Eine erbarmungslose Entscheidung von Sharry ================================================================================ Kapitel 25: Kapitel 23 - Einkehr -------------------------------- Kapitel 23 - Einkehr   -Zorro- Er hatte etwas anderes erwartet. Wochenlang hatte er sich vor diesem Moment gegraust. Sowohl schlaflose Nächte als auch unheilvolle Albträume hatten ihn gewarnt. Tausende Situationen hatte sich sein Unterbewusstsein ausgemalt wie sein Training zu einem Horrorszenario werden würde, in dem Moment wo Falkenauge ihm das Rüstungshaki beibringen wollte. Unzählige Male hatte er davon geträumt wie er zwischen den Ruinen zu sich kommen würde, von Blut besudelt, vor ihm die verunstalteten Leichen der beiden einzigen anderen Menschen auf dieser Insel. Unzählige Male hatte er sich vorgestellt wie diese unbändige Kraft in ihm heranwachsen und dann ungeplant aus ihm herausbrechen würde, alles vernichten würde was ihm im Weg wäre. Ja, seit dem Tag, an dem er zugestimmt hatte von Mihawk die Anwendung des Rüstungshakis zu lernen, seit jenem Tag hatte er sich vor dem Trainingsbeginn gefürchtet, auch wenn er das nie zugeben würde. Aber das die Dinge sich so entwickeln würden hatte er nicht erwartet. „Nicht nachlässig werden, Lorenor!“, schollt sein Lehrmeister während er entspannt neben ihm her lief, selbst jetzt trug der Samurai noch sein vermaledeites Hemd und das, obwohl es schon mindestens ihre achte Runde um die Insel herum sein musste, er schien noch nicht mal zu schwitzen. Ganz anders Zorro selbst. Es war nicht so, dass ob er nicht die Kondition hätte ein paar Runden um die Insel zu joggen, zu mal sie nicht gerade schnell unterwegs waren, und trotzdem lief der Schweiß wie Regen seine Schläfe hinunter. Vor Anstrengung schaffte er es noch nicht einmal dem Älteren eine passende Antwort entgegenzuschleudern, sondern konzentrierte sich darauf gleichmäßig zum Takt seiner Schritte ein- und auszuatmen. Ihm war leicht schwindelig und von der frischen Meeresbrise wurde ihm schlecht. Er wusste, dass Mihawk ihm ansehen konnte wie es ihm ging und er wusste, dass der Samurai keine Rücksicht üben würde. Im Gegenteil. „Was? Machst du etwa jetzt schon schlapp? Das waren doch noch keine zehn Runden.“ Zorro musste sich eingestehen, dass er damals, als er den Älteren dazu ermutigen wollte ihn nicht mehr zu bevormunden, keine Ahnung gehabt hatte worauf er sich eingelassen hatte. Die ersten paar Tage hatte er dem Samurai die Umstellung sichtlich angemerkt, die Sorge im Blick, die geschürzten Lippen, das unzufriedene Schnalzen mit der Zunge. Aber mittlerweile hatte der Andere wohl die sadistische Seite in sich entdeckt. Ein böses Grinsen umspielte seine sonst so ernsten Züge, wie so oft in letzter Zeit wenn Zorro das Gefühl hatte am Rande seiner Kräfte angekommen zu sein. Er hatte geglaubt, dass das bisherige Training mit dem Samurai hart gewesen war, dass das Training des Observationshakis eine Herausforderung gewesen war, aber wie er sich geirrt hatte. Seit etwa drei Wochen hatte Mihawk sein Training angepasst, seit etwa drei Wochen trainierten sie Tag und Nacht. Dem Samurai war es egal, wenn er sich dazwischen in Loreen verwandelte, gab ihm keine Verschnaufpause, forderte noch mehr von ihm, forderte ihn bis er zusammenbrach und darüber hinaus. Am Anfang war es einfach gewesen, auf der Stelle stehen, konzentrieren, Zorro hatte nur wenige Stunden gebraucht um den unsichtbaren Panzer um seinen Körper zu legen, es war wie damals gewesen, ganz einfach. Ein schwacher Panzer, kaum für irgendetwas geeignet, nicht zum verteidigen und geschweige denn zum angreifen, aber sein Körper hatte sich erinnert wie man Rüstungshaki einsetzte und so war es beinahe ein leichtes gewesen, dieses nicht greifbare Schutzschild hervorzurufen. Das war jedoch der leichte Part gewesen, der Part den Zorro gekannt hatte, in dem Mihawk von ihm fast das gleiche gefordert hatte wie damals der Mann der Marine. Doch