader hingesetzt hatte und ihn misstrauisch ansah. „Wie meinst du das?“

„Wie soll ich das schon meinen? Deine einzige Familie besteht aus deinem Vater, den du nicht abhaben kannst. Ich hab keine Familie. Daher wirst weder du noch ich je Familienfeste haben.“

Er konnte hören wie der Ältere sein Glas abstellte.

„Was für eine Erleichterung“, seufzte dieser laut.

„Allerdings ist meine Crew mit Sicherheit genauso anstrengend und du gehörst ja jetzt faktisch zu Jiroushins Familie, nicht wahr, Patenonkel Hawky.“

Nun sah Zorro auf, um den erstarrten Ausdruck des Samurais zu sehen, der sich leider zu schnell wieder fing.

„Noch bin ich nichts dergleichen“, murrte Dulacre und nahm erneut einen tiefen Schluck, „erst nach der Taufe werde ich einen Ehrenplatz in dieser anstrengenden Familie erhalten. Dahin wirst du mich übrigens begleiten, Lirin hat ziemlich deutlich gemacht, dass selbst der Tod keine annehmbare Ausrede für dein Fernbleiben sein würde.“

„Oh Mann.“ Zorro kratzte sich am verdeckten Ohr. „Diese Frau ist echt nicht ohne.“

Dann bemerkte er wie Dulacre ihn ernst beobachtete. Schnell ließ Zorro seine Hand sinken und setzte ein böses Grinsen auf.

„Aber mal ehrlich, das arme Kind, wer kommt schon auf die Idee dich als Patenonkel auszuwählen?“

Dulacres Blick traf den seinen, doch offensichtlich ließ er sich auf Zorros Ablenkungsmanöver ein.

„Ach Lorenor, tu mir doch nicht immer so Unrecht“, meckerte er leichtfertig. „Du vergisst, wer ich bin. Als letzter Mihawk gehöre ich zu den reichsten Menschen der Welt und ich habe keine Erben, ich stamme von den Weltaristokraten ab und habe mehr Einfluss als manche Königreiche. Außerdem gehöre ich zu den stärksten und mächtigsten Kriegern der Welt. Jiroushin wäre dumm seinen hilflosen Säugling nicht unter meinen Schutz zu stellen.“

„Vollidiot.“ Zorro entschied weiterzulesen.

„Wie war das?“

Aufstöhnend sah er wieder auf.

„Glaubst du wirklich, dass Jiroushin dich wegen so etwas gefragt hat?“

Für einen Augenblick sah der Ältere ihn nachdenklich an.

„Lorenor, unbeachtlich etwaiger emotionaler Beweggründe sollten solch wichtige Entscheidungen immer auf rationalen Motiven beruhen. Mir ist natürlich bewusst, dass Jiroushin und ich schon seit langer Zeit gute Freunde sind, aber ich bin nicht gerade der Typ Mensch, den man um sein Kind herum haben möchte und ein Vorbild bin ich ganz gewiss nicht. Das einzige, womit ich Jiroushins Balg dienlich sein kann, ist mit meinem Geld, meinem Ruf und meiner Macht.“

„Ich sag’s ja“, meinte Zorro unbeeindruckt, „du bist ein Vollidiot.“

„Lorenor!“

Dulacre schnappte ihm das Buch aus der Hand, doch Zorro grinste nur.

„Auch wenn du der beste Schwertkämpfer der Welt bist und vielleicht sogar der beste Lehrer, den ich haben kann, glaubst du wirklich ich würde mir dein nerviges Gehabe und deine arrogante Art nur deswegen antun? Tze.“

Der Samurai sah ihn fassungslos an.

„Und ich denke mit Jiroushin ist es das gleiche. Macht, Reichtum und Stellung bringen dir keine wahren Freunde ein, Dulacre, erst recht nicht bei so einem beschissenen Charakter wie deinem. Glaub mir, Jiroushin sind diese Sachen wahrscheinlich noch unwichtiger als mir. Der einzige Grund, warum er so dämlich war, dich als Patenonkel zu wählen ist, weil ihre Freunde seid und nichts sonst.“

Zorro erhob sich und nahm dem anderen das Buch wieder aus der Hand, dabei segelte der Umschlag zu Boden, den Zorro nachlässig als Lesezeichen verwendet hatte. Der Samurai hatte ihn als erstes in der Hand.

„Ein Brief von Eizen?“ Seine Stimme verriet Zorro nur zu gut, dass der Ältere wieder mal viel zu empfindlich reagierte. „Und du hast ihn noch nicht mal geöffnet.“

„Das muss ich auch nicht“, murrte Zorro und versuchte nach dem Brief zu greifen, aber gegen die langen Arme des Samurais stand er auf verlorenem Posten. „Es ist nichts Wichtiges. Nichts worüber du dich aufregen müsstest.“

„Es ist ein Brief von Eizen, Lorenor, und du willst mir sagen, dass es irrelevant ist? Du weißt doch noch nicht mal was…“

„Es ist ein Scheck, okay?“

Nun sah der andere ihn mit Überraschung an und ließ seine Hände zurück in seinen Schoß sinken.

„Ein Scheck?“, hakte Dulacre misstrauisch nach.

„Ja, einmal im Monat sendet er mir einen Scheck, als Entschädigung dafür, dass ich – Lady Loreen – immer in Rufbereitschaft stehe. Die Briefe sind leichter als die anderen, daran erkenne ich es. Es ist also wirklich nichts wichtiges.“

Der Samurai warf ihn einen fragenden Blick zu und auf Zorros Nicken, verbunden mit einem ergebenen Seufzer, riss er den Umschlag auf und zog den Scheck hervor.

„Und du benutzt diesen Scheck als Lesezeichen für dein Buch?“, fragte der Samurai, während seine Augen über das Dokument huschten.

„Was soll ich sonst damit machen?“, entgegnete Zorro achselzuckend.

„Etwas Sinnvolles?“, meinte Dulacre mit erhobener Augenbraue und sah ihn wieder an. „Das hier ist totes Kapital, Lorenor.“

„Ist mir ziemlich egal. Ich will sein Geld nicht und ich werde mit dir jetzt nicht darüber diskutieren. Diese ganzen Schecks können mir gestohlen bleiben.“

„Hast du die bisherigen verbrannt?“

Es sollte Zorro überraschen, dass der Ältere noch nicht mal einen Streit vom Zaun brach, aber er war zu müde, um sich darüber noch Gedanken zu haben.

„Nein, sie sind in meinem Zimmer, im rechten Nachttisch. Wenn du sie willst, kannst du sie haben. Ich will sie nicht.“

Dulacre schob den Scheck zurück in den Umschlag.

„Auch wenn ich deine Zusammenarbeit mit diesem Mann nicht gutheiße, Lorenor, würde ich dir doch raten, zumindest die Vorteile davon auszukosten. Diese Alimente könnten sich als sehr nützlich herausstellen für dich. Du hast doch mit Sicherheit keinerlei Rücklagen oder Sicherheiten? Hast du überhaupt Eigentum abgesehen von deinen Schwertern und dem, was ich dir zur Verfügung gestellt habe? Wie sehen die finanziellen Mittel deiner Crew…“

„Dulacre!“, unterbrach er den anderen aufstöhnend und rieb sich den Nacken. „So etwas interessiert mich nicht. Ich habe meine Schwerter, Kleidung zum Anziehen und keinen leeren Magen. Ich brauche kein Blutgeld. Wie gesagt, wenn du es haben willst, nimm’s dir; rechtes Nachttischchen, untere Schublade.“

Beruhigend hob der Ältere beide Hände.

„Wie du meinst, Lorenor, ich werde dich zu nichts zwingen. Aber bist du dir sicher? Auch wenn ich deine Einstellung respektiere und achte, kommt es mir doch naiv und fahrlässig vor, diese Alimente nicht zu nutzen.“

„Da sind wir wohl einfach anderer Meinung“, beendete Zorro die Diskussion und zuckte erneut mit den Schultern. „Ich geh jetzt ins Bett, ich bin müde, außerdem werden wir doch heute eh nicht trainieren.“

„Natürlich nicht, nicht ehe es dir besser geht.“

Er blieb stehen.

„Mir geht’s gut, also können wir dann heute doch weitermachen.“

„Red keinen Unsinn.“ Zu Zorros Überraschung stand der Samurai hinter ihm und sah ernst zu ihm herab. „Bei einer solchen Verletzung ist es wichtig, dass du dich erholst.“

Bevor Zorro auch nur was sagen konnte, legte der Ältere eine Hand an seinen Verband.

„Lass das! Es ist nur ein Schnitt, nichts, um sich drüber aufzuregen.“ Er schlug die Hand des anderen weg und rieb den Verband, der die Hälfte seines Gesichts und sein linkes Ohr bedeckte. „Jetzt hör auf mich so anzugucken und hör auf dir Sorgen zu machen. Das ist doch keine richtige Verletzung, nur ein…“

„Spiel es nicht herunter, Lorenor.“ Er mochte es nicht, wie Dulacre ihn immer ansah, seitdem Zorro den Verband trug, fast schon als…

„Du weißt, dass das nicht deine Schuld ist, oder?“

Wie erwartet wich der Ältere seinem Blick aus.

„Es war meine Idee, Lorenor, und ich trage dafür die Verantwortung. Ich hätte es nicht vorschlagen sollen, es war unbedacht und…“

„Halt die Klappe.“

Der andere war wieder mal äußerst anstrengend. Zorro seufzte.

„Also um das klarzustellen: Es war deine Idee und ich hab mitgemacht – und wenn du mich fragst, war es deutlich besser als meine Idee mit dem Tanzen – also guck mich nicht so erbärmlich an und hör auf dir Leid zu tun. Tut es weh? Ja. Wird es eine Narbe hinterlassen? Ja. Bist du ein Vollidiot, weil dich jetzt das schlechte Gewissen plagt? Aber sowas von ja!“

„Du bist wieder einmal äußerst unhöflich.“

„Und du bist wieder einmal äußerst nervig. Ich gehe jetzt ins Bett.“

Er setzte seine Worte in die Tat um.

„Lorenor“, rief der Samurai ihm nach, „wenn du willst können wir morgen zumindest etwas tanzen.“

„Okay.“

Auch wenn Zorro es nie zugegeben würde, so musste er sich selbst doch zumindest eingestehen, dass das Tanzen ihm Spaß gemacht hatte. Es hatte wenig mit dem Tanzen zu tun, was er für den Marineball hatte lernen müssen, viel mehr war es, dass der Samurai einfach durch den Raum rannte und Zorro durch die Gegend schleuderte und Zorro irgendwie versuchen musste mitzuhalten.

Er war noch lange nicht da, dass er den Tanz von sich aus mitgestalten konnte, aber wann immer Zorro nach oben guckte, sah er das feine Grinsen des anderen und Zorro wusste, dass es auch dem Samurai Spaß machte.

Die vergangenen Wochen hatten sie nicht nur getanzt – zum Glück nicht nur – sondern an einigen anderen Dingen gearbeitet, aber seitdem Zorro den Verband um den Kopf trug, hatte Dulacre ihm regelrecht verboten auch nur aus dem Schloss zu gehen.

Die letzten Tage hatte Zorro eigentlich nur faul auf dem Sofa gelegen und gelesen. Der Samurai hatte selbst Perona verboten, dass Zorro ihr bei ihrer Gartenarbeit half und hatte ihr befohlen strickt darauf zu achten, dass Zorro sich in keinster Weise anstrengte – es war so nervig gewesen – insbesondere für die zwei Tage, die der Samurai unterwegs gewesen war.

Vorgestern Abend hatte Dulacre den Anruf bekommen, dass er dringend nach Sadao kommen sollte – die Insel auf der Jiroushin und Lirin lebten – und am vergangenen frühen Morgen hatte der Samurai sich gemeldet, dass die Geburt wohl erfolgreich verlaufen war.

Aufgrund der Verletzung hatte Zorro nicht mitreisen können, was ihn nicht gerade traurig gestimmt hatte, denn seit seinem letzten Streit mit Jiroushin hatten sie kein Wort mehr miteinander gewechselt und er war sich sicher, dass der Soldat gerade wichtigere Dinge im Kopf rumschwirren hatte, außerdem hatte Zorro überhaupt keine Lust auf fremder Leute Familienfeste.

Er war aber noch aus einem anderen Grund froh, dass er nicht hatte mitreisen müssen. Es stimmte, dass die Wunde nervig war und ziepte, aber wenn er sich verwandelte… Zorro seufzte.

Dulacre hatte gesagt, dass es ein Glück war, dass Lady Loreen keine Narben davontrug, schließlich würde Zorro nun für den Rest seines Lebens im Gesicht von einer gezeichnet sein und es würde ihm helfen zu verschleiern, dass er und Lady Loreen ein und dieselbe Person waren.

Zorro sah das etwas anders. Er hatte kein Problem mit Narben, im Gegenteil er trug sie mit Stolz über die vergangenen Kämpfe die er geführt und Entscheidungen die er getroffen hatte, und als Lady Loreen würde er nie diesen Stolz zeigen können. Zorro hatte auch kein Problem mit Schmerzen, sie zeigten, dass man noch lebte.

Aber die Wunde verheilte langsamer im anderen Körper und sie tat verdammt nochmal richtig weh.

Im Zimmer angekommen, plumpste Zorro mit dem Gesicht voran auf sein Bett und erlaubte seinem drängenden Körper sich zu verändern, innerhalb weniger Herzschläge hatte er sich verwandelt und schmerzvoll begann die Wunde über seiner linken Wange zu pochen. Der Druck gegen die Matratze half kaum.

Sich auf die Lippe beißend schlug liegend er mehrmals aufs Kopfkissen, um den Schmerz auszuhalten, diese Wunde war von all seinen Verletzungen als Loreen bei weitem die schmerzhafteste und so vermied er diesen Körper so lange es ging.

Aber nun würde er mehrere Stunden in diesem Körper aushalten müssen, wohl wissend, dass der Schmerz ihn nicht schlafen lassen würde.

„Lorenor.“

Verdammt! Er hatte vergessen abzuschließen, dabei wusste er noch nicht einmal, ob diese Tür überhaupt ein Schloss zum Abschließen hatte; er hatte bisher noch nie darüber nachgedacht, aber so oft, wie dieser verdammte Samurai ihn nervte, wäre das vielleicht einen Gedanken wert.

„Mir geht’s gut“, murrte er in die Decke, wobei allein die leichte Kieferbewegung ihn vor Schmerz zusammenzucken ließ.

„Du bist ein schlechter Lügner.“

Er konnte hören wie der Samurai näher kam.

„Lass mich einfach in Ruhe“, murmelte Zorro leise, um sein Gesicht möglichst wenig zu bewegen, „es braucht einfach Zeit zum Heilen. Nichts worüber du dir Gedanken machen musst.“

Der Stuhl an Zorros Bett kratzte über den Boden.

„Es braucht Zeit und die richtige Versorgung. Wann hast du das letzte Mal den Verband gewechselt?“

Zorro zuckte mit den Schultern, setzte sich aber auf. Dulacre saß genau vor ihm, ein kleines Köfferchen mit Verbandsmaterial auf dem Schoß.

„Na komm, lass mich mal sehen.“

„Das kann auch Perona machen.“

Der Samurai nickte.

„Das könnte sie, aber nur wenn du sie lässt, nicht wahr?“

Zorro rollte mit seinem unverletzten Auge und hockte sich an die Bettkannte während Dulacre begann seinen bereits lockeren Verband abzuwickeln, mit jeder Lage nahm der Druck ab und der Schmerz zu.

„Ich habe dir doch gesagt, dass du den Verband nach jeder Verwandlung oder zumindest einmal täglich wechselt sollst“, schollt ihn der Ältere.

„Wenn es nach mir ginge, würde ich gar keinen Verband tragen“, entgegnete Zorro mürrisch, hielt jedoch still.

„Ja, deshalb stell ja auch ich die Regeln auf.“

Der restliche Verband fiel in Zorros Schoß und die frische Luft brannte in der Wunde. Es kostete all seine Willenskraft nicht scharf Luft einzuziehen. Selbst nach fast einer Woche tat es so weh wie am ersten Tag.

„Sieht gar nicht schlecht aus“, beurteilte der Samurai und warf den dreckigen Verband zu Boden, ehe er eine störende Haarsträhne von Zorro zur Seite streifte.

Zorro wollte etwas entgegnen, hisste jedoch nur vor Schmerz auf, als Dulacre begann die Wunde mit einem feuchten Tupfer zu reinigen; in der freien Hand hielt er die noch fast volle Flasche Peroxidlösung, die Zorro nicht einmal benutzt hatte.

„Du musst aufpassen, dass die Ränder der Wunde geschmeidig bleiben und sich keine trockene Kruste bildet, die weiter einreißen kann.“

„Nicht meine… erste Wunde“, presste Zorro zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Dafür gehst du aber sorglos damit um.“

Schweigend ließ Zorro den anderen machen, vergrub seine Hände im Schoß und kämpfte gegen den Schmerz an, daran würde er sich wohl nie gewöhnen, dieser Körper war so viel empfindlicher.

„Vielleicht sollten wir es morgen doch noch ruhig angehen lassen“, überlegte Dulacre laut.

„Nein“, widersprach Zorro und sah ihn ernst an, „im anderen Körper… geht’s mir gut.“

Er musste tief einatmen als der Ältere das seltsame Gel aufsprühte, welches sich wie ein Schutzfilm über die Wunde legen sollte.

Mihawk entgegnete nichts, sondern hielt ihm eine Kompresse hin.

„Halt die drauf während ich verbinde.“

Ohne etwas zu erwidern folgte Zorro der Anordnung.

„Es scheint dir wirklich noch sehr weh zu tun“, bemerkte der Samurai nachdenklich. „Ich weiß, du hältst nicht viel von Medikamenten, aber vielleicht solltest du ein Schmerzmittel nehmen, damit du die Nacht durchschlafen kannst.“

„Nein.“

Unzufrieden schnalzte der Ältere mit der Zunge.

„Jetzt stell dich nicht so an. Wenn wir morgen zumindest das Tanzen wieder aufnehmen wollten, solltest du so gut erholt sein wie möglich.“

Er grummelte nur unzufrieden vor sich hin, hielt aber ansonsten still.

„So, fertig.“

Dulacre lehnte sich zurück während Zorro begann sein langes Haar schnell zu flechten, damit es aus dem Weg war. Nun, da die Wunde neu verbunden war und das Brennen sich etwas gelegt hatte, tat sie nicht mehr ganz so weh, trotzdem nervte es ihn.

„Du wirst ja immer besser damit“, murmelte der Samurai und beugte sich neugierig vor, seine Augen etwas zu sehr auf Zorros Hände fixiert. „Es hat etwas faszinierendes.“

„Nicht wirklich.“

„Du solltest jetzt wirklich etwas schlafen.“ Der Ältere erhob sich. „Morgen sehen wir dann, wie weit wir kommen.“

 

-Mihawk-

Nicht weit.

Lorenor versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, aber nicht nur seine Sicht war durch das verdeckte Auge beeinflusst.  Er hatte Schwierigkeiten mit Balance und Gleichgewicht, schätzte Entfernungen falsch ein und sein eingeschränktes Sichtfeld schien ihn immer wieder die Orientierung zu erschweren, die so oder so bereits alles andere als gut war.

Darüber hinaus zeigte sein sichtbares, zusammengekniffenes Auge, dass er offensichtlich zumindest Kopfschmerzen hatte.

Dulacre blieb stehen.

„Das reicht für heute“, erklärte er, sich dem bevorstehenden Streit wohl bewusst.

„Nein“, knurrte Lorenor auch zugleich, „ich kann weitermachen. Wir haben schon genug Zeit…“

„Dieses Mal wird es keine Diskussion geben, Lorenor“, entschied er kühl und drehte sich herum. „Ich finde du hattest einen hervorragenden Einfall, den Kampf durch den Tanz zu ersetzen, aber auch hierfür ist es notwendig, dass du körperlich belastbar bist und einen klaren Kopf hast.“

Er schritt durch den leeren Raum. In den vergangenen Wochen hatte Perona einiges ihrer freien Zeit darein investiert diesen Saal wieder vorzeigbar zu machen. Mittlerweile glänzten die Fliesen und Wände aus grünem Stein wieder eindrucksvoll unter dem Kerzenlicht der schimmernden Kronleuchter. Selbst die alten Wandteppiche hatten ihre blutrote Farbe zurückerlangt.

„Von nun an wirst du dauerhaft in deiner Sicht eingeschränkt sein. Dein Körper muss sich erst daran gewöhnen und dafür muss er genesen. Du hast diese Nacht mit Sicherheit kaum geschlafen. Wir hatten diesen Streit schon oft und ich bin es leid mich zu wiederholen.“

Kurz blickte er den anderen über seine Schulter hinweg an.

„Ich möchte auch, dass wir bald dein Training fortführen können, aber nicht so. Ich werde jetzt ein Glas Wein trinken und dabei die Zeitung lesen. Du kannst ja nachkommen, wenn du mit dem Schmollen fertig bist.“

In den letzten Monaten hatte Dulacre gelernt, dass diese Taktik weit effizienter war als sich auf eine Diskussion mit dem Jüngeren einzulassen, denn bei so einer Diskussion konnte er nur verlieren.

Er hatte das obere Ende der Treppe fast erreicht, als er hörte, wie der andere ihm folgte.

„Wir haben noch nicht mal Mittag“, murrte Lorenor während er zu ihm aufschloss.

„Für Wein ist es nie zu früh.“

Oben an der Treppe wartete er auf seinen Schützling.

„Warum nimmst du eigentlich immer diesen Weg?“, bemerkte der Jüngere als sie die Treppe auf der anderen Seite wieder hinabstiegen. „Du weißt schon, dass da unten zwei Flügeltüren sind, durch die man auch in den Ballsaal kommt, ohne Treppen zu laufen?“

„Aber das sind nun mal die Türen für die Bediensteten und das niedere Fußvolk, Lorenor, nicht für uns.“

„Sprich nur für dich selbst.“ Aus dem Augenwinkel sah er das Augenrollen des anderen. „Außerdem hat diese Insel hier weder Bedienstete noch Fußvolk oder sonst wen. Es gibt nur dich, mich, Perona und einen Haufen von Affen.“

„Redet ihr von mir?“ Am unteren Treppenabsatz ging gerade die Geisterprinzessin vorbei, die ihre Schürze losband. Vermutlich war sie soeben mit den Küchenarbeiten fertig geworden und wollte nun in den Garten. „Seid ihr schon fertig?“

„Für heute ja, Lorenor muss sich noch mehr ausruhen.“

„Muss ich nicht“, knurrte der andere angefressen, ehe er sich dem Gast des Schlosses zuwandte. „Brauchst du Hilfe draußen? Wenn wir heute eh nichts machen, kann ich auch mit in den Garten kommen.“

„Lorenor“, tadelte er den Jüngeren, „wir lassen dein Training nicht ruhen, nur damit du dich durch den Dreck wühlen kannst. Deine Wunde muss verheilen.“

„Jetzt reg dich mal ab. Ein bisschen Gartenarbeit wird mich nicht umbringen.“

„Also eigentlich…“ Perona unterbrach sie mit einem scheuen Lächeln. „…ist nicht viel zu tun. Die Human Drills sind mir eine große Hilfe, aber ich habe ihnen heute frei gegeben. Ich wollte nur ein paar Kartoffeln setzten, das kann ich auch alleine.“

„Siehst du, Lorenor. Das kann sie auch allein.“

Erneut rollte Lorenor sein sichtbares Auge, hob jedoch ergebend beide Hände während Perona weitereilte.

Auch die beiden Schwertkämpfer gingen weiter, wobei Dulacre doch eingestehen musste, dass das Geistermädchen ihn überraschte. Sie schien problemlos mit den Affen kommunizieren zu können, noch viel erstaunlicher war jedoch, dass die blutrünstigen, kampfsuchenden Krieger sich in Peronas Gegenwart zu zahmen Gärtnern entwickelt hatten.

Immer noch verschwanden sie so schnell sie konnten, wenn Dulacre sich ihnen näherte, aber ihre einstige Gewaltbereitschaft schien kaum mehr als eine verblassende Erinnerung.

Erst jetzt bemerkte er den Blick des Jüngeren.

„Ist etwas, Lorenor?“

Doch der Angesprochene grinste nur und ging vorweg ins Kaminzimmer, wo er sich auf sein Lieblingssofa fallen ließ und eines der Bücher hervorzog.

Dulacre tat es dem Jüngeren gleich und ließ sich auf seinem Sessel nieder. Mittlerweile hatte Lorenor das dritte Buch übersetzt und Dulacre fehlten nur noch wenige Seiten bis zum Schluss, aber diese wollte er sich aufbewahren, daher las er zunächst einmal die Zeitung.

„Sag mal“, murmelte der Jüngere unvermittelt, „du sagtest gestern, dass ich mit zur Taufe müsste, aber wann ist sowas eigentlich? Bin ich dann überhaupt noch hier?“

Ein gezielter Messerstich, anders konnte Dulacre die Pein nicht beschreiben als Lorenor ihn wieder daran erinnerte, dass der derzeitige Zustand nicht ewig anhalten würde.

„Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. In Jiroushins Familie werden die Kinder traditionell mit sechs Monaten oder einem Jahr getauft. Es ist lang genug, damit deine Wunde gut verheilt, aber du wirst noch da sein.“

Lorenor nickte nur, wandte sich wieder seinem Buch zu.

Dulacre überlegte das Gespräch am weiterzuführen, doch in diesem Moment ging die Türe auf und eine verdreckte Perona kam hinein.

„Ähm, Entschuldigung.“ Sie verbeugte sich wie ein Dienstmädchen. „Ich bräuchte doch etwas Hilfe.“

„Worum geht es?“

Zu Dulacres Überraschung setzte Lorenor sich zügig auf, ehrliches Interesse stand ihm ins Gesicht geschrieben.

„Ach, nichts Wildes, das Stück Garten, dass ich mir ausgesucht habe ist nur sehr steinig und ich komm nicht überall mit der Harke durch, daher…“

„Kein Problem, ich helfe dir.“

„Nein, Lorenor.“ Dulacre erhob sich einen Moment flotter als der Jüngere und hielt ihn mit einer Hand zurück. „Ich sagte doch bereits, dass du dich ausruhen musst.“

„Aber…“

„Wenn es so notwendig ist, dann werde ich halt Hand anlegen.“

„Du?“

Sowohl Perona als auch Lorenor klangen überrascht, doch sie hob direkt abwehrend beide Hände.

„Also, so dringend ist es nun auch wieder…“

„Tze, ich bin immerhin der Herr dieser Insel, ich werde dir helfen und du, Lorenor, ruhst dich aus.“

„Du bist so nervig, mir geht es gut“, murrte der Jüngere.

„Wenn du dich nützlich machen willst, kannst du ja das nächste Buch übersetzten.“

Mit diesen Worten folgte er der Geisterprinzessin, die alles andere als begeistert schien, doch das war Dulacre herzlich gleichgültig. Er folgte ihr durch ihren Garten, der ihm gehörte, gestand in aller Stille, dass er sich in der Tat prächtig entwickelte.

Bisher hatte er den Garten nur ein einziges Mal betreten, und zwar an dem Tag nachdem er von seiner Reise von der G2 zurückgekehrt war. Jiroushin und Lorenor hatten Perona ab und an geholfen, er hatte das vom ganzen Herzen abgelehnt.

Dulacre hielt nicht viel von schweißtreibender, schmutziger Arbeit und im Dreck wühlen stand mit Sicherheit nicht auf seiner Wunschliste.

An einem kleinen Feld blieb Perona stehen und sah schüchtern zu ihm herauf.

„Also, hier ist es.“

Zu seiner Rechten stand eine kleine, hölzerne Schubkarre – die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte – mit vielen kleinen Knollen drin, daneben lehnten Harke, Schaufel und noch anderes Werkzeug.

„Nun gut, Perona, sag mir was ich tun soll.“

Sie sah ihn mit riesigen Augen an und bewegte sich überhaupt nicht. Es erheiterte ihn, dass er sie immer noch so leicht einschüchtern konnte. Lorenors Selbstverständnis schien glücklicherweise nicht auf sie abzufärben, Dulacre genoss das ungemein.

„I…ich“, stammelte sie, „ich… soll dir A… Anweisungen geben?“

Sie zitterte am ganzen Körper und Dulacre musste ein Grinsen über ihre Angst unterdrücken. Allerdings missfiel ihm, dass sie Recht hatte.

„Perona“, nannte er sie klar bei Namen und sie salutierte wie ein Soldat, „dir ist mit Sicherheit bewusst, dass ich ein Sohn aus gutem Hause bin.“

Sie nickte beflissen.

„Und als solcher musste ich mir natürlich noch nie die Hände an so etwas wie Gartenarbeit schmutzig machen. Wenn ich dir also nun helfen soll, musst du mir erklären wie.“

Für eine Sekunde passierte überhaupt nichts, dann nahm sie ganz tief Luft und griff nach einem Gegenstand, der nach einer hässlichen Mistgabel aussah.

„Du musst mit dieser Grabegabel den Boden lockern. Er ist relativ fest und steinig, daher ist es etwas schwierig.“

Dulacre nahm ihr das Werkzeug ab und beobachtete sie dabei, wie sie eine weitere Gabel nahm, aufs Beet trat und die Gabel mit Kraft in den Boden rammte und leicht rüttelte. Sie wiederholte es mehrfach, nahm auch noch den eigenen Fuß zur Hilfe.

„Siehst du, so einfach geht es.“

Er folgte ihr auf die grobe Erde und tat es ihr gleich, beobachtete sie bei ihren Handgriffen und wandte sie selbst an. Die Arbeit war nicht wirklich anstrengend, zumindest für ihn nicht, Perona schien das etwas anders zu sehen, aber da war ihm gleich.

In Stille arbeiteten sie weiter, ab und an stieß Dulacre auch auf härteren Widerstand oder Stein, aber er zweifelte daran, dass das junge Mädchen, die ebenfalls beflissen weiterarbeitete, es notfalls nicht auch alleine hinbekommen würde, schließlich erledigte sie gerade die gleiche Arbeit, hob immer wieder Steine auf und warf sie fort.

„Und dafür brauchtest du Hilfe?“, fragte er missmutig nach, grub seine Gabel wieder tief in den Boden.

„Also, um ehrlich zu sein, nein.“

Überrascht sah er auf, doch sie wich seinem Blick zügig aus. Verlegen rieb sie sich mit dem Unterarm übers Gesicht, richtete ihre Handschuhe und fuhr dann mit ihrer Arbeit fort.

„Weißt du, die meiste Arbeit schaffe ich eigentlich ziemlich gut alleine. Natürlich bin ich mit den Human Drills deutlich schneller, aber eigentlich brauche ich Zorros Hilfe nicht wirklich.“

Dieses Geständnis erzürnte ihn.

„Wieso also stiehlst du ihm Zeit, die er fürs Training braucht?“

Erschrocken starrte sie ihn an und machte ein paar eilige Schritte zurück.

„Weil er…, weil er…“

„Sprich, ich werde dich schon nicht umbringen.“ Unwirsch grub er seine Gabel erneut in die Erde.

„Also, weil er…, weil es ihm Spaß macht.“

Erneut überraschte sie ihn.

Leise lächelnd sprach sie weiter: „Du hast ja noch nie im Garten gearbeitet, deswegen kannst du es ja nicht wissen, aber es ist unglaublich gut für die Seele mit der Erde zu arbeiten.“

Das wagte er doch arg zu bezweifeln.

„Zorro grummelt zwar immer vor sich hin, wenn ich ihn um Hilfe bitte, und er tut so, als würde er es ganz schrecklich finden, aber eigentlich macht er es echt gerne. Mit Jiroushin zusammen hatten wir viel Spaß und haben viel gelacht.“

Sie traute sich ihn anzusehen.

„Manchmal, wenn ich das Gefühl habe, dass Zorro zu ernst wird oder zu viel grübelt, dann überlege ich mir Aufgaben, bei denen er mir helfen könnte. Denn sobald er ein-zwei Stunden im Dreck gearbeitet hat, fängt er an glücklich zu werden.“

Für Dulacre hörte sich das alles nach einem Ammenmärchen an, doch er erinnerte sich gut daran, wie bereitwillig Lorenor seine Hilfe angeboten hatte, sogar selbst nachgefragt hatte. Vielleicht hatte sie ja wirklich Recht.

Nachdenklich betrachtete er die Gabel in seiner Hand, dann nickte er und machte mit seiner Arbeit weiter.

Irgendwann legte Perona ihre Gabel beiseite und begann dort, wo sie schon gewesen waren, mit einer kleinen Hacke tiefe Furchen zu ziehen.

Mit jeder Minute, die verging merkte Dulacre, dass diese nervige, unschöne Arbeit irgendwie entspannend wirkte. Er verstand was das Geistermädchen gemeint hatte, es war eine gute Arbeit.

Aufmerksam beobachtete er Perona, wie sie ihre breiten, tiefen Bahnen in den Boden riss, kleinere und größere Steine mit einer Leichtigkeit beiseite warf, die er ihr nicht zugetraut hatte.

Plötzlich sah sie auf und starrte ihn mit ihren runden Augen an.

„Ist etwas?“, fragte sie zittrig. „Hab ich irgendetwas falsch gemacht?“

Kopfschüttelnd begab Dulacre sich wieder an seine Arbeit.

„Ich muss gestehen, du überraschst mich, Perona“, gab er mit einem leisen Lächeln zu und stieß die Gabel tief in die Erde, „du hast dich sehr verändert.“

„Fi…findest du?“ Mit einem leisen Klong fiel ihr Werkzeug zu Boden. „Vielen Dank!“

Er ignorierte ihre Verbeugung.

„Nicht mir sollte dein Dank gelten, Mädchen, du selbst bist diesen Weg gegangen.“

Nachdem er das restliche Beet gelockert hatte, suchte er sich ein Werkzeug, welches dem ähnlich sah, das die Geisterprinzessin nutzte, und ahmte wieder ihre Arbeit nach.

„Mir war gar nicht bewusst, dass ich mich so verändert habe“, murmelte sie leise hinter ihm. „Ich dachte immer, du kannst mich gar nicht leiden.“

„Ich kann dich auch nicht leiden“, bestätigte er nonchalant, ohne auch nur aufzusehen. „Aber meine Einstellung dir gegenüber ändert nichts an deiner Entwicklung.“

Er spürte ihren Blick auf sich und sprach ruhig weiter: „Als wir uns kennen lernten warst du ein weinerliches, verwöhntes Gör, das wollte, dass jemand anderes die Entscheidungen traf und die Verantwortung für dich übernahm. Du warst wie ein Kind, das nicht erwachsen werden wollte und hast dich zu sehr auf das Mitleid und die Güte Fremder verlassen.“

Sie stotterte irgendetwas hinter seinem Rücken.

„Doch dann hast du entschieden zu bleiben und hast entschieden hier in diesem Schloss eine Tätigkeit zu finden, die dich glücklich macht. Du hast dich sogar mit den Human Drills angefreundet und es irgendwie geschafft aus diesen tumben Kriegern noch tumbere Gärtner zu machen. Auch wenn ich dich nicht leiden mag, so kann ich dich so deutlich besser tolerieren als früher.“

Als keine Reaktion kam sah er auf.

Perona kniete hinter ihm in der losen Erde, die Hacke im Schoß, mit zitternden Lippen und tränenden Augen.

„Sieh mich nicht so an“, tadelte er sanfter als beabsichtigt, „es ist eine rationale Observation und keine Speichelleckerei, so etwas liegt mir nicht, also brauchst du auch nicht so drein zugucken.“

Sie nickte, rieb sich die Augen und stand wieder auf.

„Allerdings bist du dennoch eine Enttäuschung. Du vertiefst dich in die Gartenarbeit und liest all diese Bücher – nebenbei bemerkt, wenn du dir Bücher aus der Bibliothek leihst, stell sie bitte wieder an den richtigen Platz zurück – aber deine Fähigkeiten lässt du verkommen. Was nützt es sich eine Teufelskraft anzueignen, wenn man deren Fähigkeiten nicht ausschöpft?“

Ohne auf eine Antwort zu warten, arbeitete er weiter. Bald schon war er an der letzten Furche angelangt und Perona begann die kleinen Kartoffeln aus der Schubkarre in den Bahnen zu verteilen. Immer wieder zog sie die Nase hoch und rieb sich mit dem Saum ihrer Handschuhe über die Augen.

Aber falls er sie verletzt haben sollte, war das wirklich nicht sein Problem.

Als er aufstand und die Hacke wegbrachte folgte sie ihm unerwarteter Weise und drückte ihm einen Rechen in die Hand.

„Zieh damit eine leichte Schicht Erde über die Kartoffeln, aber pass auf, dass es nicht zu viel ist und du die Kartoffeln nicht beschädigst“, erklärte sie und zog erneut ihre laufende Nase hoch.

Er nickte und ging zurück aufs Beet.

„Weißt du“, sagte sie hinter ihm und da war kein Zittern mehr in ihrer Stimme, „du hast dich auch ziemlich verändert.“

Langsam richtete er sich auf, als sie erlaubte sich ein Urteil über ihn zu bilden, und wandte sich zu ihr um. Sie schien seinen Blick bemerkt zu haben, denn sie hob abwehrend beide Hände, aber viel beeindruckender war, dass sie ihn immer noch ansah.

„Ich bin ziemlich gerührt davon, dass du mich anscheinend so viel beobachtet hast und dir Gedanken über mich gemacht hast“, meinte sie.

Dulacre überlegte ihr zu erklären, dass er sich über alles Gedanken machte und ihre kleine Gestalt nichts Besonderes war. Seine Überlegungen zu ihrer Person waren kaum der Rede wert gewesen.

„Aber früher hättest du mir so etwas nettes nicht gesagt, du wärest mir wahrscheinlich auch nicht helfen gekommen und erst recht hätte ich dir nie erklären dürfen, was du tun kannst.“

Da hatte sie allerdings Recht. Dulacre war sich sehr wohl bewusst, dass Lorenor ihn weich werden ließ. Eine unangenehme Angewohnheit, die er ablegen sollte, aber es wohl nicht tun würde.

„Ich finde dich immer noch gruselig“, sagte sie schließlich, „aber irgendwie bist du auch freundlicher geworden, und zwar nicht nur zu Zorro, und Jiroushin hat so lustige Geschichten über dich erzählt“ – das ließ ihn aufhorchen – „und daher bin ich echt froh, dass ich hiergeblieben bin.“

Mittlerweile arbeiteten sie beide weiter und schnell waren sie fertig. Dulacre musste gestehen, dass es wirklich eine recht angenehme Arbeit gewesen war und er sie vielleicht sogar nochmal wiederholen würde, wenn es nötig wäre, aber aussprechen tat er das natürlich nicht.

„Gut, wenn das dann alles wäre, empfehle ich mich.“

Knapp nickend wandte er sich zum Gehen.

„Ähm, Mihawk!“ Sie eilte ihm nach und verbeugte sich vor ihm. „Wie könnte ich denn meine Teufelskräfte verbessern?“

Leise schnalzte er mit der Zunge.

„Ich habe dir schon damals gesagt, dass…“

„Ich weiß!“, unterbrach sie ihn fahrig. „Ich weiß und ich habe unglaublich viel gelesen und mir viele Gedanken gemacht, aber… aber ich komme nicht mehr weiter. Am Anfang hast du mir etwas geholfen und ich dachte…“

Leicht neigte er den Kopf, doch dann sah sie auf und in ihrem Blick brannte ein ungewohntes Feuer.

„Früher hatte ich meine Kuscheltierarmee und hier habe ich dich und Zorro, um mich zu beschützen“ – er dachte nicht im Traum daran sie zu beschützen – „aber je länger ich Zorro beobachtete, desto mehr will ich das auch. Ich will stärker werden! Ich mache alle Arbeiten im Garten selbst, egal wie schwer sie sind, weil ich auch physisch stärker werden wollte, aber ich weiß nicht, wie ich meine Kräfte richtig einsetzen kann. Darum bitte ich dich, bitte, wenn du eine Idee hast, nur einen Gedanken, der mir helfen könnte, bitte sag es mir. Ich erwarte nicht, dass du mich unterrichtest wie Zorro oder mich an die Hand nimmst, aber…“

„Es reicht, hör mit diesem Geschnatter auf.“

Sie biss sich auf die Unterlippe, schwieg jedoch.

„Um überhaupt in der Lage zu sein dir helfen zu können, müsste ich wissen welche Teufelsfrucht genau du gegessen hast. Aber das interessiert mich nicht.“

Er schritt an ihr vorbei, seufzte als sie nicht reagierte.

„Also Perona, wie heißt deine Teufelskraft?“

 

Die Sonne hinter den Wolken stand schon gefährlich nah am Horizont als Dulacre zurück ins Kaminzimmer kam. Zuvor hatte er mehrere Minuten noch in der Küche verbracht, um die Erde unter seinen Fingernägeln wegzuwaschen.

Im Kaminzimmer hocke Lorenor auf dem Boden vor seinem Sofa. Schmunzelnd schüttelte Dulacre den Kopf.

Doch als er auf den anderen zutrat fielen ihm zwei Dinge auf. Zum einen lagen um Lorenor herum Papier und Stifte, sowie eines seiner Bücher, zum anderen lehnte Lorenor gegen sein Sofa, einen Arm ausgestreckt, der Kopf ruhte auf einer Schulter; der Jüngere war ganz offensichtlich eingeschlafen.

Einen Moment lang betrachtete er seinen Wildfang. Es waren diese Momente, in denen Dulacre wieder bewusst wurde, wie jung Lorenor noch war. Dieser unschuldige Gesichtsausdruck, halb verborgen unter dem Verband, dieses fast schon naive Vertrauen hier einfach zu liegen, völlig entspannt zu schlafen.

Natürlich gab es für Lorenor keinen Grund misstrauisch zu sein. Auf dieser Insel hier konnte ihm nichts geschehen, dafür würde Dulacre schon sorgen, und trotzdem war dieses Verhalten nicht selbstverständlich für Dulacre, nach all den Monaten immer noch nicht selbstverständlich.

Er sollte den anderen dort liegen lassen, vielleicht noch eine Decke über ihn werfen, aber das konnte Dulacre nicht. Die Position, in der der andere da hockte, zwischen seinen Unterlagen, wie ein kleines Kind, das beim Spielen eingeschlafen war, konnte gar nicht bequem sein.

Seufzend hob er den Jüngeren hoch, bettete dessen Kopf gegen seine Brust und trug ihn in sein Zimmer.

„Du dummes Kind. Immer mache ich mir Gedanken um dich.“

Kapitel 51 - Führung

Kapitel 51 – Führung

 

-Zorro-

„Mehr Elastizität im rechten Bein. Achte auf deine Armhaltung. Verkrampfe nicht in der Hand.“

Fast ununterbrochen korrigierte ihn der Samurai. Wenn man bedachte, dass Zorros Idee zu tanzen eher eine Schnapsidee gewesen war, verbrachten sie mittlerweile fast ein Drittel des Trainings damit – also fast alle Trainingseinheiten, die Zorro in seinem echten Körper absolvierte.

„Die Schulter, Lorenor. Heb die Füße vom Boden hoch, ich werde dich nicht mitschleifen.“

Aber das unablässige Nörgeln vom Samurai bedeutete nur eines, Zorro kam mittlerweile gut genug hinterher, umer endlich auf seinen Körper achten zu können. Wochenlang hatte er einfach nur versucht nicht zu stolpern oder hinzufallen, während der Ältere ihn durch den Raum geschleudert hatte. Es war gar nicht daran zu denken gewesen, dass er noch auf Dinge wie Körperhaltung oder Schrittfolge achtete.

„Nimm die Hüfte mit, sie ist zu steif, das geht alles zulasten deiner Knie.“

Es war nicht so, dass Zorro alles, was der andere ihm an den Kopf warf, auch umsetzen konnte, dafür waren es einfach viel zu viele Informationen. Aber es wurde langsam besser – zumindest bildete Zorro sich das ein – immerhin hatte Dulacre mittlerweile zwischen den einzelnen Kritikpunkten genug Zeit, um auch mal etwas zu erklären.

Obwohl Zorro die letzten Monate eine verdammt gute Ausdauer aufgebaut hatte, musste er sich seine Kräfte gut einteilen. Er hatte keine Ahnung wie der andere es schaffte, dabei noch fast unablässig zu reden.

Plötzlich zog Dulacre ihn auf die Zehenspitzen, Brust an Brust, und für einen Moment verharrten sie in dieser Schwebeposition. Dann ging es weiter.

Es war anstrengend!

Aber viel schlimmer war noch, dass es Zorro inzwischen richtig Spaß machte. Wann immer der Samurai morgens verkündete, dass sie die Einheit mit Tanzen verbringen würden, war da nicht mehr das entnervte Augenrollen, an manchen Tagen hoffte Zorro schon beinahe, dass sie so trainieren würden.

Denn es war genau das, was er vermutet hatte. Obwohl Tanzen Partnerschaft und gemeinsames Arbeiten sein sollte, so war das hier doch eigentlich ein Kampf und Dulacre war sein Gegner, immer noch unerreichbar für Zorro.

„Ich habe Jiroushin übrigens für kommende Woche eingeladen“, erzählte der Samurai wie beiläufig, „ich dachte mir, es würde dir gefallen, in deiner weiblichen Gestalt noch mal mit ihm zu kämpfen, um zu vergleichen wie gut du geworden bist.“

„Ich hätte auch so noch mal Lust gegen ihn zu kämpfen“, bemerkte Zorro. Seit Jiroushins letztem Besuch – und ihrem lauten Streit – war schon viel Zeit vergangen und Zorro glaubte nicht, dass der Soldat ein sehr nachtragender Mensch war.

Dulacre rollte nur mit den Augen, sagte jedoch nichts.

Nach zwei weiteren Stunden machten Sie endlich eine Pause. Zorro hockte am Fuße der unnötigen Treppe und kippte sich eine Wasserflasche über den Kopf.

„Keine Wasserflecken aufs Geländer“, mahnte ihn der Samurai wie eine alte Hausfrau.

„Hat Jiroushin überhaupt Zeit für sowas?“ Zorro wisch sich mit dem Ärmel Wasser und Schweiß vom Gesicht. „Ich mein er ist doch jetzt Vater.“

Der Ältere lehnte sich neben ihm ans Geländer und sah zu ihn hinab.

„Ich denke Lirin wird froh sein, wenn sie ihn ein paar Tage los ist. Jiroushin ist leider immer etwas überfürsorglich, was auf Dauer sehr anstrengend werden kann und wie ich hörte hat er sich Vaterschaftsurlaub genommen, um Lirin Tag und Nacht unter die Arme greifen zu können, die Arme wird wahrscheinlich kaum eine Minute Ruhe haben und dann hat sie ja auch noch das Kind. Wie dem auch sei, Lorenor, lass uns fortfahren.“

Tief Luft holend stand Zorro auf, doch dann bemerkte er, dass irgendetwas an der Haltung des Älteren anders war. Aber er wusste einfach nicht was es war.

„Was guckst du mich so an, Lorenor? Komm schon her.“

Verwirrt trat Zorro nach vorne und dann wurde es ihm bewusst.

„Genau, du hast es erfasst.“ Zorro griff die Hand des Samurais. „Jetzt wirst du führen.“

„Warum?“

Dulacre legte seine freie Hand auf Zorros Schulter und lächelte zu ihm hinab.

„Na, weil ich es sage.“

Misstrauisch platzierte Zorro seine Hand unterm Schulterblatt des Älteren, fast gleichzeitig ging Dulacre etwas in die Knie, sodass sie auf Augenhöhe waren. Zorro missfiel das ganze ungemein, es fühlte sich falsch an und er hatte keine Ahnung warum sie plötzlich Rollen tauschten. Außerdem wusste er auch nicht, wie man führte, schließlich hatte er das bisher noch nie getan.

„Nun komm, beweg dich.“

Es fühlte sich seltsam an, es war nicht so, dass Dulacre sein Gewicht auf ihm ablud und trotzdem fühlte Zorro sich ungemein schwer, so musste sich ein Teufelsfruchtnutzer im Wasser fühlen.

„Lorenor.“ Langsam klang der Ältere ungeduldig.

„Ähm, ich…“, stammelte Zorro leicht überfordert, „ich weiß nicht wie.“

„Was?“

Verwirrt sah der Samurai ihn an.

„Ich weiß nicht was ich tun soll.“

„Fang einfach ganz normal mit den Grundschritten an. Vielleicht etwas Einfaches, wie einen Walzer und dann steigern wir uns und du probierst einfach ein paar Schrittfolgen aus.“

Noch immer rührte Zorro sich nicht.

„Aber wie?“, murmelte er.

„Wie was, Lorenor? Drück dich gefälligst etwas klarer aus.“

Zorro ließ den anderen los und machte einen Schritt zurück. Er mochte die ganze Situation ganz und gar nicht. Zwar verstand er, was der andere von ihm wollte, aber er wusste nicht wie er es umsetzen sollte, und diese Unsicherheit missfiel ihm noch mehr als alles andere. Bisher hatte er sich nie damit auseinandersetzen müssen, wie Tanzen wirklich funktionierte. Auf Sasaki hatte er einfach die Schritte auswendiggelernt, die ihm gezeigt worden waren und die vergangenen Wochen hatte er einfach nur versucht mit dem Samurai Schritt zu halten. Aber es war etwas ganz anderes, nun die führende Rolle zu übernehmen.

„Ich hab keine Ahnung wovon du redest“, murrte er wütend, „ich hab doch keine Ahnung wie diese ganzen Tanzschritte gehen.“

Er wusste, dass die Aufgabe nicht so schwer sein konnte, ein paar Schritte vor und zurück, gleichzeitig schien es ihm unmöglich den Samurai nur mit Hilfe von leichten Gesten in irgendeine Richtung bewegen zu wollen. Der andere wirkte wie ein Berg im reißenden Meer und Zorro hatte das Gefühl eher in ihn reinzulaufen, als ihn in irgendeine Richtung drücken zu können.

Seine eigenen Gedanken verwirrten ihn und er konnte sehen wie der andere ihn aus großen Augen ansah, ehe dieser sich wieder normal hinstellte, nun noch mehr der Berg, den Zorro bewegen sollte.

„Aber wir hatten doch die Schritte mit Kanan geübt“, bemerkte der Samurai, offensichtlich genauso perplex wie Zorro selbst.

„Ja, vor einer halben Ewigkeit“, meinte er leise grummelnd, „und ich hab immer nur die Schritte von Frauen geübt, ich musste immer nur folgen und das machen, was du mir sagst. Ich hab noch nie geführt.“

„Was?“ Ein fassungsloses Grinsen glitt über Dulacres Gesicht. „Du wirst doch früher schon mal getanzt haben?“

Zorro schüttelte den Kopf.

„Aber jeder hat doch schon mal getanzt, in einer Bar oder mit Freunden oder so.“

„Naja, ich nicht.“ Zorro verschränkte die Arme. „Vor diesem beschissenen Marineball hab ich noch nie in meinem Leben getanzt.“

Der Samurai lachte leise auf ehe er leicht den Kopf neigte und Zorro aufmerksam betrachtete.

