Your Name von TheOnlyOne ================================================================================ Prolog: Mein Name ist ... ------------------------- Your Name Gestern, heute und für immer       Mein Name ist…   „Wie ist dein Name?“ Ihre Stimme vermischt sich mit meiner. Doch es klingt nicht neu oder ungewohnt. Es klingt auf seltsame Weise vollständig. Ihre Augen verengen sich als sie mich anlächelt. Auch ich beginne zu lächeln. Es ist wie ein Automatismus. Ich fühle mich, wie eine Art Magnet, wie eine Motte die vom Licht angezogen wird. Nur ist sie es die mich anzieht. Sie ist mein Mittelpunkt. Mein Mund wird trocken. Aus irgendeinem Grund schaffe ich es nicht ihr meinen Namen zu nennen. Aber das ist egal. Ich habe sie gefunden… ich habe sie endlich gefunden!     Seine Stimme ist warm. Sie fühlt sich so vertraut an. Sein Lächeln lässt mein Herz höher schlagen. Aber wieso? Ich habe das Gefühl ihn besser zu kennen als mich selbst… Immer noch laufen Tränen meine Wangen hinab. Doch ich kann nicht ufhören. Das Gefühl der Erleichterung ergreift mich derart emotional, dass mein Köper mir nicht mehr zu gehorchen scheint. Meine Stimme versiegt als ich den Mund öffne um ihm endlich zu antworten. Als wir bemerken, dass wir beide nicht antworten, lachen wir. Was ist das nur für ein Mensch? Ein Mensch bei dem es nicht mal ein Wort brauch um sich zu verstehen? Endlich habe ich ihn gefunden!     Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Kapitel 1   Ich schlucke meinen Kloß im Hals herunter. Schritt für Schritt nähere ich mich der Frau, die ich gesucht zu haben scheine. Und obwohl ich nicht weiß, wer sie ist, fühle ich mich unendlich erleichtert als ich vor ihr stehe. „Woher kenne ich dich?“, frage ich seltsam verwirrt. Die junge Frau sieht mich fragend an. „Ich weiß es nicht. Es ist wie ein…wie ein-“ „-Traum.“, sagen wir beide. Nervös starre ich auf meine Handfläche. Noch immer sehe ich die schwarze Linie mit der ich vor fünf Jahren nach Hause gekehrt bin. Ihr Kichern holt mich aus meinen Grübeleien.   . .   Sein Gesichtsausdruck ist urkomisch. Ich weiß nicht warum, aber es passt zu ihm. „Was ist?“, fragt er. Ich scheine ihn verunsichert zu haben. Diese Situation, obwohl sie so seltsam ist, habe ich das Gefühl, dass ich ehrlich zu ihm sein kann. Dass ich ihm meine unmittelbaren Gedanken mitteilen kann. „Du scheinst wohl immer noch nicht mit Frauen umgehen zu können.“ Erneut muss ich lachen. „Woher weißt du-?“ Ich verstumme. Gute Frage. Woher weiß ich das? „Ich weiß es nicht. Es ist eben, als würde ich dich schon mein ganzes Leben lang kennen.“   . .   Und da sind sie, die Worte die auch mich in diesem Moment begleiten. Es ist, als würde ich sie mein ganzes Leben kennen. Und ich habe das Gefühl, als wäre ihr Name, der mir nicht einfallen will, der Schlüssel zu all dem! „Also junger Mann ohne Namen, nachdem wir uns jetzt endlich gefunden haben, was machen wir jetzt?“ Wie bitte? Mann ohne Namen?Taki, mein Name ist Taki! Warum nur kann ich meinen Namen nicht aussprechen? Dabei ist er doch so herrlich einfach. Aber irgendwas hält mich zurück. Sobald ich versuche meinen Namen mit meinem Mund zu formen, schießt ein stechender Schmerz durch meinen Kopf. Irgendetwas verbirgt sich hinter ihrer Geschichte. „Naja, Frau ohne Namen, was hältst du davon wenn ich dich auf einen Kaffee einlade?“   . .   Bei seiner Bezeichnung muss ich schmunzeln. Aber ein Kaffee hört sich fürs erste gut an. Ich nicke zustimmend und hänge mich, ohne zu zögern, bei ihm ein. Normalerweise gehe ich nicht so sorglos mit Fremden um, aber er ist kein Fremder. Auch wenn ich seinen Namen nicht kenne... Angenehme Wärme erfüllt mich in seiner Nähe. Wir spazieren stillschweigend durch die lebhaften und hektischen Straßen Tokios. Mein Herz, welches mich normalerweise so unruhig durch den Tag begleitet, schlägt vollkommen ruhig. Bumbum... bumbum...bumbum... Ich betrachte die Leuchtreklamen auf den übergroßen Bildschirmen, die uns umgeben. Sie wirken so viel bunter als sonst. Mir kommt es vor, als sähe ich Tokio mit anderen Augen. Und dann halten wir an. Ich versuche einen Blick über seine Schulter zu erhaschen. Meine Augen weiten sich. Das hier ist kein Café. Am Rand eines Fußweges steht eine kleine Bank, das Holz scheint schon morsch zu sein und daneben steht ein Getränkeautomat. Vor mir sehe ich ide Bushaltestelle mit der einsamen Bank und den alten Automaten an dem ein circa dreißig Jahre altes Eiscremeschild befestigt ist. Klonk. Das metallene Geräusch von Blechdosen, die in die Auffangschale des Automaten rollen, erreichen meine Ohren. Die Dielen der Bank knarzen als ich mich darauf niederlasse. „Danke“, sag ich, als er mir die warme Dose mit dem Kaffee hinhält. Es zischt als ich die Dose öffne.   . .   „Bitte, sag doch etwas.“, fordert mich ihre zarte Stimme auf. Doch das Gefühl der Erleichterung lässt mich kaum noch einen Gedanken greifen. Auch ich öffne die Dose und lasse die herbe Flüssigkeit meine Kehle hinabgleiten. Was soll ich ihr denn sagen? Ich weiß im Grunde gar nichts über sie. Ich weiß nur dass ich sie kenne. Irgendwie ist die ganze Situation seltsam und dann wiederum nicht. Ich seufze. Es bringt wohl nichts sich den Kopf zu zerbrechen. „Erzähl mir von dir.“, fordere ich sie auf. Wenn ich schon ihren Namen nicht kenne, vielleicht hilft mir ihre Geschichte den Nebel in meinem Kopf zu lichten. Sie lächelt. Nimmt sich einen Schluck und beginnt zu erzählen. Bei jeder ihrer Beschreibungen tauchen diese Bilder im Kopf auf. Bilder, als hätte ich es selbst erlebt. „Obwohl die Menschen in Itomori bleiben wollten, wurde der Erhalt der Kommune so schwierig, dass wir ein Jahr später gezwungen waren, umzuziehen. Und dann kam ich hier her...nach Tokio.“ „Wir?“ „Ja, meine jüngere Schwester und ich.“ Ich nicke verstehend und nehme noch einen Schluck meines Kaffees. Itomori... ja richtig... ist sie vielleicht der Grund-? Das Dorf, dass wie durch ein wunder, am Tag des Kometeneinschlags eine Evakuierungsübung gemacht hatte. Eine Geschichte die nicht hätte unglaublicher sein können. „OH NEIN!!!“, ruft die hübsche Frau neben mir plötzlich, und hätte beinah den ganzen Doseninhalt über sich geschüttet. „Was ist?“, frage ich verwundert. „Ich-... ich habe ganz die Zeit vergessen. Ich muss weg.“ Augenblicklich nimmt sie all ihre Sachen zusammen und ist kurz davor , wieder aus meinem Leben zu verschwinden. Ich stoppe sie in dem ich nach ihrem Handgelenk greife. Und da ist es wieder, dieses eiskalte Gefühl. „Warte.“, fordere ich sie auf. „Hier.“ Ich halte ihr mein Smartphone entgegen und deute ihr, ihre Nummer einzutippen. Sie sieht mich verwundert an, doch dann lächelt sie und hält mir auch ihr Smartphone entgegen. Ohne zu zögern tippe ich meine Nummer ein. Doch als ich meinen Namen eintragen will, halte ich inne. Ich kann es einfach nicht... mit einem Seufzen ergebe ich mich meinen Schicksal und trage das einzig sinnvolle ein. . . Mit wildem Herzklopfen trage ich meine Nummer in sein Telefonbuch ein. Doch als ich meinen Namen eintippen will, ist es, als würden die Buchstaben auseinanderdriften. Was ist das bloß? Es ist doch nur ein Name...einfach nur Mitsuha... Ich stimme in das Seufzen ein und trage das ein, was mir gerade einfällt. » Frau ohne Namen« Ein Kichern entkommt mir. Diese ganze Situation ist urkomisch obwohl sie seltsamer nicht hätte sein können. „Hier.