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Eine erbarmungslose Entscheidung

von

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Kapitel 5 - Erwachen

Kapitel 5 – Erwachen

 

-Zorro-

Langsam wachte er auf.

Sein ganzer Körper schrie beinahe vor Schmerzen, als würde er von innen heraus verbrennen. Alles schien verschwommen und stumpf.

Was war geschehen?

Wo war er?

Mühselig raffte er sich auf alle Viere und sah sich langsam um.

Er fühlte sich taub und leer, sein Kopf war schwer, sein Körper bebte unkontrolliert.

Er hockte auf einem weichen Teppich zwischen protzigen Möbeln. Es war dunkel, nur ein schwacher, kalter Schimmer tauchte das Zimmer in ein eisiges Blau.

Allmählich fing er wieder an sich zu orientieren, realisierte wo er war und warum.

Er versuchte sich aufzurichten, doch sein Körper wollte seinem Befehl nicht folgen.

Seine Hände zitterten und er konnte sie kaum bewegen.

Dann starrte er seine Hände an, starrte diese Hände an, die wie für den Kampf geschaffen waren.

„Was…?“ Seine Stimme war heiser und brach, kratzte leicht.

Er fasste sich an den Hals und blickte seinen Körper hinab.

Zerrissene Kleidung hing an ihm herunter, als wäre sie von innen heraus geborsten. Aufgeplatzte Nähte und Knopfleisten; Reißverschlüsse, die ihren Dienst versagt hatten. Stofffetzen versuchten seinen Körper zu bedecken, scheiterten jedoch kläglich.

Die Hand an seinem Hals glitt langsam hinunter zum Schlüsselbein und verweilte dort für eine Sekunde, strich dann quer über seine Brust bis runter zur Hüfte, fühlte die vertraute sensible und doch raue Linie, die sich so unregelmäßig von der restlichen glatten Haut abhob.

Hart stieß er Luft aus und fasste sich an den immer noch dröhnenden Kopf. Das kurze, widerspenstige Haar unter seinen Fingern ließ sich kaum bändigen.

Ein leises Lachen entrang seinen Lippen.

„Ich hab‘ es geschafft“, flüsterte er zum stillen Raum und schloss für einen Moment die Augen, genoss den Schmerz, ehe er sich dazu überreden konnte aufzustehen.

Sein Körper war ungewohnt schwer, viel schwerer als erwartet und irgendwie bewegte sich alles grobmotorisch, seine Hände und Füße waren plump und seinen Muskeln fehlte die nötige Feinjustierung.

Wieder lachte er leise, so hatte er sich das Ganze nicht vorgestellt.

Sein Körper brannte immer noch und er fühlte sich ausgelaugt, erschöpft. Am liebsten würde er sich direkt wieder hinlegen und einfach weiterschlafen.

Zorros Blick fiel auf den Spiegel, nein genauer gesagt auf sein Spiegelbild. Einige Fetzten waren zu Boden geglitten und nun stand er fast nackt da.

Das seltsame kalte, bläuliche Licht, welches den Raum einen eisigen Schimmer verlieh ließ ihn gespenstisch wirken, fast so als wäre er erfroren, dabei war ihm so heiß als würde sein Körper verbrennen.

Selbst seine Augen leuchteten ungewohnt bläulich.

Er wusste wieder wo er war und warum er dort war, aber wieso hatte er mitten in der Nacht auf dem Boden gelegen?

Was war passiert? Was war mit ihm passiert?

Langsam sah er sich um, versuchte im Raum Anhaltspunkte zu finden, die ihm erklärten was geschehen war und schließlich fand er es auch.

Hinter dem niedrigen Tisch, vor dem er gelegen hatte, fand er die Quelle des blauen Lichts.

Dort lag ein Bildschirm. Er flimmerte in einem schwachen Blau, doch tiefe Risse hatten das Glas zersplittert und es wurde kein Bild mehr angezeigt.

Für einen Moment sah er nur das blaue Flimmern an, verwirrt und erstaunt, doch dann krochen die Erinnerungen aus den Tiefen seiner Seele hervor und Grauen erfüllte ihn.

Das Atmen wurde ihm schwer und er spürte, wie seine Beine nachzugeben drohten.

Er stolperte einige Schritte rückwärts und musste sich an einer Sessellehne festklammern um nicht umzukippen.

Sein Herz raste und Panik erfüllte ihn während er nach Luft rang.

Er sah sich hektisch um, versuchte irgendetwas auszumachen das ihm sagte, dass er sich das alles nur eingebildet hatte, aber er wusste, dass das nicht der Fall war. Nein, es war wirklich passiert, es war wirklich passiert und er hatte machtlos zusehen müssen, unfähig irgendetwas zu tun.

