A New Life von Lady_Red-Herb ================================================================================ Kapitel 14: Zwischen Hoffnung und Verzweiflung ---------------------------------------------- Benommen öffnete Chris die Augen und blinzelte ein paar Mal, um seine Sicht halbwegs wieder klar zu bekommen. Noch immer hörte er ein Klingeln und Piepen in den Ohren, und sein Kopf schmerzte fürchterlich. Was zum Teufel war da gerade passiert? Mit einem Mal hatte es einen ohrenbetäubenden Knall gegeben, es war gleißend hell geworden, heiß, und dann hatte es den Soldaten von den Füßen gerissen, und der Aufprall danach hatte ihm die Luft aus den Lungen gepresst und das Bewusstsein geraubt. Es war ein Wunder, dass er überlebt hatte und noch dazu mehr oder weniger unverletzt war. Seine Rippen pochten etwas, aber bis auf dieses Pochen und die Kopfschmerzen schien er halbwegs unversehrt zu sein. Aber was war mit den beiden Frauen? Chris stemmte sich vorsichtig hoch, verzog etwas das Gesicht und stand dann langsam und etwas schwankend ganz auf. Ein wenig schwindelig war ihm, doch er konnte sich auf den Beinen halten. Rauch verdunkelte den Himmel, die umstehenden Bäume standen in Flammen, ebenso wie die kleine Holzhütte, um die herum sie nach dem Eingang zum Labor gesucht hatten. Das Labor... Offenbar war dieses in die Luft gesprengt worden. Hatte man sie bemerkt? Hatte man so versucht, alle Spuren zu beseitigen? Dann war alles umsonst gewesen. Rebeccas Datenbeschaffung, die gemeinsame Suche nach dem Standort, und schließlich ihre Fahrt hierher. Chris hatte, nachdem sie hatten sicher sein können, das Labor gefunden zu haben, Sherry angerufen, und letztendlich, einfach um auf jeden Fall genug Unterstützung zu haben, auch noch Leon. Beide hatten zugesagt, sich sofort auf den Weg zu machen, und Chris und die Anderen hatten versprochen, das Labor nicht alleine zu betreten. Und nun schien es dieses Labor gar nicht mehr zu geben, und Leon und Sherry würden sich ganz umsonst auf den Weg gemacht haben. Wären sie doch nur vorsichtiger gewesen... Aber gut, was hätten sie tun sollen? Sie konnten sich nicht unsichtbar machen, und sie hatten nun einmal den Eingang suchen müssen... den sie bis zuletzt nicht gefunden hatten. "Jill...? Rebecca?!" Chris verdrängte die Gedanken um das Labor erst einmal und konzentrierte sich darauf, die beiden Frauen irgendwo auszumachen. Der Rauch erschwerte die Sicht, ebenso wie die teilweise umgestürzten und brennenden Bäume. Aus der Ferne waren bereits Sirenen zu hören, und der Brünette hob leicht den Blick und drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Geräusche der Feuerwehrwagen kamen. Dann wandte er sich wieder um und suchte weiter nach seinen Begleiterinnen, beschleunigte seine Schritte, als er eine Gestalt in einigen Metern Entfernung auf dem Boden liegen sah. Mit wenigen Schritten war er bei der Person und berührte sie vorsichtig an der Schulter. Es war Jill, bewusstlos, aber am Leben, und auf den ersten Blick mehr oder weniger unverletzt. Etwas Blut klebte an ihrer Stirn, und sie hatte einige Schrammen, doch ansonsten waren so keine Verletzungen zu erkennen. Dennoch war Chris vorsichtig und entschied, die Jüngere erst einmal nicht zu bewegen. Sie lag nicht unmittelbarer Nähe zu den brennenden Bäumen oder dem dichtesten Rauch, und so war sie hier wohl erst einmal in Sicherheit. Nun musste der Soldat nur noch Rebecca finden. Diese hatte sich etwas abgesetzt, um mehrere Meter hinter der Hütte nach einem möglichen Eingang zu suchen. Und das war genau in der Richtung, in der der Rauch und die Flammen am dichtesten zu sein schienen. "Verdammt...", murmelte Chris und sah noch einmal zu Jill, zögernd, ob er sie wirklich alleine lassen konnte. Aber er hatte eigentlich gar keine Wahl. Die Feuerwehr würde bald