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Eine erbarmungslose Entscheidung

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Und wieder ein neues Kapitel,

ich muss gestehen, dass ich vor diesem hier ganz besonders nervös bin, da ich eine gewisse Schwelle überschreiten werde.
Den Lesern unter euch, die jedoch dadurch verunsichert werden, versichere ich, dass die Geschichte nicht in eine für mich untypische Richtung abdriften wird, da bleibe ich dem Genre treu ;-)
Falls ihr verunsichert seid oder Fragen habt, könnt ihr mir gerne (auch per PM) schreiben.
Ansonsten wünsche ich euch ganz viel Spaß, denn dieses Kapitel wird... anders aber nicht weniger spannend.

LG
Sharry Komplett anzeigen

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Kapitel 13 - Vertrauen

Kapitel 13 – Vertrauen

 

-Mihawk-

Da waren sie also wieder. Wieder Mal zurück auf Anfang.

Ein weiteres Mal hatte Lorenor sich dazu entschieden bei ihm zu bleiben und ein weiteres Mal machte es ihn glücklicher als er sich je eingestehen würde.

Er seufzte und bedeckte seine Augen mit seinem Unterarm, was hatte dieser Junge nur aus ihm gemacht?

Du solltest unter Deck gehen.

Seit wann tat er, was dieser freche Jüngling ihm sagte?

Du siehst furchtbar aus. Und alt! Wann hast du denn das letzte Mal ein Auge zugemacht?

Wie hatte er sich in einem Monat nur so sehr verändern können?

Los, leg dich hin. Ich bleib hier oben und pass auf; wenn was ist rufe ich dich.

Kaum hatten sie das Sabaody Archipel verlassen hatte Lorenor ihn aufgefordert schlafen zu gehen, als wäre der Jüngere derjenige, der sich immer um alles kümmern musste und sich andauernd Sorgen machte.

Dulacres Einwände hatten tatsächlich wenig gebracht.

Sag bloß du vertraust mir nicht.

Tja, wann hatte er angefangen Lorenor zu vertrauen?

Nun lag er auf seinem ausladenden, bequemen Bett und versuchte tatsächlich zu schlafen. Aber wie sollte er nach alledem zur Ruhe kommen?

Lorenor würde von nun an zwei Jahre bei ihm bleiben, nicht ein paar Wochen, nicht ein paar Monate, zwei ganze Jahre.

Er würde ihn kämpfen sehen, würde sehen wie viel stärker er noch werden konnte.

In zwei Jahren konnte er aus einem talentierten, vielversprechenden Talent einen außergewöhnlichen Meister der Schwertkunst formen.

In zwei Jahren konnte er aus diesem Jungen einen Mann formen.

Die kommenden zwei Jahre versprachen eine interessante Zeit zu werden.

Aber sie versprachen auch eine Herausforderung zu werden.

Während der nächsten zwei Jahre würde der Jungspund andauernd seine Geduld auf die Probe stellen.

Während der nächsten zwei Jahre würde der Jungspund andauernd seine Kontrolle auf die Probe stellen.

Er seufzte. Innerhalb eines Monats hatte sein Wildfang ihn schon so sehr verändert, wer wusste was in zwei Jahren passieren konnte?

Langsam drehte er sich auf die Seite.

Das konnte er jetzt auch nicht ändern und über noch nicht Geschehenes nachzugrübeln würde ihm nun nicht helfen. Ein paar Stunden Schlaf hingegen konnten sich als nützlich erweisen.

Er sollte schlafen, sobald sie auf Kuraigana ankommen würden, würde er den anderen trainieren.

Er sollte schlafen, denn danach musste er wieder Falkenauge sein, Samurai und Lehrmeister.

Es würden wohl die zwei besten und schlimmsten Jahre werden.

 

Er wachte auf.

Irgendetwas war anders als zuvor. Durch das kleine Bullauge zu seiner Rechten schien immer noch Licht hinein, es war also noch Tag, aber was war anders?

Doch dann wusste er es, er war nicht mehr alleine.

Er amtete weiterhin ruhig, tat so als ob er noch schlafen würde. Jemand beobachtete ihn.

Ausatmend entspannte er sich.

„Lorenor“, murmelte er und sah zum Fußende des Bettes.

Dort saß der Jüngling in seiner männlichen Gestalt und sah ihn ernst an. Das Tageslicht spiegelte sich in seinen Augen und er wirkte verschlossener denn je. Es schien als hätte der andere ihn beim Schlafen beobachtet.

