Eine erbarmungslose Entscheidung von Sharry ================================================================================ Kapitel 2: Abschied ------------------- Abschied   Er folgte Ruffy unablässig, dieses stetige Hochgefühl in seiner Brust, dieses Wissen, dass er endlich nach Hause kommen würde. Allerdings wurde die Freude etwas von der Gewissheit gedämpft, dass er die Insel Sasaki, auf der er die letzten Wochen verbracht hatte, nun hinter sich lassen würde, mit all ihren Bewohnern, mit ihm. Aber nein, davon würde er sich seine Rückkehr nicht trüben lassen. Sein schwarzhaariger Freund war immer noch dabei einen Soldaten nach dem anderen – und einige auch gleichzeitig – gegen Häuserwände zu katapultieren und die Straße hinunter zu fegen. Der Strohhut rannte die Gassen Richtung Hafen hinunter, doch langsam schien er auch müde zu werden. Der Kampf dauerte nun längere Zeit an und während Ruffy ganz alleine den Soldaten gegenüber stand tauchten von ihnen immer neue auf. Auch schienen sie deutlich stärker zu sein als das übliche Fußvolk, welches die Piraten sonst verfolgte. Einige von ihnen konnten Ruffys Attacken ausweichen und sogar mehr oder weniger effektive Gegenangriffe durchführen. Der Schwertkämpfer auf den Dächern konnte sehen, wie Ruffy sich immer wieder mit dem Unterarm über die Stirn wisch. Er war sichtlich erschöpft. Er wollte eingreifen, er musste eingreifen. Zu zweit hätten sie eine gute Chance gegen die Marine, aber er wusste auch, dass er nicht eingreifen durfte, sonst… Zorro schluckte. Er wollte ihm helfen, aber er musste noch abwarten und Vertrauen haben. Ruffy war stark genug und ansonsten würde ihm mit Sicherheit einer der anderen aus der Crew helfen. Zorro brauchte sich keine Sorgen zu machen. Die Crew war stark genug um Ruffy zu beschützen, stark genug um ihn zu beschützen. Sie mussten einfach stark genug sein um Zorro beschützen zu können. Nur wo blieben sie? War es nicht offensichtlich, dass der Gummijunge jetzt Unterstützung brauchte? Hatte keiner von ihnen gespürt, dass Ruffy in Gefahr war? Konnten sie denn nicht fühlen, dass ihr Kapitän sie brauchte? Ruffy hatte den Rand der Hafenpromenade erreicht, schlug und trat weiterhin um sich, versuchte so viele Soldaten wie möglich auszuschalten. Der Pirat in Frauengestalt folgte ihm über die Dächer hinweg, jederzeit bereit einzugreifen wenn es denn sein musste. Aber er wusste, dass er sich zurückhalten musste. Es ging ihm dabei kaum darum, dass man ihn erkennen würde. Klar konnte er darauf verzichten, dass die Welt herausfinden würde, dass er Lady Loreen war, aber letztendlich war es ihm eigentlich egal. Aber Zorro wusste, dass wenn er eingreifen würde, wenn er nicht darauf vertrauen würde, dass seine Crew es auch ohne ihn schaffen könnte, dann… „Ruffy!“ Die laute Stimme des Kochs hallte über den Hafen hinweg. Der Schwertkämpfer schreckte auf. Sein Blick huschte zur Thousand Sunny, die noch einige hundert Meter weit entfernt angelegt war. Er konnte dort ganz deutlich einige seiner Crewmitglieder an Bord erkennen und dort, dort konnte er auch die verhüllte Gestalt Falkenauges ausmachen. Er hatte Zorros Freunde also tatsächlich beschützt. Doch dann sah er Sanji, der offensichtlich so schnell rannte wie er nur irgendwie konnte um seinem Kapitän zur Hilfe zu eilen. Einige Soldaten hatten den Helden im Anzug bereits bemerkt, was kein Wunder war, wenn der Idiot auch den halben Hafen zusammenbrüllte. „Lasst ihn nicht entkommen!