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Eine erbarmungslose Entscheidung

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntag euch allen,

bei der Überarbeitung dieses Kapitels ist mir aufgefallen, dass das Schlafzimmer in dieser ganzen Geschichte um Zorro und Mihawk herum von ganz prägnanter Bedeutung ist und doch irgendwie ganz anders als normalerweise in einer fanfic ^^' Ich weiß auch nicht warum das so ist. Vielleicht sollte ich mal aufhören Zorro immer kaputt zu machen, vielleicht wirds dann besser ;-)


Ich wünsche euch ganz viel Spaß mit diesem Kapitel.
Liebe Grüße
eure Sharry Komplett anzeigen

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Kapitel 21 - Bettgeflüster

Kapitel 21 – Bettgeflüster

 

-Mihawk-

Nach ein paar Stunden erholsamen Schlafes wachte er auf.

Mit einem leisen Lächeln streckte er sich und stand auf. Selten hatte er sich nach einer Auszeit so erholt gefühlt.

Der kurze Aufenthalt auf Sasaki war aufschlussreich gewesen. Wenn man von der kleinen Auseinandersetzung mit seinem ehemaligen Kindermädchen absah sogar recht erfolgreich. Er konnte wirklich zufrieden mit dem Verlauf sein. Lorenor entwickelte sich prächtig, Jiroushin hatte es geschafft befördert zu werden und sein Traum wurde wahr.

Es besorgte ihn ein wenig, dass seine zukünftigen Gespräche mit seinem Kindheitsfreund nur noch über Babynahrung und Windeln gehen könnten, aber diesen Preis war er mehr als bereit zu bezahlen.

Seufzend streckte er sich erneut, durch das kleine Fenster am Kopfende konnte er den bereits heller werdenden Nachthimmel sehen, der Morgen konnte nicht mehr fern sein und dementsprechend konnte auch Kuraigana nicht mehr weit entfernt sein.

Also war es an der Zeit nach seinem starrköpfigen Schüler zu sehen.

Doch als er oben angekommen war musste er feststellen, dass der Grünschopf tief schlafend mitten auf dem Deck lag, das lange Haar wie ein See um ihn ausgebreitet.

Kopfschüttelnd wollte er ihn wecken, doch dann bemerkte er es.

Lorenor schlief nicht, zumindest nicht so wie sonst. Normalerweise schlief der Jüngling auf dem Rücken, entweder alle Viere von sich gestreckt und vor sich hin murmelnd oder ruhig wie ein Toter, sich nicht bewegend.

Doch gerade lag er auf der Seite, einen Arm seltsam unter sich begraben, den anderen schlaff über der Körpermitte hängend. Noch nicht einmal die Schuhe hatte er sich ausgezogen. Als Mädchen müsste er in diesen Klamotten und ohne Decke frieren, aber den Jüngeren schien das nicht zu stören.

Langsam realisierte er es, Lorenor schlief nicht, er war ohnmächtig.

Er beugte sich hinab und klatschte dem jungen Piraten sanft gegen beide Wangen, doch nichts geschah. Ein, zwei Mal sprach er den anderen an, aber mit einer Reaktion rechnete er noch nicht einmal und war dementsprechend auch nicht überrascht, dass der andere nicht reagierte.

„Was ist mit dir geschehen?“, flüsterte er schließlich und hob das Kind wie eine Puppe hoch.

Lorenor rührte sich nicht, lag schlaff in seinen Armen.

Mit vorsichtigen Bewegungen trug er den Jüngeren unter Deck und legte ihn aufs noch warme Bett. Aufmerksam brachte er Lorenor in eine seitliche Position und achtete darauf, dass der andere gut atmen konnte ehe er ihn zudeckte.

Danach hockte er sich auf die Bettkante und fuhr sich durch die Haare. Trotz der Sorge wusste er, dass er nichts tun konnte.

Da der junge Pirat nicht schlief sondern ohnmächtig war, würde es Dulacre nicht gelingen ihn aufzuwecken. Er könnte ihm den Schädel zertrümmern und der andere würde nicht reagieren.

Doch sein Herz schlug stark und er atmete stetig. Einzig seine Haut schien bedenklich kühl.

