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Eine erbarmungslose Entscheidung

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Abend alle miteinander,

ich hoffe ihr hattet ein schönes Wochenende und ich wünsche euch viel Spaß mit dem kommenden Kapitel.
Da die Uni wieder angefangen hat werde ich zurück zum wöchentlichen Rhytmus wechseln und muss euch wohl oder übel um etwas mehr Geduld bitten.

Liebe Grüße
Sharry Komplett anzeigen

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Kapitel 25 - Abstand

Kapitel 25 - Abstand

 

-Zorro-

Er wollte es sich nicht eingestehen, er durfte es sich nicht eingestehen.

Nach einer mehrstündigen Einweisung von Eizen und seiner Assistentin Frau Rihaku hatte Zorro am frühen Abend seiner ersten offiziellen Sitzung teilgenommen.

Zunächst hatte er sich wie damals auf der Versammlung der fünf Inseln, auf die Falkenauge ihn mitgeschleppt hatte, sehr gelangweilt und überhaupt gefragt, was er da tat und warum er überhaupt anwesend war.

Nur um seinen Vertrag nicht zu brechen – und weil er kurz davor gewesen war einzuschlafen - hatte er angefangen die Vorträge zu verfolgen, hatte in seinen Notizen und Unterlagen nachgeschlagen und hatte zugehört.

Er hatte nach und nach verstanden worum es ging, hatte verstanden worüber diskutiert wurde und warum unterschiedliche Meinungen anwesend waren. Er hatte nach und nach verstanden, warum die Leute laut wurden, wenn einzelne Namen in den Raum geworfen wurden.

Die Abgeordneten der Weltregierung stritten darüber welche Verträge mit den verschiedenen Königreichen verlängert, verändert oder aufgekündigt werden sollten und welche Folgen daraus entstehen konnten.

Eizen nahm im Namen der Weltaristokraten an den Tagungen teil, er saß neben einem glatzköpfigen Mann der wohl der Vertreter der fünf Weisen war.

Eizen hatte ihm nicht zu viel versprochen, Zorro befand sich im Herzen der Weltregierung und er wunderte sich, warum der Politiker bereitwillig einen Piraten einschleusen wollte.

Mittlerweile war bereits der dritte Tag angebrochen und auch wenn Zorro es nicht wahrhaben wollte, sich weigerte es zu akzeptieren, so konnte er nicht leugnen, dass das ganze doch irgendwie nicht so ganz langweilig war.

Es war übertrieben zu sagen, dass es ihn interessierte – nein, das ganz gewiss nicht – aber irgendwie wollte er schon wissen mit welchem Land warum ein Krieg ausbrechen konnte. Warum in welchem Königreich die Sklaverei abgeschafft wurde und was das für deren jeweilige Wirtschaft bedeuten könnte. Er war schon neugierig warum verschiedene Naturstämme sich weigerten ein gemeinsames Oberhaupt zu bestimmen um mit der Weltregierung zu verhandeln und ob ein gewaltsames Vorgehen gegen sie notwendig war.

Er hatte angefangen zuzuhören weil er es musste, weil er dazu gezwungen war. Dann hatte er sich dazu entschieden wenigstens alles was für seine Crew irgendwie nützlich sein könnte zu sammeln und aufzusaugen und so zäh und nervig das alles war, so konnte er sich doch einfach nicht dazu überwinden einfach die Augen zu schließen und einzupennen.

Er saß neben Frau Rihaku und blätterte durch die vorliegende Akte um nach der Aufstellung zu suchen, auf die sich der Vortragende stützte. Die kühle Frau mit den mandelförmigen Augen hatte sich derweil vorgebeugt und flüsterte ihrem Vorgesetzten etwas zu.

Endlich hatte er die Aufstellung gefunden und begann sie mit den Unterlagen zu vergleichen, die er selbst am Vorabend noch zusammengestellt hatte und gleichzeitig versuchte er dem Redner zuzuhören.

Es war nicht so, dass er sich wirklich dafür interessierte, schließlich waren solche Dinge noch nie wichtig für ihn gewesen.

Selbst die Gespräche mit Dulacre über die Geschehnisse in der Welt waren für ihn eher nervige Notwendigkeit gewesen. Er war kein Gelehrter, kein Belehrter und erst Recht kein Politiker.

Dinge wie Wirtschaftlichkeit einer Handelsbeziehungen oder internationale Friedensverträge waren Begriffe, die er vorher noch nie in den Mund genommen hatte und doch saß er jetzt hier und hatte das Gefühl eine neue Welt kennen gelernt zu haben.