„Du bist wahrlich unglaublich.“

„Was ist?“, murrte Zorro. Er mochte das ganz und gar nicht.

„Langsam verstehe ich deinen Kampfstil“, murmelte Dulacre und trat auf ihn zu.

„Meinen was?“ Wie kam der andere denn jetzt aufs Kämpfen?

„Ist es dir nie aufgefallen?“ Der Ältere hob nur eine Augenbraue an. „Ich fand es schon von jeher seltsam. Anstatt in einem Kampf von Anfang mit voller Kraft zu kämpfen und den Sieg zügig an dich zu nehmen, passt du dich deinen Gegnern an und lernst ihren Kampfstil kennen, bis sie ihren Zenit erreicht und überschritten haben und dann erst nutzt du deine ganze Kraft auch wirklich, wenn überhaupt, und natürlich ist dein Gegner dir dann meist hilflos ausgeliefert, weil er sich zu sehr verausgabt hat.“

„Was?“ Zorro glaubte nicht, dass er so kämpfte. Es hörte sich kompliziert und lästig an, mit Sicherheit nicht etwas, was er tun würde.

Dulacre nickte nachdenklich.

„Wie gesagt, das ist etwas sehr Ungewöhnliches. Du scheinst mit jedem kämpfen zu können, egal wie schwach derjenige ist, weil du dich anpassen kannst, und du scheinst das ganz selbstverständlich, ganz unbewusst, zu machen. Ich habe mich immer gefragt, warum das der Fall ist.“

Er mochte ganz und gar nicht, wie der andere ihn analysierte.

„Du scheinst eigentlich ein offensiver Kämpfer zu sein, der eher angreift als abblockt, aber…“ Mihawk schwieg einen Moment. „…im Kampf bist du der Folgende, nicht der Führende.“

Dulacre machte noch einen Schritt nach vorne und stand nun genau vor ihm, seine gelben Augen eine Spur zu scharf, eine Spur zu konzentriert.

„Du hast keine Ahnung, wie man einen Kampf kontrolliert, nicht wahr?“

„Was?“ Nun war Zorro ganz verwirrt. „Wovon redest du da?“

„Nun ja, es ist doch ganz offensichtlich, Lorenor. Ein wahrer Schwertkampf ist einem Tanz nicht unähnlich, jedoch gibt es nicht zwei Partner - von denen einer führt und der andere folgt - sondern zwei Gegner, also zwei Führende, die um die Kontrolle kämpfen. Es geht in einem Kampf um viel mehr als nur darum der Stärkere, der Bessere zu sein. Wer den Kampf kontrolliert, kontrolliert wie lange er stattfindet, wo er stattfindet, wer und was dabei zu Schaden kommt und am wichtigsten, wie viel Kraft er selbst einsetzt.“

Leise lachte der beste Schwertkämpfer der Welt auf.

„Ich habe mich schon gewundert, warum du dich so leicht führen lässt. Für einen Schwertkämpfer deines Kalibers fiel es dir viel zu leicht dich der Führung eines anderen unterzuordnen, insbesondere wenn man bedenkt, wie stur und eigensinnig du sein kannst.“

Zorro verstand mittlerweile kein einziges Wort mehr. Der andere redete doch Schwachsinn, aber er meinte schon herauszuhören, dass in diesem Schwachsinn die ein oder andere Beleidigung enthalten war.

„Was redest du da?“, knurrte er. „Ich ordne mich niemandem unter! Ich fälle meine eigenen Entscheidungen und kämpfe so, wie es mir gefällt, also…“

Dulacre unterbrach ihn mit erhobener Hand.

„Wieso folgst du dem Strohhut?“

„Was?“

„Wieso hast du dir Kuina als Rivalin ausgesucht?“

„…“

„Wieso hast du die ganze Scharade mit Lady Loreen mitgemacht?“

„Ich…“

„Du kämpfst wahrlich gerne, aber dafür du beginnst den Streit zu selten, auch wenn du ihn immer zu ende führst.“

„Was soll das alles?“

Mittlerweile war Zorro wütend, was auch immer die Unterhaltung sollte, der andere ging langsam zu weit. Doch der Samurai nickte nur, als wäre ihm endlich ein Licht aufgegangen, bemerkte augenscheinlich gar nicht, dass Zorro absolut keinen Bock mehr hatte.

„Natürlich. Darum verbesserst du dich immer so rasant in einem Kampf, aber bist in der Theorie eine absolute Niete.“

„Was?“

„Du weißt, dass der Kampf wie ein Tanz ist, aber du hast nicht verstanden, was das bedeutet.“

„Könntest du endlich mal so mit mir reden, dass ich es auch verstehe.“

Dulacre packte ihn an beiden Schultern und sah ihn ernst an.

„Lorenor, ein Kampf ist wie ein Tanz. Die Grundübungen sind wie die Grundschritte und darauf baut man mit verschiedenen Elementen eine Choreografie auf. Ein richtiger Kampf setzt voraus, dass du bereits weißt was deine nächsten Schritte sind und dich nicht erst von deinem Gegner durch den Raum schleudern lässt. Deine Anpassungsfähigkeit ist wichtig und bringt dir viele Vorteile in einem Kampf, aber du wirst erst dein ganzes Potential ausschöpfen, wenn du die Richtung vorgibst und dich nicht von deinem Feind führen lässt.“

„Das verstehe ich nicht.“

Der Ältere nickte erneut.

„Das ist mehr als offensichtlich. Wie konnte mir das nur entgangen sein? Ich dachte, es wäre dir bewusst und du würdest dich absichtlich anpassen – für den Nervenkitzel oder weil es dir einfach Spaß macht – aber nein, dir fehlt eine absolute Grundlage. Du weißt nicht wie man einen Kampf führt.“

„Hä?“ Er verstand die Welt nicht mehr und langsam hatte er auch das Gefühl, dass der andere sich gar nicht über ihn lustig machte. „Natürlich weiß ich, wie man einen Kampf führt, du hast mich doch kämpfen…“

„Lorenor, du weißt wie man kämpft, aber nicht wie man einen Kampf führt. Der Sieger eines Kampfes ist der, der den Verlauf des Kampfes von Anfang an bis zum Ende bestimmt und formt, so wie der Führende bei einem Tanz.“

Der Samurai klatschte laut in die Hände.

„Nun gut, dann sollten wir dieses Problem zügig aus der Welt schaffen. Perona, hör auf uns auszuspionieren und komm her. Wir brauchen deine Hilfe.“

„Was?“ Zorro verstand überhaupt nicht mehr, was hier vor sich ging.

„Lorenor, ich werde dir beibringen wie man führt.“ Im nächsten Moment stand Dulacre hinter ihm und hob seine Arme hoch. „Das hier ist die richtige Position. Verkrampf die Schulter nicht, du bist kein Soldat, sondern ein Tänzer.“

„Schwertkämpfer!“

„Und das ist für heute das gleiche.“

Perona kam durch eine der Seitentüren hinein.

„Worum geht’s?“, fragte sie verwirrt.

„Komm her, du wirst heute mit Lorenor tanzen.“

 

Er hatte immer noch keine Ahnung wovon Dulacre gesprochen hatte und dass die vergangenen Stunden kein richtiges Training waren, war auch mehr als deutlich.

Die erste Stunde hatte er nicht viel mehr gemacht als Schritte üben. Dulacre hatte sie ihm vorgemacht und er hatte sie kopiert und dann hatte er mit Perona getanzt. Es war jämmerlich, das konnte er selbst mit seinen nichtvorhandenen Tanzkenntnissen ausmachen.

Sie waren nicht viel mehr als zwei kleine Kinder, die sich an den Armen hielten und hin und her wankten.

„Was hat das für einen Sinn?“, murrte er unzufrieden über all die Zeit, die verloren ging.

„Gib mir nicht die Schuld, Lorenor; du weißt nicht wie man führt, weder im Kampf noch im Tanz und das musst du lernen. Es ist eine elementare Grundeigenschaft, dass du in der Lage bist den Verlauf eines Kampfes zu bestimmen, insbesondere in deiner weiblichen Gestalt. Du darfst nicht nur folgen und dich anpassen, du musst die Form des Kampfes vorgeben.“

„Ich höre dich reden und reden, aber ich verstehe kein einziges Wort.“ Tief atmete Zorro ein, zwang sich zur Geduld vor seinem Lehrmeister, der wohl der einzige Mensch war, der es schaffte alle Wörter die er kannte in einen Satz zu packen und gleichzeitig nichts zu sagen. „Du sagst die ganze Zeit das gleiche, aber es macht keinen Sinn. Was hat das hier mit einem Kampf zu tun?“

„Perona, sag mir, wie führt Lorenor?“

Perona war die meiste Zeit ruhig und tat nur das, was Mihawk ihr auftrug. Nun errötete sie und sah kurz zum Samurai hinüber.

„Also, nun ja…“

„Sprich.“

„Also, tut mir leid, Zorro, aber du führst nicht wirklich.“

Erneut holte er tief Luft.

„Wen überrascht das? Ich weiß ja noch nicht einmal, was du von mir verlangst und ich kann nicht tanzen!“

„Eine Lüge, Lorenor. Komm, ich zeige es dir.“

Auf einen Wink hin ließ die Geisterprinzessin Zorro los und der Samurai trat an ihre Stelle. Mit zwei Handgriffen war Zorro wieder in der Position des Partners und Dulacre übernahm wie selbstverständlich die Führung. Es waren nur wenige Takte, aber Zorro erkannte sofort, dass es der gleiche Tanz war, den er mit Perona versuchte zu tanzen.

„Gute Balance, deine Schrittlänge passt perfekt zu meiner, tadellose Haltung, schnelle Reaktion. Du tanzt nahezu perfekt…“ Mitten in der Drehung, ließ Dulacre Zorro los und strauchelnd kam er zum Stehen. „…für einen Partner.“

Dann hielt der Ältere seine Hand Perona hin, die zögernd nickte und sich zum Samurai ziehen ließ.

„Und nun sieh gut zu, Lorenor, so tanzt ein Führender.“

Der Unterschied zu Zorro war mehr als offensichtlich. Obwohl es die gleichen Schritte waren wie die, die Zorro vor wenigen Minuten erst versucht hatte zu tanzen. Aber alles andere war komplett anders.

Dulacre hatte eine Präsenz, die durch den ganzen Saal floss, wie eine unaufhaltsame Welle. Seine Haltung war eleganter als Zorros, aber das war nicht das wesentliche. Jeder Schritt wirkte wie ein fein geführter Schwerthieb, jede Armbewegung wie ein makelloses Ausweichmanöver und Perona in seinem Arm folgte jedem seiner Schritte als hätte sie nie etwas anderes gemacht.

War es das, was Dulacre meinte? War Zorro in einem Kampf nicht mehr als Perona gerade, die sich vom Samurai durch den Raum führen ließ und dabei gut aussah? War es das, was der Samurai meinte?

Ließ Zorro sich in einem wahren Kampf von seinem Gegner durch den Raum führen, bis seinem Gegner die Energie ausging und er dann vor ihm zusammenbrach? Zorro hatte bisher immer gedacht, er wäre ein Mann, der voran ging, den anderen den Weg ebnete, aber konnte es sein, dass er nur folgte?

Vorausging aber dennoch folgte?

„Siehst du, Lorenor, ich kann mit Perona machen, was immer ich will. Wenn ich will, dass sie sich dreht, tut sie es, wenn ich sie am anderen Ende des Raumes haben will, ist sie dort. Ich habe die absolute Kontrolle über diesen Tanz und ich entscheide wann er endet. Das kann ich natürlich nur, weil ich die bessere Ausdauer und körperliche Fitness habe. Aber im Endeffekt ist es in einem Kampf ganz ähnlich.“

Dulacre blieb stehen und Perona neben ihm stolperte einen Schritt zurück und rang nach Atem.

„Bis auf den kleinen Unterschied, dass du deinen Kampf nicht führst. Verstehst du?“ Langsam nickte Zorro. „Sehr gut, dann komm her und lerne zu führen.“

 

-Mihawk-

„Meinst du das ernst?“

Schallend lachend warf Jiroushin sich in seinem Stuhl zurück; beinahe wäre er hintenüber gekippt, wenn nicht Dulacre die Armlehne im letzten Moment ergriffen und zurückgezogen hätte.

Dann deutete der Soldat auf Lorenor mit einem breiten Grinsen.

„Du hattest keine Ahnung, dass man einen Kampf führen muss?“

Mit roten Wangen sah der Jüngste im Bunde zur Seite, während Dulacre seinen besten Freund mit hochgezogener Augenbraue betrachtete, allerdings entschied er darauf nicht einzugehen.

„Was macht ihr da alle so eine große Sache draus? Ich bin bisher gut zurecht gekommen in jedem Kampf und dieses Tanzen ist doch kein echtes Training. Ich glaube kaum, dass ich einen Gegner mit einem Wischer oder einem Chassé beeindrucken kann.“

Nun setzt Dulacre sein Glas ab.

„Lorenor, ich habe dir doch schon erklärt, dass die Fähigkeit einen Kampf zu kontrollieren elementar für Sieg oder Niederlage sein kann und wenn du noch nicht einmal einen Partner – der dir folgen will – führen kannst, wie willst du dann einen Gegner nach deinem Willen lenken?“

Aufstöhnend lehnte sich der Pirat zurück und verschränkte die Arme.

„Das klingt alles so unglaublich umständlich“, beschwerte er sich wie ein trotziges Kind. „Ich will den Kampf nicht kontrollieren. Ich will meinen Spaß haben und kämpfen und am Ende will ich siegen.“

Wütend schnalzte Dulacre mit der Zunge, bevor er jedoch Lorenor belehren konnte stützte Jiroushin sich mit dem Unterarm auf dem Esstisch ab und lehnte sich vor.

„Hör mal, Zorro. Ich weiß, dass es nervig sein kann. Aber es ist wichtig, dass du das lernst. In einem Übungskampf oder aus Spaß ist es natürlich voll in Ordnung, sich vom Kampfgeschehen treiben zu lassen, die Kräfte des Gegners zu beobachten, ein bisschen miteinander zu spielen und sich auszuprobieren. Aber in einem echten Kampf kann das schlimme Folgen haben.“

Lorenor wirkte nicht überzeugt, doch Jiroushin sprach beflissen weiter.

„Mal ganz abgesehen davon, dass du dabei sterben könntest, wenn du deinen Gegner unterschätzt; was machst du, wenn der Radius eures Kampfes sich erweitert und plötzlich jemand in Gefahr ist, den du in Sicherheit wissen wolltest – oder von denen du gar nicht wusstest, dass sie in Gefahr waren - oder was ist, wenn du dich bei diesen Spielchen so sehr verausgabst und dann zu viel Zeit oder zu viel Kraft vergeudest hast, und nicht mehr gegen den nächsten Gegner bestehen kannst?“

„Keine Ahnung“, murrte Lorenor noch unzufriedener, „darum mach ich mir dann Gedanken, wenn es soweit ist.“

„Ach, Lorenor, was bringen all die Monate des Strategietrainings, wenn du noch nicht mal Willens bist eine aufzustellen?“

„Es ist nicht so, dass ich mir keine zurechtlege.“ Nun wandte der Jüngere sich ihm zu. „Aber ich mach das halt eher so spontan, während des Kampfes, so wie es halt passt und ich könnte mich nicht erinnern, dass das je einen Nachteil für mich gewesen…“

„Bartholomäus Bär“, warf Dulacre kühl ein.

„Was?“ Er konnte sehen, dass Lorenor direkt etwas abweisender wurde. „Du weißt, was damals…?“

Mit den Augen rollend erhob sich der Samurai, um eine neue Flasche Wein vom kleinen Beistelltisch zu holen.

„Lorenor, ich weiß alles, was es über dich und deine geführten Kämpfe zu wissen gibt.“

„Stalker“, flüsterte Jiroushin von seinem Stuhl aus und grinste Dulacre süffisant an, sah viel zu jung aus für sein Alter.

Der Soldat war in den frühen Abendstunden eingetroffen, gerade rechtzeitig, um das Ende des Trainings mitzubekommen und fürs Abendessen. Die Sonne war schon lange untergegangen und so saßen sie im vom Kerzenlicht erhellten Kaminzimmer, während Perona schon früh zu Bett gegangen war.

„Du hast doch keine Ahnung, was damals passiert ist“, knurrte Lorenor nun leicht wütend. „Es war nicht so, als ob ich mit Gecko Moria gespielt hätte. Wir alle haben unsere Kräfte gebündelt, um ihn und Oz zu besiegen. Ich hab mich nicht zurückgehalten oder…“

„Nicht?“ Dulacre zog den Korken aus der Flasche und wandte sich um. „Willst du mir sagen, du hättest gegen diesen Zombie aus Wa no Kuni direkt aus voller Kraft gekämpft? Hast du direkt gegen Oz mit voller Kraft gekämpft?“

Das unversehrte Auge seines Schützlings wurde groß. Seine Wunde über dem anderen Auge war mittlerweile recht gut verheilt, hatte jedoch eine deutliche Narbe hinterlassen, wie zu erwarten gewesen war.

„Hätten sich die Dinge anders entwickelt, wenn du von Anfang an dein ganzes Können eingesetzt hättest? Natürlich kann man rückblickend nur philosophieren, aber zumindest hätten die Dinge einen anderen Lauf nehmen können. Du sagst, deine Art zu kämpfen hätte sich nie nachteilig ausgewirkt, aber spinnen wir den Faden hier doch mal weiter. Gegen diesen Samurai-Zombie hast du dir viel Zeit gelassen und es ihm erlaubt dich zu verletzten. Dieser Kraftaufwand hat sich vielleicht im Kampf gegen Oz bemerkbar gemacht und verhindert, dass du und deine Crew diesen Kampf hättet schneller und weniger verletzt beenden können. In diesem Fall wäre vielleicht der Kampf gegen Bär…“

„Nein.“ Lorenor war aufgestanden. „Du hast keine Ahnung, was da vorgefallen ist und ich werde mir nicht vorwerfen lassen, dass es anders ausgegangen wäre nur weil der Kampf gegen Ryuma eine Minute zu lang gedauert hat.“

„Aber genauso ist es!“ Dulacre kam zurück zum Tisch. „Diese eine Minute hätte der richtungsweisende Unterschied sein können, Lorenor. Manchmal entscheiden nur wenige Sekunden über Sieg oder Niederlage und du willst mir sagen, dass eine ganze Minute keine Auswirkungen gehabt hätte?“

„Ich war ihm unterlegen!“ Der Jüngere schlug beide Fäuste auf den Tisch. „Diese eine Minute hätte mich nicht so viel stärker gemacht, als dass ich gegen Bär hätte bestehen können.“

„Und das ist nur eine Vermutung“, entgegnete Dulacre kühl und stieß die Flasche ebenfalls hart vor sich auf den Tisch. „Natürlich genau wie die meine. Aber meine Herangehensweise lässt wenigstens noch die kleine Option offen, dass es vielleicht doch gereicht hätte, dass diese eine Minute dir vielleicht so viel Kraft erspart hätte, dass du gegen Bär hättest bestehen können.“

Lorenor wollte widersprechen, aber er sprach weiter: „Zumindest aber hättest du die Schmerzen deines Kapitäns etwas besser aushalten können.“

Der Jüngere machte einen Schritt zurück und starrte ihn mit Entsetzen an.

„Woher…?“

Dulacre auf der anderen Seite setzte sich wieder hin und füllte die drei leeren Gläser.

„Und vielleicht wären deine Wunden dann schon besser verheilt gewesen im Kampf gegen Nataku und du hättest etwas länger im Kerker ausgehalten. Vielleicht wärest du dann noch stark genug gewesen, um auch dich selbst zu retten.“

Langsam sah er den anderen an. Jiroushin zu seiner Rechten schluckte schwer und nahm einen tiefen Zug aus seinem Glas.

„Und du willst mir sagen, dass es unwichtig ist, wie man einen Kampf führt? Dass eine Minute weniger oder mehr keinen Unterschied macht? Tze, was wäre, wenn in dieser einen Minute einer deiner Freunde gestorben wäre und du ihnen hättest helfen können, wenn du den Kampf nur beendet hättest? Würdest du dann auch sagen, dass diese eine Minute unwichtig sei?“ Er hielt dem Jüngeren dessen Glas hin. „Diese eine Minute, Lorenor, hat dich wahrscheinlich umgebracht, also erzähl mir nicht, dein Kampfstil hätte keine Nachteile für dich.“

Für einen langen Moment war es totenstill. Niemand sagte ein Wort während Lorenor ihn fassungslos ansah. Dulacre setzte das Glas des Jüngeren vor ihm ab und nahm dann einen Schluck aus seinem eigenen.

Schließlich war es Jiroushin der laut ausatmete und sich durch die Haare fuhr.

„Oh Mann, wenn ihr zwei loslegt, dann aber auch richtig, was?“

„Es ist die Wahrheit, Jiroushin, und Lorenor ist nicht gewillt sie einzusehen.“

Der Blondschopf warf ihn einen tadelnden Seitenblick zu, dann wandte er sich Lorenor zu.

„Zorro. Hawky hat es vielleicht etwas hart ausgedrückt, aber ganz Unrecht hat er wohl nicht. An der Vergangenheit kannst du jetzt nichts mehr ändern, aber du kannst verhindern, dass so etwas in der Zukunft noch einmal passiert.“

Der Jüngere holte tief Luft und Dulacre konnte den kalten Blick auf sich spüren, doch dann schob Lorenor sich seinen Stuhl zurecht und setzte sich wieder hin.

„Als Loreen hast du es doch auch schon gelernt“, sprach Jiroushin dann ruhig weiter, offensichtlich bemüht die zerbrochene Harmonie wiederherzustellen, „schnelles Ausschalten, weil du deinem Gegner körperlich meist unterlegen sein wirst. Es ist eigentlich nichts anderes und du bist gut darin die Fähigkeiten deines Gegners zu erfassen, also kannst du das für dich nutzen.“

Lorenor entgegnete nichts, seine Miene war eine ausdruckslose Maske und Dulacre wunderte sich, ob er dieses Mal zu weit gegangen war, also schwieg er und überließ es seinem besten Freund die Scherben aufzusammeln.

„Ich weiß es hört sich hart an. Aber einen Kampf zu kontrollieren bedeutet nicht, dass du keinen Spaß mehr haben kannst. Am Anfang ist es schwierig und erfordert viel Konzentration, aber wenn du einmal den Dreh raus hast, gibt es nichts aufregenderes als zu sehen, wie aus der Idee in deinem Kopf Realität wird und dein Gegner nicht mehr mithalten kann.“

„Das ich dich das mal sagen höre“, murmelte Dulacre fast schon beeindruckt, entschied jedoch nicht mehr zu sagen, wohl bewusst, dass Lorenor wahrscheinlich gerade nicht gut auf ihn zu sprechen war.

„Das alles hört sich“, murrte Lorenor nun und seine Stimme klang noch rauer als sonst schon, „wirklich alles andere als unterhaltsam an.“

Mit einem Lächeln neigte Jiroushin den Kopf.

„Das liegt daran, dass du noch nicht führen kannst.“

Der Jüngere nahm einen einzigen tiefen Schluck und sah dann zu Dulacre.

„In Ordnung, ich werde es lernen.“ Er stellte sein leeres Glas ab und stand auf. „Ich gehe jetzt schlafen.“

Die beiden Zurückbleibenden wünschten Lorenor eine gute Nacht als dieser den Raum verließ.

„Oh Hawky“, jammerte der Blondschopf fast sofort nachdem die Türe zugefallen war, „das kannst du ihm doch nicht so sagen. Du hast ihm gerade vorgeworfen, dass…“

„Es ist die Wahrheit, Jirou, und du weißt, dass ich Recht habe. Lorenor will seine Crew um jeden Preis beschützen, aber verkennt, dass sein Verhalten eine potenzielle Gefahr darstellt. Seit Wochen versuche ich es ihm zu erklären und er versteht es nicht. Manchmal sind direkte Worte, die einzigen, die zu ihm durchdringen.“

„Oje“, seufzte der andere und nahm noch einen tiefen Schluck, „schon anstrengend mit euch beiden.“

Dazu konnte Dulacre nur nicken.

„Aber auch interessant“, bemerkte Jiroushin ohne jedwedes Grinsen, „er ist erst der zweite Schwertkämpfer, der mir einfällt, der nicht wusste, dass man einen Kampf führen muss, und dass bei seinem Niveau.“

Erneut nickte Dulacre.

„Das stimmt, wahrscheinlich ist es mir deshalb nie aufgefallen. Ich meine, du warst damals fast halb so alt wie er jetzt und du hasst das Kämpfen, insbesondere wenn es um Leben oder Tod geht. Bei dir war es offensichtlich, dass du dich von einem Kampf mittreiben lassen würdest, aber Lorenor…“  Nun schüttelte er den Kopf, ehe er seufzte. „Er stellt sich nicht gut an, wenn ich ehrlich bin. Ich hatte erwartet, dass es ein leichtes für ihn sein würde, sobald er versteht was er tun soll. Aber er ist kein guter Führender und wenn es ihm schon beim Tanzen – mit vorgeschrieben Regeln und Schrittfolgen – so schwer fällt, wie soll er es dann in einem Schwertkampf lernen?“

„Überrascht es dich wirklich?“, bemerkte Jiroushin nachdenklich. „Es ist ja nicht so, dass er einfach immer nur gefolgt wäre, Zorro hat sich einen ganz eigenen Kampfstil erarbeitet und nun muss er die Vorteile von beidem verbinden.“

„Dafür müsste er aber erst einmal verstehen, was es bedeutet zu führen.“ Erschöpft fuhr Dulacre sich durchs Gesicht. „Ich bin froh, dass du da bist, Jirou. Mir ist bewusst, dass es zwischen euch beiden immer wieder etwas Spannungen gibt, aber du bleibst ruhig, wenn es notwendig ist.“

Leise lachte der andere.

„Das liegt vielleicht daran, dass ich nicht so emotional involviert bin wie du, Hawky. Es stimmt schon, dass du viel erbarmungsloser bist gegenüber Menschen, die dir wichtig sind. Aber zu Zorro bist du besonders hart. Denkst du wirklich, dass das nötig ist? Oder versuchst du so etwa deine Gefühle zu verbergen?“

Wie auf Kommando errötete Dulacre.

„Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun“, widersprach er kühl und leerte sein Glas. Nachdenklich betrachtete er den Stuhl, auf dem Lorenor eben noch gesessen hätte.

„Grundsätzlich habe ich nichts gegen seinen Kampfstil“, gestand er leise ein, „ich verstehe den Nervenkitzel dahinter auszuprobieren wie viel Kraft man aufbringen muss und die verschiedenen Techniken des Gegners zu analysieren aber es ist, wie ich gesagt habe; in einer echten Schlacht ist ein solches Verhalten unbedacht und egoistisch und kann viel Leid beschwören.“

„Hört, hört, ich dachte du bist stolz darauf egoistisch zu sein, Hawky, und nun verurteilst du Zorro dafür, dass er beim Kämpfen ein bisschen Spaß haben will?“

„Du hast recht, Jirou, ich war immer schon sehr egoistisch, selbst als Kapitän unserer Crew musstest du viele meiner Aufgaben übernehmen, weil ich schlicht kein Interesse daran hatte.“ Er wusste, wie sein bester Freund ihn nun ansah. „Aber Lorenor ist anders, er ist jederzeit bereit für seine Freunde zu sterben und stellt ihr Glück weit über das seine. Durch jenen Fehler war Lorenor der Leidtragende, aber wenn er sein Verhalten nicht ändert, könnte das nächste Mal auch seine Crew dadurch zu Schaden kommen.“

Langsam schüttete Dulacre sich nach.

„Und wenn ich, ein Egoist, mir schon kaum verzeihen kann, was durch mein eigensinniges Handeln passiert ist, würde Lorenor dann je darüber hinwegkommen, wenn er das Leid eines Crewmitgliedes hätte verhindern können?“

„Dulacre?“

Lächelnd schüttelte Dulacre mit dem Kopf.

„Es ist wahr, Jiroushin, ich habe mich damals sehr gerne vom Kampfgeschehen treiben lassen; ich wollte es auskosten, wenn mir endlich mal ein würdiger Gegner gegenüberstand, und wo hat es uns hingeführt?“

Er erhob sich und trank sein Glas in einem Satz leer.

„Du hast Recht, dass ich zu Lorenor sehr streng bin hat mit Sicherheit auch mit meinen Gefühlen für ihn zu tun.“ Doch es war ein viel zu ernstes Thema, als dass dieser Gedanke ihn verunsichern würde. „Die Strohhüte sind mir um ehrlich zu sein ziemlich einerlei, aber sie sind Lorenor wichtig. Also werde ich nicht zulassen, dass ihnen passiert, was uns passiert ist. Ich werde nicht zulassen, dass Lorenor so eine Schuld zu schultern hat.“

Jiroushin stand ebenfalls auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Hawky, du weißt, dass ich dir nie die Schuld dafür geben würde, was damals passiert ist. Ich glaube nicht, dass eine Minute einen Unterschied gemacht hätte, weder für Zorro noch für uns.“

„Das mag sein“, gab Dulacre zu, „wer weiß, vielleicht hätte es keinen Unterschied gemacht. Aber falls je einem seiner Crewmitglieder etwas passieren sollte, will ich, dass Lorenor diese Zweifel erspart bleiben.“

„Welche Zweifel?“

„Dass er es vielleicht hätte verhindern können.“

 

Kapitel 52 - Flamme

Kapitel 52 – Flamme

 

-Zorro-

„Was soll das werden?“

Misstrauisch starrte er zwischen Jiroushin und Mihawk hin und her. Er war dran gewöhnt, dass der Samurai ihn von oben herab ansah – die Körpergröße tat ihr übriges – aber das Grinsen des Vizeadmirals beunruhigte ihn fast noch mehr.

„Ist das nicht offensichtlich?“, erklärte Dulacre kühl. „Heute wird Jiroushin dein Tanzpartner sein.“

„Was? Ich dachte, wir wollten kämpfen.“

„Wenn du in der Lage bist zu führen, darfst du meinetwegen so viel mit Jiroushin kämpfen wie du willst, aber bis dahin tanzt du.“

Wütend verschränkte Zorro die Arme. So war das Ganze nicht abgemacht gewesen.

„Ach komm, Zorro.“ Breit grinsend ging Jiroushin in Position. „Je schneller du es verstehst, desto schneller können wir nochmal gegeneinander kämpfen.“

Das war ein Argument, dem Zorro nicht viel entgegensetzen konnte. Leise murrend ging er in Position und griff nach der Hand des Soldaten.

„Jiroushin ist äußerst gut darin sich führen zu lassen, weit besser als ich“, bemerkte der Samurai während er um Zorro herumging und leichte Korrekturen an seiner Haltung vornahm, „außerdem hat er eine vollständige Tanzausbildung genossen. Er wird also deine Führungsqualitäten gut einzuschätzen wissen.“

Überrascht sah Zorro den Soldaten an. Erst jetzt bemerkte er es. Im Verhältnis zum Samurai stand Jiroushin ganz anders, seine gesamte Körperhaltung erinnerte Zorro daran, wie Kanan ihm versucht hatte das Tanzen beizubringen, aber selbst sie hatte dabei nicht so elegant und selbstbewusst gewirkt wie Jiroushin.

Dieser lehnte in Zorros Arm, den Oberkörper in einer leichten Biegung, die fast an ein Hohlkreuz erinnerte, die Knie gebeugt, und grinste nun zu ihm auf. Diese Position musste ungeheuer unbequem sein und Zorro fragte sich, wie der andere so selbstverständlich die Balance halten konnte. Er zweifelte arg daran, dass er seinen Körper so verbogen hatte, als der Samurai ihn geführt hatte. Er zweifelte daran, dass er sich überhaupt so verbiegen konnte.

„Unser lieber Hawky hier ist nicht der einzige aus gute Hause, weißt du? Und anders als er habe ich den zusätzlichen Privatunterricht sehr ernst genommen.“

„Und du gibst damit auch noch an?“, bemerkte Dulacre hinter ihm unbeeindruckt, ehe er Zorro wieder ansah.

„Du kennst die Schritte, Lorenor, also tanz sie.“ Der Samurai stellte sich hinter den Soldaten und schien auch dessen Schultern zu korrigieren. „Jiroushin kennt die Grundschritte und die verschiedenen Figuren natürlich auch, aber nicht die Choreografie, welche wir die vergangenen Tage zusammengestellt haben. Deine Aufgabe wird sein, ihn sauber durch die Choreografie hindurchzuführen, verstanden?“

Zorro nickte. Er hatte es schon unzählige Male mit Perona gemacht und fragte sich, warum die Übung heute anders sein sollte. Aber er hatte zugestimmt diesen Mist mitzumachen, also würde er das jetzt auch durchziehen.

Nach den ersten Schritten merkte er den Unterschied.

Jiroushin war leicht, es war als würde Zorro auf niemanden achten müssen, Perona war in den Schritten kaum sicherer gewesen als er selbst und Dulacre hatte er nicht mal bewegt bekommen, selbst wenn er gewollt hätte. Er hatte das Gefühl gehabt, dass es leichter gewesen wäre den Rivers Mountain per Hand zu bewegen als den Samurai.

Der Soldat hingegen schien zu reagieren, bevor Zorro überhaupt vorgab wo er hin wollte, als würde er seine Gedankengänge mit dem Observationshaki lesen. Es war einfach Jiroushin durch die Schritte zu führen und das obwohl Zorro alles andere als sicher war, fast schon so, als würde Jiroushin die Schrittfolge selbst kennen und sich nicht erst von Zorro zeigen lassen.

Fast war es so, als ob… Sie hatten die Drehung einen Schritt zu früh abgebrochen; hatte Zorro falsch gezählt? Die nächste Schrittfolge funktionierte wieder tadellos und da der Samurai nichts sagte konnte es genauso gut sein, dass Zorro sich den Fehltritt nur eingebildet hatte.

Was er sich hingegen nicht einbildete war das schelmische Grinsen des Soldaten in seinen Armen und irgendwie machte ihm das fast Angst und das schaffte noch nicht mal der Samurai.

Irgendetwas war hier faul.

Die gerade Linie aus fünf parallelgelaufenen Schritten war krummer als er geplant hatte, wodurch der Übergang für Zorro viel zu eng wurde und er beinahe über seine eigenen Füße stolperte.

Das missbilligende Zungenschnalzen des Samurais hallte durch den Raum, doch ansonsten blieb es ruhig. Ungewöhnlich ruhig, es passte gar nicht zum Älteren, dass er Zorro nicht alle zwei Sekunden korrigierte. Auf der anderen Seite war es nicht das erste Mal, dass Zorro von selbst den Weg herausfinden sollte.

Nach der nächsten Schrittfolge würden sie die untere Ecke der Tanzfläche erreichen und von dort eine strenge Diagonale zurück zur Mitte laufen, aber Zorro bemerkte etwas.

„Fällt es dir auf?“

Überrascht sah er zum Soldaten in seinem Arm hinab, der immer noch gefährlich grinste, während er in die Ecke nickte, die Zorro in den nächsten drei Schritten erreichen sollte, obwohl sie noch fast am anderen Ende waren.

„Weißt du, Zorro. Hawky hat dir gesagt, du sollst mich durch deine Choreografie führen.“ Obwohl sie nicht da waren, wo sie sein sollten, ging Zorro zum nächsten Element über und zog Jiroushin in die Schwebeposition. „Aber niemand hat gesagt, dass ich dir auch folgen würde.“

Im nächsten Moment machte Zorro einen Ausfallschritt nach hinten.

„Was?“ Sie hätten die Schwebeposition noch mindestens zwei Sekunden halten müssen, bevor sie in eine Drehung gehen sollten.

Zorro machte zwei weitere Schritte zurück und drehte sich dann um die eigene Achse.

„Bei einem Tanz gibt es ganz klare Regeln“, erklärte Jiroushin und sah zu ihm auf, „es gibt eine Schrittfolge, durch die der Partner dem Führenden hindurchfolgt. Der Führende bestimmt den Weg und der Partner passt sich an. Der Führende ist der stete Rahmen, in dem der Partner erblühen kann.“

Sie tanzten nicht mehr die Schritte der Choreographie und Zorro wusste nicht, wo er sie wieder aufnehmen sollte. Sie hatten ihre Tanzlinie schon seit langem verlassen und wenn er den Tanz einfach wieder dort fortsetzen wollte, wo sie unterbrochen hatten, würde die Schrittfolge sie geradewegs gegen die nächste Wand führen. Aber er war viel zu unsicher, um einfach eine neue Schrittfolge zu improvisieren, und Jiroushins Worte verstand er auch nicht.

„Ohne einen Führenden, kann der Partner nicht folgen, das heißt, wenn der Führende nicht führt…“ Plötzlich machten sie eine harte Linksdrehung und Zorro verlor das Gleichgewicht. „… muss der Partner die Führung übernehmen, um den Führenden zu helfen und um den Tanz zu vollenden.“

Zorro stolperte und fiel zu Boden.

„Aber in einem Kampf stehen sich nicht Partner gegenüber, sondern Gegner.“ Überrascht sah er zu Jiroushin auf, der über ihn thronte.  „Zorro, ich habe dich gerade besiegt.“

 

-Mihawk-

„Und nochmal.“

„Bist du sicher, Hawky? Er ist schon ziemlich fertig.“

„Egal. Nochmal.“

Mühselig erhob Lorenor sich. Schweiß rann seinen Körper hinunter und er hatte offensichtlich Mühe gerade zu stehen.

Dabei war die Aufgabe unglaublich simpel. Er sollte Jiroushin in drei Zügen besiegen. Wenn man bedachte, dass Lorenor Jiroushin mittlerweile überlegen war, sollte man eigentlich glauben, dass Lorenor leichtes Spiel haben sollte.

Natürlich hatte Lorenor noch nie gegen Jiroushin gekämpft während dieser seinen heißgeliebten Degen einsetzte, trotzdem sollte Lorenor ihn schnell besiegen können.

Aber dieser Tag und die drei vorrangegangenen zeigten, Lorenor konnte es nicht. Seine Fähigkeit war sich über den Verlauf eines längeren Kampfes stetig zu steigern, bis er seinen Gegner übertraf, aber gerade bekam er diese Zeit nicht und Jiroushin kannte tausende Angriffsmöglichkeiten und wusste wie man nicht in Muster verfiel.

Eins…Zwei… Lorenor lag wieder am Boden.

„Wir sollten es gut sein lassen“, bemerkte Jiroushin, doch Dulacre entging sein Grinsen nicht.

„Nein.“ Lorenor erhob sich schwer atmend und kratzte sich an der noch jungen Narbe im Gesicht. „Wir haben nur noch heute und morgen. Bis dahin muss ich es können.“

Damit hatte der Jüngste im Bunde nicht Unrecht. Jiroushin hatte eigentlich nur für ein paar Tage bleiben wollen, jetzt war er schon fast drei Wochen dabei Lorenor bei seinem Training zu unterstützten und offensichtlich wuchs das Heimweh nach seiner Frau und seinem Kind, außerdem konnte er gar nicht so viel Urlaubszeit haben, wie er hier auf Kuraigana verbrachte.

Lorenor entwickelte sich äußerst langsam im Bereich der Kampfführung. Es hatte lange gedauert, bis er es geschafft hatte seiner Aufgabe als Führender im Tanz gerecht zu werden und als Jiroushin dann entschieden hatte nicht mehr die Rolle des Partners zu übernehmen, sondern mit Lorenor um die Führung zu buhlen, war der Jüngere fast sofort wieder in seine alte Verhaltensform zurückgefallen.

Es war wie Jiroushin gesagt hatte, Lorenor hatte wahrscheinlich knapp fünfzehn Jahre seines Lebens damit verbracht diesen einen Kampfstil anzuwenden und nun verlangte Dulacre von ihm, dass er es innerhalb weniger Wochen änderte. Es war gewiss nicht leicht.

„Ich stimme Jiroushin zu, Lorenor, deine Angriffe werden langsam einseitig und vorhersehbar. Du hast noch drei Versuche, ansonsten beenden wir es für heute.“

Der Jüngere nickte nur, ging in Kampfposition und auf Dulacres Zeichen griffen die Kontrahenten an.

Wieder lag Lorenor am Boden und Dulacre seufzte laut auf.

„Weißt du“, murmelte Jiroushin ihm zu, „irgendwie ist es äußerst befriedigend, dass ich ihn immer noch so leicht besiegen kann, obwohl er mittlerweile so gut ist.“

Es überraschte Dulacre nicht im mindesten, dass Jiroushin Lorenors tatsächliche Stärke auch schon bemerkt hatte, aber es machte es ihm gleichzeitig auch schwerer, dass er im Begriff war Jiroushins erwachenden Kampfeswillen im Keim zu ersticken.

Er nickte seinem Freund nur zu und ging dann zu Lorenor, der immer noch am Boden kniete und sich das Blut von der neuen Wunde wischte. Er hockte sich neben seinen Schützling.

„Du verstehst immer noch nicht, was dir dieser Kampfstil bringen soll, nicht wahr?“

Lorenor sah ihn von der Seite her an.

„Doch, doch, ich muss den Kampf kontrollieren, damit ich ihn beenden kann wann immer ich will und mich nicht unnötig…“

„Du wiederholst nur meine und Jiroushins Worte, aber was sie bedeuten hast du nicht verstanden, oder?“

Er lehnte sich vor und nahm Lorenor das Kitetsu aus der Hand. Es war ein widerspenstiger Geist, ließ sich weder brechen noch beherrschen, wünschte Dulacre gerade den Tod and den Hals, und doch konnte Lorenor es gut führen. Dulacre’s Schützling war äußerst widersprüchlich.

„Ich möchte dich an deinen Kampf mit Nataku erinnern.“ Dulacre kannte die Einzelheiten aus den Akten und aus seinen Gesprächen mit Lorenor selbst und dem damaligen Kommandanten der G6, der die Strohhüte gefangen genommen hatte, außerdem kannte er den Kampfstil der kalten Klinge der Gerechtigkeit nur zu gut. „Wie viele Angriffe hat er gebraucht, um dich mit einer - seiner Meinung nach tödlichen - Verletzung zu versehen?“

Lorenor wandte den Blick ab, schien offensichtlich nachzudenken.

„Insgesamt sieben Mal“, murmelte er leise. „Aber eigentlich weniger. Die ersten drei Hiebe hätten locker ausgereicht. Ich hab spätestens beim dritten Angriff bemerkt, dass er mir überlegen war, er wusste es wahrscheinlich schon nach dem ersten.“

„Natürlich, du warst ihm damals nicht ansatzweise gewachsen.“

Lorenor sah ihn an.

„Ich hab nach dem dritten Angriff ernst gemacht“, gestand er ein, sich wahrscheinlich nicht einmal bewusst, dass dies ein Geständnis war, „und ab dann hat er auch ernst gemacht und nach drei Angriffen hatte er mich. Es wären weniger gewesen, wenn Ruffy nicht eingegriffen hätte.“

Dulacre zog Lorenor auf die Beine.

„Und hätte er von Anfang an ernst gemacht, hätte er dich nicht unterschätzt, würde die G6 heute wahrscheinlich noch stehen.“

Er konnte sehen, dass Lorenor nachdachte, versuchte zu begreifen worauf Dulacre hinauswollte.

„Du musst jeden Angriff so angehen, als würde das Leben deiner Crewmitglieder davon abhängen. Warte nicht erst drei Schläge ab, denn das sind die entscheidenden.“

Er zeigte mit Lorenors Schwert auf Jiroushin, der überrascht den Degen anhob.

„Das dort ist dein Gegner. Er braucht kaum drei Angriffe, um dich zu besiegen. Nataku hat sieben gebraucht, weil er nicht ernst gemacht hat. Wer also wird den übrigen vier Angriffen standhalten müssen? Der Smutje? Nico Robin? Der junge Doktor, den du so magst? Oder dein Kapitän? Nachdem dein Gegner dich in drei Zügen ausgeschaltet hat, wird er sich deiner Crew annehmen.“

Lorenor sah zum Vizeadmiral hinüber und nahm sein Schwert wieder entgegen; sein Blick hatte sich verändert, da war dieser Kampfgeist, mit dem Lorenor damals auch ihn angesehen hatte. Plötzlich verstand Dulacre, warum er solange gebraucht hatte, um Lorenors Schwäche zu sehen, denn wenn der Jüngere ihm gegenüberstand, hatte er sich nie zurückgenommen, und jetzt sah er Jiroushin mit genau dem gleichen Blick an, nein, es war nicht genau der gleiche Blick, er wirkte fast noch intensiver, als wäre die Zerstörungskraft eines ganzen Waldbrandes auf eine einzige Flamme konzentriert. Die Kontrolle, die er dem Jüngeren die letzten Monate eingetrichtert hatte, würde sich nun endlich bezahlt machen. Fast schon konnte Dulacre das Knistern hören, als er das Feuer im Auge des anderen sah, grinsend fuhr Dulacre fort.

„Also warte nicht darauf, dass dein Gegner ernst macht. Greif ihn von Anfang an mit dem Willen an ihn zu besiegen, denn wenn du es nicht tust, wird er es tun, und wer wird dann deine Crew beschützen?“

Der Jüngere entgegnete nichts, sondern ging in Kampfposition. Jiroushin warf Dulacre einen fragenden Blick zu, machte sich jedoch ebenfalls bereit. Auf Dulacres Zeichen griffen beide an.

Hart schlug Jiroushin zu Boden, Lorenors Klingen direkt an seinem Hals.

„Was zur…?“

Langsam klatschte Dulacre Beifall während Lorenor über dem erschrockenen Jiroushin aufragte. Manchmal war sein Schüler wirklich leicht zu durchschauen, hätte er doch nur mal früher daran gedacht dessen Beschützerinstinkt herauszufordern, dann hätten sie sich einige frustrierende Stunden ersparen können.

„Herzlichen Glückwunsch, Lorenor. Gerade hast du zum ersten Mal in deinem Leben einen Kampf geführt und gewonnen. Du gehörst nun zu den besten Schwertkämpfern der Welt.“

Offensichtlich überrascht wandte der Jüngere sich zu ihm um.

„Was?“

Dulacre konnte ein Lächeln nicht verbergen während er die Arme verschränkte.

„Du hast gerade Cho Jiroushin, den friedvollen Krieger und Verfechter des Degens, einen der fünf besten Schwertkämpfer der Welt, besiegt.“

Schwerfällig richtete sich Jiroushin im Hintergrund auf.

„Hör auf darüber auch noch so dämlich zu grinsen“, murrte er und streckte sich schwerfällig, „das war ein Sieg. Wie oft habe ich Zorro vorher besiegt?“

„Nun dann“, nahm Dulacre den zugeworfenen Ball nur zu gerne auf, „Lorenor, du sagtest du wolltest mich mindestens eintausendmal besiegen? Fang mit Jiroushin an. Nie mehr als drei Angriffe, verstanden? Beweise ihm, dass du ihm überlegen bist.“

„Hey, du warst mein Trauzeuge und bist der Patenonkel meines Kindes. Könntest du zumindest so tun, als würde dir das ganze hier nicht einen riesigen Spaß bereiten?“

Dulacre wollte etwas entgegnen, doch dann sprach Lorenor endlich.

„Dieser… Kampfstil, er fühlt sich anders an“, murrte er und schluckte schwer. „Muss ich von nun an immer so kämpfen?“

Diese Frage überraschte Dulacre nicht. Ihm war sehr wohl bewusst, dass diese Art des Kämpfens weniger reizvoll war als Lorenors, gleichzeitig entstand ein ungemeiner Druck für den Kämpfer. Dieser Kampfstil verlangte deutlich mehr Konzentration und Kontrolle als Lorenors bisherige, spielerische und leichtfertige Art.

„Ja, zumindest für die nächste Zeit.“ Der Jüngere entgegnete nichts. „Du musst lernen dich und den Kampf jederzeit und in jeder Situation kontrollieren zu können. Erst wenn dir das gelingt, kannst du auch wieder riskantere Taktiken anwenden und Spaß haben.“

Lorenor seufzte genervt.

„Wie soll das denn möglich sein? Jiroushin reist morgen ab.“

Er zuckte nur mit seinen Schultern.

„Na dann, nutze die Zeit, die dir noch bleibt, sonst wirst du noch ein langes Jahr vor dir haben.“

Einen Moment atmete der Jüngere tief ein und rieb sich mit dem Armrücken über die verschwitzte Stirn. Dann nahm er sein Schwert wieder in den Mund und richtete Kitetsu auf Jiroushin.

„Bist du bereit für eintausend Niederlagen?“

Der Blondschopf ging schwerfällig in Kampfposition.

„Ihr zwei seid wahnsinnig. Worauf habe ich mich da nur eingelassen?“

 

Sie kämpften wohl die ganze Nacht hindurch. Dulacre konnte es nur vermuten, da er selbst sich für ein paar Stunden Schlaf zurückgezogen hatte, doch als er zurückgekommen war, hatten die beiden wohl nicht eine Minute aufgehört.

Während die ersten Sonnenstrahlen durch die sanften Nebelschwaden brachen knieten beide Schwertkämpfer auf dem Boden, schwer am Atmen, blutig und schmutzig. Dulacre hatte natürlich Recht behalten. Nun, da Lorenor verstanden hatte was es bedeutete von Anfang an einen Kampf zu kontrollieren und er sich nicht mehr zurückhielt, zeigten sich seine Qualitäten. Nicht einmal mehr hatte Jiroushin ihn besiegen können, trotz seines Degens und seiner jahrelangen Erfahrung.

„Okay“, hechelte Lorenor mit einem halben Grinsen und ließ sich auf den Hosenboden fallen, „bereit für Runde zwei?“

„Davor brauche ich eine Pause“, murrte Jiroushin ebenso am Schnaufen und rieb an einem neuen Schnitt am Oberarm.

„Ihr beide macht eine Pause. Lorenor du musst dich umziehen, wenn du dich verwandelst, und ihr beide solltet etwas essen. Jiroushin, wann wirst du abgeholt?“

Einvernehmlich gingen sie zum Schloss zurück und Dulacre schickte den Jüngsten im Bunde ins Bad, während er sich ins Kaminzimmer zurückzog und in seinem Lieblingssessel die Zeitung lag.

Das Marineschiff, welches Jiroushin aufsammeln sollte, würde am frühen Abend eintreffen; es blieb also noch genug Zeit damit Lorenor auch in seiner weiblichen Gestalt gegen den Vizeadmiral kämpfen konnte.

„Mann, bin ich fertig.“ In sauberen Klamotten kam genannter Blondschopf ebenfalls ins Kaminzimmer, während er sich den Nacken rieb. „Das ist einfach nichts mehr für mein Alter. Den ganzen Tag trainieren ist ja eine Sache, aber dann noch die Nacht durchmachen… ich weiß ja nicht.“

Schwerfällig ließ er sich auf einen Stuhl nahe dem Feuer fallen. Dulacre beobachtete ihn aufmerksam. Fast schon beneidete er den anderen dafür, dass er die ganze Nacht gegen Lorenor gekämpft hatte.