da sein, und sicherlich würde ihr eine Ambulanz folgen. Jill war am Leben, atmete und lag an einer sicheren Stelle, und er musste Rebecca finden. Also atmete Chris tief durch, murmelte der Bewusstlosen ein kurzes 'Sorry' zu und machte sich auf den Weg zur anderen Seite der kleinen Hütte. Anhand des Rauchs und der brennenden Bäume konnte er in etwa die Größe des unterirdischen Labors ausmachen. Der größte Teil hatte sich hinter der Hütte erstreckt, und hier und da war durch die Explosion sogar der Boden eingebrochen, und verschieden große und durchgehend sehr tiefe Krater hatten sich gebildet. Chris hoffte sehr, dass Rebecca sich nicht inmitten der Explosion befunden hatte, denn sonst würde er sie definitiv nicht mehr lebend finden. "Rebecca!", rief er erneut und ging nun etwas langsamer und vorsichtiger, damit er nicht am Ende noch in eines der Löcher stürzte. Die Biochemikerin war nirgendwo zu sehen, und langsam aber sicher überkam Chris ein mulmiges Gefühl, und er presste die Lippen zusammen. Sie durfte nicht tot sein, das durfte sie einfach nicht. Wieso hatte er sie da mit rein gezogen? Wieso hatte er nicht darauf bestanden, dass sie zu Hause blieb? Aber im Grunde wusste Chris, dass das nichts gebracht hätte. Rebecca war eine erwachsene Frau, die ihre eigenen Entscheidungen traf. Und allem voran hatte sie einen Dickkopf. Er hätte sie nicht aufhalten können, das hatte schon beim Beschaffen der Daten nicht funktioniert. Dennoch machte der Brünette sich Vorwürfe, und er ballte die Hände zu Fäusten, atmete tief durch und rief noch einmal den Namen der Jüngeren durch Flammen und Rauch hindurch. "Sie ist hier, Captain." Chris' Herz setzte für einen Schlag aus, und er starrte nach vorne, in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Die Stimme, die ihm so bekannt vorkam, und von der er gefürchtet hatte, sie nie wieder zu hören. Während seiner Suche nach Rebecca war ihm erst wieder so richtig klar geworden, dass sich Piers ja in diesem Labor befunden hatte, dass sie her gekommen waren, um ihn zu retten. Und Chris war sofort klar gewesen, dass er das hier niemals überlebt haben konnte. Und nun war da seine Stimme, unverkennbar, auch wenn sie schwach und etwas brüchig wirkte. "Piers...", murmelte Chris, und Tränen traten in seine Augen, ehe er seine Schritte beschleunigte, um so schnell wie möglich zu seinem Liebsten zu kommen. Eine dumme Idee, wie sich schnell herausstellte. Er hatte einige Meter hinter sich gebracht, ehe der Boden unter seinen Füßen mit einem Mal ungewohnt weich wurde, und der nächste Schritt ließ seinen Fuß ins Nichts treten. Chris hörte, wie Piers entsetzt seinen Namen schrie, als der Boden unter ihm vollends nachgab, um seinen Körper in die Tiefe stürzen zu lassen. Chris kniff die Augen zusammen und machte sich bereit, mit dem Leben abzuschließen, denn den Sturz in die Tiefe würde er kaum überleben. Doch der harte Aufprall, den er erwartet hatte, kam nicht. Stattdessen spürte er, wie ein etwas schmerzhafter Zug durch seinen rechten Arm ging und sein Fall abrupt abgebremst wurde. Vorsichtig öffnete der Soldat die Augen wieder und hob den Kopf, um nach oben zu sehen. Und auch wenn er glücklich war, Piers wieder zu sehen, erschrak er doch ziemlich bei dessen Anblick. Der Scharfschütze war leichenblass, Blut rann von seiner Stirn herab, und sein rechter Arm, mit dem er sich am Rand des Lochs abstützte, war wieder bedeckt von dieser schleimigen Masse. Mit der linken Hand hatte er Chris' rechten Arm ergriffen, und der des Jüngeren zitterte merklich, ihm war anzusehen, wie anstrengend es für ihn war, den Älteren zu halten. Mit zusammengebissenen Zähnen zog Piers seinen Captain nun nach oben, und als er es geschafft hatte, sackte er ein wenig zusammen und rang angestrengt nach Luft. "Du... du lebst... aber wie...?" Chris