Eine Welt von der er rein gar nichts wusste, die ihn auch eigentlich nur einen Dreck interessierte.

All diese Sachen waren für ihn nicht wichtig, betrafen sein persönliches Leben nicht im geringsten. Ihm sollte eigentlich egal sein ob die Weltaristokraten die verbliebenen Sklaven eines Königreiches im West Blue aufkaufen wollten oder nicht. Ihm sollte egal sein ob gegen das Naturvolk im Calm Belt Waffen eingesetzt werden mussten. All diese Themen spielten für sein eigenes Leben doch eigentlich gar keine Rolle.

Trotzdem saß er nun hier und konnte nicht verhindern, dass er sich klein fühlte, beinahe unbedeutend, wenn er über all das nachdachte was er bisher einfach aus Desinteresse ignoriert hatte.

Schon am ersten Abend hatte er festgestellt, dass Mihawk mit seiner Ausdrucksweise in dieser Gesellschaft keine Besonderheit gewesen wäre, mehr noch, langsam fragte er sich ob Mihawk an solchen Tagungen teilgenommen hatte, für so etwas geschult worden war.

Immer noch hatte er keine Ahnung warum Eizen ihn dabei haben wollte, was er zwischen all diesen Rhetorikern und Theoretikern zu suchen hatte, aber auf einmal wirkte diese Welt so unglaublich groß auf ihn. So viele Ort wurden genannt von denen er noch nie gehört hatte. Eine simple Fragestellung enthielt tausende kleine Probleme die beachtet werden mussten und jedes einzelne wurde angesprochen, wurde ausdiskutiert.

Er wunderte sich was Robin von dem ganzen hier halten würde, doch er konnte schon sehen wie sie sich erhob und ihre Meinung kundtat, er konnte sehen wie sie sich hier einbringen würde um die Welt zu verändern.

Rihaku beugte sich zu ihm und erläuterte mehrere Sachen mit leiser Stimme.

Sie hatte die undankbare Aufgabe erhalten Zorro alle seine Fragen zu beantworten und ihm Dinge die er nicht verstand zu erklären und davon gab es viele. Ganz ehrlich, hier unter all diesen Menschen fühlte der Schwertkämpfer sich wirklich dumm.

Aber er bemühte sich das nicht so deutlich nach draußen zu tragen.

Immer wieder flüsterte er Rihaku Fragen entgegen und sie beantwortete sie alle. Ob sie darüber genervt war, dass sie Zorros Babysitter spielen musste, wusste wohl nur sie selbst; ihre Miene verriet nichts.

Am frühen Abend war die Sitzung beendet und Zorro folgte Eizen und Rihaku in ihren Besprechungsraum; der kahlköpfige Mann, der neben Eizen gesessen hatte, war ebenfalls anwesend, an seiner Körperhaltung konnte Zorro erkennen, dass er vermutlich ein ziemlich guter Kämpfer war.

Nun wurde aufgearbeitet, diese Arbeit lag ihm noch weniger, aber eigentlich wurde von ihm ja auch nichts erwartet, er war Zuhörer, stiller Beobachter.

Trotzdem saß er da und las was Rihaku ihm vorlegte und antwortete auf die Fragen die Eizen ihm zwischendurch stellte.

Nicht, dass hier viel von ihm erwartet wurde. Eizen schien genau zu wissen was er ihn fragen konnte ohne dass er als Idiot dastehen würde. Denn das schien auch nicht in der Absicht des Politikers zu liegen. Manchmal nahm er Zorros recht plumpe Antworten und formulierte seine Worte so um, dass Zorro sie selbst gar nicht mehr verstand während Frau Rihaku neben ihm beflissen nickte.

So vergingen auch die restlichen Tage bis schließlich schließlich der Abend vorm Abreisetag anbrach.

Zorro hätte gerne gesagt, dass die Zeit wie im Flug vergangen wäre, dass er unsagbar viel über die Welt und sich selbst gelernt hatte und nun ein neuer Mensch war. Aber so war es nicht. Schon nach wenigen Tagen hatte ihn ein ständiger Kopfschmerz begleitet, der es unmöglich gemacht hatte in Ruhe Haki anzuwenden und er war ziemlich froh, dass er es fast geschafft hatte.

Gerade saß er in seinem Zimmer und versuchte sich die Namen der Leute einzuprägen die an der morgigen letzten Sitzung teilnehmen würden.