„Was tust du hier unten? Wolltest du nicht aufpassen?“, fragte er ruhig während tausende Fragen seinen Kopf stürmten und setzte sich auf.

Der Grünhaarige antwortete nicht.

Er trug wieder das gleiche, einfache, weiße Hemd, in dem Dulacre ihn damals auf der Lichtung gefunden hatte, doch nun passte es ihm wie angegossen, die schwarze Hose jedoch schien zu groß, als hätte sich der Jungspund erneut an Dulacres Klamotten bedient.

„Ist etwas geschehen?“, fragte er und versuchte erneut den anderen zum sprechen zu bringen.

Immer noch sah ihn sein Wildfang mit diesem seltsamen Blick an, als müsste er sich selbst zu etwas überwinden.

„Was ist denn jetzt?“ Langsam wurde er nun doch ungeduldig.

„Warum vertraust du mir?“ Die Worte des anderen klangen hohl, während der Jungspund ihn weiterhin ansah. „Ich könnte dein Feind sein, warum vertraust du mir so sehr, dass du in meiner Gegenwart schläfst?“

Diese Frage überraschte ihn.

„Aber Lorenor, ich habe bereits einen Monat mit dir unter einem Dach gelebt. Außerdem warst es nicht du, der auf der Hinfahrt auf dem Deck ein Nickerchen gemacht hat? Bedeutet das nicht auch, dass du mir vertraust und stelle ich nicht eine viel größere Gefahr für dich da als du für mich?“

Nun sah der andere weg.

„Bist du deswegen hier? Weil du mir nicht vertraust?“, hakte Dulacre nach.

Lorenor sah ihn wieder an, womit er auch immer gehadert hatte, es schien als hätte er sich entschieden.

„Du würdest mir nichts tun. Du stellst keine Gefahr für mich da“, meinte der Grünhaarige dann.

„Oh, spielst du jetzt wieder die Kanan würde es nicht verzeihen Karte aus?“

Warum sah der andere so bedrückt aus?

„Das hat nichts mit Kanan zu tun. Du kannst es nur nicht.“

„Und warum glaubst du das?“ Er mochte nicht, was hier vor sich ging. Obwohl die Sonne durchs Fenster hineinschien war es dämmrig dunkel und obwohl er der eindeutige Sieger war, fühlte er sich beinahe bedroht. Als ob Lorenor mit Josei an seinem Gürtel tatsächlich eine Gefahr für ihn darstellen konnte.

„Wegen deinen Gefühlen.“

„Was?“ Er vergaß zu atmen.

Lorenor war aufgestanden. „Du kannst mir nichts tun weil du mich liebst, auf deine eigene verquere Art und Weise. Glaub ja nicht, dass ich deinen lüsternen Blick nicht merken würde.“

Was ging hier vor? Wovon redete der andere bitte?

Der andere kam ums große Bett herum und blieb vor ihm stehen.

Er lachte trocken. „Lorenor, bitte. Was soll das denn? Hat Shakuyak dir etwa etwas in dein Getränk getan? Wovon bitte redest du? Solche Anmaßungen sind…“

Der Jüngling verschränkte die Arme. „Tu jetzt bloß nicht so. Ich habe dich durchschaut. Ansonsten gäbe es für dich auch überhaupt keinen Grund mich zu unterrichten.“

Beschwichtigend hob Dulacre beide Hände. Vielleicht hatte der andere ja tatsächlich Drogen untergejubelt bekommen.

„Mein lieber Freund, wir beide wissen, dass ich die Beziehung zwischen uns sehr schätze, aber nur weil du mir wichtig bist bedeutet das noch lange nicht, dass ich romantische Gefühle für dich hegen würde. Es mag zwar für ein Kind wie dich schwer zu glauben sein, aber nicht jede Form der Zuneigung muss direkt in körperlicher Anziehungskraft oder rom…“

„Halt den Mund!“

Lorenor hatte sich vorgebeugt, seine Ohrringe glitzerten im Sonnenlicht und ein schiefes Grinsen war auf seine Lippen geschlichen, seine Augen jedoch wirkten immer noch so traurig, so leer.

„Lorenor, was zur…“

Der Jüngere hatte sich über ihn gebeugt, mit einer Hand seine Haare gepackt und mit der anderen sein Kinn. Im nächsten Moment konnte er die rauen Lippen des anderen auf den seinen spüren, doch sie waren sanfter als erwartet, beinahe zögernd.