nachdem Zorro das geschafft hatte, hatte der Samurai etwas ganz anderes von ihm verlangt. Zu Beginn des Trainings hatte Zorro seine Schwerter abgeben müssen, etwas was ihm nicht leicht gefallen war, aber er hatte sich nicht gewehrt; wenn er ehrlich war, war er erleichtert gewesen. Damals hatte er früh damit angefangen die Ummantelung von Gegenständen zu lernen, noch bevor er überhaupt einen vernünftigen Panzer herstellen konnte. Mihawk ging ganz anders an die Sache heran. Kaum hatte Zorro es geschafft einen schwächlichen Abklatscht einer unsichtbaren Rüstung aufzubauen, hatte der Ältere verlangt, dass er sich beim Herstellen des Panzers bewegte. Und das war um ein vielfaches schwieriger. Nun verstand Zorro, warum die meisten Mitglieder der CP9 damals ihren Eisenpanzer nur einsetzen konnten, wenn sie sich nicht bewegt hatten. Es war eine Sache das Rüstungshaki in Ruhe einzusetzen. Schicht über Schicht, bis der Panzer hart genug war. Mit ein bisschen Übung brauchte man dafür nur Sekundenbruchteile. Das war was Zorro damals gelernt hatte, doch das war nicht was Dulacre von ihm wollte. Deshalb joggten sie, Runde um Runde um diese gottverlassene Insel. Die ersten Tage war es ein Ding der Unmöglichkeit für Zorro gewesen, zu laufen und gleichzeitig Rüstungshaki einzusetzen, er war sich unglaublich dämlich dabei vorgekommen. Mihawk hätte genauso gut von ihm verlangen können sich Flügel wachsen zu lassen. Irgendwann hatte er den Bogen raus gehabt und seitdem bestand sein Training aus nichts anderem. Dem Samurai war es egal, ob er Zorro oder Loreen war, er machte keinen Unterschied, Zorro musste die körperlichen Unterschiede selbst herausarbeiten und sich seine Kräfte selbst einteilen. Am Anfang hatte er es nicht gut hingekommen, drei Mal war er auf dem kühlen Waldboden zu sich gekommen, nachdem er vor Erschöpfung ohnmächtig geworden war. Mittlerweile war er besser. Der Panzer, den er herstellen konnte, war immer noch viel zu dünn um wirklich im Kampf eingesetzt zu werden, aber immerhin konnte er sich dabei frei bewegen und war noch nicht durchgedreht. Wenn Zorro ganz ehrlich war, war er überrascht. Er hatte sich große Sorgen vor diesem Training gemacht und nun musste er sich eingestehen, dass es genauso war wie er sein Training mochte: hart, unbarmherzig und mit klarem Fortschritt. Vor wenigen Minuten hatte er zum neunten Mal die Anlegestelle des Sargbootes passiert und nun gaben seine Beine nach. Er stolperte einige Schritte, ehe er sich mit beiden Armen abfangen musste. „Wenn dein Panzer durch den Sturz zerbricht, hast du den Sinn des Rüstungshakis nicht verstanden“, hallten die Worte seines Lehrmeisters zu ihm rüber, der noch nicht einmal stehen geblieben war, sondern stetig weiterlief. Zorro rappelte sich auf. Ihm war immer noch schwindelig und er hatte das Gefühl sich übergeben zu müssen. Die Erzeugung einer Rüstung beanspruchte den ganzen Körper, anders als jedes Training, anders als jeder Kampf, sich dabei noch zu bewegen war als wollte man gleichzeitig schreien und Luft holen. Als er aufsah konnte er den verschwommenen Rücken des Schwarzhaarigen sehen, der nicht daran dachte auf ihn zu warten. Entschieden stand er auf und rannte weiter, die Schritte unbeholfen, taktlos. Immer wieder gaben die Knie nach, doch er rannte weiter. „Und was soll das werden, wenn‘s fertig ist?“ Er versuchte zum Samurai aufzuholen. „Es geht nicht darum, dass wir hier ein paar Runden laufen, das ist dir schon klar, oder? Setzt dein Haki ein sonst brauchen wir nicht weiter machen.