„Echt schockierend, wie schnell Zorro so gut geworden ist“, murmelte Jiroushin nun und sah zu Dulacre hinüber. „Ich meine, vor gut einem Jahr hatte er noch keine Chance und heute… tja, die neue Generation ist auf dem Vormarsch, daran gibt es keinen Zweifel.“

Der andere hatte Recht. Vor gut einem Jahr war Lorenor auf Sasaki aufgetaucht, wenige Tage zuvor hatte Nataku ihn vernichtend geschlagen. Doch er hatte nur elf Monate hartes Training auf Kuraigana gebraucht, um mit Jiroushin gleichziehen – nein – ihn übertreffen zu können.

„Du weißt, dass ich schon des Öfteren Übungskämpfe gegen Nataku gewonnen habe?“, bemerkte Jiroushin nachdenklich, als hätte er über genau das gleiche nachgedacht.

Dulacre nickte und blätterte eine Seite um.

„Natürlich. Du bist ja auch der bessere Schwertkämpfer von euch beiden.“

„Hör auf dich über mich lustig zu machen.“

Nun sah er doch auf.

„Oh nein, Jirou, du weißt zu Scherzen liegt mir nicht. Deine Kontrolle ist der von Nataku weit überlegen und sowohl strategisch als auch technisch gesehen übertriffst du ihn.“ Er senkte seinen Blick wieder auf die Nachrichten der Welt, ganze vier Seiten waren den neuen Rookies gewidmet, die wohl vor kurzem das Sabaody Archipel erreicht hatten. „Er ist mental etwas robuster würde ich meinen und auch physisch stärker als du, wobei er wohl altersbedingt dieses Level nicht mehr lange halten sollte, so wenig wie er trainiert, aber du bist ihm nur aus einem einzigen Grund nicht ebenbürtig.“

„Mein Kampfeswille“, seufzte der Blonde einsichtig ehe er zu Dulacre hinüberkam und sich auf Lorenors Sofa fallen ließ. „Ich bin in einem echten Kampf nie darauf aus meinen Gegner zu töten, Nataku auf der anderen Seite…“

„Genug über ihn, Jiroushin. Ja, mir ist bewusst, dass Lorenor ihn vermutlich besiegen könnte, unter Aufbringung all seiner Kräfte in einem erbitterten Kampf, der ihn vielleicht sogar sein Leben kosten könnte. Nein, er ist mir noch lange nicht ebenbürtig und nein, du brauchst dich nicht dafür zu rechtfertigen, dass du kein geborener Krieger bist. In Anbetracht deiner familiären Lage ist es vielleicht sogar besser, dass du nicht so dem Kampf verfallen bist wie ich.“

Der andere reagierte nicht und so las Dulacre weiter.

„Ich dachte immer, du würdest es nicht gutheißen“, meinte Jiroushin schließlich nach mehreren Minuten der Stille. „Ich dachte immer, dass du mich für schwach halten würdest, weil ich nicht so gerne kämpfe wie du.“

Dulacre sah noch nicht mal auf.

„Was für ein Irrsinn“, bemerkte er kühl, „ich habe dich nie für schwach gehalten, Jiroushin. Deine Prinzipien widersprechen den meinen und deine Gutmütigkeit fordert oft meine Geduld, aber einen Kampf zu beenden bevor er überhaupt begonnen hat erfordert wohl ebenso viel Mut ein, wie einen Kampf einzugehen, vielleicht sogar noch mehr. Es ist wohl einfacher jemanden das Genick zu brechen als von der eigenen Meinung zu überzeugen, so zumindest meine eigene Erfahrung.“

„Du bist ein furchtbarer Mensch, Hawky.“

„Sag mir etwas, das ich nicht weiß. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du mir eine Vorbildposition aufgeschwatzt hast.“

„Du hättest ja ablehnen können.“

„Und deinen ewigen Zorn auf mich ziehen? Ich bitte dich…“

Jiroushin neben ihm lachte leise auf und auch Dulacre konnte ein Grinsen nicht verhindern während er eine weitere Seite umblätterte.

„Ganz ehrlich“, sprach der Vizeadmiral weiter, „jetzt gerade hier, mit dem Training und so… ich verstehe dich.“

Überrascht schaute Dulacre den anderen an, der mit einem schiefen Grinsen seine Hände betrachtete.

„Verdammt noch mal, dieser Piratenjäger…“ Er schüttelte den Kopf. „Es sollte mir gleich sein, dass er mich so schnell überholt hat, aber es regt mich richtig auf.“

Plötzlich sah er zu Dulacre hinüber.

„Wenn Zorro einen so angrinst, dann will man doch nur kämpfen. Ich verstehe gar nicht, wie du es aushältst nicht gegen ihn anzutreten. Meine Finger kribbeln jetzt noch und ich kann es kaum erwarten, gleich wieder mit ihm die Klingen zu kreuzen.“

Leise lächelnd faltete der Samurai seine Zeitung.

„Das ist also der Grund, warum du es hier solange ausgehalten hast. Ich war schon überrascht, dass du Frau und Kind solange allein lassen konntest.“

„Ja, wirf es mir auch noch vor“, lachte Jiroushin und warf sich auf dem Sofa auf den Bauch, um Dulacre besser ansehen zu können. Wieder mal wirkte er wie ein junger Bursche und nicht wie ein erwachsener Mann. „Ich bin so fertig und mein ganzer Körper tut mir weh, aber die ganze Zeit denke ich nur darüber nach, wie ich mein Training optimieren könnte. Muskeltraining, natürlich, aber ich muss auch meine Ausdauer verbessern, wenn ich mit Zorro noch mithalten möchte. Ich muss entschlossener werden und auch riskieren, mein Gegenüber zu verletzen, aber…“

Auf einmal schwieg der Blondschopf.

„Was tue ich hier eigentlich? Ich habe eine Familie, einen festen Job. Die Zeiten des wilden Kampfes liegen lange hinter mir. Ich…“ Kopfschüttelnd erhob er sich. „Ich beneide dich fast, Hawky.“

Jiroushin sah zu ihm hinab.

„Fühlst du dich immer so, in seiner Gegenwart? Erweckt er dieses Feuer in dir? Hast du ihn deshalb damals verschont?“

Langsam erhob sich auch Dulacre und legte die Zeitung auf den Beistelltisch.

„Sei vorsichtig, Jiroushin. Diese Flammen verzehren alles was sich ihnen in den Weg stellt.“

Dann ging er zur Türe, die gerade von Lorenor aufgestoßen wurde, nun in seiner weiblichen Gestalt, ein unnatürlich breites Grinsen auf den Lippen.

„Komm schon, Jiroushin. Lass uns kämpfen.“

Dafür, dass Lorenor bereits die ganze Nacht durchgemacht hatte – und grundsätzlich eher der schweigsame Typ Mensch war – zeigte er gerade sehr deutlich, wie sehr er kämpfen wollte.

Ja, es war ansteckend.

Sich gegenseitig zunickend folgten sie dem Jungspund.

Nun zeigte sich der Unterschied zwischen Lorenors beiden Gestalten noch deutlicher. Hatte Jiroushin kaum eine Chance gegen Lorenor Zorro gehabt, konnte er sich gegenüber Lady Loreen problemlos behaupten.

Aufmerksam beobachtete Dulacre die wohl zwei wichtigsten Menschen in seinem Leben.

Ich verstehe gar nicht, wie du es aushältst nicht gegen ihn anzutreten.

Jiroushin hatte den Finger genau in die Wunde gelegt. Dulacre wollte kämpfen, richtig kämpfen. Die letzten Jahre hatte er seinen steten Hunger fast vergessen, er war nicht mehr als ein dumpfes Pochen in seinem Hinterkopf gewesen, aber je besser Lorenor wurde, desto mehr gierte es Dulacre nach ihm.

Aber er wusste genau, dass er es bereuen würde, wenn er seine Geduld aufgeben würde. Glücklicherweise war er immer noch Herr seiner Entscheidungen und auch wenn er sich danach verzehrte Lorenor im Kampf niederzustrecken, so wollte er doch mehr als nur ein einziges Mal gegen ihn kämpfen. Er wollte ihn nicht verlieren! Und das aus so vielen vernünftigen und unvernünftigen Gründen.

Dulacre erhob sich und schritt nach vorne. Überrascht unterbrachen die beiden Kontrahenten ihren Kampf und sahen ihn an.

„Hawky, was ist denn?“

„Lorenor, gib mir dein Schwert“, befahl er kühl, ohne den Jüngeren anzusehen.

„Was? Wofür?“

Wie immer als Loreen kämpfte Lorenor mit Josei, welches er ihm nun widerstrebend reichte.

„Geh zur Seite, nicht, dass du verletzt wirst.“

„Was? Wovon redest du?“, murrte sein Wildfang unzufrieden und bewegte sich keinen Millimeter.  Mit verschränkten Armen sah er zum Samurai auf. „Es sind nur noch ein paar Stunden, bis Jiroushin abreist und ich habe ihn noch nicht besiegt.“

Besiegt?“, wiederholte Jiroushin auflachend. „Ganz ehrlich, so schwach bin ich dann doch nicht.“

„Du wirst ihn heute nicht mehr besiegen, Lorenor, und du hast genug gekämpft, deine Bewegungen werden unsauber.“

„Aber…“

„Schweig und geh zur Seite.“

Mit ausgestrecktem Arm unterstrich Dulacre seine Entschlossenheit.

„Jiroushin, wie fühlst du dich? Glaubst du, du hältst noch eine Runde aus?“

Er sah zu seinem besten Freund hinüber, der kurz den Kopf zur Seite lehnte und ihn nachdenklich betrachtete, dann seufzte er und ging mit einem leichten Grinsen in Kampfposition.

„Sei nicht zu hart zu mir, in Ordnung?“

„Was?“ Offensichtlich verwirrt sah Lorenor zwischen ihnen hin und her. „Was bedeutet das?“

„Heute, Lorenor, werde ich dir zeigen, wie ich kämpfe.“ Er sah wie die kindlich großen Augen noch eine Spur größer wurden und Lorenor einen Schritt zurückmachte. „Du wolltest mich doch immer mal in Aktion erleben, hier ist deine Chance.“

Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen, als Lorenor wortlos mehrere Schritte zurückging.

„Natürlich werde ich dir nicht mein ganzes Können seigen können. Das würde weder diese Insel noch mein Gegner überstehen…“

„Vielen Dank auch“, warf Jiroushin mürrisch ein.

„…aber vielleicht wird es dir eine gute Vorbereitung sein.“

„Eine Vorbereitung? Worauf?“, hakte Lorenor direkt nach.

Doch anstatt zu antworten, wog Dulacre Josei einen Moment in seinen Händen, schon lange hatte er nicht mehr mit ihm gekämpft, dreißig Jahre würden es wohl sein.

Ich bin nicht mehr der kleine Junge von damals, Josei, also glaube nicht, dass ich mich von dir kontrollieren lasse.

Während er tief ausatmete verschwand die Hitze der Klinge und Josei beugte sich seinem Willen. Dann richtete Dulacre sich auf, richtete die Klinge in seiner rechten Hand neben sich gen Boden und erwartete Jiroushin mit offenen Armen.

„Nun denn, Jirou. Lass uns dem Jungspund eine Show bieten.“

„Wie du willst.“

Im nächsten Moment griff der Blondschopf ihn an.

Ah, da war es. Dulacre hatte sich nicht geirrt und ein Blick aus seinem Augenwinkel verriet ihm, dass Lorenor es auch bemerkt hatte. Jiroushin kämpfte anders!

Mit Leichtigkeit wich Dulacre dem anderen aus, griff ihn gleichzeitig an. Jiroushin parierte seinen Angriff und rutschte einige Schritte zurück, eilte wieder nach vorne ohne Scheu. Mehrfach wendete Dulacre den Degen mit seinem Schwert ab und drängte Jiroushin zurück. Doch dieser ließ sich nicht beeindrucken, sprang über Dulacre hinweg und nutzte den Sekundenbruchteil, den Dulacre zum Umdrehen brauchte, um zur Seite zu springen und ihn anzugreifen.

Nur ein Ausfallschritt erlaubte ihm dem Degen zu entgehen, aber dadurch hatte er seine Deckung einen Spalt öffnen müssen und Jiroushin nutzte dies gnadenlos aus.

„Na komm, Hawky. Ein Anfänger könnte sehen, dass du mich hier tanzen lässt. Ich dachte wir wollten deinem Wildfang eine Show bieten.“

Ob Jiroushin es selbst bemerkt hatte? Er kämpfte viel freier als sonst, deutlich weniger bedacht, als hätte er wirklich Spaß daran gefunden. Die vergangenen Wochen, in denen er hatte helfen und vereiteln sollen, dass Lorenor führte, hatte er ganz offensichtlich seine eigenen Führungsqualitäten neu entdeckt.

Konnte es sein, dass Jiroushin endlich im Begriff war zu verstehen?

Und dann boten sie Lorenor eine Show. Für Dulacre war es ungewohnt so viel Rücksicht gegenüber seinem Gegner zu üben und ihn gleichzeitig so nahe an dessen Grenzen zu bringen. Aber er kannte Jiroushin gut, konnte ihm ansehen, wie weit Dulacre gehen konnte, ohne ihn zu gefährden und trotz allen Spaßes konnte Jiroushin Dulacres Kontrolle nun mal nicht gefährden.

Nach mehreren Stunden beendete Dulacre den Kampf mit einem eindeutigen Sieg, als er merkte, dass Jiroushin wohl seine letzten Reserven anzapfen musste. Zu seiner Überraschung war Lorenor im Anschluss sehr ruhig, im Gegensatz zum gutgelaunten Jiroushin, der sich über seine schmerzenden Knochen und seinen schwitzigen Körper beschwerte.

Dulacre selbst musste gestehen, dass er auch besser gelaunt war als zuvor. Wenn Jiroushin so kämpfen konnte machte es ihm fast schon Spaß mit ihm zu spielen und ein bisschen körperliche Betätigung war nun mal gesund für Geist und Körper.

Nachdem sie alle geduscht und saubere Klamotten angezogen hatten – und Jiroushin seine Habseligkeiten in die Eingangshallte gebracht hatte – genossen sie noch ein gemeinsames Abendessen mit Perona, bevor der Vizeadmiral aufbrechen musste.

Spät am Abend saßen Dulacre, Lorenor und Perona noch am Feuer, ehe sie sich schließlich zur Nachtruhe verabschiedete.

Aus dem Augenwinkel beobachtete er den Jüngeren. Er war nun noch schweigsamer als sonst. Ob es ein Fehler gewesen war ihm zu zeigen, was ihm noch bevorstand?

Nein, wenn Lorenor sich davon brechen lassen würde, hätte er es nie soweit geschafft. Trotzdem beunruhigte es Dulacre, dass er noch nicht ein Wort über diesen Kampf verloren hatte.

Dulacre schloss das Buch in seinem Schoß und betrachtete seinen Wildfang ganz unverhohlen. Im Schein des hellen Kerzenlichts wirkte sein Blick noch feuriger als während eines Kampfes und das, obwohl er ganz ruhig die Seiten vor sich verfolgte.

Sie hatten schon fast ein Jahr zusammen trainiert und sein Herz wurde schwer bei dem Wissen, dass ihm kaum mehr die gleiche Zeit mit Lorenor bleiben würde.

Jiroushin hatte Recht, es war grausam, aber er bevorzugte diesen Schmerz. Wie sagte Lorenor immer so treffend, Schmerz zeigte einem, dass man noch am Leben war.

Mittlerweile hatte Dulacre mit seinen Gefühlen Frieden gefunden. Er würde sie nie offen ausleben können, das war ihm bewusst, würde sie nie offen Lorenor gegenüber zugeben können, aber wenn sie nach einem so erfüllenden Tag hier im Kerzenlicht saßen, dann war er glücklich, so unvorstellbar glücklich.

Nie hätte er gedacht, so fühlen zu können und wenn er dieses Glück noch ein weiteres Jahr fühlen durfte, dann war er bereit auch den Preis dafür zu zahlen.

„Ist was?“ Lorenor sah auf, im Licht der Flammen wirkten seine Wangen gerötet. „Du starrst mich die ganze Zeit an.“

„Du bist noch schweigsamer als für gewöhnlich, Lorenor, und ich bin besorgt, ob es an meinem Kampf gegen Jiroushin liegen könnte“, verschwieg Dulacre geschickt seine wahren Beweggründe.

Der Jüngere sah einen Moment weg, dann schloss er sein Buch ebenfalls und nickte langsam.

„Ich denke viel darüber nach“, gestand er leise ein, „ich frage mich, warum du es mir gezeigt hast.“

Ein Hochgefühl stieg in Dulacre auf, er stand auf und schritt zum Schachbrett hinüber, auf dem ihre derzeitige Partie ausgebreitet lag. Auf seinem Wink hin folgte ihm Lorenor.

„Eine ausgezeichnete Frage“, lobte er und sah den anderen an. „Und? Warum glaubst du habe ich es getan?“

Der Jüngere betrachtete ihr Schachbrett – er war seit knappen zwei Wochen am Zug – und verschränkte die Arme.

„Ich weiß es nicht wirklich. Dass du kämpfen willst ist mir klar, aber gegen Jiroushin kannst du nicht richtig kämpfen, nicht so wie du es gerne wölltest, oder? Du musst auf ihn Rücksicht nehmen.“ Nun sah Lorenor ihn an. „Außerdem hättest du die vergangenen Wochen jeden Tag gegen ihn kämpfen können, hast es aber nicht. Warum jetzt? Warum heute? Lag es nur an Jiroushin? Das glaube ich, um ehrlich zu sein, nicht. Ja, er war im Kampf gegen dich viel besser als gegen mich, als hättest du ihn angespornt. Aber du hast es nicht deswegen getan. Nein, sondern wegen mir.“

Neugierig hörte Dulacre seinem Wildfang bei seinen Gedankengängen zu.

„Ich dachte zuerst, dass du mich vielleicht einschüchtern wolltest. Damit ich nicht größenwahnsinnig werde, nur weil ich jetzt Jiroushin besiegt habe, aber das ist es nicht. Du weißt, dass ich mich von so etwas nicht beeindrucken lasse. Im Gegenteil, ich hab selbst immer noch gar nicht das Gefühl, mich so sehr verbessert zu haben und daher denke ich… Ich denke du wolltest mir zeigen, wie gut ich geworden bin, weil ich es sehen konnte. Weil ich den Unterschied zwischen euch sehen konnte.“

Laut atmete Dulacre aus, erleichtert, dass Lorenor es nicht nur bemerkt, sondern auch verstanden hatte.

„Ganz recht, Lorenor. Ich glaube du hast immer noch nicht begriffen, wie sehr du dich entwickelt hast. Ich glaube du denkst immer noch, dass du dich von deinem Ich von vor einem Jahr kaum unterscheidest, nicht wahr?“

Lorenor zuckte mit den Achseln und nickte langsam.

„Glaubst du, du könntest Nataku mittlerweile besiegen?“

Offensichtlich über diese Frage überrascht wandte der Jüngere den Blick ab.

„Keine Ahnung. Ich konnte ihn damals kaum einschätzen. Ich wusste, dass er mir überlegen war, aber um wie viele Lichtjahre…“ Erneut zuckte er mit den Schultern.

„Dann lass mich dir eine Antwort geben, Lorenor.“ Der andere sah ihn an. „Bevor dein erstes Jahr hier auf Kuraigana um ist, wirst du auch ihn übertroffen haben.“

„Was? Aber das sind nur noch ein paar Tage.“

„Ich weiß. Du bist in den letzten Monaten wirklich weit gekommen, viel weiter als ich dir zu Anfang zugetraut hätte, und doch glaub mir, du hast noch nicht mal die Hälfte des Weges geschafft, um es mit mir aufnehmen zu können. Aber das hast du natürlich heute gesehen.“

Er beobachtete, wie Lorenor eine Spielfigur – einen Läufer – nahm und sie neu positionierte.

„Ja, das habe ich“, murmelte er ruhig, „und du willst mir sagen, dass das was ich heute gesehen habe bereits Homuras Grenze ist?“

Dulacre nickte nur.

„Warum? Denkst du ich würde mich nun an ihm rächen, sobald ich ihm überlegen bin?“

„Aber nicht doch“, beschwichtigend hob er eine Hand. „Ich weiß doch, dass du nicht viel von Rache und derlei Gefühlen hältst.“

„Warum dann? Warum hast du ausgerechnet heute mir gezeigt wie du kämpfst? Worauf soll ich mich vorbereiten? Was hat das mit Nataku und Jiroushin zu tun?“

„Es ist ganz simpel Lorenor. Jiroushin ist hierfür nicht wirklich von Belang, seine Fähigkeiten sollten dir nur zeigen, wie weit du bereits gekommen bist. Nataku auf der anderen Seite ist Jiroushin von seiner mentalen und physischen Stärke überlegen und das ist relevant für dich.“

„Warum?“

Nun grinste Dulacre und er sah auf seinen Schützling hinab.

„Sobald du stark genug bist Nataku zu besiegen, bist du bereit.“ Lorenors Augen wurden groß. „Ab dann, Lorenor, werde ich dir beibringen, was der Unterschied zwischen Menschen wie uns und ihnen ist, und solltest du das durchhalten, solltest du wirklich vor Ablauf dieses Jahres gut genug werden, werde ich gegen dich kämpfen, und dich hoffentlich nicht ausversehen umbringen.“

„Was?“

Seine Schultern rollend ging Dulacre zurück zu seinem Sessel.

„Ich habe dir heute gezeigt, wie ich kämpfen kann, damit du dich drauf vorbereitest. Denn wenn du dachtest, dass das vergangene Jahr anstrengend war, hast du keine Ahnung was dich erwartet. Sobald du stark genug bist, werde ich aus dir einen Schwertmeister formen, wie die Welt ihn noch nicht gesehen hat. Du wirst dem Tod in den kommenden Monaten öfters ins Gesicht blicken als in deinem bisherigen Leben. Ich werde dir zeigen, warum die Kluft zwischen den anderen Schwertkämpfern und mir so unüberbrückbar ist. Ich werde dir zeigen, wie du die Grenzen des Menschenmöglichen überschreitest, denn nur so kannst du mir ebenbürtig werden.“

„Aber…“ Lorenor folgte ihm und sah ihn fast schon zögerlich an. „Also nicht, dass ich mich beschweren will oder so, aber du hast immer gesagt, dass du auf keinen Fall gegen mich kämpfen würdest, ehe ich nicht stark genug wäre dich zu besiegen. Weil du mich ausversehen umbringen könntest, wenn du die Kontrolle verlierst, das hast du gerade selbst noch gesagt. Und jetzt willst du es doch tun? Warum?“

Dulacre lehnte sich nach vorne.

„Weil ich ungeduldig werde. Ich dachte mir fünf Jahre seien eine überschaubare, realistische Zeit, aber nach heute… Lorenor, du wirst mich bis zum Ende deines Aufenthalts hier nicht besiegen, aber wenn du Kuraigana verlässt wird es neben mir kaum einen Schwertkämpfer geben, der dich noch besiegen könnte, das verspreche ich dir.“

Er beobachtete Lorenors Reaktion, wie er nachdenklich von Dulacre zum Schachspiel, dann zum Feuer, zum Buch neben ihm, seine Hände und dann wieder zu Dulacre hinübersah. Er hatte etwas anderes erwartet, verschmitzte Energie oder unbeeindruckte Gleichgültigkeit, aber wieder einmal reagierte Lorenor nicht nach seiner Annahme.

„Ich will dich besiegen“, sagte er schließlich.

„Wenn du in einem Jahr diese Insel verlässt, wird dir nur noch eine Eigenschaft fehlen, um mich zu besiegen, aber da ich dir diese eine Eigenschaft nicht beibringen kann, wirst du sie dir selbst aneignen müssen, und danach wirst du zurückkommen und mich besiegen.“

„In Ordnung.“ Lorenor stand auf. „Dann lass uns morgen mit diesem ultimativen Training anfangen.“

Überrascht sah er auf.

„Lorenor, ich sagte doch gerade…“

„Ich habe dich gehört. Aber du bist nicht der einzige, der ungeduldig wird. Ich beherrsche Haki, bin mein eigenes Monster geworden, habe Führen gelernt und meinen Körper perfektioniert. Ich bin bereit. Ich bin bereit das Menschenmögliche hinter mir zu lassen und dich zu besiegen.“

Die Hitze in Dulacres Inneren war beinahe unerträglich. Schon wieder ging der Jüngere diesen einen Schritt mehr.

Grinsend erhob er sich, doch dann wurde er Herr seiner Gefühle.

„Dann ab ins Bett mit dir, Lorenor. Du wirst den Schlaf brauchen, wer weiß, wann du noch mal die Chance dazu haben wirst.“

Kapitel 53 - Zuhause

Kapitel 53 – Zuhause

 

-Mihawk-

Ein wehleidiges Klagen hallte durchs kalte Schloss.

„Schließe bitte die Tür“, murrte er als das Geistermädchen hineinkam.

Schnell folgte sie seiner Bitte. Sie sah furchtbar aus; die geschwollenen Augen zeugten von den Tränen, die sie geweint hatte.

„Kannst du nicht etwas tun?“, flüsterte sie. „Ich halte das nicht mehr aus.“

„Er hat Schmerzen“, entgegnete er kühl. „Ich bin kein Arzt, es gibt nichts, was ich tun könnte.“

„Aber… aber was ist, wenn er stirbt?“

„Dann war er nicht bereit.“

Das Gespräch war beendet. Er öffnete seine Zeitung und senkte seine Konzentration auf die bedruckten Seiten während Perona das Feuer im Kamin schürte.

In der vergangenen Nacht waren sie zurückgekommen. Einen Monat hatte Lorenor mit ihm auf den alten Bergen im Norden der Insel ausgehalten, nun hatte Dulacre ihn zurückgebracht, denn die Wunden hatten einer vernünftigen Versorgung bedurft und Lorenors Körper eine Pause.

Sein ultimatives Training – wie Lorenor es doch so treffend benannt hatte - war noch lange nicht vorbei, aber wenn Dulacre nicht unterbrochen hätte, würde Lorenor wohl wirklich sterben und das konnte er nicht zulassen.

Natürlich hatte er erwartet, dass es schwierig für den Jungspund werden würde, aber was sie wohl beide unterschätzt hatten, war Lady Loreens Einfluss. Lorenor mochte in seiner Gestalt Dulacres Herausforderungen gerade so gewachsen sein, als Lady Loreen war dies aber bei weitem nicht der Fall und da Lorenor seine wahre Gestalt kaum 40 Stunden aufrechterhalten konnte, musste er sich über kurz oder lang immer verwandeln.

Als Loreen konnte Lorenor kaum mit seinem normalen Training mithalten, es war zu erwarten gewesen, dass er diese außergewöhnlichen Anforderungen in diesem Zustand nicht aushalten würde. Dennoch hatte er nicht aufhören wollen und sein eiserner Ehrgeiz hatte ihn nun in diese Situation gebracht. Dulacre war bereit gewesen auf Lorenors Fluch Rücksicht zu nehmen, aber Lorenor hatte dies selbst natürlich nicht getan und so hatte er sich selbst überfordert.

Zum ersten Mal schien Lorenor wirklich an seine geistigen und körperlichen Grenzen gekommen zu sein – nicht, dass es Dulacre überraschte – und wie nicht anders zu erwarten, hatte dies ihn direkt beinahe umgebracht.

Schlimmer war jedoch, dass Lorenor ihn fortgeschickt hatte. Obwohl Dulacre es bevorzugt hätte auf ihn aufzupassen, hatte Lorenor ihm mit schmerzerfüllter Stimme fast schon befohlen dessen Zimmer zu verlassen. Deshalb saß er nun hier und tat so, als würde ihn das Wimmern und Stöhnen nicht mehr als stören.

Vielleicht war es ein Fehler gewesen Lorenor bereits so früh diesen Schritt gehen zu lassen. Auf der anderen Seite war er bereit gewesen, mehr als das. Es war wie Lorenor sagte, er hatte all die Voraussetzungen gemeistert und war, gerade in Anbetracht seiner jungen Jahre, ein herausragender Schwertkämpfer.

Bereits jetzt gab es nur noch wenige Menschen auf der Welt – ob Schwertkämpfer oder nicht – vor denen Lorenor sich in Acht nehmen musste. Aber in Anbetracht dessen, welcher Crew er angehörte, wohl immer noch genug.

Aus diesem Grund war es notwendig, dass Lorenor zu der Handvoll Menschen gehörte, die ihre menschlichen Grenzen hinter sich ließen, nur so konnte er wirklich ganz oben mitspielen und schließlich auch Dulacre besiegen.

Seit dem großen Krieg war sich Dulacre sicher, dass auch der Strohhutjunge diese Grenzen überschreiten würde, insbesondere da der schwarze König ihn unterweisen wollte, wenn Lorenor ihn weiterhin beschützen wollte, musste er also ebenso stark werden.

Aber er fragte sich immer noch, was Rayleigh sich dabei gedacht hatte; zwei Jahre waren sowohl für Lorenor als auch für den Strohhut äußerst wenig Zeit, um nicht nur die Grundlagen wie Haki zu lernen, sondern auch noch über sich hinauszuwachsen.

Lorenor hatte sich in dem vergangenen Jahr hervorragend entwickelt, deutlich besser als Dulacre es erwartet hatte, aber trotzdem war das eine Jahr was ihnen blieb kaum genug Zeit, selbst für jemanden wie Lorenor.

Wie konnte der alte Mann erwarten, dass der Strohhut – der nicht ansatzweise so diszipliniert und zielorientiert wie Dulacres Schützling wirkte – in zwei Jahren stark genug werden würde sich jemandem wie Sakazuki entgegenstellen zu können?

Seufzend schloss Dulacre seine Zeitung. Solche Fragen würden ihn nicht weiterbringen und das Können des Strohhuts beschäftigte ihn nur insoweit, wie es Lorenor betraf. Er hoffte, dass Rayleigh diesen Bengel gut genug trainierte, sodass dieser ausnahmsweise auch mal in der Lage sein würde Lorenor beschützen zu können und nicht nur umgekehrt.

Shanks hatte Dulacre prophezeit, dass dieser vom Strohhut übertroffen werden würde, so wie Dulacre wusste, dass Lorenor ihn übertreffen würde. Also blieb ihm nichts anderes übrig als daran zu glauben, dass sein einstiger Lieblingsrivale Recht behalten würde. Nicht weil Dulacre sich um den nervigen Gummijungen sorgte, aber er wollte verhindern, dass Lorenor immer den Kopf hinhalten musste, sobald der Strohhut sich wieder einen Gegner gesucht hatte, dem er nicht gewachsen war.

Doch die Zweifel blieben, ob sich Shanks Prophezeiung innerhalb von nur zwei Jahren verwirklichen konnte. Er gestand dem Strohhutjungen zu, dass er nicht schlecht war – zumindest nicht ganz unfähig von dem, was er während der großen Schlacht gesehen hatte – aber übermenschlich war an ihm wohl nur sein Talent gewesen, selbst in einer solchen Situation Verbündete und Freunde finden zu können. Seine Kraft war alles andere als außergewöhnlich gewesen und Dulacre wollte sich nicht darauf verlassen, dass dieser Junge in zwei Jahren der Kapitän werden würde, den Shanks in ihm sah und den Dulacre für seinen Schützling brauchte.

Aber das lag wohl außerhalb seiner Kontrolle, ob Rayleigh diesen Zeitraum bewusst gewählt hatte oder nicht, ging ihn nichts an. Er hatte versprochen aus Lorenor einen Schwertmeister zu machen und das war ihm mittlerweile wohl auch gelungen. Jetzt würde er Lorenor dabei helfen außergewöhnlich zu werden.

Doch dafür musste Lorenor erst einmal genug genesen, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können.

Als er aufstand, bemerkte er, dass Perona noch auf ihrem Sessel nahe dem Feuer saß, ein Buch über Blumenanbau in ihrem Schoß. Überrascht sah sie auf als sie seinen Blick bemerkte.

„Uhm, ich denke es ist noch zu früh fürs Frühstück, oder?“

Warum dachte sie, dass es ihm darum ging?

„Ich bin nicht hungrig und Lorenor wird wohl nichts zu sich nehmen können, also brauchst du dich heute nicht nach uns zu richten.“

„Aber… aber warte mal.“ Sie war ihm zur Tür gefolgt. „Zorro kann vielleicht nichts essen, aber du musst doch zumindest etwas zu dir nehmen. Seit über einem Monat verschanzt ihr euch da oben auf dem Berg, esst ihr überhaupt irgendetwas?“

Verwundert sah er zu ihr hinab. Sie machte sich tatsächlich Sorgen, was für ein naives Gör.

„Perona, Lorenor und ich sind Piraten. Es stimmt zwar, dass ich noch nie auf der Straße gehaust habe, aber bitte unterschätze meine Qualitäten nicht, auch in widrigen Umständen zu überleben. Ein paar Monate fernab von der Zivilisation werden mich schon nicht umbringen.“

Sobald er die Tür öffnete bestätigte sich seine Vermutung, das Klagen war mittlerweile verstummt. Ruhige Schritte führten ihn in Lorenors Zimmer. Wohl wissend, dass der Jüngere ihn nicht dahaben wollte, trat er ein.

Schmunzelnd stellte er fest, dass sein Wildfang sich tatsächlich wieder in seine männliche Gestalt zurückverwandelt hatte. Dulacre wusste nicht, ob es ihn beeindrucken sollte. Natürlich war es klug von Lorenor, sich in diese Gestalt zu verwandeln, sobald es ihm möglich war, da seine Selbstheilungskräfte und Schmerzgrenze in diesem Körper deutlich besser waren als in seiner anderen Gestalt. Gleichwohl wusste Dulacre von vielzähligen Beobachtungen, dass die Verwandlung von Lady Loreen zu Lorenor Zorro für seinen Wildfang sehr unangenehm bis hin zu schmerzhaft sein konnte.

In einer Situation, in der Lorenor vor Schmerzen kaum klar denken konnte, sich noch weiteren Schmerzen auszusetzen grenzte fast schon an Wahnsinn. Zufrieden ließ Dulacre sich auf seinem Stuhl nieder. Lorenor war also wirklich dabei seine physischen Grenzen hinter sich zurückzulassen.

Lange betrachtete er das Kind vor sich im Bett. Wobei es wohl wirklich falsch war Lorenor noch als Kind zu bezeichnen. Er hatte sich tatsächlich sehr verändert seit ihrem ersten Aufeinandertreffen, nicht nur äußerlich, nicht nur körperlich. Lorenor war schon lange kein Kind mehr, vermutlich schon länger als Dulacre ihn kannte, aber solange Dulacre sich selbst vormachte, dass Lorenor noch ein Kind war, solange war es einfacher für ihn.

Denn auch er hatte sich verändert, er war weich geworden, emotional, aber das schien nur ein nerviger Beigeschmack zu sein und nicht das, was ihn wirklich beschäftigte. Die Welt hatte ihn gelangweilt, das Leben ermüdet, nichts mehr hatte ihn wirklich interessiert und erst recht hatte nichts mehr für ihn Bedeutung gehabt.

Nun jedoch war er nicht mehr dieser überdrüssige, angeödete Samurai. In nur einem Jahr hatte Dulacre sich komplett verändert, Lorenor hatte ihn komplett verändert.

Er hatte seine Gefühle für den Jüngeren und ihre Auswirkungen auf ihn selbst schon vor langer Zwei akzeptiert. Er wusste, dass er nicht mehr der Mann war, der genügsam die Weltgeschehnisse beobachten konnte und unbedarft einschlief. Denn mittlerweile hatte er etwas – jemanden – um den er sich sorgte.

Natürlich würde Lorenor von diesen Gefühlen nie erfahren dürfen. Rein aus egoistischen Gründen natürlich. Denn selbst bezüglich Lorenor handelte Dulacre nicht selbstlos, selbstredend nicht.

Dulacre hatte mittlerweile eingesehen, dass sein Glück und seine Zufriedenheit von Lorenor abhängig waren. Auch war ihm bewusst, dass diese Abhängigkeit nicht unbedingt für ihn sprach, aber das war ihm gleich. Dank Lorenor hatte Dulacre wieder einen Sinn im Leben gefunden, die Welt hatte ihre Eintönigkeit verloren, und Dulacre wollte, dass dies so blieb.

Für Jahrzehnte hatte Dulacre nicht gewusst, wie erfüllend das Leben sein konnte, aber nun, da er dies kennen gelernt hatte, diese kraftvollen Gefühle kennen gelernt hatte, nun wollte er diese nicht mehr aus seinem Leben verlieren, und da seine Gefühle, sein Glück, von Lorenor abhängig waren, wollte er schlichtweg ihn nicht verlieren.

Es war reiner Egoismus, er wollte, dass Lorenor glücklich war, damit auch er selbst glücklich sein konnte, ganz gleich was dieses Glück kosten würde.

Aber wenn Lorenor seine egoistischen Gefühle kennen würde, würde er sich wohl von Dulacre abwenden oder noch schlimmer, ihn bemitleiden, und das wollte Dulacre nicht. Er wollte nicht, dass Lorenor um ihn herumtanzte wie auf Eierschalen.

Du bist der einzige, der mich nicht anders behandelt.

Dulacre vergrub sein Gesicht in einer Hand.

Selbst diese Unterhaltung hier, ich glaube kaum, dass jemand anderes so mit mir reden würde.

Es war Lorenor, der einfach nicht verstand. Der trotz all der Monate immer noch nicht verstand, dass es nicht an Dulacre lag, nicht an Lorenors Crew oder an sonst jemandem.

Hast du denn überhaupt eine Entscheidung gefällt? Hast du dich denn hier für mich und gegen deine Crew entschieden? Warum bist du dann mit mir gegangen, wenn nicht, um ein Mann zu werden?

Dulacre wusste nun, warum ihm diese Fragen damals so wichtig gewesen waren, weil er Gefühle für Lorenor entwickelt hatte und sich keine Hoffnungen hatte machen wollen. Weil er gewusst hatte, dass Lorenor ihn über kurz oder lang verletzten würde.

Aber Lorenor verstand nicht.

Weil du Recht hattest. Weil ich es jetzt endlich auch verstehe und weil du mich siehst.

Nein, es war nicht so, dass Dulacre der eine Mensch auf dieser Erde war, der in der Lage wahr Lorenor als die Person zu sehen, die er wahrhaftig war, nicht mal im Entferntesten.

Es war genau andersherum. Aus welchem gottverlassenen Grunde auch immer hatte Lorenor unter all den Menschen in seinem Leben Dulacre auserwählt, um ihm sein wahres Ich zu zeigen. Dulacre konnte Lorenor sehen, weil dieser nur vor ihm seine Maske ablegte und dieses Wissen erfüllte Dulacre mit einem irrationalen Stolz, mit einem verschwiegenen Glück.

Aber zeitgleich bedeutete dies auch, dass sobald Lorenor wusste, wie Dulacre wirklich fühlte, würde er seine Maske wohl nicht mehr abnehmen. Denn Lorenor nahm auf alle Menschen in seinem Leben Rücksicht, entweder weil er sie beschützen wollte oder aber um sich selbst zu schützen, nur Dulacre gegenüber war er ehrlich.

Vielleicht weil Dulacre selbst stark war, weil Lorenor ihn nicht beschützen musste, vielleicht auch weil Dulacre sich gegenüber Lorenor nicht gut kontrollieren konnte und ehrlicher mit ihm umging als mit den meisten. Vielleicht auch weil Dulacre Lorenors Vertrauen eingefordert hatte.

Schlussendlich wusste er es nicht; aber aus welchem Grund auch immer, er wollte diese scheinbar einzigartige Beziehung, die nur er zu Lorenor pflegen durfte, nicht gefährden, erst recht nicht durch so etwas lächerliches wie seine eigenen Gefühle.

Ein Husten ließ Dulacre aufhorchen. Tief war er in seinem Stuhl heruntergerutscht, musste offensichtlich eingeschlafen sein, dabei war er nicht sonderlich müde gewesen.

„Hey...“

Er schlug die Augen auf und sah zu Lorenor hinüber, der schwer atmend und mit nur halb geöffnetem Auge gegen das Kopfende seines Bettes lehnte und ihn ansah.

„Lorenor, du bist wach?“

„Mhm… Blitzmerker…“ Seine Lider flatterten, er schien deutliche Schmerzen zu haben – dazu kam, dass Dulacre ihm entgegen seiner Befehle ein entzündungshemmendes Schlafmittel gegeben hatte, was einen wachen Zustand mit Sicherheit nicht erleichterte – und doch schien er sich dem Schlaf nicht mehr hingeben zu wollen.

„Du solltest dich ausruhen. Du bist schwer verwundet. Wie lange bist du schon wach?“

Ein schwaches Grinsen glitt über die fahlen Züge seines Wildfangs und er nickte sachte Richtung Fenster.

„Ein paar… Stunden schon…“

Dulacre folgte seinem Blick und realisierte, dass rötliche Nebelschwaden das Ende eines langen Tages ankündigten. Wissend, dass er sich während der frühen Morgenstunden an Lorenors Bett gestohlen hatte, musste er den ganzen Tag wohl durchgeschlafen haben.

„Wirktest ziemlich müde“, bemerkte Lorenor mit flüchtiger Stimme als hätte er Dulacres Gedanken erraten.

„Es tut mir leid“, murmelte der Samurai und fuhr sich durchs Gesicht, verwarf die Gedanken, mit denen er sich bis gerade beschäftigt hatte. „Es spricht nicht für mich, dass ich während meiner Wache einfach einnicke.“

Lorenor schüttelte leicht den Kopf. „Nein… war vielleicht besser so… war ziemlich wütend, als ich dich gesehen habe…“

„Weil ich entgegen deiner Worte hier war?“

Der Jüngere nickte.

„Hab versucht dich… zu wecken… aber…“ Er zuckte nur schwach mit den Schultern. Offensichtlich war seine Stimme kaum laut genug, um mit einem Flüstern verwechselt zu werden und bewegen konnte er sich natürlich auch nicht viel.

„Und jetzt bist du nicht mehr wütend?“

Erneut ahmte Lorenor ein Schulterzucken nach.

„Is‘ schon okay.“

„Du solltest schlafen, Lorenor. Je eher es dir besser geht, desto eher können wir weitertrainieren.“

„Kann nicht“, erklärte Lorenor mit erhobener Augenbraue. „Verwandel mich bald.“

„Ein Grund mehr vorher so viel Kraft zu sammeln wie möglich. Wenn du möchtest, hole ich dir noch etwas Medizin und vielleicht sollten wir noch…“

„Dula… warte.“

Er war bereits aufgestanden, um zum kleinen Koffer mit Verbandsmaterial und ähnlichem herüberzueilen, doch Lorenors schwacher Einwand ließ ihn direkt innehalten, als dieser bemühte sich aufrecht hinzusetzen.

„Beweg dich nicht, Lorenor.“ Er eilte zum Bett zurück.

Der Jüngere war vor knapp einem Tag in seiner weiblichen Gestalt auf dem Berg ohnmächtig geworden, seinen Verletzungen erlegen, und aufgrund des hohen Blutverlustes war Dulacre besorgt gewesen, dass er es schaffen würde. Er hatte mehr Blut verloren, als ein Mensch sollte und doch schien es ihm schon deutlich besser zu gehen – schließlich war er überhaupt am Leben und darüber hinaus auch noch wach und am Reden.

„Ich… Ich muss dir was sagen“, flüsterte Lorenor.

„Was auch immer es ist, du kannst es mir sagen, wenn es dir besser geht. Du bist fiebrig.“

Er griff nach dem kleinen Schälchen mit Wasser und Tuch, welches zweifelsohne von Perona stammte, und wich dem Jüngeren den Schweiß von Stirn, Wangen und Nacken.

„Nein… hör zu.“ Lorenor lehnte sich tatsächlich vor und keuchte vor Schmerzen auf.

Dulacre ließ das Tuch los und hielt Lorenor an der Schulter aufrecht, wissend, dass er diesen Sturkopf wohl nur unter Gewalt zum Hinlegen bewegen konnte.

„Ich weiß was du sagen willst, Lorenor“, meinte er ruhig und sah den anderen ernst an. „Es ärgert dich, dass du nun wieder im Bett liegst, anstatt zu trainieren. Du magst es nicht, dass ich an deinem Bett wache wie bei einem Kranken oder gar Todgeweihten. Du hasst es so hilflos zu sein, ich weiß.“

Für eine Sekunde reagierte der Jüngere gar nicht, sondern begegnete einfach seinem Blick, als wäre er höchst konzentriert darauf nicht einfach in sich zusammenzufallen. Dann rang sich ein leises, kehliges Lachen aus dem Rachen des Jüngeren, das ihm offensichtlich Schmerzen bereitete, denn direkt zog er scharf Luft ein.

„Stimmt schon“, flüsterte er und schloss einen Moment zu lange sein Auge, „aber das meinte ich nicht… Ich will sagen…“

„Lorenor, schlaf dich gesund. Morgen früh…“

„Nein!“

Dulacre erschrak, als Lorenor ihn mit weitaufgerissenen Augen am Arm packte.

 „Nein…“ Schwer atmend durch diese Anstrengung ließ Lorenor sich zurücksinken und schloss sein vernarbtes Auge wieder, während das andere schwerfällig auf ihn gerichtet blieb. „Morgen… werde ich es dir nicht… mehr sagen…“

Was für eine seltsame Aussage, aber noch mehr schockierte Dulacre, dass Lorenor sich immer noch bewegen konnte, seine Kräfte immer noch nicht am Ende waren, zumindest in dieser Gestalt. Vor einigen Monaten hatte er sich geweigert mit Lorenor zu trainieren, wegen der Verletzung in seinem Gesicht, nun war er bereits…

„Warum? Warum würdest du es mir morgen nicht mehr sagen?“, fragte Dulacre, anstatt darüber zu grübeln, ob er Lorenor im Vergangenen nur aus Schuldgefühlen zu einer Zwangspause gedrängt hatte, oder ob Lorenor sich einfach nur unfassbar schnell weiterentwickelt hatte.

„Wegen… des Fiebers…“ Ein schiefes Grinsen schlich dem Jüngeren über die Züge. „Morgen… werde ich keines mehr haben…“

„Lorenor, egal was es ist. Wenn du es mir mit einem klaren Kopf nicht sagen würdest, solltest du es mir erst recht nicht im Fieberwahn und unter dem Einfluss von Schlafmittel sagen.“

„Doch… sonst werde ich es… nie sagen.“

Obwohl Dulacre wusste, dass es nicht das Thema betreffen konnte – durfte – worüber er sich bis vor wenigen Minuten noch Gedanken gemacht hatte, konnte er nicht verhindern, dass sein Herz schneller schlug. Es war unmöglich und doch wartete er so angespannt auf Lorenors nächste Worte, als hoffte er darauf, dass es genau das war, was es nicht sein durfte.

„Danke.“

Erleichterung machte sich in ihm breit, Erleichterung und ein tiefer Schmerz.

„Weißt du… ich hab in den letzten… Tagen viel nachgedacht und… mir ist bewusst geworden, dass es für dich… keinen Grund gab mir zu helfen und… und trotzdem hast du’s getan.“ Tief holte Lorenor Luft und schloss sein unversehrtes Auge. „Als du damals gesagt hattest…, dass dieser Raum hier meiner wäre…“ Leise lachte er, offensichtlich schwer erschöpft. „Hatte keine Ahnung, was du meintest… dachte es wäre nur ein blöder Spruch. Ich… ich hatte nie… eine Heimat… ein Zuhause…“

Dulacre beobachtete den Jüngeren, wie er langsam hinabrutschte, kaum noch bei Bewusstsein.

„Hab mich immer…immer gefragt, wie es wohl für… die anderen ist. Nami, Lysop, sogar … blöder Koch… aber hatte keine Ahnung… Tze… aber jetzt…  tut schon weh… zu gehen… irgendwann… kindisch? Aber… bin ganz gerne hier… ist wie… wie mein Zuhause…“

Er entgegnete nichts, als Lorenor in einen Fieberschlaf hineinglitt und auf seinem Kissen unverständliche Worte vor sich hinmurmelte.

Er war glücklich, unfassbar glücklich, doch es tat auch weh, unsagbar weh.

Nie hätte er sich träumen lassen, dass Lorenor je so etwas sagen würde – wie Lorenor gesagt hatte, war wohl das Fieber dafür verantwortlich – aber es machte ihn glücklich.

Zuhause – der Ort, an den man immer zurückehren konnte – war ein Versprechen. Lorenor würde wiederkehren, zumindest zu dieser Insel, zumindest nach Kuraigana, irgendwann.

Langsam erhob Dulacre sich und fing an durch das Zimmer zu gehen, welches er Lorenor vor einem Jahr als das seine dargeboten hatte, eine Hand über die bebenden Lippen gepresst.

Tut schon weh… zu gehen…

Er wollte nichts Falsches hineininterpretieren, aber vielleicht – nur ganz vielleicht – meinte Lorenor damit nicht nur die Insel, vielleicht meinte er damit auch ein ganz bisschen Dulacre. Vielleicht dachte auch Lorenor mit Wehmut an den unausweichlichen Abschied.

Dulacre war wahrlich kein guter Mensch, denn dieser Gedanke gab ihm eine Hoffnung, die er nicht haben sollte.

Zugleich gaben ihm diese Worte auch die Gewissheit, dass er seine Gefühle nie offen zugeben durfte, denn dies hier war das Heim, zu dem Lorenor zurückkehren konnte. Dulacre war der Mensch, bei dem Lorenor sich öffnen konnte und all das würde zerbrechen, wenn Dulacre ihm seine Gefühle offenbaren würde.

„Du bist so erbärmlich, Dulacre. Wann bist du nur ein solcher Feigling geworden“, flüsterte er zu sich selbst und sah vom Ende des Zimmers zum übergroßen Bett. „Bald wird er dich nicht mehr brauchen und was dann? Du wirst ihn verlieren obwohl er nie der deine war.“

 

 

„Und Stopp!“

„Ach Jirou, nur noch ein kleines…“

Nein habe ich gesagt.“

„Jiroushin, er hat Recht. Das waren kaum zwei Minuten…“

„Und ich habe Stopp gesagt. Also um das klarzustellen, ich bin hier der Schiedsrichter, mein Wort ist Gesetz, ansonsten gehe ich, aber kommt dann nicht später heulend zu mir.“

„Ach, Jirou, komm von deinem hohen Ross herunter und…“

„Geh in die Ecke und kühl dein Gemüt, Hawky. Ansonsten geht es heute gar nicht mehr weiter.“

Unwirsch rollte Dulacre mit den Augen und wandte sich mit einer herablassenden Handbewegung ab, während er zur Säule hinüberging, auf der er sein Hemd und seine Weste abgelegt hatte.

Daneben stand ein kleiner Bottich mit Wasser.