Er wusste noch nicht einmal wofür das nötig war, die meisten würde er doch eh nie wieder sehen.

„Darf ich reinkommen?“

Eizen stand in der Tür, wie immer trug er seine undurchsichtige Sonnenbrille.

„Wie ich sehe sind Sie noch fleißig, Liebes.“

Der Schwertkämpfer schluckte. Es war das erste Mal, dass der Politiker ihn in seinen Räumen besuchte. Perona war gerade im Zimmer nebenan um alles für die Abreise vorzubereiten.

Zorro entgegnete nichts sondern sah ihn nur kühl an.

Jetzt wo sie unter sich waren verbarg der Politiker sein Gesicht nicht hinter einer Maske aus Höflichkeit.

Der alte Mann schloss die Tür hinter sich.

„Und wie gefällt Ihnen Ihre erste Konferenz?“, fragte er unschuldig.

„Ich verstehe immer noch nicht warum Sie mich dabei haben wollen, Eizen“, entgegnete Zorro gelassen. „Wir beide wissen, dass ich von diesen Themen nicht viel verstehe und Frau Rihaku hat mit Sicherheit Wichtigeres zu tun als auf mich aufzupassen.“

Der andere lächelte und legte den Kopf leicht schief.

„Ich möchte, dass Sie einen Eindruck davon erlangen wie ein Kongress bei der Weltregierung abläuft. Ich möchte, dass Sie sehen wie die Leute sich verhalten, wie sie reden, wie sie sich bewegen. Ich möchte, dass Sie mit der Materie vertraut werden.“

„Warum?“

Zorro traute ihm kein Stück.

„Nun ist das nicht ganz offensichtlich? Sie werden bald an diesen Gesprächen teilnehmen, sie sogar leiten.“

Das Grinsen des Fremden wuchs ein Stück.

„Was?“

„Natürlich brauchen Sie sich keine Sorge zu machen. Sie werden vorher selbstredend geschult, ein so simples Gemüt wie das Ihre wird noch viel Training brauchen ehe Sie bereit sind, aber selbst dann werden anfallende Reden natürlich für Sie geschrieben.“

Hatte der andere ihn gerade als dumm bezeichnet?

Er war sich nicht sicher, der Typ benutzte immer so viele Worte.

„Warum sollte ich irgendwelche Reden schwingen, die Sie mir geschrieben haben?“

„Weil ich es Ihnen sage“, entgegnete der andere schmunzelnd.

„Und warum wollen Sie, dass ich das tue? Warum gehen Sie nicht selbst aufs Podium.“

Nun lachte der Politiker sachte.

„Wie oft werde ich es Ihnen noch erklären müssen, Liebes? Es ist Ihre Bestimmung, Ihre Gabe; die Leute werden Ihnen zuhören, Ihnen ihr Vertrauen schenken. Zunächst gehen wir in Bereiche die die breite Masse bewegen: Krieg, Sklaverei, Hungersnöte. Dort werden Sie viele Anhänger um sich scharen und dann gehen wir in die etwas sensibleren Themen, geben Ihnen die Tiefe und das nötige Fachwissen.“

Zorro schüttelte den Kopf.

„Warum? Warum ich?“

„Weil kaum einer sich für einen alten Politiker interessiert, für irgendwelche Schreibtischhengste. Aber Sie sind bekannt, jede Woche stehen Sie in der Zeitung und die Massen werden auf Sie hören.“

„Sie wollen mich missbrauchen um das Vertrauen der Leute zu erschleichen.“

„Keineswegs, Liebes.“ Der andere machte einen Schritt auf ihn zu. „Im Gegenteil, ich baue Sie auf, machen aus Ihnen das was nur wenige sein können. Ein Leitbild, ein Idol, eine Symbolfigur. Sie, Liebes, werden ein neues Zeitalter einleiten und es ist Ihnen noch nicht einmal bewusst.“

Nun stand der andere direkt vor ihm und Zorro fühlte sich gezwungen aufzustehen.

„Sie sollten dankbar sein, dass ich mir die Zeit nehme einem ungebildeten Schimpansen wie Ihnen den Weg zu bereiten. Ist es nicht ein eigenwilliges Schicksal, dass ein dreckiger Pirat dazu bestimmt ist die Welt zu verändern?“

Der Schwertkämpfer schluckte.

„Sie sind wahnsinnig, das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Was auch immer Sie vorhaben es wird nicht gelingen. Ich bezweifle, dass ich Ihren Erwartungen auch nur im Mindesten gerecht werden kann.“

Immer noch breit grinsend wandte der Politiker sich um.