Er wollte sich losreißen, was er problemlos tun könnte, aber er versuchte zu verstehen, versuchte zu begreifen, warum der Jüngere das tat. Beinahe melancholisch sahen ihn diese grünen Augen an, als ob der andere trauern würde. War das hier eine Flucht vor der Realität? Was geschah hier?

Das hier war falsch, doch immer noch sahen ihn diese Augen so traurig an, beinahe flehend, als wollten sie ihn um etwas bitten.

Dulacre schloss seine Augen, er konnte Lorenor so nicht länger…

Ein ungekannter Schmerz bohrte sich durch sein Herz.

Er keuchte auf und die Lippen des anderen waren fort.

„Tut mir leid.“ Lorenors Stimme klang kühl wie eh und je.

Dulacre sackte nach vorne und hielt sich die Brust, heiße Flüssigkeit floss zwischen seinen Händen hindurch.

„Aber das war der einzige Weg.“

Er starrte zu dem anderen hinauf. Lorenors Mund zitterte, doch ansonsten wirkte er gelassen und kalt.

„Ich wusste, dass ich dich nur so genug ablenken konnte um dir nahe genug zu kommen.“

Joseis Klinge in Lorenors Hand war dunkelrot gefärbt, mit seinem Blut.

„Aber, warum Lorenor?“, fragte er und hustete, schmeckte Blut. Er hatte Lorenor das blitzschnelle, eiskalte Töten beigebracht. Lorenor hatte sein Herz durchbohrt, es aufgeschlitzt, mit einem einzigen Schnitt die wichtigen Blutbahnen aufgerissen und nun floss das rote Lebenselixier ungehindert aus ihm heraus.

Wenn er die Blutung nicht sofort stillte würde er in wenigen Sekunden, noch nicht einmal Minuten, verbluten. Aber selbst wenn er sie stillen konnte, diese Wunde war so präzise, so perfekt durchgeführt, dass er nicht bis zur nächsten Insel durchhalten würde. Er würde sterben.

„So hab ich’s mir auch nicht vorgestellt“, murmelte Zorro, „ich wollte dich fair und ehrlich besiegen, nicht durch einen Hinterhalt. Aber ich hab keine Wahl.“

„Du wirst also…gezwungen?“

Ihm wurde bereits schwindelig.

Lorenor nickte. „Du hattest Recht. Solange Eizen die richtigen Druckmittel hat, muss jeder sein Spiel mitspielen.“

„Er hat…deine Crew?“

„Wenn ich dich töte, lässt er sie frei.“

Er schluckte und sah den anderen an.

„Warum hast du es nicht bemerkt?“, flüsterte Lorenor. „Warum hast du mir nur vertraut?“

Er lächelte schwach. Das hier war dann nun sein Ende. Es war wahrlich nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte aber immerhin war es Lorenor gewesen, immerhin hatte sein Tod einen Sinn, um Lorenors Freunde zu retten.

„Weil es ein… Monster braucht um ein anderes… zu töten.“

Zumindest war er nun nicht mehr Gefangener im politischen Spiel um Macht und Reichtum. Nein, es war nicht der schlimmste Tod.

„Und warum hast du dann nicht mich getötet?!“

Lorenors Stimme brach und eine einzelne Träne lief sein so hartes Gesicht hinunter.

„Warum warst es nicht du, der mich hieraus befreit hat?!“

Und da verstand er. Sein Tod war nicht mehr als ein Spielzug, er nicht mehr als ein Turm, der vom Schlachtfeld genommen wurde und nun war Lorenor die Spielfigur an seiner Stelle. Nun war Lorenor seiner Freiheit beraubt.

Er hatte seinen Wildfang nie zähmen wollen und nun war er eingesperrt, nicht mehr als eines der teuren Pferde in Eizens Stall, nur weil Dulacre nicht auf ihn aufpassen konnte.

„Ich wollte das alles hier nicht“, flüsterte Lorenor, „ich wollte doch nur der beste Schwertkämpfer der Welt werden.“

Dulacre brach zusammen.

„Ich habe dir doch gesagt, dass du mir nicht vertrauen kannst. Aber du wolltest ja nicht hören.“

 

Er riss die Augen auf.

Mit einer Hand tastete Dulacre seine unversehrte Brust ab.

Es war ein Albtraum gewesen.

Sein Herz schlug schnell, doch seine Gedanken sammelten sich schneller.

Solche Träume waren gewiss nicht angenehm, aber sie passierten, auch wenn es ihn schockierte wie realistisch dieser Traum gewesen war. Er glaubte den Schmerz tatsächlich gefühlt zu haben, Lorenors Worte wirklich gehört zu haben, seine Lippen wirklich gespürt zu haben.