“, befahl der Leutnant hinter den Reihen der Soldaten und verstärkt griffen sie an. Wehrlos beobachtete Zorro wie Kapitän und Smutje sich immer näher kamen, wie beide die Weißhemden aus dem Weg fegten. Immer wieder rief Sanji den Namen des Strohhutjungens. Doch der Pirat auf den Dächern konnte es genau erkennen, konnte sehen wie schnell Sanji lief, konnte sehen wie schnell Ruffy lief, konnte sehen wie schnell der Leutnant war. Ruffy war erschöpft, aber wenn er es bis zu Sanji schaffen würde, wenn Sanji es bis zu ihm schaffen würde, wäre alles gut, dann wäre alles… Ruffy stürzte. Seine Beine gaben nach und er fing sich mit den Händen auf. „Das ist dein Ende!“ Der Leutnant hatte den schwarzhaarigen Jungen fast erreicht. Konnte der Koch es überhaupt noch schaffen? Der Schwertkämpfer wusste die Antwort bereits. Zorro! Für einen Moment meinte er Ruffy zu hören, tief in sich. Der Leutnant hatte sein Schwert gezogen. Wo bist du? „Ruffy!“ Sanji schrie verzweifelt, streckte eine Hand nach seinem Freund aus über den der dunkle Schatten des Marineoffiziers hinein brach. „Nein!“ Er war zu spät, Sanji würde nicht rechtzeitig sein. Der Mann im Marinemantel hob sein Schwert. Ich bin hier. Zorro sprang die Dächer hinunter. Mein Käpt’n! Es ging schnell, einfach, ohne Mühe. Innerhalb eines Augenaufschlags stand der verfluchte Pirat hinter dem Leutnant, registrierte wie viel größer dieser doch war. Der Marinemann war deutlich stärker als Zorro in dieser Gestalt, doch dafür handelte er sofort. Josei, das Drachenschwert welches der Samurai ihm gegeben hatte, da er seine eigenen bei seiner Crew gelassen hatte, dürstete es nahezu nach jedem einzelnen Tropfen Blut seines Feindes. Jahrzehnte hatte es in einer Vitrine gelegen, dies war sein erster Kampf seit so langer Zeit. Fast schon ungehalten bohrte sich das Schwert in das weiche Fleisch des Marineoffiziers, ließ sich von Zorro folgsam zwischen Knochen hindurch führen, dankbar dafür endlich wieder kämpfen zu dürfen. Doch der Grünhaarige durchstach den Leutnant nicht einfach nur, er hatte gelernt schnell und effizient zu handeln. Er musste einen Kampf innerhalb von Sekundenbruchteilen für sich entscheiden. Beim Herausziehen der Klinge zerriss er das Fleisch, schnitt hindurch wie warme Butter, hinterließ ein klaffendes Loch in der Brust des Leutnants während Blut zu Boden prasselte wie einsetzender Regen. Für einen Moment blieb der Mann der Marine vor Zorro stehen, Blut verfärbte seinen weißen Marineumhang binnen Sekunden. Er schien etwas sagen zu wollen, doch fiel auf die Knie. Klappernd fiel sein Schwert zu Boden. „Wa..as…?“ Dann brach er zusammen, offensichtlich tot. Zorro hatte seine Waffe noch auf den Leichnam gerichtet, doch sein Blick traf den des Kochs. Sanji war im Laufen erstarrt, eine Hand noch nach dem am Boden knienden Strohhut ausgestreckt, doch er starrte Zorro nur an, das Licht der Mittagssonne spiegelte sich in seinem einen sichtbaren, blauen Auge und Zorro meinte so etwas wie Erkenntnis über die blassen Züge huschen zu sehen. Einen Moment betrachtete er seinen Kapitän vor ihm. Er hatte ihn beschützt, so wie es Zorros Aufgabe war, immer gewesen war, er hatte seinen Kapitän beschützt. Doch für Sentimentalität blieb ihm jetzt keine Zeit. Schnell wirbelte er herum und stellte sich den