Wenn er doch mitgegangen wäre. Wenn er nicht so egoistisch gewesen wäre. Wenn er doch nur…

Ein undefinierbarer Laut kroch aus seiner Kehle.

Eine Stimme in seinem Kopf, die sich nicht nach ihm anhörte, versuchte ihm klar zu machen, dass er sich beruhigen sollte, dass er einen kühlen Kopf brauchte und nicht überreagieren durfte.

Aber diese Stimme ignorierte er getrost und sah sich um.

Im Gegenteil, er musste handeln, sofort handeln.

Dann fiel sein Blick durch die offene Wandtür ins anlehnende Zimmer, dorthin wo sein Gepäck stand.

Mit unbeholfenen Schritten eilte er hinüber, doch seine schweren Füße wollten kaum den Boden verlassen und immer wieder verlor er das Gleichgewicht.

Sein Körper schrie ihm zu, dass er zu erschöpft war, dass er Ruhe brauchte. Aber wie sollte er jetzt Ruhe finden? Wie sollte er jetzt zur Ruhe kommen?

Er stolperte durch den Durchgang und fand sich in dem fremden Raum wieder.

Eine vertraute, kühle, hölzerne Note stieg in seine Nase, doch sie erfüllte ihn nicht mit der üblichen Gelassenheit sondern nur mit Wut; mit Wut und Verzweiflung.

Bebende Finger öffneten einen Schrankkoffer und mit unkoordinierten Bewegungen zog er irgendetwas zum Anziehen heraus.

Sowohl Hemd als auch Hose waren etwas zu groß für ihn, aber das war ihm egal. Nach Schuhen suchte er erst gar nicht, fand jedoch einen seltsamen Gurt mit Laschen, den nahm er an sich. Als ob der andere den je tragen würde…

Danach trampelte er zu einem großen Koffer hinüber.

Erneut ärgerte er sich über seine Finger, die Ewigkeiten brauchten um die Verschlüsse zu öffnen, doch schließlich konnte er die Klappe hochheben.

Darunter fand er seine Schwerter, alle liebevoll und sorgsam verstaut.

Vorsichtig nahm er jedes einzelne heraus und befestigte sie an seinem Gürtel.

Als er nach dem vierten greifen wollte, kam ihm eine leise Welle des Zorns entgegen und er erinnerte sich daran, dass dieses Schwert nicht neben anderen geführt werden durfte.

„Eines Tages werde ich auch dich besitzen“, murmelte er und richtete sich auf.

Immer noch viel es ihm schwer zu atmen, wenn er an das Geschehene dachte, aber so langsam konnte er immerhin wieder denken.

Sein Körper war noch erschöpft aber die Schmerzen ließen langsam nach.

Er wollte schon loseilen, als er etwas im Koffer bemerkte.

Einen Moment zögerte er, doch dann griff er nach der kleinen weißen Teleschnecke und dem Papierfetzen.

Beides steckte er in die Hosentaschen.

Kurz sah er sich um.

Er konnte keine Botschaft hinterlassen, nichts das ihn verraten oder Mihawk in Bredouille bringen könnte, also verließ er das Zimmer.

Er hatte keine Ahnung wo er hin sollte oder was er eigentlich genau vorhatte, aber er hatte nicht eine Sekunde länger in jenem Raum bleiben können.

Er musste handeln.

Er musste ihn finden, Bartholomäus Bär. Musste ihn finden und herausfinden, was genau er getan hatte. Nur so konnte er herausfinden ob seine Freunde noch am Leben waren.

Er begegnete niemandem, aber das überraschte ihn kaum. Schließlich war dieser Bereich hier Gesetzeslosen mit Immunität vorbehalten.

Aber müsste Bär als einer der Samurai nicht dann auch irgendwo hier sein?

„Lorenor Zorro?“

Als hätte er ihn heraufbeschworen!

Zorro wirbelte herum, diese Stimme würde er immer erkennen.

„Bartholomäus Bär“, knurrte er atemlos, als das Unwahrscheinliche wahr wurde.

Der seltsam gebaute Hüne war gerade durch einen hohen Torbogen hindurch geschritten und sah zu ihm herab, in einer Hand seine verdammte Bibel.

„Wie kann es sein, dass du noch am Leben bist?“, fragte der Samurai.

Nur das Mondlicht war ihr Zeuge, doch Zorro zog sein Schwert.

„Ich stelle hier die Fragen!“ Seine Stimme war immer noch so rau und kratzig, aber er hatte doch Glück im Unglück gehabt, so schnell hatte er nicht erwartet den Samurai zu finden. „Was hast du mit meiner Crew gemacht?“

Für einen Moment sah der Samurai ihn einfach nur an.