“, ertönt seine tiefe Stimme als er mir mein Telefon zurückgibt. Meine Schultern zucken bereits gefährlich als ich seinen „Namen“ lese. » Mann ohne Namen« Wir beginnen beide zu lachen. Doch mein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es höchste Zeit ist, Yotsuha von der Schule abzuholen. „Es tut mir Leid, aber ich muss wirklich weg. Ich melde mich bei dir, versprochen.“ Wie angewurzelt bleibt er stehen und nickt mir stumm zu. „Oh Mann, hoffentlich kriege ich den Anschluss noch.“, sage ich zu mir selbst und haste los. Ich sprinte durch die engen Gassen Tokios und erwische schließlich noch die Bahn. Ich stütze meine Hände in die Beine und atme tief ein. Im selben Moment höre ich das künstliche Vogelgezwitscher meines Handys. Oh weh, das ist bestimmt Yotsuha. Ich krame das Handy aus meiner Tasche und öffne die Nachricht.   Mann ohne Namen 08:48 Ich werde auf dich warten!   . .   Frau ohne Namen 08:49 Dieses Mal nicht so lange... ♥   Meine Augen verengen sich, während sich ein Lächeln auf mein Gesicht schleicht. Sie ist es wirklich.   Das will ich hoffen. 5 Jahre waren eine ganz schön lange Zeit ;-), schreibe ich ihr darauf zurück. Doch das Telefon bleibt vorerst stumm. Sie hat bestimmt zu tun. Sie musste schließlich auch urplötzlich weg. Mein Smartphone gleitet in die Tasche meines Sakos zurück. Ich stürze den restlichen Kaffee meine Kehle hinunter und mache mich auf den Weg zu meiner neuen Arbeitsstelle. Mit dem Gesicht dieser Frau im Kopf, wird es wohl ein ziemlich langer Tag werden, aber da muss ich wohl durch.   Auf dem Weg in die Arbeit vibriert mein Handy einige Male, aber es sind „nur“ Takagi und Tsukasa. Die Beiden haben schon wieder ein neues Kaffee entdeckt. Man könnte meinen die haben sonst nichts zu tun. Aber dann fliegt erneut eine Nachricht auf mein Display. Ich sehe das WhatsApp Icon der schönen Frau.   Frau ohne Namen 09:11 Na dann kann ich dich nicht länger warten lassen. Hast du morgen Abend etwas vor? Ich treffe mich im Kino mit zwei Freunden von mir.   Eine geschlagene Minute betrachte ich den Bildschirm. Ist das etwa-... Ich schlucke. -ein Date? Oh Mann, ich bin echt schlecht in sowas.   . .   Mein Handy klingelt erneut. „Hey Schwesterchen, mit wem schreibst du denn so angeregt.“ Ich blicke zu meiner kleinen Schwester. Eigentlich ist sie gar nicht mehr klein. Dieser Frechdachs ist mittlerweile schon 18 Jahre alt. „Nur einem Freund.“,sage ich unverbindlich. „Etwa Teshi und Saya?“ Ich schweige. Sie muss schließlich nicht alles wissen. Ich entsperre den Bildschirm und lächele.   Mann ohne Namen 09:14 Sind wir denn schon so weit, dass du mich deinen Freunden vorstellst :-P   Ich schüttele den Kopf. Was denkt der sich? Dann lese ich weiter.   Nein, kleiner Scherz. Ich würde dich gerne ins Kino begleiten.   . .   Frau ohne Namen 09:14 Dann sehen wir uns morgen. Ich schicke dir nachher meine Adresse.   „Gut, dann also morgen.“ flüstere ich zufrieden. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 2   Mein Bleistift klappert in kräftigem Stakkato immer wieder gegen die Tischplatte. Immer wieder wechselt mein Blick von meinem PC zu meinem Handy. Noch elf Minuten bis zum Feierabend. Eigentlich sollte das kein Problem sein, aber meine Vorfreude auf Heute Abend ist so groß, dass die Zeit kaum vergehen will. Ich entsperre noch einmal mein Smartphone und betrachte ihre Nachricht.   Frau ohne Namen      22:47   Hanwa Komplex Apartment 216 B Suginami-ku   Komm mich um 19:30 abholen.   Ich starre den Bildschirm nieder. Ich habe ihre Handynummer und ihre Adresse… aber ein Name fehlt mir weiterhin. Und dann plötzlich ploppt die Terminmeldung in meinem Outlook auf. Feierabend! Ich stehe so hastig auf, dass mein Stuhl beinahe zu Boden fällt, doch ich kann ihn noch gerade so greifen. Okay, 17 Uhr! Ich habe also eine anderthalb Stunde mich auf Vordermann zu bringen und nach Suginami-ku zu fahren. Ich greife nach meiner Tasche und sprinte im Eiltempo, bevor noch einer auf die Idee kommt mir noch was in die Hand zu drücken, aus dem Büro. Ich atme tief aus, als ich die gläserne Drehtür hinter mir lasse. Weiter geht’s. Das Glück scheint heute auf meiner Seite zu sein. Ich erwische die frühere Bahn. Auch wenn es nur zwei Minuten Unterschied sind, aber der Zug ist nur halb so voll wie der Nächste.   Zu Hause angekommen, werfe ich meinen Anzug über den Stuhl im Schlafzimmer. Eine Dusche wird wohl wieder alles richten, rede ich mir ein.   . .   „Was? Du kennst seinen Namen nicht mal?“, Sayas Stimme wirkt aufgebracht am Telefon. „Es ist nicht so wie du denkst, Saya-.“, versuche ich sie zu beruhigen. Manchmal kann sie wirklich anstrengend sein. „Achso? Und wie ist es dann?“ „Das…“, beginne ich. „…ich kann‘s dir nicht erklären.“, gestehe ich. Ich höre nur noch ein  lang gezogenes Seufzen. „Wenn ich könnte, würde ich es dir ja erklären. Bitte Saya, vertrau mir einfach.“ „Das letzte Mal als du mich darum gebeten hast, hat ein Komet unser Dorf zerstört… Also gut, ich sollte dir wahrscheinlich einen Vertrauensbonus gewähren. Immerhin leben wir wegen dir noch…“ „Danke. Ein sehr treffender Vergleich.“ „Okay, dann bis nachher.“ „Bis nachher.“ Seufzend lege ich das Telefon zur Seite. 19 Uhr… Ich kann mich wohl kaum noch davor drücken. Ich öffne meinen Kleiderschrank und betrachte das heillose Chaos darin. Ich schiebe einen Kleiderbügel nach dem anderen zur Seite. Es erscheint mir alles irgendwie nicht angemessen. Es ist nur ein Kinobesuch, Mitsuha. Das Licht geht aus und er sieht sowieso nicht mehr was du anhast! Kurz entschlossen greife ich nach einem schlichten Sommerkleid und werfe mir ein dünnes Strickjäckchen über. Ich drehe mich vorm Spiegel zu allen Seite. „Ja… gar nicht übel.“, bestätige ich mich selbst. Ich löse das Kumihimo aus meinem Haar und die einzelnen Strähnen fallen lose herunter. Das wäre doch auch mal was. Aber ich kenne mich selbst. Ohne mein Band würde ich mich irgendwie nackt fühlen. Also flechte ich meine Haare zu einem lockeren Zopf. Im selben Moment höre ich die Klingel.   . .   Kurz stütze ich meine Hände auf die Knie. Ich habe mich echt beeilt, aber ich bin noch pünktlich. Ein hohes Klingeln ertönt als ich den Knopf drücke. Für einen kurzen Augenblick herrscht Stille, aber dann öffnet sich die Tür und ein Mädchen öffnet die Tür. „Eh… ja bitte?“, fragt sie verunsichert. Unsicher reibe ich mir über den Nacken. Das kommt unerwartet. „Ehm… hallo…“, stammele ich. Das auch noch? Wie soll ich ihr erklären wen ich suche, wenn ich nicht mal ihren Namen weiß?! „Wohnt hier eine-?... ich meine bist du-?“ Mein Kopf rattert während ich versuche mich zu erklären. Und dann fällt es mir wieder ein. „Sag, hast du eine ältere Schwester?“ Ihr irritierter Blick wirkt nun vollkommen Gleichgültig. „Achso, klar. Schwesterchen! Es ist für dich.“ Die jüngere Schwester öffnet die Tür und ich sehe wie ihre hübsche Schwester aus einer der Türen kommt. „Hallo.“, begrüßt sie mich. Ihre Stimme ist sanft. „Yotsuha! Schließ bitte die Tür hinter mir ab und wenn irgendwas sein sollte rufst du an, ja?“ Yotsuha? Irgendetwas ist mit diesem Namen. Kenne ich ihn etwa? Kenne ich dieses Mädchen vielleicht sogar? Dann geht die Tür zu und die warme, einladende Wohnung verschwindet aus meinem Blickfeld und holt mich augenblicklich aus meinen Gedanken. „Können wir?“, fragt die junge Frau vor mir. Ich nicke. Und wie bereits gestern, hängt sie sich bei mir ein und wir machen uns gemeinsam auf den Weg zum Kino. Wir steigen in einen der Shikansen Züge. Sie steht mit dem Rücken zu mir und ich betrachte das fein geflochtene Band in ihren Haaren. Taki,…Taki! Erinnerst du dich nicht? Wer bist du? „Nächster Halt: Yoyoki/ Shinjuku. Ausstieg auf der rechten Seite.