Wie lange der andere draußen wohl bewusstlos gelegen hatte?

Aber die wichtigere Frage war doch warum der andere überhaupt ohnmächtig war.

Körperlich schien er wohlauf zu sein und während der vergangenen Tage war nichts vorgefallen, was einen plötzlichen Ohnmachtsanfall erklären würde.

Obwohl er es besser wusste rüttelte er den anderen leicht.

„Tze, was machst du nur für Sachen? Wach auf, Lorenor.“

Doch natürlich gehorchte der andere ihm nicht, wahrscheinlich schon rein aus Prinzip.

 

Wenig später hatten sie Kuraigana schließlich erreicht.

Lorenor war immer noch nicht bei Bewusstsein, sodass er ihn in eine Decke wickelte und hochhob.

Auf seinem Weg zum Schloss begegnete ihm niemand, nicht dass er das erwartet hätte. Es schien ein ungewöhnlich guter Tag zu werden, denn der sonst so dichte Nebel ließ die Morgensonne fast ungebrochen durch, erhellte die sonst so düstere Landschaft.

Das Kind in seinen Armen war leicht wie eine Feder – beinahe leichter als der Beutel mit Klamotten den er sich ebenfalls über die Schulter geschmissen hatte - und rührte sich immer noch nicht als Dulacre sich Zugang zum Schloss verschaffte.

„Zorro, Falkenauge? Seid ihr das?“, erklang fast sofort die Stimme des Geistermädchens, nachdem das Tor hinter ihm zugefallen war.

„Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du mich Mihawk nennen sollst“, entgegnete er herablassend während die junge Frau auf der anderen Seite des Vorzimmers auftauchte. Sie hatte ihr Haar in zwei wilde Zöpfe geflochten und ihr blassrosa Kleid war von Rüschen nur so übersät.

„Was ist passiert?“ Ihre runden, bunt geschminkten Augen lagen auf dem Kind in seinem Armen. „Ist er verletzt? Wurdet ihr angegriffen?“

Missbilligend schnalzte er mit der Zunge.

„Natürlich nicht. Glaubst du wirklich ich würde bei einem Angriff zulassen, dass Lorenor verletzt werden würde?“

Sie sah ihn mit großen Augen an, sagte jedoch nichts und erst einen Moment später realisierte er, was er gerade gesagt hatte.

Er schüttelte den Kopf und eilte durch den Raum.

„Hör mit diesen Flausen auf, Geistermädchen. Wie Lorenor und ich dir schon mehrfach gesagt haben, enthalten diese Zeitungsartikel die du sammelst kaum mehr als einen Funken Wahrheit.“

Er schritt an ihr vorbei.

„Ich bringe Lorenor ins Bett. Bereite bitte einen Tee vor und ich würde etwas von deinem Apfelkuchen begrüßen.“

„Und noch einmal, ich bin nicht deine Magd.“

Er ging weiter und sie folgte ihm.

„Aber Falkenauge?“

„Mihawk, so schwer ist das nicht.“

„Du gibst also zu, dass es zumindest einen Funken an Wahrheit gibt?“

Überrascht blieb er stehen und starrte sie an. Die Frau mit den rosa Haaren hingegen hatte ein beinahe böses Grinsen auf den Lippen und nickte wissend, während sie einen ihrer Zöpfe um ihren Finger wickelte.

„Ich geht dann mal Tee machen.“

Kopfschüttelnd wandte er sich ebenfalls um und schritt weiter. Es war sinnlos mit ihr zu diskutieren, sie war weder seine Zeit noch seine Worte wert.

Im Zimmer seines Schülers angekommen legte er eben diesen auf dessen Bett ab.

Danach suchte er sich einen Stuhl und wartete.

Es erinnerte ihn daran, wie er das erste Mal an Lorenors Bett gewacht hatte, damals, als er noch nicht hatte wissen können, wer dieses zerbrechliche Mädchen mit dem langen grünen Haar war; damals, als er noch gedacht hatte, dass Lorenor ein für alle Mal gestorben wäre.

Nach einer Weile tauchte das Geistermädchen samt Tee auf und gesellte sich zu ihm.