„Rede schon!“, verlangte er und zog ein zweites Schwert.

„Du hast also tatsächlich überlebt? Wieder einmal. Es scheint als wäre der Tod nicht dein Freund.“

„Lass den Mal da raus. Was hast du mit meinen Freunden gemacht?!“

Er wusste, dass ein Kampf sinnlos war. Sein Körper war so erschöpft, dass er kaum laufen konnte und dieser Samurai war vielleicht nicht der Stärkste von allen, aber Zorro konnte sich noch gut genug an ihre letzte Auseinandersetzung erinnern. Damals auf Thriller Bark.

„Was machst du im Heiligen Land? Ist dir nicht bewusst, dass dies dein Todesurteil ist, wenn man dich entdeckt?“

Die Worte des anderen, der offensichtlich nicht kämpfen wollte, verwirrten ihn. Was kümmerte es den denn, wenn Zorro sterben würde?

Doch davon ließ er sich nicht beirren.

„Du sagtest es doch bereits: der Tod ist nicht mein Freund. Also zum letzten Mal, was hast du mit meinen Freunden gemacht?!“

„Ich habe sie gerettet.“

„Was?!“

„Sag mir, Lorenor Zorro, wenn du auf eine große Reise gehen könntest, wohin würdest du gehen?“

„Was?!“

Der andere stand plötzlich direkt vor ihm und er wusste, dass er nichts tun konnte.

„Keine Sorge, Lorenor Zorro, ich werde dich nicht verraten.“

Und dann ließ der andere seine riesige Tatzenhand auf ihn niederfahren.

Er konnte nicht mehr ausweichen. Es war zu spät.

 

-Mihawk-

Weit gähnend streckte er sich.

Selten hatte er einer so langatmigen, langandauernden und langsam vorankommenden Sitzung beigewohnt wie dieser.

Wieso nur hatte er sich auf so etwas eingelassen?

Ach ja, genau, weil er Samurai war und in gewisser Weise keine Wahl hatte.

Müde rieb er seine Augen und sah aus dem Fenster heraus. Die aufgehende Sonne grüßte ihn.

Knapp zwanzig Stunden hatte er in diesem Raum mit den Männern der Marine verbracht. Immerhin wusste er nun, was genau vor sich ging und musste sich nicht mehr auf seine eigenen Spekulationen verlassen, obwohl diese sehr zutreffend gewesen waren.

Puma D. Ace also, eine Hinrichtung also, Whitebeard also.

Er seufzte. Warum nur musste er immer Recht behalten?

Das würde alles ziemlich nervig werden. Und Anstrengend. Und langweilig.

Er zuckte mit den Achseln. Nicht dass es ihn wirklich interessierte. Er würde kämpfen, vielleicht den ein oder anderen halbwegs interessanten Kampf ausfechten und dann dieser Bühne wieder den Rücken kehren. Es war ihm egal, sollte Whitebeard doch seine Unstimmigkeiten mit der Weltregierung ausmachen. Alles was ihn interessierte war die Mauern von Mary Joa so schnell wie möglich hinter sich zu lassen und Lorenor weiter zu trainieren.

Ein leises Grinsen verdunkelte seine Züge während er die leeren Gänge entlang schritt.

Er würde kurz nachsehen, ob sein Wildfang bereits wach war, ehe er sich selbst etwas hinlegen würde.

Doch dann blieb er stehen.

Es war erschreckend wie wichtig ihm dieses Kind geworden war und wie stolz es ihn machte, dass er der einzige war, dem Lorenor sein Geheimnis anvertraut hatte. Nicht einmal seine eigene Crew hatte der andere eingeweiht.

Dennoch, irgendwann würde Lorenor zu seiner Crew zurückkehren, das war unstreitig und irgendwann würde er Dulacre als verlassen. Irgendwann würde er seinen Wildfang loslassen müssen.

Aber er hatte noch mindestens einen Monat, einen Monat wo er Lorenor ganz für sich alleine hatte.

Seufzend ging er weiter.

Er hätte nicht gedacht, dass er je wieder so abhängig von jemandem werden würde. Ziemlich erbärmlich für jemandem wie ihn. Ziemlich traurig, wenn er ehrlich war, fast schon armselig.

Wofür diese Schmierenkomödie? Warum wolltest du, dass ich dich unterbreche? Es lässt dich schwach wirken.