Das Blut, welches seinen Körper und das Bett bedecken sollte, fehlte; war noch da wo es hingehörte.

Es war dunkel, die Sonne war bereits untergegangen, es war Nacht.

Seufzend vergrub er einen Moment sein Gesicht in seine Armen. Träume waren ihm natürlich nicht fremd, aber seit Jahren schon hatte er keine Albträume mehr gehabt. Die Welt hatte ihn mit nichts mehr verschrecken können, aber nun war das wohl anders.

Gemächlich stand er auf und schlenderte in das kleine, angrenzende Bad hinüber. Doch das abgestandene Wasser brachte nicht viel und so betrachtete er sein Spiegelbild für einen Moment.

Er musste die Hintergründe, die Ängste aus diesem Traum herausfiltern und angehen. Er war niemand, der sich von solchen Dingen beeindrucken ließ. Sein Unterbewusstsein wollte ihm deutlich machen, dass er nicht alles kontrollieren konnte und das beunruhigte ihn. Dieser Traum war eine Warnung.

Zum einen ging es um Lorenor, dafür brauchte man kein Menschenkenner zu sein um das herauszufinden. Natürlich sorgte er sich um den Jungen.

Das andere war wohl sein stetiger Argwohn gegenüber Eizen. Lorenor würde nun zwei Jahre bei ihm sein, zwei Jahre, die Eizen genug Zeit gaben, Lorenor unter seine Kontrolle zu bringen.

Aber was…?

Aber ich weiß nicht, ob du mir vertrauen kannst.

Das hatte Lorenor ihm gesagt. Lorenor hatte Angst vor seiner inneren Kraft, davor Haki anzuwenden. Letzten Endes bedeuteten diese Worte, dass Lorenor Angst hatte ihn zu verletzen.

Lächerlich!

Selbst wenn er Lorenor in seiner männlichen Gestalt deutlich unterschätzt haben sollte, so war der andere doch noch weit davon entfernt eine Gefahr für ihn darzustellen.

Warum also? Warum also sagte er so etwas?

Aber noch viel wichtiger, warum träumte Dulacre von so etwas?

Vertraute er ihm letzten Endes vielleicht wirklich nicht?

Schwachsinn! Natürlich tat er das!

Aber... aber vielleicht hatte er ja Angst?

Entschieden richtete Dulacre seinen Hemdkragen und erklomm die Leiter nach oben.

 

-Zorro-

Die ersten Sterne erschienen am Nachthimmel.

Die Sonne war gerade erst untergegangen und der Horizont zeichnete das Meer noch in einem feurigen Orange.

Zorro lag an Deck und beobachtete den Himmel. Nun, da die Sonne verschwunden war wurde es rasch kälter aber er genoss die Kühle, wohl wissend, dass er in diesem Körper bald frieren würde.

Er hatte den ganzen Tag mit nachdenken verbracht. Nachdem er Mihawk ins Bett geschickt hatte – der Kerl hatte aber auch furchtbar ausgesehen – hatte er keine Wahl gehabt außer Wache zu halten. Was ziemlich öde sein konnte.

Einige Stunden lang hatte er sich in der Meditation geübt. Nun da die Entscheidung gefallen war gab es nichts mehr um darüber zu grübeln. Er wusste, dass Ruffy Rayleighs Vorschlag zustimmen würde. Er wusste, dass er nun zwei lange Jahre hatte um stärker zu werden, viel stärker.

Aber er wusste auch, dass es einen Preis hatte.

Dulacre hatte ihm geraten, sein und Ruffys Überleben zu verheimlichen. Das hieß die nächsten zwei Jahre durften die Menschen nicht erfahren, dass er Lady Loreen war und da er zumindest noch nicht verhindern konnte, dass er sich verwandelte, musste er die Figur Lady Loreen weiterspielen.

Kuraigana hatte den Vorteil, dass er dort relativ ungestört war, aber er war nicht naiv genug um zu glauben, dass die Weltregierung ihn und Mihawk in Ruhe lassen würde.

Um von Dulacre zu lernen musste er die Kunstfigur Lady Loreen weiter ausfüllen. Wie ihn das ankotzte.

Auf was hatte er sich da nur eingelassen?

Plötzlich konnte er hören wie der Thron nach hinten geschoben wurde.