“ Nun war er fast wieder auf einer Höhe mit dem Älteren, der mühelos über den schweren Waldboden rannte. Wieder bemühte er sich seinen Atem zu beruhigen, schloss für einen kurzen Moment die Augen und konzentrierte sich. Als er sie wieder öffnete, konnte er das leichte Prickeln auf seiner Haut spüren. Er wusste nicht wie lange er noch durchhalten würde, aber aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Sein Blick klebte auf einem Punkt zwischen den Schulterblättern des Samurais und er verfiel einem seltsamen Trott. Er ignorierte seine schmerzenden Glieder und seinen erschöpften Körper, vergaß das Prickeln auf seiner Haut und das leichte Dröhnen in seinem Schädel. An den Rändern seines Blickfelds tanzten schwarze Punkte, die seine Sicht immer wieder verschwimmen ließen, einzig und allein Rücken des Älteren blieb deutlich zu erkennen und so rannte Zorro, nahm kaum etwas um sich herum war. Hörte manchmal die Stimme des Schwarzhaarigen, doch verstand seine Worte nicht. Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, wie viele Runden sie gelaufen waren, er dachte überhaupt nicht mehr nach und dann, ganz plötzlich, verfärbte sich der Rücken des Samurais vor ihm für einen Moment in eine grelle Mischung aus Lila und Grün, ehe die Welt schwarz wurde.   -Mihawk- Ein leises Puff ließ ihn inne halten. Lorenor war wohl wieder umgekippt. Seufzend blieb er stehen und drehte sich nach seinem Schützling um. Es war nicht das erste Mal, dass der junge Schwertkämpfer bis zur völligen Erschöpfung trainiert hatte, im Laufen einfach umgekippt, vermutlich bewusstlos ehe er den Boden erreicht hatte. Dulacre fuhr sich durchs Haar. Dieses Kind kostete ihn seinen letzten Nerv. Wochenlang hatte er versucht dem Jungspund beizubringen auf seinen eigenen Körper acht zu geben, doch dem Piraten schien das ganz egal zu sein. Dulacre mochte es nicht, wie der Jüngere sich selbst bis zur Ohnmacht trieb, seinen Körper quälte bis dieser aufgab. Er selbst hatte nie so trainiert. Er hatte geschwitzt, hatte geblutet, aber das hier war ein Extrem, welches ihm beinahe unangenehm war. Doch er tat sein Bestes diese innere Stimme der Vernunft zu ignorieren. Denn immerhin musste er zugeben, dass diese ungewohnte Art des Trainings, dieser harte, erbarmungslose Kampf bis zur Besinnungslosigkeit, für den Jüngeren funktionierte. Der Samurai wusste, dass sein Schüler weit oberhalb der Norm talentiert war. Die letzten Wochen hatte er Zeit gehabt sich daran zu gewöhnen, dass Lorenor überaus begabt war, ein Naturtalent wie es im Buche stand, aber er hatte in seinem Leben schon einige hochbegabte Schwertkämpfer kennen gelernt und die Meisten waren Naturtalente gewesen. Nein, der große Unterschied zu all diesen Schwertkämpfer war alleine dieser nie versiegende Kampfeswille, dieser Biss mit dem der Jüngere trainierte, bis sein Körper ihn verriet. Genau diese Einstellung sorgte dafür, dass Lorenor ihn immer wieder überraschte. Hatte er schon zu Beginn sein Talent unter Beweis gestellt, so hatte er doch Probleme mit dem Observationshaki gehabt und verhältnismäßig lange dafür gebraucht es in seinen Grundlagen zu lernen, wobei er selbst da noch schneller gewesen war als der Durchschnitt, mit dem sich Dulacre zum Glück nicht herumschlagen musste. Aber gerade deswegen war es beinahe schockierend gewesen, wie schnell der Jungspund das Rüstungshaki anwenden konnte; nicht beinahe, es war schockierend, tatsächlich fehlte Dulacre dafür eine passende Erklärung. Lorenor hatte mit seiner kleinen Horrorgeschichte aus seiner Kindheit hohe Erwartungen in ihm geweckt; er hatte stark bezweifelt, dass selbst ein Lorenor Zorro diese Fähigkeit so schnell anwenden konnte, doch der Jüngere hatte es ihm bewiesen, hatte nur wenige Stunden gebraucht für etwas, wofür der Durchschnitt auch schon mal Wochen brauchen konnte. Dulacre hatte es nicht erwartet, aber glücklicherweise war er in der Lage mit unvorhersehbaren Entwicklungen umzugehen. Um den Druck etwas von seinem Schüler zu nehmen hatte er dessen Schwerter abgenommen. Obwohl Lorenor nicht darüber sprach konnte Mihawk seine Sorge spüren. Der Jungspund glaubte tatsächlich, dass er eine Gefahr für den Samurai werden konnte. Kopfschüttelnd über diese unnötige Befürchtung erreichte er seinen Schützling. Lorenor mochte ein Ausnahmetalent sein, mochte eine Begabung haben die seinesgleichen suchte, mochte seinen