Er lachte leise, dieses Schauspiel war nur zum Teil eine Farce. Viel zu oft ließ er sich von dem anderen unterbrechen, viel zu oft überdachte er seine eigene Meinung nach den Worten des Jüngeren. Obwohl der Jungspund gerne den Eindruck vermittelte ein einfältiger Dummkopf zu sein, so wusste Dulacre doch genau, dass er das eben nicht war, dass Lorenor viel mehr war, seine Schwäche zum Beispiel.

Wenn die Welt das wüsste; wüsste, dass der große Falkenauge, bester Schwertkämpfer der Welt und einer der gefürchteten Samurai sich von einem kleinen Rookie, einem totgeglaubten Rookie, beeinflussen ließ, er schüttelte den Kopf.

Was hatte dieser Junge nur aus ihm gemacht?

Aber er durfte sich davon nicht beeinflussen oder gar kontrollieren lassen.

Ja, je länger er darüber nachdachte, desto sinnvoller fand er es den Jüngeren etwas auf Abstand zu halten. Das würde ihnen beiden gut tun, außerdem beschwerte sein Wildfang sich doch eh immer, dass er zu weich geworden war.

Sein Wildfang. Sein Wildfang.

Seufzend fuhr er sich durchs Haar, zerstörte seine fein säuberlich geordnete Frisur.

Lorenor hatte Recht gehabt.

Sie waren schon lange nicht mehr einfach nur Lehrmeister und Schüler, schon lange nicht mehr nur Rivalen und wie von Lorenor erwartet, konnte das für sie beide problematisch werden.

Wann waren sie wohl Freunde geworden?

Vielleicht sollte Dulacre wirklich etwas mehr Abstand wahren, etwas mehr Distanz zwischen sie bringen und wieder zu dieser alten Lehrmeister-Schüler-Beziehung zurückkehren.

Genau, das war vernünftig, das war klug und angemessen.

Angemessen für jemanden wie ihn.

Also würde er jetzt nur gerade nach Lorenor sehen und dann… Nein, wenn er das richtig angehen wollte, durfte er jetzt eben nicht nach dem anderen sehen. Es reichte wenn er den anderen über seine Entscheidung informierte und mit ihm die nächsten Tage plante, nachdem er sich eine Runde ausgeruht hatte.

Genau, genauso würde ein seriöser Lehrmeister handeln.

Er nickte sich selbst zu, bestätigte sich. Er würde sich jetzt seinen verdienten Schlaf holen und genau das machen, was ihm der rational denkende Teil seines Verstandes riet.

Er gähnte noch einmal ausgiebig und öffnete dann die Tür zu seinen Gemächern.

Vorsicht!

Etwas stimmte nicht, jemand war hier gewesen. Bedächtig trat er ein.

Doch Yuro hinter seinem Rücken summte nur leise vor sich hin, kein Zeichen von Gefahr.

Es war niemand mehr da, aber das beunruhigte ihn nur noch mehr.

Im Licht der Morgensonne schloss er die Türe hinter sich und betrachtete den Raum.

Das erste was ihm ins Auge fiel war sein Schrankkoffer, der offen in der Gegend herum stand, ein paar Kleidungsstücke waren herausgerissen worden und lagen achtlos auf dem Boden herum. Allerdings hatte Kanan ihm seine Klamotten gepackt und so konnte er kaum ausmachen ob etwas fehlte.

Als nächste bemerkte er, dass die Verschlüsse von Lorenors Koffer offen waren. Der Koffer in dem er die Schwerter und die Bücher seines Schülers aufbewahrt hatte.

Ansonsten war der Raum ungestört, mit Ausnahme eines einzelnen umgekippten Stuhls, auf halben Weg zwischen der offen stehenden Wandtür zum angrenzenden Zimmer und den Gepäckstücken.

Mit ruhigen aber dennoch wachsamen Bewegungen eilte er zum Koffer hinüber und hob den Deckel hoch. Sein Herz schlug schneller.

Ein wütendes Josei begrüßte ihn doch die anderen Schwerter fehlten, sowie die kleine weiße Teleschnecke, die darin gelegen hatte, liegen sollte.

Er musste ruhig bleiben.

Langsam ließ er den Deckel sinken und sah sich um, versuchte zu erfassen, was geschehen war.

Dann schritt er durchs Zimmer, durch die offene Wandtür und in den anderen Raum hinein.

Hier wurde das sanfte Sonnenlicht durch ein leichtes Flackern gestört. Er folgte dem seltsamen Licht bis er die Ursache gefunden hatte. Der Bildschirm über den der interne Sender der Marine empfangen werden konnte war von seiner Ablage gefallen, das Glas zersplittert, aber er flackerte noch schwach.

Auch in diesem Raum waren mehrere Möbelstücke umgekippt und er konnte Überreste eines blauen Kleides finden, sowie einzelne Strähnen langen grünen Haares.