Er setzte sich auf und sah, wie der Samurai an Deck kletterte. Er sah nicht wirklich besser aus als vorher, eher im Gegenteil. Schwere Augenringe zeichneten ihn immer noch und die Falten auf seiner Stirn waren tiefer als sonst. Sein Mund war nicht mehr als eine dünne Linie, nein er wirkte nicht so, als ob er den halben Tag verschlafen hatte.

Doch es war die Art wie der Ältere ihn ansah, die ihn am meisten besorgte.

„Was ist denn mit dir passiert?“, murmelte er und stützte seinen Kopf auf den Händen ab. „Siehst ja noch schlimmer aus.“

„Vielen Dank für die Blumen“, entgegnete der andere sarkastisch und zog sich den Stuhl heran.

Dann sah ihn der Schwarzhaarige wieder so durchdringend an und setzte sich hin.

„Was denn?“

„Du hast dich nicht verwandelt?“

„Offensichtlich.“

Wieso sah er ihn so an?

„Warum? Du empfindest Loreen als ungewollte Nebenwirkung, warum also hast du dich noch nicht verwandelt? Du solltest dazu doch mittlerweile in der Lage sein.“

Es verwunderte ihn nicht im Mindesten, dass der andere seinen Fluch bereits so gut durchschaut hatte.

„Warum hätte ich mich verwandeln sollen?“, entgegnete er. „Es kostet Kraft und ich muss mich erholen, die dauernden Verwandlungen laugen mich aus. Und wenn wir morgen mit dem richtigen Training anfangen, muss ich fit sein.“

Der Ältere nickte zustimmend, eine Hand ans Kinn gelegt. Sein Bart war rauer und ungepflegter als sonst.

„Außerdem waren meine anderen Klamotten da unten und ich werde mich in diesem Kleid nicht verwandeln.“

Nun grinste der andere schwach.

„Stimmt, darüber habe ich mir tatsächlich noch keine Gedanken gemacht. Das ist wirklich ein Problem, welchem wir uns auch annehmen sollten.“

„Auch?“

Das Grinsen des anderen wuchs.

„Genau. Es gibt etwas wichtigeres was ich zuerst mit dir besprechen möchte.“

Zorro nickte, doch ganz wohl war ihm nicht. Der andere hatte etwas an sich, was ihm missfiel. Als hätte der andere etwas gesehen, was ihm Angst machte und wenn der Samurai Angst hatte, war es Grund genug auch ihn zu verunsichern.

„Und was?“

Der Ältere streckte sich.

„Nun ja, da du ja jetzt gewillt bist die Anwendung des Hakis zu lernen und wir das natürlich auch schnellstmöglich in Angriff nehmen werden, bleibt mir noch eine Frage: Warum ist das ein so sensibles Thema für dich? Warum willst du es nicht anwenden? Du hast ja sogar abgestritten, dass du in der Lage bist es zu lernen.“

Zorro erstarrte und wandte den Blick ab.

Er war übereifrig gewesen; das Wissen, dass Ruffy Haki anwenden konnte hatte ihn unbedacht werden lassen. Wenn sein Kapitän Haki anwenden konnte, musste er es ebenfalls, er durfte da nicht zurückstehen. Aber er hatte vorschnell geredet, hatte vorschnell etwas gesagt, was er nicht so meinte.

Langsam wurde ihm kalt und der dünne Mantel reichte kaum um ihn vor dem frischen Wind zu schützen.

Der Ältere seufzte, stand auf und ging erneut unter Deck.

Als er wieder auftauchte hielt er Zorro eine Decke hin.

„Du musst wirklich besser auf dich Acht geben in diesem Körper.“

Zorro entgegnete nichts als der Samurai sich wieder hinsetzte sondern schlang nur die Decke um sich.

„Also?“

Er biss sich auf die Unterlippe.

„Lorenor, du wirst darüber reden müssen. Es geht hier nicht darum dich vorzuführen oder dich lächerlich zu machen, sondern…“

„Ich habe nie gesagt, dass ich nicht in der Lage bin es anzuwenden.“

Er zitterte, jedoch nicht mehr vor Kälte.

Der Ältere hockte sich nun ihm gegenüber auf den Boden.

„Lorenor. Das bedeutet also, du hast es schon einmal getan?“

Er nickte langsam. Erinnerte sich an Bilder seiner Vergangenheit.

„Was ist geschehen, Lorenor?“

Er schüttelte den Kopf.

„Es ist nichts.“

„Wenn es nichts wäre, würdest du dich nicht so zieren.“

Erneut schüttelte Zorro den Kopf.