Jiroushin war äußerst nervig und Dulacre fragte sich, was ihn geritten hatte diesen unbrauchbaren Pazifisten auf die Insel zu lassen. Er wusste doch, dass der Feigling ihn nie richtig lange kämpfen lasse würde, ein Schwächling wie er konnte natürlich nicht verstehen, was ein wahrer Kampf war.

Lorenor war nicht mehr so gebrechlich wie bei seiner Ankunft auf Kuraigana und was wäre schon dabei, wenn Dulacre aus Versehen mal fester zuschlug? Ein oder zwei gebrochene Rippen würde der Jungspund schon verkraften. Außerdem wollte dieser unerzogene Pirat doch immer, dass Dulacre gegen ihn kämpfte und mal ernst machte, dann würde er auch die Konsequenzen tragen können.

Es war ja auch nicht so als würde Dulacre ihn direkt umbringen, er würde halt nur ein wenig mehr Kraft in seine Schläge legen, sich nur ein bisschen weniger zurückhalten. Schließlich kämpften sie noch nicht mal mit Schwertern, wie schlimm konnten die Verletzungen, die er Lorenor zufügen würde, dann schon sein?

„Findest du nicht, dass du übertreibst?“, hörte er den Jüngsten im Bunde hinter sich murmeln. „Auf mich wirkte er nicht anders als sonst auch.“

Stillschweigend stimmte Dulacre seinem Schützling zu. Natürlich übertrieb Jiroushin maßlos in seiner Sorge, als würde Dulacre einfach so Lorenor umbringen, als wäre seine mentale Verfassung so schwach, dass er noch nicht mal seine Angriffe kontrollieren könnte.

„Glaub mir, Zorro, das war es bereits. Wobei ich gestehe, dass er bei dir wirklich schnell die Fassung verliert. Echt beängstigend.“

Dulacre war drauf und dran sich umzudrehen, als sein bester Freund ihn direkt ankeifte: „Der Eimer ist keine Deko! Tauch unter, Samurai!“

„Du bist ganz schön herrisch, weißt du das?“, knurrte Dulacre, tat jedoch was Jiroushin befahl und stieß seinen Kopf zügig ins kalte Wasser.

Tief atmete er unter Wasser aus während er die Augen öffnete. Es half kaum und doch klärte sich sein Kopf etwas.

Es war wahrlich nicht elegant sich auf diese Art abzukühlen, aber Jiroushin hatte Recht, Dulacre war gerade im Begriff gewesen seine Kontrolle zu verlieren und Lorenor ernsthaft anzugreifen. Einen Angriff konnte der Jungspund mittlerweile wahrscheinlich sogar überleben, aber darauf ankommen lassen wollte Dulacre es nicht und aus genau diesem Grund war Jiroushin hier.

Vor drei Wochen hatten Dulacre und Lorenor ihr ultimatives Training abgeschlossen und waren zum Schloss zurückgekehrt, danach hatten sie ganze acht Tage lang überhaupt nichts gemacht und zum ersten Mal hatte Lorenor sich darüber nicht beschwert. Es war sehr angenehm gewesen und sie hatten in die freie Zeit genutzt, um noch mal gehörig auszuschlafen und zu faulenzen, etwas was sie anscheinend beide sehr gut konnten.

Auf Peronas Bitte hin hatten sie auch mehrere Bäume eingepflanzt, was Dulacre tatsächlich viel Spaß bereitet hatte – auch wenn er dies natürlich nicht offen zugeben würde – und für ein paar Tage hatten sie in einvernehmlichen Frieden gelebt.

Danach war Eizens Brief gekommen und der Friede war dahin. Als hätte der Brief Lorenor daran erinnert, dass er bald gehen würde, hatte er wieder darauf bestanden, dass sie weitertrainierten und als hätte der Brief Dulacre daran erinnert, dass Lorenor bald gehen würde, war seine Laune abrupt in sich zusammengebrochen.

Eizen hatte Lady Loreen zu einem wichtigen Treffen in Mary Joa übernächste Woche eingeladen, genau eine Woche bevor Lorenor so oder so zum Sabaody Archipel hatte reisen wollen, denn die zwei Jahre waren so gut wie vorbei.

Lorenor hatte also wieder trainieren wollen – wurde dieser Junge dem eigentlich nie müde? – aber was Lorenor nur noch lernen musste, konnte Dulacre ihm nicht beibringen. Es war das eine, was Lorenor nun sich selber beibringen musste.

Aber da Lorenor nun mal schneller in einem direkten Kampf lernte, hatte diese Diskussion nicht lange auf sich warten lassen. Seine Argumente waren auch gut begründet. Innerhalb von zwei Jahren war Lorenor ein ernstzunehmender Gegner geworden, Dulacre war ihm selbstredend noch immer überlegen, aber die Kluft zwischen ihnen war mittlerweile überschaubar – endlich überschaubar.

In den vergangenen Monaten hatte Lorenor jede Herausforderung gemeistert, die Dulacre ihm gestellt hatte. Wochen in kompletter Dunkelheit; Schlafentzug, der schon fast einer Folter glich; Schmerzen, die selbst Lorenor noch nicht erfahren hatte. Dulacre hatte Lorenor in den Wahnsinn getrieben und Lorenor hatte es überstanden, war nun wahrlich ein Meister der Schwertkunst und darüber hinaus wahrer Krieger.

Nach einigem hin und her hatte Dulacre eingesehen, dass sie die wenige verbleibende Zeit wirklich am sinnvollsten durch eine direkte Konfrontation nutzen konnten, aber da er Lorenor nach wie vor nicht gefährden wollte, hatte er sich einen Trick überlegt, der ihn davor bewahren sollte seine Kontrolle zu verlieren und Lorenor davor bewahren sollte drei Wochen vor seiner schicksalhaften Wiedervereinigung mit seiner Crew schwer verletzt oder gar verstümmelt zu werden.

Dieser Trick war Jiroushin. Niemand kannte Dulacre so gut wie sein bester Freund, und niemand hatte ihn so oft die Kontrolle verlieren sehen, wie Jiroushin. Sein ehemaliger Vize wusste, wann Dulacre wahrhaft anfing zu kämpfen meist bevor Dulacre es überhaupt bemerkte und er war einer der wenigen, vielleicht sogar der einzige, auf den Dulacre in einer solchen Situation noch hören würde. Denn egal wie entschieden und herrisch Jiroushin klingen konnte, so zeigte weder seine Stimme noch seine Körperhaltung Aggression oder Kampfeslust.

Auch wenn Dulacre es nicht mochte, Jiroushin war derzeit seine einzige Möglichkeit gegen Lorenor zu kämpfen, selbst ohne Schwerter. Auf der anderen Seite war Jiroushin mittlerweile der Schwächste in ihrer kleinen Runde und Dulacre wollte auf keinen Fall riskieren, dass ihm aus Versehen etwas passierte, nur weil er einem Schlagabtausch zwischen Dulacre und Lorenor beiwohnte.

Außerdem gestand er leise ein, dass er es mochte, seinen besten Freund wieder so regelmäßig zu sehen wie in den letzten zwei Jahren.

Seitdem Dulacre die Crew aufgelöst hatte und Jiroushin ein respektabler Mann der Marine geworden war, hatten sie sich vielleicht alle halbe Jahre mal getroffen, wenn Dulacre Sasaki vierteljährlich besucht hatte und Jiroushin zufällig auch anwesend gewesen war, doch selbst dann hatten sie meist kaum mehr Zeit als für einen kurzen Plausch gehabt.

Seitdem Lorenor in Dulacres Leben getreten war und Jiroushin dabei geholfen hatte den Jungspund zu unterrichten, hatten sie sich fast öfters gesehen als damals, als sie noch gemeinsam bei der Marine angestellt gewesen waren. Dulacre und Lorenor hatten sogar vor einigen Monaten ihr Training unterbrochen, um Jiroushins Taufe beizuwohnen, nun ja nicht seiner Taufe natürlich, sondern der seines Balges, und Dulacre war nun offiziell Patenonkel, noch ein Titel, auf den er laut Gesellschaft stolz sein sollte.

Zu seiner Überraschung schien Jiroushin auch fast auf seinen Anruf gewartet zu haben. Nur wenige Tage später war der Vizeadmiral schon eingetroffen und nun überwachte er ihre kleinen Kämpfe und hielt Dulacre davon ab aus Versehen seinen Wildfang umzubringen.

Seufzend hob er seinen Kopf aus dem Bottich.

„Ach, und ich dachte schon er säuft uns noch ab.“

„Hawky kann die Luft sehr lange anhalten. Super, wenn ein Teufelsfruchtnutzer am Ertrinken ist. Total nervig, wenn das Schiff untergeht und du denkst, du hast den Käpt’n verloren, weil er auf die Idee kommt das gegnerische Schiff vom Kiel her anzugreifen.“

„Regst du dich immer noch darüber auf?“ Dulacre fuhr sich mit einem Handtuch über Gesicht und Haare, legte es zur Seite und gesellte sich zurück zu den beiden anderen. „Das ist doch schon Jahre her. Außerdem hast du doch nicht wirklich gedacht, dass ich damals so schnell abdanken würde.“

Er strich die feuchten Haarsträhnen zurück, die ihm nun ins Gesicht hingen. Lorenors scharfen Blick konnte er direkt auf sich fühlen. Der Jungspund hatte die Arme verschränkt und tippte mit dem Zeigefinger seiner linken Hand einen steten Rhythmus gegen seinen Oberarm. Doch es war sein Gesichtsausdruck, der Dulacre beinahe erröten ließ; er dachte, er kannte Lorenors böses Grinsen, aber so wie gerade hatte der Jüngere ihn noch nie angesehen.

„Was soll dieser Blick, Lorenor?“, fragte er und fuhr sich erneut durchs Haar, welches einfach nicht richtig liegen wollte.

„Ach nichts.“ Doch dieses dreckige Grinsen blieb. „Es passt nur nicht zum ach so mächtigen Falkenauge, sich den Hitzkopf in einem verdammten Eimer Wasser abzukühlen. Irgendwie erbärmlich.“

„Hey“, knurrte Jiroushin und erhob einen tadelnden Zeigefinger, „so einen Ton dulde ich hier nicht. Warum bist du plötzlich so respektlos gegenüber Dulacre?“

Dulacre winkte ab.

„Keine Sorge, Jirou, er ist immer so respektlos.“

„Nur wenn ich Recht habe“, entgegnete der Jüngste im Bunde. „Aber mal ganz ehrlich. Das hier könnt ihr doch kein Kämpfen nennen, wenn Jiroushin uns alle zwei Minuten unterbricht.“

„Dir ist schon bewusst, dass wir das nur deinetwegen tun, weil Hawky dich sonst umbringen würde?“

„Ach, komm schon!“ Lorenor warf beide Hände in die Luft und trat direkt auf Dulacre zu. „Dulacre, komm schon, das hier macht doch keinen Spaß. Du weißt wie stark ich mittlerweile bin. In ein paar Monaten werde ich dich so oder so herausfordern, also wozu dieser Eiertanz?“

Nun war es Dulacre der die Arme verschränkte und zu seinem Wildfang hinablächelte.

„Lorenor, sei nicht übermütig. Jiroushin hat Recht. Du bist mittlerweile wirklich gut, das gestehe ich ein, aber du hast mich noch nicht erlebt, wenn ich…“

„Und deshalb sollten wir es tun!“

Missbilligend schnalzte Dulacre mit der Zunge, als Lorenor ihn unterbrach und ihm leicht gegen die Schulter schlug.

„Wir beide wissen, dass ich dich noch nie habe wirklich kämpfen sehen und früher wäre es auch egal gewesen, weil ich eh nicht bemerkt hätte, wie gut du wirklich bist. Aber die Dinge haben sich geändert, ich bin gut, nicht nur gut, wirklich wirklich gut. Ich will sehen wie stark du bist, ich will nur ein einziges Mal sehen wie stark du bist, also…“

„Lorenor.“ Beschwichtigend hob er beide Hände. „Wie immer begrüße ich deine Begeisterung, aber…“

„Hawky hat Recht, Zorro. Wenn er dich aus Versehen umbringt, werde ich mir das bis an sein Lebensende anhören müssen.“

Mein Lebensende? Du gehst davon aus, dass ich vor dir sterbe?“

„Du ernährst dich von Rührei und Wein; Whiskey, wenn der Tag hart war. Du schläfst entweder tagelang gar nicht oder 20 Stunden am Stück. Außerdem fährst du auf einem Rettungsboot übers offene Meer und legst dich mit jedem an, der dir über den Weg läuft. Du bist ein wandelndes Lebensrisiko, Hawky, sieh es ein.“

„Könnten wir bitte zurück zum Thema kommen?“ Lorenor stand immer noch direkt vor ihm und sah ernst zu ihm auf. „Du willst doch auch wissen, wie viel wirklich noch zwischen uns ist, oder? Ich verspreche dir, ich werde nicht drauf gehen.“

Leicht schüttelte er den Kopf.

„Selbst wenn, ich könnte dich schwer verletzten, Lorenor. Es ist ein Risiko…“

„Das ich bereit bin einzugehen… Bitte.“

Hilflos sah Dulacre zu seinem Wildfang hinab. Selten kam es vor, dass Lorenor ihn tatsächlich um etwas bat und Dulacre merkte, dass es ihm schwer wurde abzulehnen, was ihn natürlich nicht verwunderte, schließlich wollte er diesen Kampf auch und Lorenor hatte ihn schon vor langer Zeit um den Finger gewickelt.

„Was denkst du, Jirou?“, murmelte er, ohne den Blickkontakt mit Lorenor zu unterbrechen. „Denkst du, du könntest schnell genug eingreifen, bevor ich ihn schwer verwunde?“

Der Blonde seufzte laut auf.

„Ach, ernsthaft? Wir beide wissen, dass ich nie im Leben schnell genug wäre, um eine deiner Angriffe zu unterbinden. Die Frage ist doch, ob du auf mich hören wirst, wenn ich dir sage, dass du aufhören sollst.“

„Und?“ Nun sah Dulacre doch auf. „Denkst du ich würde auf dich hören?“

Es war eine Frage, die er selbst nicht beantworten konnte. Beziehungsweise er konnte nur vermuten, und seine Vermutung würde wohl ‚Nein‘ lauten.

Tief atmete sein bester Freund auf und begann einige Schritte auf und ab zu wandern.

„Ihr beide seid doch absolut wahnsinnig! Verrückt! Einer wie der andere.“ Er rieb sich durchs Gesicht. „Wenn das hier schiefgeht ist das meine Schuld, weil ich euch beiden Süchtigen nicht Einhalt geboten habe.“

„Ich fordere ihn heraus, Jiroushin, also ist es meine Schuld, falls ich drauf gehe“, widersprach Lorenor direkt, „es ist meine Entscheidung.“

„Ja, schon klar. Aber wir wissen alle, dass ich Dulacre im Zweifel nicht aufhalten kann. Zur Hölle, was passiert, wenn die Insel drauf geht? Zorro, du hast keine Ahnung, was du hier verlangst! Es ist eine Sache ihn zur Vernunft zu bringen, bevor er durchdreht, aber wenn er die Grenze überschritten hat, so etwas hast du noch nicht gesehen.“

Ein kleines bisschen fühlte Dulacre sich schon bevormundet, als Jiroushin so von ihm sprach, aber seine Eitelkeit hatte er spätestens seit dem Bottich aufgegeben.

„Ich weiß“, murmelte Lorenor und wandte sich nun erst Jiroushin zu, „ich habe keine Ahnung, was es bedeutet, wenn Dulacre ernst macht. Aber…“ Plötzlich sah der Jüngere ihn wieder an. „… wenn ich dich bezwingen will, muss ich wissen wie weit ich dafür noch gehen muss, oder?“

Und dieser Blick reichte für Dulacre aus. Er spürte es in seinen Gliedern, in seinem Blut, spürte wie das Feuer jeden einzelnen Nerv in seinem Körper elektrisierte.

„Hawky?“

„Lasst uns zum Berg gehen“, entschied er und schritt lost. „Jiroushin, halt deinen Degen bereit, um mich im Ernstfall auszuschalten. Lorenor, kämpfe von der ersten Sekunde an mit allem was du hast und noch mehr. Setzt all dein angesammeltes Haki frei, ansonsten waren die letzten zwei Jahre nicht mehr als vergeudete Zeit.“

 

Kapitel 54 - Ehrlichkeit

Kapitel 54 – Ehrlichkeit

 

-Mihawk-

„Ich hab’s ja gesagt! Ich hab’s ja gesagt! Wahnsinnig, ihr beide seid wahnsinnig.“

Schmunzelnd setzte Dulacre seinen Weg neben seinem besten Freud fort.

„Halt die Klappe, Jiroushin.“

„Er hat nicht Unrecht, Lorenor. Das wird wohl unser letztes Training gewesen sein. Selbst du wirst wohl die kommenden zwei Wochen brauchen, um zu genesen, insbesondere als Lady Loreen, und mit Sicherheit wirst du dich morgen bereits wieder darüber ärgern. Ist es das wirklich wert gewesen, Lorenor?“

Leise lachte der Jüngere an seinem Ohr: „Aber sowas von.“ Dann hustete er und Dulacre spürte eine warme Flüssigkeit seine Schulter hinabtropfen.

„Ruh dich aus, Lorenor, wir sind fast da.“

Sein Wildfang murmelte nur etwas Unverständliches zustimmend und lehnte seinen Kopf gegen Dulacres Nacken.

Der Samurai konnte den Blick des Vizeadmirals auf sich spüren, doch er entschied ihn zu ignorieren, während er Lorenor weiter auf seinem Rücken Richtung Schluss trug, das kleine Lächeln nie ganz fort.

Der Kampf hatte nur wenige Minuten länger gedauert als ihre bisherigen, bei denen Jiroushin ihn immer wieder gestoppt hatte, ehe er seine ganze Kraft aus sich rausholen konnte, aber der Unterschied war wohl immens gewesen.

Seufzend bemerkte Dulacre mit einem Blick, dass der nebelverhangene Horizont nun einen krummen Berg weniger darbot als noch am vergangenen Tag; es würde Zeit brauchen, bis er sich an diese Aussicht gewöhnen würde.

Es war gut gegangen, schließlich stand die restliche Insel noch, schließlich lebte Lorenor noch. Aber das hatte er wirklich nur Jiroushin zu verdanken, der es tatsächlich geschafft hatte Dulacre Einhalt zu gebieten.

Dulacre fühlte es immer noch in den Knochen, der Kampf war viel zu kurz für ihn gewesen, aber es war ein Kampf gewesen, wie ein kleiner Vorgeschmack auf das, was bald kommen würde.

Natürlich hatten sie ohne Schwerter gekämpft, zu Lorenors Glück, trotzdem hatte Dulacre ihm mehrere Rippen gebrochen und dass er Blut spuckte war auch nicht gerade beruhigend. Daneben war auch noch Lorenors rechter Unterarm gebrochen – hatte er doch tatsächlich versucht einen direkten Schlag von Dulacre zu Blocken, anstatt auszuweichen, als hätte er die letzten zwei Jahre komplett vergessen – und außerdem hatte sich ein Teil seiner so gut verheilten Narbe wieder geöffnet. Dulacre hatte gar nicht gewusst, dass das möglich sein konnte, aber der Aufprall mit seiner ummantelten Handseite hatte deutlich mehr Schaden angerichtet, als er erwartet hatte.

Allerdings überraschte ihn das nicht, in jenem Zustand hatte Dulacre generell nicht das Gefühl, dass er seinem Gegner wirklich wehtun würde und jedes Mal irrte er sich.

„Jiroushin, warum schaust du nicht nach Perona und bereitest mit ihr zusammen was zum Abendessen vor?“, schlug er vor, während sie die Treppen zum Schluss hochgingen. „Ich bringe derweil Lorenor ins Bett und kümmere mich um seine Verletzungen.“

„Hab dir doch schon mal gesagt, dass ich nur was schlafen brauch“, nuschelte der Jüngere in seine Halsbeuge, offensichtlich fast schon im Land der Träume.

„Natürlich, Lorenor, wie gut das funktioniert haben wir ja schon gesehen.“

Der Vizeadmiral grinste ihn schelmisch mit hochgezogener Augenbraue an, sein Blick sagte vieles und Dulacre war dankbar, dass er es zumindest nicht laut aussprach. Er entschied seine befreite Stimmung nicht von Jiroushin trüben zu lassen und nickte ihm nur kurz zu, als sie getrennte Wege gingen.

Das hier würde vermutlich das letzte Mal sein, dass er einen verletzten Lorenor in dessen Zimmer tragen würde; etwas, was er schon so oft getan hatte und was ihn mit einer ganz eigenartigen Form von Frieden erfüllte.

„Sag mal“, murmelte der überraschenderweise wohl doch noch nicht schlafende Lorenor an seinem Ohr, „wie war’s für dich?“

Für eine Sekunde blieb er stehen und eine sanfte Wärme stieg in ihm hoch. Selbst jetzt noch dachte Lorenor an ihn und ob es ihm gefallen hatte. Schon lange hatte ihn niemand mehr gefragt, wie ein Kampf für ihn gewesen war – nun gut, das mochte auch daran liegen, dass die meisten seiner Gegner einen solchen nicht überlebten – und es rührte ihn.

„Eindeutig zu kurz“, gestand er ehrlich ein und setzte den Weg fort, „ich wünschte du wärest schon stärker.“

Leise lachte Lorenor, ehe er scharf die Luft einzog.

„Bald“, flüsterte er, „gib mir noch etwas Zeit. Bald können wir richtig miteinander kämpfen.“

Gänsehaut kroch über Dulacres Körper, doch er entgegnete nichts, da er das Gefühl hatte, dass ihn seine Stimme verraten würde. Schweigend öffnete er die Türe vor sich.

„Was denn?“, murmelte Lorenor glucksend. „Habe ich dich endlich mal dazu gebracht, den Mund zu halten?“

Grinsend trat er ins Zimmer seines Wildfangs.

„Ach bitte Lorenor, als wäre dies das erste Mal.“

Vorsichtig trug er Lorenor ins Bad und ließ ihn auf dem Boden der Dusche nieder.

„Lass mich einfach ins Bett“, murrte der Jüngere als er gegen die Duschwand lehnte und Dulacre ihm das zerfetzte Oberteil abzog.

„Nein, du weißt doch mittlerweile wie das hier abläuft, erst entfernen wir den Schmutz und versorgen deine Wunden, danach kannst du schlafen.“

Dann zog er Lorenors Schuhe und Socken aus.

„Du brauchst das nicht tun“, meinte sein Schüler schwerfällig, „ich krieg das auch alleine hin.“

„Tust du nicht, Lorenor, du kannst dich nicht mal mehr auf den Beinen halten.“

„Dann hol Perona, sie kann das machen.“

Es überraschte ihn, verwirrt sah er auf und hielt dabei inne Lorenor weiter zu entkleiden.

„Stört es dich auf einmal, dich vor mir zu entblößen?“

„Tze, mir ist das doch egal, bin doch kein verklemmter Schnösel.“ Ein dreckiges Grinsen kroch Lorenor über die Lippen, aber sofort verschwand es wieder und er wurde ernst. „Aber du magst das doch nicht.“

Erneut verblüffte der Jüngere ihn.

„Was ist denn los mit dir, Lorenor“, murmelte er und fuhr mit seiner Tätigkeit fort, wobei er nicht verhindern konnte, dass er errötete. „So viel Rücksichtnahme und Freundlichkeit kenne ich ja gar nicht von dir. Du solltest vorsichtig damit sein, nicht, dass ich mich auch noch daran gewöhne.“

Nun hatte er seinen Schüler in Unterhose vor sich sitzen, also erhob er sich und ging hinüber zum Waschbecken, um einen sauberen Lappen zu holen.

„Aber es stimmt doch“, murmelte Lorenor, „du bist doch immer so prüde und zierst dich wegen so etwas.“

Nickend hockte er sich wieder vor seinen Wildfang und begann damit, die offenen Verletzungen mit dem feucht-warmen Lappen von Schmutz und Schweiß zu säubern. Dabei fiel ihm auf, dass mittlerweile auch Lorenors rechtes Handgelenk eine deutliche Schwellung zeigte und der Jungspund noch die ein oder andere Verletzung von ihrem Kampf davongetragen hatte, die er zunächst nicht bemerkt hatte und doch zuckte der Jüngere nicht ein einziges Mal zusammen oder verzog auch nur die Miene.

„Das mag schon sein. Allerdings habe ich diese Wunden verursacht, also kann ich sie auch versorgen. Ich bin für sie verantwortlich.“

„Du immer mit deiner Verantwortung“, stöhnte Lorenor auf, schloss sein unversehrtes Auge und lehnte seinen Kopf zurück. „Es war meine Entscheidung dich herauszufordern.“

„Und du immer mit deinen Entscheidungen“, entgegnete er grinsend.

Der Jüngere sagte nichts mehr und so fuhr Dulacre mit seiner Tätigkeit im einvernehmlichen Schweigen fort. Nachdem er Lorenors Verletzungen gereinigt und versorgt hatte, trug er den Jüngeren dann in sein Bett.

Er schritt zu dessen Schrank hinüber und suchte nach etwas weitem, was Lorenor anziehen konnte, ohne sich viel bewegen zu müssen.

„Ich hoffe, dass die Knochenbrüche schnell verheilen. Ich will dich nicht zu deiner Crew zurückschicken, ohne dass du dich vernünftig verteidigen kannst.“

„Und du glaubst, dass die paar Kratzer mich davon abhalten würden?“

In Ermangelung einer besseren Alternative, entschied Dulacre sich für einen flauschigen, grauen Bademantel, den Lorenor wahrscheinlich noch nie anhatte, welcher immer noch vernünftiger aussah als der hässliche grüne Mantel in dem Lorenor nach Wahl rumlief.

„Ich fände es schön, wenn du in körperlich einwandfreier Verfassung wärest, wenn du deine Freunde nach zwei langen Jahren endlich wiedersiehst.“

Lorenor schwieg und ließ sich widerwillig von Dulacre in den Mantel helfen. Danach deckte Dulacre ihn zu, wie ein kleines Kind nach einem langen Tag.

„Du solltest jetzt was schlafen, damit deine Wunden heilen.“

„Du zwingst mir keine Medikamente auf?“

„Oh, das würde ich gerne, aber dir scheint es besser zu gehen als ich befürchtet hatte und ich bin gerade ausnahmsweise zu zufrieden, um einen Streit vom Zaun zu brechen.“

Er konnte sehen, dass diese Aussage Lorenor überraschte. Kopfschüttelnd lehnte sich der Jüngere zurück in die Kissen.

„Hast du wieder vor, so lange Wache zu schieben, bis ich eingeschlafen bin?“, murmelte er bereits mit geschlossenen Augen.

„Nicht, wenn es dich so sehr stört.“

Lorenor zuckte nur mit den Achseln.

„Wird ja wohl das letzte Mal sein, dann ist es mir auch egal.“

„Das letzte Mal?“

Nachdem er die letzten Spuren beseitigt hatte, ließ sich Dulacre auf seinem Stuhl nieder. Es beeindruckte ihn, wie schnell Lorenor sich schon wieder gesammelt hatte. Als Jiroushin ihren Kampf unterbrochen hatte, hatte Lorenor benommen am Boden gelegen und sich kaum gerührt. Es hatte ein paar sachte Klapse gegen die Wangen benötigt, um ihn wieder ins Bewusstsein zurückzuholen.

Während des Rückwegs vom ehemaligen Berg hatte Lorenor dann immer wieder zwischen Delirium und klaren Momenten geschwankt, offensichtlich aufgrund einer Gehirnerschütterung. Die Kühle des Badezimmers und das angenehme Wasser hatten ihm jedoch wohl geholfen, etwas zur Ruhe zu kommen. Blut gespuckt hatte er glücklicherweise auch kaum noch, so dass Dulacre sich keine Sorgen über ernsthaftere innere Verletzungen machen brauchte.

„Naja, das war das letzte Mal, dass du mich besiegt hast, vergiss das nicht“, behauptete Lorenor und sah ihn aus einem halbgeöffneten Auge an. „Nächstes Mal werde ich an deinem Bett sitzen.“

„Ist das ein Versprechen?“

„Eine Drohung.“

Schmunzelnd lehnte Dulacre sich zurück.

„Ich freue mich auf den Tag.“

„Du bist so schräg“, urteilte Lorenor mit einem fast schon kindlichen Kichern. „Wer freut sich schon darauf, vernichtend geschlagen zu werden und seinen Titel gestohlen zu bekommen?“

„Du wirst ihn mir nicht stehlen, sondern nach Jahren harter Arbeit verdienen, Lorenor. Aber du hast Recht, ich bin wirklich niemand, der gerne verliert.“ Langsam verschränkte er die Arme und beobachtete wie Lorenor ihn immer noch mit seinem schläfrigen Blick betrachtete. „Aber ich glaube, dass ich diesen Kampf bald sehnlicher erwarte als du. Es ist so lange her, dass ich meine Kunst ausleben konnte und ich schulde Yoru, dass wir uns noch mal nach Herzenslust amüsieren können.“

„Das klingt gut“, murmelte der Jüngere, doch sein Blick sagte etwas anderes.

Für einen Moment hielt Dulacre einfach nur diesem unergründlichen Blick stand.

„Sag mal“, flüsterte Lorenor und sah ihn immer noch so unleserlich an. „Wenn ich dich besiegt habe… kann… kann ich dann trotzdem zurückkommen?“

Schon wieder verblüffte der Jüngere ihn und Dulacre brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, was der andere da fragte. Dann lächelte er und schüttelte den Kopf.

„Lorenor, du bist ja immer noch ganz benebelt.“ Er lehnte sich vor und zupfte die Decke des andere zurecht. „Ich dachte ich hätte es bereits deutlich geagt: Sasaki und Kuraigana, es sind beides Orte, an denen du immer willkommen sein wirst. Ganz gleich, was in der Zukunft geschieht, ganz gleich, was mit mir und was mit dir passiert. Du kannst immer nach Hause kommen.“

Daraufhin schloss Lorenor nur sein Auge und innerhalb weniger als zwei Atemzügen war er eingeschlafen. Kopfschüttelnd über ein solches Talent, rieb sich Dulacre durchs Gesicht und betrachtete seinen Wildfang noch einige Momente länger.

Irgendwann erhob er sich dann doch und entschied sich ebenfalls einer Dusche zu unterziehen. Langsame Schritte führten ihn hinüber in sein Zimmer. Yoru begrüßte ihn mit einem sanften Summen, etwas lauter als sonst; das alte Schwert hatte wohl bemerkt, dass etwas auf der Insel vorgefallen war.

„Er ist bald soweit“, flüsterte er und strich über die scharfe Klinge, „gedulde dich noch ein wenig.“

Ein zustimmendes Summen begleitete ihn ins Bad, wo er achtlos seine verschmutzten Klamotten zu Boden warf und sich unter die Dusche stellte. Er schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken, genoss wie das warme Wasser auf seinen Körper niederprasselte und ihn entspannte.

Doch sein Kopf kam nicht zur Ruhe, unzählige Gedanken prasselten auf ihn nieder, wie die Tropfen aus dem Duschkopf. Im ersten Moment dominierten die Bilder des vergangenen Kampfes sein Denken. Das Geräusch ihrer aufeinanderprallenden Körper, schnelle Schritte durch den Dreck, scharfer Atem, tiefes Ächzen und leises nach Luft schnappen. Er erinnerte sich an Lorenors intensiven Blick, das böse Grinsen, das Klimpern seiner Ohrringe, sein schmerzerfülltes Grunzen als Dulacre ihm den Arm gebrochen hatte. Aber er erinnerte sich auch an das hitzige Gefühl nach mehr, an seine trockenen Lippen, das Blut auf seinen Fingern und die Enttäuschung, wenn Lorenor sich unter seinem Arm hinweggeduckt hatte.

Doch langsam wurden die aufregenden Bilder der jüngsten Vergangenheit von den Sorgen der Zukunft verdrängt, über die Dulacre absolut nicht nachdenken wollte. Er wollte nicht darüber nachdenken, dass die zwei Jahre, die er Lorenor an seiner Seite hatte wissen können, so gut wie vorbei waren. Er wollte nicht darüber nachdenken, dass dies ihre letzte gemeinsame Trainingseinheit gewesen war. Er wollte auch nicht darüber nachdenken, dass er es gewesen war, der Lorenor die Knochen gebrochen hatte oder darüber, dass diese Tatsache ungekannte Schuldgefühle in ihm hervorrief.

Dulacre wollte nicht an den Tag denken, an dem Lorenor gehen würde und auch nicht an die darauffolgenden. Er fragte sich, wie sein Leben vor Lorenor ausgesehen hatte und er hatte nicht die leiseste Vorstellung, womit er seine Zeit totschlagen sollte, nachdem Lorenor gegangen sein würde. Er wusste, dass es erbärmlich war, dass sich seine Welt einzig um Lorenor und dessen Schwertkunst drehte, aber Lorenor war das einzige Unberechenbare in dieser eintönigen Welt gewesen.

Seufzend begann er sich zu waschen, aber dann bemerkte er etwas, was all seinen Trübsinn verschwinden ließ. Seine sonst so makellose, blasse Haut zeigte deutliche Rötungen an Oberarm und Brust. Neugierig beendete Dulacre schnell seine Dusche und trat vor den mannshohen Spiegel, um seinen Körper zu begutachten, dabei fand er noch einige andere gerötete Stellen, sowie die ein oder andere Schürfwunde und Kratzer.

Voller Faszination fuhr er über den größten geröteten Fleck an der rechten Seite seines Rippenkastens. Es ziepte unangenehm, fast schon schmerzhaft, würde wohl einen hässlichen, blauen Fleck hinterlassen.

Schnell trocknete Dulacre sich ab und zog sich an, ehe er aufgeregt zum Kaminzimmer eilte, indem Jiroushin auf ihn wartete, ein einfaches Abendbrot auf dem Tisch.

„Hey Hawky, ich hab Perona gesagt, dass Brot okay ist. Sie wollte in den Wald gehen und Kräuter und Pilze sammeln und hatte dann keine… was ist denn mit dir los?“

Dulacre stellte sich vor den anderen und riss sein noch nicht mal zugeknöpftes Hemd wieder hinunter.

„Sieh es dir an, Jiroushin!“, entfuhr es ihm begeistert als er auf die wunden Flecken zeigte, die sich mit der Zeit immer deutlicher von seiner Haut abheben würden.

Der Blondschopf ließ die Zeitung in seiner Hand sinken und sah Dulacre mit großen Augen an.

„Natürlich, Mihawk Dulacre zieht sich vor mir aus. Warum auch nicht, absolut nicht ungewöhnlich.“

„Lass die blöden Witze, Jirou, und sieh es dir an!“

„Ich sehe es, Hawky. Ein paar rote Flecken, ein paar Kratzer; was bist du so begeistert? So eitel wie du bist, sollte dir so etwas doch eigentlich eher missfallen…“

„Verstehst du es denn nicht, Jiroushin? Die Prellungen sind berührungsempfindlich, sie werden blaue Flecken hinterlassen.“ Der Blondschopf schien immer noch nicht zu verstehen, worauf Dulacre hinauswollte. „Er hat mich verletzt, Jiroushin, Lorenor hat es tatsächlich geschafft mich zu verletzten.“

Leider Gottes reagierte der Vizeadmiral nicht ansatzweise so enthusiastisch wie Dulacre es sich erhofft hatte. Er hob nur eine Augenbraue an und nach einem langgezogenen „Ahaaa“ hob er die Zeitung wieder hoch und schien weiterzulesen.

„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“, beschwerte Dulacre sich auch zugleich und bückte sich nach seinem Hemd.

„Was erwartest du? Das ich einen Freudentanz mache, wegen ein paar blauer Flecke? Es tut mir leid, Hawky, aber ich bin hier nicht so emotional involviert wie du es bist und auch wenn ich mich für dich freue, dass du bald wieder einen richtigen Kampfpartner hast, so teile ich deine Begeisterung darüber, dass du bald deinen Titel verlieren wirst, ganz gewiss nicht.“

Nun das überraschte Dulacre dann doch sehr.

„Jetzt sieh mich nicht so an. Ich meine es nicht böse, glaub mir. Ich freue mich natürlich für dich und über deine verquere und auch ein bisschen besorgniserregende und verstörende Beziehung zu Zorro, und solange du glücklich bist, hab ich absolut keine Einwände, aber du musst einfach bedenken, dass dein Wunsch, von ihm besiegt zu werden, nicht unbedingt der Norm entspricht, okay? Normale Menschen in deiner Situation würden ihre Machtposition um jeden Preis beibehalten wollen und nicht das erstbeste vielversprechende Talent auch noch darin unterweisen einen bald zu besiegen. Also…“

„Beruhige dich, Jiroushin. Du brauchst meinen Enthusiasmus ja nicht teilen, auch wenn es mich etwas verletzt, das möchte ich wohl erwähnen.“

„Tze.“ Der Blondschopf warf die Zeitung nach ihm und lachte erheitert auf. „Wie kann es sein, dass dich ein paar blaue Flecken glücklicher machen, als Rays Patenonkel zu sein?“

Beiläufig fing Dulacre die Zeitung auf und betrachtete den anderen aufmerksam. Es war vielleicht als Scherz gemeint, aber er wusste ganz genau, dass in diesen Worten wohl ein Funken Wahrheit steckte.

„Das stimmt nicht, Jiroushin“, entgegnete er dann kühl. „Diese beiden Dinge miteinander zu vergleichen ist meiner Meinung nach ungerecht und sehr kleinlich von dir. Bist du etwa eifersüchtig auf Lorenor?“

„Oh, Gott! Nein!“ Jiroushin rieb sich durchs Gesicht und als er dieses Mal auflachte, glaubte Dulacre ihm. „Ich würde keinen Tag mit ihm tauschen wollen. Glaub mir, Hawky, du bist einer der anstrengendsten Menschen, den ich je kennengelernt habe und die Monate, in denen du mir das Kämpfen beigebracht hast, waren die schlimmsten meines Lebens…“ Nun, das war hoffentlich eine Übertreibung. „…Ich könnte nicht eine Woche das durchhalten, was Zorro hier mitmacht und dann auch noch deinen ganzen Anforderungen und Erwartungen gerecht werden – nicht zu sprechen von dieser halberotischen Spannung, die immer in der Luft liegt, wenn du ihn anschmachtest – und manchmal frage ich mich, wie ich es nur Wochenlang mit dir auf hoher See ausgehalten habe, also…“

„Sprich nur weiter, Jiroushin. Ich höre dir gerne dabei zu, wie du mich diskreditierst.“

„Oh, der werte Herr hat herausgefunden wie man Sarkasmus einsetzt.“

Seufzend versuchte Dulacre herauszufinden, ob Jiroushin sich gerade wirklich über ihn aufregte oder sich einfach nur auf eine ungekannte Weise über ihn lustig machte, die er früher nicht gewagt hätte.

„Jiroushin“, entschied er daher das Gespräch wieder zu seinen Gunsten zu gestalten, „über meine Beziehung zu Lorenor und seine Bedeutung für mich brauche ich mit dir nicht zu sprechen, aber dies hat nichts, rein gar nichts, mit meinen Gefühlen dir und deiner Familie gegenüber zu tun. Es kränkt mich, dass du glaubst, dass ich mich nicht geehrt fühle, dass du mich als Patenonkel ausgewählt hast, ganz gleich der Gründe warum du es getan hast. Ich weiß, dass du genügend Auswahl hattest, um eine klügere Entscheidung treffen zu können…“

„Ach, Hawky…“

„Ich bin noch nicht fertig. Es ist unfair von dir, dass du von mir Begeisterung erwartest. Du weißt, dass ich mit Blagen nichts anfangen kann und da macht es kein Unterschied, dass dieses eine nun mal von dir ist. Gleichwohl versichere ich dir, dass ich alles in meiner Macht tun werde, um dieses Kind, deine Frau und auch dich vor jeglichem Unheil zu bewahren. Meine Gefühle für Lorenor ändern daran nichts und wenn ich mich ihm in den Weg stellen muss, um Ray zu beschützen und dem Titel gerecht zu werden, den du mir gabst, dann werde ich dies tun.“

„Dulacre…“ Der Vizeadmiral war aufgestanden und sah ihn mit großen Augen an.

„Ich dachte nicht, dass dies klarstellender Worte benötigen würde, aber wenn dies nun doch der Fall ist, dann lass es mich deutlich sagen Jiroushin. Mir ist bewusst, dass ich kein einfacher Mensch bin und mir ist auch bewusst, dass ich mich in den vergangenen beiden Jahren sehr verändert habe, woran Lorenor nicht unwesentlich Schuld trägt, aber all dies ändert nichts an der Zeit, die wir miteinander verbracht haben. Du warst immer an meiner Seite und hast auf mich aufgepasst. Es gab tausende gute Gründe für dich mir den Rücken zuzuwenden und doch hast du es nie getan. Selbst sofern es Lorenor betrifft stehst du mir letzten Endes zur Seite und das obwohl ich verstehen könnte, wenn er das Fass zum Überlaufen gebracht hätte.“

Jiroushin rieb sich den Nacken und schaute verlegen zur Seite.

„Aber du bist immer noch hier und darüber hinaus hast du mich darum gebeten eine Rolle im Leben deines Kinds zu spielen. Mir ist sehr wohl bewusst, wie wichtig dir dieses Kind ist und was für ein Glück du erfahren hast und ich bin überaus dankbar, dass du mich daran teilhaben lässt, auch wenn ich es nicht so wertschätzen kann wie ich es dir wohl schulde. Daher lass mich dir eines sagen. Von all den Titeln, die ich trage, ist derjenige, den du mir gegeben hast, der eine, den ich weder aufgeben noch hergeben werde. In dieser einen Sache werde ich bis an mein Lebensende versuchen deinen Erwartungen und Hoffnungen gerecht zu werden und Ray ein guter Patenonkel zu sein. Auch wenn das bedeutet, dass ich auf noch so viele grässliche Familienfeiern muss. Also könntest du bitte… Tze, ich versuche hier gerade eine ergreifende Rede vorzutragen, könntest du bitte so höflich sein und dich zusammenreißen.“

„Ach, halt doch die Klappe!“

Jiroushin war immer schon emotionaler gewesen als Dulacre, das war ihm sehr wohl bewusst, trotzdem war es ihm immer wieder unangenehm, wenn sein bester Freund weinte. Freudentränen waren Dulacre dabei fast noch unangenehmer als die tiefer Trauer – die konnte er wenigstens nachvollziehen – und so brachte ihn der laute Schniefer des anderen aus dem Konzept, während dieser nach einem Taschentuch suchte und sich geräuschvoll die Nase putzte.

„Du hast dich echt verändert, Hawky“, urteilte er dann milde, „ich bin es nicht gewöhnt, dass du dich so rücksichtsvoll und offen mitteilst, warn mich das nächste Mal vor. Das war doch nur ein Scherz gewesen und dann kommst du mit so einer Rede daher.“

Nun errötete Dulacre leicht, als ihm bewusst wurde, dass er Jiroushins Humor tatsächlich missverstanden hatte.

„Nun gut“, entgegnete er zügig und wandte sich dem vergessenen Mahl zu, „da wir dies nun geklärt hätten, würde ich gerne etwas essen und das vergangene Thema ruhen lassen. Lorenor wird heute vermutlich nichts mehr zu sich nehmen können und wenn Perona unterwegs ist, gibt es niemanden mehr, auf den wir warten müssten.“

Jiroushin folgte ihm zu Tisch und in angenehmer Stimmung begannen sie zu essen. Auch wenn Dulacre es nicht zugeben würde, so war er doch guter Laune, während Jiroushin breit grinsend für Unterhaltung sorgte. Dulacre hatte wahrlich Glück einen solchen Freund zu haben, der es selbst in dieser bedrückenden Zeit schaffte ihn mit einer solch ungefragten Wärme zu erfüllen.

Er hatte es vergessen. Seine Gefühle für Lorenor waren so überwältigend, dass Dulacre wirklich vergessen hatte, dass sie nicht seine einzigen waren. Doch diese anderen hatte er all die vergangenen Jahre so gut vergraben gehabt, dass er sie beinahe vergessen hatte. Nun, da er sich seiner Gefühle jedoch nicht mehr erwehrte, erwachten sie allerdings nach und nach wieder zum Leben.

Dulacre würde nicht verhindern können, dass Lorenor ging und er würde nicht verhindern können, dass es ein schmerzvoller Abschied werden würde. Er würde die darauffolgende Leere nicht verhindern können, aber Lorenor war nicht das einzige Wertvolle in seinem Leben.

Jiroushin ließ ihn an dessen Lebenstraum teilhaben, einen Traum, den er beinahe verloren hatte, wofür Dulacre sich immer noch die Verantwortung aufbürdete. Er mochte mit Kindern nichts anzufangen wissen, er mochte sie als nervig und anstrengend empfinden, aber dieses eine Balg war Jiroushins Sprössling und wenn Jiroushin nur ihm zur Liebe Lorenor damals nicht festgenommen hatte, so konnte er doch zumindest versuchen dieses Gör liebzugewinnen… zumindest sollte er vielleicht damit aufhören es zu beleidigen, das würde er gegebenenfalls umsetzen können.

„Ich bin, um ehrlich zu sein, immer noch überrascht, dass du so schnell hergereist bist. Ich hätte schwören können, dass du nach deinem letzten Aufenthalt nicht mehr so lange von deinem Kind getrennt sein wollen würdest.“

Jiroushin schwieg und die gute Stimmung wurde abrupt kühler. Dulacre hatte wohl einen wunden Punkt getroffen.

„Es sei denn, meine Bitte war nicht dein einziger Grund uns zu besuchen.“

Kurz blitzten die grünen Augen zu ihm auf, doch schnell sah der andere weg, fast schon als fürchtete er sich vor diesem Gespräch.

Seufzend erhob Dulacre sich.

„Ich werde nicht nachfragen, Jiroushin. Als Zeichen meiner Dankbarkeit darüber, dass du dich bereiterklärt hast mich davon abzuhalten, Lorenor ernstlich zu verletzen. Wenn du nicht darüber reden möchtest, werde ich dich nicht zwingen. Ich weiß du bleibst nur wenige Tage, diese können wir auch in angenehmem Einverständnis verbringen.“

Er schritt zu seinem Sessel hinüber und hob das jüngste, von Lorenor übersetzte Buch hoch. Als keine Antwort vom anderen kam, begann er zu lesen. Irgendwann stand Jiroushin auf und räumte den Tisch ab, ehe er ebenfalls hinüberkam, sich den ersten Band klaubte, den Dulacre ihm bereits am vergangenen Abend bereitgelegt hatte, und ebenfalls zu lesen begann.

„Du hast dich wirklich sehr verändert, Hawky“, murmelte er nach einer Weile und blätterte eine Seite um. „Ich bin wirklich froh, dass wir Freunde sind.“

 

Zwei Tage später mochte Jiroushin diese Aussagen vielleicht überdenken, als sie sich wild gestikulierend gegenüberstanden.

„Zum letzten Mal, Dulacre, mir ist egal ob du der beste Schwertkämpfer der Welt, einer der sieben Samurai oder der Patenonkel meines Kindes bist, wenn ich dir sage, dass…“

„Stell hier nicht meine Kompetenzen in Frage, Jiroushin! Was weißt du schon davon? Du bist nur ein kleiner Vizeadmiral hinter einem noch kleineren Schreibtisch, also maße dir nicht an, dass du…“

„Oh, ich hab auf diesem Gebiet deutlich mehr Erfahrung als du, du pedantischer Nachfahre eines Weltaristokraten. Im Gegensatz zu dir weiß ich was harte Arbeit und Stunden unter…“

„Harte Arbeit? Redest du von deinen Tanzstunden bei Monsieur Grouse oder vom Abstempeln deiner Aktenberge?“

„Wenigstens habe ich in meinem Leben schon mal gearbeitet, wie sieht’s bei dir aus, mein hochwohlgeborener Mihawk Junior? Ich bin schon immer ganz überrascht, dass du überhaupt weißt, wie man sich allein anzieht. Wie viele Jahre hat Kanan wohl noch…“

„Hey!“

Sie erstarrten für einen Moment als eine Welle des Grauens über sie hinwegschwappte.

Wenige Meter entfernt von ihnen saß Lorenor auf einem Stuhl im warmen Licht der selten auf Kuraigana scheinenden Sonne, der komplette Oberkörper in strahlendweiße Bandagen eingewickelt und kaum in der Lage allein mehr als ein paar Schritte zu gehen. Doch seine Aura an Frustration und Missfallen brachte die beiden Älteren ganz schnell zum Schweigen.

„Während ihr euch darüber streitet, wo der Baum nun hinsoll, hat Perona ihn schon fast alleine eingepflanzt, ihr Vollidioten.“

Er nickte zum Geistermädchen hinüber, die den kräftigen Setzling, über den sie diskutierten, fast in der Mitte des Feldes gerade mit Erde bedeckte.

„Perona“, rief Dulacre nun zu ihr, „hör damit auf. Diese Stelle ist nicht die richtige! Hast du dir die Symmetrie dieses Gartens auch nur mal angesehen? Das komplette Gleichgewicht würde durch den Kirschbaum dort gestört werden. Er muss an den Rand, damit er die Beerensträucher nicht völlig erdrückt und außerdem…“

„Schwachsinn“, unterbrach ihn Jiroushin sogleich, „Symmetrie ist wirklich nicht wichtig für einen gesunden Garten, Hawky. Aber der Baum sollte trotzdem nicht dahin, Perona. Dadurch entfällt die ganze Fläche dort für eine sinnvolle Nutzung. Wenn du ihn näher ans Schloss stellen würdest…“

„Ich bin fertig!“ Laut atmete Perona aus und stemmte beide Hände in die Hüften neben dem Bäumchen, was bereits so groß war wie sie selbst. „Der Baum ist eingegraben, und zwar genau hier und damit basta! Er wird wachsen und einen wunderschönen Schatten werfen und wunderschöne Kirschblüten tragen und ich werde mir eine Bank genau darunter stellen und hier lesen und wenn ihr den Baum irgendwo anders haben wollt, dann macht es selber.“

Laut vor sich hingrummelnd stapfte sie von dannen und begann damit Unkraut zu jäten.

Schnell tauschte Dulacre mit Jiroushin einen ernsten Blick aus. Dass Lorenor ihm die Meinung sagte war nichts Ungewöhnliches, aber dass selbst Perona ihn so anging war etwas Ungeheuerliches. Wütend holte er tief Luft, doch noch bevor er ihr die Leviten lesen konnte, brachte Lorenor sich wieder ein.

