Que faire si? Oder: Was wäre, wenn ...? von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 9: Zwei Seiten einer Medaille ------------------------------------- Hikari war unsicher, wie sie sich Takeru gegenüber verhalten sollte. Nachdem beide festgestellt hatten das Yamato zu Hikaris engsten Freunden gehörte und Takerus Bruder war hatten die Zwei entschieden die Höflichkeitsfloskeln zu übergehen. Im Privatleben hatte sie auch keine Probleme damit, den Blonden mit ‚Du‘ anzusprechen. Jetzt war es eine andere Situation. Hikari stand vor seiner Bürotür. Takeru war ihr Vorgesetzter. Diesen konnte sie nicht einfach duzen. Innerlich verfluchte sie sich Takeru darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass er sie unbewusst geduzt hatte. „Guten Morgen Hikari. Die Tür wird nicht von alleine aufgehen. Du musst schon anklopfen, damit du hereingebeten wirst.“ Erschrocken drehte sich die Braunhaarige in die Richtung, aus der sie eine Stimme vernahm. „Obwohl, auch dann wirst du keine Antwort bekommen. Er ist nicht in seinem Büro. Yamamoto wollte ihn sprechen“, sprach Hiroaki weiter. „Guten Morgen Herr Ishida. Danke für die Information. Ich komme später wieder.“ Sie drehte sich in die andere Richtung und wollte in ihr Büro gehen. Welches nur drei Türen entfernt von Takerus war. „Hikari, warte.“ Die Angesprochene wendete sich wieder ihrem Gesprächspartner zu. Fragend sah sie Hiroaki an. „Kann ich noch etwas für Sie tun?“ Der Ältere schmunzelte und sah in die braunen Augen Hikaris. „Ja, es gibt wirklich eine Sache: Lass endlich das ‚Sie‘ weg.“ Verlegen schaute die Braunhaarige auf den Boden. „Das kann ich nicht. Sie sind der Verlagsinhaber und -“ „Ich kenne dich seit dem du ein kleines Mädchen warst. Du warst so oft bei Yamato und mir zu Besuch. Ich habe gesehen, wie aus dem Mädchen ein Teenager und schließlich eine junge Frau geworden ist.“ „Genau aus dem Grund kann ich es einfach nicht. Ich schaffe es nicht privat das ‚Sie‘ wegzulassen. Wie soll mir das im Berufsleben gelingen? Außerdem habe ich Jemanden ein Versprechen gegeben, an das ich mich halten werde.“ Hiroaki lächelte. „So kenne ich dich. Falls du deine Meinung noch ändern solltest, ich werde dir sicher keine Steine in den Weg legen.“ Nach diesen Worten ging der Verlagsinhaber seinen Weg. Takeru hatte die Situation nachdenklich beobachtet. Diese Seite kannte er von seinem Vater nicht. An das gemeinsame Familienleben mit seinem Bruder und seinen Eltern konnte er sich nur wage erinnern. Was präsent geblieben war, war die Tatsache, dass er seine Eltern öfters streiten gehört hatte. Yamato wollte ihn immer beruhigen und beschützen, alles böse von seinem kleinen Bruder fernhalten. Was nicht immer gelang. Schlussendlich hatte Hiroaki die Familie auseinandergerissen, als er den Brüdern sagte, sie sollten Abschied voneinander nehmen. Takeru konnte sich gut daran erinnern, wie er lachend in das Flugzeug nach Paris gestiegen war. Er hatte mit seinen acht Jahren die Tragweite nicht erkannt. Der kleine Junge dachte, dass seine Mutter und er Urlaub bei seinen Großeltern machen würden. Das dieser ‚Urlaub‘ sechzehn Jahre dauern würde, war ihm zu diesem Zeitpunkt nicht in den Sinn gekommen. Durch diese Ereignisse hatte er von seinen Vater das Bild eines Egoisten und Workaholic vor sich. Takeru hätte nicht vermutet, dass Hiroaki eine liebenswerte Art an sich haben könnte. Gerade wurde der Blonde eines besseren belehrt. Irgendwie schaffte es Hikari ihren Mitmenschen ein Licht mit auf den Weg zu geben. Das die guten Seiten eines Menschen