„Lorenor, du sagtest ich könnte dir nicht vertrauen, du sagtest ich hätte keine Ahnung. Also sag mir, Lorenor, was ist geschehen? Warum hast du solche Angst vor deinen eigenen Kräften?“

Langsam sah er auf. Der Ältere war ruhig, zwar direkt aber nicht aufdringlich.

Seufzend lehnte er sich zurück, versuchte etwas Raum zu gewinnen.

„Ich war elf“, fing er widerstrebend an und schloss einen Moment seine Augen, „damals trainierte ich in einer Kendoschule im East Blue unter Meister Koshiro. Wie du dir denken kannst war ich ein guter Schüler, aber dementsprechend auch selbstbewusst und arrogant.“

„Ach, das überrascht mich jetzt aber.“

„Halt die Klappe.“

„Also Koshiro war dein alter Lehrmeister. Hat er dir Haki beibringen wollen?“

Zorro schüttelte den Kopf. „Nein, er war dagegen gewesen.“

Tief holte er Luft und lockerte seine Schultern.

„Damals ankerte ein Marineschiff in der Nähe von unserem Dorf. Einige der Soldaten waren begeisterte Anhänger der Schwertkunst und besuchten unser Dojo um nach vielversprechenden Talenten zu suchen.“

„Und sie fanden dich?“

Er nickte: „Der Meister war alles andere als begeistert davon, dass sie anwesend waren, auf der anderen Seite war es für uns Schüler eine Möglichkeit uns mit Fremden zu messen.“

„Und sie wurden auf dich aufmerksam?“

Er nickte erneut: „Mhm. Ich war ziemlich gut, so gut, dass einige von ihnen zurück zum Schiff liefen um ihren Vorgesetzten zu holen. Fast einen halben Tag hat dieser Vizeadmiral mich beobachtet, ehe er mir anbot mich zu unterrichten, wenn ich mit ihm mitkommen würde.“

„Und hast du zugesagt?“

„Natürlich nicht. Ich hielt nicht viel von der Marine und Meister Koshiro war damals… es wäre falsch von mir gewesen zu gehen.“

„Warum fühltest du dich deinem Meister so verpflichtet?“

Für eine Sekunde sah er den anderen an, entschied jedoch diese Geschichte nicht auch noch anzusprechen.

„Der Vizeadmiral war sehr enttäuscht und wollte mich überzeugen doch mitzukommen. Er wollte mir zeigen wie viel ich noch von ihm lernen konnte, indem er mir eine spezielle Technik beibringen würde. Mein Meister war davon jedoch nicht sonderlich überzeugt. Er meinte ich wäre zu jung und er hatte Sorge mich zu überfordern. Das hatte mich allerdings nur noch mehr angeheizt und so willigte ich ein dem Vizeadmiral zu folgen, wenn er mir diese Technik beibringen würde.“

Der Samurai setzte sich etwas gerader hin.

„Bei dieser Technik handelte es sich um Haki, nehme ich an.“

Zorro nickte dem Fußboden zu: „Laut meinem Meister war es eine Fertigkeit, die ein hohes Maß an geistlicher Reife und innerer Stärke erforderte, aber der Vizeadmiral meinte ich wäre sehr begabt und er wollte sehen ob ein Junge in meinem Alter es schaffen konnte.“

Der Ältere lehnte den Kopf zur Seite.

„Es überrascht mich, dass du diesen Vorschlag entgegen der Meinung deines Lehrmeisters zugestimmt hast. Das passt nicht zu dir.“

Der Jüngere zuckte mit den Schultern.

„Das Problem war, dass ich zu diesem Zeitpunkt wirklich sehr schnell lernte und von mir auch ziemlich überzeugt war. Seine Worte hörten sich damals für mich so an, als ob mein Meister mich ausbremsen wollte. Ich dachte er hätte Angst, dass ich zu schnell zu gut werden würde, dass ich besser sein würde, als seine Tochter mit elf war, als er mit elf war.“

„Er wollte, dass du gründlich bist. Dein Eifer hat dich unaufmerksam werden lassen.“

Dem stimmte Zorro zu: „Genau, aber das habe ich damals noch nicht kapiert. Eigentlich bin ich nur deswegen auf diesen Vorschlag eingegangen. Nicht weil ich zur Marine wollte oder so, sondern einfach nur um meinem Meister zu zeigen, dass ich mehr lernen konnte, dass er mir mehr zutrauen konnte.“

„Also brachte dieser Vizeadmiral dir Haki bei?“

„Wie du war er der Meinung, dass ein Schwertkämpfer in der Lage sein müsse Rüstungshaki anzuwenden um seine Schwerter zu schützen, um zu den besten gehören zu können und ich wollte der Beste sein, also trainierte ich ununterbrochen und konnte schon innerhalb weniger Tage die einfachsten Grundformen anwenden.“

Er konnte die Überraschung im Gesicht des anderen sehen, entschied aber es zu ignorieren.