verbliebenen Soldaten entgegen, stellte sich breitbeinig vor seinen Kapitän. Zorro würde Ruffy beschützen, so wie er es immer getan hatte, ungeachtet der Konsequenzen. Er ignorierte plötzlich auftauchende, ungewollten Gefühle - die ihn in diesem Körper jederzeit zu übermannen drohten - und betrachtete die herannahenden Soldaten. Der unerwartete Tod ihres Anführers hatte sie geschockt, aber jetzt griffen sie wieder an, Wut und Verzweiflung in ihren Schreien. Gefühle, die in einem Kampf nur hinderlich sein konnten, wie Zorro nur zu gut wusste. Er hatte aus diesen Fehlern bereits gelernt, hatte vom Besten der Besten gelernt und wandte die Schwäche der Soldaten nun gegen sie. Es war der erste wahrhaftige Kampf mit echten Gegnern, seitdem der ehemalige Piratenjäger in diesem schwächlichen Körper war. Der erste Kampf der tödlich für ihn ausgehen konnte, doch das interessierte Zorro nicht. Josei in seiner Hand pulsierte blutrünstig und er gab sich dem erfüllenden Gefühl des Kampfes hin. Die meisten Soldaten waren größer als er und selbstredend auch stärker, ihre muskulösen Oberarme waren zum zerreißen angespannt. Aber mit Stärke alleine konnte man einen Kampf nicht gewinnen. Zorro wusste, dass ein Schlag, ein Treffer ausreichen konnte um ihn zu besiegen, um die dünnen Knochen seines Körpers zu brechen, um die papierdünne Haut aufzureißen, deswegen erlaubte er diesen Weißhemden nicht einen Angriff, schaltete sie aus, bevor sie überhaupt bemerkten wo er war, tötete sie direkt, ließ keinen Raum für Rache, war zu schnell für ihre Gegenwehr. Plötzlich spürte er einen vertrauten Arm um seine Hüfte und eine altbekannte Stimme rief ihm zu: „Halt dich gut fest!“ Er ahnte was darauf folgen würde, hatte kaum genug Zeit sein Schwert wegzustecken, hörte die verzweifelten Rufe des Kochs und im nächsten Moment rasten sie durch die Luft. Zorros Lungen wurden zusammengepresst, jedes bisschen Sauerstoff hinaus gejagt, während der Strohhut sie irgendwohin katapultierte, vermutlich Richtung Sunny. Aus den Augenwinkeln konnte er den Smutje sehen, der nicht minder erschrocken wirkte, sich jedoch schnell aus der klammerhaften Umarmung seines Kapitäns befreite und zu Boden sprang. Zorro folgte seinem Beispiel augenblicklich. Ruffys Fluchtaktionen endeten meistens in einem harten Aufprall gegen irgendeine Wand, darauf konnte er nur zu gut verzichten, besonders in diesem Körper. Doch er hatte sich verschätzt, einen Moment zu lange gebraucht um sich zu befreien und so hing er kopfüber in der Luft und fiel Senkrecht zu Boden. Im letzten Moment wurde er von der verhüllten Gestalt des besten Schwertkämpfers der Welt aufgefangen, der wie beiläufig auf dem Piratenschiff stand, als wäre er nicht mehr als ein unbeteiligter Zuschauer. Ruffy klatschte währenddessen mit voller Wucht gegen den Mast der Sunny und krachte danach zu Boden, mit dem Kopf voran. All dies geschah innerhalb weniger Sekundenbruchteile und für einen Moment war alles still. Dann brüllte die Navigatorin Befehle zur Flucht und die anderen Crewmitglieder leisteten Folge. Er war Zuhause. Zorro war wieder Zuhause, zurück auf der Thousand Sunny, zurück bei seiner Crew. Doch während um ihn und den Samurai herum geschäftiges Treiben herrschte, blieb er wie erstarrt stehen. Er wollte die Kapuze herunterreißen und den anderen entgegen brüllen, dass er wieder da war. Wollte Robin und Sanji dabei