„Müssen wir uns keine Sorgen machen? Sollten wir keinen Arzt rufen?“, fragte sie und reichte ihm einen Teller mit Kuchen.

Dankend nahm er an.

„Nein, ein Arzt würde so oder so zu lange brauchen. Kein Grund zur Unruhe. Physisch ist er vollkommen gesund, vielleicht hat er sich etwas verkühlt, aber ansonsten geht es ihm gut.“

„Er ist ohnmächtig“, meinte sie sarkastisch, „das verstehe ich nicht unter gutgehen.“

„Er wird bald aufwachen.“

Für einen Moment sah sie ihn an.

„Weißt du das oder möchtest du mich nur beruhigen?“

Er erwiderte ihren Blick problemlos und brachte sie dazu wegzuschauen.

„Hör auf damit“, murrte sie.

„Ich mache doch gar nichts“, schmunzelte er.

In einvernehmlichen Schweigen warteten sie gemeinsam und aßen ihren Kuchen.

Nach einer Weile jedoch wurde das Mädchen unruhig. Sie stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen, das Klacken ihrer Absätze hallte von den Steinwänden wider und ihre Zöpfe wippten im Takt. Er hingegen hatte sich die Zeitung vom Teetablett herangezogen und las sie nun aufmerksam.

„Könntest du bitte einer Beschäftigung nachgehen, die etwas weniger störend ist?“

Sie stöhnte entnervt und setzte sich wieder hin, nicht dass ihr wippendes Bein wirklich viel besser war, aber wenigstens war es leiser.

Seufzend blätterte er eine Seite um, doch er konnte nicht verhindern, dass er aus dem Augenwinkel beobachtete wie sie eine ihrer Rüschen nach und nach ausfranste.

„Es macht wirklich keinen Unterschied ob du nun die Zeit mit etwas sinnvollem verbringst oder nicht. Lorenor wird nicht schneller aufwachen nur weil du um sein Bett kreist wie eine aufgescheuchte Glucke.“

Als er von den bedruckten Blättern aufschaute konnte er sehen wie sie die Arme verschränkte und ihn anstarrte.

„Wie kannst du nur so ruhig sein?“, fragte sie eine Spur zu laut. „Zorro ist meinetwegen ein Dickkopf und ihm passiert so schnell vielleicht nichts, aber in diesem Körper ist er schwach. Du hast die ersten Tage hier nicht mitbekommen; er ist mir alle paar Stunden umgekippt wenn er sich überanstrengt hatte. Aber dabei war er nie so lange bewusstlos wie jetzt.“

Einzelne Geister entglitten ihrem Körper, sie schien wahrlich aufgewühlt.

„Vielleicht hast du Recht, vielleicht fehlt ihm nichts. Aber was ist wenn doch, was ist wenn er Hilfe braucht und wir hier nur dumm herumsitzen?“

Erneut seufzte er und faltete die Zeitung zusammen.

„Glaube mir wenn ich sage, dass das höchst unwahrscheinlich ist. Aber selbst wenn dieser unwahrscheinliche Fall eintreten sollte könnten wir es nicht ändern. Wenn Lorenor wirklich dringende Hilfe benötigt, dann ist er bereits verloren, denn weder du noch ich können ihn in einem solchen Fall ausreichend medizinisch versorgen und kein Arzt könnte rechtzeitig kommen.“

Entsetzt starrte sie ihn an.

„Machst du dir denn gar keine Sorgen“, flüsterte sie, „oder warum kannst du dabei so gelassen bleiben?“

Kopfschüttelnd erhob er sich, die Geister stoben davon und verschwanden im Nichts.

„Nur weil man einen Sachverhalt mit Logik betrachtet bedeutet das noch lange nicht, dass man sich keine Sorgen macht“, entgegnete er und sah zu ihr hinab.

Es war für ihn unverständlich gewesen warum Lorenor ihn überzeugt hatte, dass sie bleiben durfte.

Dieses nervige Mädchen mit den rosa Zuckerwattehaaren und einer Vorliebe für Kuscheltiere und Süßkram hatte für ihn immer eine Zumutung dargestellt. Beim Training hatte sie oft zugesehen und ungewollte Kommentare zum Besten gegeben. Bei gemeinsamen Mahlzeiten oder Abendstunden hatte sie nicht selten eine unangebrachte Spannung erzeugt, die nie vorgeherrscht hatte, wenn er und Lorenor unter sich waren.