„Selbst mein Meister war beeindruckt und das hatte mich unglaublich stolz gemacht, aber auch übermütig, denn ich wollte noch mehr lernen. Ich wollte nicht nur eine schwache Hülle um mein Schwert legen können. Ich wollte damit kämpfen, wollte mich frei bewegen können. Also flehte ich den Vizeadmiral an, mit mir noch einen Schritt weiterzugehen.“

Zorro verstummte, während der andere sachte nickte: „Verständlich, allerdings verstehe ich immer noch nicht, woher diese strenge Abneigung kommt. Woher kommt diese Unsicherheit?“

„Ich bin ja auch noch nicht fertig“, murrte der Jüngere, „und damals war ich noch alles andere als unsicher. Im Gegenteil, ich hatte das erste Mal seit mehreren Monaten das Gefühl richtige Fortschritte zu machen. Ich fühlte mich wichtig, insbesondere weil auch die anderen Schüler, selbst die Soldaten von mir beeindruckt waren. Ich war etwas besonderes.“

Der andere grinste leicht. „Daher also dein Ego.“

Doch Zorro sah weg.

„Entgegen der Einwände meines Meisters entschied der Vizeadmiral, dass ich meine Fähigkeiten in einem Übungskampf austesten sollte. Ähnlich wie du war auch er der Meinung, dass ich in der direkten Konfrontation mehr lernen würde als in der Theorie. Also kamen er und eine Handvoll von Soldaten zum Dojo um mich herauszufordern.“

Die Bilder wurden unstet.

„Und was passierte dann, Lorenor?“

Er schwieg.

„Lorenor!“

„Ich weiß es nicht.“

„Was meinst du?“

Er zögerte.

„Ich war erschöpft, ich hatte unentwegt trainiert, kaum geschlafen, keine Pausen gemacht. Aber ich hätte nie aufgegeben und dieser Kampf war doch meine Chance gewesen, doch diese Marinesoldaten kämpften so anders als jeder Schüler, es war gar kein Übungskampf, zumindest nicht so, wie ich sie kannte. Sie kämpften um Leben oder Tod, keiner von ihnen wollte sich von einem dahergelaufenen Jungen besiegen lassen. Aber ich wollte besser sein, ich wollte nicht verlieren, ich durfte nicht verlieren und dann zerbrach mein Schwert.“

Er fühlte wie seine Hände anfingen zu zittern. Tief grub er sie in die Decke, versuchte sie zu verstecken.

„Trotz Haki?“, fragte Dulacre.

„Es war das Haki“, flüsterte er. „Anstatt meine Waffe zu ummanteln habe ich sie von innen heraus erfüllt und bersten lassen, so zumindest hat es mir später mein Meister erklärt.“

Für einen Moment schwiegen beide, dann seufzte der Ältere: „Ich gebe zu, dass diese Form der Anwendung sehr unangenehm ist, aber ein zerbrochenes Schwert ist doch noch lange kein Grund...“

„Das Schwert ist nicht der Grund“, widersprach Zorro, „Es ist nur das letzte woran ich mich erinnere. Die zerberstende Klinge vor meinen Augen.“

Es war so leise, selbst der Wind schien ihm zuzuhören.

„Ist das so?“, murmelte der Samurai ernst. „Was ist denn das nächste, woran du dich erinnerst?“

Für eine Sekunde zögerte Zorro und erinnerte sich an jenen Moment.

„Ich lag auf dem Boden, es war nass, es war kalt; Meister Koshiro hockte auf mir, seine Brille war zerbrochen und er war über und über mit Blut besudelt. Er war verwundet, er hatte eine Verletzung an der linken Schulter, aber sie war nicht schlimm genug für so viel Blut.“

Tief holte er Luft. „Und auch ich war bedeckt mit Blut, meine Kleidung war nass und schwer aber noch warm, überall roch es nach Schweiß und Blut.“

Er biss sich auf die Unterlippe.