zum Vorschein brachten. Er selber hatte gemerkt, wie gut ihm der Nachmittag mit der Braunhaarigen getan hatte. Ihr Lachen hatte sein Eisklumpen, das sein Herz war, wieder mit Wärme gefüllt. Ihre verrückte Idee mit den Fotos hatte ihn nach langer Zeit endlich mal wieder frei und aufrichtig Lachen lassen. Ihr ungläubiger Blick, als er sie nach dem Unterschied zwischen Journalistik und Journalismus gefragt hatte, lies ihn heute noch aufrichtig lächeln. Er hatte das Gefühl als würde er aus einem Tunnel gehen und endlich wieder leben. „Guten Morgen Hikari. Es tut mir leid, dass du warten musstest. Der Termin bei Yamamoto hat länger gedauert“, entschuldigte sich der Blonde. „Guten Morgen Herr -“ Takeru unterbrach die Braunhaarige mit einem Lächeln: „Heute wieder so förmlich? Hatten wir nicht beschlossen, dass wir uns duzen? Oder habe ich mich gestern mit einer anderen Frau über japanische und französische Geschichte unterhalten?“ „Das … Nein … Ich … Ich dachte, dass gilt nur für die Freizeit“, stotterte Hikari. „Das wäre mir zu kompliziert“, grinste Takeru sie an. Dabei schloss der junge Mann sein Büro auf. Er trat einen kleinen Schritt zur Seite und lies Hikari als Erste eintreten. Der Blonde schloss die Tür und deutete Hikari an sich an den Beratungstisch zu setzen. Er selber ging an seinen Schreibtisch und goss sich eine Tasse Kaffee aus der Thermoskanne ein. „Möchtest du auch einen Kaffee?“ „Nein danke. Ich trinke das Zeug nicht.“ Takeru sah sie überrascht an und lachte. „Du trinkst keinen Kaffee? Was für ein braunes Getränk ist auf meinem Sakko gelandet?“ „Ähm … Das war Kaffee… Das war nicht meiner. Ich hatte diesen für meinen Bruder geholt. Für mich war der Tee, den ich mir über meinen Oberkörper gekippt hatte“, kam es leise von seiner Gesprächspartnerin. Dabei blickte sie auf mehrere Zettel, die auf den Tisch lagen. „Darf ich mir das durch lesen?“ „Sicher, der erste Teil ist aber auf Französisch. Ich ahne, dass weder du noch dein Bruder etwas zum Trinken hattet.“ Neugierig beobachtete Takeru, wie Hikari sich die Zettel durch las. „Da hast du Recht …“, sie deutete auf das Dokument, „Möchtest du das so veröffentlichen?“ „Das kann ich nicht. Dafür brauche ich die Freigabe von meinem Vater und die habe ich noch nicht“, erklärte der Blonde. „Die wirst du auch nicht bekommen.“ „Wieso nicht?“ „Falls ich dein Schreibsystem durchschaut habe, hast du den Text erst auf Französisch geschrieben und dann ins japanische übersetzt.“ „Richtig. Wo ist das Problem?“ „Du hast es falsch übersetzt. So wie du das Kanji geschrieben hast, hat es eine ganz andere Bedeutung als du auf Französisch ausgedrückt hast“, erklärte die Braunhaarige ruhig. Ein leichter Rotschimmer zierte ihre Wangen. Der Chefredakteur musste lachen. „Ich wusste es. Du kannst besser Französisch verstehen, als du zugibst. Ich danke dir, für deine Ehrlichkeit. Mir ist der Fehler auch aufgefallen. Ich hatte noch keine Zeit diesen zu korrigieren.“ „Ich habe gesagt, dass ich es einigermaßen spreche.“ „Hikari, das was ich dort geschrieben habe ist für einen französischen Geschäftspartner. Das hat nichts mehr mit Grundkenntnissen zutun. Du hast anscheint alles verstanden, da dir der Fehler sofort aufgefallen ist. Wieso fällt es dir so schwer zuzugeben wie gut du in dieser Sprache bist?“ „Du hast mich noch nie französisch sprechen hören.“ „Naja, einigermaßen sagt schon etwas aus.“ Hikaris Gesichtsfarbe ähnelte einer überreifen Tomate. „Du musst mir versprechen nicht zu lachen. Mir ist die ganze Sache heute noch peinlich.