Selbst ihre Kochkünste waren zu Anfang eher eine Belastung gewesen, sodass er nicht selten selbst in der Küche gestanden hatte – Lorenor ließ er nicht mehr in die Nähe des Herdes, nachdem dieser ihn fast in die Luft gejagt hatte.

Er konnte sie nicht leiden, von ihrer lauten Stimme bis zu ihren lächerlichen Geistertricks. Lorenor schien mit ihr klar zu kommen und sie schien den jungen Piraten sogar recht zu mögen, auch wenn Dulacre nicht genau wusste warum. Ihm gegenüber war sie jedoch meist unhöflich und respektlos.

Aber er konnte auch nicht abstreiten, dass sie sich bei Eizens unerwarteten Besuch als nützlich erwiesen hatte. Während Dulacre selbst auf dem Schlachtfeld gewesen war, hatte sie sich um Lorenor gekümmert und er wusste nur zu gut, dass dies keine einfache Aufgabe war.

Auch jetzt bemühte sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten Lorenor zu helfen und ihre Sorge war offensichtlich echt, nicht gespielt.

Dieses Mädchen und er hatten nichts gemein, aber zumindest eine Sache verband sie.

„Ich gehe davon aus, dass Lorenor noch für eine gewisse Zeit nicht zu sich kommen wird und würde das gerne nutzen um mich zu duschen und umzuziehen. Ist es dir Recht solange alleine auf ihn aufzupassen?“

Nach einer Sekunde nickte sie.

„Ja klar, aber...“

„Ich werde nicht lange brauchen und wenn etwas sein sollte wäre ich dir dankbar, wenn du mich schnellstmöglich informieren würdest.“

„Sag mal, Fal...Mihawk warum machst du das? Warum trainierst du Zorro?“

Diese Frage überraschte ihn tatsächlich, doch er konnte ein Lächeln nicht verhindern.

„Er ist ein vielversprechendes Talent, es wäre eine Schande es zu vergeuden.“

Damit wandte er sich zur Tür.

„Und wo wir gerade dabei sind“, sprach er weiter ohne sich umzudrehen, „auch du besitzt Fähigkeiten, die richtig genutzt nützlich sein könnten. Allerdings hast du die Dimensionen deiner Kräfte noch nicht einmal ansatzweise erforscht und deine Kontrolle ist alles andere als solide.“

„Was fällt dir ein, du...“

„Du beabsichtigst doch zu Moria zurückzukehren, oder? Solltest du dann nicht etwas mehr wie Lorenor handeln und etwas weniger wie du?“

Er ging hinaus und ignorierte ihre hinterhergeworfenen Flüche.

 

-Zorro-

Du bist noch nicht tot, Wanderer. Noch nicht.

Zorro riss die Augen auf.

Über ihm hing der schwere Stoff des Baldachins. Er war offensichtlich in seinem Bett auf Kuraigana.

Gedämmtes Sonnenlicht verfing sich in den alten Vorhängen und warf kalte Schatten an die Decke.

„Willkommen zurück, Lorenor.“

Überrascht ließ er seinen Kopf zur Seite fallen. Neben seinem Bett saß der beste Schwertkämpfer der Welt, die Beine überkreuzt, ein kleines Buch in seinem Schoß. Wie immer trug der Schwarzhaarige ein einfaches Hemd und eine dunkle Hose, trotzdem wirkte etwas anders an ihm auch wenn Zorro es nicht genau einordnen konnte.

„Was ist passiert?“, murrte er und setzte sich auf. Sein Kopf dröhnte leicht und er fühlte sich wie nach dem Kampf gegen Moria, ausgelaugt und gereizt.

„Das würde ich gerne von dir erfahren. Ich fand dich bewusstlos an Deck.“

„Was?“

Der Samurai nickte. „Vor drei Tagen.“

Er starrte den anderen an.

„Ich war drei Tage bewusstlos?“

Erneut nickte der Ältere und dann bemerkte Zorro es. Die Haare des Samurais lagen nicht so glatt an wie sonst, sein Bart schien unebener, seine Augen noch ernster als eh schon.