“ Taki! Als hätte sie meinen Namen gerufen, schrecke ich aus dem Traum hoch und sehe in die großen, haselnussbraunen Augen meiner Begleitung. „Entschuldige, was hast du gesagt?“ Sie lacht. „Ich meinte wir müssen aussteigen.“   Vor dem Kino haben sich schon einige Menschentrauben gebildet. Es wird voll werden. Mein Blick fällt auf sie. Fast jede Minute wirft sie einen Blick auf die Uhr. „Wann wollten deine Freunde sich mit uns treffen?“ „Sie müssten eigentlich schon hier sein.“ Erneut geht ihr Blick zum Handy. Eifrig tippen ihre Finger auf dem Touchscreen herum. „Mitshuaaaa! Mitsuha hier sind wir!“ Augenblicklich schreckt sie hoch und ihr Kopf sucht hektisch nach dem Ursprung. Mitsuha… Taki, Taki! Erinnerst du dich nicht? Wer bist du? Mitsuha! Mein Name ist …Mitsuha! Und im Bruchteil einer Sekunde erwacht mein Geist als hätte man eine Reset-Taste gedrückt. Im Eiltempo rauschen sämtliche Geschehnisse an mir vorbei. Die Leere die mich all die Jahre begleitet hat, ist augenblicklich verschwunden. Ich atme erleichtert auf. „Mitsuha.“, flüstere ich. Sie dreht sich zu mir um. „Was?“ „Ja natürlich. Mitsuha! Dein Name ist Mitsuha!“ Meine Stimme wird mit jedem gesprochenen Wort lauter. Ich stürme auf sie zu und nehme sie in meine Arme. „Ich bin es. Taki!“   . .   Taki?... …Taki, du bist da…! Hör zu, Mistuha. Damit wir uns, auch wenn wir wieder aufwachen, nicht vergessen, sollten wir unsere Namen aufschreiben… Ich liebe dich Und plötzlich ist alles wieder da. Er war es! Taki! Der Junge, mit dem ich vor acht Jahren im Traum die Körper getauscht habe. Der Junge, der mich wahrscheinlich besser kennt als ich mich selbst… Der Junge, der mein Leben gerettet hat. „Taki!“, rufe ich voller Erleichterung und drücke mich fest an seine Brust. Ich spüre, wie heiße Tränen sich an die Oberfläche bahnen. Seine Hand streicht beruhigend über mein Haar. „Du kannst mich doch nicht treffen kommen, bevor wir uns kennengelernt haben…Wie soll ich dich denn da erkennen?“ Ein ersticktes Lachen entkommt mir. Ich drücke mich von ihm weg um ihm in die Augen zu sehen. „Dabei wollte ich dir noch sagen: Wo auch immer du auf der Welt bist, ich werde dich noch einmal finden.“ Mein Herz läuft fast über. Was ist nur aus dem unsicheren Jungen von damals geworden? „Eh… Mitsuha?“ Erst jetzt registriere ich Sayaka und Teshi. Hitze steigt in meine Wangen. Haben die Zwei das jetzt alles mitbekommen? Hastig wische ich mir die Tränen aus den Augen und strahle die Beiden glücklich an. Ich ergreife Takis Hand und ziehe ihn unmittelbar neben mich. „Saya, Teshi, das ist Taki.“ „O-kay?!“, geben beide im Kanon zurück. Ja, sie halten mich definitiv für verrückt. Aber das ist egal. Ich fühle mich vollständig. Ein wichtiger Teil von mir ist heute endlich zu mir zurückgekehrt. „Okay, also ich denke wir sollten mal reingehen, oder?“, unterbricht Saya. Taki und ich schenken uns einen vielsagenden Blick. „Ach Saya, weißt du, ich habe doch dummerweise mein Portemonnaie vergessen.“ Was für eine lahme Ausrede. „Na und? Dann zahl mit deinem Handy.“ Natürlich durchschaut sie es. Aber Teshi legt ihr plötzlich die Hände auf die Schultern und schüttelt einfach nur den Kopf.   . .   Der gute alte Teshi… Wir verabschieden uns von den Beiden. Ich greife nach Mitsuhas Hand und ziehe sie mit mir. „Wo gehen wir denn hin?“, fragt Mitsuha, immer noch amüsiert über ihre kindische und gleichzeitig einfallslose Lüge. „Zu mir nach Hause.“, antworte ich knapp. Ich möchte so vieles wissen… Ich wollte noch ein bisschen länger mit dir zusammen sein… Ich will mit dir zusammen sein, und sei es nur für einen kurzen Augenblick. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3   Noch immer hält er meine Hand. Er lässt sie einfach nicht los. Eigentlich kenne ich seinen Körper und trotzdem fühlt sich meine Hand in seiner ganz anders an. Ich habe keine Ahnung wo wir gerade sind, aber das ist egal, Hauptsache er ist bei mir. „Wie weit ist es noch?“, unterbreche ich die Stille. Er sieht mich kurz an, wendet sein Gesicht aber gleich wieder ab. „Das Hochhaus da vorne.“ Ich hebe meinen Kopf und sehe ein hohes Mietshaus. Eigentlich sehen die in Tokio alle gleich aus, aber die Umgebung ist anders. Endlich angekommen, bittet er mich herein. Die Wohnung ist sehr klein, aber ordentlich. Aber so war Taki schon immer. Auch damals war sein Zimmer ordentlich. Seine Termine und Verabredungen sowie Freizeit waren immer penibel geplant. Was das angeht, hat er sich wohl kaum geändert. Ich höre nur noch das Klicken der Tür, die sich hinter meinem Rücken geschlossen hat. Erst jetzt realisiere ich den Moment. Zum aller ersten Mal sind wir im Hier und Jetzt. Zum aller ersten Mal sind wir alleine! Ich senke mein Haupt um meine glühenden Wangen zu verbergen. In dem Bewusstsein über die ganze Situation spiele ich nervös an meinen Haaren. Was ist denn auf einmal los mit mir? Ich fühle mich, als wäre ich wieder siebzehn. „Und… jetzt?“, stammele ich.   . .   „Jetzt muss ich das tun, was schon lange überfällig ist.“, antworte ich atemlos. Ohne sie weiter vorzubereiten, nehme ich ihr Gesicht in meine Hände, ziehe sie zu mir heran und küsse sie. Schon damals hatte ich mich gefragt, wie es wohl sein würde Mitsuha zu küssen. Da ich zuvor noch nie ein Mädchen geküsst hatte, blieb mir da wenig Vergleichbares, aber das hier ist tausend mal besser als mein siebzehnjähriges Ich sich hätte träumen lassen. Ihre Lippen sind weich wie Seide und sie passen perfekt zu meinen. Ihr blumiger Duft steigt mir in die Nase und lässt meine Haut prickeln. Zufrieden lasse ich sie los und blicke ihr eine Weile in die Augen. Mein Daumen streicht sanft über das tiefe Rot ihrer Wange. „Ich liebe dich, Mitsuha! Das hat sich nach all der Zeit nicht geändert.“   . .   „Taki…“ Mein Mund wird trocken. Ich bin beinah unfähig etwas zu entgegnen. Sag was! Du kannst ihn nicht so stehen lassen. Mein Unterbewusstsein drängt mich zu dem was ich sowieso längst weiß. Ich fühle wie er, doch habe ich es nie aussprechen oder aufschreiben können. Noch einen Augenblick sehe ich in stillschweigend an. Meine Hand klammert sich an seinem Handgelenk fest. „Ich…ich…liebe dich auch…“, sage ich zögerlich. Dieser Satz klingt so ungewöhnlich aus meinem Mund. Das scheint auch Taki zu merken. „Bist du dir sicher? So ganz überzeugt hast du nämlich nicht geklungen?“ Ich bemerke die Ironie in seiner Stimme. Scherzbold. Ich kichere. Keine Sekunde später schlinge ich meine Arme um seine Mitte und drücke ihn fest an mich. Sein Körper ist so warm… Ich inhaliere seinen Duft und schließe die Augen. Mir wird leicht ums Herz. Mein Körper entspannt sich mit jeder einzelnen Zelle. Ich weiß nicht ob es Sekunden oder Minuten sind, in denen wir so verharren, aber ich würde ihn am liebsten nie mehr loslassen. „Mitsuha,-.“, Takis Stimme dringt leise an meine Ohren. Ich hebe meinen Kopf und sehe direkt in seine blauen Augen. „Erzähl mir alles.“, bittet er mich eindringlich. Ja richtig… als wir unsere Körper ein letztes Mal getauscht hatten, haben wir alles vergessen.   . .   Ich führe sie in mein Schlafzimmer/ Arbeitszimmer/ Wohnzimmer. Mehr Platz ist bei meinem Gehalt einfach nicht drin. Unsicher massiere ich meinen Nacken während sich Mitsuha auf meinem Bett niederlässt. „Ehm… willst du was trinken?