unterstützten herannahende Kanonenkugeln abzuwehren. Wollte wieder dabei sein, wollte wieder dazu gehören. Aber was war, wenn seine Träume Wirklichkeit wurden, wenn seine Ängste wahr wurden? Was war, wenn seine Crew ihn nicht nur nicht erkannte, sondern ihn nicht wieder bei sich haben wollte? Was war, wenn seine Freunde ihm nicht vergeben konnten, dafür dass er sie im Glauben gelassen hatte, dass er gestorben sei? Was war, wenn er nicht wieder zum Mann werden konnte? Könnte er dann trotzdem zur Crew zurückkehren? Der Samurai neben ihm war totenstill. Aber vielleicht, vielleicht war es gar nicht wichtig ob er ein Mann war oder nicht. Hauptsache war doch, dass er bei seiner Crew war, oder? Schließlich hatte er auch in dieser Gestalt seinen Kapitän gerade beschützen können und er würde schon irgendeinen anderen Weg finden, irgendwie. Franky löste auf Namis Zurufen hin einen Coup de Bust aus und Sekunden später segelte das kleine Piratenschiff durch die Luft. Fort von der Insel Sarue, fort von den Soldaten der Marine, fort von Zorros Erinnerungen. Sein Körper bewegte sich immer noch nicht, er war wie erstarrt, wollte nichts mehr als zu seinen Freunden zurückzukehren, hier und jetzt und doch konnte er keinen Laut von sich geben. Was war, wenn sie ihn nicht zurücknehmen würden, wenn sie ihn nicht verstehen würden? Wenn sie nicht verstehen würden, was mit ihm passiert war? Was war, wenn es ihnen egal war? Er hatte den Mund bereits geöffnet, schließlich hatte er mit dem Samurai abgesprochen, dass er reden würde, dass er seinen Freunden die Wahrheit sagen würde. Aber sein Körper gehorchte ihm nicht. „Nami!“, rief Chopper plötzlich von der Seite, wo er sich in seiner Riesengestalt über die Reling geworfen hatte um den fallenden Lysop aufzufangen, „Da ist ein Schiff hinter uns.“ Sanft landete die Thousand Sunny wieder im ruhigen Wasser, doch Zorro betrachtete nur seinen jungen Freund, was hatte er dieses kleine Rentier doch vermisst. „Was meinst du? Wir werden immer noch verfolgt?“ Sein Blick wanderte zum Koch, der sich eine Zigarette anzündete, er schien die Gelassenheit in Person zu sein, doch Zorro kannte ihn zu gut, konnte die innere Unruhe des Blonden fühlen. „Nein“, antwortete der junge Arzt, „es scheint an der Sunny befestigt worden zu sein und es ist auch ganz klein.“ Einen Moment sah Zorro zu Mihawk auf, dieser hatte wie vereinbart sein kleines Boot an der Thousand Sunny befestigt. Der Samurai handelte genauso wie abgemacht, wich keinen Millimeter von ihrer Strategie ab, ganz anders als er selbst Lysop in Choppers Armen stammelte irgendetwas vor sich hin, während Franky den Strohhut aus dem Boden zog. „Das ist das Sargboot!“, rief der Lügenbaron plötzlich und seine Stimme erfüllte Zorro mit Kälte, als hätte der andere ihn auffliegen lassen. „Ja, das dürfte dann wohl mir gehören.“ Der Mann neben Zorro sprach. Obwohl sie abgemacht hatten, dass Zorro mit seinen Freunden sprechen würde, hatte Mihawk das Wort erhoben und irgendwie war er dankbar. Sämtliche Crewmitglieder starrten sie nun an. Er merkte wie ihre Blicke erst den großgewachsenen Mann an seiner Seite begutachteten und dann auf ihn fielen, merkte wie über das ein oder andere Gesicht Erkenntnis flackerte, gefolgt von Grauen und Unglaube. Sanji machte einen Schritt vor seine Crew, stellte sich zwischen Zorro, Mihawk und die anderen, als wollte der Koch sie beschützen, vor ihm beschützen. „Was ist denn los?