Er bückte sich hinab und hob eines der Haare hoch. Blut fand er keines. Aber seine Brust fühlte sich beklemmend eng an. Erneut sah er sich im Raum um.

Ein lang vergessenes Gefühl stieg in ihm auf.

Das Atmen wurde ihm schwer. Langsam fuhr er sich durchs Haar, verdeckte sein Gesicht.

Er musste Ruhe bewahren, er musste ganz ruhig bleiben.

Das war nicht das erste Mal, dass Lorenor ihm abhanden gekommen war. Aber das letzte Mal hatte sich der Nichtsnutz einfach nur auf Sasaki verlaufen und nicht in der Hochburg der Weltregierung.

Sein Herz raste, doch er versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren, ungewollte Emotionen würden ihm jetzt nicht helfen.

Schnell riss er die Kreuzkette von seinem Hals und zog die kleine Waffe hervor. Mit zitternden Fingern öffnete er den geheimen Verschluss am Sockel der Klinge und schüttelte ein kleines, weißes, zusammengefaltetes Stück Papier heraus.

Tief atmete er aus. Das Papier sah noch genauso aus wie vor zwei Tagen, als er es in der Waffe versteck hatte. Weder war es unnatürlich zerknittert noch verbrannte es leise. Was auch immer mit Lorenor geschehen war, zumindest war er wohlauf.

Erleichterung machte sich in ihm breit, doch sie hielt nicht lange. Er griff in seine Hosentasche und zog eine winzige, weiße Teleschnecke hervor.

Als er den Knopf drückte gähnte die kleine Schnecke, ehe sie ihre Augen öffnete. Ihr leises Piepen sagte ihm, dass eine Verbindung hergestellt wurde.

Lange stand er mitten im Raum und betrachtete die kleine Schnecke, die vor sich hin piepte. Minuten schienen ins Land zu gehen, doch nichts geschah.

Lorenor mochte am Leben sein, doch aus welchen Gründen auch immer konnte er nicht abnehmen.

Langsam krabbelte die Angst wieder in seine Glieder, aber er versuchte sie zu unterdrücken, versuchte Herr der Lage zu bleiben.

Er legte wieder auf und die kleine Schnecke schloss ihre Augen um weiter zu schlummern.

Einen Moment lang betrachtete er den Raum erneut, erfasste und rekonstruierte was geschehen war, geschehen sein konnte, überlegte was er nun am besten tun konnte.

Zügig ging er zurück in sein Zimmer, zerrte eine Schublade seines Schrankkoffers auf und hob eine schwarze Teleschnecke mit dunkelbraunen Linien hervor.

Die altbekannte aber selten genutzte Nummer war innerhalb von Sekundenbruchteilen eingegeben.

Nach wenigen Atemzügen wurde abgenommen.

„Guten Morgen. Hier spricht Bosatsu, Sie haben das…“

„Kanan“, unterbrach er die übliche Begrüßung, selbst seine Stimme verriet ihn.

„Mein Herr?“ Ihre Überraschung war hörbar.

„Kanan, ich muss Sie um etwas bitten. Stellen Sie keine Fragen und handeln Sie möglichst dezent.“ Nun hörte sich seine Stimme endlich wieder so an wie sie sollte.

Die Haushälterin stimmte leise zu und dann redete er.

Nach wenigen Minuten beendete er das Gespräch und räumte seine Teleschnecke weg.

Dann ging er hinüber zur Teleschnecke, die von der Weltregierung bereit gestellt wurde.

Als er den Hörer abnahm brauchte es nur wenige Sekunden.

„Guten Morgen, Herr Mihawk. Was kann ich für Sie tun?“

Für einen Moment schwieg er, überdachte seine Entscheidung, zweifelte jedoch kaum. Er musste handeln, er musste die Schmierenkomödie bis zum letzten Akt durchziehen. Er musste ruhig bleiben.

„Ich möchte Ihnen mitteilen, dass es meiner Begleitung, Lady Loreen, nicht gut geht.“

„Oh, das tut mir leid. Soll ich Ihnen einen Arzt schicken.“

„Nein, bitte verstehen Sie, dies hier muss äußerst diskret behandelt werden. Der Hausarzt der Familie Mihawk ist bereits unterwegs. Ich möchte Sie bitten ihm sicheres Geleit zum unterirdischen Hafen zu gewähren. Er sollte innerhalb weniger Stunden mit einem Handelsschiff ankommen.“

Der Beamte zögerte: „Nun ja, grundsätzlich dürfen wir nur Schiffe der Weltregierung oder der Marine zulassen. Ist es denn nicht möglich Lady Loreen von einem unserer Ärzte untersuchen zu lassen?“