“ Sie schüttelt nur den Kopf. Ungeachtet dessen stelle ich eine Wasserflasche und zwei Gläser auf den kleinen Beistelltisch vor dem Fernseher. Ich hänge meine Jacke über meinen Schreibtischstuhl und lasse mich neben Mitsuha nieder. „Also, was ist damals passiert?“ „Mitsuha lehnt sich gegen die Wand. Ich höre sie seufzen. „Nachdem du verschwunden warst, bin ich sofort losgelaufen. Es lief alles nach Plan. Wir haben das Umspannwerk in die Luft gejagt und Saya hat mit ihrer Durchsage versucht dass Dorf zu evakuieren. Aber ohne die Unterstützung der Feuerwehr und der Polizei war es schwierig die Leute zu überzeugen…“ Ich lausche ihrer Geschichte. Wahnsinn wie stur die Dorfbewohner damals waren, dabei hätte es sie fast das Leben gekostet. „…mein Vater hat anschließend die Durchsage unterbrochen und die Leute um Ruhe gebeten. Also bin ich losgelaufen wie eine Verrückte. Ich musste meinen Vater irgendwie überzeugen, aber als dann der Komet zerbrach, begann mein Vater der Geschichte, die du ihm erzählt hast, glauben zu schenken. In letzter Sekunde haben wir es geschafft die betroffenen Bezirke zu evakuieren.“ Ich muss die ganze Geschichte erst mal sacken lassen. Wenn ich daran zurückdenke, zieht sich mein Magen zusammen. „Das heißt… alle haben überlebt?“ Sie nickt mir zu. „Es gab durch die Druckwelle und herumwirbelnden Überreste zwar Verletzte, aber keiner der ernsthaft zu Schaden gekommen war… Taki, du hast uns damals alle gerettet.“ „Du übertreibst. Ohne Teshis und Sayas Hilfe hätte das niemals funktioniert. Und ohne dich… du hast deinen Vater überzeugen können.“ Ohne dass ich zuerst bemerkt habe, hat sich Mitsuha an meine Schulter gelehnt. In Anbetracht der schaurigen Geschichte ist es beinah unfassbar dass sie hier sitzt, gesund und vor allem lebendig. „Du hast gesagt nur du und Yotsuha seid nach Tokio gekommen. Was ist mit dem Rest?“ „Einige sind mit uns nach Tokio gekommen. Wieder andere haben sich in die umliegenden Kommunen abgesetzt.“ „Oma?“ Mitsuhas Blick wird trüb. Was ist mit Oma passiert? „Oma ist ein halbes Jahr nach dem Kometeneinschlag gestorben. Die Ärzte sagten es sei ihr Alter gewesen. Sie hatten bestimmt nicht unrecht, aber ich glaube, dass der Tag des Meteoriteneinschlags und die Zerstörung des Dorfes und all seiner Traditionen ihr Herz gebrochen haben.“ Sich verdrehen und verwickeln, gelegentlich zurückkehre und sich wieder verbinden. Das ist die Zeit. Das ist Musubi. Worte, die wohl mein ganzes Leben prägen werden. Danke Oma, für alles! Ich schicke dieses stumme Gebet gen Himmel in der Hoffnung sie möge es hören. Doch meine ganze Aufmerksamkeit gehört nun Mitsuha. Ich habe sie so lange gesucht ohne zu wissen, dass ich es eigentlich tue. Und nun ist sie hier, genau wie meine Erinnerungen.   . .   „Was war nach dem wir die Körper getauscht hatten?“, frage ich ihn. Auch sein Blick wirkt trüb. Ich scheine wohl einen Nerv getroffen zu haben. „Als ich aufgewacht war konnte ich mich zunächst noch an dich erinnern. Und dann… auf einmal war alles weg. Ich wusste nicht mal mehr, was ich dort oben auf dem Berg gemacht hatte. Das Einzige, was von dir übrig geblieben war, war eine Linie auf meiner Handfläche. Ich bin schließlich nach Tokio zurückgekehrt. Danach habe ich angefangen sämtliche Berichte über Itomori und die wundersame Rettung der Dorfbewohner zu lesen. Ich wusste nicht warum aber das ganze hat mich irgendwie gefesselt. Tsukasa und Takagi waren zwischenzeitlich der Meinung ich sei vollkommen verrückt geworden.“ Obwohl ich an diesem Tag meine Heimat verloren hatte, stimmt mich seine Geschichte traurig. Sie klingt so einsam. „Ich bin einfach froh zu sehen, dass du noch lebst.“ Ich höre die Erleichterung in seiner Stimme. Ja, wäre Taki nicht gewesen, wäre ich jetzt nicht mehr am Leben… Ich greife nach seiner Hand und verschränke meine Finger mit seinen. „Und was jetzt?“, fragt er urplötzlich. „Sind wir jetzt… ein Paar?“ Mein Schmunzeln wird zu einem Lächeln und ich nicke ihm zu. „Bist du dir sicher? Meinst du nicht die Leute finden das irgendwie… naja… schräg?“ Ich beginne laut zu lachen. Es packt mich so sehr dass mir die Tränen aus den Augenwinkeln laufen. „Was?“ „Du meinst wirklich das ist schräg?“, ich halte mir den Bauch. „Taki, wir haben die Körper getauscht… und du meinst die Leute finden das hier schräg? Ich glaube die haben uns damals schon für verrückt erklärt.“   . .   Ihr Lachen füllt den Raum mit Wärme. Als ich selbst die Absurdität meiner Aussage erkenne, beginne auch ich zu lachen. „Oh Man.“, ich wische mir die Tränen aus den Augen. „Okay, Spaß beiseite. Wie sollen wir den Leuten das erklären?“ Mitsuha beruhigt sich auch allmählich. Ich kann ihr ansehen, dass sie darüber nachdenkt. „Naja, schließlich bin ich doch nach Tokio gefahren um mich mit dir zu treffen, oder? Ich meine das ist wirklich passiert.“ Worauf will sie hinaus? „Wieso sagen wir nicht, dass wir uns schon damals im Internet kennen gelernt haben. Ich wollte dich überraschen, aber du warst viel zu sehr mit dir und deinen Gefühlen zu Miki beschäftigt, dass du mir mein Herz gebrochen hast.“ Bam! Das war ein Schlag ins Gesicht. „So wie du das formulierst klingt das, als sei ich der Böse.“ „So weit hergeholt ist es doch nicht… und es klingt plausibel.“ Hmmmm… so ganz unrecht hat sie nicht. Mit einem Seufzen gebe ich mich geschlagen. Dann spiele ich mal den Buhmann.   . .   Es ist eigentlich nicht fair ihn so darzustellen, aber alles andere wirft zu viele Fragen auf. Ich schaue auf die Uhr. Meine Augen weiten sich. Es ist schon nach Mitternacht. Ich habe vollkommen die Zeit vergessen. „Taki, ich muss nach Hause. Ich sollte noch nach Yotsuha sehen.“ „Hm? Ehm… okay, dann begleite ich dich nach Hause.“ Der Höflichkeit wegen sollte ich eigentlich ablehnen, aber ich genieße seine Gesellschaft zu sehr. Obwohl in Tokio so viele Menschen leben, ist es ruhig auf den Straßen geworden. Nur noch wenige Menschen sitzen in den Bussen und Zügen. Nach einer halben Stunde kommen wir endlich zu bei mir zu Hause an. „Also dann,-.“, beginnt Taki. „Bis morgen.“ Er lehnt sich zu mir rüber und gibt mir einen Kuss. Ich werde rot. Verlegen schlage ich die Augen nieder. „Gute Nacht und danke fürs nach Hause bringen.“ Er schenkt mir ein Lächeln, bevor er sich umdreht und den Nach-Hause-Weg einschlägt. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Kapitel 4     Mein Blick fällt auf mein Smartphone. Freitag 13:27 Uhr Ich seufze und wende mich wieder meiner Arbeit zu. Meine Unterlagen sind komplett über den kleinen Esstisch verstreut. So sieht es jedes Mal aus wenn ich von zu Hause aus arbeite. Noch dazu, bin ich erst vor drei Stunden aus dem Bett gekommen. Dass ich so lange bei Taki bleiben würde, war eigentlich nicht geplant… So gesehen, war eigentlich gar nichts von all dem geplant. Noch immer kann ich seinen Kuss schmecken. Ich schnaube amüsiert. Als ich ihn in Tokio besuchen wollte, kam mir eben diese Frage in den Sinn. Ich hatte mich ernsthaft gefragt wie es sein würde Taki zu küssen. Eigentlich war ich schon damals in ihn verliebt, wollte es mir aber nicht eingestehen, aber jetzt, nach so langer Zeit… Ich bin einfach nur froh ihn endlich gefunden zu haben. Mein schrilles Bing holt mich aus meinen Gedanken. Ich stöhne auf als ich auf meinen Display schaue. „Oh Saya…“   Sayaka                       13:36   Sag mal, was war denn das gestern? Wer war dieser Kerl? Und was war eigentlich mit euch Beiden los? Ist da was gelaufen?   Vier Fragen in einer Nachricht… Soll ich ihr das jetzt alles schreiben?   