schüttelte etwas ungläubig den Kopf und ging vor dem Jüngeren in die Hocke, der versuchte, wieder richtig Luft zu bekommen. Piers sah wirklich alles andere als gut aus, und der Soldat fragte sich, was in den letzten zwei Wochen mit ihm angestellt worden war. Das Virus hatte sich wieder geregt, das war deutlich zu sehen, und ganz offensichtlich hatte man Piers nicht die Ruhe gelassen, die er nötig gehabt hatte. Mittlerweile war Chris sicher, dass nicht nur die B.S.A.A. selber hinter alledem steckte, und er nahm sich vor, dieses Thema anzusprechen, wenn er Piers und die beiden Frauen in Sicherheit gebracht hatte. Sie brauchten Hilfe, nicht nur von Leon und Sherry, und Chris wollte es nun ganz sicher wissen. Er wollte wissen, was hier vor sich ging, und wer wirklich dahinter steckte. Wenn man bei der B.S.A.A. versuchte, ihn zu belügen, würde er das merken. Und dann würde er den Leuten da oben die Hölle heiß machen, das schwor er sich. irgendetwas stimmte hier ganz gewaltig nicht, und das, was man hier mit Piers gemacht hatte, ging mehr als nur zu weit. Aber genau deshalb war der Brünette eigentlich auch sicher, dass das hier nicht von der B.S.A.A. selber ausging, zumindest nicht in diesem Ausmaß. Hätte er das schon eher ansprechen sollen? Schon als er gemerkt hatte, wie Piers sich nach und nach verändert hatte? Spätestens aber, als man ihn selber niedergeschlagen und den Jüngeren einfach mitgenommen hatte. Ja, vermutlich wäre es besser gewesen, dieses Thema gleich anzusprechen und Antworten zu verlangen. Vermutlich hätte man ihm dann auch weitere Soldaten zur Seite gestellt, und all das wäre schneller gegangen. Aber Chris war einfach so wütend und verzweifelt gewesen, und er hatte auch nicht mit Sicherheit gewusst, ob er den anderen Leuten bei der B.S.A.A. wirklich noch vertrauen konnte. Selbst jetzt wusste er das nicht zu 100 Prozent, aber er sah keine andere Möglichkeit mehr, als sich an die Verwaltung zu wenden. Wer auch immer dieses Labor gesprengt hatte, hatte sich selber vermutlich in Sicherheit gebracht. Wer auch immer hier gearbeitet hatte, gemeinsam mit Dr. Anderson und Professor Jackson, war vermutlich noch am Leben und würde erneut zuschlagen. Und dann mussten sie vorbereitet sein, Chris musste dafür sorgen, dass Piers in Sicherheit war, dass niemand an ihn herankam. Wirklich niemand. Er würde den Scharfschützen nicht erneut ins Krankenhaus der B.S.A.A. bringen, er würde sich selber um ihn kümmern. Natürlich wusste der Captain, dass das riskant war, nicht nur wegen des Virus, sondern auch wegen Piers' sonstigen Zustand. Der junge Mann war geschwächt, er konnte sich nicht einmal auf den Beinen halten, und selbst das Atmen fiel ihm schwer. Doch bis Chris wusste, was hier wirklich los war, wem er vertrauen konnte und wem nicht, würde er keine weiteren Risiken eingehen. Eine weitere Entführung, weitere Experimente, das würde Piers nicht überstehen. Und ein normales Krankenhaus kam bei der ganzen Virussache nun einmal nicht in Frage. "Ich bringe euch hier weg, und dann kommst du mit zu mir, und ich lasse nicht zu, dass dich noch einmal irgendwer in die Finger bekommt", murmelte der Brünette nun und legte sanft die Arme um den Jüngeren, der sich erschöpft an ihn lehnte. Für einen Moment schloss Chris die Augen, dann öffnete er sie wieder und blickte an Piers vorbei zu Rebecca, die sich gerade langsam aufsetzte und verwirrt umsah. Sie war am Leben, ihr ging es gut, und offenbar war das Piers zu verdanken. "Ruh dich aus, komm wieder richtig zu Kräften..." Langsam löste sich Chris von seinem Liebsten, und sein Blick wurde etwas besorgter, als dieser nur leicht nickte und schließlich mit seinem ganzen Gewicht gegen ihn sank. Aber offensichtlich war Piers einfach nur zu erschöpft, um die Augen geöffnet zu halten, und das war ja