“, fragte Brook verwirrt, doch sein Blick traf Zorro. Für einen Moment starrten sie einander an und obwohl es unmöglich war, dass Brook ihn unter seiner Kapuze erkennen konnte, machte er einen Schritt zurück. Zorro wusste genau warum. Denn er konnte es sehen und das bedeutete, dass das Skelett es auch bei ihm sehen konnte. Den Schatten eines früheren Lebens. Doch dann weckte Mihawks Stimme ihn wieder auf. „Wer hätte gedacht, dass wir uns so wiedersehen“, sprach der Samurai kühl und zog seine Kapuze zurück, „Monkey D. Ruffy, zukünftiger König der Piraten. So war es doch, oder irre ich mich?“ Auf den Gesichtern seiner Freunde verwandelte sich Unglaube in Schrecken. „Falkenauge?“ Nur Robin schien wie immer die Ruhe selbst. „Was macht einer der sieben Samurai hier?“ „Sie hat Recht!“, knurrte Sanji feindlich und zeigte mit dem Zeigefinger auf Mihawk, „Was willst du von uns, Falkenauge!“ Zorros Herz raste unfassbar schnell. Aber immer noch fehlte ihm die Kontrolle über seinen Körper. „Du meine Güte, was für eine unhöfliche Begrüßung und das, nachdem wir euch sogar geholfen haben.“ Dulacre neben ihm klang beinahe entspannt, er schien die Situation problemlos zu beherrschen. Seine sicheren Worte beruhigten Zorro. „Wenn du wegen Zorro hier bist, kommst du zu spät!“, brüllte Sanji beinahe und stellte sich noch einen Schritt weiter vor die anderen, in seinem Gesicht stand so viel geschrieben, dass Zorro nicht in Worte fassen konnte. „Er ist tot.“ Eiskalt lief es Zorro den Rücken hinunter. Es war ganz natürlich, dass seine Freunde ihn für tot hielten. Schließlich hatten sie ihn sterben sehen, schließlich hatte die ganze Welt ihn für Tod erklärt. Solche Worte sollten ihn nicht überraschen und trotzdem, trotzdem drangen sie in ihn ein, wie Klingen aus purem Eis. „Ich weiß, es fällt dir schwer das zu glauben, Schwarzfuß Sanji, aber ich bin doch tatsächlich in der Lage die Zeitung zu lesen.“ Wieder war es Dulacre, der mit entspannter, wenn auch drohender Stimme antwortete. Zorro musste sich zusammenreißen. Wer war er denn, dass er sich von seinen eigenen Gefühlen überrennen ließ? Er war Lorenor Zorro und ganz gleich welcher Körper, es passte nicht zu ihm, sich von einem dahergelaufenen Samurai in Schutz nehmen zu lassen. Nein, das hier war sein Kampf. Er ignorierte den aufgeregten Wortwechsel seiner Crewmitglieder und machte sich bereit, jetzt würde er sich seinen Ängsten stellen und seiner Crew die Wahrheit sagen. „Nur über meine Leiche!“ Bevor er überhaupt wusste was los war, sah er wie Sanji angriff. Zorro hatte ganz offensichtlich einen wichtigen Punkt des Gespräches verpasst. Doch er wusste, dass er diesen Angriff verhindern musste. Dulacre mochte ihm gegenüber eine Schwachstelle haben, aber er würde gewiss nicht zimperlich mit dem Koch umgehen. Nein, Zorro war sich plötzlich ganz sicher, dass er einschreiten musste. Kurz starrte er Dulacre an, fühlte dass da etwas war, was für den Koch mehr als gefährlich sein konnte. Er preschte nach vorne. Sanji mochte schnell sein, aber Zorro konnte seine Bewegungen mit Leichtigkeit erahnen. Sie waren einander beinahe ebenbürtig gewesen, damals vor einem Monat, doch obwohl Zorro nun im schwächeren Körper war, dem anderen eindeutig unterlegen war, wusste er, dass er ihn besiegen konnte, innerhalb eines Atemzuges besiegen konnte. Verdammt! Es