Erzähl ich dir ein anderes Mal., versuche ich sie abzuwimmeln.   Mit meinem Blick wieder zum Bildschirm gerichtet, versuche ich mit meiner Arbeit zu Recht zu kommen. Aber wieder Bing!   Sayaka                       13:37   Okay, aber dann verrat mir doch wenigstens wie ihr zueinander steht.   Wieder seufze ich. So viel kann ich ihr wahrscheinlich zugestehen.   Na gut! Aber bitte, löcher‘ mich jetzt nicht mit weiteren Fragen, die beantworte ich dir bei einer Tasse Kaffee. Wir sind ein Paar ♥   Ich muss selbst schmunzeln als ich es abschicke. Ich fühle mich wieder wie ein Teenager.   Ich starte den Dritten Versuch mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren. Belebend klopfe ich mit den Handflächen gegen meine Wangen. Ich schalte das WLan und die mobilen Daten von meinem Handy aus, sowie den Ton und versuche im Eiltempo den Berg aus Papier abzuarbeiten.   . .   Mitsuha ♥        14:03   Wie ist dein Tag bisher?   Ich schmunzele. Ich hatte schon Angst, dass alles wieder nur ein viel zu schöner Traum war.   Hektisch, aber ich habe jetzt Feierabend. Sitze noch mit den Jungs im Café.   Mitsuha ♥        14:10   Du Glückspilz. Ich habe hier noch ein bisschen was liegen… Da wäre ich auch gerne dabei.“   „…der scheint aber einen sehr interessanten Gesprächspartner zu haben.“ „Ja, so abwesend hab ich ihn schon lange nicht mehr gesehen. Hey Taki!“ Mein Kopf schnellt nach oben. „Eh, was?“ Ich sehe in die verwunderten Gesichter von Tsukasa und Takakgi. „Sag mal, ist alles klar bei dir? Du wirkst irgendwie abwesend.“ Ich erwidere den verwunderten Gesichtsausdruck. „Ja, alles klar.“ Ich sende noch schnell eine Nachricht an Mistuha, bevor ich das Handy neben mein Glas mit dem Latte Macchiato lege. Die beiden beäugen mich kritisch. Unbeeindruckt, nehme ich einen Schluck von der warm-herben Flüssigkeit. Mein Handy vibriert. Mitsuhas WhatsApp Icon erscheint auf meinem Display. Interessiert mustern Tsukasa und Takagi mein Smartphone. Dann scheint es, als verlaufe die Situation wie in Zeitlupe. Bis ich verstehe was los ist, ist es zu spät. Takagi greift nach meinem Smartphone und sieht sich die Nachricht von Mistuha an. „Wer ist die denn?“, fragt er und hebt vielsagend die Augenbrauen. „Mitsuha?“, fragt Tsukasa. „Und ein Herz hintendran?“ „Die is echt hübsch…“, stellt Takagi anerkennend fest. Ich lehne mich mit hochrotem Kopf über den Tisch, um mein Handy zurück zu erobern, aber ohne Erfolg. „Bis später ich freue mich auf dich…Herzemoji.“, liest Takagi ihre Nachricht theatralisch vor. „Sag mal, was läuft denn da? Ich wusste gar nicht, dass du dich mit einer Frau triffst“ Endlich! Ich bekomme mein Handy zu greifen und stecke es gleich in meine Hosentasche. „Nichts.“, versuche ich das ganze abzutun. Die ganze Situation nervt mich jetzt schon. „Nichts?… danach sieht es aber nicht aus, Taki.“, ergänzt Tsukasa. Haben die sich jetzt gegen mich verschworen? „Wie kommst du eigentlich an so eine Braut?“, Takagi lehnt sich in den Sessel zurück und grinst frech. „Was soll das denn heißen?“ „Du bist unfair Takagi. Taki hätte auch beinahe Miki rumgekriegt.“ Was läuft hier gerade? Fast sprachlos beobachte ich die merkwürdige Situation. Wie gern ich gerade mit Mitsuha den Körper tauschen würde… Die Beiden lachen. Irgendwie finde ich die Situation alles andere als komisch. „Also, was läuft zwischen dir und dieser Mitsuha?“, fragt Tsukasa. Ich seufze. Ich werde heute wohl nicht drum herum kommen, ihnen diese Geschichte irgendwie glaubhaft zu machen. Gott sei dank haben wir das Thema gestern schon geklärt. Ich erzähle den Beiden also die Geschichte, die ich mit Mitsuha vereinbart hatte. „Naja und vor ein paar Tagen haben wir uns durch Zufall in der Bahn getroffen und uns verabredet. Wir haben viel geredet, Altlasten geklärt und wie ihr schon gesehen habt, treffe ich mich heute wieder mit ihr.“ Die Beiden sehen mich noch einen kurzen Moment stumm an, bevor sie die ganze Geschichte mit einem Axel zucken abtun und sich endlich ihrem Kaffee widmen. Super Mitsuha! Sie haben es geschluckt. „War sie das Mädchen, wegen dem wir damals nach Itomori gefahren sind?“ Ich seufze. Die geben auch keine Ruhe. Ich nicke. „Naja ich habe nach dem Kometenabsturz nichts mehr von ihr gehört. Ich wusste ja nicht, dass sie in Itomori gelebt hatte. Und sie dann in den umliegenden Kommunen zu suchen wäre einfach zu aufwendig für zwei Tage gewesen.“ Tsukasa und Takagi nicken zustimmend. Damit ist das Thema erledigt…hoffentlich.   . .   Taki♥               15:21   Deine Geschichte hat mir heute das Leben gerettet! Bin jetzt auf dem Weg. Ich hoffe du magst Latte Macchiato ;-)   Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Ich entsperre den Bildschirm meines Smartphones und betrachte nochmal das Profilbild seines WhatsApp Accounts. Sein Gesicht hat sich eigentlich kaum zu damals verändert. Seine Züge sind markanter geworden, aber der Ausdruck und die Wärme in seinen Augen ist dieselbe wie damals.   Ich räume meine Arbeit vom Tisch und packe alles in die Tasche, die ich immer ins Büro mitnehme. Ich beseitige das restliche Chaos des Morgens. Als ich den letzten Stift in den Becher auf meinem Schreibtisch stelle, klingelt es auch schon. In der Eile habe ich ganz vergessen mich umzuziehen, aber, wenn ich es recht bedenke, wir haben im Körper des jeweils anderen gesteckt. Wir kennen uns in den wohl schlimmsten Verfassungen. Da wird ihm eine Jogginghose wohl nicht viel ausmachen. Es klingelt nochmal. Ich schüttle den Kopf und hole mich selbst aus meinen Tagträumen, haste zur Tür und ziehe sie auf. Eine sommerliche Brise weht mir entgegen als Taki mir schon einen Kaffeebecher entgegen hält. „Hallo.“, sagt er schlicht. „Hey.“, ich klinge erleichtert… und fühle mich auch so. Wir haben so lange nach dem jeweils anderen gesucht, dass ich ihn gar nicht mehr loslassen möchte. „Danke. Komm rein.“ Ich schließe die Tür hinter uns und führe ihn durch die Wohnung. Da ich mit meiner Schwester hier lebe, ist alles ein wenig kuscheliger. In meinem Schlafzimmer steht, ähnlich wie bei ihm, ein kleiner Beistelltisch. Ich stelle meinen Kaffee darauf ab und helfe Taki aus seinem Sakko raus. Er sieht im Anzug ein bisschen unbeholfen aus. „Na, was steht heute auf dem Plan?“, frage ich. „Erst mal das.“, sagt er und im gleichen Moment spüre ich seine Lippen auf meinen. Ein wirklich schönes Gefühl… Dann nimmt er mich in seine Arme. „Du glaubst nicht, wie gerne ich heute den Körper mit dir getauscht hätte.“, gesteht er lachend. „Oh, was ist denn passiert?“ „Takagi und Tsukasa… die beiden sind mir ganz schön auf die Pelle gerückt.“ Ich kichere. Ich kann es mir gut vorstellen. Armer Taki! Sie haben ihn bestimmt ausgequetscht. „Erzähl mir davon!“, bitte ich und wir setzen uns zum Tisch und nehmen unseren Kaffee.   . .   Es ist so leicht sich mit Mitsuha zu unterhalten. Sie weiß eben ganz genau über mein Leben Bescheid, selbst nach fünf Jahren. Als ich ihr von der Geschichte erzähle, beginnt sie laut zu lachen. Ich glaube, ich tue ihr ein wenig Leid, aber auch ich stimme in ihr Lachen ein. „Die Beiden sind echt klasse.“, Mistuha ringt immer noch nach Luft. „Aber keine Sorge, Sayaka war noch schneller als Tsukasa und Takagi.“ Sie hält mir ihr Telefon hin und ich überfliege kurz die Nachrichten. „Sie wird dich komplett löchern.“, sage ich. „Das glaube ich auch.“ „Ich bin auf die Sache mit dem Paar gar nicht erst eingegangen, sonst wäre ich da nicht mehr lebend rausgekommen.