„Was soll dieser Blick?“, fragte Mihawk der seine Begutachtung wohl sofort bemerkt hatte.

Zorro wusste welches Buch der andere las, ohne dass er genauer hinschauen musste.

„Und du hast diese drei Tage nicht geschlafen, oder was?“, murrte er stattdessen.

Der andere errötete leicht doch hielt seinen Augen stand.

„Du musst dir um mich keine Sorgen machen. Irgendwer musste doch sicher gehen, dass du nicht an deiner eigenen Zunge erstickst.“

Der Jüngere wandte den Blick ab und betrachtete seine kleinen Hände.

„Also?“, hakte der Ältere nach, „willst du mir erzählen was passiert ist?“

„Keine Ahnung“, antwortete er knapp und zuckte mit den Schultern.

„Du willst mir sagen, dass du noch nicht einmal weißt weshalb du für drei Tage ohnmächtig warst?“

Aufseufzend massierte er seine Schläfen und stützte die Ellenbogen auf seinen Beinen ab.

„Genau das will ich damit sagen“, entgegnete er grob.

„Du scheinst wieder Kopfschmerzen zu haben.“

Zorro sah auf und begegnete dem durchdringenden Blick des Samurais.

„Wie auf Sasaki, kurz bevor du ohnmächtig wurdest.“

„Was willst du damit sagen?“

Der Ältere stand auf.

„Nichts bestimmtes. Es ist offensichtlich, dass diese beiden Symptome miteinander verknüpft sind. Aber wie dem auch sei, du solltest etwas essen und vielleicht möchtest du ja auch das Bad aufsuchen.“

Dulacre legte das unscheinbare Buch auf den kleinen Tisch neben dem Bett.

„Ich werde dem Geistermädchen Bescheid geben, sie war sehr besorgt.“

Zorro nickte nur. Sein Lehrmeister benahm sich genauso, wie er ihn kannte. Rational und kontrolliert und doch konnte Zorro ihm ansehen, dass ihn das ganze mehr beschäftigte als er zugeben würde.

Allerdings wollte er sich darüber jetzt wirklich nicht seinen bereits schmerzenden Schädel zerbrechen.

„Und du erinnerst wirklich an nichts?“

Der Ältere sah zu ihm hinab, die Stirn in tiefe Falten gelegt.

Erneut fuhr Zorro sich durchs Gesicht und strich dann die langen Haare zurück.

„Doch“, murmelte er dann, „ich hab das Wort Wanderer im Kopf.“

Offensichtlich erstaunt hob der andere eine Augenbraue an.

„Wanderer? Warum?“

Er lachte trocken auf. „Woher soll ich das wissen?“

 

Einige Minuten später kam Zorro aus dem Bad. Zu seiner Überraschung war Mihawk bereits wieder da, augenscheinlich am lesen.

Der Ältere schaute kurz auf, las dann jedoch weiter, er musste das Buch schon mindestens zehn Mal zu ende gelesen haben.

Zorro hatte versucht sich zu verwandeln, aber es klappte nicht, vielleicht war er zu erschöpft.

Er hatte den Blick des anderen bemerkt.

„Was?“, murrte er.

„Es ist nichts“, entgegnete der Samurai und lenkte seine blasierte Aufmerksamkeit zurück auf sein Buch.

Erschöpft ließ Zorro sich aufs Bett fallen.

Es war nervig. Seit er sich verwandeln konnte war er andauernd erschöpft. All diese wirren Träume, dann die Kopfschmerzen und jetzt wurde er auch noch grundlos ohnmächtig. Er hatte keine Zeit tagelang bewusstlos im Bett zu versauern.

„Zerbrich dir nicht unnötig den Kopf, Lorenor.“

Verwirrt sah er auf. Mihawk seufzte und klappte das Buch zu.

„Es ist ein Prozess den dein Körper durchlebt, das ist ganz offensichtlich. Das stetige Verwandeln schwächt dich, seitdem du deinen ursprünglichen Körper zurück hast plagen dich Albträume und schlaflose Nächte. Die wiederkehrenden Kopfschmerzen und der Ohnmachtsanfall sind nichts weiter als ein Zeichen, dass der Progress bald abgeschlossen sein wird.“

Unbeeindruckt lehnte Zorro sich zurück.