auch kein Wunder, nach allem, was er offenbar erneut durchgemacht hatte. Vorsichtig stand der Captain auf und zog den jungen Soldaten dabei sanft mit sich, ehe er ihn irgendwie stützte und wieder zu Rebecca sah, die sich nun ebenfalls ganz erhoben hatte. Mit geweiteten Augen blickte sie sich um und wandte ihren Blick dann Chris zu. "Was ist hier...?", begann sie, doch der Ältere schüttelte nur den Kopf und deutete mit einem Kopfnicken in die Richtung, aus der er gekommen war, in der Jill sich noch immer befand, und aus der auch die Sirenen kamen, die deutlich lauter geworden waren. Durch den Rauch und die Flammen waren die Feuerwehrwagen mittlerweile auch zu sehen, und so ordnete Chris Rebecca mit einem Nicken an, ihm zu folgen. Vorsichtig bahnten sie sich ihren Weg über das Feld, und immer wieder musste Chris seinen Griff um Piers ein wenig festigen, damit der Scharfschütze ihm nicht einfach entglitt. In Gedanken murmelte er dem Jüngeren immer wieder zu, dass er bloß durchhalten sollte, und je länger er lief, desto wütender wurde Chris, und er festigte seinen Griff um Piers' Handgelenk immer weiter, bis ihn ein leises "Das tut weh, Chris..." aus den Gedanken riss. Piers hatte die Augen ein wenig geöffnet, und sein Blick fiel auf sein Handgelenk, auf dem sich deutlich rot Chris' Handabdruck abzeichnete. "Tut mir leid..." Aber Piers schüttelte nur den Kopf, schloss die Augen wieder und versuchte nun, irgendwie selber zu laufen, um Chris nicht mit seinem ganzen Gewicht zur Last zu fallen. Gedämpft hörte er Stimmen, dann das Geräusch der Feuerwehrschläuche und das der langsam kleiner werdenden Flammen. Eine Trage wurde in einen Krankenwagen geschoben, und der junge Soldat war sicher, die Person darauf als Jill zu erkennen, auch wenn er sie nur noch irgendwie verschwommen wahrnahm. Irgendwer sprach die kleine Gruppe nun auch an, aber Piers verstand die Worte, die gesagt wurden, überhaupt nicht, und die Stimmen wurden auch immer leiser, schienen sich weiter zu entfernen, und schließlich kam nur noch ein leises Seufzen über seine Lippen, ehe er vollkommen zusammensackte. Er hörte noch ein erschrockenes "Piers!", und dann war da einfach nichts mehr. Erst als er erneut leise Stimmen vernahm, schaltete sich Piers' Bewusstsein wieder richtig ein, und etwas mühsam öffnete er die Augen und blickte nach oben. Er befand sich nicht mehr im Freien, und nach und nach spürte er das weiche Bett unter sich, und die warme Decke, die seinen Körper bedeckte. Wo war er? Piers versuchte, den Kopf anzuheben, aber irgendwie war dieser so schwer, und auch seine Arme und Beine fühlten sich so erschreckend schwer an, weshalb er den Versuch, sich zu bewegen, erst einmal aufgab und stattdessen einfach nur an die Zimmerdecke blickte, während er versuchte, sich an das zu erinnern, was passiert war. Er war in dem Labor gewesen, mit einem Mal war ein Alarm losgegangen, und alles danach war irgendwie verschwommen. Plötzlich hatte sich der Scharfschütze im Freien wiedergefunden und Rebecca gesehen, die er instinktiv gepackt und mit sich gezogen hatte. Dann war da diese Explosion gewesen, Piers hatte sich schützend über die junge Frau gebeugt, wieder war alles irgendwie verschwommen, und schließlich hatte er Chris' Stimme vernommen. Der Captain war beinahe in einen der Krater gestürzt, die die Explosion verursacht hatte, aber Piers hatte ihn gerade noch festhalten und hochziehen können. Anschließend hatte Chris ihm geholfen, irgendwie zu laufen, sie waren zu den Feuerwehrmännern gegangen, und ab da war alles einfach nur noch schwarz, bis er hier wieder erwacht war. "Wie fühlst du dich?" Die Stimme riss Piers aus seinen Gedanken, und er wandte den Blick von der Decke ab und drehte etwas den Kopf, um den Besitzer dieser Stimme anzusehen. Es war Chris, der an das Bett