„Oh Liebes, trotz Ihre eingeschränkten Geistes haben Sie meine Erwartungen schon weit übertroffen. Mihawk ist Ihr Schoßhündchen somit gehören die fünf Inseln schon längst zu Ihrem Gefolge und Sie verkaufen sich weit prächtiger als ich es je für möglich gehalten habe. Ich hatte Ihnen nicht so viel schauspielerisches Talent zugetraut. Selbst Rihaku hält Sie für gebildet und hat Gefallen an Ihnen gefunden.“

„Warum sind sie hier, Eizen? Warum erzählen Sie mir das alles?“ Zorro ignorierte die nun immer deutlich werdenden Seitenhiebe.

An der Tür angelangt sah der andere ihn wieder an.

„Ich möchte, dass Ihnen bewusst ist wohin die Reise gehen wird, Liebes. Ich möchte Ihnen zeigen was für Möglichkeiten Sie durch mich erhalten werden. Sie werden in ein paar Jahren zu den mächtigsten Menschen der Welt gehören.“

Dann zog der alte Mann seine Brille leicht hinab, sodass sie sich direkt ansehen konnten. Für einen kurzen Moment blitzten seine Augen leuchtend rot auf.

„Aber vor allem möchte ich, dass Ihnen Ihre Lage bewusst wird. Das Dorf Shimotzuki aus dem East Blue ist auf einer wichtigen Route der Marineschiffe, deswegen ist das Leben dort sehr friedlich. Wie Sie wissen befasst sich die morgige Sitzung mit Marineeinsätzen. Es wäre doch eine Schande, wenn die Route aus strategischen Gründen verändert werden müsste.“

Leise kichernd ging der andere und ließ Zorro zurück.

Atemlos fiel er zurück auf seinen Stuhl.

Wie sollte er je gegen diesen Typen gewinnen?

Am liebsten würde er ihm das Genick brechen, ihn ganz langsam, ganz schmerzhaft töten, und ihn dann ein für alle Mal los sein.

Er hatte gedacht er wäre ein Mitspieler, dem Politiker gewachsen, vielleicht sogar schon eine Gefahr, aber nein, er war nicht anders als der Samurai nur ein Spielstein auf dem Spielfeld der Politik.

Erschöpft vergrub er den Kopf in seinen Händen.

Vor noch nicht einmal einem Jahr war er im East Blue unterwegs gewesen, immer auf der Suche nach Falkenauge, dem besten Schwertkämpfer der Welt, hatte ein bescheidenes, unbedeutendes Leben geführt und jetzt, jetzt war er hier, in einer Welt die er nicht verstand.

Langsam fragte er sich wirklich wer er denn noch war?

War er denn wirklich noch Lorenor Zorro? Schwertkämpfer und Pirat?

Die zarten Finger vor seinen Augen sprachen eine andere Sprache.

„Verdammt!“

Er sprang auf und schlug gegen den Tisch vor ihm, zu seiner Überraschung flog dieser gegen die nächstbeste Wand und krachte zu Boden, ein Bein brach ab und rollte noch mehrere Meter weiter.

Verwundert sah er seine kleinen Hände an.

„Tze.“

 

-Mihawk-

Tag zehn!

Ja, er wusste es, er war ja kein Dummkopf, trotzdem stand er seit Sonnenaufgang im Schatten der Bäume und wartete darauf, dass am fernen Horizont ein Schatten den Himmel verdunkeln würde.

Was sollte er auch sonst tun?

Die letzten Tage waren ziemlich zäh gewesen; das Buch, welches Lorenor ihm übersetzt hatte, hatte er bereits am ersten Abend verschlungen und an den darauffolgenden Abenden noch mehrmals. Ansonsten hatte er nicht viel tun können. Die Zeitung hatte ihn tagtäglich vielleicht für eine Stunde beschäftigt, einzig die wenigen Artikel über den Kongress der Weltregierung hatten ihn etwas länger fesseln können.

War sein Leben wirklich immer schon so langweilig gewesen?

Es war nicht so, dass er hier stehen musste. Natürlich war er besorgt und auch ungeduldig, aber das konnte er genau so gut in seinem bequemen Sessel an der Feuerstelle sein.

Es war tatsächlich eher das Problem, dass er absolut nichts mit sich anzufangen wusste.

Seufzend lehnte er sich gegen den nächstbesten Baum.