“, sage ich lachend. „Naja, wenn ich bei Null angefangen hätte, wäre es nicht bei den paar Sätzen geblieben.“ Wir seufzen Beide. Wir werden wohl noch viel zu erklären haben… Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Kapitel 5   „Ist nicht dein Ernst!“, Taki sieht mich ungläubig an. „Naja, du kennst doch Teshi. Er hat sich noch nie viel aus Romantik gemacht.“ Taki schüttelt lachend den Kopf. „Oh Mann, du hattest Recht: Die Beiden sind wirklich das perfekte Paar!“ „Nicht wahr?!“,  ich hole schon aus um weiterzusprechen, aber dann höre ich wie sich die Tür zur Wohnung öffnet. Das muss Yotsuha sein. Ich lege den Zeigefinger auf meine Lippen und deute Taki sich still zu verhalten. „Schwesterchen?“, ertönt es aus dem Flur. „In meinem Zimmer.“ Kurz ist es still. „Hast du Besuch?“ Die merkt echt alles… „Ja, aber komm ruhig her. Ich möchte ihn dir sowieso vorstellen.“ Ich platze vor Neugier. Wie wird sie wohl reagieren? Schließlich haben die Zwei sich Ewigkeiten nicht mehr-… richtig…Yotsuha kennt Taki eigentlich nicht. Zumindest nicht in seinem Körper. Schon steht der kleine Frechdachs in der Tür. Erwartungsvoll blicke ich zwischen Yotsuha und Taki hin und her.   . .   Eigentlich hatte ich sie bereits gestern schon gesehen, aber erst jetzt fällt mir auf, wie groß sie doch geworden ist. „Yotsuha, das ist Taki.“ Sie beäugt mich skeptisch. Diesen Blick kenne ich zu gut. Genauso hat sie mich angesehen, wenn ich mich an Mitsuhas Körper zu schaffen gemacht habe. Ich stehe auf und begehe wohl den Fehler meines Lebens. Ich lege ihr meine Hand auf den Kopf. „Wahnsinn! Du bist ganz schön groß geworden.“ …Stille… Ich sehe erst zu Mitsuha und dann zu Yotsuha. Wieso sehen mich die Beiden so entgeistert an? Meine Augen richten sich auf meine Hand, die fast brüderlich auf Yotsuhas Kopf liegt. Mein Gedächtnis ruft mir wieder in Erinnerung was ich vor ein paar Sekunden zu ihr gesagt habe. Sofort ziehe ich meine Hand zurück. „Eh ich meine…deine Schwester und ich kennen uns schon etwas länger…“ Yotsuhas Augen verengen sich während sie mich kritisch beäugt. Dann lehnt sie sich an mir vorbei und sieht zu ihrer älteren Schwester. „Mitsuha? Von was redet er?“ Mistuhas verlegenes Kichern dringt an meine Ohren. Oh Mann… ich Idiot! Ich drehe mich um und setzte mich stumm zu Mitsuha. „Erinnerst du dich noch daran, dass ich am Tag vor dem Kometeneinschlag nach Tokio gefahren bin?“ „Du meinst, als du deine Haare abgeschnitten hast?“ „Ja den Tag meine ich.“, Yotsuha nickt zustimmend. „Taki ist derjenige, den ich damals besuchen wollte.“ Der Groschen fällt. Aber der Gesichtsausdruck mit dem mich Yotsuha mustert, ist undefinierbar. Er liegt irgendwo zwischen vollkommenem Misstrauen und Interesse. Wahrscheinlich: „Aha, du bist also der Kerl der meiner Schwester das Herz gebrochen hat…“ Trotzdem sagt Yotsuha nichts dazu. Sie ist wirklich erwachsen geworden. „Na gut, dann: Hallo!... Ich geh auf mein Zimmer. Hab noch einiges für die Schule zu erledigen.“ Mistuha nickt ihr zu und Yostuha verlässt das Zimmer und lässt uns alleine zurück. Mein Körper entspannt sich wieder. Mistuha lacht. Laut.   . .   Oh Gott, war die Situation so peinlich! Mein Körper wird vom Lachen geschüttelt. Ich sollte ihn zu Saya mitnehmen. Mit solchen Kommentaren würde er sie definitiv aus der Fassung bringen. „Hey! Das war überhaupt nicht lustig.“ „Oh doch, das war es.“    Mein Blick fällt auf mein Handy, dann auf Sayas gut gefüllten Eisbecher. „Sag mal, hast du Teshi nicht versprochen 3 Kilo abzunehmen?“ Genüsslich nimmt sie noch einen Löffel in den Mund. „Er muss ja schließlich nicht alles wissen.“, Saya grinst. „Aber ich würde gerne alles über deinen Freund wissen. Wie heißt er nochmal?“ Ich lächele geschlagen. „…Taki, sein Name ist Taki.“ „Ja richtig. Also erzähl! Wie kommt es, dass du den Typen ein paar Tage kennst und auf einmal seid ihr zusammen? Das ist doch sonst nicht deine Art.“ Ich rühre meinen Kaffee um und betrachte abwesend den Strudel aus fluffigem Milchschaum. „Ich hab Taki kennengelernt, da haben wir noch in Itomori gelebt.“ „WAS? Du kennst den Kerl schon so lange und erzählst mir nichts davon.“ Ich kichere verlegen. Was soll ich ihr denn jetzt sagen? … Du glaubst nicht, wie gerne ich heute den Körper mit dir getauscht hätte…, kommt es mir in den Sinn. Ich gebe einen lauten Seufzer von mir, bevor ich Saya die selbe Geschichte auftische wie Taki Tsukasa und Takagi. „Wow, also hatte Teshi damals Recht.“ „Huh?“ „Damals, auf dem Herbstfest. Er meinte du hättest dir die Haare aus Liebeskummer abschneiden lassen.“ Ich schnaube amüsiert. „Was du noch alles weißt…“ „Naja, es war das einzige Mal, dass du deine Haare derart kurz getragen hast.“ Ich nehme einen Schluck von meinem Kaffee und lasse das ganze erst mal sacken. „Aber wie kommt es, dass ihr plötzlich aus heiterem Himmel zusammen seid? Ich mein, dass man sich über den Weg läuft passiert, aber den Rest kapiere ich nicht so ganz.“ „Weißt du, als wir so geredet haben… es war wie damals. Ich hatte einfach das Gefühl ihn mein ganzes Leben lang zu kennen. Er hat mit mir über alles offen gesprochen und wir haben einfach festgestellt, dass die Zeit uns einen riesigen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, aber die Gefühle waren trotzdem da.“ Verträumt sieht Saya mich an und stüzt ihr Gesicht auf ihre Hand. „Hmm…Das klingt irgendwie…romantisch.“ Ich sage nichts und lächele. Romantisch wäre untertrieben wenn sie die ganze Wahrheit kennen würde… „Okay, also nächstes Mal bringst du Taki mit. Wenn du so für ihn empfindest muss ich ihn kennenlernen. Ein gutes Aussehen hat er ja schon mal.“ Ich kichere. In meinem nächsten Leben möchte ich ein gutaussehender Junge in Tokio sein! …wie wahr… „Dann erzähl mir von ihm.“, fordert mich Saya auf. „Öhm… naja, also er heißt Taki, ist glaub ich, Moment!...14…17…1,2 eh 22 Jahre. Er ist 22 Jahre alt.“ „Er ist sogar jünger wie du. Mitsuha! Wer hätte das gedacht.“, amüsiert schiebt sich Saya noch einen Löffel voll Eis in den Mund und grinst zufrieden. „Das Alter spielt doch keine Rolle.“, sage ich und lache. „Und was macht er so beruflich?“ „Er ist vor ein paar Monaten mit seiner Diplomarbeit fertig geworden und arbeitet jetzt in einem Architekturbüro in Shibuya.“ „Hmm… ein Akademiker. Nicht schlecht Mitsuha.“ Sind wir hier bei Japans Next Dream Husband??? „Okay also wir sollten demnächst mal einen Pärchenabend machen.“ Saya schwingt mit dem langen Löffel vor meiner Nase hin und her um ihrer Aussage mehr Ausdruck zu verleihen. „Ja… irgendwann vielleicht…“, sage ich wenig begeistert und blicke aus dem Fenster auf die Straßen Tokios. „Irgendwann? Hallo?! Ich würde deine Begleitung gerne noch vor unserer Hochzeit kennenlernen.“ „Ja schon gut.“ Wow, Saya kann ganz schön beharrlich sein, wenn sie will. Der Display meines Handys leuchtet auf und ich erkenne Takis Icon. „Oh sieh einer an. Wenn man vom Teufel spricht.“, Saya grinst frech. Ich schenke ihr einen abwertenden Blick und gehe an mein Handy. „Taki?“ „Wo bis du?“ „Ich bin mit Saya noch im Café. Wieso? Ist was passiert?“ Ich höre ihn lachen. „Nein alles gut. Ich habe Feierabend.“ „Achso, na wenn du willst, komm vorbei. Das Café ist nicht weit von deiner Arbeit weg.“   . .   Ich kann Mitsuha und Saya schon durch das große Fenster sehen. Ich trete ein und der Geruch von süßem Kuchen und herbem Kaffee schlägt mir entgegen. Prompt ziehe ich Mitsuhas Aufmerksamkeit auf mich. Sie schenkt mir ein erleichtertes Lächeln was ich so gleich erwidere. Sie sieht umwerfend aus. Das Sommerkleid und ihr Pferdeschwanz erinnern mich ein wenig an die 17-jährige Mistuha. „Hey.