dauerte weniger als eine Sekunde, er duckte sich unter Sanjis ausgestrecktem Bein hindurch, schlug seinen rechten Arm zur Seite und warf sich auf ihn, seine Kapuze rutschte nach hinten. Hart prallte der Blondschopf auf dem Boden auf. Zorro drückte ihm eine Hand gegen die Kehle, die andere hielt er nur Millimeter über dessen Brust, zeigte keine Schwäche, keine Lücke in seiner Abwehr. Schnell atmend hockte er auf dem Koch. Für einen Augenblick starrten sie einander nur an. Zorro bemerkte wie der andere ihn betrachtete, jede Einzelheit seines Gesichts betrachtete. Dieser Blick passte nicht zum Koch, zumindest nicht wenn er Zorro ansah. So sollte er ihn nicht ansehen. Mit einem solchen Ausdruck im Gesicht sollte der Koch doch nicht seinen Lieblingsfeind ansehen. Doch Zorro bemerkte auch etwas anderes, bemerkte die fahle, blasse Haut, die sich trocken und dürr über die markanten Wangenknochen spannte, bemerkte die dunklen, schweren Augenringe, die scharfkantig und hart die ungewohnt eingefallenen Augen zeichneten. Der Koch sah schlecht aus, seine Lippen waren ausgetrocknet und aufgerissen, er wirkte dünner, noch dünner, als sonst schon. Zorro war in den letzten Wochen stärker geworden, war durch das Geschehene reifer und weiser geworden. Sanji hingegen, Sanji hatte gelitten und an Kraft verloren. Er war schwächer geworden. Zorros vermeintlicher Tod hatte ihn geschwächt. Verdammt! Wieso hatte er nicht verstanden was Zorro ihm damals gesagt hatte? Wieso hatte er ihm nachgetrauert anstatt noch wachsamer zu werden? Wieso hatte er seinen Traum und sich selbst vernachlässigt? Zorn glitt durch seine Glieder. Dieser Idiot war so blöd wie er blond war! Geschmeidig erhob er sich und warf seinen Pferdeschwanz zurück. Der Koch hatte nicht verstanden was Zorro ihm damals gesagt hatte und deshalb war er nun zu schwach. Der Koch war zu schwach. Verdammt! „Wirf dein Leben nicht leichtfertig weg“, sprach er kalt und trat einen Schritt zurück. Doch warum sah ihn der andere so seltsam an? Warum sah er ihn immer noch mit diesem verlangenden Blick an? „Aber das ist doch Lady Loreen“, entkam es Nami hinter ihm und er drehte sich überrascht zu ihr. Natürlich würde Nami ihn aus der Zeitung wiedererkennen, natürlich würde sie sein Alter Ego wiedererkennen. „Wer?“, murmelte Lysop. „Sag bloß, du hast noch nicht von ihr gehört? Sie ist eine Berühmtheit. Hast du noch nie in der Zeitung von ihr gelesen? Sie ist eine ehemalige Weltaristokratin, die aus Liebe ihren Status aufgegeben hat.“ „Was?“ Das war Zorro neu. Er wusste, dass viele Gerüchte über ihm in Umlauf waren, insbesondere was seine Beziehung zum Samurai anging, aber den Klatsch ignorierte er meist. Verwirrt sah er Nami an, wieso glaubte sie solche Sachen? Wie sollte er ihnen denn jetzt erklären wer er war? Würden sie ihm überhaupt noch glauben? Nami winkte ab: „Ach, machen Sie sich keine Sorgen wegen diesen Kulturbanausen. Ich habe alles über Sie gelesen und bin fasziniert von Ihrer Gabe wunderschöne Kleidung im bezahlbaren Rahmen zu finden. Ihr Stil ist wunderschön.“ Ihre Worte störten ihn. Was interessierten ihn irgendwelche Klamotten? „Sie sind wunderschön.“ Er starrte zum Koch hinüber, der ihn immer noch so verlangend ansah. So sollte er ihn nicht ansehen, so durfte er ihn nicht ansehen. Er war doch Zorro und nicht… „Ich habe davon gelesen, dass Sie sich gegen die Sklaverei einsetzen möchten. Ich bewundere, wenn Menschen ihre Position dafür nutzen wollen Gutes zu tun.