„Das wäre wohl ungünstig. Meine Begleitung ist äußerst zurückhaltend wenn es um ihre Gesundheit geht, daher möchte ich vermeiden, dass Fremde sie in diesem Zustand sehen. Ich bitte um Ihr Verständnis.“

„Na… Na gut, ich werde alles veranlassen. Gibt es sonst irgendetwas was ich tun kann?“

„Ich danke Ihnen. Bitte sorgen Sie dafür, dass der Inhalt dieses Gespräches und der Grund dieser Ausnahme unter Verschluss bleibt.“

Wieder zögerte der Soldat. „Herr Mihawk?“, fragte er dann. „Ist Lady Loreen schwer erkrankt?“

Eins…Zwei… Er wartete bewusst lange genug ab ehe er reagierte.

„Bitte gehen Sie vertraulich mit diesen Informationen um. Es gibt Dinge, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen.“

Damit legte er auf.

Solche Verschwörungen lagen ihm. Er war im fadenscheinigen Netz der Politik groß geworden und konnte bestens damit umgehen. Es war ein leichtes Lady Loreens Verschwinden zu verschleiern.

Erneut bemühte er die kleine, weiße Teleschnecke.

Wieder gähnte sie und wieder blieb ihr Ruf nach ihrem Zwilling unbeantwortet.

Mit einem Seufzen ging er hinüber ins Zimmer seines Jungspunds und beseitige die meisten Spuren.

Für einen Moment betrachtete er den immer noch schwach flackernden Bildschirm, ehe er diesen ausschaltete.

Schnell tauschte er den lädierten Bildschirm gegen den unversehrten aus seinem eigenen Raum aus, tauschte auch die kleinen nummerierten Klebezettel, die hinten drauf klebten, und sammelte sogar die feinen Scherben auf, nur um sie wieder in seinem Zimmer zu verteilen.

Dann trat er den Bildschirm elegant nach hinten über.

Das wäre getan.

Ein Samurai, der in seinem Zimmer etwas zerstörte, nichts besonderes, nicht mal der Rede wert, nur zu einer feinen Lady Loreen passte es wohl nicht.

Er schritt zurück zu seinen Sachen und zog eine andere Teleschnecke hervor. Eine große, weiße, eine die nicht abgehört werden konnte. Schnell tippte er die vertrauten Zahlen ein.

„Cho“, erklang es von der anderen Seite ruhig.

Er zögerte für einen Moment, spürte wie seine Lippen zitterten.

„Hallo?“, fragte sein Kindheitsfreund nach.

„Jirou“, murmelte er.

„Dulacre? Bist du das Hawky?“

„Natürlich bin ich es“, entgegnete er grob und wieder Herr der Lage, „Wer sollte es auch sonst sein?“

Der Konteradmiral lachte leise. „Schlecht gelaunt wie eh und je“, lachte er. „Also? Was gibt’s oh mächtiger Samurai?“

„Ziehst du mich etwa auf?“

Für einen Moment war es wie immer.

„Jiroushin, gab es gestern irgendwelche besonderen Vorkommnisse, die von dem marineinternen Sender übertragen wurden?“

Sein Gesprächspartner gähnte. „Ja klar. Hast du davon etwa nichts mitbekommen? Steht doch sogar ganz groß in der Zeitung.“

Dulacre seufzte. „Ich hab noch keine Zeitung erhalten und ich war seit gestern in einer Sitzung bis heute Morgen. Also was ist passiert?“

„Du scheinst wirkliche einen Riecher dafür zu haben, wenn was mit den Strohhüten los ist, was?“

„Wie bitte?“ Es war als würde ihn ein Schlag treffen.

Was war mit den Strohhüten passiert?

„Ja, ein paar Rookies - und darunter selbstredend auch deine werten Strohhüte - haben ein paar Weltaristokraten angegriffen. Daraufhin wurden dann unsere Truppen und Admiral Kizaru aktiviert.“

Das erklärte nun natürlich, warum so viel Bewegung in der Sitzung stattgefunden hatte. Ungewöhnlich viele Offiziere waren immer wieder gegangen und später wiedergekommen. Über Admiral Kizarus Fernbleiben hatte er sich allerdings nicht gewundert, schließlich hatten einige hochrangige Mitglieder gefehlt, da diese ja bereits am Marine Ford waren um die dortigen Vorkehrungen zu treffen.