„Selbst schuld“, knurrte er und kratzte sich an seiner Kopfbandage, „wenn ihr zwei euch die ganze Zeit streitet wie zwei alte Waschweiber, hält das doch keiner aus.“

„Aber Lorenor…“

„Zorro, du kannst doch nicht wirklich…“

„Sie hat keinen von euch um eure Meinung gebeten was diesen blöden Baum angeht. Ihr sollt euch nur um das Feld hier kümmern, mehr nicht.“

Das war die Wahrheit. Die vergangenen Tage hatte Lorenor im Bett, Jiroushin und Dulacre hauptsächlich im Kaminzimmer und Perona im Garten verbracht. Ab und an hatten die beiden ehemaligen Crewmitglieder doch noch mal einen kleinen Kampf gegeneinander ausgeführt und wann immer Dulacre entschieden hatte Lorenor einen Besuch abzustatten, hatte Jiroushin sich entweder zum Lesen zurückgezogen oder Perona im Garten geholfen.

Wie besprochen hatte Lorenor am heutigen Tag das Bett nun stundenweise zu verlassen dürfen und natürlich hatte Lorenor sich prompt wieder übernommen. Ehe Dulacre überhaupt aufgestanden war, hatte sein Schützling sich der Gartenarbeit angenommen und sich mehrere Stunden durch die Erde gewühlt, ehe einer von Peronas Geistern geschafft hatte Jiroushin aufzuwecken – der vergangene Abend war später geworden, als die beiden älteren Bewohner des Schlosses zugeben wollten – und dieser Lorenor aufgehalten hatte, nachdem Peronas Bemühungen erfolglos geblieben waren.

Als Dulacre dazugekommen war, hatte Jiroushin bereits Lorenors verdreckte und teilweise fehlenden Bandagen wieder erneuert und auf die Beschwerde des Jüngeren hatte Dulacre schließlich entschieden, dass er und Jiroushin Lorenors Tätigkeit übernehmen würden, was auch immer diese sei.

Dies war nun knapp eine halbe Stunde her und bisher hatten sie noch nicht damit angefangen.

„Wozu soll das überhaupt gut sein?“, knurrte Dulacre nun unzufrieden und starrte zu seinem Wildfang herab, der nicht minder unzufrieden in seinem Stuhl zu ihm aufsah.

Obwohl seine Präsenz so beeindruckend wie eh und je wirkte, war er doch noch ungewohnt blass und er hatte sich für seine Verhältnisse nur wenig dagegen gewehrt, dass Dulacre und Jiroushin die Arbeit ausführen würden während er sich ausruhen sollte.

„Auf diesem Acker hier hatte Perona bisher immer Salat angepflanzt, aber damit der Boden sich regenerieren kann hat sie entschieden fürs kommende Jahr nur Blumen anzupflanzen und es ansonsten in Ruhe zu lassen. Dafür haben die Human Drills da drüben angefangen ein neues Feld für den Salat anzulegen.“

Er nickte zu seiner Linken, wo in weiter Ferne die Affen unermüdlich schufteten.

„Du meinst ich soll mir die Hände für ein paar Blümchen dreckig machen?“

„Ich meine, dass weder du noch ich wirklich Ahnung von Landwirtschaft haben und da du mich auf diesen Stuhl verdonnert hast musst du jetzt das machen, was ich tun sollte. Also entweder du reißt dich jetzt am Riemen oder du lässt mich einfach meine Arbeit machen.“

„Mach dich nicht lächerlich, Lorenor. Perona magst du zwar blenden, ich jedoch sehe dir an, wie erschöpft du bist. Selbst wenn ich zulassen würde, dass du dich durch die Erde wühlst, würdest du kaum etwas zustande bringen in deinem derzeitigen Zustand.“

„Na dann, da das geklärt ist, leg los.“

Im Hintergrund gluckste Jiroushin leise auf, der schon längst damit begonnen hatte den Boden zu ebnen, während Dulacre Lorenors Blick noch eine Sekunde länger standhielt, ehe er sich zu seinem besten Freund gesellte.

Am Anfang hatte Dulacre noch befürchtet, dass Lorenor ihre getauschten Rollen von Beobachter und Ausführender ausnutzen würde, um ihn herumzukommandieren, aber zu seiner Überraschung schwieg der Jüngere meist und meldete sich nur, wenn Dulacre oder Jiroushin im Begriff waren etwas fundamental Falsches anzustellen – als wäre das Anpflanzen von Blumen etwas so hochkompliziertes – oder einer von ihnen eine Frage hatte.

Auf Dulacres letzte Bemerkung hatte Lorenor jedoch nicht reagiert und ein schneller Blick hatte ihm verraten, dass sein Wildfang eingeschlafen war.

Seitdem arbeiteten er und Jiroushin in Stille, wobei Dulacre das Schmunzeln seines Freundes nicht entging, welches er ihm schenkte wann immer Dulacre einen sachten Seitenblick auf Lorenor riskierte, der friedlich im warmen Sonnenlicht vor sich hindöste.

Perona war vor einigen Minuten zurück ins Schloss gegangen, um das Mittagessen vorzubereiten und die Human Drills hatten ihr Tagewerk anscheinend schon erledigt und sich ebenfalls zurückgezogen.

So konnten die beiden ehemaligen Crewmitglieder den selten schönen Sonnentag in friedlicher Gartenarbeit verbringen.

Wieder erwischte Dulacre sich selbst dabei, wie seine Augen zu Lorenor hinüberglitten während er begann die Samen ins gelockerte Feld zu streuen und wieder besagte ihm ein schiefes Grinsen, dass auch Jiroushin seinen Blick bemerkt hatte.

Der Vizeadmiral gluckste leise auf und rieb sich mit seinem Unterarm durchs Gesicht, bevor er sich aufrichtete und seufzend streckte.

„Das war der Grund“, gestand er ein und sah zu Dulacre hinab. „Darum bin ich hergekommen. Ich war schon am Packen, als du mich anriefst.“

Dulacre hockte auf der losen Erde und sah zu seinem Freund hinauf, der diesen Moment gewählt hatte, um ihn den Grund seines Besuches zu erklären. Dann zuckte er mit den Achseln und fuhr mit seiner Arbeit fort.

„Willst du mir nun doch eine Predigt darüber halten, wie unbesonnen ich mich verhalte, Jiroushin? Du hattest über ein Jahr lang Zeit, um mir deinen Unmut über meine Gefühle mitzuteilen, und hast entschieden nichts zu sagen, dann kannst du es nun auch bleiben lassen. Lorenor wird in wenigen Tagen aufbrechen, daher wäre jegliche Belehrung nun sinnlos.“

„Ach Hawky, du bist immer so misstrauisch. Weder habe ich etwas gegen deine Gefühle, noch betreffen diese mich in irgendeiner Weise. Was du für Lorenor empfindest geht nur dich und ihn etwas an und daher stehe ich in keinerlei Position mir ein Urteil darüber zu bilden. Das meinte ich überhaupt nicht.“

Jiroushin nahm seine Arbeit nun ebenfalls wieder auf und für einen Moment sagte niemand von ihnen etwas.

„Nun gut“, bemerkte Dulacre und setzte sich auf den Boden, anstatt weiterzumachen, „da ich dich offensichtlich missverstehe, möchtest du mir den wahren Grund denn nun verraten oder nicht?“

Sein bester Freund reagierte nicht.

„Natürlich musst du es nicht, falls du es nicht möchtest. Ich halte mich an mein Wort.“

Dulacre nutzte die Stille, um Lorenor ausgiebig zu begutachten. Ganz ungeniert schnarchte der Pirat auf seinem Stuhl, alle Glieder von sich gestreckt, drohte beinahe hinunter zu rutschen. Der Mund stand ihm weit offen und eine feine Speichelspur tropfte unelegant sein Kinn hinab. Seine strahlendweißen Bandagen blendeten Dulacre beinahe im Licht der gleißenden Sonne und doch war es das Funkeln der Ohrringe, der kleinen Kreuzkette, welches Dulacres Blick einfing.

Schmunzelnd schüttelte er den Kopf und wandte den Blick ab. Selbst nach all der Zeit wurde er nicht müde Lorenor zu betrachten, denn auch wenn er diesen Körper bis ins letzte Detail erfassen würde, so würde er seinen kleinen Wildfang doch nie begreifen.

„Sag mal“, murmelte Jiroushin und setzte sich neben ihm in die feuchte Erde, „haben sich deine Gefühle den über all die Monate denn überhaupt nicht verändert?“

Dulacre lehnte sich zurück und nahm erst Jiroushin und dann erneut Lorenor in Augenschein.

„Du meinst meine Gefühle für ihn?“, fragte er, obwohl er natürlich wusste, was Jiroushin meinte.

„Hmm“, nickte der andere nur.

Der Samurai ließ sich Zeit, um seinen Wildfang ein weiteres Mal ausgiebig zu begutachten, nutzte den Moment, um über Jiroushins Frage ernsthaft nachzudenken.

„Eine schwere Frage“, entgegnete er schließlich, „Gefühle sind nichts Greifbares oder Messbares. Sie werden nur subjektiv wahrgenommen und auch die Erinnerung an vergangene Emotionen sind nichts weiter als persönliche Einschätzungen, es ist also unmöglich zu sagen, ob sie sich verändert haben oder nicht.“

„Ach, Hawky, mach es doch nicht immer so kompliziert…“

Synchron seufzten sie auf.

„Ich würde sagen es hat sich verändert. Noch genauso intensiv, genauso stark und unerschütterlich. Meine leise Hoffnung, dass es mit der Zeit abflauen würde, hat sich denke ich nicht bestätigt. Allerdings ist es nicht mehr so wild und ungestüm. Zu Anfang waren meine Gefühle für ihn unkontrollierbar und haben mein ganzes Denken doch irgendwie geformt, mittlerweile überrennen sie mich nicht mehr. Ich würde sagen, ich hatte genug Zeit mich an die Situation und meine eigenen Gefühle zu gewöhnen.“

Sachte nickte der andere und murmelte etwas Zustimmendes.

„Früher erfüllte mich die Gewissheit über meine Gefühle mit Schuld und Schmerz...“ Leise lachte Dulacre. „…und Verzweiflung, das gebe ich gerne zu. Ich hätte nie gedacht, dass mein eigener Verstand mich so verraten würde und das ausgerechnet an einen ungesitteten Herumtreiber wie Lorenor, und doch, ist es nicht ein Glück, was ich die letzten zwei Jahre habe erleben dürfen?“

Er merkte die ernsten Augen des Blondschopf auf sich. Schmunzelnd sah er Jiroushin mit erhobener Augenbraue an.

„Was denn, Jirou? Überrascht über so viel Ehrlichkeit?“

Nun lachte der andere auf und grub seine Finger in die Erde.

„Ganz ehrlich? Total. Du hast dich wirklich verändert. Wer hätte gedacht, dass der eiskalte, verschlossene Mihawk zu einem so sanften, offenen Kerl werden würde?“

„Mach dich nur lustig, Jiroushin.“

„Ach nein“, seufzte der Vizeadmiral nun und zerrieb den Dreck zwischen seinen Fingern.

„Aber nun finde ich, schuldest du mir doch die Antwort, Jiroushin. Es geht um meine Gefühle für Lorenor und doch willst du sie mir nicht schlecht- oder gar ausreden. Warum also warst du bereit Frau und Kind zurückzulassen? Es muss dir wichtig gewesen sein.“

Jiroushin warf ihm einen kurzen Blick zu.

„Kannst du es dir denn nicht denken? Nach all dem was wir besprochen haben, nach all dem was du gesagt hast, aus welchem Grund sollte ich so dringlich mit dir reden wollen und warum ausgerechnet jetzt?“

Dulacres Verdacht sollte sich also bewahrheiten. Er hatte es ganz zu Anfang vermutet, da es weder berufliche noch familiäre Gründe gegeben hatte, die als Jiroushins Motivation für die Reise hätten dienen können. Die leise Unsicherheit, dass sein bester Freund die vergangenen zwei Jahre schlussendlich doch nicht gutheißen würde wuchs einzig und allein aus Dulacres eigenem Konflikt über seine Gefühle. Außerdem wäre Jiroushin wohl der einzige, dem Dulacre diesbezüglich zuhören würde.

Kopfschüttelnd erhob Dulacre sich.

„Ich habe es dir damals auf der Versammlung gesagt, Jiroushin, und meine Einstellung diesbezüglich hat sich nicht geändert. Ich werde nichts riskieren, erst recht nicht jetzt, das sollte dir bewusst sein.“

Jiroushin erhob sich ebenfalls.

„Und eben weil du so uneinsichtig bist, hielt ich es für notwendig mit dir zu sprechen, Hawky. Jemand muss deinem Starrsinn entgegentreten, ehe du dich unglücklich machst.“

Ebenbürtig sahen sie einander an.

„Ach, Jiroushin, du übertreibst maßlos. Mir ist bewusst, worauf ich mich einlasse und ich habe diese Entscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände getroffen, daher werde ich sie nicht revidieren.“

Nun schnalzte der Soldat missbilligend mit der Zunge.

„Tze, das glaubst du doch wohl selbst nicht. Den wichtigsten Umstand kannst du gar nicht berücksichtigen, weil du ihn nicht kennst.“

„Du willst also behaupten, dass mir – mir – in meiner Abwägung ein Fehler unterlaufen ist, dass mir ein Umstand entgangen ist?“

Unbeeindruckt begegnete Jiroushin seinem Blick und nickte.

„Und was sollte das sein, oh mein ach so kluger Gefährte?“

„Zorros Gefühle natürlich, du Narr.“

Diese Antwort verwirrte Dulacre nun doch. Kurz sah er zum immer noch friedlich schlummernden Piraten hinüber, ehe er zweifelnd Jiroushin ansah.

„Was redest du denn da? Lorenors Gefühle sind wohl der Dreh- und Angelpunkt all meiner Überlegungen. Nur weil ich auf ihn Rücksicht nehme, wollte ich…“

„Du bist so verkopft, Hawky. Wie willst du auf Zorros Gefühle Rücksicht nehmen, wenn du noch nicht mal weißt, wie er diesbezüglich fühlt?“

„Was soll dieses Spiel? Natürlich weiß ich was er…“

„Du denkst du weißt was Zorro empfindet, aber du kannst es nicht wissen. Letzten Endes wirst du erst sicher wissen, was Zorro über all das denkt, wenn er es dir sagt und das kann er nur, wenn er die Wahrheit weiß.“

Langsam atmete Dulacre auf.

„Ich werde nicht mit ihm darüber sprechen, Jiroushin. Er verdient, dass er zu seiner Crew zurückkehren kann ohne meine Altlasten auf seinen Schultern.“

„Er verdient die Wahrheit, Hawky. Er verdient zu wissen was du empfindest und die Möglichkeit zu haben darauf zu reagieren. Es ist unfair, ihm gegenüber und auch dir. Auch du verdienst zu wissen was er empfindet und du verdienst eine Antwort.“

Kopfschüttelnd winkte er ab.

„Geh packen, Jiroushin, und belaste dein Gewissen nicht mit meinen Entscheidungen. Wir beide wissen, dass das Leben nicht fair ist, aber ich bin dankbar für die letzten zwei Jahre und dafür schulde ich Lorenor…“

„Du schuldest ihm gar nichts, Hawky. Nicht aus diesen Gründen und wenn überhaupt dann nur die Wahrheit. Glaubst du, er ist dumm oder einfältig? Wenn du ihn gehen lässt, ohne ihn reinen Wein eingeschenkt zu haben, wirst du das ewig bereuen und du verwehrst Zorro seine Chance damit umgehen zu können.“

Dulacre wollte seinem besten Freund bedeuten, dass er in Begriff war eine Grenze zu übertreten, da trat Jiroushin an ihn heran und legte eine Hand auf seine Schulter und sah ihn ernst an.

„Du hast Angst verletzt zu werden, Hawky, und diese Angst ist absolut menschlich und verständlich. Ich kann dich zu nichts zwingen, aber wenn du je auf meine Meinung Wert gelegt hast, dann bitte vertraue mir dieses eine Mal. Trete dieses eine Mal Zorro ganz ehrlich gegenüber, nicht als Samurai Falkenauge, der beste Schwertkämpfer der Welt, nicht als der hochwohlgeborene Herr Mihawk Junior, strenger Lehrmeister in der Schwertkunst, sondern einfach nur als Dulacre.“

Jiroushin schlug ihn noch einmal kräftig auf die Schulter, hob dann die Hand zum Gruß und ging seines Weges, Richtung Schloss, ließ Dulacre und den tatsächlich immer noch friedlich schlummernden Lorenor zurück.

Kapitel 55 - Freude

Kapitel 55 – Freude

 

-Zorro-

Warme Sonnenstrahlen weckten ihn, doch der kühle Wind ließ ihn wissen, dass die Nacht nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.

Müde versuche Zorro sein unversehrtes Auge zu öffnen. Er saß immer noch im Garten und der rotgefärbte Himmel über dem Schloss, welches er in den vergangenen Monaten sein Heim genannt hatte, bestätigte seine Vermutung.

Es war vielleicht ein Fehler gewesen, hier einzuschlafen; die gebrochenen Rippen und die geprellte Hüfte beschwerten sich deutlich über die unbequeme Schlafposition. Trotzdem war Zorro so entspannt wie selten. Auf Kuraigana hatte er nur an wenigen Tage die Zeit gehabt Nachmittags mal ein kleines Nickerchen zu halten, dafür hatte er manche Nacht deutlich mehr geschlafen als er es für gewöhnlich tat – mit Ausnahme von der Zeit während Dulacres ultimativen Trainings, wo der Samurai ihn mit Schlafentzug regelrecht gefoltert hatte – doch kaum etwas war so befreiend, wie ein kurzer Schlummer an der frischen Luft.

Insbesondere weil es ihm immer besser ging, wenn er etwas geschlafen hatte. Sein Körper tat immer noch weh und jede Bewegung war anstrengend, gleichzeitig jedoch genoss er jedes Ziepen und Pochen. Diese Wunden erfüllten Zorro mit einem selbstbezogenen Genugtun.

Als er damals Dulacre das allererste Mal gegenübergestanden und erschreckend eindeutig gegen ihn verloren hatte, war es keine einfache Zeit für ihn gewesen. Der Samurai hatte ihn zwar auch angespornt besser zu werden und die Abenteuer seiner Crew hatten Zorro von schweren Grübeleien abgehalten, aber der verzweifelte Drang besser werden zu müssen war immer dagewesen. Im Laufe ihrer Reise war Zorros Verlangen stärker werden zu müssen gleichsam mit der Gewissheit, dass sie in ihrem damaligen Zustand nicht bestehen konnten, gewachsen und letzten Endes hatte sich diese Befürchtung bewahrheitet.

Letzten Endes hatte Zorro seinen Kapitän nicht vor dem Samurai Bär und seine Crew nicht vor dem Kommandanten der G6 Hakkai beschützen können, nein, Zorro hatte noch nicht mal sich selbst vor der Kalten Klinge der Gerechtigkeit Homura beschützen können.

Das alles hatte an seinem Stolz genagt, hatte ihn an seiner Entschlossenheit zweifeln lassen. Damals, nachdem er erst seine Crew und dann sich selbst und seinen eigenen Körper verloren hatte, damals hatte Zorro für einen kurzen Moment gezweifelt, fast schon aufgegeben.

Wäre er nicht auf Sasaki gelandet, wäre es nicht Dulacre höchstpersönlich gewesen, der Zorro gefunden hätte, dann hätte er wohl aufgegeben, zumindest für einen kurzen Moment und in diesem Moment hätte er auch ein bisschen von sich selbst verloren, was er nie wieder hätte finden können und sich auch nie verziehen hätte.

Wenn er ganz ehrlich war, so hatte Zorro sich schon so manches Mal gefragt wann – und ob – er es je schaffen würde, mit dem Samurai mithalten zu können. In einem Gespräch hätte er wohl immer selbstbewusst behauptet, dass es sich nur um wenige Monate handeln konnte, aber nach seiner ernüchternden Niederlage hatte er im Stillen gezweifelt, war unsicher geworden, ob er seinen Traum tatsächlich verwirklichen konnte.

Aber die Dinge waren gekommen wie sie gekommen waren und Zorro hatte seinen Stolz aufgegeben, um vom Besten der Besten lernen zu können und mittlerweile, nach zwei langen Jahren, war Zorro weder unsicher noch am Zweifeln.

Gerade in diesem Moment, mit schmerzendem Körper, noch halbverschlafen auf diesem Stuhl, genau jetzt wusste Zorro, dass er bald stark genug sein würde, um selbst Dulacre besiegen zu können, und bereits jetzt war er stark genug, um sich selbst, seine Crew und ganz besonders seinen Kapitän beschützen zu können und diese Gewissheit erfüllte ihn mit Stolz und Genugtun.

Er hatte gestrauchelt und mit sich selbst gekämpft – in mehrfacher Hinsicht – aber jetzt war er endlich auf der Zielgeraden angekommen. In wenigen Tagen würde Zorro endlich seine Freunde wiedersehen und in naher Zukunft würde er endlich seinen Traum wahrmachen und sein Versprechen gegenüber Kuina erfüllen.

Ob es an dieser Gewissheit lag oder an den seltenen Sonnenstrahlen, Zorro war warm und glücklich, doch wenn er ganz ehrlich war, so sehr er sich auf die Zukunft auch freute, so wenig wollte er, dass die Gegenwart Vergangenheit werden würde.

Aus dem Augenwinkel bemerkte er den Samurai, der tatsächlich nur einige Meter entfernt auf dem Boden hockte und wie es schien Unkraut im Kartoffelbeet jätete. Im ersten Moment hätte er ihn beinahe nicht erkannt; mit dem riesigen Strohhut auf dem Kopf und der kurzen Hose sah er beinahe aus wie eine zu großgewachsene, zu ernste und zu blasse Version seines Kapitäns aus.

Selten lief der andere in so lockerer Kleidung herum. Seine Hemden hatte er in den letzten Monaten doch das ein oder andere Mal im Schrank gelassen und auch seinen affigen Hut mit Federboa hatte Zorro in letzter Zeit kaum gesehen, aber die kurze Hose war neu.

Erneut fiel Zorros Blick auf den linken Oberarm des anderen, wie so oft in den letzten Tagen. Bald würde er wohl verblassen, aber dort, halb verdeckt vom Ärmel des dunklen T-Shirts des Älteren, hob sich ein grün-gelblicher Fleck von der sonst so blassen Haut des Samurais ab.

Alleine der Anblick erfüllte Zorro mit Befriedigung, es war nicht viel, nur ein kleiner blauer Fleck, und doch war es ein kleiner Sieg gewesen, zumindest nachdem Dulacre ihm in seiner nervigen, ruhigen und vor allem besserwisserischen Art erklärt hatte, dass es seine erste Verletzung seit fast fünfzehn Jahren gewesen war; selbst jetzt noch konnte Zorro sich über die blasierte Miene des anderen aufregen, als dieser seinen Hemdsärmel hochgeschoben hatte und Zorro ganz genau erklärt hatte, wie diese Verletzung zustande gekommen war, als wäre Zorro nicht selbst dabei gewesen!

Allerdings musste er sich eingestehen, dass er sich an die Treffer, die er anscheinend gelandet hatte, kaum erinnern konnte. Tatsächlich konnte er sich an fast nichts mehr aus ihrem ersten richtigen Kampf erinnern, alles war ein verschwommener Mix aus Farben, Geräuschen und Berührungen, alles bis auf diese Augen.

Noch jetzt brannten sie in der Dunkelheit wann immer Zorro sein Auge schloss. Mihawks Blick hatte ihm gleichsam Angst gemacht und ihn erregt, ihm den Atem genommen und ihn beflügelt und er hatte befürchtet und doch auch gewollt, dass der andere ihn noch mal so ansehen würde.

Aber seit dem Kampf hatte Dulacre das nicht mehr getan; wie jetzt auch zeigte seine Miene meist nur diese kühle, nervige Gelassenheit, mit der er Zorro auch seine Verletzung gezeigt hatte. Ruhig betrachtete der Samurai für einen Moment das blühende Unkraut in seinen Händen, ehe er es zur Seite warf und damit fortfuhr seine Finger durch die Erde zu wühlen. Schmunzelnd beobachtete Zorro ihn bei seiner Tätigkeit.

Tja, auch der Samurai hatte sich verändert. Am Anfang hatte Zorro ihn wirklich nicht leiden können mit seinem versnobten Gehabe, seinen nervigen Manieren und seinem eitlen Hochmut. Am Anfang hatten sie sich überhaupt nicht verstanden und doch hatte der Samurai eingewilligt ihm zu helfen und mit der Zeit waren sie dann doch Freunde geworden.

Ja, wenn Zorro daran dachte, wie er sich vor dem anderen auf die Knie geworfen hatte, wenn er sich daran erinnerte, wie er vor dem anderen in Tränen ausgebrochen war, damals hätte ihm nicht im Traum einfallen können, dass die Dinge sich so entwickeln würden.

Nie hätte er sich vorstellen können, dass ihm das harte Training unter den kalten Augen des Samurais Spaß machen würde und nie hätte er gedacht, dass er Gefallen an den abendlichen Gesprächen am Feuer oder am Schachbrett finden würde.

Er hätte sich allerdings auch nie vorstellen können, dass er sich um juristische Spielereien oder historische Gegebenheiten scheren würde, genauso wenig wie er seinem Lehrmeister wohl nie zugetraut hätte, dass dieser sich durch Dreck wühlen würde.

Sie beide hatten sich wohl ganz schön verändert.

Ob sich die anderen in den letzten zwei Jahren auch so verändert hatten?

Du hast die Sorge, dass sie dich anders behandeln. Aber Lorenor, du hast dich verändert, ob du willst oder nicht.

Er wollte nicht, dass die Dinge sich änderten und gleichzeitig wusste er, dass dies nicht in seiner Macht lag.

Dulacre hatte Recht, ob Zorro wollte oder nicht, er hatte sich während seiner Zeit hier verändert, so wie alle seine Freunde sich vermutlich verändert hatten, und nun blieb ihm nichts anderes übrig als zu hoffen, dass es wieder wie früher werden würde und doch nicht mehr genauso.

Er wollte nie wieder das Gleiche durchmachen müssen. Dieses Mal würde er alle beschützen und zurückkehren, um Dulacre zu besiegen.

„Ach, einen schönen guten Abend, Lorenor. Lange genug geschlafen?“

Die gelben Augen blitzten vor Schalk auf, als der Samurai zu ihm hinüber sah und sich leicht grinsend aufrichtete. Gemächlich klopfte sich der Ältere die Erde von den Knien, ehe er die Handschuhe auszog und zu Zorro hinüberkam.

„Du schläfst wirklich viel. Sogar noch mehr, wenn du verwundet bist“, bemerkte er und hockte sich vor Zorro auf den Boden. „Wie geht es dir?“

Zorro zuckte mit den Achseln und sah zu dem anderen hinab.

„Müde“, murmelte er mit einem schiefen Grinsen, welches der andere erwiderte als er sich den Strohhut abnahm und mit dem Unterarm über die Stirn rieb.

„Dabei hast du doch den ganzen Tag geschlafen.“

Erneut zuckte Zorro nur mit den Schultern und sah über den anderen hinweg auf das künftige Blumenfeld.

„Sieht gut aus“, meinte er.

„Als wäre es viel Arbeit ein paar Samen auf ein Feld zu werfen“, kommentierte der Samurai in seiner gewohnten abwertenden Art und richtete sich wieder auf. „Es wird langsam kühl. Wir sollten hineingehen und etwas essen. Außerdem möchte ich mich umziehen und du solltest dir auch etwas überziehen. Jetzt, wo die Sonne untergeht, ist es nicht ratsam für dich so halbnackt rumzulaufen.“

„Tze, ich laufe als halbe Mumie herum, wenn überhaupt schwitze ich mich hier zu Tode.“

Der Samurai entgegnete nichts, sondern sah ihn nur mit erhobener Augenbraue und einem sachten Grinsen an.

„Na denn, du Mumie, kannst du selbst laufen oder soll ich dich tragen?“

„Ach, halt doch die Klappe“, murrte Zorro und ließ sich von ihm aufhelfen.

Langsamen Schrittes gingen sie durch den Garten. Auch wenn Zorro nicht zulassen würde, dass der andere ihn trug – und er sich nicht sicher war, ob das überhaupt ein Scherz gewesen war oder nicht - so konnte er wahrlich nicht so schnell laufen, wie er gerne würde. Doch der Samurai bemerkte dazu nichts, sondern schien im sachten Schlenderschritt ganz fasziniert die Umgebung zu begutachten, die Hände hinterm Rücken ineinander verschränkt.

„Wo ist Jiroushin?“, fragte Zorro beiläufig als ihn sein eigener Atem nervte.

„Er ist hineingegangen, um seine Sachen zu packen“, erläuterte Dulacre und bedachte ihn mit einem Seitenblick. „Entgegen meines Vorschlags möchte er doch morgen abreisen, um einige Dinge zu organisieren. Natürlich wäre es mir lieber, wenn er noch die paar Tage warten würde, um dich zu begleiten, aber… nun ja, letzten Endes ist es wohl seine Entscheidung, auch wenn ich sie missbillige.“

Zorro entgegnete nichts und so gingen sie schweigend weiter. Vor ihm blieb der andere stehen und seufzte leise.

„Auch wenn ich es kaum zugeben möchte, Perona hat gute Arbeit geleistet - sie und die Human Drills - der Garten hat sich gut entwickelt. Ich hätte nie gedacht, dass diese Insel mal einen gewissen Charme innehaben könnte.“

So viel Lob war äußerst ungewöhnlich für den Samurai, allerdings war er immer etwas friedvoller, wenn Jiroushin zu Besuch war, außerdem…

„Sag mal“, murmelte Zorro und schloss zu ihm auf, „gefällt dir die Arbeit im Garten?“

Mit großen Augen wandte sich der Ältere zu ihm um und gemeinsam setzten sie ihren Weg fort. Der andere fuhr sich über seinen Bart und sah nachdenklich zum Himmel hinauf.

„Es hat etwas Entspannendes und am Ende sieht man, was man geschafft hat. Man macht sich zwar auch ziemlich dreckig und es ist Arbeit für…“  Der Samurai schwieg einen Moment, ehe er den Kopf schüttelte. „Nein, es ist gute Arbeit und auch wenn es nicht ansatzweise so interessant ist wie der Schwertkampf, so ist es doch keine Zeitverschwendung.“

Zorro wusste, dass es nichts Schlimmeres für den anderen gab als unnütz Zeit zu vergeuden, daher war diese Aussage schon mehr als nur eine Anerkennung.

„Aber gefällt es dir auch?“, blieb Zorro hartnäckig und begegnete dem fragenden Blick des Älteren neugierig. „Damit meine ich, ist es etwas, was du gerne wiederholen würdest, etwas, was dir Freude bereitet und nicht bloß etwas, womit du sinnvoll die Zeit totschlagen kannst?“

Sie hatten die Hintertür zum Schloss erreicht und Dulacre hielt sie für Zorro auf.

„Es bereitet mir gewiss eine Zufriedenheit, dass denke ich schon, Lorenor. Aber ob sie mir gefällt, ich weiß nicht. Gefällt dir denn die Gartenarbeit?“

„Nicht wirklich.“ Hinter ihnen schlug die Türe zu. „Es ist wie du sagst, man wird zufriedener, wenn man sich durch den Dreck wühlt, es ist eine gute Arbeit. Aber ich finde sie oft nervig, um ehrlich zu sein, ziemlich eintönig und irgendwie erinnert mich das ganze an das Flicken von Segeln.“

Langsam gingen sie den Gang entlang und Zorro war froh zu wissen, dass es nur noch wenige Meter bis zum Kaminzimmer und seinem Sofa waren.

„Dann, was gefällt dir, Lorenor?“

„Außer zu kämpfen?“

Leise lachte der Ältere.

„Natürlich, was gefällt dir neben dem Schwertkampf?“

„Hmmm… eine gute Feier mit viel Alkohol“, schmunzelte er, „und guter Laune. Ich mag es den anderen beim Tanzen zuzusehen und dabei gute Gespräche zu führen.“

Nachdenklich erinnerte er sich an die vielen Feiern, die er mit seinen Freunden angezettelt hatte, erinnerte sich an die eine, die sie hatten feiern wollen und doch nie hatten können, entschied jedoch nicht in Gedanken zu schwelgen, sondern Dulacres Frage zu beantworten.

„Angeheizte Diskussionen finde ich eher nervig, aber manchmal können die auch ganz interessant sein. Das Training macht mir Spaß, sowohl alleine als auch mit anderen. Von dir unterrichtet zu werden war oft auch echt anstrengend, aber die meiste Zeit hat es mir echt gefallen und ich mag es andere zu unterrichten. Ich bin nicht so gut im Erklären wie du, dessen bin ich mir bewusst, aber es macht mich stolz zu sehen wie schnell Chopper besser geworden ist in den paar Sachen, die ich ihm gezeigt habe.“

Im Kaminzimmer angekommen setzte er sich schwerfällig auf sein Sofa und sah zum anderen hinüber, der sich ebenfalls auf dessen Sessel niederließ.

„Oft hängt es davon ab, ob ich in der richtigen Laune oder bei den richtigen Leuten bin. Selbst der beste Sake kann eine beschissene Stimmung nur bedingt retten.“

Dulacre neigte den Kopf leicht.

„Es fällt mir schwer zu glauben, dass eine lärmende Gesellschaft voller pöbelnder und ungesitteter Gäste eine vergnügliche Atmosphäre bereiten kann, ganz gleich welcher Alkohol ausgeschenkt wird. Ich empfand solche Veranstaltungen schon von jeher als unangenehm.“

„Das werden wir ändern“, bemerkte Zorro mit einem leichten Grinsen, „spätestens nachdem ich dich besiegt habe werden wir wohl eine richtige Party schmeißen und da wirst du nicht drum herum kommen. Dann werde ich dir mal zeigen wie richtige Piraten feiern und glaub mir, du wirst deinen Spaß haben.“

Nun zeigte auch der Samurai ein leises Lächeln und lehnte sich zurück.

„Meinetwegen, ich werde vorbereitet sein, Lorenor.“

Gähnend warf Zorro seine Beine ungelenk aufs Sofa und legte sich hin.

„Du solltest dir etwas überziehen.“

„Nerv nicht. Erzähl mir lieber, was dir so gefällt.“

Der andere schwieg. Nach einer Weile schloss Zorro sein Auge und war bereits drauf und dran wieder einzuschlafen, als der andere schließlich doch sprach.

„Ein richtiger Kampf bereitet mir wohl am meisten Freude.“ Dulacre klang sehr ruhig, als ob er jedes Wort hinterfragte. „Ich würde sagen, dass mir die Schwertkunst wahrlich beflügelt und mich beseelt wie nichts anderes. Unser kleiner Kampf hat mir wirklich gefallen, denke ich…“

„Und was noch?“, murmelte Zorro, ohne aufzusehen, nachdem der andere wieder still wurde. „Was außer dem Schwertkampf macht dir Spaß?“

Erneut schwieg der Ältere, ehe er leise aufseufzte.

„Du stellst mir Fragen, Lorenor. Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Natürlich trinke ich gerne einen guten Wein, aber das hat wohl nichts mit Spaß zu tun, sondern eher mit Genuss. Sowohl der Krieg als auch die kleineren Scharmützel des letzten Jahrzehnts halfen etwas gegen die Langeweile, aber gefallen haben sie mir wohl nicht und als Spaß würde ich sie erst recht nicht bezeichnen.“

Schritte verrieten Zorro, dass der andere wohl aufgestanden war und Richtung Tür ging.

„Mit einem guten Tanzpartner kann ich dem Tanzen etwas abgewinnen, aber nur, wenn ich dazu in der Stimmung bin. Ein spannendes Buch oder eine gute Partie Schach können mich wohl begeistern, aber meine Ansprüche an alle drei sind ziemlich hoch.“

Die Schritte verstummten.

„Unsere Unterhaltungen und kleinen Auseinandersetzungen sind manchmal recht belebend. Solange sie nicht in einem Streit ausarten könnte ich sogar fast sagen, dass sie mir fast mehr gefallen als manche Trainingseinheit. Wenn auch nicht im Schwertkampf, so warst du mir doch was die Willensstärke betrifft immer ein ebenbürtiges Gegenüber. Ja, ich würde sagen es bereitet mir sogar Spaß meinen Willen an dem deinen zu messen. Aber das meintest du wohl nicht.“

Nun war es Zorro, der schwieg, als die Türe dumpf ins Schloss fiel.

Es war eine einfache Frage gewesen.

Was gefällt dir?

Aber natürlich war nichts einfach einfach, wenn es um den Samurai ging. Warum hatte er nicht einfach gesagt, dass er gerne Bücher las und Schach spielte, solange er keinen würdigen Gegner im Schwertkampf hatte?

Was sollte diese Bemerkung am Ende?

Zorro hatte keine Ahnung, was Dulacre damit genau meinte.

Ihm war klar, dass der andere von den Situationen sprach, wo sie beide eifrig über Dinge diskutierten, die sie beide interessierten. Gerade im Bereich der Schwertkunst teilten sie nicht immer eine Meinung, wenn es ums Detail ging und sie hatten ganze Nächte damit verbracht sich über Kleinigkeiten zu ereifern.

Doch, diesbezüglich wusste Zorro ganz genau, was der andere meinte. Er selbst hatte nie jemanden gekannt, der sich so intensiv mit dem Schwerte auseinandergesetzt hatte, wie er selbst. Vielleicht Kuina, aber damals war er selbst noch ein Kind gewesen und naiv, damals hatte er noch zu wenig gewusst, um darüber diskutieren zu können.

Selbstredend war Dulacre besser gebildet gewesen als Zorro – gerade zu Anfang – und hatte Namen und Begriffe gekannt, die Zorro noch nicht mal hatte aussprechen können, aber das hatte nichts daran geändert, dass er eine Meinung gehabt hatte, die er mit guten Argumenten hatte vertreten können.

Ja, diese Gespräche hatten ihm eine Menge Spaß gemacht und er verstand, was der Samurai damit meinte.

Aber den Willen aneinander messen?

Meinte er damit die ganzen nervigen Streitereien oder etwas anderes?

Sie hatten sich in den vergangenen Jahren oft gestritten und Zorro hätte sehr gut darauf verzichten können. Ja, auch ihm war manchmal der Geduldsfaden gerissen und er hatte manchmal etwas überreagiert - allerdings hatte er auch mit einigen körperlichen Veränderungen zu kämpfen gehabt - aber im Vergleich zu ihm war Dulacre ein absoluter Dramatiker, der sich über jede Kleinigkeit aufregen konnte und nicht einsehen wollte, wenn er sich irrte.

Nein, diese Auseinandersetzungen waren nur nervig und anstrengend gewesen und Zorro hätte liebend gerne auf sie verzichtet.

Aber vielleicht hatte Dulacre auch diese anderen Gespräche gemeint. Die außerhalb der Schwertkunst, abseits von Politik, Strategie, Historie und Allgemeinbildung. Diese ruhigen Gespräche, die keiner von ihnen beiden wirklich suchte, aber auch nicht vermied.

Solche Momente waren für Zorro die verworrensten. Er war niemand, der leichtfertig über Dinge sprach, die ihn beschäftigten – was zugegebenermaßen auch nicht viele Dinge waren – und wenn, dann gegebenenfalls nur mit Robin, die nie viele seiner Worte gebraucht hatte, um ihn zu verstehen.

Dulacre war da anders. Manchmal hatte Zorro das Gefühl, dass dieser Mistkerl ihn absichtlich falsch verstand und immer viel zu viele Worte brauchte, nur um am Ende dann doch ihm die Worte im Mund zu verdrehen.

Trotzdem konnte Zorro nicht sagen, dass diese Gespräche schlichtweg unangenehm waren, manchmal ja, manchmal hatte er das Gefühl als würde der andere um ein Problem oder ein Thema herumstochern, ohne einfach klar und direkt seine Frage oder Meinung zu sagen und das war anstrengend. Aber manchmal hatten diese Momente auch etwas, was Zorro nicht wirklich in Worte fassen konnte.

Er mochte diese Gespräche nicht, fand sie ätzend und bedrohlich zugleich und doch war er jedes Mal neugierig wohin sie ihn dieses Mal führen würden.

Zorro war kein großer Redner und Unterhaltungen waren ihm eigentlich zu umständlich, aber wenn er so drüber nachdachte, dann merkte er, dass er sich gerne mit dem Samurai unterhielt und es ihm beinahe egal war über was.

Ob sie sich nun über etwas Lächerliches wie Hobbies und Interessen unterhielten oder über die Dinge, über die Zorro noch nicht mal nachdenken wollte, am Ende blieb er doch und redete mit dem anderen, selbst wenn er nicht wollte.

Selbst wenn er nicht wollte, schaffte Dulacre es am Ende ihm zum Reden zu bringen, mit seiner fordernden, nervigen, theatralischen Art. Er schaffte es Zorro Dinge sagen zu lassen, die er vorher noch nicht mal gedacht hatte. Er schaffte es, dass Zorro sich über Dinge öffnete, von denen er vorher selbst nicht gewusst hatte.

Vielleicht meinte Dulacre das, wenn er davon sprach ihrer beider Willen aneinander zu messen. Selten musste Zorro sich mit jemandem so auseinandersetzen, wie mit dem Samurai.

Ruffy war eher der Typ Mensch, der Probleme durch körperliche Verhandlungen aus der Welt schaffte und Zorro konnte damit sehr gut leben. Von den anderen aus der Crew trauten sich vielleicht mal Nami oder Franky ein Kommentar fallen zu lassen, aber größtenteils war ein Blick seinerseits genug gewesen, um sie zum Schweigen zu bringen, wenn er wirklich wollte.

Robin war meistens zu klug gewesen, um ihre Gespräche ausarten zu lassen. Zorro war vielleicht deutlich dümmer als sie, aber er hatte bemerkt, dass sie ihre Unterhaltungen in eine andere Richtung gelenkt hatte, wann immer sie die Sorge hatte, dass das gegenwärtige Thema zu Unstimmigkeiten führen könnte.

Nein, der einzige in ihrer Crew, der Zorro wirklich mal ab und an Paroli geboten hatte, war wohl der verdammte Koch gewesen, der sich nie zu schade war, auch Zorro mal herauszufordern. Doch selbst er war nie in der Lage gewesen, Zorro wirklich an seine Grenzen zu bringen, weder körperlich noch geistig. Ihre kleinen Scharmützel waren gut, um mal etwas Dampf abzulassen oder um sich die Beine auf hoher See zu vertreten. Ihre kleinen Streitereien konnte mal ganz unterhaltsam sein, meist jedoch waren sie nervig.

Auch wenn Zorro nicht eine Sekunde daran zweifelte, dass alle in seiner Crew einen starken Willen hatten, so hatte er es doch nie darauf ankommen lassen.

Ganz anders jedoch mit dem Samurai. Dass Dulacre ihn physisch und auch in Sachen Bildung an seine Grenzen gebracht hatte, verwunderte Zorro nicht eine Sekunde, aber Dulacre hatte Recht. Ihre Gespräche waren nicht nur oberflächliches Kaffeegeschwätz gewesen, nicht nur höfliches Flurgerede, nein, sie hatten sich miteinander auseinandergesetzt, auch und gerade bei Themen, die der jeweils andere vielleicht lieber vermieden hätte.

„Tze, was für ein Mistkerl“, murrte Zorro und legte seinen unverletzten Arm über die geschlossenen Augen.

„Ich hoffe doch, du meintest damit nicht mich.“ Wie aufs Stichwort musste natürlich Dulacre hereinkommen.

„Wen sollte ich wohl sonst meinen?“, entgegnete Zorro, ohne sich zu regen.

„So unhöflich wie eh und je. Hier.“

Lautlos fiel ein weicher Stoff auf Zorros Oberkörper und als er unter seinem Arm hinwegblinzelte, erkannte er den grünen Mantel, den er aus all den Sachen gewählt hatte, die Kanan ihm zur Verfügung gestellt hatte.

„Du solltest wahrlich etwas überziehen. Nicht, dass du dich in deinem geschwächten Zustand auch noch erkältest.“

Zorro schloss sein Auge wieder und bewegte sich nicht.

„Ich werde nicht krank“, meinte er gelassen. „Aber so langsam bekomme ich doch Hunger…“

„Perona braucht nur noch wenige Minuten. Vielleicht solltest du solange noch etwas schlafen. Du wirkst immer noch etwas blass.“

„Hmm…“, murrte Zorro nur zustimmend und entschloss diesen Vorschlag in die Tat umzusetzen.

Im Halbschlaf hörte er im Hintergrund Porzellan und Glas leise klirren, der Samurai deckte wohl den Tisch. Vielleicht würde er Zorro heute erlauben mal wieder ein Glas Wein zu trinken, es war schon traurig, dass er sich tatsächlich vom Älteren das Trinken verbieten ließ.

„Sag mal“, murmelte er als er entschied, dass sein Hunger größer war als seine Müdigkeit, doch immer noch, ohne die geringsten Anstalten zu machen, sich aufzurichten. „Was hast du eigentlich vor, nachdem ich abreise?“

„Wie meinst du das?“

„Naja, ich hab eigentlich kaum eine Ahnung, wie dein Alltag so normalerweise aussieht. Ich meine, die letzten zwei Jahre hat sich dein Leben fast nur um mein Training und meine Probleme gedreht. Muss eine ziemliche Erleichterung sein, jetzt endlich wieder zum gewohnten Alltag zurückkehren zu können, oder?“

Er erhielt keine Antwort. Bildete er sich das nur ein oder war der Samurai heute ungewohnt langsam darin zu antworten?

Mit einem leisen Grunzen setzte Zorro sich nun doch auf und sah zum anderen hinüber, der ihn ausdruckslos betrachtete und schließlich die Schultern zuckte.

„Du überschätzt mein Leben, Lorenor. Ich habe mich dir nur angenommen, weil mein Leben mich unglaublich angeödet hatte und du das eine Unberechenbare darin warst. Sobald du gehst, wird mein Leben wieder zu alter Eintönigkeit zurückfinden, denn mein Alltag besteht aus nichts anderem als langweiligen Dingen. Die langweilige Zeitung, langweilige Aufträge von der Weltregierung, langweilige Verpflichtungen der fünf Inseln und nun habe ich noch einen langweiligen Garten und ein langweiliges Findelkind dazubekommen. Ganz zu schweigen von der ganzen, unglaublich lauten, aber zumindest nur in Teilen langweiligen, Familie Cho. Also nein, ich habe nichts Besonderes vor, nachdem du abgereist bist. Ich werde zu meinem langweiligen Alltag zurückkehren und auf den Tag warten, an dem du mich herausforderst.“

Zorro hatte keine Ahnung, ob der andere ihn gerade nach Strich und Faden hinters Licht führe wollte, aber irgendwie… hörte sich das ziemlich enttäuschend, fast schon bemitleidenswert an.

Noch einen Moment länger betrachtete der Ältere ihn, ehe er damit fortfuhr den Tisch zu decken.

Vielen Worte kamen Zorro in den Kopf, wenn er an den anderen dachte – die Mehrzahl davon nicht vorteilhaft – aber langweilig gehörte wohl nicht dazu. Mihawk war ein nerviger, herablassender und verzogener Zeitgenosse, faul und über alle Maße eitel und arrogant, aber langweilig war er gewiss nicht.

Egal welchen Ort Zorro in den vergangenen Jahren erwähnt hatte, der andere hatte ihn gekannt und war oft auch schon mal dort gewesen. Er war nicht gut darin Geschichten zu erzählen und doch hatte Zorro seinen Berichten meist gerne zugehört.

Der andere hatte eine Meinung zu fast allem und zögerte auch nicht sie laut zu äußern, doch schien er normalerweise auch zu wissen wovon er sprach. Er war besserwisserisch und aufgeblasen, trotzdem hatte er Zorro die meiste Zeit geduldig in allen unterwiesen, wovon er Ahnung gehabt hatte.

Zorro wusste nicht viel über die Vergangenheit des anderen, aber was er wusste hörte sich nach einem Leben an, nach Abenteuern und Gefahren, Verlust und Freuden, nach Erfahrungen und Sehnsüchten.

Aber was der andere gerade beschrieben hatte hörte sich…

„Du solltest etwas ändern.“ Mühsam erhob Zorro sich. „Wenn dein Leben so beschissen ist, wie du sagst, dann solltest du was ändern.“

Der andere sah kurz zu ihm hinüber.

„Aber das habe ich doch, schließlich stehst du hier.“

„Ach, Schwachsinn. Wenn ich alles in deinem Leben bin, das irgendwie halbwegs interessant ist, ist das ziemlich erbärmlich, ganz ehrlich. Niemand sollte eine größere Rolle in deinem eigenen Leben spielen als du selbst. Also wenn dein Leben dich ankotzt – und mich würde ein so langweiliges Leben ankotzen – dann verändere es und warte nicht nur darauf, dass ich es dir interessant mache, dazu hab ich weder Zeit noch die nötige Geduld.“

Am Tisch angekommen, ließ er sich auf seinen Stuhl fallen. Er war wirklich müde und sehnte sich bereits jetzt nach seinem Bett, am schlimmsten waren jedoch die Knochenbrüche, die tatsächlich immer noch bei jeder Bewegung ächzten, selbst in dieser Gestalt.

„Du belehrst mich?“ Dulacre klang beinahe drohend. „Was könnte mein Leben schon interessanter machen als mein künftiger Gegner?“

„Keine Ahnung, such dir ein Hobby oder was auch immer. Perona scheint in der Gartenarbeit aufzugehen und Jiroushin in seiner Familie und seiner Arbeit. Keine Ahnung, lern ein Instrument oder wie man strickt oder was auch immer. Such etwas, was nicht langweilig ist und mach das.“

Leise lachte der andere und setzte sich ebenfalls an den nun gedeckten Tisch.

„Das einzige, was mich wirklich interessiert, ist die Schwertkunst, Lorenor. Alles andere ist langweilig.“

„Woher willst du das wissen?“

Der andere sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Ich fand Schachspielen früher ziemlich scheiße, weißt du das? Oder lesen oder Diskussionen über irgendwelche Themen, war alles ziemlich langweilig für mich. Aber nur weil ich mich nicht damit auseinandergesetzt habe. Woher willst du wissen, dass es nichts auf dieser Welt gibt, dass dich vielleicht auch interessieren könnte, wenn du es nicht mal ernsthaft versuchst? Keine Ahnung, ob es so toll sein wird wie der Schwertkampf, aber verdammt noch mal, hast du die letzten 15 Jahre dich einfach nur gelangweilt? Du hättest hunderte Dinge ausprobieren können aber…“

Zorro war mit seiner Standpauke noch lange nicht fertig, aber in diesem Moment kam Jiroushin gefolgt von Perona herein und zu seiner Überraschung wechselte der Samurai elegant das Thema, während sie zu Essen begannen.

Ernsthaft besprach Dulacre wie Zorros Abreise und Ankunft auf dem Sabaody Archipel zu verlaufen hatte und quittierte jeden erheiterten Kommentar und jede lockere Reaktion eines anderen mit einem missbilligenden Blick.

Mehrfach erwähnte der Samurai, wie enttäuscht er von Jiroushin war, weil er früher abreisen und Zorro so nicht auf dessen Überfahrt begleiten würde. Weder Jiroushins Einwürfe, dass er die Zeit brauchen würde, um Vorkehrungen für Lady Loreens vermeintliche Rückkehr nach Kuraigana zu treffen, noch Zorros Meinung, dass er ganz gut ohne einen Babysitter zurecht kommen würde, beschwichtigten den Herrn des Schlosses.