“ Verunsichert schaute sie Takeru in die Augen. Dieser nickte zur Antwort. „Na gut. Ich hatte immer eine glatte Eins in der Schule. Was ich zum größten Teil Matt zu verdanken hatte. Mein Bruder, seine jetzige Frau, Matt, Sora, Haru und ich machten Urlaub in Paris. Ich bin in eine Patisserie gegangen, weil ich von diesem leckeren Eiweißgebäck gehört hatte. Ich hatte das Zeug schon einmal in Deutschland gegessen und fand diese Dinger total lecker.“ Eine Pause entstand und Hikari musste schlucken. Takeru trank einen Schluck von seinem Kaffee und hörte Hikari weiterhin zu. „Was soll ich sagen? Ich hatte anstatt ‚meringue‘ ‚baiser‘ gesagt. So wie ich die Frage gestellt hatte war nicht die harmlos Variante gemeint.“ Dem Blonden entglitten die Gesichtszüge, dabei musste er aufpassen, dass er den Kaffee nicht wieder ausspuckte. Diese Aktion hatte zu folge, dass er sich verschluckte. Nach einem Hustenanfall sah er sie entgeistert an. „Du hast den Verkäufer gefragt, ob er mit dir schläft?“ Hikaris Gesichtsfarbe hatte sich noch einmal eine Nuance verdunkelt, wenn dies überhaupt noch ging. „Ähm … Ich … Ich hatte mich versprochen. Ich … Ich meinte wirklich das Gebäck. Ich schwöre.“ „Wie bist du auf das Wort gekommen?“ „Ich muss zu meiner Entschuldigung sagen: In Deutschland heißt dieses Gebäck wirklich ‚Baiser‘.“ Ungläubig schaute Takeru seine Gesprächspartnerin an. „Echt? Ist mir gar nicht aufgefallen, als ich dort war. Lass mich raten: Seit diesem Versprecher meidest du es französisch zu sprechen.“ Verlegen schaute Hikari zur Seite. „Genau. Ich brauche diese Sprache in Japan nicht.“ Der junge Mann musste schmunzeln. „Hikari, was meinst du wie oft ich mich verspreche? Manchmal versteht mich mein eigener Bruder nicht. Andersherum ist es zeitweise auch so. Nur weil es einen Rückschlag gibt, muss man sich nicht in ein Schneckenhaus zurückziehen.“ Die Augen der Braunhaarigen blitzen kurz auf. „Wenn es so ist: Warum hast du dich nach deinem Rückschlag zurückgezogen? Oder bist du schon immer so ein arroganter und eingebildeter Mensch gewesen, denn ich im Park kennen gelernt habe?“ Ertappt blickte der Blonde aus dem Fenster. „Touché. Entschuldigung, aber die Erklärung würde doch etwas zu weit gehen.“ Seine Stimme hatte einen kühlen Ton angenommen. Takeru hatte seine Arme vor seiner Brust verschränkt. „Die gleiche Reaktion wie bei Matt, wenn er abblockt“, kommentierte Hikari ihre Beobachtung. „Warum wolltest du mich eigentlich sprechen?“ Dankbar, dass Hikari das Thema gewechselt hatte atmete Takeru erleichtert auf. „Ich möchte, dass du die Fotos für den japanischen Teil dieser Kampagne machst.“ Er deutete auf das Dokument, das auf den Beratungstisch lag. „Das sollte kein Problem darstellen. Ich habe schon einige Ideen im Kopf. Was ist mit den Bildern für den französischen Teil?“ „Die sollen aus Paris kommen.“ „In Ordnung. Ich mache mich mal an die Arbeit. Zu wann brauchst du die Fotos?“ „Bis Ende dieser Woche.“ „Alles klar. Takeru?“ „Ja?“ „Kann ich dir noch einen Rat geben?“ Neugierig sah er in ihre Augen. „Kommt darauf an, was für ein Rat es ist.“ „Du solltest dich bei Matt und Sora für deinen Abgang gestern entschuldigen. Matt tut zwar immer so taff, aber gerade sein kleiner Bruder kann ihn sehr mit seinen Worten und Taten verletzten. Er macht sich bis heute Vorwürfe. Matt denkt, dass er dich alleine gelassen hat.“ „Hikari -“ „Jetzt ein Tipp von mir: Was ich eben über Matt gesagt habe, hast du nie gehört.“ Die junge Frau lächelte und verließ das Büro. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)