“ Selbst Robin war dieser Scharade verfallen, selbst sie glaubte dem Meer aus fadenscheinigen Lügen. „Sie sieht total freundlich aus und sie hat Ruffy geholfen. Ich glaube, wir können ihr vertrauen.“ Chopper! Ihre Worte irritierten ihn, sie alle sprachen anders mit ihm als sonst, sahen nur Lady Loreen, nicht ihn. Sie hatten keine Ahnung was hier vor sich ging. Aber von nun an würden Sie ihn nie wieder so wie früher ansehen können Es war vorbei. „Aber was willst du denn von uns?“ Der Cyborg war der einzige der misstrauisch wirkte. Doch dann schritt Ruffy an dem Koch vorbei - seinen Strohhut tief ins Gesicht gezogen - und blieb direkt vor Zorro stehen. „Ruffy, was tust du da? Du machst ihr noch Angst.“ Nein, Franky, nicht auch noch er. Obwohl er nicht Unrecht hatte; ein mulmiges Gefühl erfüllte Zorro. Schon oft hatte er von diesem Moment geträumt und genau wie in seinem Traum konnte er die Spannung fühlen, konnte fühlen wie seine Welt jeden Moment zerbrechen würde. Ruffy stand vor ihm, für einen Moment regte sich niemand und dann riss sein Kapitän ihn an sich, riss Zorros zierlichen, schwächlichen Körper an sich, schlang einen Arm um seine Hüfte und griff mit der anderen Hand sein Haar. Für einen Atemzug geschah überhaupt nichts, er sah nur die überraschten Gesichter der anderen Crewmitglieder, spürte die Wärme seines Kapitäns, atmete seinen Geruch ein. „Danke.“ Ganz leise, ganz ruhig, ganz ungewohnt klang Ruffys Stimme, aber nie zuvor hatte sie ihn mehr berührt und tiefer erreicht. Ruffy hatte ihn erkannt, hatte ihn bereits erkannt bevor er sich ihm gezeigt hatte. Ruffy hatte ihn nie aufgegeben, Ruffy hatte nie aufgehört an ihn zu glauben. „Ruffy“, flüsterte er während ihm die Tränen kamen. „Ruffy!“ Er krallte seine Hände in den Rücken seines Freundes, wollte ihn nie mehr loslassen, während er sein Gesicht in seiner Schulter vergrub. Ruffy war stark, Ruffy war stark, aber es war mehr als das. Ruffy nahm ihn an wie er war, stellte noch nicht einmal in Frage was passiert war. Alls was für Ruffy zählte war, dass Zorro zurückgekehrt war.. Erst jetzt wurde ihm bewusst wie viel Angst er doch vor diesem Moment gehabt hatte, wie viel Angst er vor Ruffy gehabt hatte, vor seinem Kapitän, vor seinem Freund. Aber Ruffy sah ihn und das erfüllte ihn mit Dankbarkeit, Erleichterung und Freude. Plötzlich ließ der andere ihn los und er bemerkte, dass er, Lorenor Zorro, hier vor versammelter Mannschaft am heulen war. Schnell versuchte er die Beweise dieser Scham zu verwischen. „Das müssen wir feiern“, erklärte der Käpt‘n der Strohhüte freudig. „Sanji, mach den…“ „Warte!“ Er hatte gesprochen, ehe er überhaupt wusste, was geschehen war. Endlich war Zorro Zuhause, endlich war er angekommen. „Ich muss mit dir reden. Allein.“ Er hatte eine Entscheidung getroffen. „Warte was? Hör mal Kleine, egal was du zu sagen hast, das kannst du auch vor uns sagen.“ Er nahm kaum war, was der Lügenbaron sagte. Ihm wurde bewusst, was er gerade entschieden hatte. Ihm fehlte die Luft zu atmen. Doch Ruffy klang unbeschwert wie immer: „Okay, wie du willst. Ihr geht rein und wartet auf mich.“ „Einen Moment. Ich lasse dich nicht alleine hier draußen mit dem da.“ Er hörte die Unsicherheit in der Stimme des Kochs. „Ja, wir bleiben alle hier!