„Woher zur Hölle weißt du das und was soll das überhaupt sein? Was passiert, wenn der Prozess abgeschlossen ist?“

Der Ältere lachte leicht herablassend. „Ich bitte dich, woher könnte ich das wissen? Ich stelle nichts weiter an als Vermutungen.“

„Na super, heißt du rätst auch einfach nur ins Blaue hinein.“

Der Samurai entgegnete nichts, doch Zorro konnte seinen harten Blick fühlen.

„Du denkst also, dass es bald vorbei sein wird?“, fragte er dann murrend und starrte den Himmel seines Betts an.

„Ich hoffe“, meinte der andere ruhig, „weitere Ohnmachtsanfälle wären für dein Training wirklich hinderlich, außerdem kann ich mir bessere Beschäftigungen vorstellen, als aufzupassen, dass du dich...“

„.Ja ja, ich hab‘s kapiert.“

In diesem Moment kam Perona herein und die Ruhe war vorüber.

Sie hatte ein Tablett mit Essen und Zorro musste feststellen, dass er wirklich fast am verhungern war.

Während er aß, stritt sie lebhaft mit Falkenauge, der zwar knapp antwortete aber nach Möglichkeit versuchte sie zu ignorieren.

Über ihre Unterhaltung hinweg wuchsen Zorros Kopfschmerzen wieder was der Samurai zu bemerken schien, denn nach kurzer Zeit schickte er Perona hinaus und verabschiedete sich ebenfalls mit der Aufforderung, dass Zorro noch etwas schlafen sollte.

Ungewollt befolgte er diesen Rat nach einigen Minuten.

 

Als er wieder zu sich kam war es dunkel. Nur die kleine Nachttischlampe gab warmes Licht ab.

Das Schloss war ruhig, er konnte den Wind außerhalb der Mauern hören, begleitet von dem gleichmäßigen Atem des Schwermeisters und dem gelegentlichen Blättern von Papier.

Es musste mitten in der Nacht sein.

„Warum bist du nicht im Bett?“, flüsterte er, zerbrach diese angenehme Ruhe und richtete sich auf.

„Ich bin nicht müde“, entgegnete der Ältere und sah ihn an. „Du siehst besser aus.“

Zorro nickte. Er fühlte sich deutlich besser als vorher, seine Kopfschmerzen waren nicht mehr als ein leises Summen im Hintergrund und er konnte sich an seine Träume erinnern, sie waren zwar immer noch verworren, aber irgendwie hatte er das Gefühl, sie zu kennen, sie zu erkennen.

„Mir geht es auch besser“, murmelte er und fuhr sich durchs Gesicht. „Ich glaube ich erinnere mich an irgendetwas.“

„Du erinnerst dich?“, fragte der andere verwirrt und lehnte sich zu ihm. „Was meinst du damit? Woran erinnerst du dich? Wie du ohnmächtig wurdest?“

Er schüttelte den Kopf.

„Nein“, meinte er und rieb sich den Nacken, „nein, das nicht. Ich bin mir nicht sicher, es ist alles so...“ Er konnte es nicht genau beschreiben.

„Was immer es ist, bald scheint es vorüber zu sein“, meinte der andere schließlich, nachdem er nicht weitergesprochen hatte. Wie so oft schien es als wüsste er etwas, wovon Zorro keine Ahnung hatte.

„Bis dahin hätte ich allerdings eine Frage an dich.“

Zorro sah den Älteren an, dieser hielt ihm das Buch hin, welches er bis gerade gelesen hatte.

Der Grünschopf kannte es. Schließlich hatte er es selbst geschrieben oder eher übersetzt.

Es erzählte die Sagen Alciels, einem uralten Königreich von Kriegern, vor Ewigkeiten vernichtet, seine Nachfahren ausgerottet. Dem Samurai nach gab es kaum jemanden der diese Sprache noch sprach, vielleicht niemandem neben Zorro selbst. Er hatte diese Sprache von seiner Mutter gelernt, die schon in seiner Kindheit gestorben war.