„An jenem Tag habe ich fünf Menschen umgebracht und Dutzende verletzt und ich erinnere mich an keine Sekunde davon. Mein Meister sorgte dafür, dass die Marine mich nicht zur Verantwortung zog und da niemand zugeben wollte, dass eine ganze Marineeinheit von einem Kind besiegt wurde, wurde es noch nicht einmal dokumentiert.“

Langsam erhob sich der andere und verschränkte die Arme.

„Für mehrere Tage war ich ans Bett gefesselt. Ich hatte zwar kleinere Verletzungen aber nichts schlimmes, doch ich konnte meinen Körper beim besten Willen nicht bewegen. Als ich danach wieder ins Dojo kam sprach niemand über den Vorfall und mein Meister unterrichtete mich wie bisher.“

Zorro sah aufs Meer hinaus, während der andere sich wegdrehte.

„Als ich ihn fragte, was geschehen war meinte er nur, dass ich ein Talent sondergleichen hätte und dass ich dazu bestimmt sei Unvergleichbares zu vollbringen, aber dass es in meiner Hand läge ob zum Guten oder zum Schlechten. Er sagte, dass ich mir genau überlegen sollte, welchen Weg ich gehen wolle. An diesem Tag schwor ich mir nie wieder Haki anzuwenden, denn in diesem Moment hatte mein Lehrmeister Angst vor mir, Angst vor dem Monster in mir.“

Er hatte noch nie darüber gesprochen. Mit wem auch?

Wer konnte dieses Gefühl schon verstehen?

„Du wolltest meine Geschichte wissen, nun, da hast du’s. Bist du nun zufrieden?“, fragte er den Rücken des Älteren. Dieser schwieg lange und Zorro war sich nicht sicher ob er wirklich wollte, dass der andere sein Schweigen brach. Allerdings wurde die Stille allmählich unerträglich.

Schließlich wandte sich der andere zu ihm um.

„Lorenor, sag mir, willst du immer noch der beste Schwertkämpfer der Welt werden?“

Kühl sah der Ältere zu ihm hinab.

„Natürlich.“

Dulacre nickte unmissverständlich.

„Dann wirst du lernen müssen Haki anzuwenden.“

„Ja, aber hast du mir gerade nicht…“

„Lorenor. Du hast Recht. Es ist ungewöhnlich und es ist gewiss etwas mit dem wir nicht leichtfertig umgehen dürfen. Aber es ist keine Ausrede um Haki nicht zu lernen.“

Der Ältere hockte sich wieder hin, so dass sie auf einer Augenhöhe waren.

„Es ist ganz einfach, Lorenor. Ohne Haki, ohne die spezielle Technik des Verhärtens, wird es dir unmöglich sein mich zu besiegen. Wie damals im East Blue werden deine Schwerter im Kampf gegen das Black Sword zerstört werden. Es ist nicht so als ob du eine Wahl hättest. Wenn du der beste Schwertkämpfer der Welt werden möchtest, musst du Haki anwenden können und dein Haki muss stärker sein als das meine.“

Zorro sah weg.

„Aber was ist, wenn ich es nicht kontrollieren kann? Was ist wenn ich wieder zu diesem Monster werde?“

„Dann werden wir so lange trainieren, bist du es kontrollieren kannst. Zwei Jahre sollten da lange genug sein.“

Der Ältere war erneut aufgestanden.

„Aber…“

„Lorenor!“ Er hielt ihm eine Hand hin.

„Du kannst mir vertrauen. Du hast doch Shakuyak gehört. Es braucht ein Monster um ein anderes zu töten. Ohne dieses Monster in dir wirst du mich also gar nicht besiegen können.“

Er wusste nicht warum, aber irgendwie hatten diese Worte etwas Tröstliches.

Als wüsste der andere genau, wovon er sprach.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  lula-chan
2019-02-25T16:21:42+00:00 25.02.2019 17:21
Ein tolles Kapitel. Sehr gut geschrieben. Gefällt mir.
Oh. Das steckt also dahinter. Hm. Na mal sehen, was das wird. Ich bin gespannt.

LG
Antwort von:  Sharry
28.02.2019 08:48
Oh, vielen Dank für dein Lob und deinen Kommentar.
Freue mich jedes Mal.

LG
Von:  Domino1412
2019-02-25T10:56:00+00:00 25.02.2019 11:56
Ein sehr gutes Kapitel freu mich schon darauf wie es weiter geht Lg
Antwort von:  Sharry
28.02.2019 08:48
Hey,
danke für deinen Kommentar^^ hab mich sehr gefreut.

LG


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