Seit wann war sein Leben so grausam langweilig geworden?

Er hatte sogar angefangen Papierkram zu erledigen, obwohl so etwas ihn überhaupt nicht interessierte. Mehrfach hatte er versucht Jiroushin anzurufen, dieser war jedoch zurzeit nicht erreichbar.

Deswegen war er extra nach Sasaki gereist, doch sein Kindheitsfreund war nicht da gewesen. Immerhin hatte er ein Paket von Kanan abholen können.

Wenn er sich nicht irrte, mussten darin Lorenors neue Klamotten sein. Was auch immer sie sich zusammengedacht hatte.

Nun war er hier und fragte sich wie lange es wohl noch dauern würde bis das Schiff der Marine auftauchen würde.

Doch als die Sonne schon gefährlich nahe dem Horizont stand, war es kein Schiff der Marine, welches er in der Ferne ausmachen konnte.

Es war ein Schiff der Weltregierung.

„Dieser eingebildete Fatzke“, murrte er.

Neben den Weltaristokraten gab es nur ein oder zwei Menschen, die überhaupt so ein Schiff ihr eigen nennen durften. Eizen gehörte natürlich dazu und offensichtlich hatte er nichts besseres zu tun als Lady Loreen höchstpersönlich bis vor die Haustüre zu bringen.

Nun ja, immerhin brachte er Lorneor pünktlich Heim.

Die Sonne war schon halb hinterm Horizont verschwunden als das große Schiff endlich nahe genug gekommen war und ein kleines Boot ins Wasser hinabgelassen wurde.

„Willkommen daheim.“

Er konnte die Überraschung in den weit aufgerissenen Augen des Jungspunds sehen als er ihm wie immer eine Hand reichte um an Land zu kommen.

Perona und die Beamten der Weltregierung ignorierte er getrost, sollten die sich doch um das Gepäck kümmern.

Lorenor nickte ihm kurz dankend zu und trat dann den Weg zum Schloss an, ohne auch nur ein Wort zu sagen.

Offensichtlich hatten die vergangenen zehn Tage seinen Wildfang mit schlechter Laune versorgt.

Leise schmunzelnd folgte er dem Grünschopf.

„Also“, sprach er als er den anderen nach wenigen Schritten eingeholt hatte, „wie war es? Was wollte Eizen?“

„Können wir ausnahmsweise mal nicht darüber sprechen?“, murrte der andere ungewohnt rau für seine weibliche Gestalt. „Ich bin kurz davor diesem Mistkerl das Genick zu brechen.“

„Oh nein, war es so furchtbar?“ Der Samurai grinste immer noch über das Verhalten des anderen.

Doch dann wirbelte der verzauberte Pirat zu ihm herum und ihm verging das Lachen.

Lorenor war nicht nur wütend, das konnte er ganz einfach erkennen, seine Unterlippe zitterte, seine Fäuste bebten, er hatte die Augen weit aufgerissen und zwischen den Augenbrauen bildeten sich tiefe Furchen. Selten hatte er den anderen so komplett aufgewühlt gewesen.

„Können wir bitte trainieren?!“, brüllte der andere beinahe. „Wenn ich nicht irgendetwas tue, dann werde ich… Ich kann doch nicht...“

„Ich verstehe“, nickte er sachte und ging weiter.

Er verstand den anderen tatsächlich sehr gut. Dieses furchtbare Gefühl der Hilflosigkeit, der Machtlosigkeit, wenn man jemandem gehorchen musste. Die eigenen Hände gefesselt, der Willkür anderer ausgesetzt.

Schon lange glaubte er nicht mehr daran, dass Lorenor diesen Vertrag unterschrieben hatte, weil es zu Lady Loreen passte, wie der andere damals behauptet hatte. Natürlich erpresste Eizen auch den Jüngling, wahrscheinlich mit Dulacre und den Leuten auf Sasaki, womit auch sonst?

Er verstand warum Lorenor ihm das nicht sagte; Lorenor wusste, dass Dulacre nicht so bedacht handelte wie für gewöhnlich, wenn es um den verwunschenen Piraten ging. Aus genau diesem Grund hatte Dulacre das Thema auch noch nicht angesprochen, denn daraus würde nur ein erneuter Streit resultieren und den konnten sie sich derzeit nicht leisten.

Oder wollte er dem Unausweichlichen einfach aus dem Weg gehen um den brüchigen Frieden auf dieser kleinen Insel zu bewahren?