Traum zielstrebig und verbissen verfolgen, das alles mochte der Wahrheit entsprechen und trotzdem, trotzdem war er noch weit von seinem Ziel entfernt. Trotzdem stellte der Jungspund nicht im mindesten eine Bedrohung für ihn da und auch wenn Lorenor die Anwendung des Rüstungshakis in einer Schnelligkeit lernte, die selbst ihn überraschte, so war seine Rüstung doch noch so schwach wie ein Blatt Papier, an die Verhärtung war noch gar nicht zu denken. Da Lorenor bereits schlechte Erfahrungen mit der Technik gesammelt hatte, war es Dulacre wichtig gewesen, ihm die Anwendung auf einen völlig anderen Weg nahe zu bringen. Anstatt ihn darauf zu trainieren, den Panzer so schnell wie möglich möglichst stark und hart werden zu lassen, sorgte er dafür, dass Lorenor sich auf andere Dinge konzentrierte. Es war ein großer Schwachpunkt vieler Marinesoldaten, die zwar einen vernünftigen Panzer aufrufen konnten, aber nicht in der Lage waren sich damit zu bewegen. Er empfand es als viel sinnvoller zunächst die Ausdauer zu trainieren, so lange bis es beinahe etwas selbstverständliches für Lorenor sein würde die unsichtbare Rüstung dauerhaft zu tragen. Anders als das Observationshaki, was hauptsächlich eine Konzentrationsleistung war und nur den Kopf beanspruchte, betraf das Rüstungshaki den ganzen Körper und konnte einen unerfahrenen Anwender im Kampf eher behindern als schützen. Deswegen sollte Lorenor einen möglichst normalen Umgang mit der Technik lernen, ehe er anfangen sollte sie zu verbessern. Erst wenn der Pirat in der Lage war das Rüstungshaki über einen längeren Zeitraum problemlos aufrechtzuerhalten und dabei zu kämpfen, oder in diesem Fall joggen, würde sie sich daran geben den Panzer zu verstärken und wenn möglich sogar zu verhärten. Und erst dann, erst wenn Lorenor die Verhärtung geschafft hatte, erst dann wollte Dulacre seinen Schützling dazu ermutigen sein Rüstungshaki auf Gegenstände auszuweiten. Er hoffte, dass diese etwas andere Herangehensweise dazu führen würde, dass der Jüngere das Rüstungshaki kontrollieren würde und nicht umgekehrt. Mit einem Blick auf den am Boden liegenden Schwertkämpfer überlegte er was er tun sollte. Seine innere Uhr sagte ihm, dass Lorenor sich bald verwandeln würde. Erneut seufzte er ehe er sich den Jüngeren über die Schulter warf und den Rückweg antrat. Immer noch ärgerte er sich über jenen Marinesoldaten, der einem unbedarften Kind die Anwendung von Haki innerhalb weniger Tage hatte lehren wollen. Unabhängig vom Talent des Schülers war es seiner Ansicht nach grob fahrlässig solche Techniken unter Zeitdruck zu vermitteln. Gerade das Haki benötigte eine genaue Anwendung, eine präzise Ausführung, insbesondere wenn man gerade erst anfing es zu verstehen. Jemand der solche Dinge nicht beachtete nur um sich selbst zu profilieren war nicht zum Lehrer geeignet. Im Schatten des Waldes konnte Dulacre Bewegungen ausmachen. Es überraschte ihn wenig, dass die Humandrills sie beobachteten. Natürlich trauten sie sich nicht ins Licht, hatten zu viel Angst vor ihm, doch er war sich nicht sicher, dass sie sich vor Lorenor genauso in Acht nehmen würden, zumindest nicht sobald dieser vom Training geschwächt zusammen sacken würde. Ein Grund mehr warum er den Jungen beim Training nicht aus den Augen lassen konnte. Vor ihm erhob sich das alte Schloss im immerwährenden Nebel, die Berge im Hintergrund drohend wie eh und je. Er mochte diese Insel, mochte diese bittere Ruhe, diese düstere Gelassenheit die sie ausstrahlte und Lorenors Anwesenheit brachte das notwendige Leben in die kalten Hallen. Leider brachte auch das nervige Geistermädchen Lärm und Unordnung mit sich. Am liebsten würde der Samurai sie rauswerfen, lieber heute als morgen, aber es schien als würde Lorenor sie mögen, hatte er ihn doch überzeugt sie bleiben zu lassen. Immerhin hatte sie sich mittlerweile in ihrer Rolle als Hausfrau ergeben, sorgte für ihr leibliches Wohl, wusch Wäsche und kümmerte sich