Eine dieser Geschichten, die Sage um den Schwertkämpfer Hakuryuu war der Grund gewesen, warum Zorro bereits als Kind hatte Schwertkämpfer werden wollen. Seine Mutter hatte ihm diese Geschichte früher immer erzählt und er hatte entschieden diese Bücher für den Samurai zu übersetzen, denn schließlich enthielten diese vierzehn Bücher die ersten Lehren der Schwerkunst. Bisher hatte er allerdings nur geschafft das erste, welches nur Geschichten und Märchen enthielt, zu übersetzen.

„Was ist damit?“ Er nahm das kleine Buch entgegen und betrachtete die Seite, die der Ältere aufgeschlagen hatte.

„Das ist die Legende Hakuryuus“, murmelte er.

„Genau. Mir ist aufgefallen, dass das Ende dieser Geschichte von dem abweicht, was du mir damals erzählt hast.“

Verwundert schaute er auf. „Und?“

„Nun ja, ich frage mich welche Version die echte ist.“

Zorro zuckte mit den Schultern und schnaubte leise. „Es ist doch nur ein Märchen, Dulacre. Jeder weiß, dass sich solche Geschichten über Zeit und Generationen hinweg verändern. Meine Mutter hat mir wahrscheinlich erzählt was ihr erzählt wurde, vielleicht mit anderen Worten und wer weiß schon, ob ich mich an alles richtig erinnere. Warum beschäftigst du dich mit so etwas?“

Mihawk schien mit dieser Antwort nicht zufrieden. Missbilligend verzog er die dünnen Lippen und starrte auf das Buch in Zorros Händen.

„Ich möchte die Wahrheit wissen, so simpel ist das“, sagte er schließlich, fast wie ein bockiges Kind.

„Die Wahrheit?“ Zorro lachte leise auf. „Es ist ein Märchen. Wer weiß, ob es Alciel je gab und wer weiß was davon stimmt. Warum ist irgendetwas davon wichtig?“

Der Ältere lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

„Du sagtest der Jüngste von Hakuryuus Schülern hat diese Bücher geschrieben, nicht wahr?“

Zorro nickte.

Mihawk seufzte. „Das könnte erklären warum in der Geschichte nichts darüber steht, dass Hakuryuu wahnsinnig wurde und deshalb seinen Ziehvater - den König - umgebracht hatte. Ein Schüler himmelt seinen Lehrmeister für gewöhnlich an und ist blind gegenüber dessen Fehler.“

„Wie bitte?“ Nun lachte Zorro vor Sarkasmus auf.

„Du stellst wohl ein Ausnahme dar.“

„Oh ja, ganz sicher.“

Eine Sekunde grinsten sie beiden.

„Ist das der einzige Unterschied, der dich stört? Dass im Buch nicht steht, dass er durchgedreht ist und deswegen der ganze Terz?“

„Ist es dir wirklich nicht aufgefallen?“ Der Ältere sah ihn ernst an.

„Was?“

„Bitte Lorenor. Hakuryuu besaß das Heldenschwert, geschmiedet aus dem Reißzahn eines Drachen. Für zwölf seiner Schüler ließ er daraus zwölf Schwerter schmieden. Du selbst hast diese Worte geschrieben.“

„Worauf willst du hinaus?“

Nun lehnte Zorro sich ebenfalls vor.

„Ist doch offensichtlich, Lorenor. Es geht um die zwölf Drachenschwerter. Der älteste Schüler erhielt das größte und mächtigste aus dem Kern des Heldenschwertes geschliffen. Das ist Yoru. Es ist die Entstehungsgeschichte von meinem Schwert.“

Ihm klappte der Mund auf.

„Meinst du das ernst?“

Der Samurai beugte sich noch weiter vor, ein ungekanntes Feuer in den sonst so kühlen Augen und ein breites Grinsen auf den Lippen. Er wirkte deutlich jünger als sonst, wie ein neugieriges Kind.

„Ja, ich denke schon. Ich meine, es ergibt alles Sinn. Niemand weiß wo die Drachenschwerter herkamen und das Material von Yorus Klinge ist einzigartig. Wie konnte mir das damals entgangen sein?“

Kopfschüttelnd biss Zorro sich grinsend auf die Unterlippe.