Schweigend eilten sie den Wald entlang und erreichten schließlich das Schloss.

„Verwandle dich und ziehe dich um, danach werden wir sogleich beginnen.“

Der andere reagierte noch nicht einmal sondern stürmte sofort davon.

Noch bevor er wieder auftauchte stand Perona im Türrahmen.

„Sag mal, hast du sie noch alle?!“, herrschte sie ihn an. „Wie soll ich alleine denn diese ganzen Gepäcksachen zum Schloss bringen? Du hättest zumindest...“

Unter seinem Blick schrumpfte sie zusammen.

„Das ist nicht mein Problem“, entgegnete er kalt. „Sprich Geistermädchen, was ist auf Mary Joa passiert?“

Immer noch verängstigt wich sie seinem Blick aus.

„Was wohl“, murmelte sie, „Eizen hat Lady Loreen zu den Sitzungen mitgenommen. Zorro war die ganze Zeit verplant und wenn er mal im Zimmer war, hat er immer nur gelesen, gelesen und gelesen. Ich hab mich zu Tode gelangweilt.“

Was hatte Eizen nur vor?

Wobei das konnte er sich fast denken; die viel wichtigere Frage war doch, warum?

Er entließ das Mädchen mit einem Wink als Lorenor den Raum betrat.

Jetzt als Mann wirkte er noch beeindruckender als vor wenigen Minuten und das obwohl seine Mimik nichts verriet, die Lippen eine dünne Linie wie so oft, die gewohnt ernste Miene, er sah beinahe aus wie immer.

Doch seine Augen sprachen Bände, verrieten noch mehr als das aufgewühlte Gesicht von Lady Loreen.

Der Dämon vom East Blue war offensichtlich erwacht.

Er folgte dem Jüngeren nach draußen, wohl wissend, dass sie heute keine komplizierten Techniken üben würden, der Jüngere musste sich austoben, seine angestaute Wut rauslassen.

Gerade wollte er ihm auftragen sowohl das Rüstungs- als auch das Observationshaki einzusetzen, da hatte der andere es bereits getan.

Unbeeindruckt sah Lorenor Zorro zu ihm hinüber.

„Können wir?“, knurrte er tief und dann lief er los.

Schwer seufzte der Samurai auf, doch dann rannte er dem anderen hinterher. Es war genau sein Plan gewesen, der Grünschopf sollte sich müde laufen, alles aus sich herausholen, damit er danach wieder klar denken konnte und so liefen sie wieder Runden um die Insel.

Es schien als hätte der andere während seiner zehntägigen Abwesenheit den Einsatz beider Fähigkeiten trainiert, allerdings nicht so viel wie Dulacre eigentlich erwartet hatte. Trotzdem sollte viel Zeit vergehen bis der andere anfing ruhiger zu werden, von Schwächeln konnte keine Rede sein.

Die ersten elf Runden jagte der junge Schwertkämpfer einer ungekannten Beute hinterher und brach dabei kein bisschen in seiner Geschwindigkeit ein.

Erst danach schien er langsam wieder Fassung zu gewinnen.

Die Sonne war mittlerweile untergegangen und mit jeder Sekunde wurde es dunkler, nicht dass sich einer der beiden davon stören ließ.

„Willst du jetzt drüber reden?“, bot der Schwarzhaarige an, der mit Leichtigkeit mit dem Jüngeren Schritt halten konnte.

„Nein!“ Die ernsten Augen waren stur geradeaus gerichtet, doch sein Kiefer war verkrampft. „Ich will kämpfen!“

Dann starrte der andere ihn beinahe herausfordernd an. „Ich will kämpfen!“

Missbilligend schüttelte der Samurai den Kopf.

„Lorenor, darüber haben wir doch schon oft genug gesprochen, ich werde nicht...“

„Dulacre!“ Lorenor war stehen geblieben, die Hände zu Fäusten geballt.

Der Ältere blieb stehen und betrachtete den Jüngeren eingehend.

„Du bist noch zu schwach; ich könnte dich schwer verletzten, aus Versehen töten.“

„Dann tu‘s halt nicht“, war alles was der andere entgegnete als er in Kampfstellung ging.

Keiner von beiden hatte Schwerter dabei, Yoru genoss seine verdiente Ruhe im Schloss und Lorenor hatte seine Schwerter zu Beginn des Trainings mit dem Rüstungshaki abgetreten.