„Das heißt die Strohhüte haben gegen Kizaru gekämpft? Wurde das live übertragen?“

Der andere stimmte ihm zu. „Ja, es gab eine Übertragung, allerdings haben die Piraten erst gegen die Pacifista und Sentoumaru gekämpft. Der Admiral kam wohl erst später dazu, zusammen mit dem Samurai Bartholomäus Bär.“

Verwirrt starrte er die Schnecke an. „Wieso so viel Aufwand für ein paar Rookies? Sentoumaru sollte doch auch spielend alleine mit ihnen fertig werden. Insbesondere wenn er diese Blechbüchsen mit sich rumschleppt, von denen du im Übrigen eigentlich nicht mit einem Außenstehenden reden solltest.“

„Warte was? Ja du hast Recht, aber wie weißt du dann von den Pacifistas?“

„Oh bitte, Jirou, du kennst mich doch. Aber lass uns zum eigentlichen Thema zurück kommen.“

Der Konteradmiral seufzte: „Ja, da ist nicht mehr viel zu sagen. Es ging wohl alles ziemlich drunter und drüber. Viele Informationen hab ich auch nicht, war ja nicht dabei und es ist ja nicht mein Fall.“

„Was ist denn jetzt passiert, Jiroushin. Was ist mit den Strohhüten?“

Ein ungutes Gefühl grummelte in seiner Magengegend.

„Na, das kannst du dir doch denken. Sie wurden besiegt.“

„Wie?“

Warum zitterten seine Hände denn? Jirou hatte Recht, das war doch so zu erwarten gewesen bei den Gegnern.

„Mhm. War klar dass die keine Chance gegen zwei so hochrangige Offiziere hatten und dann tauchte Bär auch noch auf und… naja du kennst ja seine Kräfte – vermutlich sogar besser als ich selbst, wenn ich so drüber nachdenke – er hat einen Strohhutpiraten nach dem anderen verschwinden lassen. Sie sind alle weg. Einige von ihnen waren wohl schwer verletzt, glaube kaum, dass die alle überlebt haben.“

Langsam sank er auf einen der vielen Sessel.

„Und… und das wurde live übertragen?“

„Jaha, war mal ziemlich gut fürs Ego der Marine, dass alle gesehen haben wie die Strohhüte vernichtet wurden. Schließlich haben sie uns schon oft genug Ärger bereitet, erst vorgestern auf Sarue wieder, sag mal warst du daran irgendwie beteiligt?“

Und Lorenor hatte das alles mit angesehen. Lorenor hatte angesehen wie seine Freunde, einer nach dem anderen, besiegt worden waren. Er wusste nicht ob der andere über Bärs Fähigkeiten Bescheid wusste, schließlich hatten die beiden ja auch schon mal das Vergnügen miteinander gehabt.

So oder so konnte er sich nur ausmalen, was passiert war.

Langsam vergrub er das Gesicht in seiner freien Hand, noch immer den kleinen Zettel haltend.

Da war er einmal ein paar Stunden nicht da und dann passierte so etwas.

„Hawky?“

„Hmm?“

Die Stimme seines Freundes klang besorgt.

„Hör mal, ich weiß, dass die Strohhüte dir irgendwas bedeutet haben. Du hast ihre Taten ja auf Schritt und Tritt verfolgt. Aber so ist das nun mal. Sie sind Piraten und haben verdammt viel Unheil angerichtet, das geschieht ihnen Recht.“

Er musste irgendetwas tun, aber wo konnte Lorenor nur sein? Wo konnte dieser unnütze Rotzbengel nur hingekommen sein?

Er musste sofort aufbrechen und nach ihm suchen. Wenn er der Vivre Card folgen würde, würde er über kurz oder lang den anderen finden, egal wo er war.

Er zitterte, er musste sich beeilen, er durfte keine Zeit verlieren.

„Es tut mir leid, Hawky. Ich war mir nicht bewusst, dass sie dir so wichtig waren.“

„Ach, diese Strohhüte sind mir doch egal!“, knurrte er und konnte kaum atmen.

„Was ist denn dann los?“

Wie damals, stieg dieses unglaubliche Gefühl der Angst in ihm auf, nahm ihm die Luft zum Atmen. Er hätte nie gedacht, sich noch einmal so hilflos fühlen zu müssen.

„Hawky?“

„Jirou, ich…“

„Es geht um Loreen oder?“

Geschockt starrte er die Schnecke an. War es so offensichtlich?

„Ja“, antwortete er wahrheitsgemäß.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sein Kindheitsfreund.

Einen Moment schwieg er, dachte ernsthaft über diese Frage nach.

„Nein“, flüsterte er dann, „nein, es ist nichts in Ordnung.“

Er hatte Angst und es gab kein schlimmeres Gefühl als Angst um eine Person, die einem wichtig war.

Erbärmlich! Angst wegen einem Kind, das ihn eines Tages besiegen sollte.