Der Hauptgrund dahinter war natürlich der, dass der Samurai selbst nicht mit Zorro reisen würde. Sie wollten vermeiden, dass eine erneute Verbindung zwischen Dulacre und den Strohhüten gezogen werden würde – so zumindest die Aussage des Samurais – außerdem fürchtete Dulacre, dass seine Anwesenheit auf dem Sabaody Archipel zu Konflikten führen könnte. Was er damit gemeint hatte, wusste wohl nur er.

Doch Zorro würde nicht allein reisen. Er wusste nicht wirklich wessen Idee es gewesen war und wer hatte überzeugt werden müssen, aber Perona würde ihn als Anstandsdame begleiten und dafür sorgen, dass niemand Zorros Verschwinden bemerken würde.

Wie genau Jiroushin vorhatte Lady Loreens Anwesenheit auf der Rückreise vom Archipel nach Kuraigana der gesamten Besatzung seines Kriegsschiffes vorzugaukeln, wusste Zorro nicht, aber er entschied, dass dies nicht seine Sorge war.

Sobald er zurück bei seiner Crew war und als Lorenor Zorro wieder an seinem Leben teilnehmen würde, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Welt herausfinden würde, dass er auch Lady Loreen war, und spätestens dann würde Eizen wohl auch das Interesse an ihm verlieren und ihn in Ruhe lassen. Sollte er es vorher überhaupt schaffen ihn zu erreichen.

Doch Zorro hatte nicht vor die Maskerade direkt fallen zu lassen. Vielleicht wäre es klüger, das mochte schon sein, aber wenn er nach zwei langen Jahren seinen Freunden gegenüberstehen würde, dann wollte er es als Lorenor Zorro – nur als Lorenor Zorro – und ihre Abreise vom Sabaody Archipel würde so oder so recht riskant werden, da brauchten sie nicht noch weitere Probleme, die wohl unweigerlich folgen würden, wenn die Welt die Wahrheit herausfinden würde.

Bald würde er abreisen, aber ganz freuen konnte er sich nicht, denn er wusste, dass ihm noch eine letzte Prüfung bevorstehen würde, bevor er endlich seine Crew wiedersehen würde. Schließlich musste er ein paar Tage früher anreisen, um Eizen zu treffen.

Es beunruhigte ihn, dass der Politiker sich mit ihm auf dem Archipel treffen wollte und nicht im Marinehauptquartier oder auf Mary Joa. Auf der anderen Seite, was konnte Eizen schon wissen? Nur die Crew wusste, wann und wo sie sich wieder treffen würden und daher musste Zorro sich keine Sorgen machen, zumindest nicht darüber…

Misstrauisch versuchte er den Theorien des Samurais zu folgen, doch die Müdigkeit schien gegen ihn zu gewinnen und nachdem er ganze zwei Mal auf dem Stuhl eingenickt und wieder hochgeschreckt war, forderte der Ältere ihn mit strenger Stimme auf zu Bett zu gehen.

„Du hast mir gar nichts zu befehlen“, murrte Zorro, obwohl er kaum sein eines Auge offen halten konnte, sich wohl bewusst, dass Jiroushin zu seiner Rechten leise kicherte.

„Noch bin ich dein Lehrmeister, Lorenor. Also geh oder ich werde dich höchstpersönlich in dein Zimmer bringen.“

Zorro wollte etwas erwidern, doch da erhob sich der Vizeadmiral und streckte sich leicht.

„Ach, ich bin auch ziemlich müde und ich werde morgen sehr früh aufgesammelt, daher denke ich, dass ich dich begleiten werde, Zorro. Wenn du nichts dagegen hast.“

Schulterzuckend ergab Zorro sich seinem Schicksal und folgte dem anderen aus dem Raum, die Falkenaugen stetig auf seinen Rücken geheftet.

Er war müde und sein lädierter Körper tadelte ihn dafür, dass er so lange auf unbequemen Stühlen gesessen hatte, sodass er dem munter vor sich hin schwatzenden Soldaten kaum zuhörte.

„Ich werde wohl mitten in der Nacht abreisen, sodass wir uns vermutlich nicht sehen werden. Vielleicht werden wir auch keine Chance haben, auf dem Sabaody Archipel in Ruhe miteinander zu sprechen.“

Zorro wurde hellhörig, als der andere plötzlich viel ernster sprach als noch die Sekunden zuvor, in denen er von Kind und Frau geschwärmt und sich über Mihawks übertriebene Fürsorge lustig gemacht hatte.

„Gibt es denn noch etwas, was wir in Ruhe miteinander besprechen müssten?“, fragte Zorro mit einem Gähnen nach und sah zu dem Blondschopf hinauf, der sein übliches Grinsen verloren hatte und schwieg.

Vor Zorros Zimmertüre blieben sie schließlich stehen und der andere kratze sich am Hinterkopf.

„Ich kann nicht leugnen, dass ich dich mag, Zorro, und Hawky frisst dir regelrecht aus der Hand, aber das weißt du ja.“ Zorro entgegnete nichts. „Aber dir muss bewusst sein, dass egal was auf Kuraigana passiert ist, nichts davon ändert unsere beiden Rollen in der Welt. Ich bin stolz darauf Teil der Marine zu sein und Hawky zu Liebe habe ich die letzten zwei Jahre ignoriert was du getan hast, aber sobald Lorenor Zorro wieder…“

„Wir sind Feinde“, unterbrach Zorro den anderen mit Leichtigkeit, „das ist mir schon klar. Ich erwarte keine Nachsicht von dir, Jiroushin. Im Gegenteil, du solltest deine Prinzipien verfolgen und wenn das bedeutet, dass wir uns eines Tages in einem echten Kampf gegenüberstehen, dann werden wir kämpfen und ich werde mich für deine Rücksicht in den letzten Monaten erkenntlich zeigen.“

Der Blonde sah ihn misstrauisch an, doch Zorro grinste nur.

„Du bist nicht der erste Mann der Marine, mit dem ich mich angefreundet habe. Aufgrund unserer Rollen in der Welt mögen wir zwar Feinde sein, Jiroushin, aber ich hoffe doch, dass wir abseits davon Freunde sind.“

„Natürlich“, murmelte Jiroushin direkt.

Erneut zuckte Zorro mit den Schultern und wandte sich zur Tür.

„Dann gibt es auch nichts mehr zu bereden.“

„Eine Sache hätte ich da doch noch“, bemerkte der Ältere als Zorro bereits halb in seinem Zimmer verschwunden war und sich nun fragend umdrehte.

Verlegen rieb sich der andere den Nacken, ehe er Zorro dann ernst ansah.

„Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber… Dulacre ist mein bester Freund, ich würde alles für ihn tun und ich hab mein Leben lang auf ihn Acht gegeben. Ich weiß, du hast nie darum gebeten, aber… er hört dir mehr zu als mir und daher… Dulacre kann sehr egoistisch sein, aber in seinem Egoismus ist er manchmal auch sehr selbstlos, wenn es um die Menschen geht, die ihm wichtig sind und dazu gehörst auch du.“

Nun wirkte er beinahe so ernst, wie der Samurai sonst und Zorro entschied die Bestimmtheit des anderen nicht durch einen bissigen Kommentar zu entwürdigen.

„Weißt du, Zorro, in der Familie Mihawk gibt es einen Spruch, und zwar, dass man jede Verantwortung, die man einmal übernommen hat, auch zu tragen hat, ob man will oder nicht. Es ist eine der wenigen Regeln, die Dulacre ernst nimmt, und auch wenn ich weiß, dass sie nicht für dich gilt so hoffe ich doch…“

„Worauf willst du hinaus, Jiroushin?“

Überrascht weiteten sich die grünen Augen des anderen, ehe er leicht lächelte.

„Wow, ihr seid euch wirklich ähnlich. Dulacre unterbricht mich auch immer, wenn ich ins Reden komme. Was ich sagen will ist, dass jede Freundschaft auch Verpflichtungen mit sich bringt und ich weiß darum hast du nicht gebeten. Du bist nicht für Dulacre verantwortlich, trotzdem möchte ich dich bitten auf ihn aufzupassen, ganz besonders, wenn ich es nicht kann. Hawky hört dir zu, wenn er auf niemanden mehr hört, daher bitte ich dich…“ Plötzlich verbeugte sich der Soldat vor Zorro. „…auch wenn es nicht in deiner Verantwortung liegt, du bist der einzige, der Dulacre vor sich selbst beschützen kann und ich kann meinen besten Freund nicht verlieren, also bitte – bitte – lass nicht zu, dass ihm etwas passiert, wenn du es verhindern könntest.“

Zorro betrachtete den anderen für eine lange Sekunde. Er mochte nicht, wenn Leute sich vor ihm verneigten, es gab den Eindruck, als würde er über anderen stehen, und solche Über-Unter-Ordnungsverhältnisse mochte er nicht.

„Dulacre ist ein erwachsener Mann und absolut in der Lage seine eigenen Entscheidungen zu fällen“, sprach Zorro nun klar, als der andere sich aufrichtete. „Seine Entscheidungen gehen nur ihn etwas an und auch wenn du mich darum bitten magst, so werde ich ihm da nicht reinreden, selbst wenn seine Entscheidungen absolut idiotisch sein sollten.“

Er konnte sehen, wie der andere eine Spur blasser wurde.

„Trotzdem möchte ich dir versichern, dass ich Dulacre mehrfach mein Leben zu verdanken habe und daran festhalte diese Schuld zu begleichen. Ich erlaube es ihm nicht zu sterben, ehe ich meine Schuld beglichen habe. Das heißt egal wie beschissen seine Idee sein sollte, ich werde schon dafür sorgen, dass er dabei nicht drauf geht.“

Dann griff Zorro nach der kleinen Kreuzkette an seinem Hals. Er würde sie bald ablegen müssen und irgendwohin verstecken, wo sie niemandem in die Hände fallen konnte.

„Außerdem habe ich schon zu viele Freunde verloren, um auch nur einen weiteren zu riskieren. Du kannst also beruhigt sein. Weißt du, er ist nicht der einzige, der über 15 Jahre warten musste, um auf ein ebenbürtiges Gegenüber zu treffen. Also glaub ja nicht, dass ich bereit bin nochmal 15 Jahre auf jemanden zu warten.“

Entschieden sah er den anderen an.

„Ich erlaube Dulacre nicht zu sterben, ehe ich ihn besiegt habe, und danach wird es meine Aufgabe als der Stärkere von uns beiden sein, ihn als meinen Freund zu beschützen, so wie ich alle meine Freunde mit meinem Leben beschützen würde. Das hat nichts mit Verantwortung und Pflicht zu tun, Jiroushin, das ist ganz einfach meine Entscheidung. Gute Nacht.“

Er ging hinein und schloss die Türe vorm Vizeadmiral.

Kapitel 56 - Abreise

Kapitel 56 – Abreise

 

-Zorro-

Tief aufseufzend blieb er stehen und drehte sich noch ein letztes Mal um; betrachtete das gemachte Bett im matten Tageslicht und ließ seinen Blick über die leeren Regale und den aufgeräumten Raum gleiten.

Dies war sein letzter Tag auf Kuraigana, heute würde er abreisen und wer wusste schon ob und wann er dieses Zimmer je wieder betreten würde. Es fiel ihm schwer, sich das einzugestehen, aber irgendwie wollte er nicht wirklich gehen.

Also natürlich wollte er gehen, er konnte es kaum erwarten, endlich wieder seine Freunde wiederzusehen. Er konnte es kaum erwarten, endlich wieder mit den anderen weiterzusegeln und diese Welt zu sehen. Er freute sich wie ein kleines Kind darauf, wieder auf die Thousand Sunny zu ziehen.

Doch gleichzeitig betrachtete er diesen Raum wehleidig. Dieser Raum hier war für ganze zwei Jahre sein Zimmer gewesen.

Zorro hatte nie ein wirkliches Heim gehabt. Seine ersten Lebensjahre hatte er in irgendeinem Tempel verbracht, an den er nie zurückkehren konnte. Das Dorf, in dem er und seine Mutter danach für kurze Zeit gelebt hatten, konnte er nicht mal mehr beim Namen nennen und er bereute nicht, es verlassen zu haben.

Die meiste Zeit seines Lebens hatte Zorro in der Kendoschule seines Meisters Koshiros im East Blue zugebracht und sobald er sein Versprechen wahrgemacht hatte, würde er das Dorf Shimotsuki und Kuinas Grab besuchen, aber letzten Endes war es ihr Heim, ihr Zuhause, und nicht seines.

Nein, anders als die meisten seiner Crew hatte Zorro kein Zuhause gehabt, wohin er hätte zurückkehren können, wo jemand auf ihn wartete, er hatte keine Familie gehabt, keine Freunde, die auf ihn warteten, nur einen gütigen Lehrmeister, der wahrscheinlich nicht begeistert davon war, dass Zorro nun ein Pirat war. Ein gütiger Lehrmeister, der wahrscheinlich sehr getrauert hatte, als die Nachricht von Zorros Tod über die Welt verteilt worden war.

Zorro verdankte Meister Koshiro vieles und er hoffte, dass er lächeln würde, wenn er herausfinden würde, dass Zorro noch lebte, und Zorro wollte ihm eines Tages mit Stolz gegenüberstehen, und doch…

In diesem Zimmer wirst du von jetzt an wohnen. Das hier ist kein Übergangszimmer, kein Gästezimmer. Dieser Raum gehört nun dir mit allem was hier drin ist. Es ist dein Zimmer.

Kuraigana war Zorros Heim geworden, dieser karge Raum sein Zimmer und erst jetzt verstand er, was die anderen wohl gefühlt haben mussten, als sie entschieden hatten Ruffy zu folgen.

Zorro wusste nicht, ob er diesen Raum hier je wieder betreten würde, aber allein, dass die Möglichkeit bestand, erfüllte ihm mit einem seltsamen Gefühl, das er nicht ansatzweise beschreiben konnte.

Kopfschüttelnd drehte er sich um und warf den Seesack über seine Schulter. Alle Sachen, die für Lady Loreen gedacht waren, waren bereits in der Vorhalle und würden von den Soldaten verladen werden, sobald das Marineschiff ankommen würde. All diese Sachen würden auch wieder zurück nach Kuraigana kommen.

Das, was Zorro mit auf seine Reise nehmen würde, das alles war in diesem Sack auf seiner Schulter. Er brauchte nicht viel in seinem Leben, hatte nie viel gebraucht, und daran hatte auch die ausschweifende Lebensweise des Samurais nicht viel geändert.

Die Türe hinter sich schließend ging Zorro den Flur entlang, die drei Schwerter an seiner Hüfte vibrierten aufgeregt, sie wussten, dass echte Kämpfe nicht mehr fern waren und selbst sein sonst so sanftes Wado-Ichi-Monji schien die Zukunft freudig zu erwarten. Freudiger als Zorro selbst, wie es ihm schien.

Natürlich würde er nicht in dieser Gestalt die Insel verlassen können, Zorro würde sich vorher in Lady Loreen verwandeln müssen, ob er wollte oder nicht, und das würde er auch tun, später.

Zuvor hatte Zorro noch eine Sache zu erledigen, die er nicht als Loreen erledigen wollte, er musste das als er selbst regeln.

Als er durch die Vorhalle ging, kam ihm Perona entgegen, die noch ganz dreckig von ihrer Gartenarbeit war und sich die Erde an der Schürze abwischte.

„Da bist du ja“, sagte sie eilig und blieb noch nicht mal stehen. „Ich bin jetzt mit dem Garten soweit fertig und gehe schnell duschen und ziehe mich um, danach kann ich dir beim Fertigmachen helfen. Das Kriegsschiff sollte so in zwei Stunden da sein. Sind alle deine Sachen hier?“

An der Tür blieb sie nun doch stehen und sah ihn ernst an.

„Ja“, entgegnete er knapp, genervt davon, dass sie so tat als bräuchte er ihre Fürsorge. „Wo ist Dulacre?“

„Keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Ich war den ganzen Morgen draußen.“ Sie rollte mit den Augen und verschränkte die Arme. „Wenn er hier nirgendwo rumläuft wird er wohl noch in der Bibliothek sein, oder? Oder im Kaminzimmer oder in seinen Räumen…“

„Da ist er nicht“, murrte Zorro, „von da komm ich doch gerade.“

„Dann wohl in der Bibliothek oder im Kaminzimmer“, entgegnete Perona nur mit einem Schulterzucken und eilte weiter.

Zorro tat es ihr gleich und ging zur Bibliothek hinüber. Dort klopfte er kurz an, ehe er eintrat und den Seesack zu Boden fallen ließ.

Der Samurai stand auf der anderen Seite des großen runden Tisches und legte gerade Josei zurück aufs Holz. Daneben standen die nötigen Utensilien, die zur Schwertpflege benötigt wurden und ein kleiner Stich durchfuhr Zorro.

Er hatte die Abende gemocht, an denen sie gemeinsam ihre Schwerter gereinigt und gepflegt und sich über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Hilfsmittel ereifert hatten. Solche Abende würde es von nun an nicht mehr geben.

„Oh, Lorenor, da bist du ja. Hast du alles gepackt, was du brauchst?“ Mihawk zeigte sein stets sachtes Lächeln während er die kleine Ölflasche verschloss.

„Sag mir bitte, dass dies nicht alles ist, was du mit dir nimmst“, bemerkte er mit hochgezogener Augenbraue und nickte zu Zorros Beutel hinüber. „Da können doch unmöglich all deine Habseligkeiten hineinpassen.“

„Es ist mehr als ich brauche“, entgegnete Zorro schlicht. „Bist du dir sicher, dass du mich nicht begleiten willst?“

Für einen Moment wurden die Augen des Samurais groß und er sah Zorro mit leicht geöffnetem Mund an, ehe er leise auflachend den Kopf schüttelte und den Blick abwandte.

„Aber Lorenor, wirst du zum Ende deiner Gegenwart etwa sentimental?“

„Tze, Schwachsinn“, verwarf Zorro die Worte des anderen. „Es ist logischer Menschenverstand. Ich finde es wirkt seltsam, wenn Lady Loreen ohne Falkenauge zum Sabaody Archipel reist und aufgrund des Treffens mit Eizen werde ich über zehn Tage vor den anderen ankommen. Zehn Tage die wir noch nutzen könnten, wenn du nur…“

„Wofür nutzen, Lorenor?“ Erneut zeigte der Ältere dieses sachte, nervige Lächeln. „Für ein paar letzte Einheiten? Mach dich nicht lächerlich. Auch wenn du es nicht zeigst, so sehe ich doch genau, dass die gebrochenen Knochen noch nicht ganz verheilt sein können und ich werde so kurz vorher nichts riskieren.“

„Aber…“

„Lorenor, wir werden nicht spontan den Plan ändern, der schon seit Wochen feststeht. Abschied ist immer schwer, glaub mir, ich weiß das.“

„Ach, hör doch auf mit diesem…“

Er verstummte, als Dulacre ihm das Schwert seiner Schwester hinhielt und ihr Geplänkel mit einem leisen Seufzen unterbrach.

„Ich hätte nicht gedacht, es jemals wirklich aus den Händen zu geben“, flüsterte Dulacre und sah ihn einfach nur an.

„Bist du dir sicher, dass ich es nehmen soll?“, hinterfragte Zorro und legte eine Hand an seine Schwerter. „Ich hab doch meine.“

„Aber nein, ich habe dir gesagt, dass es deines ist, sofern du es meistern kannst.“ Der Samurai ging um den Tisch herum und reichte ihm das Schwert seiner Schwester. „Und das hast du, vortrefflich sogar. Es wäre unfair Josei gegenüber es zwei Jahre lang für Trainingszwecke zu nutzen und ihm dann einen wahren Kampf zu verwehren.“

Zorro nahm das widerspenstige Schwert entgegen.

„Außerdem ist keines deiner Schwerter derzeit in der Lage dich als Loreen angemessen zu beschützen. Nur Josei ist stark genug, um deine fehlende Kraft auszugleichen.“

Leise lachte Mihawk auf, als das Kitetsu an Zorros Hüfte zu zetern begann.

„Dafür, dass es so eifrig nach deinem Leben trachtet, ist es doch recht eifersüchtig“, schmunzelte er während Zorro das erhaltene Schwert sorgsam in seinem Seesack verstaute.

„Lass mich dir noch einen letzten Rat mit auf deine Reise geben, Lorenor.“ Nun klang Mihawk wieder wie der nervige Lehrmeister, den Zorro über die Zeit schätzen gelernt hatte. „Die vergangenen Monate habe ich dich darauf vorbereitet auf Gegner zu treffen, die dir überlegen oder nur schwer einzuschätzen sind. Aber insbesondere von Erstgenannten wird es nicht mehr viele auf der Welt geben, vor denen du dich in Acht nehmen brauchst.“

Zorro entgegnete nichts. Auch wenn der andere ziemlich abgehoben und arrogant klang, irgendwie war es auch ziemlich cool ein solches Lob von seinem baldigen Kontrahenten zu hören. Zorro bildete sich nichts auf seinen Stolz ein, aber oh ja, er war so was von stolz gerade.

„Die meisten Feinde, denen du aber über den Weg laufen wirst, werden dir deutlich unterlegen sein. Kaum einer von ihnen wird stärker sein als Jiroushin und wenn doch, dann nicht viel.“

Diese Aussage überraschte Zorro ein bisschen. Es war schon lange her, dass er den Vizeadmiral übertroffen hatte und trotzdem hatte er großen Respekt vor Dulacres bestem Freund. Dennoch konnte er nicht verhindern ein bisschen enttäuscht zu sein.

„Wie meinst du das?“, murmelte er. Der Samurai konnte doch nicht ernsthaft glauben, dass…

„Während Jiroushin und ich gemeinsam auf hoher See waren gab es nur selten Momente, in denen ich wirklich eingreifen musste. Die wenigsten Menschen sind bereit so weit zu gehen wie wir es tun, Lorenor, und dementsprechend sind nur wenige auch so stark wie wir.“

„Worauf willst du hinaus?“ Ja, Zorro war ziemlich stolz darauf, was er erreicht hatte, und ja, er war verdammt stolz darauf, wenn der andere so etwas sagte, aber gleichzeitig klang es doch auch ziemlich eingebildet und er brauchte keine Lektion in Sachen Arroganz. Wenn der Ältere ihm noch etwas beibringen wollte, dann doch bitte etwas Sinnvolles.

„Tze, Lorenor“, beschwerte sich Dulacre direkt. „Was ich sagen will ist, die letzten zwei Jahre hast du dich darauf vorbereitet auf stärkere Gegner zu treffen, aber nun solltest du dich darauf vorbereiten, dass die meisten deiner Feinde schwächer sein werden und auch wenn du sie keinesfalls unterschätzen solltest, so wäre es doch mehr als fahrlässig dich nicht zurückzuhalten, wenn es nötig ist. Du könntest großen Schaden anrichten mit deiner jetzigen Kraft.“

Tatsächlich klang der Samurai fast besorgt, fast noch ernster als sonst schon, wobei das eigentlich unmöglich war.

„Dein Talent, das Können deiner Gegner zügig einschätzen zu können, wird dir diesbezüglich sicherlich von Nutzen sein. Aber sei dir bewusst, dass du dich stets…“

„…Kontrollieren muss, wenn ich gegen Schwächere kämpfe, schon klar“, unterbrach er den anderen. „Du vergisst, dass ich nicht bin wie du. Ich kann auch gut gegen Schwächere kämpfen und dabei meinen Spaß haben. Also mach dir nicht so einen Stress, wegen solcher Kleinigkeiten.“

Der Samurai schnaubte leise auf: „Na wenn du meinst, aber sage nicht ich hätte dich nicht gewarnt. Du hast dich in den vergangenen Monaten sehr verändert, Lorenor, aber die Welt dreht sich noch genauso langsam wie zuvor; erwarte nicht, dass sie mit dir mithalten kann.“

Zorro hob nur eine Augenbraue hoch, entgegnete jedoch nichts und so sahen sie sich nur für einen Moment an, ehe Zorro mit den Schultern zuckte und langsam aufatmete.

„Gut, dann mach ich mich jetzt fertig und hau dann ab“, bemerkte er und verbeugte sich knapp. „Ich bin dir zu Dank verpflichtet, mehr als ich in Worte fassen kann oder will. Also, bis dann.“

„Warte Lorenor!“ Der andere legte ihm eine Hand auf die Schulter, als er schon drauf und dran war, den Seesack sich wieder über die Schulter zu werfen. „Ist das deine Art ‚Lebe wohl‘ zu sagen? Das kannst du doch nicht ernst meinen.“

Aufseufzend warf Zorro den Sack wieder auf die Erde und wandte sich um.

Lebe wohl? Ernsthaft? Mach doch nicht so ein großes Ding aus der Sache. Als würden wir uns nie wieder sehen. Tze, du Vollidiot. Wir beide wissen, dass ich in ein paar Monaten, spätestens in einem Jahr wieder vor der Tür stehen werde und dich herausfordere.“

Der andere atmete hörbar auf.

„Ein Jahr, sagst du? Glaubst du wirklich, dass es reichen wird?“

Nun grinste Zorro.

„Oh, du hast mich doch schon immer unterschätzt. Sicher wird es reichen, eher weniger, wenn es nach mir geht.“

Er konnte dem Älteren ansehen, dass er erleichtert war.

„Ein Jahr also, ich denke so lange kann ich noch warten. Auch wenn es mich traurig stimmt ein Jahr lang von dir nichts zu hören. Nun ja…“, Dulacre zuckte mit den Schultern, „…ich werde wohl eure Abenteuer in der Zeitung verfolgen.“

„Wovon redest du?“, murrte Zorro – rollte über so viel Theatralik nur mit den Augen - und vergrub die Hände in den Tiefen seiner Manteltaschen. „Ich weiß doch, was du für ein Kontrollfreak bist. Du wirst kaum die kommenden zwei Wochen hier ohne Neuigkeiten aushalten. Außerdem hab ich keinen Bock darauf, dass du auf die Idee kommst, mich wie ein überfürsorglicher Leibwächter über die ganze Welt zu verfolgen.“

Er konnte dem anderen ansehen, dass er genau ins Schwarze getroffen hatte. Entschieden zog er die weiße Zwillingsteleschnecke hervor, die der andere ihm vor über zwei Jahren geschenkt hatte.

„Wir werden in Kontakt bleiben, verstanden? Damit du hier nicht durchdrehst und Perona auf die Nerven gehst. Aber komm nicht auf die Idee mich jeden Tag anzurufen, da hab ich nämlich keinen Nerv für. Ich werde mich melden, wenn ich Zeit habe und sonst nicht, klar?“

Die Überraschung, die gerade noch dem anderen anzusehen war, wurde nun von dem kalkulierenden Blick eines Handelspartners vertrieben.

„Du willst mir also verbieten dich anzurufen? Du erwartest also, dass ich still und leise hier warte, auch wenn weder du noch die Zeitung mir wochenlang Neuigkeiten über den Verbleib von dir und deiner Crew bringt? Oh Lorenor, darauf werde ich nicht eingehen.“

Verdammt! Er hatte vergessen wie unnachgiebig der andere sein konnte, wenn es um Verhandlungen ging. Er hätte das mit der Teleschnecke nie erwähnen sollen, allerdings hatte er wirklich die Befürchtung gehabt, dass dieser besessene Vollidiot dann eines Tages einfach bei ihnen auf der Sunny auftauchen und ein Chaos heraufbeschwören würde.

„Na, meinetwegen. Wenn du einen Monat nichts hörst, kannst du…“

„Ein Mal pro Woche!“

„Was?“ Fassungslos sah er den anderen an.

„Wenn ich nicht alle sieben Tage von dir höre, werde ich mich bei dir melden und solltest du nicht abnehmen, werde ich mir die Freiheit erlauben dich zu verfolgen, schließlich habe ich noch deine Vivre Card.“

„Du hast sie ja nicht mehr alle“, flüsterte Zorro. „Ein Mal die Woche? Als hätte ich dafür Zeit, wenn ich…“

„Oh bitte Lorenor. So wie du es mir beschrieben hast besteht dein Alltag auf hoher See aus Trainieren und Schlafen. Dazwischen wirst du wohl zwei Minuten finden, um mich über deinen Verbleib zu informieren. Ich verlange nicht, dass du mir einen Wochenbericht schickst, ich möchte nur wissen, ob du wohlbehalten bist. Es wäre eine furchtbare Enttäuschung, wenn du so kurz vor dem Ziel sterben würdest und ich die vergangenen zwei Jahre völlig umsonst damit vergeudet hätte dich auszubilden.“

„Tze, als wären die vergangen zwei Jahre für dich Zeitvergeudung gewesen.“ Zorro machte einen Schritt nach vorne und grinste den anderen an. „Oder waren sie es?“

Es bereitete ihm Genugtun, wie der andere unter dieser herausfordernden Frage zögerte. Er wusste, dass der andere nichts mehr hasste, als sinnlose Zeitverschwendung und er wusste auch, dass Dulacre alles, was nicht seinem Ziel dienlich war, als sinnlos bewertete und sein Ziel war es nun mal, dass Zorro ihn besiegen würde.

Aber Zorro wusste nun mal auch…

„Das waren sie nicht“, gestand der andere schließlich kühl ein, „aber das bedeutet nicht, dass ich von meinen Bedingungen abweichen werde.“

Aufstöhnend wandte Zorro sich ab.

„Na gut!“, knurrte er und bückte sich nach seinem Seesack. „Wir machen es so, wenn du dann endlich Ruhe gibst.“

Er hob eine Hand zum Gruß.

„Gut, da wir das nun geklärt hätte, werde ich mich umziehen gehen. Mach Perona ja nicht zu viele Umstände, verstanden? Sie hat immer noch Angst vor dir und ich will keine Klagen hören. Also, bis dann.“

Bereits an der Tür verharrte er als der andere ihm immer noch nicht antwortete. Zorro wusste, dass es klüger wäre zu gehen, dass es einfacher wäre nicht über die Beweggründe des anderen nachzudenken und einfach seine Reise anzutreten. Zorro wusste, dass jedes Nachfragen, jedes Zögern jetzt nur zu Problemen führen würde, die er vermeiden konnte, die ihn nichts angingen und ihn letzten Endes auch nicht interessierten.

Seufzend wandte er sich um.

Dulacre stand immer noch am Tisch, den Blick auf den Boden gerichtet, wo Zorro vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte, und eine Hand auf der Tischplatte abgestützt.

Es war offensichtlich, dass er hochkomplizierte Gedankengänge in seinem glattgestriegelten Kopf vollzog, sein Kiefer bebte leicht, als er ihn vor- und zurückschob, konzentrierte Furchen zogen sich über seine Stirn und seine Augen fixierten den Boden vor sich so eindringlich als ob er versuchte nur mit der Kraft seiner Gedanken ein Loch in den Stein zu brennen.

Er war sich Zorros Anwesenheit wahrscheinlich bewusst, doch schien er sich noch nicht entschieden zu haben, ob er sagen wollte was er dachte und Zorro hatte sich gleichsam noch nicht entschieden, ob er es wirklich hören wollte.

So vergingen einige Atemzüge, bis Zorro schließlich beschloss, dass er weder gutmütig noch geduldig genug war, um zu warten bis der andere seine Gedanken geordnet hatte. Wenn der andere mit der Sprache nicht rausrückte konnte es gar nicht so wichtig sein und Zorro würde sich nicht mit Problemen anderer herumschlagen, wenn der andere es noch nicht mal schaffen würde den Mund aufzumachen. Außerdem wollte Zorro auch gar nicht, dass der andere den Mund aufmachte und seine Gedanken laut aussprach.

Entschieden zuckte er mit den Achseln und drehte sich wieder zur Tür.

„Lorenor.“

Verdammt! Wäre er doch besser gleich gegangen. Warum war er nicht einfach gegangen?

„Es gibt noch etwas… was ich mit dir besprechen muss.“ Der Samurai hörte sich ungewohnt zurückhaltend an, doch Zorro wollte von all dem, was jetzt kommen würde, nichts wissen. „Ich gebe zu, dass es mir nicht gerade leicht fällt darüber zu reden, aber es wäre dir gegenüber wohl nicht gerecht, wenn ich es dir vorenthalte.“

Laut atmete Mihawk hinter ihm ein, ehe er leise aufschnaubte.

„Also wirklich, es ist gar nicht so einfach wie ich erhofft hatte“, murmelte der Ältere in seinem Rücken. „Vielleicht wäre es doch besser dich in Unwissenheit zu lassen, aber jetzt habe ich es schon angesprochen, also sollte ich es einfach direkt…“

„Hey!“ Entnervt stöhnte Zorro auf und wandte sich dann doch wieder um. Dulacre sah ihn direkt an, beide Hände zu Fäusten geballt und irgendwie wirkte er noch bleicher als sonst schon. „Also erstens, du schwafelst zu viel. Wenn du etwas sagen willst, spuck es direkt aus und mach nicht so einen Aufstand. Und zweitens, für wie blöd hältst du mich eigentlich?“

Der andere öffnete leicht den Mund, als ob er wirklich antworten wollte.

„Das war eine rhetorische Frage, du Mistkerl. Ich weiß genau, worum es hier geht und warum du hier so rumdruckst.“

„Du weißt es…?“ Wenn irgendwie möglich wurde der Ältere noch blasser.

„Na klar, schließlich bin ich kein Vollidiot und du bist nicht gerade unauffällig. Außerdem ist es ja nicht so, als ob Perona, Jiroushin oder Kanan dezent in ihren Anmerkungen gewesen wären. Ich mag kein Genie sein, aber selbst ich kann eins und eins zusammenzählen.“

Oh, hätte er gewusst, dass der andere so dreinblicken konnte, hätte er selbst das Thema schon viel früher angesprochen. Die Mischung aus absoluter Panik und Nervosität ließ den Samurai Jahre jünger und nicht halb so überheblich wie sonst wirken, gleichzeitig war es Zorro nur zu bewusst, dass der kommende Teil noch sehr nervig werden würde und er das Thema genau aus diesem Grund bisher vermieden hatte.

„Dann… dann weißt du wie ich fühle?“ Dulacre klang fassungslos und er schüttelte leicht den Kopf. „Du weißt was ich…“

„Sag es nicht“, unterbrach Zorro ihn kühl. „Ich will’s gar nicht erst hören.“

„Aber…“

„Nein, jetzt rede ich und du hältst die Klappe. Also, Jiroushin hat mir mal gesagt, dass ich auf die Gefühle meiner Freunde Rücksicht nehmen muss, weil ich sie ansonsten wohl weder wertschätze noch respektiere und auch wenn mich die Probleme anderer echt nerven, so respektiere ich meine Freunde doch.“

Er verschränkte die Arme und ließ den anderen erst gar nicht zu Wort kommen.

„Aber um das klar zu stellen: Ich habe mein Leben meinem Traum und meiner Crew verschrieben und das heißt ich kann und werde auf nichts und niemanden sonst Rücksicht nehmen, deswegen wirst du jetzt nichts sagen. Denn wenn du jetzt aussprichst, was wir beide wissen, dann muss ich darauf Rücksicht nehmen, dann muss ich darauf eine Antwort geben, und das kann ich nicht, verstanden? Ich will nicht auf dich und deine Gefühle Rücksicht nehmen müssen und ich kann dir keine Antwort geben, denn in meinem Leben ist für so etwas kein Platz, weder für dich noch für sonst wen. Es ist eine Sache, zwischen dem Leben meiner Freunde und meinem eigenen Traum zu wählen, aber diese entweder oder Frage kann nicht ein weiteres Leben umfassen, dass ich nicht aufs Spiel setzen will.“

Mittlerweile sah der Samurai ihn beinahe ausdruckslos an, schien jedes seiner Worte wie einen Zug auf dem Schachbrett zu analysieren.

„Daher wirst du nichts sagen, nicht heute und nicht in Zukunft. Nicht, weil du keine Antwort verdienst, sondern weil ich noch nicht mal die für dich habe, und so unfair du es finden magst, mir die Wahrheit vorzuenthalten, so unfair fände ich es, dir nicht mal eine Antwort zu geben. Aber es ist nun mal so, ich kann nicht auch noch auf dich Rücksicht nehmen, also sag bitte nichts, damit ich dich nicht respektlos behandeln muss.“

Für eine lange Zeit betrachtete der andere ihn, verschränkte ebenfalls die Arme und legte dann nachdenklich einen langgliedrigen Finger an die Lippen.

Zorro bewegte sich währenddessen überhaupt nicht. Er hatte entschieden zu bleiben und dieses Fass aufgemacht. Er meinte jedes Wort, was er gerade gesagt hatte absolut ernst und er hatte bewusst viele Worte benutzt, damit es selbst ein Sturkopf wie der Samurai verstehen konnte. Er wollte nicht, dass Dulacre seine Gefühle gestand, aber mehr als warnen konnte er ihn nicht. Wenn es dem Samurai wichtiger war, die Wahrheit auszusprechen, ganz gleich der Konsequenzen, würde Zorro nicht wie ein feiger Hund davonlaufen, sondern ihm gegenüberstehen, auch wenn er keine Antwort hatte.

Denn es war genau wie er es gesagt hatte. Über solche Dinge wollte und konnte er sich keine Gedanken machen, so etwas interessierte ihn nicht und er würde nicht riskieren, dass irgendwelche Worte oder Verlockungen ihn von seinem Versprechen und von seiner Aufgabe ablenken würden.

Wie immer hielt er dem stechenden Blick der Falkenaugen stand, konnte kaum erahnen was der andere dachte und zum ersten Mal wünschte er sich, zu wissen was in dem anderen vorging, damit er wissen würde, wofür er sich zu wappnen hatte.

Ganz gewiss hatte er nicht mit dem leisen Schmunzeln gerechnet, dass der andere ihm nun schenkte, den Zeigefinger immer noch gegen den Mundwinkel gelehnt.

„Das waren ungewohnt viele Worte für deine Verhältnisse, Lorenor“, urteilte Dulacre milde und in nervigster Falkenauge Manier.

„Naja, du weißt ja, je mehr Worte ich brauche, desto blöder stellst du dich in der Regel an“, entgegnete er und erlaubte sich ein fieses Grinsen.

Einen Moment lang sahen sie einander schweigend an, dann seufzte der Samurai auf und begann vor dem Tisch auf und ab zu gehen.

„Also gut“, meinte er mit einem tiefen Atemzug. „Ich möchte dich nicht in eine unangenehme Situation zwingen und werde daher schweigen.“

Innerlich atmete Zorro auf, doch anmerken ließ er sich nichts.

„Natürlich ist das alles nur eine Farce, aber das weißt du. Schließlich weiß ich nun auch, dass du weißt, was ich weiß und…“

„Komm zum Punkt.“

„Sei nicht so ungeduldig, Lorenor, du wolltest doch respektvoll bleiben.“

„Nein, ich habe nur gesagt, dass ich nicht respektlos werden will.“

Leise gluckste der Samurai auf und sah dann aus dem Augenwinkel zu ihm hinüber.

„Ich beuge mich deinem Willen, Lorenor. Aber lass mich dich eines fragen: Wenn du mich in aller Klarheit darum bittest keine Antwort von dir zu verlangen, da du mir keine geben kannst und mich nicht verletzten möchtest, nimmst du dann nicht bereits Rücksicht auf meine Gefühle?“

Er hatte geahnt, dass der andere so etwas fragen würde, und doch war er fast überrumpelt.

„Um das klar zu stellen“, murrte er unwirsch. „ich finde das alles ziemlich nervig und du bist ein unglaublich nerviger Mistkerl und ich kann es kaum erwarten dir dein arrogantes Grinsen vom Gesicht zu wischen.“

Tief holte er Luft und sprach weiter, als der andere versuchte seine Meinung einzubringen: „Aber wie du weißt, würde ich nie etwas tun, was ich später bereuen würde, also auch wenn du ein nerviger Vollidiot bist und mich das alles hier echt ankotzt - weil du es echt wieder mal viel zu kompliziert machst - ich halte daran fest, dass ich nichts aus den vergangenen zwei Jahre bereue, nichts, kapiert?!“

Der Samurai blieb stehen und sah ihn ernst an.

„Du bereust nichts?“

Nun war es an Zorro leise aufzulachen, ehe er sich kopfschüttelnd nach seinem Seesack beugte und ihn über seine Schulter warf.

„Absolut nichts“, sagte er klar und ließ Dulacre hinter sich zurück.

 

-Mihawk-

Als die Tür vor ihm ins Schloss fiel, meinte er zum ersten Mal seinen Herzschlag wieder wahrnehmen zu können. Schwerfällig stützte er beide Hände auf dem Tisch vor sich ab und nahm tiefe Atemzüge, ehe er sich schließlich auf einem Stuhl niederließ und sich fahrig durchs Gesicht rieb.

Lorenor hatte es gewusst. Dulacre wusste nicht seit wann, aber ganz offensichtlich war weder er so subtil wie er vermutet hatte noch Lorenor so dumpf wie er immer vorgab zu sein. Aber was noch viel erstaunlicher – ja, noch beängstigender – für ihn war, Lorenor hatte es so angenommen wie es war. Weder hatte der Jüngere sich über ihn lustig gemacht, noch ihn bemitleidet oder angewidert abgewiesen.

Tief einatmend lehnte Dulacre sich zurück und fuhr sich erneut durchs Gesicht, als er allmählich realisierte was gerade geschehen war. Dann schlug er auf den Tisch.

Schon wieder! Schon wieder hatte er Lorenor unterschätzt, selbst bei etwas, das so etwas Banales wie Dulacres Gefühle betraf, hatte er den anderen unterschätzt und er ärgerte sich, dass Lorenor anscheinend ihn so leicht durchschauen konnte und er selbst es noch nicht mal bemerkt hatte, und er schimpfte sich einen Taktiker und Strategen!

Gleichsam konnte er das Glück, welches sich in ihm ausbreitete, wie eine unaufhaltsame Flutwelle, kaum fassen. In der einen Sache, in der er Lorenor all die Zeit angelogen hatte, konnte er nun ehrlich sein. Lorenor schien nicht genervter von den jüngsten Entwicklungen als sonst. Nein, wenn Dulacre so über das Geschehene nachdachte, dann schien der Jüngere fast darauf gewartet zu haben, dass er es ansprach.

Hätte Lorenor wirklich nicht gewollt, dass Dulacre über seine Gefühle sprechen würde, dann wäre er doch einfach gegangen, nachdem er Josei an sich genommen hatte, nicht wahr? Also, wenn er dies nicht getan hatte, was konnte…?

„Was sagte ich dir bezüglich Türen und Privatsphäre?“ Er sah noch nicht mal auf, als die Projektion der Geisterprinzessin hinter ihm halb durch die Wand hindurch glitt. „Außerdem verliert diese Technik ihre Berechtigung, wenn man dich so leicht bemerkt.“

Sie schnalzte leise mit der Zunge – etwas, was sie sich eindeutig von ihm abgeguckt hatte – und schwebte in sein Blickfeld.

„So ging’s schneller, okay? Das Marineschiff ist gerade angekommen und ich hab noch alle Hände voll zu tun mit Zorro. Du musst ans Tor.“

„Wie bitte?“

Er glaubte kaum, was sie da sagte und als ihr Sinnbild für eine Sekunde unscharf wurde, wusste er, dass sie vor Furcht erzitterte.

„Es ist nicht meine Schuld, okay?“, rechtfertigte sie sich jetzt, ihre Stimme höher als noch Sekunden zuvor. „Ich stecke noch Hals über Kopf in Zorros Haaren und wir brauchen noch ein paar Minuten. Es war abgesprochen, dass er nach dem Packen direkt zu mir kommt, was kann ich dafür, wenn du ihn noch so ewig…oh…“

Er verdeckte sein Gesicht mit beiden Händen und rollte mit den Augen, als es bei ihr klick machte.

„Oh! Ihr habt miteinander gesprochen? Endlich?!“

Es war doch recht erbärmlich, dass sein Verhalten so offensichtlich gewesen war, dass selbst das Geistermädchen ihn durchschaut hatte, aber er tatsächlich geglaubt hatte, sich unauffällig zu verhalten.

„Und?“ Sie musste genau vor ihm schweben, so laut und nah war ihre Stimme. „Was hast du gesagt? Was hat er gesagt? Wie…“

„Ich würde dir nun raten zu schweigen, Perona. Frag Lorenor, wenn du so neugierig bist, aber reize meine Geduld nicht, erst recht nicht heute.“

Seine gute Laune war innerhalb von Sekundenbruchteilen verebbt. Denn nun wurde ihm bewusst, dass Jiroushin von Anfang an Recht gehabt hatte. Er hatte Lorenors eigene Gedanken und Gefühle nur insoweit berücksichtigen können, wie er sie hatte vermuten können. Aber er hatte sich nun mal getäuscht und wenn er den Mut früher gefunden und Lorenor die Wahrheit gesagt hätte, dann hätte er dieses neue Gefühl der Harmonie und Freimut schon so viel länger auskosten können.

Nun aber überschattete Lorenors Abschied dieses kleine Glück. Ja, der Jüngere hatte ihn nicht abgelehnt und ihm sogar ermöglicht mit ihm Kontakt zu halten, gleichwohl kam es genauso, wie Dulacre es von Anfang an befürchtet hatte, Lorenor ließ ihn zurück, so wie von Anfang an bestimmt und besprochen.

Schwermütig erhob er sich und ignorierte die wabernde Projektion seines Nutznießers während er den Raum verließ. Er wünschte Lorenor würde bleiben, obwohl er genau wusste, dass der Jüngere gehen musste, um glücklich zu werden.

Doch wieder wurde er zurückgelassen, wie von all den wenigen Menschen, die ihm je wichtig gewesen waren. Natürlich war es nicht Lorenors Absicht, nicht mal seine Verantwortung, aber trotzdem tat es weh.

Auf dem Weg zum großen Eingangstor des Schlosses nahm er Umhang und Hut mit, zeigte sich als der Samurai, den die Soldaten fürchteten, als er die Flügeltüren aufstieß.

Die Weißhemden kamen, eingeschüchtert und unsicher, folgten seinen kalten Befehlen, ohne ihn auch nur ansehen zu können, nahmen das Gepäck der erhabenen Lady Loreen so schnell in die Hand wie ihre eigenen Beine, und eilten zum Schiff zurück.

Der Konteradmiral, der wenig später die Stufen zu ihm hinaufkam, wirkte kaum weniger beeindruckt, auch wenn er es deutlich besser zu verbergen versuchte. Dulacre kannte ihn nicht, auch wenn er es vielleicht sollte, nicht dass es ihn interessierte, doch er ließ sich den Namen sagen und sah den Jüngling von oben herab an.

„Ich werde es nur einmal sagen“, erklärte er kühl und trat auf den Soldaten, der kaum älter als Lorenor zu sein schien, zu, „sollte meinem Schützling etwas auf der Überfahrt zum Sabaody Archipel geschehen, werde ich dich und die ganze Besatzung deines Schiffes beseitigen, habe ich mich deutlich ausgedrückt?“

Nun entglitten dem Soldaten doch seine Züge.

Es überraschte Dulacre nicht, dass jemand wie er geschickt wurde, es war keine aufregende oder gar gefährliche Mission, gleichzeitig waren die erfahrenen Hasen nicht dumm genug sich seinem Zorn auszusetzen, also hatten sie einen Anfänger geschickt, als eine Art Mutprobe oder auch einfach nur zur allgemeinen Belustigung.

Ihm war das gleich, egal aus welchem Grund dieser Junge gekommen war, Dulacre hasste es der Marine die seinen anzuvertrauen und das sollte jeder ruhig wissen.

„Und wieder einmal übertreibst du maßlos.“

Ihm sollte die Luft wegbleiben, als die Türe in der Eingangshalle aufging und Lorenor hineinkam. Perona hatte sich wieder einmal selbst übertroffen und er fragte sich warum sie dies getan hatte. Für eine Überfahrt brauchte Lady Loreen eher praktikable Kleidung und es gab niemanden, den Lorenor am heutigen Tage zu beeindrucken brauchte.

Damit war es ganz offensichtlich, dass sie es nur wegen ihm getan hatte, und obwohl es ihm missfiel, versagt hatte sie nicht.

Das Training der vergangenen Jahre zeigte seine Früchte auch in dieser Gestalt, wie er fand, eine elegante Körperspannung und jeder Schritt so leicht wie eine Feder; ob Lorenor wollte oder nicht, zumindest in Absatzschuhen und in dieser Gestalt bewegte er sich wie ein Tänzer und Perona hatte dafür gesorgt, dass er auch so aussah.

Doch der Blick, mit dem Lorenor ihn bedachte, war wie immer genau er. Ganz gleich in welch feinen Kleider Perona ihn steckte, ganz gleich wie fein sie seine Lippen schminkte und ganz gleich mit welcher Perfektion sie seine grünen Locken in Position steckte, unter all dem war immer noch Lorenor und seine stechenden Augen funkelnden Dulacre drohend an.

Dann wandte Lorenor sich dem Konteradmiral zu und wie so oft schien er perfekt mit seiner Rolle zu verschmelzen.

„Bitte machen Sie sich nicht zu viele Gedanken über seine Worte. Es gibt ihm Sicherheit andere Männer zu bedrohen.“

Dulacre stutzte. Er war es gewohnt, dass Lorenor austeilte und gerade als Loreen schon mal Dinge sagte, die er dem Jungspund nie zugetraut hätte, aber das gerade…

Der Konteradmiral verneigte sich knapp und eilte mit den Worten von dannen, an der Anlegestelle auf sie zu warten.

„Was sollte das, Lorenor?“, murrte er unzufrieden, als der Soldat weit genug entfernt war. „Ich weiß, dass es meine Idee war Lady Loreen Falkenauges Schwachstelle sein zu lassen, aber…“

„Das hatte nichts mit Lady Loreen oder Falkenauge zu tun“, unterbrach Lorenor ihn kühl, doch seine Augen zeigten den bösen Schalk, vor dem Dulacre gelernt hatte sich in Acht zu nehmen, „es war die reine Wahrheit, du Mistkerl.“

Bevor Dulacre etwas erwidern konnte, kam Perona mit zwei übergroßen Koffern aus dem Schloss geeilt und auch wenn er darauf gehofft hatte, dass nun bedeutungsschwere Worte diesen schweren Abschied begleiten würden, so überraschte es ihn nicht, dass Lorenor ihm einfach nur kurz zunickte und dann mit Perona die Stufen hinabeilte.

Es passte nicht zu Lorenor einen Abschied durch große Reden aufzuschieben und es war immer einfacher für den, der ging.

Also stand Dulacre nun da, beobachtete das große Marineschiff in der Ferne, und fühlte wie dieses leere Gefühl in ihm einsetzte. Die rationale Stimme in seinem Hinterkopf hinterfragte gerade sämtliche Entscheidungen und Diskussionen, in denen er sich dagegen ausgesprochen hatte, Lorenor zum Sabaody Archipel zu begleiten, doch eigentlich wusste er genau, dass diese Entscheidung richtig war.