herangetreten war, und neben ihm stand Rebecca, die ihn lächelnd aber auch etwas besorgt ansah. Ein Verband war um ihre linke Schulter gelegt, den Arm hatte sie in einer Schlinge, aber ansonsten schien sie unversehrt zu sein. Aber wo war Jill? Piers erinnerte sich, diese gesehen zu haben, als sie zu den Feuerwehrmännern gekommen waren. Sie hatte auf einer Trage gelegen, und Sanitäter hatten sie gerade in einen Krankenwagen verfrachtet, wenn er das noch richtig im Kopf hatte. Piers drehte diesen nun in die andere Richtung und sah sich nach der Frau um, konnte sie aber nirgendwo ausmachen. Chris, der diese Bewegung zu verstehen schien, bedeutete ihm, langsam zu machen, ehe er sich etwas auf die Bettkante setzte und Piers nachdenklich musterte. "Wenn du nach Jill Ausschau hältst, sie ist nicht hier. Sie wurde mit ins Krankenhaus genommen, da sie einige angebrochene Rippen hatte. Sie schwebt nicht in Lebensgefahr und muss sich einfach ein wenig schonen", versicherte der Captain dem Jüngeren und fuhr sich leicht durch die kurzen Haare. Er war müde, verdammt müde. Auch wenn sie nichts geschafft hatten und mehr oder weniger wieder am Anfang standen, sah man davon ab, dass zumindest Piers wieder da war, was ja an sich durchaus ein großer Erfolg war, war dennoch eine Menge passiert, und auch Chris war nicht vollkommen unverletzt davongekommen. Sein Kopf schmerzte noch immer, und auch das Pochen seiner Rippen war zwar weniger geworden, jedoch nicht ganz verschwunden. Aber sowohl er selber, als auch Rebecca, hatten sich geweigert, mit ins Krankenhaus zu kommen. Und auch Piers hatten sie vehement gegen die Sanitäter verteidigt. Chris hatte ihnen deutlich klar gemacht, dass er erst einmal niemanden mehr an seinen Soldaten heranließ, dass er sich selber um ihn kümmern würde, zumindest bis er wusste, was wirklich los war, bis er wusste, wem er wirklich vertrauen konnte. "Mir geht es gut... Naja, dem Umständen entsprechend...", murmelte Piers nun auf Chris' Frage hin und zuckte leicht mit den Schultern. "Aber du solltest dich vielleicht auch mal hinlegen, hm? Du siehst müde aus..." Doch Chris schüttelte bei diesen Worten nur den Kopf, wandte kurz den Blick ab und atmete tief durch. "Ich bin zwar ein wenig müde, aber ich könnte jetzt ohnehin nicht schlafen, nicht nach alledem", erwiderte er ernst, ehe er den Jüngeren doch wieder ansah. "Piers... was ist passiert? Was hat man mit dir gemacht?", fragte er schließlich, und sein Blick wurde noch ein wenig ernster, seine Hände ballten sich zu Fäusten, und Chris spürte, wie er beinahe ein wenig zu zittern begann. Auch dem Scharfschützen entgingen diese Dinge nicht, und er runzelte leicht die Stirn, ehe er sich vorsichtig ein weig aufsetzte und mit dem Rücken gegen das Kopfende des Bettes lehnte. "Ich weiß es nicht genau... Sie haben das Virus getestet, haben mir irgendwelche Mittel verabreicht und Blut abgenommen... Aber ich habe das Gefühl, dass sie nicht viel gefunden haben. Die meiste Zeit über war ich bewusstlos oder wurde mit Medikamenten ruhig gestellt. Ehrlich gesagt... ich erinnere mich nicht einmal mehr an die Leute da, oder daran, wie ich überhaupt entkommen bin... Alles ist verschwommen oder dunkel... Tut mir leid." Und das war etwas, das Piers verunsicherte. Er war entkommen, war mit einem Mal draußen gewesen, aber er wusste nicht, wie er das geschafft hatte. Natürlich wanderten seine Gedanken da direkt zum Virus, und zu denken, dass dieses ihn mittlerweile offenbar übernahm und alles an ihm kontrollierte, ohne dass er selber es merkte... das machte ihm Angst. Und nicht nur ihm. Der Captain schwieg nun nach Piers' Worten, und sein Blick schien ein wenig in die Ferne gerichtet, während sich seine Hände weiter verkrampften. Auch ihm war klar, was diese Worte bedeuten mussten, und auch ihm bereitete