„Tze, du bist unmöglich.“

Kopfschüttelnd öffnete er die Knöpfe seiner Weste und hing sie an den nächstbesten Baum, bevor er die Arme ausbreitete.

„Dann greif mich an, Lorenor. Zeig mir wie viel du dich verbessert hast.“

Er war nicht annähernd so gelassen wie er sich gab, aber er hatte zugestanden Lorenor nicht mehr nur wie einen Schüler, sondern mehr wie einen Kontrahenten zu behandeln, dann sollte der andere eben die Konsequenzen tragen.

Dieser ließ es sich nicht zweimal sagen und griff an.

Zu Dulacres Überraschung waren seine Attacken nicht annähernd so unkontrolliert wie er es erwartet hatte, sondern höchst kalkuliert. Der andere kämpfte anscheinend nicht emotional trotz seiner offensichtlichen Wut.

Der Samurai konzentrierte sich darauf Angriffe zu blocken oder ihnen auszuweichen, ohne selbst Haki anwenden zu müssen, dafür war der andere einfach noch nicht weit genug.

„Nicht so!“, knurrte der Jüngere zwischen zwei Schlägen. „Wehr dich!“

„Du bist ganz schön anmaßend“, meinte er nur und ließ den anderen ins Leere laufen. „Glaubst du tatsächlich, dass du auch nur einem Angriff von mir standhalten würdest?“

Lorenor wischte sich den Schweiß von der Stirn und grinste ihn böse an.

„Wir werden es wohl nie herausfinden wenn du es nicht tust.“

Der Ältere schnaubte laut auf und schüttelte halb grinsend den Kopf.

„Nun gut.“

Es war einfach, er wich den Fäusten aus, ein Mal, zwei Mal und dann schlug er zu!

Es war schon ein richtiger Schlag, nicht unbedingt ein Knockout in einem wahren Kampf, aber dennoch sollte es wohl genug sein um seinem Wildfang endlich mal Respekt zu lehren.

Er schmunzelte als Lorenor gerade noch rechtzeitig die Arme hochwarf und schützend vor seinem Kopf kreuzte.

Doch wieder einmal sollte der Jüngere ihn überraschen, langsam sollte das doch langweilig werden.

Anstatt wild durch die Luft zu fliegen, schlitterte er nur mehrere Meter zurück und blieb genau in dieser verteidigenden Position stehen, die Knie gebeugt, den Rücken gekrümmt, das Gesicht hinter den Armen versteckt.

Fassungslos sah er den Jüngeren an.

Es war nicht sein bester Angriff gewesen; er wusste, dass ein richtiger Schlag ausreichen würde um den Jüngeren umzubringen, aber trotzdem…

Wie es ihn ankotzte, dass der andere so schnell besser wurde.

„War… das schon alles?“, kam es stockend von dem Grünschopf ehe sein linkes Knie nachgab.

Mit beiden Händen musste er sich auffangen um nicht zu stürzen, dabei zuckte sein rechter Arm zurück und Lorenor verzog schmerzvoll das Gesicht. Mit diesem Arm hatte er den direkten Aufprall von Dulacres Schlag abgewehrt. Er wirkte nicht gebrochen, aber bereits jetzt schwoll er unnatürlich an.

Der andere atmete schwer, ließ ihn aber keine Sekunde aus den Augen, er war immer noch im Kampfmodus.

Langsam kam der Samurai auf den Jüngeren zu, ehe er schließlich auf ihn hinabsah.

Er konnte sehen wie Lorenor versuchte sich aufzurichten, aber kaum in der Lage war zu ihm hochzuschauen.

„Tze, vorlautes Gör!“

Er schnippte dem anderen gegen die Stirn und der Grünschopf knallte gegen den nächsten Baum.

„Uff!“

Alle Gliedmaßen von sich gestreckt blieb der Jüngere am Stamm liegen. Die Augen nur halb geöffnet, schwer am atmen. Ein feines Rinnsal aus rotem Blut glitt genau zwischen seinen Augen den Nasenrücken hinab und tropfte ihm auf die Unterlippe, während er den Kopf gegen den Stamm gelehnt hatte.

Die schwache Hülle die der Jüngere um sich gelegt hatte, war gebrochen und auch sein Observationshaki war inaktiv.

Verdammt, so gut sollte es sich nicht anfühlen dem anderen mal den Marsch zu blasen.

Ja, Dulacre musste aufpassen, dass er nicht Blut leckte, doch ein Grinsen konnte er nicht verbergen als er zu dem anderen trat.