um Lorenors Wunden. Dulacre ließ sie gewähren so lange sie sich als nützlich erwies. Außerdem konnte sie Lorenor bei seinen Frauenproblemen helfen und das war eine der wenigen Sachen, mit denen er selbst sich nicht wirklich auseinandersetzen wollte. Der Junge auf seiner Schulter rührte sich immer noch nicht, doch plötzlich begann sein Gewicht abzunehmen, erst fiel der eine dann der andere Stiefel. Dulacre blieb stehen. Es war ein seltsamer Moment, obwohl er Lorenor schon mehrmals dabei beobachtet hatte wie dieser sich verwandelte, so war es doch nichts an das er sich gut gewöhnen konnte. Vorsichtig nahm er das bewusstlose Kind von seiner Schulter, nun hatte er nichts mehr mit dem Dämonen des East Blues gemein, das lange grüne Haar, das unschuldige Gesicht und das sollte Lorenor Zorro sein? Seufzend verteilte der Samurai das Puppengewicht auf seinen Armen, hob die Stiefel hoch und setzte seinen Weg fort. Wenige Minuten später hatte er das Schloss erreicht. Der Pirat in seinen Armen war immer noch ruhig, doch das Geistermädchen hingegen schien es sichtlich zu genießen das Gemäuer für sich zu haben. Ähnlich wie Kanan verbrachte das Gör mit den rosa Zöpfen die Arbeitszeit damit laut vor sich hin zu singen, doch verschiedener hätten ihre Musikgeschmäcker nicht sein können. Die alte Haushälterin bevorzugte die traditionsreichen Volkslieder, die sie immer mit Inbrunst dahin schmetterte. Wenn Perona hingegen sang, klagte ihre Stimme durch die leeren Flure wie das Trauerlied eines Geistes. Er hatte für Musik nie viel übrig gehabt, empfand sie wenn überhaupt als störend. Doch wenn er ganz ehrlich war dann fand er die Musikwahl der Geisterprinzessin doch als angebracht. Es passte zur Insel und es passte zum Schloss erfüllt von Klageliedern zu sein. Aber natürlich würde er das nie zugeben. Während Dulacre den Eingangsbereich durchquerte konnte er ihre Geister sehen, die verschwanden sobald sie ihn sahen, ähnlich wie die Humandrills im Wald. Die junge Frau nutzte sie wohl als persönliche Wachhunde, die sie sofort informierten sobald jemand hereinkam. Ihm sollte dies nur Recht sein auch wenn er es nicht mochte, dass sie dadurch auch ihn kontrollierte. Doch für den Moment ignorierte er diesen Gedanken während er seinen Schützling in das Gesellschaftszimmer brachte, den Raum in dem sie hauptsächlich ihre Freizeit verbrachten. Im Kamin brannte ein munteres Feuer und auf dem Tisch standen verschiedenste Variationen von buntem und süßem Gebäck. Der Samurai fragte sich was die Geisterprinzessin wohl damit anstellte, wenn es niemand essen würde. Lorenor legte er aufs große Sofa und warf eine Decke über ihn. Sie hatten vier Tage durchtrainiert, nur Pausen gemacht damit Lorenor sich umziehen konnte oder wenn dieser vor Erschöpfung kaum noch hatte stehen können. Geschlafen hatten sie nicht. Zum Essen war kaum Zeit gewesen. So etwas passierte schon einmal, wahre Kämpfe konnten über Tage hinweg gehen, man musste lernen seine Kräfte einzuteilen und Lorenor war darin bereits sehr gut. Zufrieden mit der vergangenen Einheit griff sich der Samurai ein Glas und eine Flasche Wein vom Beistelltisch ehe er zum Esstisch hinüber schlenderte. Süße Speisen lagen ihm nicht sonderlich, allerdings musste er zugeben, dass das dunkle Fingergebäck ihn doch reizte. Er steckte sich die aktuelle Zeitung unter die Armbeuge und nahm dann die begehrte Schale mit der freien Hand. Beladen machte er sich auf zu seinem Lieblingssessel, von wo aus er sowohl die Türe als auch das Sofa im Blick haben konnte. Er sollte nicht enttäuscht werden, sowohl Wein als auch Gebäck schmeckten ausgezeichnet. Ja, er konnte wirklich zufrieden sein. Leise lächelnd schlug er seine Lieblingslektüre auf. In diesem Moment hörte er das Klicken der Türe gefolgt von den klackenden Absätzen des Geistermädchens. „Ihr seid wieder zurück“, sprach sie das offensichtliche aus während er noch nicht einmal aufsah. „Geht‘s Zorro gut?