das Unbehagen. Dieses Virus... Er hatte erlebt, dass Viren Menschen zu Zombies und anderen BOWs werden ließen, er hatte erlebt, dass Menschen das Virus vollkommen beherrschten und perfekt nutzen konnten, aber so etwas... Ein Virus, das sich verstecken konnte, das den Körper nach Belieben übernahm und sich dann wieder verzog, das war neu, und Chris wusste nicht, was noch alles passieren konnte. In den Momenten, in denen das Virus aktiv war, schien Piers' eigenes Bewusstsein es nicht zu sein. Und das machte dieses Virus unglaublich gefährlich. Aber wie war das passiert? Wie hatte es sich so verändert? Ja, diese Virusprobe war durch Jakes Blut verstärkt worden, aber das konnte doch nicht die Ursache sein. Und anfangs hatte es sich ja 'normal' verhalten, so normal sich ein Zombie-Virus eben verhalten konnte. Das alles hatte erst nach Piers' Rettung begonnen. Das Virus hatte ihn geheilt und war schließlich schwächer geworden, hatte begonnen, seine Spielchen mit ihnen zu treiben. Dann war es wieder stärker in Piers' Blut geworden, hatte sich wieder gezeigt, ihm fast das Leben genommen... und schließlich hatte es sich erneut versteckt, zumindest aber ruhig verhalten. Sie hatten es nicht zu fassen bekommen, hatten einfach nicht herausgefunden, was mit dem Virus los war. Und wenn nicht einmal erfahrene Wissenschaftler eine Antwort hatten, wer hatte sie dann? Und was sollten sie nun tun? Nicht einmal das Antivirus zeigte Wirkung, und auch wenn sie es weiter versuchten, sie würden niemals sicher wissen, ob sie nun Erfolg hatten oder nicht. Und noch dazu konnte es jederzeit passieren, dass das Virus die Kontrolle übernahm und in Piers' Körper einfach Amok lief oder so. Piers konnte auch mit einem Mal einfach aufstehen und ihn oder Rebecca angreifen. Und der junge Soldat würde es selber nicht einmal bemerken, er würde sich anschließend vermutlich nicht einmal mehr daran erinnern. Doch Chris konnte ihn ja auch nicht einfach für den Rest seines Lebens einsperren oder gar anketten. Und genau so wenig konnte er Piers einfach töten, weil er eventuell eine Gefahr für die Menschheit darstellte. Das einzig Positive war, dass er nicht ansteckend war. Auch das war etwas, das sie aus den Daten hatten herauslesen können. Dass das Virus sich vollkommen aus entferntem Blut verflüchtigte und auch fort blieb. Es war also in irgendeiner Art und Weise an Piers' Körper gebunden und war diesem auch nicht zu entnehmen. Und wenn man es wirklich riskierte, ihm sämtliches Blut abzunehmen, es vollkommen auszutauschen? Chris wusste nicht, ob das überhaupt möglich war, aber einen Versuch war es doch sicherlich wert. Die Geräte im Krankenhaus würden Piers während des Vorgangs künstlich am Leben halten, und sicherlich waren die Leute dort nach wie vor bereit, alles zu versuchen. Chris hatte nur Sorge, dass sie Piers anschließend wieder da behielten, dass noch einmal irgendetwas passierte, dass der Scharfschütze, sollte das Vorhaben nicht gelingen, anschließend wieder ein Gefangener sein würde. Der Captain hatte sich geschworen, nun selber auf seinen Liebsten aufzupassen und den Ärzten und Wissenschaftlern nicht mehr zu vertrauen. Auf der anderen Seite... hatte er wirklich eine Wahl? Und konnten die Leute der B.S.A.A. wirklich etwas für das, was geschehen war? Nachdem Rebecca und er Piers hergebracht hatten, hatte Chris selber direkt im HQ angerufen und ein langes Gespräch geführt. Sein Gesprächspartner war ernsthaft schockiert gewesen und hatte versichert, nichts von alledem gewusst zu haben. Und Chis glaubte ihm, das war nicht gespielt gewesen. Auch Hilfe hatte man ihm angeboten, aber diese hatte er erst einmal abgelehnt, und erstaunlicherweise hatte man ihn auch zu nichts gedrängt. Vielleicht sollte er noch einmal anrufen und seine Idee vortragen, vielleicht konnte es