„Oh“, murmelte sein Gegenüber. „Ist was passiert? Geht es ihr nicht gut?“

Er zögerte, doch dann gab er nach.

„Nein, ganz und gar nicht gut.“ Wie sollte es Lorenor auch gutgehen?

Vor zwei Tagen hatte er noch seiner Crew gegenübergestanden, hatte sich dafür entschieden nicht zurückzukehren, die Gründe dafür waren nun unerheblich. Denn gestern war er nicht bei ihnen gewesen, hatte hilflos zusehen müssen, wie seine Freunde vernichtend geschlagen worden waren.

„Jirou?“

„Hmm?“

„Ich glaube ich bin im Inbegriff etwas ziemlich dummes zu tun, etwas beinahe Irrsinniges.“

Was hatte dieser Junge nur aus ihm gemacht?

Er erkannte sich selbst kaum wieder.

„Okay“, murmelte der andere, „dann lass mich dir nur eine Frage stellen. Würde Loreen es gutheißen, wenn du das wegen ihr tun würdest?“

Er starrte auf seine Handfläche, das kleine Papier lag immer noch darin, krabbelte ganz leise von ihm weg. Lorenor würde ihn auslachen. Lorenor würde sagen, dass er auch ohne Dulacre zu Recht kommen würde. Und Lorenor würde sagen, dass es eine Schande wäre, dass er, Dualcre, sich so sehr von einem Kind beeinflussen lassen würde.

Ein zaghaftes Lächeln glitt auf seine Lippen.

„Danke, Jirou“, flüsterte er.

„Kein Ding. Kann ich dir sonst irgendwie helfen?“

Er seufzte auf und lehnte sich zurück.

„Du könntest mich mal gehörig zu Recht stutzten. So sollte sich ein Mihawk nicht benehmen. Über solche Kleinigkeiten die Nerven zu verlieren ist absolut töricht. Du könntest mich zusammenstauchen darüber, dass ich solche Dummheiten auch nur in Erwägung ziehe, dass ich auch nur einen Moment darüber nachdenke. Eine Blamage ist das, wie enttäuschend.“

Der Konteradmiral lachte leise.

„Mach dir keine Sorgen, Hawky. Loreen ist deutlich zäher als sie aussieht. Ich denke es wird ihr bald wieder besser gehen.“

„Ich sollte mich nicht so um einen dahergelaufenen Schüler sorgen, das solltest du mir sagen! Kannst du mir nicht einmal den Kopf waschen. So ein Verhalten ziemt sich einfach nicht für einen gestandenen Mann.“

Wieder lachte der andere leise.

Unerwartet klopfte es an der Zimmertür und ein junger Mann kam hinein mit einem Frühstückstablett und der morgendlichen Zeitung, obwohl es mittlerweile bereits früher Mittag war.

Seufzend stand Dulacre auf, beendete das Telefonat ohne sich zu verabschieden und strich seine Haare zurück.

Seine kleine private Auszeit war vorbei, Dulacre hatte ausgespielt, nun trat wieder Falkenauge auf den Plan. Falkenauge, die Ruhe in Person.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo alle miteinander,

vielen Dank für die Kommentare und Favoriten, ich bin überrascht, dass tatsächlich noch welche von euch da sind ;-)
Nur als kleine Anmerkung: Der erste Teil dieses Kapitels war im originalen Aufbau als Prolog geplant, später hab ich es jedoch umgeschmissen und den aktuellen Prolog geschrieben, um zu zeigen wie damals alles angefangen hat.
Jetzt, wo ihr das wisst, würde mich interessieren, ob der erste Aufbau euch vielleicht besser gefallen hätte (der Rest der Geschichte wäre gleich geblieben) oder ob ihr es so gut findet ;-)

Liebe Grüße

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2019-01-10T19:48:51+00:00 10.01.2019 20:48
Ein tolles Kapitel. Gut geschrieben. Gefällt mir.
Na ganz toll. Zoro ist zwar wieder Zoro, aber naja. So ganz glücklich lief das dann doch nicht.
Och. "Hawky" kann ja echt niedlich sein. Er sorgt sich wohl sehr um Zoro. Ich nehme aber mal an, dass sie sich bald wiedersehen werden. Hehe.
Ich bin schon gespannt, wie es weitergeht, und freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Antwort von:  Sharry
17.01.2019 19:09
Hey,
danke dir für deine Kommentare. Ich freue mich über jeden einzelnen.
Leider muss ich dich entäuschen, so schnell werden unsere beiden Schwertkämpfer sich nicht wiedersehen, wäre doch sonst zu langweilig, oder ;-P

Liebe Grüße
Sharry


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