“ Ihre Stimme zeigte wie üblich kaum Sorge. Es war nicht das erste Mal, dass sie den Piraten bewusstlos vorfand und Dulacre war sich sicher, dass sie auch nicht besorgt sein würde solange er selbst ruhig blieb. „Es war ein anstrengendes Training“, entgegnete er schlicht. Falls sie wortlos auf seine Antwort reagierte entging ihm das, da er weiterhin seine Aufmerksamkeit auf die Zeitung gerichtet hatte. Jedoch konnte er hören wie sie sich ebenfalls am Gebäck bediente ehe sie sich auf dem kleinen Schemel neben dem Sofa auf dem der Pirat lag niederließ. Für ihre Verhältnisse war sie verdächtig ruhig doch er entschied diese Ausnahmesituation auszunutzen und nicht weiter nachzufragen. Beim Umblättern bemerkte er, dass sie tatsächlich las was eher selten vorkam, nicht dass es ihn in irgendeiner Weise interessierte. Auch entging ihm nicht der Blick den sie dem ohnmächtigen Piraten immer wieder zuwarf. Das war wohl das einzige was sie beide verband, ihre stete Sorge um Lorenor Zorro, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen. „Ist in den vergangenen Tagen Post eingetroffen?“, eröffnete er nun das Gespräch anstatt weiter in diesem Gedankenstrudel hinab zu gleiten. „Nur ein Brief, der Umschlag sah sehr nach Eizen aus.“ Er konnte ihr anhören, dass auch sie davon nicht begeistert war. Seit ihrem Aufeinandertreffen mit dem Politiker schien sie sich vor ihm zu fürchten. Missbilligend schürzte er die Lippen. In den vergangenen Wochen hatte Lorenor immer wieder Briefe und auch kleine Pakete von Eizen bekommen und Lorenor weigerte sich ihm zu erklären was er erhalten hatte. Noch immer konnte er kaum glauben, dass der junge Pirat wirklich einen Vertrag mit diesem machtbesessenen Menschen eingegangen war, doch was er auch sagte oder tat, Lorenor hatte ganz unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er darüber nicht mit Dulacre reden würde. Dass der Jüngling etwas verheimlichte war offensichtlich, doch solange der Samurai sich nicht dazu hinablassen würde die Privaträume seines Schützlings zu durchsuchen, würde er nicht herausfinden was. „Du solltest ins Bett gehen, ich bleibe wach.“ Überrascht schaute er auf. Perona sah ihn direkt an. „Du willst doch nur sicher gehen, dass es Zorro gut geht. Aber um ehrlich zu sein siehst du nicht viel besser aus. Hast du die letzten Tage überhaupt geschlafen?“ Das hatte er nun davon, dass er sie angesprochen hatte. Schon wieder nahm sie sich zu viel heraus. „Du solltest dich wirklich ausruhen. Ich kann hier bleiben bis Zorro aufwacht.“ „Deine Bedenken sind unangebracht“, meine er kühl, „mein Wohlergehen ist nicht von deiner Sorge abhängig.“ Sie schnaubte wütend auf. „Ich wollte nur nett sein“, fauchte sie direkt. Es war sehr einfach sie in Rage zu bringen. „Auch das ist nicht nötig. Wir sind keine Freunde, das hier ist lediglich eine Zweckgemeinschaft. Vergiss ja nicht, dass Lorenor derjenige war, der dich hierbleiben ließ. Mir ist deine Anwesenheit eher ein Dorn im Auge.“ „Du bist so gemein!“ Wütend war sie aufgesprungen. „Ich kann dich auch nicht leiden, aber deswegen musst du mir das doch nicht jedes Mal unter die Nase reiben!“ Mit klackenden Schritten und hüpfenden Zöpfen rauschte sie davon. Laut knallte die Türe hinter ihrem Rücken zu, doch selbst davon wollte Lorenor sich nicht wecken lassen. Seufzend wandte er sich wieder seiner Zeitung zu, selbst ihr Abrauschen glich einem dramatischem Auftritt. Er wusste wirklich nicht was Lorenor an ihr fand. Erneut konzentrierte er sich auf die Blätter in seinen Händen.   Überrascht richtete er sich auf. Mit einem leisen Rascheln rutschte die Zeitung von seinem Schoß und fiel auf den Boden. Er konnte sich nicht erinnern, wann er eingeschlafen war. Der Raum war dunkel. Nur noch ein schwaches Glimmen des längst vergangenen Feuers warf groteske Schatten an die Wände. Nahe dem Kamin saß Lorenor, eine Hand beinahe wie in Trance nach der Hitze ausgestreckt. Sein kurzes Haar feuerrot verfärbt vom Licht der sterbenden Glut. Sofort musste Dulacre an seinen Traum denken, an jenen Traum wo der Jüngere ihm im Schlaf besucht hatte nur um ihn dann umzubringen. Er wusste nicht warum, aber es schien etwas ähnliches in der Luft zu liegen. „Lorenor, was machst du da?