wirklich funktionieren. Aber da war noch etwas, das Chris davon abhielt, die Angst um Piers. Ja, der Scharfschütze war stark, aber was, wenn er es doch nicht überstand? Was, wenn sein Körper zu schwach war oder das Virus irgendetwas tat, solange es noch in ihm war? Wenn Piers am Ende doch noch starb, bei dem Versuch, ihn zu retten, bei etwas, das Chris vorgeschlagen hatte... Der Brünette würde sich das niemals verzeihen, es würde ihn bis in alle Ewigkeit verfolgen. Doch auf der anderen Seite wusste Chris, dass es sonst keine andere Möglichkeit gab, und dass Piers auch so sterben konnte, jederzeit. Weil er zu schwach wurde, oder weil das Virus irgendwann doch keine Lust mehr hatte, zu existieren. Alles konnte passieren, das Zeug war unberechenbar, und deshalb mussten sie alles versuchen, um es endlich für immer los zu werden. Der Brünette hatte dennoch noch etwas gezögert, aber Piers' bohrende und zweifelnde Blicke hatten ihn letztendlich dazu gebracht, ihm von seinen Gedanken zu berichten, von dem Plan, den er sich überlegt hatte, und von seinen Zweifeln, die diesen Plan betrafen. Ein Teil von Chris hatte gehofft, der Jüngere würde ihn für verrückt halten, sagen, dass das vollkommen schwachsinnig war, aber er wusste, dass das niemals passieren würde. Piers würde ohne zu zögern zustimmen, und genau so war es auch. Piers sagte sofort zu, hielt diesen Plan sogar für perfekt. Und nicht einmal Chris' Angst vor einem Fehlschlag konnte ihm ausreden, es zu versuchen. "Es ist die einzige Möglichkeit, Chris. Und wenn es nicht klappt... dann ist es vielleicht besser, wenn ich danach nicht mehr da bin. Solange das dann auch auf das Virus zutrifft. Alles, was dazu führt, dass es keinen Schaden mehr anrichten kann, ist gut", hatte er gesagt, und er hatte alle weiteren Proteste sofort im Keim erstickt. Piers hatte seine Entscheidung getroffen, und wenn sein Captain sich nicht darum kümmerte und mit den Anderen bei der B.S.A.A. sprach, würde er es selber tun. Und so hatte Chris sich etwas brummend geschlagen gegeben und war in die Küche gestapft. Piers war nicht sicher gewesen, ob der Ältere sauer war, oder ob er das Thema nun erst einmal vergessen wollte, aber so oder so stand etwa eine halbe Stunde später Essen auf dem Tisch, und Piers' knurrender Magen ließ zumindest ihn die Sache erst einmal vergessen. Seit gut zwei Wochen war er nur über Schläuche und Spritzen ernährt worden, und so waren diese einfachen Nudeln mit Gemüse gerade wie ein Festmahl für ihn. Und auch Chris und Rebecca schienen guten Hunger zu haben. Schnell waren die Teller geleert, und Chris stand schließlich schweigend auf, brachte die Sachen in die Küche, verfrachtete das Geschirr im Geschirrspüler und murmelte dann etwas davon, dass er nun müde sei und ins Bett gehen würde. Piers wollte ihn erst aufhalten, doch Rebecca schüttelte den Kopf und sagte nur, dass er ihm nun etwas Ruhe lassen sollte, dass das alles eben nicht leicht für Chris sei. Und Piers konnte das natürlich verstehen. Mehrmals hatte der Ältere nun schon geglaubt, seinen Liebsten zu verlieren, und nun würde er ein weiteres Mal um sein Leben bangen müssen. Ja, eigentlich war das bei ihnen ganz normal. Immerhin waren sie Soldaten, kämpften fast täglich gegen den Bioterrorismus. Sie riskierten immer und immer wieder ihr Leben, jeder Kampf konnte ihr letzter sein. Aber das hier war etwas Anderes, und das wusste Piers. Und er wusste auch, wie sehr Chris damit zu kämpfen hatte. Ebenso wie Chris wusste, dass es keine andere Wahl gab, und dass Piers' Leben so oder in Gefahr war, solange er dieses Virus in sich hatte. Und so hoffte der junge Soldat, dass sein Liebster das endlich einsah und am nächsten Morgen nicht mehr so eingeschnappt sein würde, wie er nun gewirkt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)