„Zufrieden?“, meinte er betont blasiert, doch es wäre so einfach dem Jüngeren jetzt einen leichten Tritt in die Seite zu geben, vier oder fünf Rippen zu brechen, gar nicht mehr. Nur um ihm einfach mal…

Plötzlich sahen die grünen Augen ihn intensiv an.

„Das ist also dein Monster, was?“ Der andere beugte sich vor und hustete.

Dulacre machte einen Schritt zurück. Doch Lorenor warf nur den Kopf in den Nacken und lacht heiser auf.

Nicht verstehend beobachtete Dulacre wie der Jüngere lachte und sich zwischendurch über seinen schmerzenden Körper beschwerte.

„Ich kann nicht aufstehen“, murmelte er dann immer noch breit grinsend. „Ich kann noch nicht einmal aufstehen und mein rechter Arm tut höllisch weh. Sieht das für dich gebrochen aus?“

Dann sah der andere ihn wieder an und hielt ihm seinen arg geschwollenen Arm hin.

„Die Kluft zwischen uns ist echt noch riesig.“

Der Samurai schluckte schwer.

Sie war nicht annähernd mehr so groß wie er es erwartet hatte.

„Wie lange willst du mich noch so anstarren?“, meinte der Jüngere dann, immer noch dieses verschmitzte Grinsen.

Dann hatte Dulacre sich wieder gefasst und reichte dem anderen seineHand.

Vorsichtig wollte er den anderen nach oben ziehen, doch Lorenors Beine knickten weg und er wäre beinahe wieder gestürzt, wenn der Samurai ihn nicht aufgefangen hätte.

„Lächerlich“, murrte der andere gegen seine Schulter, „ich kann mich noch nicht einmal auf den Beinen halten.“

„Selbst Schuld“, entgegnete der Ältere nur und zog den linken Arm des anderen über seine Schulter und legte seine eigene rechte Hand um dessen Hüfte.

Es wäre wahrscheinlich einfacher sich den Grünschopf einfach über die Schulter zu werfen oder ihn mit beiden Armen hochzuheben, aber das wollte er nicht; er wollte, dass der andere selbst ging.

„Du hättest es dir nicht fragen sollen.“

Dulacre musste tief in die Knie gehen, damit Lorenor überhaupt den Boden berühren konnte, aber das machte ihm nichts aus.

Der andere atmete immer noch schwer während sie im Stockdunkeln zurück zum Schloss humpelten und unterwegs noch Dulacres Weste einsammelten.

„Doch, musste ich“, murmelte der Jüngere leise, „wie sonst soll ich dich kämpfen sehen?“

Ohne etwas darauf zu antworten brachte er den anderen zurück nach drinnen.

Die Verletzungen waren nicht schlimm, ein paar angeknackste Knochen, ein paar Prellungen, nichts ungewöhnliches für ihr Training. Aber er bemerkte wie viel zufriedener der Jüngere war, von seiner schlechten Laune war nichts mehr geblieben.

Perona hatte mittlerweile sämtliche Gepäckstücke nach drinnen geschafft, wie war Dulacre herzlich egal und auch bereits das Abendessen vorbereitet.

Er musste sich eingestehen, dass sie gar nicht so unnütz war.

Das gemeinsame Abendessen hatte etwas entspannendes, etwas lebhaftes, oder wirkte es nur so weil er zehn Tage alleine gewesen war?

Irgendwann schlenderten die beiden Schwertkämpfer zum Schachbrett hinüber und unterhielten sich ruhig während das Geistermädchen abräumte und sich danach zu Bett verabschiedete.

Auch hier erzielte Lorenor langsam aber sicher Fortschritte, allerdings deutlich langsamer als im Schwertkampf.

„Dulacre“, murmelte er schließlich als er einen seiner Bauern vom Schlachtfeld nahm. „Ich muss dir etwas erzählen. Ich habe Jiroushin getroffen.“

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2019-04-08T09:53:51+00:00 08.04.2019 11:53
Ein tolles Kapitel. Gut geschrieben. Gefällt mir.
Das Training hat Zorro definitiv gut getan. Das folgende Gespräch sollte interessant werden. Mal sehen, was Falkenauge davon hört. Ich bin gespannt.

LG
Antwort von:  Sharry
14.04.2019 09:47
Hey,
ich danke dir für deinen Kommentar. Oh ja, das Gespräch war mit Sicherheit interessant, zumindest gehe ich davon aus o.o' mehr sage ich nicht ;-P

Liebe Grüße
Sharry


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