“, fragte er und ärgerte sich über sich selbst als seine eigene Stimme beinahe zaghaft die Stille zerbrach. Augenblicklich riss der Pirat seine Hand zurück und sah überrascht zu ihm herüber. „Du bist wach“, entgegnete er nur. „Welch Observationstalent“, murmelte er mit einem Grinsen und stand auf. „Dir scheint es wieder besser zu gehen.“ Der Jüngere nickte und stand ebenfalls auf. „Es tut mir leid, dass ich dir Umstände bereitet habe.“ „Nicht doch. Allerdings bereitest du dem Geistermädchen immer wieder Sorge.“ Der Pirat hob eine Augenbraue an. „Ach, mach ich das?“, fragte er mit einem leichten Grinsen nach. „Warum hast du mich schlafen lassen, Lorenor?“, lenkte Dulacre das Thema in andere Bahnen. Der Jungspund zuckte nur mit den Achseln. „Warum denn nicht? Schienst müde zu sein.“ Der Samurai musste gestehen, dass er nicht einschätzen konnte wie viel Zeit vergangen war. Da vor den Fenstern finsterste Nacht herrschte musste er jedoch mindestens fünf Stunden geschlafen haben, wenn nicht sogar länger. „Wie dem auch sei. Wir sollten ins Bett gehen. Eine Nacht erholsamer Schlaf ist bei deinem Trainingspensum wohl sinnvoll.“ Er schritt Richtung Tür. „Hör mal, ich muss mit dir reden.“ Lorenor klang zögerlich, machte lange Pausen zwischen den Wörtern als wüsste er nicht, wie er ansprechen sollte was besprochen werden musste. Dulacre wandte sich wieder um. Der Pirat hatte sich auf die Lippe gebissen und rieb sich den Nacken. „Hat es mit Eizen zu tun?“, fragte er direkt nach und am knappen Nicken des anderen wusste er seine Befürchtung bestätigt. „Worum geht es?“ Nun sah der Jüngere ihn ernst an. „Es gibt eine Veranstaltung auf die er mich gerne mitnehmen würde um mich mit meinen politischen Aufgaben vertraut zu machen.“ Einen Moment war er ruhig. „In Ordnung. Du hast zugesagt?“ Wieder nickte der andere. Dulacre spürte wie er aufmerksamer wurde. Die Worte die ihm auf der Zunge lagen konnte er nicht aussprechen, ohne dass dieses Gespräch in einen Streit enden würde. Er verstand nicht, warum Lorenor willentlich für den Politiker arbeiten wollte, am Geld konnte es nicht liegen. Seiner Meinung nach sollte der Junge vor ihm diesen alten Mann zum Teufel jagen. Je enger Loreen mit Eizen in Verbindung gebracht wurde, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass irgendein aufmerksamer Zeitungsleser die richtigen Schlüsse Richtung Lorenor Zorro ziehen würde. Eine Zusammenarbeit mit Eizen war in mehrerer Hinsicht äußerst gefährlich. „Und wann?“, fragte er nun anstatt zu sagen was er dachte. Er wusste nicht warum Lorenor sich nicht umstimmen ließ, er wusste nur, dass ihm etwas entging. „In einer Woche, ein Schiff der Marine ist bereits auf dem Weg hierher und sollte in den nächsten Tagen ankommen.“ Unzufrieden schnalzte er mit der Zunge und fing an mit verschränkten Armen durch den Raum zu tigern. „Und das sagst du mir erst jetzt?“ „Besser als am Tag vorher, oder?“ Der Jüngere klang nicht trotzig aber mit Sicherheit auch nicht entschuldigend. Er informierte ihn, fragte aber nicht um Erlaubnis. Es war ganz offensichtlich, dass Lorenor seine eigenen Entscheidungen treffen wollte und er hatte kein Mitspracherecht. Tief atmete er ein. „Na ja, das ist jetzt nicht mehr zu ändern. Wir sollten mit dem Geistermädchen sprechen, dass wir ein paar Tage nicht da sein werden. Du solltest mir so etwas früher mitteilen, damit ich es einplanen kann. Für dein Training ist das nicht gerade förderlich.“ Er konnte kaum verhindern, dass sein Missfallen in die gesprochenen Worte tropfte. Er hatte gewusst, dass es irgendwann auf so etwas hinauslaufen würde, natürlich wollte Eizen Lady Loreen auch nutzen, es ging um mehr als nur um Kontrolle. „Also um ehrlich zu sein“, nun hörte sich Lorenor zurückhaltend an, ein deutliches Warnsignal, „also, du kannst nicht mitkommen.