“ Oh, sein kleiner, naiver Chopper. Er konnte es ihnen nicht sagen, wie sollte er es ihnen nur… „Nein!“ Ruffys Stimme war ungewohnt ernst. „Wir sind nicht in Gefahr und das ist keine Bitte. Ihr geht jetzt rein und schließt die Tür. Das ist ein Befehl.“ Einen Moment war es totenstill, doch dann sprach der Koch. „Aye Käpt’n“, und so gingen die anderen. Zurück blieben Zorro mit seiner nun so schweigsamen Begleitung und der Kapitän der Strohhutbande, der ihn immer noch so unschuldig angrinste. „Also?“, fragte der Jüngere. Doch wie sollte Zorro es ihm sagen, erneut hatte er das Gefühl, dass sein Körper ihm nicht gehorchte. Das lief alles so ganz anders als er es geplant hatte. „Was ist denn nun?“, fragte der Schwarzhaarige unbeirrt. Er musste etwas sagen, er musste ihm sagen, dass: „Dein Schwertkämpfer lebt!“, platze es aus ihm heraus, „I…Zorro lebt! Aber er kann noch nicht wieder zurückkommen.“ Er konnte es nicht sagen. Er konnte nicht sagen, dass er Zorro war, schließlich war er nicht Zorro, zumindest noch nicht, nicht gänzlich. „Dein Schwertkämpfer ist noch zu schwach. Er ist noch nicht wieder der alte. Aber wenn du warten kannst, wenn du bereit bist zu warten, dann wird er wieder kommen, dann wird er Nachhause kommen. Das musst du mir glauben. Das ist ein Versprechen!“ Es tat weh, es tat unglaublich weh. Aber er hatte entschieden. „Warte hier.“ Das war alles was der andere sagte, ehe er sich umdrehte und dem Rest der Strohhüte in den Speisesaal folgte. Langsam wurde ihm bewusst, was er getan hatte, was er im Inbegriff war zu tun. Er war endlich wieder heimgekehrt, endlich zurück bei seiner Crew, seinen Freunden, seiner Familie und nun würde er sie verlassen, nicht weil er wollte sondern weil er hoffte, dass es das Richtige war, das Richtige sein musste. Ruffy nahm ihn an wie er war und er war auch unglaublich stark, aber Zorro musste einsehen, dass Ruffy alleine nicht ausreichte. Nie wieder würde er diesen Ausdruck vergessen können mit dem der Koch ihn angesehen hatte, dieses Verlangen, dieses Begehren, welches nicht ihm galt sondern einer Kunstfigur die er erschaffen hatte und trotzdem war er es. Er wusste nicht, warum Ruffy gegangen war oder was ihn nun erwartete, doch plötzlich ging die Tür wieder auf und sein Kapitän kam auf ihn zugestürmt, seine drei wertvollsten Schätze im Arm. „Sie vermissen mit Sicherheit ihren Meister.“ Er konnte spüren wie die drei Schwerter ihn erkannten, konnte spüren wie sie ihn begrüßten, nach so langer Zeit. Wado-Ichi-Monji sprühte vor purer Dankbarkeit, dass er lebend zurückgekehrt war. Shuusui grüßte ihn erhaben und zollte ihm seinen Respekt. Selbst Kitetsu schien eine verschmitzte Fröhlichkeit an den Tag zu legen. „Danke“, flüsterte er. Endlich hatte er sie wieder, endlich war er wieder vollständig. „Kein Problem.“ Ruffy lachte. „Und keine Sorge. Ich werde warten. Wir alle werden warten. Egal wie lange es dauert und egal aus welchen Gründen.“ Zorro hatte eine Entscheidung getroffen und Ruffy verstand. Mehr gab es nicht zu sagen, obwohl er noch so viel sagen wollte. Er drehte sich um, weg von seinem Kapitän, weg von diesem Ort an den er gehörte. Und dann sah er Dulacre an. Etwas in ihm zeigte sich erfreut über diesen selten zu sehenden Ausdruck der Verwirrtheit auf dem Gesicht des Samurais, aber der Rest von ihm war kalt und taub. „Lass uns gehen.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)