„Und wenn es nur ein Zufall ist? Zwölf ist eine Zahl, die oft in alten Sagen verwendet wird.“

„Und wenn es kein Zufall ist?“

Sie sahen einander an, nur wenige Zentimeter zwischen ihnen.

Zorro konnte es spüren, dieses Feuer, diese Neugierde. Noch nie hatte er jemanden anderen getroffen, der sich für solche Theorien über die Schwertkunst begeistern konnte, der selbst anfing darüber zu grübeln. Keiner seiner Freunde hatte ihn je verstehen können. Robin hatte sich manchmal aus reiner Freundlichkeit mit ihm darüber unterhalten, aber es war nie eines ihrer Interessen gewesen. Selbst Brook hatte ihn damals höflich belächelt, als er ihn nach der Geschichte seines Rapiers gefragt hatte.

Dulacre hatte nicht nur seine Schwerter beim Namen erkannt, sondern kannte auch ihre Herkunft.

Nie hatte er seinen Freunden von Alciels Sagen erzählt, jeder kannte Märchen über Helden und Krieger, Zorro hatte nie geglaubt, dass diese besonders sein könnten.

Nach einem Moment unterbrach er den Augenkontakt.

„Können wir bei Sonnenaufgang weiter trainieren?“, flüsterte er und welche Spannung in der Luft auch immer gelegen hatte war verschwunden.

Der Ältere lachte leise und lehnte sich zurück.

„Bist du dir denn sicher, dass es dir gut genug geht? Heute morgen warst du noch bewusstlos.“

Er nickte nur und sah auf das Buch in seinen Händen.

„Ich will stärker werden“, flüsterte er.

„Nun gut“, entgegnete Mihawk und zog ihm das Buch aus den Fingern, „dann solltest du jetzt schlafen und dich so gut wie möglich erholen. Ich lasse mir etwas ganz besonderes einfallen.“

Er wirkte so viel sanfter als sonst, so viel jünger.

Selbst als er aufstand war da immer noch dieses kleine Lächeln, dieses Schmunzeln.

„Ach, es gab übrigens noch einen Unterschied“, meinte der Ältere und verschränkte die Arme.

„Der wäre?“

„Laut diesem Buch wanderte Hakuryuu nicht durch die Welt um Schüler zu finden und später als er sie aussandte, schickte er sie nicht los um seine Lehren zu verbreiten.“

„Warum dann?“, fragte Zorro und wunderte sich, dass er sich daran gar nicht erinnern konnte. Vielleicht hatte er vor lauter Wörtern die Geschichte nicht mehr gesehen.

„Nicht nur die anderen Länder wollten Alciel zerstören, Hakuryuu selbst wollte sichergehen, dass niemand aus seinem eigenen Volk überlebte.“

Daran konnte er sich wirklich nicht erinnern.

„Wieso sollte er das getan haben?“

Der Ältere zuckte mit den Schultern.

„Das weiß ich auch nicht, aber ich denke das erklärt, warum niemand mehr etwas von Alciel weiß. Wenn die ganze Welt dich jagt und sogar deine eigenen Waffenbrüder dich töten wollen. Wer würde dann noch über die eigene Herkunft sprechen?“

Im dunklen Zimmer blitzten die Falkenaugen auf, reflektierten das spärliche Licht der kleinen Lampe.

„Natürlich hinterlässt das allerdings eine Frage.“

„Und welche?“, hakte Zorro misstrauisch nach.

„Wie kommt es, dass ausgerechnet deine Mutter diese Sprache sprach und all das noch wusste ohne je verfolgt zu werden?“

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2019-03-24T21:22:53+00:00 24.03.2019 22:22
Ein tolles Kapitel. Sehr gut geschrieben. Gefällt mir.
Oh Mann. Jetzt wird Zorro auch noch ohnmächtig. Das ist gar nicht gut. Hoffentlich passiert da nicht noch schlimmeres. Ich bin gespannt.

LG
Antwort von:  Sharry
28.03.2019 10:38
Danke dir für deine lieben Kommentar lula-chan,
und mach dir keine Sorgen, die Dinge werden sich nun etwas ändern ;-P

LG
Sharry


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