“ „Wie bitte?“ Er wirbelte zum Jungspund herum, der immer noch wie angewurzelt am Kamin stand. „Laut Eizen geht es um höchst provokante Themen in Krisengebieten und die Anwesenheit eines Samurai würde den anderen Parteien falsche Signale senden.“ „Und seit wann interessiert es mich was Eizen denkt?“, entgegnete er barsch. „Ich hoffe du bist nicht so blauäugig und kaufst ihm diese Ausrede ab. Es geht ihm darum mich von dir zu trennen.“ „Das weiß ich auch“, murrte der Jüngere, der nun ebenfalls die Arme verschränkte. „Warum gehst du dann darauf ein?“, brauste er auf und schritt nun eilig auf den Jüngeren zu. „Es ist mir egal welche Beweggründe Eizen vorgibt, dieses Spiel werden wir nicht mitspielen, verstanden? Ich werde dich begleiten, ob es ihm passt oder...“ „Hör auf“, unterbrach der andere ihn kühl und sah unbeeindruckt zu ihm auf. Eine Sekunde war es totenstill, selbst die knisternde Glut verstummte unter der Anspannung. „Was?!“ Die Rage, die sich in ihm anstaute, ließ sich kaum noch bändigen, Lorenor auf der anderen Seite war die Ruhe in Person. „Wir hatten dieses Thema schon so oft“, sprach der Jüngere weiter, „du musst aufhören mich wie ein dummes Kind zu behandeln. Ich mag die Situation nicht und ich würde lieber hier mit dir trainieren als den Lackaffen eines dahergelaufenen Politikers zu spielen, aber...“, unterbrach er Dulacre ehe dieser überhaupt sprechen konnte, „aber ich bin nicht blöd, klar? Mit Ruffy als Käpt‘n müssen wir auf alles gefasst sein. Ich hatte weder von Enis Lobby gehört noch von Sir Crocodile. Du hast selbst gesagt, dass einen in der neuen Welt alles erwarten kann. Ich muss nicht nur stärker werden, ein besserer Kämpfer und Stratege werden. Ich muss unsere Feine kennen.“ Langsam legte sich sein Zorn. „Ich hab mich nie für Politik oder Geschehnisse in der Welt interessiert, aber ich verstehe mittlerweile, dass ich nicht weiterhin so naiv durchs Leben gehen kann. Das hast du mir beigebracht.“ Immer noch starrte Lorenor zu ihm herauf, er war ernst und klar. Wie viel reifer er doch schon geworden war. Seufzend drehte Dulacre sich zum Fenster und zerbrach somit alles was noch an Spannung übrig gewesen war. „Natürlich verstehe ich das. Aber warum Eizen? Wenn du dein politisches und gesellschaftliches Fachwissen aufpolieren möchtest bin ich gerne dabei bereit dir zu helfen, ohne dass du direkt dem Risiko ausgesetzt bist entlarvt zu werden, oder schlimmeres.“ Halbherzig lachte der Jüngere in seinem Rücken auf. „Mit Eizen komme ich schon klar. Aber du musst zugeben, dass ein einflussreicher Politiker vielleicht ein besserer Lehrer ist als ein Samurai, der am liebsten nichts mit dem ganzen Kram zu tun hätte.“ „Tze“, entgegnete er nur, doch er konnte dem kaum widersprechen. Er war in dieser Welt groß geworden, aber gefallen hatte sie ihm nie. „Ich denke ich werde jetzt schlafen gehen“, beendete Lorenor das Gespräch, „dann können wir die nächsten Tage noch gut nutzen.“ „Du solltest das Geistermädchen mitnehmen.“ „Wohin? Ins Bett?“ Dulacre rollte mit den Augen und wandte sich zu seinem Schützling um. „Zu dieser Veranstaltung. Sie kann dir bei Frisur und Kleidung helfen. Außerdem ist sie deutlich besser im Wählen ihrer Ausdrucksweise als du. Lady Loreen wurde bisher noch nie ohne meine Begleitung gesehen und gerade nachdem bekannt wurde, dass sie gesundheitliche Probleme haben könnte, wäre es äußerst widersprüchlich wenn sie plötzlich alleine unterwegs wäre.“ Der Jüngere hob eine Augenbraue und wartete darauf, dass Dulacre zu ihm aufholte. „Meinetwegen“, murrte er dann, „obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass du sie nur loswerden willst, weil du nicht mit ihr alleine hier sein möchtest.“ Sie verließen das Kaminzimmer. „Selbstredend. Alleine ihre Stimme treibt mich in den Wahnsinn.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)