Vor zwei Jahren, war es eine Qual für ihn gewesen Lorenor zu seiner Crew zurückzubringen, er war sich bewusst, dass er dieses Mal nicht nur der stille Beobachter sein würde, also blieb er zurück.

Während er dort so stand, sah er wie die Human Drills nach und nach aus den Schatten der Bäume kamen, manche von ihnen rannten zum Strand und wedelten mit Tüchern dem Schiff nach, offensichtlich in Trauer über die Abreise ihrer Herrin.

Anders als Dulacre zeigten sie ihre Gefühle ganz ungeniert, manche von ihnen schienen sogar zu weinen, andere eilten zu den Gartengeräten und begannen schier unermüdlich aber auch blindlings ihre Arbeit fortzuführen.

Sie waren immer so, wenn Perona fortging, selbst wenn sie nach wenigen Tagen zurückkommen würde, jedes Mal benahmen sich die Affen so, als würde ihre Welt zusammenbrechen und dieses eine Mal konnte Dulacre sie noch nicht mal dafür belächeln.

Plötzlich kam einer der Primaten zu ihm hochgekrochen und hielt ihm ein fast sauberes Taschentuch hin.

„Tze, mach dich nicht lächerlich“, wies er den Affen ab. „Ich bin nicht wie ihr.“

Er wandte sich um und schritt zurück ins Schloss, stieß die Türen hinter sich zu. Zum ersten Mal seit langer Zeit war er allein in seinem Heim, er konnte nun tun und lassen was er wollte, brauchte sich nicht mehr mit lästigen Hausbesetzern zu streiten noch um frühe Trainingsstunden scheren.

Es sollte eine Erleichterung sein. Dulacre hatte die Position als Lehrmeister noch nie gemocht – hauptsächlich wegen der umständlichen Arbeit und seiner fehlenden Geduld – und nun sollte er doch dankbar sein, dass diese Phase seines Lebenslaufes abgeschlossen war.

Langsamen Schrittes ging er durchs Schloss bis er sein Zimmer erreicht hatte, wo Yuro ihn bereits sanft summend erwartete. Er zog eine Schublade darunter auf und nahm eine kleine weiße Teleschnecke hinaus, die er in seine Hosentasche steckte, ehe er sein Schwert nahm und wieder den Raum verließ, stetig verfolgt von den kalten Steinwänden.

Im Garten angekommen ließ er sich neben den Kirchbaumsetzling im Gras nieder und legte das Black Sword neben sich.

„Ich sollte Jiroushin anrufen“, murmelte er, wohl wissend, dass sein Kindheitsfreund es ihm ewig vorhalten würde, dass er ein einziges Mal Recht behalten hatte.

Leise seufzte er auf und legte sich zurück, versuchte die seltenen Sonnenstrahlen auf seiner Haut zu genießen, doch es tat weh und es kostete all seine Willensstärke nicht aufzuspringen und Lorenor hinterherzueilen.

„Hoffentlich werden sie nicht von Piraten angegriffen.“

 

 

Kapitel 57 - Ankunft

Kapitel 57 – Ankunft

 

-Zorro-

„Hey, du da! Geld her, sonst setzt‘s was!“

„Der sieht irgendwie aus wie’n armer Schlucker. Glaub nicht, dass der was dabei hat.“

„Aber die Dinger, die der mit sich rumträgt, könnten was wert sein.“

„Hey! Bleib sofort stehen! Du da! Wir reden mit dir!“

„Hmm?“ Er sah von dem Zettel in seiner Hand auf, als der Lauf einer Flinte sich in sein Blickfeld schob.

Sechs Mann hatten ihn umzingelt, alle hatten sie ihre Waffen auf Anschlag.

„Rück dein Geld raus, Tourist, wenn dir dein Leben lieb ist, und deine Schwerter da. Wer braucht schon drei von denen?“

„Irgendwie kommt mir dieser Touri bekannt vor“, murmelte der Kerl, der mit seiner Waffe Zorros Wegbeschreibung blockierte.

„Kann mir einer von euch sagen, wie ich zum Grove 13 komme?“

„Ein Witzbold biste, was? Wir sind hier auf Grove 13, du Hohlbirne. Jetzt rück die Schwerter raus, verstanden?“

„Ach so? Danke.“ Er hatte gar nicht bemerkt, dass er schon fast sein Ziel erreicht hatte, er hätte schwören können, dass er vor wenigen Schritten noch durchs Hotelviertel gestreift war.

„Hey! Keinen Schritt weiter hab ich gesagt!“

„Sagt mal“, flüsterte einer zu seiner Linken, „gab es da nicht mal diesen Piraten, der mit drei Schwertern gekämpft hat? Aus’m East Blue oder so? Vielleicht…“

„Red keinen Müll! Du meinst diesen Piratenjäger von dieser komischen Strohhutbande, aber der ist tot, schon Ewigkeiten, und die Strohhüte gibt’s auch nicht mehr.“

Zwei weitere lachten ebenfalls und der mit der Flinte, drückte sie gegen Zorros Brust.

„Nicht wahr? Du bist nur einer von diesen möchtegernreichen Touris, die meinen, dass sie cool aussehen, wenn sie ihre teuer erworbenen Schwerter durch die Gegend tragen.“

„Also der Typ wirkt weder cool noch reich auf mich“, murmelte einer der anderen.

„Ach, ist doch egal, fakt ist, dass unser Touri hier nur Muskeln zum Protzen hat, genau wie die Schwerter da, nicht wahr?“ Nun streckte ihm die nervige Labertasche die Zunge raus. „Du weißt weder wie man das eine noch das andere einsetzt und hast absolut keine Ahnung wie man kämpft, oder?“

Zorro zuckte mit den Achseln, ehe er langsam von dem Lauf auf seinem Zettel zu dem Mann hinter der Waffe aufsah.

„Willst du es herausfinden?“

Der Fremde machte einen Schritt zurück, nun leichenblass und am Zittern, als hätte er einen Geist gesehen.

„Also… ich äh…“

„Ich suche die Bottakuri Bar, wo muss ich lang?“

„Ähm… also… ähm… nach da…“

„Danke.“

Er ging weiter. Es wäre wohl einfacher gewesen, sich das ganze Gelaber zu ersparen, aber immerhin wusste er jetzt wo er lang musste, außerdem hatte er Perona versprechen müssen, sich unauffällig zu verhalten.

„Mach ja keinen Unsinn! Wenn du dich nicht unauffällig verhältst wirst du auffliegen und dann haben wir den Salat! Mihawk wird ausrasten, wenn jemand herausfindet wer du bist, oder noch schlimmer, wenn dich jemand beim Verwandeln sieht. Also…“

Sie war ganz schön nervig gewesen. Bereits die komplette Überfahrt über hatte sie ihn mit den anstrengendsten Fragen gelöchert und sich weder von ihm einschüchtern noch den Mund verbieten lassen.

Als er ihr dann erklärt hatte, dass er etwas wichtiges zu erledigen hatte und sie ihn decken sollte, war sie regelrecht ausgetickt, fast noch schlimmer als der Samurai es konnte, doch letzten Endes hatte sie ihm geholfen in seiner wahren Gestalt unbemerkt das Hotel zu verlassen.

„Komm erst wieder wenn’s dunkel ist. Ich lasse das Fenster offen und werde dafür sorgen, dass dich niemand sieht.“

Ihre Kräfte konnten ganz schön praktisch sein, auch wenn ihre negativen Geister immer noch lästig waren. Mit einem leisen Schmunzeln erinnerte er sich an den Tag, als sie aus Versehen Dulacre mit einem erwischt hatte. Egal wie überlegen der Samurai ihnen beiden war, selbst er hatte sich der Wirkung der negativen Gedanken nicht erwehren können.

„Mein Leben ist eine reine Zeitverschwendung und mein Kampfstil nur durchschnittlich. Selbst Harakiri bin ich nicht wert.“

Es war wirklich lustig gewesen, zumindest solange die Wirkung angehalten hatte. Danach hatte Perona um ihr Leben bangen müssen und selbst Zorro hatte es schwer gehabt, den Samurai zu beruhigen. Sie beide hatten schwören müssen, nie auch nur ein Sterbenswort darüber zu verlieren, aber es änderte nichts daran, dass es geschehen war und auch wenn Zorro nicht vorhatte, dieses Wissen je gegen den anderen einzusetzen, so würde er es den anderen trotzdem nie vergessen lassen.

Sein Lächeln schwand als er die Bar sah, die er vor über zwei Jahren das letzte Mal betreten hatte, damals noch in Begleitung des Samurais.

Kopfschüttelnd vergrub er solch Gedanken in seinem Hinterkopf und entschied die Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Egal was gewesen war, in wenigen Tagen würde er endlich seine Freunde wiedersehen, endlich wieder mit ihnen nach Abenteuern suchen.

Er musste nur noch sein Treffen mit Eizen hinter sich bringen und dann würde es hoffentlich wieder so unbeschwert werden wie früher.

Vor der Bar blieb Zorro für einen Moment stehen. Nein, er sollte aufhören zu hoffen, dass es wieder wie früher werden würde. Die anderen mochten vielleicht so unbeschwert sein wie eh und je, aber er selbst war es nicht. Die Dinge hatten sich verändert und er hatte es auch.

Entschieden riss er die Tür auf.

„Oh, hallo Zorro, du bist ja früh dran.“

„Was denn, sind die anderen noch nicht da?“, fragte er auf Shakkys Begrüßung mit einem Grinsen und schritt herein. „Sieht ihnen mal wieder ähnlich.“

„Möchtest du etwas trinken? Du hattest bestimmt eine anstrengende Reise.“ Die Barkeeperin füllte bereits einen Bierkrug und da der nervige Samurai nicht da war, um ihn über den schlechten Einfluss von Alkohol auf heilende Knochen zu belehren, gab es für ihn keinen Grund abzulehnen.

„Gerne“, entgegnete er mit einem schiefen Grinsen und schloss die Türe hinter sich, ließ den Seesack von seiner Schulter einfach plump zu Boden fallen.

Ein leiser Pfiff ließ ihn aufhorchen. Auf dem Sofa neben der Bar falteten der schwarze König gerade seine raschelnde Zeitung zusammen und zog seine Brille leicht hinab während er Zorro begutachtete und sich dann schließlich erhob.

„Na, da hat sich aber einer verändert. Würde ich das Bild von deinem Steckbrief nicht kennen, hätte ich dich nie im Leben wiedererkannt“, begrüßte Rayleigh ihn nun.

Zorro nickte ihm nur zu und blieb stehen, damit der alte Mann ihn ausführlich betrachten konnte. Mittlerweile war er diese Musterung gewohnt, schließlich hatte Dulacre ihn auch immer so angesehen.

„Was redest du denn da Rayleigh? Die Ähnlichkeit zwischen ihm und Mihawk’s Konkubine ist doch so offensichtlich. Ich bin eher verwundert, dass es noch niemand herausgefunden hat, insbesondere dein Blick sprich Bände“, lachte Shakuyak nun und hielt Zorro den Bierkrug hin.

„Konkubine?“, entgegnete er nur und ließ sich an der Bar nieder. „Nein danke. An so etwas habe ich kein Interesse.“

Sie kicherte leise und zwinkerte ihm zu. „Da hat mir meine Schwester ab ganz andere Geschichten erzählt.“

Zorro rollte mit den Augen und nahm das Bier entgegen während sich der ehemalige Pirat neben ihn setzte.

„Kanan liest zu viel zwischen den Zeilen“, murrte er und leerte sein Getränk in einem Zug.

„Die Narbe steht dir gut“, bemerkte die Barkeeperin nur, ehe sie sich eine Zigarette anzündete, „ich mag Männer mit Narben.“

„Wäre mir ja nie aufgefallen“, lachte Rayleigh leise. Doch dann wurde er ernster und wandte sich Zorro zu. „Also, du bist ja überaus pünktlich und ohne Mihawk Juniour unterwegs? Er hat dich nicht begleitet? Ich bin neugierig, hat es einen besonderen Grund?“

Der alte Mann war klug, das war Zorro schon bei ihrem ersten Treffen vor zwei Jahren aufgefallen. Er schien sich mit Dulacre auf Augenhöhe unterhalten zu haben und das erlaubte der Samurai nur den wenigsten, auf der anderen Seite war er natürlich der ehemalige Vize des Piratenkönigs, wenn Dulacre nicht mal vor ihm Respekt hatte, vor wem dann?

„Ich habe hier morgen einen wichtigen Termin, daher bin ich bereits so früh angereist“, antwortete er wahrheitsgemäß.

„Oh, natürlich, das ergibt Sinn“, murmelte der alte Mann mit großen Augen, während Shakky ihm ebenfalls einen Bierkrug hinstellte, Zorros eigenen wieder auffüllte und dann ins Hinterzimmer entfloh. „Aber warum besuchst du dann uns heute? Das kommt ja ganz unerwartet.“

„Tut es das?“, schmunzelte Zorro in sein Getränk hinein. „Ich dachte du hättest mich erwartet.“

Der dunkle König grinste nur, entgegnete jedoch nichts.

Für einen Moment genossen sie beide ihr Bier in Stille während Zorro die Unterhaltung, die seine Crew vor zwei Jahren genau in diesen Räumen geführt haben musste, beinahe schon hören konnte wie die Geister der Vergangenheit.

„Du hast dich gut entwickelt“, brach der alte Mann das einvernehmliche Schweigen, „Mihawk hat sich wirklich Mühe mit dir gegeben. Ich muss sagen ich bin überrascht, hätte ihn nicht gerade für einen guten Lehrer gehalten, er ist immer so herablassend.“

Leise lachend stimmte Zorro ihm zu: „Das stimmt wohl aber ja, er hat mir viel beigebracht.“

„Aber nicht alles, oder?“ Kurz sahen sie einander an. „Auf den ersten Blick wirkt es auf mich nicht so, als ob du deine Grenzen überschritten hättest. Deine Aura ist ganz anders als die von Mihawk.“

„Das stimmt“, murmelte er und wandte sich wieder seinem Glas zu, „anders als er habe ich nicht vor die Kontrolle über meine eigenen Kräfte zu verlieren.“

„Ach so.“ Erneut pfiff der andere leise. „Du hast also entschieden den schweren Weg zu gehen. Ich bin beeindruckt, du wärest der erste Dämon, den ich kenne, der es schaffen würde diesen Weg zu meistern.“

„Und was ist mit Ruffy?“, fragte Zorro, obwohl er die Antwort bereits kannte.

„Ach bitte, er ist wahrlich ein Monster wie du, aber er ist ein D. kein Dämon, aber das weißt du ja“, redete sich der ehemalige Pirat mit einem leisen Schmunzeln heraus.

Zorro entgegnete nur mit einem Schulterzucken.

„Wie sagte Shakuyak letztes Mal, es braucht ein Monster, um ein anderes zu erkennen.“

Der alte Mann lachte erneut auf.

„Nein, nein, sie sagte es brauch ein Monster, um ein anderes zu töten, und wenn ich mich recht erinnere meinte sie damals dich und Mihawk. Um mich ging es in dem Gleichnis gar nicht.“ Rayleigh nahm ebenfalls einen tiefen Schluck. „Wie kommt’s überhaupt, dass der junge Mihawk dich nicht begleitet? Letztes Mal hatte ich das Gefühl, dass er dich nur sehr ungerne aus seinem Blickfeld lässt.“

Mit jeder Minute wurde Zorro dankbarer, dass der Samurai nicht mit ihm gekommen war. Wenn dessen Verhalten anscheinend so offensichtlich war, dann hätte es mit Sicherheit zu nervigen Komplikationen geführt, wenn er auf Zorros Crew gestoßen wäre.

„Er meinte es wäre unauffälliger. Die Anwesenheit eines Samurais würde die Marine schnell misstrauisch werden lassen, insbesondere da er davon ausgeht, dass unsere Abreise nicht unbemerkt bleiben wird.“

„Mhm“, stimmte Rayleigh leise zu, „Trennungsschmerz also. Das kann ich gut verstehen.“

„Was zur Hölle…?!“ Er starrte den alten Mann an.

„Entschuldigung, seid ihr kein Paar? Ich meine, den Zeitungsartikeln allein würde ich ja nicht glauben, aber Shakky hatte erzählt, dass ihr…“

„Nein!“, unterbrach Zorro ihn kühl und fragte sich gerade wie seine Beziehung zum Samurai nach außen hin aussehen musste, wenn gefühlt alle, die wussten wer er wirklich war, solche Schlüsse zogen. „Er ist mein Lehrmeister und ein nerviger Mistkerl. Wir sind kein Paar!“

Für eine Sekunde sah der alte Mann ihn über seine Brille hinweg an.

„Ach, ist das so?“, fragte er mit leicht erhöhter Stimme und geschürzten Lippen. „Mein Fehler, Entschuldigung. Wie gesagt, die Zeitungsartikel sind irreführend, außerdem ist es ja nicht so, als wäre es nicht auffällig, wenn du hier als du rumläufst und morgen dann einen Termin als Lady Loreen hast, oder? Daher hatte ich gedacht… nun ja, es hörte sich halt für mich nach einer Ausrede… aber wie gesagt, ich kenn dich ja kaum und weiß ja auch nicht, wie ihr zueinander steht… nur halt… die Zeitungsartikel… und Shakky.“

Hilflos zuckte Rayleigh mit den Schultern während er immer leiser geworden war und schließlich sein Satzende im Bier ertränkte.

Zorro glaubte ihm kein einziges Wort, als der schwarze König sich um Kopf und Kragen redete, allerdings meinte er einen Funken Wahrheit aus dem Gebrabbel zu hören.

„Ich bin nicht wegen Mihawk hier“, murrte er und leerte seinen Krug.

„Natürlich nicht“, seufzte Rayleigh und Zorro hätte schwören können, dass der ehemalige Pirat sich enttäuscht anhörte. „Also Zorro? Wie kann ich dir helfen?“

Dankbar, dass sie nun endlich das Thema gewechselt hatten, wandte Zorro sich dem alten Mann zu.

„Du weißt wo die Sunny liegt, oder? Du wolltest sie doch ummanteln. Ich würde gerne meinen Kram schon mal einräumen. Wenn unsere Abreise so tumultartig wird, wie ich denke, will ich mir darum keine Gedanken mehr machen müssen. Außerdem nervt es, den Kram die ganze Zeit mit mir rumzuschleppen.“

Er nickte zum Seesack hinüber.

„Klar, ich kann dich hinbringen“, stimmte der Ältere zu und plötzlich war da nichts mehr von dem stammelnden Alten als er Zorro kühl inspizierte, „aber das ist nicht der wahre Grund, warum du gekommen bist, oder?“

„Nein“, bestätigte er und fuhr den Wassertropfen seines leeren Kruges nach, „du hast damals gesagt, dass du andere wie mich getroffen hast, stimmt das?“

Der andere zögerte einen Moment.

„Du meinst Menschen, die gestorben, aber dann in einem anderen Körper wieder ins Leben gekommen sind?“

Zorro nickte und sah den anderen entschieden an.

„Ich will, dass du mir alles sagst, was du über sie weißt.“

„Was?“ Zweifelnd warf Rayleigh die Stirn in Falten. „Warum ich? Seid ihr nicht so eine ganz eingeschworene Gemeinschaft, die verhindern will, dass Außenstehende davon überhaupt was wissen? Warum denkst du also, dass ich interessante Informationen haben könnte?“

„Weil es so ist, nicht wahr?“

Nun lehnte sich der andere zurück und sah ihn mit einem halben Grinsen an. Dann lachte er.

„Du bist echt anders, als ich es erwartet habe, insbesondere nachdem, was mir deine Freunde erzählt haben. Aber wer weiß, vielleicht ist das ja auch nur Mihawks Einfluss, oder?“

Zorro entschied diesen Kommentar zu ignorieren.

„Es stimmt, dass ich vieles über die Wiedergeborenen weiß, mehr als ich wahrscheinlich sollte und mehr, als mir wohl manchmal gut tut“, fuhr der andere dann fort und begutachtete wieder seinen Krug. „An deiner Stelle würde ich wohl auch alle Möglichkeiten ausschöpfen können an weitere Informationen zu kommen. Ist ja nicht so, als würde man Leuten wie dir ein Handbuch mitgeben, indem alles erklärt wird, und manches was ich gehört habe, widersprach einander auch in einigen Punkten. Also ja, ich bin bereit dir alles zu sagen, was ich weiß, aber ich verspreche weder, dass es viel ist, noch dass es korrekt ist.“

„Damit kann ich leben“, murrte Zorro und verschränkte die Arme. „Wie hast du davon erfahren? Hattet ihr einen in der Crew?“

„Oh nein, das nicht, aber…“ Der andere sah ihn kurz an. „Weißt du, dass manche Menschen, die eine Nahtoderfahrung gemacht haben in der Lage sind eure Schatten zu sehen?“

„Was?“ Er richtete sich mehr auf, während Rayleigh nickte.

„Ja, frag mich nicht warum und wieso manche es können und manche nicht. Eine aus unserer Crew konnte es. Sie hat alle Schatten von Menschen gesehen, die schonmal gestorben und dann zurück ins Leben gekommen waren. Wir dachten alle eine lange Zeit, es seien Teufelskräfte – sie hat wirklich nicht gerne geschwommen sag ich dir – aber nein, es war ihre Gabe und sie hatte sich zur Aufgabe gemacht, allen, die sie traf zu helfen.“

„Wenn du meinst, dass sie alle Schatten gesehen hat, meinst du dann…“

„Ja, nicht nur die Wiedergeborenen.“

Zorro starrte den anderen an. Wusste er von… von ihr, dem Wesen aus seinem Traum, das ihm erklärt hatte, warum er weiterleben durfte und ihm die Wahl gelassen hatte, der Seelenwächter.

„Asbru konnte alle Schatten sehen von denen, die mal hinter den Schleier des Todes gesehen haben“, sprach Rayleigh weiter, „also von den Wiedergeborenen wie dir, die entschieden haben ihre Erinnerungen zu behalten und diese an einen neuen Körper zu binden aber auch von allen anderen, die beinahe gestorben, aber dann doch mit ihren Erinnerungen zurück ins Leben gekehrt sind.“

„Und diese Asbrus hat die alles erzählt?“, murmelte Zorro nachdenklich, dies könnte erklären, wie Eizen an seine Fähigkeit gekommen war, vielleicht konnte er auch durch so eine Kraft die Schatten sehen. Schließlich warf er selbst keinen Schatten, zumindest soweit Zorro es sehen konnte

Rayleigh zuckte mit den Schultern.

„Die wenigsten Menschen, die beinahe starben, haben eine Gabe wie Asbrus und selten war sie so stark ausgeprägt, wie bei ihr. Aber fast noch seltener sind Menschen wie du. Auf all unseren Reisen, sind wir vielleicht fünf begegnet, vielleicht sechs. Asbru meinte sie hätte insgesamt vielleicht zwanzig getroffen, aber kaum welche wie dich. Die wenigsten sind im Endeffekt in ihre alten Körper und ihr altes Leben zurückgekehrt. Die meisten haben ein neues Leben angefangen.“

Zorro dachte an Jade, die ihn bereits zweimal aus der Patsche geholfen hatte, und Banri, der Mann, der ihn damals überhaupt darüber aufgeklärt hatte, was mit ihm passiert war; beide hatten sich ein neues Leben aufgebaut und nur ihre engsten Vertrauten wussten wer sie wirklich waren.

Er hatte es nie verstanden. Warum hätte er ins Leben zurückkehren sollen, wenn er nicht vorgehabt hätte sein Leben weiterzuleben? Ganz gleich seines Körpers, er wollte seinen Traum erfüllen, seine Freunde beschützen, Ruffy auf seinem Weg zum Piratenkönig begleiten. Aber nach Wahl würde er diesen Körper hier immer vorziehen, sich wohl bewusst, dass dies neue Probleme für ihn bereithalten können.

„Du weißt wirklich ziemlich viel“, murmelte Zorro.

Erneut zuckte Rayleigh mit den Schultern.

„Aber viel mehr weiß ich dann auch nicht. Ich mein, ich muss dir mit Sicherheit nicht erzählen was nach deinem Tod passiert ist. Du weißt das wahrscheinlich schon alles, oder warum du diesen Körper hast.“

Zorro nickte. Er erinnerte sehr gut an den Traum, in dem er der Seelenwächterin gegenübergestanden hatte, die ihm die Wahl zwischen drei Toren gegeben hatte. Er hatte gehofft, dass Rayleigh vielleicht etwas hatte wissen können, aber so genaue Informationen hatte er nicht erwartet.

„Sag mal“, meinte er dann, „du weißt nicht zufällig was ein Wanderer ist?“

Er konnte die Augen des anderen auf sich spüren, der für einen langen Moment nichts sagte.

„Warum fragst du das im Zusammenhang mit den Wiedergeborenen?“ Der alte Mann hörte sich misstrauisch an und als Zorro sich ihm zuwandte, konnte er sehen, wie der dunkle König die Stirn in ernste Falten gelegt hatte.

„So nannte mich der Seelenwächter.“

Für den Bruchteil einer Sekunde entglitten Rayleigh die Gesichtszüge, doch dann wurde er wieder so ernst wie zuvor.

„Ich verstehe“, murmelte er, „das erklärt natürlich so einiges.“

„Und was erklärt es?“, hinterfragte er missmutig.

„Es erklärt, warum du Ruffy folgst. Jetzt verstehe ich dich.“

„Was? Was hat das mit Ruffy zu tun?“

Leise lachend neigte der alte Mann den Kopf.

„So ziemlich alles, wenn du mich fragst. Was für ein Zufall, als die anderen von dir sprachen war ich ja schon überrascht, ein Lorenor, wahrscheinlich der letzte und dann in der Crew eines D.“ Erneut lachte Rayleigh auf, ehe er eine Hand an sein Kinn legte und nachdenklich nickte. „Es scheint wirklich Schicksal zu sein, nicht wahr? Du wirst ja kaum aus einer Laune heraus mit ihm mitgegangen sein. Oh, ich würde ja zu gerne wissen, was deine Beweggründe waren.“

„Was hat das denn jetzt mit den Wanderern zu tun? Also ich glaube nicht wirklich an das Schicksal und mir ist ziemlich egal…“

 „Warte, warte, warte“, unterbrach ihn Rayleigh, „du willst mir sagen, dass du nicht weißt was ein Wanderer ist? Das hier war keine Fangfrage? Du weißt wirklich nicht Bescheid?“

Für einen Moment sahen sie beide sich in etwa gleich irritiert an.

„Was?“, fragte Zorro, der absolut kein Wort mehr verstand.

Rayleigh auf der anderen Seite hatte sich vorgebeugt und betrachtete ihn neugierig.

„Oh“, flüsterte er leise, „du erinnerst dich nicht. Ich verstehe, du bist ein Wanderer ohne Gedächtnis.“

„Was?“

Laut klatschte Rayleigh in die Hände und sprang auf.

„Das ist ja so aufregend. Dann war es wirklich Schicksal. Ach, Roger würde aus der Haut fahren vor Aufregung.“

„Rayleigh!“, knurrte er und stand ebenfalls auf. „Wovon redest du?“

Der alte Mann legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihn plötzlich ernst an.

„Es ist gut, dass du gekommen bist Zorro. Ich werde dir sagen, was du wissen musst, aber sei dir gewiss, dass Unwissenheit ein Segen sein kann.“

„Ich will die Wahrheit.“

Rayleigh nickte und setzte sich wieder hin. Tief holte er Luft.

„Gehe ich Recht in der Annahme, dass du die Dinge, die dein Käpt’n nicht wissen wollte, auch nicht wissen willst?“

Zorro nickte nur und zuckte zugleich mit den Achseln. Er wollte nicht, dass der alte Mann ihm die Abenteuer verriet, die auf ihn warteten, aber er musste wissen, was mit ihm passiert war, schließlich schien Eizen es zu wissen.

„Gut, dann die abgespeckte Version“, seufzte der andere während Zorro sich auch wieder hinsetzte. „Also, wie sag ich das jetzt ganz einfach. Na gut, Wanderer sind sehr sehr alte Geschöpfe, die angeblich schon weit länger leben als unsere Zeitrechnung reicht, und ziellos durch die Welt – vielleicht haben sie auch ein Ziel, ich weiß es nicht – wandern und das tun, wozu sie dar sind. Was das genau ist, keine Ahnung, sie werden nur ein paar Mal in einem Halbsatz erwähnt.“

Zorro hörte dem anderen aufmerksam zu, erinnerte sich an die Worte, die das seltsame Wesen ihm gesagt hatte.

Je älter die Seele, desto stärker deren Macht. Deine zum Beispiel gehört noch zu den ursprünglichen Seelen, ein äußerst seltenes Exemplar.

„Es heißt, dass Wanderer die Last der Welt auf ihren Schultern tragen und daher nennt man sie auch Wächter der Welt. Allerdings könnte Welt in diesem Zusammenhang auch König bedeuten und dann wären Wanderer die Hüter des Königs, was deutlich besser zu dem Rest der Geschichte passt, wonach dieser König, jederzeit ihre Gedanken hören konnte, ganz gleich wie weit sie voneinander entfernt waren, selbst wenn der König noch nicht mal wusste, wer sie waren, sie noch nie getroffen hatte. Im Laufe der Zeit wussten immer weniger, was Wanderer sind und die Menschen, die diese alten Stimmen hören konnten, wussten nicht, von wem sie kamen, daher nannte man sie die Stimmen des Universums.“

Zorro schwieg.

„Es gibt nicht mehr viele von ihnen, vielleicht gab es aus nie viele von ihnen, wer weiß das schon. Ich wusste nicht, dass sie wie Menschen sterben können, aber vielleicht sind sie auch nur Menschen, man weiß sehr wenig über sie, allerdings…“ Nun sah der ehemalige Pirat ihn direkt an. „…bist du der erste, von dem ich gehört habe, dass er nicht weiß, was er ist und sich nicht an seine vorherigen Leben erinnern kann. Was für ein Zufall, dass du dennoch entschieden hast ins Leben zurückzukehren.“

Für eine Sekunde waren sie beide sehr still, dann lachte Rayleigh.

„Es tut mir leid, das ist mit Sicherheit ziemlich viel für dich zum Verarbeiten.“

Seufzend kratzte sich Zorro am Kopf und schnaubte dann kopfschüttelnd auf.

„Um ehrlich zu sein, ist mir das alles ziemlich egal. Ich dachte, es würde mir bei einem meiner Probleme weiterhelfen, wenn ich wüsste, was es bedeutet ein Wanderer zu sein, aber dieser ganze esoterische Schwachsinn interessiert mich nicht.“

„Was?“

Rayleigh sah ihn mit großen Augen an, doch Zorro zuckte nur erneut mit den Achseln.

„Ja, also ehrlich. Ist mir doch sowas von egal, wie alt meine Seele ist oder was für’n Quatsch. Ich dachte du hättest einen Trick für mich, wie ich länger in diesem Körper hier bleiben könnte oder irgendetwas anderes nützliches, nicht solche uralten Ammenmärchen.“

„Ich habe dir gerade eines der größten Geheimnisse über die Welt mitgeteilt, und du…“

„Und das hättest du dir echt schenken können.“ Enttäuscht seufzend stand Zorro auf und kratzte sich den Nacken. „Naja, lässt sich jetzt wohl nicht mehr ändern. Okay, lass uns zur Sunny gehen, damit der Tag nicht ganz vergeudet ist.“

Noch eine Sekunde sah der andere ihn kopfschüttelnd an, dann lachte er laut auf und erhob sich ebenfalls.

„Nun gut, dann komm.“ Immer noch kopfschüttelnd ging Rayleigh zur Tür. „Du bist genauso unverbesserlich wie Ruffy. Er wollte von diesen Dingen auch nichts wissen, weil sie ihn langweilten, obwohl sie für euer Schicksal so wichtig sind.“

Aufschnaubend schnappte Zorro seinen Seesack und folgte dem anderen.

„Tze, ich glaube nicht ans Schicksal, Rayleigh, und dieser ganze Mist von Bestimmung und so ist mir ziemlich einerlei. Ich bin hier, weil meine Entscheidungen mich hierhin gebracht haben und nichts sonst.“

Der ehemalige Pirat murmelte etwas in seinen Bart und gemeinsam gingen sie zur Thousand Sunny.

„Ich warte hier auf dich“, bemerkte Rayleigh während Zorro an Bord ging.

Ein seltsames melancholisches Gefühl erfüllte ihn als er endlich, nach so langer Zeit, wieder über die Sunny ging. Das letzte Mal, als er hier gewesen war, hatte er sich nur mit dem Koch angelegt und dann vor der gesamten Crew geheult. Wenn er so drüber nachdachte, gab es vielleicht noch den ein oder anderen Grund mehr, warum es klüger war, die Sache mit Lady Loreen noch nicht an die große Glocke zu hängen.

„Hey Zorro, lass uns Steine für ein Lagerfeuer sammeln!“

Für einen Moment glaubte er Ruffy zu hören, sah ihn fast vor sich, wie er ihn mit sich über die kleine Wiese zog.

„Wofür denn ein Lagerfeuer? Lass mich schlafen, Ruffy.“

„Aber es ist eine unbewohnte Insel, Zorro! Da muss man ein Lagerfeuer machen! Lysop ist schon Holz sammeln, aber uns fehlen auch noch Steine.“

„Brauch man nicht mehr Holz als… okay, meinetwegen, gehen wir Steine sammeln.“

Fast schon wehmütig erinnerte er sich an jenen Tag zurück, als Ruffy sich unglaublich bemüht hatte ihn möglichst unauffällig vom Schiff zu locken, damit die anderen Zeit für ihre Vorbereitungen gehabt hatten.

Sie hatten damals gerade erst Thriller Bark hinter sich gelassen und sein geschundener Körper hatte sich unablässig beschwert während er hinter Ruffy über die Insel gestapft und Steine gesammelt hatte – genau wie sein Körper sich gerade jetzt über seine angeknacksten Knochen beschwerte, was für ein Déjà-vu – dabei hatte er eigentlich nur schlafen wollen.

Langsam öffnete er die Türe zum Jungenschlafraum. Es miefte immer noch so furchtbar stickig wie er es gewohnt war und er konnte den Koch im Hintergrund schon zetern hören, dass sie doch mal lüften sollten.

Schwerfällig ging er hinein, unberührt lagen die Sachen noch wild herum, als wären die anderen nur gerade an Land gegangen, als wäre dieses Zimmer nicht schon seit zwei Jahren verlassen.

Sein Blick fiel auf die ersten beiden Kojen, die obere war Ruffys, genauso unordentlich wie eh und je – war das ein Glas Trockenfleisch unter seinem Kissen? – darunter war seine Koje. Zorro konnte sich nicht daran erinnern, wie er sie damals zurückgelassen hatte, vermutlich ähnlich unordentlich wie sein Kapitän, nun jedoch war die Decke ordentlich gefaltet, als hätte sich jemand wirklich Mühe damit gegeben.

Er wandte den Blick ab und ging zu den Spinden hinüber. Auch hier hatte jeder von ihnen seinen eigenen, doch da Zorro nie so viel Platz für seine paar Klamotten gebraucht hatte, war er nach einigen Jammern und Betteln schließlich doch eingeknickt und hatte die oberste Hälfte dem Smutje überlassen. Vermutlich hatte der Kartoffelschäler ihn nach Zorro’s Tod ganz übernommen.

„Oh.“

Wie zu erwarten nahmen die Freizeitklamotten des Kochs die komplette obere Hälfte des Spindes ein und augenblicklich stieg Zorro der Geruch von Kaffee und Zigaretten in die Nase, als würde der Blondschopf vor ihm stehen.

Doch die untere Hälfte war gefüllt mit Zorros Klamotten, allerdings sahen sie kaum aus wie seine. Sie alle waren feinsäuberlich gebügelt und gefaltet worden, etwas, was er selbst nie tun würde. Er war zwar weder so unordentlich wie Ruffy oder Lysop, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er sich wie eine Hausfrau an ein Bügeleisen stellen würde.

Auf den zweiten Blick wirkte selbst das verbliebene Paar Stiefel so, als hätte jemand sich die Mühe gemacht sie zu säubern und zu fetten. Als hätte jemand erwartet, dass er heute zurückkommen würde und am vergangenen Abend noch schnell alles aufgeräumt.

„Verdammter Kochlöffel“, murrte er und stopfte seinen Seesack einfach auf den gefalteten Hosenstapel.

Er hatte das Gefühl gehabt, dass die vergangenen zwei Jahre zügig an ihm vorbeigeglitten waren, aber gerade kamen ihm die letzten zehn Tage, bis er seine Freunde endlich wiedersehen würde, wie eine unfassbar lange Zeit vor.

Er vermisste sie wirklich sehr, selbst den vermaledeiten Koch.

Wenige Minuten später ging er neben Rayleigh zurück zu Shakkys Bar.

„Du bist sehr still“, meinte der alte Mann.

„Ach, halt die…“ Zorro sah auf und betrachtete sein Gegenüber, schüttelte dann den Kopf und grinste leicht. „Du kennst mich nicht Rayleigh, ich bin immer eher still.“

Für eine Sekunde hatte er vergessen, wer da neben ihm ging und wer nicht.

„Ach wirklich? Letztes Mal hatte ich da einen ganz anderen Eindruck. Da hast du ziemlich viel geredet.“

Zorro entgegnete nichts und der ehemalige Pirat hakte nicht nach. An der Bar verabschiedeten sie sich und Zorro versprach Shakuyak vor der Abreise noch mal vorbeizukommen.

Eigentlich wollte er sich freuen, dass er bald in sein altes Leben zurückkehren würde, doch ein dumpfes Gefühl in der Magengegend schwächte seine Freude und der bevorstehende Termin dämpfte seine Laune so oder so.

Aber es war nur noch ein Mal, wenn er Glück hatte, würde Zorro nur noch ein einziges Mal Lady Loreen spielen müssen und zwar am morgigen Tag und der kam schneller als gedacht.

 

 

 

 

 

Kapitel 58 - Wahrheit

Kapitel 58 – Wahrheit

 

-Zorro-

„Das kann nicht euer Ernst sein“, murmelte er und verschränkte die Arme. „Mir egal, wer sie ist, das mach ich nicht.“

„Lady Loreen ist eine Vertraute von Rishou Eizen. Wenn jemand die Chance hat…“

„Und ich hab gesagt ich mach es nicht“, knurrte er, sich wohl bewusst, dass es in dieser Gestalt nicht halb so einschüchternd war, wie in seiner richtigen. „Wenn Eizen mich erwischt, sind wir alle dran. Willst du das etwa?“

Vor ihm stand Vizeadmiral Comil – auch bekannt als die wiedergeborene Jade – und Leutnant Yaone, deren Schatten den Riesen eines schlafenden Mannes zeigte. Diese beiden waren offiziell Lady Loreens Eskorte, da Mihawk ihn nicht begleitet hatte und die Weltregierung die Sicherheit ihres wertvollen Gastes gewährleisten wollten.  Das dies aber nicht ganz zufällig sein konnte, war Zorro durchaus bewusst, schließlich sollte eigentlich Jiroushin den Geleitschutz stellen und darstellen.

„Und was ist eigentlich mit Vizeadmiral Cho“, fragte er nun missmutig, „mir wurde auf der Überfahrt gesagt, dass er für mich verantwortlich wäre.“

Comil zeigte ein unscheinbares Lächeln und verbeugte sich knapp, allerdings wirkte das Lächeln seines Schattens alles andere als ungefährlich.

„Ach, der gute Cho“, winkte Comil ab, „ich konnte ihn davon überzeugen, dass ich besser für diese Aufgabe geeignet bin. Außerdem ist es ja nicht so, als ob Schutz wirklich notwendig wäre, nicht wahr, Lorenor Zorro?“

„Tze.“

„Vizeadmiral Comil, was soll das alles?“, brachte sich nun auch die Soldatin ein und betrachtete Zorro abfällig. „Ich will seine Hilfe nicht. Er ist das Monster der G6 und lieber würde ich sterben, als dem da was schuldig zu sein.“

„Aber Yaone. Es ist wichtig herauszufinden wer du bist und warum dein altes Ich sich entschieden hat, zurückzukehren. Habe ich nicht Recht, Zorro?“

Erneut schnalzte er mit der Zunge.

„Ist mir doch egal. Aber sag mal, wie kann sie denn eine von uns sein? Ich dachte alle Wiedergeborenen erinnern sich an ihr Leben. Ist sie dann nicht eine von denen, die ihre Erinnerungen freiwillig aufgegeben haben?“

„Oh, da weiß aber jemand schon viel.“ Comil zeigte sich ganz begeistert. „Aber nein, so ist es nicht. Nur Menschen, die mit ihren Erinnerungen zurück ins Leben kommen, werfen einen Schatten aus der alten Zeit. Daher muss sie eine von uns sein.“

„Aber ihr Schatten hat doch die Augen geschlossen, als würde er schlafen.“

Der Vizeadmiral nickte.

„Ich gehe davon aus, dass Yaone ihr Gedächtnis durch einen Unfall verloren hat, kurz nachdem sie diesen Körper erlangt hat, daher ist es wichtig, dass sie dieses widererlangt und unsere Aufgabe ist es ihr dabei zu helfen.“

Entnervt seufzte Zorro auf und begann auf und abzugehen.

„Ja, ja, meinetwegen, aber was hat das mit Eizen zu tun?“

Er hatte überhaupt keinen Bock Comil und seiner Gefolgschaft an Wiedergeborenen zu helfen, allerdings schuldete er es wohl dem anderen, da dieser ihn nicht an die Marine verraten hatte, und nach der ganzen Sache mit der G6 wäre es vielleicht nicht unangebracht Yaone zu helfen, schließlich hatte er sie beinahe umgebracht.

„Es ist egal“, unterbrach die Rothaarige als Comil zum Sprechen ansetzte. „Weder interessiert mich eine Vergangenheit, in der ich gestorben sein soll, noch will ich deine Hilfe!“

Mittlerweile zeigte sie mit ausgestrecktem Finger auf Zorro. Ihre komplette rechte Hand war einbandagiert und er wusste aus den Akten, dass sie schlimme Verbrennungen am ganzen Körper davongetragen hatte.

Nun blieb er stehen und zuckte entrüstet mit den Schultern.

„Und noch mal, was wollt ihr dann hier? Ich kann nicht ändern was geschehen ist, okay, und wenn du eh nicht meine Hilfe willst, dann geht doch einfach. Ich kann mir echt besseres vorstellen als mich mit zwei Soldaten zu unterhalten, die mir irgendwas von Zusammenhalt und Familie vorschwafeln, nur weil wir zufällig alle drei eine ähnliche Geschichte haben.“

„Du bist also nicht bereit uns zu helfen?“, fragte Comil kühl.

„Ich bin nicht bereit irgendetwas hirnrissiges zu machen, um jemanden zu helfen, der weder meine Hilfe noch etwas an dem derzeitigen Zustand ändern will. Ich bin nicht die Wohlfahrt, verstanden? Wenn sie mit ihrem Leben so zufrieden ist wie es ist, warum bist du dann so versessen drauf ihre Vergangenheit herauszufinden?“

Der Vizeadmiral zeigte sich wenig beeindruckt.

„Auch wenn Yaone es noch nicht weiß, sobald sie sich an ihre Vergangenheit erinnern wird, werden sie ihre Schuldgefühle verfolgen, dass sie nicht früher versucht hat herauszufinden wer sie ist und daher, selbst wenn sie es nicht will, ist es meine Aufgabe ihr dabei zu helfen.“ Der ernste Blick, den der Leutnant erntete, brachte selbst Zorro zum Schlucken. „Aber selbst mit all meinen Mitteln konnte ich nicht mehr herausfinden, als dass sie vermutlich ein Soldat war und daher brauchen wir Hilfe, deine Hilfe.“

„Warum?“, entgegnete Zorro. „Ich hab doch keinerlei Zugriffe auf irgendetwas. Ich hab mit der Marine überhaupt nichts zu tun. Wenn sie früher ein Soldat war, dann müsst ihr doch einfach nur in den Personalakten gucken, oder nicht?“

Der Soldat nickte.

„Das stimmt, aber unter all den Aufzeichnungen habe ich das Bild ihres Schattens nicht entdeckt.“

„Und? Dann eben doch kein Soldat.“

„Oh doch, ich weiß es so genau, weil ich selbst den Soldaten vor einigen Jahren in Begleitung von Sengoku gesehen habe.“

Nun wurde Zorro doch hellhörig, diese nervige Diskussion wäre mit Sicherheit etwas, was Mihawk interessieren würde. Schließlich mochte der Mistkerl Intrigen und Geheimnisse deutlich mehr als Zorro, solange er sie danach gegen die jeweilige Person einsetzen konnte.

„Es gibt also keine Aufzeichnungen von einem angeblichen Soldaten und ich soll über Eizen an Informationen kommen?“

Comil nickte erneut.

„Nur der Großadmiral und der Generalkommandant haben Zugriff auf alle Unterlagen der Marine, sie und ein paar wenige ausgewählte Personen der Weltregierung, unter anderem Eizen.“

„Und ihr wollt, dass ich es irgendwie anstelle an diese Unterlagen dranzukommen über irgendeinen geheimen Soldaten, mit nicht mehr als diesen Schatten da als Anhaltspunkt?“

„Genau, ansonsten wissen wir nur noch, dass sie vermutlich vor zehn bis fünfzehn Jahren verstorben ist, da ihre Erinnerungen ungefähr so lange zurückreichen. Ich weiß, es ist wenig, aber es ist alles was wir haben.“

Zorro schwieg einen Moment und sah zur großen Uhr hinüber. Er würde sich langsam beeilen müssen, wenn er nicht unpünktlich sein wollte. Es würde gewiss kein leichtes werden, wenn er Comil und Yaone tatsächlich helfen sollte. Er würde eine Ausrede brauchen, warum Eizen ihn Zugriff auf die Datenbank geben sollte, und außerdem…

„Ich werde es nicht machen“, entschied er kalt.

„Ich hab’s ja gesagt, du bist ein Arschloch!“, fuhr ihn die Soldatin an.

„Was denn?“, knurrte er zurück. „Du willst meine Hilfe doch gar nicht, oder wie war das?“

„Zorro“, brachte sich nun Comil mit erhobener Hand ein, „warum nicht? Ist es zu gefährlich? Zu riskant? Mir war nicht bewusst, dass die Zusammenarbeit mit Rishou Eizen so bedeutsam für dich ist.“

„Es wäre riskant“, gestand Zorro schließlich ein und sah den Vizeadmiral an, „allerdings nicht für mich, sondern für euch alle. Er kann sie sehen, die Schatten.“

„Oh.“ Erstaunt legte Comil einen Finger ans Kinn. „Ich hatte es zwar befürchtet, aber es war nicht mehr als eine dunkle Vorahnung.“

Zorro nickte.

„Bisher ignoriert er die anderen Wiedergeborenen, weil ihr für ihn uninteressant seid, aber…“

„…wenn er mitbekommt, dass wir in geheimen Akten herumwühlen, ganz gleich aus welchem Grund, könnte er neugierig werden und uns mit seinem Wissen erpressen oder uns alle verraten“, beendete Comil seinen Satz. „Ist es das, was er mit Dir macht? Ist das der Grund, warum ein Pirat wie du sich plötzlich als Stimme des Friedens und Hüter der Schwachen aufspielt?“

Zorro winkte ab.

„Das war seine Rede, okay? Und ich muss jetzt langsam echt los, sonst haben wir alle ein Problem.“

„Das heißt jetzt, dass die ganze Sache hier völlig umsonst war?“, murrte Yaone und sah ihn grimmig an.

„Nicht ganz“, widersprach Comil und zeigte erneut dieses leichte Lächeln, welches Zorro eine Gänsehaut bereitete. „Aus deinen Worten verstehe ich, dass du nicht unser Feind geworden bist, oder?“

Zorro zuckte mit den Achseln.

„Also ganz ehrlich, mir ist das alles viel zu anstrengend und nervig. Ihr habt mir geholfen, daher helfe ich euch, wenn es sich ergibt, aber ich hab meinen eigenen Kram und wenn sie noch nicht mal meine Hilfe will, dann ist mir das echt zu blöd.“ Missmutig ging er zur Tür. „Und jetzt muss ich los. Ich hab keinen Bock wegen dem hier noch mehr Probleme zu bekommen.“

Seine Laune war mittlerweile auf dem Tiefpunkt angekommen, und sie war von vornerein nicht gerade berauschend gewesen. Er verstand nicht, was Comil sich erhofft hatte; dass Zorro tatsächlich Berge von Unterlagen nach einem Bild des Schattens durchforsten würde, an die er noch nicht mal drankam, die vermutlich sogar in einem geheimen Tresor auf der G1 versteckt waren, falls sie überhaupt noch existierten?

Das war nicht mal mehr ein Griff nach dem letzten Strohhalm, sondern ein letzter verzweifelter Versuch, obwohl man bereits alle Hoffnung aufgegeben hatte.

Er hatte kein Interesse an all dem. Natürlich hatte er Yaone damals geholfen, aber in erster Linie, weil er keinen Bock gehabt hatte, sie töten zu müssen weil sie ihre Klappe nicht halten würde, aber das alles nervte ihn eher.

Auf der anderen Seite hatte er auch kein Interesse daran die anderen ans Messer zu liefern oder Eizen noch mehr Macht zu geben, als der Politiker eh schon hatte und er verstand Comil schon. Er glaubte auch, dass Yaone es vielleicht bereuen würde, wenn sie sich irgendwann doch wieder erinnern würde, aber das war auch nicht sein Problem.

Er war fast schon dankbar, als sie das große Zimmer betraten, in dem bereits Eizen auf ihn wartete, und Comil und Yaone endlich gingen, auch wenn das größte Problem nun vor ihm saß.

Das letzte Jahr hatte Eizen ihn weitestgehend in Ruhe gelassen, aber jetzt stand Zorro wieder vor ihm, während der Politiker an dem großen Schreibtisch saß und einen Aktenberg durcharbeitete.

„Setzen Sie sich, setzen Sie sich. Ich bin gleich bei Ihnen.“

Zorro tat wie ihm geheißen und schob seine Hände tief in die Taschen seiner Anzughose. Der Vorteil an nichtöffentlichen Versammlungen war der, dass Peronas Kleidungswahl meist etwas bequemer war, so trug er auch heute einen simplen grauen Nadelstreifenanzug und seine Schuhe hatten nur genug Absatz, um jeden Schritt klackern zu lassen.

„Ich bin überrascht, dass Vizeadmiral Comil Ihre Leibgarde stellt, Liebes, laut meinen Unterlagen sollte Vizeadmiral Cho, engster Verbündeter ihres werten Herrn Mihawks, Ihre Sicherheit gewährleisten“, bemerkte der alte Mann, ohne auch nur aufzusehen, und schrieb emsig weiter.

Zorro zuckte mit den Schultern.

„Über die verwaltungsinternen Vorgänge der Marine habe ich keine Kenntnis“, entgegnete er kühl.

„Aber das hätten Sie gerne, oder?“ Überrascht sah Zorro den Politiker an, der ihn über sein Monokel hinweg anzwinkerte. „Schließlich hat Comil Sie genau darum gebeten, nicht wahr? Sie sollen in den unter Verschluss gehaltenen Personalakten nach dem Bild des schlafenden Mannes suchen, liege ich richtig?“

Er wusste nicht, was ihn mehr nervte, dass Eizen schon wieder über alles Bescheid wusste und auch noch so selbstverständlich mit ihm darüber sprach oder dass es Zorro noch nicht mal wirklich überraschte. Er hatte von Anfang an vermutet, dass Eizen bemerken würde, wenn Comil ihn ausnutzen wollte, aber anscheinend wusste Eizen schon längst Bescheid und Zorro hatte keine Ahnung wie er sich da rausreden sollte.

„Und natürlich werden Sie jetzt wieder behaupten, dass Sie keine Ahnung haben wovon ich rede, aber lassen Sie uns das ganze abkürzen. Selbstredend kann ich Ihnen keine geheimen Informationen wie Namen, Rang oder die Marinenummer weitergeben, allerdings bestätige ich Ihnen hiermit, dass er ein Soldat der Undercover-Spezialeinheit war und im Rahmen eines Auftrages vor 13 Jahren verstorben ist.“ Eizen erhob sich und ging um seinen riesigen Schreibtisch herum. Vor Zorro blieb er schließlich stehen und hielt ihm ein Blatt Papier hin. „Das hier können Sie Comil geben, den Rest muss er dann selbst herausfinden.“

Misstrauisch nahm Zorro das Blatt entgegen und starrte auf einen jungen Mann in Kadettenuniform, der Yaones schlafenden Schatten ziemlich ähnlich sah.

„Natürlich nur, falls Sie Comil noch mal sehen sollten.“ Dieser Satz ließ ihn aufhorchen. Wie er diese Gespräche unter vier Augen mit diesem Mann hasste, er wusste nie, womit der Kerl das nächste Mal um die Ecke kommen würde. „Schließlich habe ich gehört, dass Sie demnächst auf eine längere Reise gehen werden, während derer Sie bevorzugt nicht mit Marinesoldaten in Kontakt kommen möchten.“

Verdammte Scheiße!

„Oh, schauen Sie nicht so bestürzt. Die Crewmitglieder der Strohhutbande haben zum Teil schon vor Wochen Kurs aufs Sabaody Archipel genommen und warum sonst sollte Sie auf die Begleitung Ihres werten Herrn Mihawk verzichten, wenn nicht, um einer unangenehmen Situation der Offenbarung zu entfliehen?“

Natürlich, er hätte es wissen müssen. Eizen selbst hatte ihm gesagt, dass er die anderen überwachen ließ und natürlich hatte er die richtigen Schlüsse gezogen.

„Ich habe keine Ahnung wovon Sie sprechen“, murrte Zorro erwartungsgemäß und begann das Foto des Marinesoldaten immer kleiner zu falten.

„Natürlich nicht“, lachte Eizen beinahe auf. „Wie lange wollen Sie diese Charade noch spielen, Liebes? Sie arbeiten nun schon zwei Jahre mit mir zusammen und haben davon ausschließlich profitiert. Ich habe Sie weder an die Weltregierung noch an Ihren geschätzten Herrn Mihawk verraten. Übrigens, was haben Sie ihm erklärt, dass er Sie so ohne weiteres ziehen lässt und Sie nun für Wochen nicht sehen wird?“

Der Politiker setzte sich Zorro gegenüber auf den Sessel.

„Er hat Sie nicht begleitet, weil er denkt, dass Sie wiederkommen werden, aber natürlich weiß er nicht, wer Sie sind und dass Sie nicht vorhaben zurückzukehren. Es ist allgemein bekannt, dass Mihawk Falkenauge Dulacre Piraten genauso wenig leiden mag wie die Marine und ich glaube nicht, dass Sie bereit sind ihm jetzt noch das Herz zu brechen, nach zwei langen Jahren der Lüge. Also, was haben Sie ihm gesagt?“

Zorro stopfte den gefalteten Zettel tief in seine Hosentasche und sah den anderen an.

„Dass ich mit Ihnen verabredet bin, um die Weltkonferenz vorzubereiten.“

„Ah, das war klug, natürlich. Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Weltkonferenz auf der Herr Mihawk nicht gerne gesehen wird und es ist glaubhaft, dass Sie die Zeit bis dahin voll aufwenden werden, um mir zu helfen, und Ihnen war bewusst, dass ich – da ich ja Ihr kleines Geheimnis weiß – Ihnen das Alibi geben kann, das Sie brauchen.“

Er entgegnete nichts, er hatte das Gefühl, dass es bei Eizen oft besser war den Mund zu halten, etwas was Dulacre leider viel zu selten machte. Der Politiker lehnte sich nun vor.

„Und natürlich werde ich Ihnen helfen. Bis zur Weltkonferenz werde ich so tun, als würde Sie mir fleißig zur Hand gehen und nicht mit den Strohhüten die Marine zum Narren halten. Allerdings rate ich Ihnen frühzeitig anzureisen, auch in Ihrem Interesse. Schließlich kann ich es nicht riskieren, Sie so kurz vor dem Ziel zu verlieren, nicht wahr?“

Dem Ziel?“, fragte Zorro nun, die geballten Fäuste immer noch in den Hosentaschen versteckt, wo Eizen sie nicht sehen konnte. „Sie hatten es also von Anfang an auf die Weltkonferenz abgesehen?“

Fast schon entrüstet hob Eizen beide Hände.

„Oh, war das nicht offensichtlich? Ich dachte Sie wären bereits darauf gekommen und wüssten genau was Sie von nun an erwartet.“

Es lief Zorro kalt den Rücken herunter, als der andere ihn süffisant lächelnd ansah.

„Aber wenn Sie möchten, werde ich es Ihnen genau erklären, was bald Ihre Aufgaben sein werden.“

„Warum sollten Sie das tun?“, flüsterte Zorro, ohne den Blick abzuwenden. „Wenn Sie mich in Ihre Pläne einweihen laufen Sie Gefahr, dass ich Sie verraten könnte und das würden Sie nie riskieren.“

Nun lachte der Politiker schallend auf und warf sich in seinem Sessel zurück.

„Hach, das ist sehr amüsant, wirklich. Verstehen Sie mich nicht falsch, Liebes, Sie sind der Dreh- und Angelpunkt meiner Reform, aber Sie stehen in keinerlei Position, um mir auch nur ansatzweise gefährlich zu werden. Selbst wenn Sie bereit wären das Leben Ihrer Freunde, Ihres Bekannten und auch das Ihrige zu riskieren, am Ende stünde Ihr Wort gegen meines und auch wenn ich Ihnen zu recht viel Einfluss verholfen habe…“ Plötzlich lehnte er sich weit vor und grinste Zorro böse an, seine Augen schienen rot aufzublitzen. „…so wird Ihnen doch niemand glauben.“

Dann erhob sich der Politiker und ging zurück zu seinem Schreibtisch, wo er zwei Tassen Tee eingoss und Zorro eine darbot. Doch Zorro nahm sie nicht entgegen, sodass Eizen sie einfach auf dem Tisch abstellte.

„Nun ja, wir haben noch etwas Zeit, bis wir zur Sitzung müssen, und ich sehe, dass Sie sehr angespannt sind. Also nur zu, Liebes, stellen Sie mir Ihre Fragen.“

Vielleicht war es ein Fehler gewesen zu glauben, dass er alleine mit Eizen fertig werden würde, aber immer noch schien Eizen zu denken, er hätte Dulacre übertrumpft und solange dies nicht eine einfache Lüge war, würde Zorro so zumindest ihn schützen.

„Sie sprachen von einer Reform“, sprach Zorro nun heiser weiter, seinen Blick auf die Teetasse vor sich gerichtet, „haben Sie etwa vor auf der Weltkonferenz einen Putsch vorzunehmen?“

„Oh Liebes, ich bin begeistert, genau das ist der Plan.“

Er konnte spüren wie seine Glieder erfroren.

„Ach tun Sie nicht so überrascht. Jemandem wie Ihnen ist mit Sicherheit ebenfalls bewusst in was für einen Zustand unsere Weltregierung sich befindet. Vetternwirtschaft und Korruption sind hierzulande noch die kleinsten Probleme. Die Welt wird von einer Handvoll diktatorischer Narzissten mit Gotteskomplex regiert, die zu einfältig sind um Dinge wie Politik, Wirtschaft und Staatensysteme zu verstehen. Einzig die fünf Weisen übersteigen ihre Tyrannei, während die vielen Oberhäupter der kleinen Staaten versuchen mehr schlecht als recht das Überleben ihres eigenen Volkes zu retten oder zumindest das derer, denen sie ihre Treue geschworen haben.“

Zorro schwieg.

„Sie haben die Welt gesehen, Liebes, Sie kennen all die Abgründe der Menschheit, die durch Gier und Machthunger sich auftun. Sklaverei, Menschenhandel, Krieg und Hinterlist, auch noch geschürt und gefördert von der Weltregierung, die dies eigentlich verhindern sollte. Warum glauben Sie gibt es eine Revolutionsarmee? Warum glauben Sie treiben so viele Gesetzeslose wie nie zuvor ihr Unwesen? Unsere Weltregierung hat versagt und es ist an der Zeit ein neues Kapitel aufzuschlagen.“

„Und Sie glauben, dass Sie dafür der richtige Mann sind?“, murmelte Zorro hohl, den Blick immer noch auf die Teetasse gerichtet, widersprechen konnte er nicht.

„Nun ja, irgendwer muss es ja machen, nicht wahr? Glauben Sie mir, keiner kennt die Immoralität der Weltregierung so gut wie ich. Ich habe mich vom einfachen Händler hochgearbeitet, betrogen und gelogen, erpresst und bestochen nur um in diese Position zu kommen. Das Ziel der derzeitigen Weltregierung ist es nicht Gerechtigkeit und Wohlstand auf der ganzen Welt zu verbreiten, sondern den Mächtigen noch mehr Macht und Geld zu geben und das auf Kosten der Massen. Und weil ich das alles gesehen habe und weiß was geschieht, bin ich auch der einzige, der es ändern kann.“

„Weil Sie ein so wohlwollender und gutmütiger Mensch sind?“

„Mir ist bewusst, wie anmaßend meine Vision sich anhören muss. Aber ja, ich habe das Wissen und die Erfahrung, um die Welt in ein neues Zeitalter zu führen.“

„Mit Ihnen an der Spitze natürlich.“

„Nicht ganz, natürlich habe ich vor, selbst die Kontrolle zu übernehmen, aber wie Sie wissen bleibe ich lieber im Hintergrund und halte nur die Fäden in der Hand. Eine so weltbewegende Reform braucht eine größere Erscheinung als mein alter Körper bieten kann.“

„Sie werden ja ganz blass. Aber ganz Recht, ich habe Ihnen damals prophezeit, dass Sie die Symbolfigur einer neuen Ära sein werden und ich habe Ihnen nicht zu viel versprochen. Zu Beginn der Weltregierung werden wir die fünf Weisen und ganz Mary Joa stürzen und dann haben die Herrschaften der Welt die Möglichkeit Ihnen ihre Treue zu schwören und das werden sie tun und dann werden Sie und ich die Welt verändern. Warum sonst hätte ich Sie so sehr bilden und fördern sollen?“

Tief holte Zorro Luft, doch das Atmen fiel ihm ungewohnt schwer. Seine angeschlagenen Knochen schmerzten unter dem Druck seiner angespannten Muskeln.

„Und Sie glauben wirklich, dass ich da mitmachen würde?“

„Natürlich. Verstehen Sie doch, mit mir zusammen könnten Sie die Welt beherrschen, doch sollten Sie sich weigern, werde ich alles, was Ihnen je wichtig war, vernichten, ganz gleich ob Pirat oder Königstochter, kleines Mädchen oder Samurai. Ich weiß was für eine Art Mensch Sie sind und was Sie bereit waren zu tun, für die Menschen, die Sie beschützen wollten, Sie werden sich nicht gegen mich stellen und Sie werden Ihre Rolle spielen, so lange wie ich Sie brauche. Das Bild welches Sie und der werte Herr Mihawk der Welt gegeben haben, wurde von mir perfektioniert und ich bin bereit den kleinen Preis von Mihawks feindlichen Blicken zu zahlen, aber selbst er wird nichts an der Tatsache ändern können, dass Sie letzten Endes mir gehören.“

Zorro wurde schlecht.

„Warum ich?“, flüsterte er. „Es gibt doch mit Sicherheit so viele Menschen, die sich besser dafür eignen würden oder willens wären Ihnen zu helfen, warum haben Sie mich erpresst, um mich zu kriegen? Nur um mich in diese Position zu drängen, die Sie eigentlich selbst innehaben wollen?“

Der Politiker klackte leise mit seiner Zunge und brachte Zorro zum Aufschauen, nur um ein monströs breites Grinsen zu sehen.

„Jetzt fragen Sie die richtigen Fragen.“

Erneut erhob Eizen sich und ging zu seinem Schreibtisch herüber wo er eine Akte hervorzog während er weitersprach: „Allerdings liegen Sie falsch. Sie sind genau die Person, nach der ich so lange gesucht habe. Es war ein großes Glück Sie damals auf der Versammlung der fünf Inseln getroffen zu haben. Ihre Anwesenheit, und dann auch noch als Begleitung des stets abweisenden Herrn Mihawk, hat mich überrascht, ist Ihr werter Samurai doch ein egoistischer Einsiedler, dessen Eisblock eines Herzens so uneinnehmbar wirkte, erst Recht nicht von einem Piraten. Ich wurde neugierig und ließ Nachforschungen über Sie anstellen.“

Er kam zurück und legte die Akte neben Zorros bereits erkaltenden Tee.

„Und schließlich habe ich in Ihnen das letzte Puzzleteil gefunden, um meine seit langer Hand geplante Reform durchführen zu können.“ Eizen schlug die Akte auf. „Der letzte Lorenor.“

Zorros Atem stockte. Für vieles war er gewappnet gewesen, als er in dieses Büro hineingekommen war, und mit einigen Offenbarungen hatte er nicht ansatzweise gerechnet, aber nichts konnte ihn auf das vorbereiten, was nun vor ihm lag.

„Die Ähnlichkeit ist verblüffend, nicht wahr?“, sprach Eizen weiter. „Ich hätte nie vermutet, dass sie tatsächlich mit Ihnen verwandt ist, aber nun, als Sie mir damals gegenüberstanden, Liebes, war es für mich ganz offensichtlich.“

Vor Zorro lag ein Foto eines uralten Wandteppichs, auf dem eine Frau abgebildet war, so klar und feingestochen, als hätte sich die Zeit selbst in dem Stoff verewigt. Daneben lag ein weiteres, deutlich älteres Foto in schwarz-weiß, das eine Leiche auf einem rissigen Holzboden nahe einer flammenden Feuerstelle zeigte. Obwohl die leeren Augen der Toten starr durchs Bild hindurchstarrten und sie von Hunger und Schmerz gezeichnet war, war die Ähnlichkeit zum Wandteppich unverkennbar.

Er schluckte und konnte doch den Blick nicht abwenden.

„Wir haben sie damals leider zu spät gefunden, oder jemand hatte sie gewarnt, ich weiß es nicht. Aber nachdem wir sie verloren hatten, hatte ich alle Hoffnung aufgegeben, meinen Plan je verfolgen zu können. Wer hatte denn ahnen können, dass die Geschichten falsch sind, wer hätte ahnen können, dass Lorenor Zakuro tatsächlich ein Kind hatte, dieses Kind vor der Welt und der Geschichte verbergen konnte, und dass dieses Kind mir ausgerechnet fünfzehn Jahre später zum bestmöglichen Zeitpunkt über den Weg laufen würde.“

Er konnte die Augen nicht von seiner toten Mutter nehmen. Sie lag genauso da, wie er sie damals gefunden hatte, halb gekrümmt vor Schmerzen, die giftige Pflanze noch in der Hand.

„Ich verstehe nicht“, murmelte er abwesend, völlig unvorbereitet auf das seltsame Gefühl, dass sich in ihm ausbreitete.

„Wie sollten Sie auch? Daher lassen Sie es mich erklären“, entgegnete Eizen so galant wie immer. „Wissen Sie was die drei Antiken Waffen sind?“

„Was?“ Verwirrt schaute Zorro nun doch auf. Versuchte die Verbindung zwischen seiner toten Mutter, einem Putsch-Versuch, Lady Loreen und den mythischen Kriegswaffen zu finden, obwohl er sich gerade unglaublich taub fühlte.

„Nun ja, Pluton, das legendäre Kriegsschiff, dessen Baupläne von Catty Fram verbrannt wurden. Poseidon, die geheime Kraft der Fischmenschen, und dann, dann gibt es da noch Uranos.“ Das Grinsen von Eizen wuchs stetig an, wenn überhaupt noch möglich. „Uranos ist derzeit die einzige antike Waffe, die sich im Besitz der Weltregierung befindet, und sie ruht gutbewacht in den Tiefen von Marie Joa. Es gibt nur ganz wenige Menschen, die in der Position sind, diese Waffe in Augenschein nehmen zu dürfen, und ich muss Ihnen mit Sicherheit nicht erklären, dass ich dazu gehöre.“

Es fiel Zorro immer noch schwer die Augen von seiner toten Mutter zu nehmen, aber noch unsicherer wurde er von dem, was der andere nun sagen würde.

„Uranos ist die älteste und mächtigste der antiken Waffen. Die Waffe des Himmels, welche nur von der ersten Generation kontrolliert werden kann. Und nun wissen Sie auch, Liebes, warum die Weltaristokraten so große Furcht vor denen mit dem D. im Namen haben.“

Zorro erstarrte.

„Nur ein Mensch mit einem D. im Namen ist in der Lage Uranos zu kontrollieren und einzusetzen. Dies ist, was die Himmelsdrachen am meisten fürchten, dass einer der ersten Generation die Waffe des Himmels nimmt und ihre Flügel verbrennt.“

„Aber das hat nichts mit mir zu tun“, murmelte Zorro und entschied sich die Akte zu schließen, „ich trage kein D. im Namen.“

„Ganz Recht.“ Begeistert lehnte sich Eizen vor. „Und daher werde ich Ihnen nun ein Geheimnis anvertrauen, was nur die wenigsten wissen. Nur ein paar arme Teufel von Ohara, ehe sie verstarben, und vielleicht noch die fünf Weisen, aber jeder weiß, dass diese zu stolz sind, um an Ammenmärchen zu glauben.“

Eizen leckte sich über seine Lippen.

„Die Antike Waffe Uranos kann nur von einem der ersten Generation genutzt werden aber ein D. allein ist nicht ausreichend. Denn nicht nur das D. gehört zur ersten Generation, auch wenn es die bekannteste und mächtigste Linie der ersten Generation ist, die Linie des Königs, aber jeder König braucht nun mal auch einen Beschützer.“

Daher nennt man sie auch Wächter der Welt. Allerdings könnte Welt auch König bedeuten und dann wären Wanderer die Hüter des Königs.

Ihm wurde kalt.

„Um Uranos einsetzen zu können braucht es die Linie des Königs und die Linie des Hüters. Der Nachfahre des König hat die Macht Uranos zu lenken, doch Uranos kann nur aktiviert werden, wenn ein steter Fluss an Energie sie am Leben erhält, und zwar eine ganz bestimmte Form von Energie, das Blut eines Lorenors, der hochwohlgeborene Nachfahre des Hüters.“

Leise lachte Eizen auf.

„Die Geschichte ließ uns alle glauben, dass Lorenor Zorro unmöglich ein wahrer Lorenor sein könne. Die fünf Weisen dachten ja, dass das Geschlecht schon seit Jahrhunderten ausgerottet war und ich selbst war da, um das Ableben der letzten Lorenor zu bezeugen und nichts in dieser verwahrlosten Hütte deutete darauf hin, dass ein Kind dort leben würde, selbst die Dorfbewohner haben geschwiegen, genauso wie die Mönche des Tempels. Aber als ich Sie da gesehen habe, in diesem edlen Kleid, wie Ihre Mutter sie zu tragen pflegte, voller Würde und Stolz, da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.“

Nun zitterten Zorros Hände in den Tiefen seiner Hosentaschen.

„Aber selbst, wenn Sie Recht hätten“, sprach er leise, „fehlt Ihnen dann nicht immer noch ein D., um Uranos zu lenken?“

„Ach, natürlich, ein Fehler meinerseits. Wissen Sie, die Welt kennt mich als Rishou Eizen, aber in Wahrheit lautet mein Name Eizen D. Rishou.“

Fassungslos starrte er den alten Mann an.

„Sie sollten überrascht sein was ein einfacher Tausch der Namensreihenfolge bewirken kann.“

Nun beugte sich der alte Mann wieder vor und Zorro hatte das Bedürfnis Abstand zwischen ihnen zu schaffen, aber er widerstand dem Drang.

„Sie sehen, jetzt habe ich alle Spielfiguren in Position und in ein paar Wochen, werden wir beide zusammen die Weltregierung stürzen, mit ihrem Blut und ihrem Gesicht, und meiner Macht und meinem Wissen.“

„Aber ich…“

„Ich weiß, ich weiß, Sie werden jetzt wieder mit Ihrer Ausrede kommen, Sie seien nicht Lorenor Zorro, da dieser ja vor zwei Jahren verstorben sei. Halten Sie diese Charade nur bei, wenn es Sie glücklich macht, wenn es Mihawk glücklich macht. Aber bald werden Sie mir Ihre wahre Gestalt und Ihr Blut geben, schließlich würden Sie nie das Leben Ihrer Freunde riskieren, nicht wahr, Liebes?“

Zorro entgegnete nichts, sondern öffnete ganz langsam die Akte vor sich erneut und betrachtete den Wandteppich.

„Hmm, ich verstehe, das waren nun etwas viele Informationen. Lassen Sie sich Zeit, wir haben noch ein paar Minuten, ehe wir uns sputen müssen. Nehmen Sie sich die Zeit Ihre Bedeutung für die Weltgeschichte zu begreifen. Ich werde derweil die Rede für gleich durchgehen. Es ist mit Sicherheit in Ihrem Interesse, wenn ich diese heute halten werde.“

Er sagte nichts. Allmählich schob er das Bild seiner toten Mutter zur Seite, um das Foto eines weiteren Wandteppichs darunter vorzufinden, diesmal mit zwei Figuren, eine Frau und ein Mann. Am Rand und unter den Abbildungen waren Schriftzeichen eingestickt, allerdings so klein, dass Zorro sie nicht entziffern konnte, einzig und alleine die großgestickten wenigen Symbole oberhalb konnte er problemlos lesen.

„Lesen Sie sich ruhig alles durch. Sie dürfen die Bilder auch behalten, wenn Sie möchten. Ich gehe davon aus, dass Sie so etwas nicht besitzen.“

Dort stand Alciel.

Epilog

Epilog

 

„Hey, pass auf, du hast meinen Hocker angerempelt.“

Der angesprochene Affe schaute erschrocken auf und hüpfte zur Seite, beide Hände entschuldigend erhoben und entsetzte Geräusche von sich gebend.

„Ja, ja schon gut. Guck nicht so und arbeite weiter“, murrte er und winkte ab, während der Human Drill sich nach der Hacke bückte, die er fallen gelassen hatte, und weiterlief, um seiner Arbeit nachzukommen.

Dulacre auf der anderen Seite schob seinen Hocker wieder in die richtige Position und lehnte sich auf Peronas Gartenstuhl zurück, auf dem kleinen Beistelltischchen standen ein Glas seines Lieblingsweines – eine ganz exquisite Entdeckung Jiroushins, die Dulacre auf der Taufe seines Patenkinds probiert hatte und sich aufgrund der überraschenden leichten Würze im Nachgang sofort damit eingedeckt hatte - und die Teleschnecke von Kuraigana, daneben lagen eines der Bücher die Lorenor übersetzt hatte und eine Sonnenbrille.

Es war wieder einer der seltenen sonnigen Tage, im späten Nachmittag war die frühlingshafte Luft noch wärmer als die der letzten Wochen, und Dulacre hatte entschieden, die kostbaren Sonnenstrahlen zu genießen. Auch weil er hoffte, dass er etwas entspannen würde.

Allerdings war ihm auch bewusst, was heute für ein Tag war, daher war sein Versuch natürlich vergebens. Heute war der offizielle Tag, an dem die Strohhüte aufbrechen würden und bevor Perona der Jiroushin sich nicht bei ihm melden würden, würde Dulacre nicht erfahren, ob alles gut gegangen war.

Selbst sein vorzüglicher Wein konnte nur so weit helfen.

Die Affen hatten die letzten Tage wie wild in den Gärten gearbeitet, am Anfang begleitet von einem wehleidigen Klagen, was erst besser geworden war, nachdem er sie eingenordet und ihnen gedroht hatte, dass das Geistermädchen nicht zurückkommen würde, solange die Human Drills nicht eigenständig sein konnten. Diese Aussage war natürlich vollständig an den Haaren herbeigezogen, ob und wann Perona wirklich zurückkommen würde, wusste wohl nur sie und er hatte deutlich wichtigere Dinge, die ihn beschäftigten. Ob ein Schmarotzer mehr oder weniger auf dieser Insel hauste, interessierte ihn am Ende überhaupt nicht, und er wusste, dass sie zunächst herausfinden wollte, wo Gecko Moria sich aufhielt, und auf keinen Fall zurückkehren würde, bevor Lorenor mit dessen Crew aufbrechen würde.

Seit jenem Tag hatte Dulacre gefühlt auf einer Baustelle gelebt. Die Affen hatten den gesamten Vorgarten und auch den Hauptgarten auf Vordermann gebracht, hatten sogar schon angefangen die Ruinen unten im Wald wegzuräumen.

In der Mitte des Gartens arbeiteten vier Affen seit zwei Tagen unentwegt, um den vor langer Zeit zerstörten Brunnen durch einen neuen zu ersetzen, und Dulacre sah ihnen zu. Zum einen, weil dies hier immer noch seine Insel war und letzten Endes er die Entscheidungen fällte, was angelegt wurde und was nicht, aber auch, weil es irgendwie auch ganz interessant war.

Tatsächlich hatte er nach der ersten Woche vor sich hinleiden und Selbstbemitleiden auch mit angepackt. Ihm war bewusst geworden, dass sein Leben sich in der nächsten Zeit nicht ändern wurde, und auch wenn Jiroushin sich gelegentlich meldete – um ihn auf dem Laufenden über die jüngsten Ereignisse zu halten und mit Sicherheit auch um sich über ihn zu erkundigen – und die Zeitung seit ein paar Tagen verheißungsvoll interessant war, so änderte all das nichts daran, dass er die meisten Tage einfach nur vor sich hin lebte, ohne die Zeit sinnvoll zu nutzen.

Daher hatte er mangels einer besseren Idee – keiner von Lorenors Vorschlägen hatte ihn begeistert – dann tatsächlich sich selbst ebenfalls durch die Erde gewühlt, in einem traurigen Versuch, sich von seinen nagenden Gefühlen nicht auffressen zu lassen.

Es tat immer noch weh und die Sorge war immer noch groß, stieg gefühlt jede Sekunde weiter an, aber er wollte sich davon nicht kontrollieren lassen.

Also lag er hier in der Sonne, die Zeitung auf dem Boden zu seiner Rechten, sein Wein und das Buch zu seiner Linken, doch seine Gedanken ganz fern, gerade glaubte er, wirklich einen Fehler begangen zu haben, aber jetzt war es zu spät. Selbst wenn er jetzt aufbrechen würde, würde er es nicht mehr rechtzeitig schaffen und das war wahrscheinlich auch gut so, denn sonst, das wusste er ganz genau, würde er…

Ein leises Piepsen unterbrach seine Grübelei.

Anstelle der großen Teleschnecke meldete sich die kleine, die er stets in seiner Hosentasche trug. Beinahe hektisch zog er sie hervor, zögerte für eine Sekunde, doch dann drückte er den Knopf.

Für einen Moment war es absolut still, selbst die Affen in Rufweite schienen zu verstummen.

„Hallo“, sprach er schließlich atemlos, nach den vereinbarten zwei Sekunden.

Für eine weitere Sekunde war die Leitung leise.

„Hey“, kam dann endlich die Erlösung und Dulacre konnte die tiefe Erleichterung, die in ihm aufkam, nicht aufhalten, während er laut aufatmete, „hat etwas länger gedauert, bis ich mich melden konnte. Sorry, war viel zu tun.“

Die Verbindung war schlecht, aber das war egal, auf der anderen Seite der Zwillingsteleschnecke sprach Lorenor, und nur das zählte.

„Ist schon in Ordnung, Lorenor, Jiroushin hatte sich bei mir gemeldet und mich vorgewarnt, dass du die letzten Tage sehr eingespannt warst. Kannst du frei reden?“

Leise lachte der andere.

„Kann ich.“

„Wo bist du? Ich dachte ihr würdet heute aufbrechen und der schlechten Verbindung zufolge seid Ihr auch schon auf dem Weg zur Fischmenscheninsel. Solltest du nicht bei deinen Freunden sein, anstatt mit mir zu sprechen?“

„Von wegen auf dem Weg, wir sind schon längst unten angekommen.“

„Ach so, und wurdet ihr herzlich willkommen geheißen?“

„Wie man’s nimmt. Ich bin in irgendeinem Palast, oder so?“

„Im Ryuuguu Palast?“

Er konnte seine Überraschung kaum verheimlichen. Lorenor allerdings klang äußerst entspannt, so wie während der Abende am Feuer, und irgendwie entspannte das auch ihn. Jedoch fragte er sich, was der Jüngere angestellt hatte, um vom König geladen zu werden.

„Hmm“, brummte der andere zustimmend, „bin gerade im Kerker.“

„Was?!“ Warum war er überhaupt erstaunt? „Lorenor, was ist…“

„Reg dich ab. Es ist alles in Ordnung.“

„Du bist in einem Kerker!“

Der Hocker kippte um als Dulacre aufsprang, schon halb auf dem Weg zu seinem Schiff.

„Wäre nicht das erste Mal“, kam es viel zu gelassen von der anderen Seite, „mach dir keinen Stress.“

„Und noch mal: Du bist in einem Kerker! Und du sagst mir, ich soll mir keine Sorgen machen?“

„Ja, es ist alles in Ordnung. Ich hatte was Alkohol, hab ein Nickerchen gemacht, konnte mich ungesehen als Loreen etwas ausruhen und nach unserem kleinen Gespräch hier, werde ich denke ich aufbrechen.“

„Aufbrechen?“

Wieder kam dieses kleine Lachen von der anderen Seite, das Dulacre direkt schmunzeln ließ, selbst unter all der Anspannung.

„Ja, wie gesagt, ich hab jetzt nichts mehr zu tun und meine Flasche ist leer. Ich denke ich werde jetzt gleich die anderen suchen gehen.“

„Du bist in einem Kerker.“

„Und?“

Nun war es an Dulacre zu lachen während er sich wieder hinsetzte. Er vergaß manchmal wie geradlinig Lorenor denken konnte. Einen Kerker als Erholungslounge zu nutzen, um danach die eigenen Freunde zu suchen – die er zweifelsohne mit seinem mangelnden Orientierungssinn aus den Augen verloren hatte – war so selbstverständlich ungewöhnlich, dass es wahrlich nur von Lorenor oder vielleicht von seinem Kapitän kommen konnte. Und dass er dann auch noch den Moment genutzt hatte, um ihn anzurufen, zumindest lange genug an ihn gedacht hatte, um auf die Idee zu kommen ihn anzurufen, es wärmte sein kaltes Herz.

„Nun gut, Lorenor, dann möchte ich dich nicht mehr lange aufhalten, aber bitte sag mir noch wie es dir ergangen ist? Du hast dich seit deiner Ankunft auf dem Sabaody Archipel nicht mehr gemeldet, entgegen unserer Absprache, hätte Jiroushin mich nicht angerufen, wäre ich nicht hier…“

„Entspann dich mal, was bist du heute so gestresst?“, murrte Lorenor unbeeindruckt. „Es ist nichts Besonderes passiert, in Ordnung? Eizen war wie immer nervig und auf die Sitzungen hätte ich gut verzichten können, Comil war nicht viel besser und Rayleigh ist genauso schlimm wie Perona.“

Dulacre stutzte über diesen ungewöhnlichen Vergleich, er konnte sich kaum vorstellen, was der dunkle König und die Geisterprinzessin gemein haben könnten.

„Aber seine Legierung für die Sunny war gut, schließlich sind wir unten angekommen, ohne draufzugehen. Oh, und hast du von dem Pacifista gehört?“

„Wie bitte?“

Er wusste nicht warum Lorenor plötzlich die humanoiden Waffen der Weltregierung erwähnte, aber es ließ ihn nichts Gutes ahnen.

„Ja, ich hab heute einen von ihnen zerlegt“, bemerkte der andere und Dulacre konnte das stolze Grinsen in seiner Stimme hören, ehe er mit einem genervten Nebensatz nachsetzte, „wobei der Koch mir voll in den Weg gesprungen ist, hätte ihn beinahe mit durchteilt, so nervig, sag ich dir, und danach…“

Schmunzelnd lauschte er der ungewohnt enthusiastischen Erzählung seines Wildfangs über den vergangenen Tag, darüber wie er seine Crew wiedergetroffen hatte, dass sie gegen die Marine gekämpft hatten – und er versäumte es nicht einmal Perona über ihre neuen Techniken zu loben, was Dulacre nur ein Augenrollen entlockte – und wie sie schließlich in die Tiefen des Ozeanes herabgesunken waren. Er erzählte von den Tiefseemonstern, die sie gesehen hatten, und von dem Wettkampf, den er mit seinem Kapitän hatte abhalten wollen, aber von den Angsthasen der Crew aufgehalten worden war.

Dulacre mochte es, wenn der Jüngere so begeistert klang und dabei so tat als wären es nur Nebensächlichkeiten, dabei war es mehr als offensichtlich, dass er seine Freunde vermisst hatte und gerade unglaublich glücklich war, und wenn Mihawk ganz ehrlich war, so machte das auch ihn glücklich.

Vielleicht, nur vielleicht war es doch kein Fehler gewesen ihn allein fortgehen zu lassen.

Gerade als die Zeitungsmöve über Kuraigana hinwegflog beendeten sie ihr Gespräch und das erste Mal in über einer Woche erfüllte ihn die ihm sonst so selbstverständliche Ruhe und Gelassenheit und ein darüber hinaus so kostbares Glücksgefühl.

Lorenor versprach sich zu melden, sobald sie sicher auf der anderen Seite der Red Line angekommen waren und Dulacre versprach bis dahin die Füße still zu halten.

Deutlich entspannter als vor dem Anruf steckte Dulacre die kleine weißende Teleschnecke zurück in seine Hosentasche während die Möve auf einem Ast des Kirschbaumsetzlings landete.

Es überraschte ihn nicht, dass die Möwe neben der Zeitung auch noch drei Briefe für ihn hatte, anders als gewöhnliche Zeitungsmöven, war diese hier ihm als Samurai zugeteilt und diente neben der Zeitungslieferung auch dazu einen zügigen Schriftverkehr zwischen ihm und der Weltregierung zu ermöglichen, ganz gleich wo er sich gerade befand.

Es überraschte ihn auch nicht, dass einer der Briefe ihm mitteilte, dass aufgrund der bevorstehenden Weltkonferenz eine erhöhte Sicherheitsstufe auf Mary Joa eingeleitet werden würde und er, da er als einziger Samurai in unmittelbarer Nähe wohnte, sich für unvorhergesehene Ereignisse in Bereitschaft halten und seinen Wohnsitz nicht verlassen sollte.

Der Brief war wie immer mit Unterschrift und Siegel versehen, und zeugte von der Wichtigkeit, die die fünf Weisen dieser Anordnung zukommen ließen. Er hatte beinahe schon erwartet, dass eine solche Weisung erfolgen würde, die ihn daran hinderte, Lady Loreen zu begleiten und ihn zeitgleich in seiner Bewegungsfreiheit einschränkte.

Dulacre hatte geahnt, dass irgendetwas großes bevorstand, aber dieser Brief war Bestätigung genug. Mit einem Schulterzucken knüllte er ihn zusammen und warf ihn hinter sich aufs Feld, wo fast zeitgleich ein Human Drill hingerannt kam und ihn grummelnd aufhob und auf den Kompost trug.

Auch der zweite Brief, eine Nachricht von Jiroushin über die Ereignisse am Morgen, über die Lorenor ihn ja mittlerweile schon im Detail, allerdings nicht besonders objektiv, aufgeklärt hatte, überraschte ihn wenig.

Der letzte Brief jedoch ließ seine Glückseligkeit ganz schnell schwinden, als er Eizens Siegel im Wachs sah. Missmutig riss er den Brief auf und begann zu lesen und mit jedem Wort mit dem Eizen sich bei ihm bedankte, dass er Lady Loreen für die lange Zeit bis zur Weltkonferenz entbehren konnte, wurde er wütender.

Eizen versicherte ihm, dass Lady Loreen eine große Hilfe wäre, um die ganzen Vorbereitungen in den nächsten Tagen zu erledigen, aber dass er sich keine Sorgen um sie machen solle, da Eizen auf Dulacre’s Bekannte aufpassen würde.

Im letzten Satz entschuldigte der Politiker sich noch dafür, dass er so viel Zeit der geschätzten Lady Loreen einfordern würde, aber dass sich die Dinge nach der Weltkonferenz ändern würden und sie alle dem zuversichtlich entgegensehen sollten.

Eilig erhob Dulacre sich und stapfte zum Schloss.

„Was?“, knurrte er, als einer der Affen ihn versuchte aufzuhalten. „Geh mir aus dem Weg!“

Doch dann blieb er für eine Sekunde stehen und drehte sich zu den restlichen Affen um.

„Hergehört, Human Drills.“ Sofort stellten sich die Angesprochenen auf wie Soldaten. „Ich werde jetzt für ein paar Tage verreisen und wenn ich wiederkomme seid ihr mit den Arbeiten im Garten und unten bei den Ruinen fertig und wehe auch nur einer von euch faulenzt oder wagt sich ans Schloss, verstanden?“

Er würdigte ihr Salutieren mit einem knappen Nicken und stürmte ins Schloss hinein, um seine Sachen zu holen.

Diesem Mistkerl würde er schon beibringen ihn zu belügen und zu hintergehen. Dieses Mal würde er sich nicht zurückhalten, genug war genug. Vieles nahm er hin, aber für dumm verkaufen lassen würde er sich nicht!

Wütend packte er sein Schwert und die paar Sachen, die er brauchte.

„Oh, tu nicht so vermittelnd und wohlgesonnen! So lasse ich nicht mit mir umgehen“, keifte er seine Waffe an, während er die langen Wege zurückhetzte. „So kommst du mir nicht davon, Lorenor!“

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo alle miteinander,

vielen Dank für die Kommentare und Favoriten, ich bin überrascht, dass tatsächlich noch welche von euch da sind ;-)
Nur als kleine Anmerkung: Der erste Teil dieses Kapitels war im originalen Aufbau als Prolog geplant, später hab ich es jedoch umgeschmissen und den aktuellen Prolog geschrieben, um zu zeigen wie damals alles angefangen hat.
Jetzt, wo ihr das wisst, würde mich interessieren, ob der erste Aufbau euch vielleicht besser gefallen hätte (der Rest der Geschichte wäre gleich geblieben) oder ob ihr es so gut findet ;-)

Liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallihallo,

heute mal ausnahmsweise ein Nachwort, einzig und alleine aus dem Grund weil ich das Bedürfnis habe klarzustellen, dass egal wie gutmütig und lieb ein Hund ist, lasst Kinder nicht einfach mit ihnen spielen, toben und an ihnen rumzerren (erst recht nicht unbeaufsichtigt), denn Hunde haben keine andere Möglichkeit zu sagen wenn ihnen etwas wehtut als zu flüchten oder sich zu wehren. Also bitte bringt euren Kindern (oder auch Kindern, für die ihr eine Vorbildfunktion habt) einen respektvollen Umgang mit Tieren bei. Pep talk Ende^^'

So, nun da wir das geklärt hätten, wünsche ich euch noch einen schönen Sonntag und bis nächstes Wochenende (ja, ich bemühe mich, meinen Rhytmus wieder beizubehalten, schließlich begeben wir uns so langsam auf die Zielgerade^^)

Also ganz liebe Grüße und bis demnächst

eure Sharry Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Soooo.... starten wir das neue Jahr mal mit einem Knall, habe ich mir gedacht...

Scherz beiseite, ich hoffe ihr alle hattet einen guten Start im neuen Jahr und ich wünsche euch, dass 2020 das beste Jahr bisher wird.

Dieses Kapitel hier war eine große Herausforderung für mich (ich denke, ich muss nicht erklären warum^^', daher auch ein Nachwort dieses Mal und kein Vorwort, ich wollte nichts verraten) und ich bin sowohl neugierig als auch ängstlich über eure Meinung dazu.

Diese Geschichte und die Charaktere haben sich immer weiter entwickelt, viel weiter als ich vor mehr als 5 Jahren auch nur erahnen konnte, und auch wenn ich manche Entwicklungen nicht vorhergesehen habe, so habe ich das Gefühl, nur dann den Charakteren und der Geschichte treu bleiben zu können, wenn ich diese Entwicklungen nicht ignoriere, auch wenn dieses Kapitel für mich wirklich eine kleine Feuertaufe ist...^^'

Aber dafür sind Neuanfänge doch da, um über den eigenen Schatten zu springen.

Und mit diesen Worten wünsche ich euch einen schönen Sonntag und ein tolles neues Jahr. Das nächste Kapitel kommt nächstes Wochenende ;-)

Liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das hier ist es nun, nach ca. 270.000 Wörtern, das 'Ende'.

Also, mal im Ernst, war ich die Einzige, die während dieser zwei Jahre die anderen Strohhüte vermisst hat?
Mit Sicherheit nicht, oder?
Außerdem gibt es noch so viele Fragen zu klären: Wer hat jetzt schlussendlich den Pacifista besiegt? Wird Perona zurück nach Kuraigana reisen? Und die wichtigste Frage überhaupt, wie lange wird Sanji brauchen um Lady Loreen einen Antrag zu machen?

Also wie ihr seht, es gibt noch einige hochrelevante Fragen zu klären(Was ist Eizens Lieblingsfarbe?) und daher wird es auf jeden Fall noch einen dritten und abschließenden Teil geben, der nach dem Zeitsprung stattfinden wird, wenn all unsere Strohhüte wieder vereint sind.

Aufgrund meiner derzeitigen beruflichen Lage (bereite mich gerade auf's Staatsexamen vor und arbeite nebenbei), kann ich euch nicht versprechen, wann der letzte Teil kommen wird. Aber so wie ich mich kenne, werde ich nicht lange ohne das Schreiben bei Verstand bleiben.

In diesem Sinne: Bis zum nächsten Mal!

Eure Sharry

P.S.: Ich möchte mich ganz herlich bei allen Bedanken, die mir immer und immer wieder geschrieben haben, die Kommentare oder private Nachrichten geschickt haben und an mich und diese kleine Fic dachten. Ohne euch hätte ich schon vor langer Zeit aufgehört meine Geschichten hier zu posten.
Also Danke, dass ihr Zorro, Mihawk und mich auf diesem Abenteuer begleitet habt. Komplett anzeigen

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Von:  Maggy_24
2020-04-07T22:39:19+00:00 08.04.2020 00:39
Wow. Packend wie immer. Ein würdiger Abschluss für diesen Teil, schön dass es weiter geht. Ich liebe diese langen Storys. Und ich liebe Zorro und seine gradlinige Art Danke für deine Ausdauer😂😂 leider werden ja nicht alle ff immer bis zum Ende auch geführt.
Jaaa es gibt wahrlich viele offene Fragen noch zu klären, ich bleibe dran und hoffe du schaffst alles, ohne dich zu sehr zu stressen! LG
Antwort von:  Sharry
09.04.2020 13:23
Hey,
vielen Dank für deinen lieben Kommentar und ja, ich kenne die Entäuschung, wenn eine Fic nicht zuende geschrieben wird (ich trauere immer noch dem Autor Frozen von Fanfiktion.de hinterher, die Geschichten habe ich vor zehn Jahren geliebt, aber wurden nie fertig), daher hab ich mir auch vorgenommen meine Geschichten immer zu Ende zu schreiben, egal wie lange es dauert und das ziehe ich auch durch^^'
Hoffentlich bis bald
LG
Von:  Domino1412
2020-04-06T20:41:48+00:00 06.04.2020 22:41
Huhu und Hallo es war eine super Story ich hab mich immer gefreut wenn ein neues Kapitel erschienen ist ^^ ich wünsche dir viel Erfolg und eventuell lese ich ja irgendwann wieder eine Story von dir Liebe Grüße und alles gute ^^
Antwort von:  Sharry
07.04.2020 21:38
Hey Domino1412,
ich danke dir für deine lieben Worte und wünsche dir auch alles gute.
Vielleicht liest man sich ja irgendwann mal ;-)

LG
Von: RuffysKreationen
2020-04-06T15:17:12+00:00 06.04.2020 17:17
Hach, und dann sind da wirklich noch so viele offene Fragen ._.
Aber ein sehr gutes offenes Ende! Ich freue mich sehr auf mehr! X3
Viel Erfolg mit dem Staatsexamen! :)
Von: RuffysKreationen
2020-04-06T15:07:19+00:00 06.04.2020 17:07
Schön zu lesen, dass du wieder fit bist!
Und dann haust du gleich sowas Krasses hier raus o.o
Es ist wirklich interessant zu sehen, wie Eizen immer noch glaubt, dass Mihawk keine Ahnung von Zorro hat, aber dennoch weiß, was Comil von Zorro verlangt hat :'D
Viele Erkenntnisse, es wird sofort weitergelesen! *kreisch*
(Übrigens, würdest du Pluton bitte nicht als Kriegsschiss bezeichnen? XD sorry XD)
Antwort von:  Sharry
06.04.2020 19:19
Ich gehe mich mal gerade in einer Ecke vergraben...
Word! Warum hast du mir nicht gesagt, was ich da geschrieben habe???!!!
Vielen Dank für deine liebe Kommentare und dass du mich drauf hingewiesen hast ;-)

Und danke dir, keine Sorge irgendwann wird es weitergehen^^
Von: RuffysKreationen
2020-03-15T10:10:11+00:00 15.03.2020 11:10
Armer Rayleigh, will da so viel erzählen und es interessiert Zorro doch nicht :'D
Nettes Wiedersehen! Umso gespanter bin ich auf seinen letzten Termin mit Lady Loreen. Da geht bestimmt noch einiges drunter und drüber :3
Antwort von:  Sharry
05.04.2020 13:29
Hey,
vielen Dank für deinen Kommentar und entschuldigung, dass ich so lange für eine Antwort gebraucht habe^^'
Habe mich trotzdem sehr gefreut.
LG
Von:  Maggy_24
2020-03-10T20:28:57+00:00 10.03.2020 21:28
Seine Reaktion ist vollkommen angemessen und typisch für den OC aus dem Anime. Ich bin gespannt wie diese tolle Geschichte enden wird. Und noch spannender finde ich das Widertreffen der Freunde auf dem Archipel. OHHH das wird bestimmt suuuuuuuuuuper *-*
Antwort von:  Sharry
14.03.2020 16:09
Hi,

danke dir für deinen Kommentar und danke für deine Worte, das ist immer mein Ziel, das die Charaktere sie selbst bleiben, egal wie sehr ich sie ärgere ;-)

Ganz liebe Grüße
Von: RuffysKreationen
2020-03-08T11:20:59+00:00 08.03.2020 12:20
Ein schönes Kapitel T___T
Zorro hat nun endlich ein Zuhause gefunden, was ihm nun bewusst wird. Auch das Wissen über Mihawks Gefühle hast du super beschrieben. Jede andere Reaktion von ihm hätte mich aber auch wirklich gewundert XD
Mihawk nun ganz allein Zuhause...hach, ich will nicht, das es endet :3
Aber bald ist Zorro wieder auf der Sunny! Bin gespannt, was er als Lady Loreen noch zu stemmen hat o.o
Antwort von:  Sharry
14.03.2020 16:08
Hey,
oh vielen Dank, freut mich, dass es dir gefallen hat und ja, das Ende ist nah... aber keine Sorge, wir werden beide Idioten vorher noch mal sehen ;-)

Liebe Grüße
Von: RuffysKreationen
2020-03-01T12:04:44+00:00 01.03.2020 13:04
Wir kommen dem Ende näher Q___Q
Schön, mal wieder die Gedankengänge von Zorro zu lesen, dass auch er Zweifel hatte und aufgeben wollte. Hast du super beschrieben.
Antwort von:  Sharry
06.03.2020 21:16
Hey,

ja, bald ist es vorbei... mein Studium bedankt sich^^'
Und ich danke dir für diene lieben Worte, hoffe, dass dir auch die nächsten Kapitel gefallen werden ;-)

LG
Von: RuffysKreationen
2020-02-17T16:21:51+00:00 17.02.2020 17:21
Die ganzen gebrochenen Knochen zeugen von einem netten Training :'D kann mich nur anschließen, schade, dass wir da leider nichts "sehen" konnten
Aber mal wieder herrlich, worüber sich Mihawk und Jirou streiten können XD du hast wieder sehr viel Witz reingebracht, um mit bösem ernst zu enden :3 mal sehen, ob Mihawk wirklich über seinen Schatten springen kann...und was Zorro denken wird :o wird er dann jemals "nach Hause" kommen?
Antwort von:  Sharry
24.02.2020 19:32
Hey,

ich danke dir für deinen Kommi und es tut mit leid, ich wollte mit dem Kampf nicht dem Manga vorgreifen, da wir Mihawk noch nie haben richtig kämpfen sehen, aber vielleicht gibt's dann doch irgendwann mal einen Flashback.
Danke für dein Lob und es freut mich, dass es dir trotzdem gefallen hat^^

lG
Sharry
Von:  Maggy_24
2020-02-16T23:12:27+00:00 17.02.2020 00:12
Ohhh bitte lass ihn über seinen Schatten springen und dann reden die beiden endlich 😍😍😍😍
Etwas schade dass du nicht näher auf den Kampf der beiden eingegangen bist, das wäre sicher spannend gewesen 🙈
Liebe Grüße
Antwort von:  Sharry
24.02.2020 19:28
Hey,

ja, es tut mir leid, dass ich euch enttäuscht habe. Ich habe lang überlegt ob ich den Kampf zeigen soll, aber irgendwie hatte ich Sorge dem Manga vorzugreifen und wir Mihawk noch nie wirklich haben kämpfen sehen, daher hatte ich mich zurückgehalten.
Allerdings ist es ja nicht so, als hätte ich nicht selbst drüber nachgedacht und vielleicht wird es ja mal einen Flashback geben... ich wüsste auch schon wann und wo...
Hmm, sorry bin ins Grübeln gekommen, ich danke dir für deinen Kommi

LG


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