“, haucht sie mir entgegen. „Hey.“, erwidere ich und küsse sie. „Hallo Saya.“, ergänze ich und ernte postwendend Erstaunen. „Oh, hallo. Hätte nicht gedacht, dass du meinen Namen noch weißt.“ Wenn du wüsstest… „Klar. Mitsuha hat schon viel von dir erzählt.“ Ich setze mich neben Mitsuha und rufe direkt einen der Kellner herbei und bestelle mir einen Latte. „Komisch.“, beginnt Saya. Ich höre den spitzen Unterton in ihrer Stimme. „Von dir hat Mitsuha eigentlich nie geredet.“ Verdammt! Ist das ihr Ernst? Ich lache verlegen und massiere meine Nackenpartie. „Ach weißt du, ich habe mich in der Vergangenheit nicht besonders beliebt bei Mistuha gemacht.“ „Ja, kann sein.“, bestätigt sie.   . .   Ich seufze. So anstrengend wie heute, war Saya noch nie. Takis Finger streichen über meinen Handrücken. Gedankenversunken blickt er aus dem Zug und beobachtet die vorbeiziehenden Lichter der Stadt. „War es komisch?“, frage ich und hole ihn aus seinen Grübeleien. „Was meinst du?“ „Na Saya. Ich meine, eigentlich kennst du sie ja und trotzdem tust du so als ob du sie noch nie gesehen hast.“ Seine Augen richten sich auf unsere Hände. Er beobachtet wie seine Finger langsam zwischen meine gleiten. Sein Griff ist fest und seine Hand ist warm. „Irgendwie schon. Ich muss mich ständig daran erinnern, was wir vereinbart haben. Aber es ist alles gut.“ „Ich finde du hast das super gemacht!“, sage ich und lächele Taki entgegen was er prompt erwidert. Ich spüre wie er seine Arme um mich legt und mich näher zu sich zieht. „Hauptsache du bist an meiner Seite.“ Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Kapitel 6   Erleichterung breitet sich aus als mein Blick auf die Uhr fällt. Es ist Feierabend! Noch dazu endlich Wochenende. Ich lockere meine Krawatte, stecke meinen Notizblock und mein Handy in meine Tasche und verschwinde aus dem Büro. Die Straßenbahnen sind brechend voll, aber das ist völlig normal an einem Freitagnachmittag. Ich scheine Glück zu haben. Die Fahrgäste haben einen der Plätze übersehen. Mühsam arbeite ich mich nach vorne und kann wohl den allerletzten Sitzplatz im Zug ergattern. Dankbar lasse ich mich darauf nieder und krame mein Handy aus meiner Tasche. Keine Nachrichten! Kein Wunder. Jedes Mal wenn Mitsuha im Büro ist, hat sie kaum Zeit mir zu schreiben. Ich öffne meine Galerie und sehe mir nochmal die Bilder der letzten Tage an. Ich war mit Mitsuha im botanischen Garten. Ich mag die traditionell japanisch gestalteten Tempel und mit Mitsuha war es ein fast unvergesslicher Tag. Die Bilder auf meinem Smartphone sind der eindeutige Beweis. Mein Daumen scrollt langsam herab. Da ist Mitsuha, mit einem traumhaften blauen Kleid, mit offenen langen Haaren und einem fröhlichen Lächeln im Gesicht. Auch ich schmunzele als ich das Bild betrachte. Ein wenig weiter unten erblicke ich dann mein aktuelles Hintergrundbild. Ein altes Pärchen hat es auf unseren Wunsch gemacht. Eigentlich wollte ich in die Kamera schauen während ich sie in meinen Armen halte, doch Mistuha hat mich vollkommen aus dem Konzept gebracht und mein Gesicht dicht an ihres gezogen. Als hätte sie es beabsichtigt. Denn so verträumt wie wir unsere gegenseitigen Blicke erwidern, könnte das Bild einem Magazin für frisch Verliebte entstammen. Mitsuha ist einfach unglaublich. Bing! Eine Nachricht bei WhatsApp.   Takagi  17:05 Yo Taki! Wie sieht’s  heute Abend aus? Lust auszugehen?   Ausgehen? Nein passe. Hab schon was vor!   Takagi  17:09 Alter komm schon! Wir haben ewig nichts mehr unternommen.   Mistuha ist heute bei mir. Takagi 17:16 Na und? Bring sie mit! Schließlich hast du sie noch nicht mal vorgestellt.   Ich seufze. Genervt von seiner Beharrlichkeit tippe ich hastig eine Antwort, bevor ich aussteigen muss.   Ich klär das ab. Meld‘ mich später bei dir.   „An der nächsten Gabelung links halten!“, fordert mich mein GPS auf. Noch 500 Meter. Ich kann das gläserne Hochhaus schon von weitem erkennen.   . .   „Ein schönes Wochenende, Mitsuha!“, ruft Eri mir rüber. „Danke, dir auch.“ Ich wage nochmal einen Blick auf mein Smartphone. Er müsste eigentlich jeden Moment da sein. Ich schalte meinen PC aus. „Mitsuha, können wir?“ Ich hebe den Kopf und sehe Ayumi die am Aufzug bereits auf mich wartet. „Ja eine Sekunde noch.“ Ich schalte das Licht über meinem Schreibtisch noch aus und steige zu Ayumi in den Aufzug. „Na, wie sehen deine Pläne für heute aus?“ Ich beginne zu lächeln. „Taki holt mich gleich ab und dann fahren wir zu ihm.“ „Taki? Ist das dein Freund.“ Ich nicke. „Ja, er wollte mich abholen kommen.“ „Das heißt ich werde ihn auch mal kennenlernen?“ „Ja, wenn er schon da ist.“ Die Aufzugtüren öffnen sich und ich kann seinen vertrauten Haarschopf schon von weitem sehen. „Ist er das?“ Ich atme hörbar aus. „Hm.“, bestätige ich ihr. „Nett.“, in Ayumis Stimme höre ich eine Zweideutigkeit. Die Schiebetür geht auf und wir treten gemeinsam in die schwüle Hitze des Sommers. „Taki!“, rufe ich gut gelaunt. Augenblicklich dreht er sich zu mir um und lächelt. Ayumi folgt mir zum Glück nicht. „Also dann Mistuha, ein schönes Wochenende.“, ruft sie mir rüber. „Danke, dir auch Ayumi!“ Als sie aus meinem Blickfeld verschwindet, gilt meine ganze Aufmerksamkeit Taki. Er hat seine Krawatte bereits ausgezogen und sein Hemd leicht aufgeknöpft. „Können wir?“ Ich nicke eifrig. Er zieht sein Sakko aus und hängt es über seine Tasche während er nach meiner Hand hält.   Bei mir zu Hause angekommen, stelle ich meine schwere Arbeitstasche beiseite. „Warte kurz. Ich hab meine Tasche heute Morgen schon gepackt.“   . .   „Eeeh ja, was das angeht, Mitsuha-.“ Ihr Kopf kuckt hinter dem Türrahmen hervor. „Takagi hat mich gefragt, ob wir nicht mit ihnen ausgehen wollen? In Shinjuku soll ein neuer Club aufgemacht haben.“ „Du willst ausgehen?“, fragt sie mich mit großen Augen. „Naja… ja-nein. Ich hab ihm gesagt dass du bei mir bist, aber er hat einfach nicht locker gelassen.“ Ich krempele die Ärmel meines Hemdes nach oben. Die Hitze bringt mich noch um. „Ich habe den Eindruck die Beiden wollen dich unbedingt kennenlernen.“ Mitsuha zuckt unbeeindruckt mit den Schultern. „Von mir aus. Aber gib mir noch fünf Minuten. Ich muss schließlich noch was Passendes zum anziehen einpacken.“ „Kein Problem. Dann sage ich Takagi zu, okay?“ „Ja. “ Tuuuut… tuuuut…tuuuut… „Hey Taki! Na, hast du alles klären können?“ „Ja, hi. Alles soweit klar. Wir kommen mit. Wie sieht denn der genaue Plan aus?“ „Tsukasa hat 22 Uhr vorgeschlagen. Können wir von dir aus fahren? Du wohnst am Nächsten.“ „Ja klar, ist kein Problem.“ „Okay, dann kommen wir gegen neun bei dir vorbei!“ Ich schnaube amüsiert. Takagi ist ein Idiot! Er ist der Einzige der es fertig bringt andere zum ausgehen zu überreden und sich gleichzeitig bei anderen einlädt.   . .   „Taki, das wäre wirklich nicht notwendig gewesen.“ Er übergeht meinen halbherzigen Protest und nimmt mir meine Tasche ab. Ich streiche mit meinen Fingerspitzen über das frisch bezogene neue Bett. „Ich hab dir hier ein bisschen was frei geräumt. Wenn du willst kannst du auch ein paar deiner Sachen hier lassen.“ „Danke.“, entgegne ich liebevoll. Ich lasse mich auf die weiche Matratze sinken und falle zurück in das Meer aus frisch aufgeschüttelten Kissen. Ich schließe die Augen und lasse meine Sinne von Takis süß-herben Geruchs vernebeln. Die Erschöpfung der vergangenen Tage holt mich aus und meine Gedanken versinken langsam in der Dunkelheit.   . .   „Mitsuha?“ Aber es bleibt leise. Ich werfe noch mal einen Blick zum Bett. Sie liegt noch genauso da, wie vor ein paar Minuten. Ich komme auf sie zu und stelle fest, sie ist eingeschlafen. Ich kann nicht vermeiden, dass ich lächele. Es ist das erste Mal dass ich sie schlafen sehe. Ich hänge meine Arbeitskleidung ordentlich über einen Bügel bevor ich Mitsuhas Beine vorsichtig aufs Bett lege und ihr die dünne Sommerdecke überziehe. „Deine Woche war ganz schön anstrengend, was?“, flüstere ich.   Das Lachen einer tiefen Stimme holt mich langsam wieder zurück. Bin ich etwa eingeschlafen? Ich blinzele hektisch bevor ich feststelle, dass es bereits Abend ist. „Ich bin eingeschlafen.“, stelle ich fest. Als ich an mir herabsehe, erkenne ich eine dünne Decke. „War das etwa-?“ Ich lächele. Er muss mich zugedeckt haben. Ein wenig desorientiert sehe ich mich um. Er hat alles weggeräumt. Durch die Tür, die einen Spalt offen steht, scheint das Licht der Küche durch. „Und wo ist sie nun?“, höre ich eine vertraute Stimme. Ist das Takagi? „Psst! Sie schläft noch. Sie hatte ne harte Woche.“ Wie lächele ich. „Setzt euch in die Küche. Ich zieh mir noch schnell was anderes an.“, höre ich Taki sagen. Dann öffnet sich die Tür zum Schlafzimmer und Taki steht in der Tür. „Ausgeschlafen?“ Ich nicke. „Ja, danke dass du mich hast schlafen lassen.“ Er schenkt mir ein Lächeln und geht zu seinem Kleiderschrank. „Na komm, mach dich fertig. Die anderen Beiden sind schon da.“ „Hm, ok.“, bestätige ich nickend. Ich krame in meiner Tasche, halte aber inne als ein weißes Shirt neben mir zu Boden fällt. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Taki sein T-Shirt ausgezogen hat. Ich schlucke. Obwohl ich seinen Körper eigentlich kenne, stockt mir der Atem. Er war noch nie athletisch, aber trotzdem mag ich die fein definierten Muskeln an seinem Oberkörper. Als er zu mir runterschaut, erröte ich und wende schnell den Blick von ihm ab. Er erspart mir die Peinlichkeit meiner schlechten Beobachtungskünste und sagt nichts dazu. Ich ziehe meine Sachen aus der Tasche. „Kommst du gleich?“, fragt er mich, während er in der Tür steht. „Ja.“ Ich blicke zu ihm und muss grinsen. Sein grünes Shirt in Kombination mit dem schwarzen Hemd steht ihm wirklich gut. „Warte. Da fehlt noch was.“ Ich löse mein Kumihimo aus meinen Haaren und wickele es um sein rechtes Handgelenk. „So, fertig.“, sage ich und grinse ihn an.   . .   Immer noch amüsiert über die Reaktion von Tsukasa und Takagi, lege ich einen Arm um Mitsuha und ziehe sie zu mir heran. „Die haben wohl nicht geglaubt dass es mich gibt, oder?“, lacht Mitsuha. Ich schüttele lachend den Kopf. Durch die Glastür des Clubs dringt bereits der vibrierende Bass. Ohne uns groß Aufmerksamkeit zu schenken, lassen uns die Security vorbei und wir stürzen uns ins Nachtleben von Tokio. „Also Leute, ich gehe zu Bar. Was wollt ihr trinken?“, frage ich in die Runde. „Zwei Bier.“, ruft mir Tsukasa entgegen. Mein Blick fällt auf Mitsuha. Die hängt sich bei mir ein und begleitet mich an die Bar. Ich bestelle drei Bier und für Mistuha einen Gin Tonic. „Ah danke Taki. Die nächste Runde geht auf mich.“, sichert Tsukasa mir zu. Wir stoßen an und bereits nach einem halben Glas versucht mich Mitsuha auf die Tanzfläche zu ziehen, aber ich lehne ab. Dafür bin ich einfach nicht betrunken genug. Ungeachtet dessen stürzt sich Mitsuha auf die Tanzfläche. Schmunzelnd betrachte ich die Frau meines Herzens die sich rhythmisch zum Bass der Musik bewegt, aber Takagi unterbricht mich. „Alter, Taki! Was für eine Frau. Ich hätte nicht gedacht dass sie echt ist.“, brüllt er mir direkt ins Ohr. „Was soll das denn heißen?“ „Nichts. Einfach dass sie ziemlich heiß is.“ „Ja, keine schlechte Wahl Taki.“, bestätigt Tsukasa. Das weiß ich selbst… „Naja, und vielleicht endet deine Durststrecke dann auch endlich mal.“ Meine Augen weiten sich, als Takagi mir diese Worte ins Ohr flüstert. „Sag mal spinnst du? Ich hab keine Durststrecke.“ Geht das schon wieder los. „Ach stell dich nicht so dran. Du hattest vor Mitsuha noch nie ne Freundin…“ „Das Thema solltet ihr im nüchternen Zustand ausdiskutieren.“ Erleichtert über Tsukasas Unterbrechung nehme ich dankbar den Tequila an den er uns bringt. „Los, runter damit!“, fordert er auf. Nichts lieber als das!   . .   Eine dünne Schicht aus Schweiß bedeckt meinen Körper. Zwischen all den Menschen wurde es doch ganz schön heiß. Vorsichtig dränge ich mich zwischen den Leuten vorbei zu meinem Ziel. Schon von weitem erkenne ich, dass sie wohl nicht mehr nur bei ihrem ersten Drink sind. Takagi hat seinen Arm bereits um Tsukasa gelegt und singt laut bei dem aktuellen Song mit. Eigentlich wäre mir die Situation peinlich, aber ich kenne die Beiden. Es wäre langweilig wenn sie nur stumm dasäßen. Als die Beiden mich sehen stürmen sie direkt auf mich zu. Oh weh! Was haben die denn vor? Die Beiden legen einen Arm um mich und grinsen mir frech entgegen. „Was habt ihr zwei denn vor?... Außerdem, wo ist Taki?“ „Der is gerade pinkeln.“, kommt es von Tsukasa. „Sag mal Mitsuha, wusstest du dass du Takis erste bist?“ Ich werde augenblicklich stumm. Au weia! Die haben ganz schön einen in der Krone. Ich versuche das Gespräch mit einem Lachen zu überspielen. „Ja wirklich. Also sei vorsichtig mit dem Kleinen.“, rät mir Takagi. Als ich Taki auf uns zukommen sehe kann ich erkennen, dass er den Braten schon zu riechen scheint. Augenblicklich zieht er mich von den Beiden Kindsköpfen weg. Ihm ist die Situation peinlich. Ich küsse ihn um ihn abzulenken. „Willst du jetzt mit mir tanzen?“, frage ich. Er nickt ohne ein weiteres Wort zu sagen und ich ziehe ihn mit auf die Tanzfläche. Ich lehne mich zu ihm rüber. „Mir ist vollkommen egal was die Beiden sagen, das solltest du wissen.“   . .   Gott…Mitsuha… Sie ist wirklich ein Geschenk des Himmels. Vernebelt vom Alkohol lasse ich mich von ihren Bewegungen anstecken. Ich weiß nicht wie lange wir so tanzen, aber als wir zurückkommen sind die Beiden anderen schon ziemlich am Ende. Obwohl Tsukasa es in diesem Zustand irgendwie geschafft hat, eine der Barfrauen klar zu machen. Naja, er war eben immer schon der smarte Typ. Das berauschende Gefühl des Alkohols flaut auf dem nach Hause Weg ab. „Meinst du die Drei schaffen das.“ „Oh bei Tsukasa und seiner Begleitung bin ich mir da sicher.“, ich lache. Zu Hause angekommen, versuche ich mein Hemd aufzuknöpfen, aber so nüchtern wie ich mich fühle, scheine ich wohl doch nicht zu sein. „Komm ich helfe dir.“ Vor meine Brust schiebt sich Mitsuhas Haarschopf. Flink öffnet sie einen Knopf nach dem anderen. „Im Übrigen… außer dir gab es bisher auch niemanden in meinem Leben.“ Mitsuha sieht mich zwar nicht an, aber ich weiß dass sie rot wird. „Ich habe eben immer nach dir gesucht.“, erklärt sie. Ich hebe ihr Kinn an damit sie mich ansieht. Ich hatte Recht! „Jetzt hast du mich ja gefunden.“, sage ich lächelnd und küsse sie. Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Kapitel 7   Mein Kopf fühlt sich schwer an, wie in Watte gepackt. Noch einmal drehe ich mich um und versuche das Aufwachen in die Länge zu ziehen. Feine Haarsträhnen kitzeln meine Nase. Ein Schauer läuft mir über den Rücken und ich bin augenblicklich wach. Ich hebe meine schweren Augenlider, schließe sie jedoch im gleichen Moment. Die grelle Morgensonne ist definitiv zu viel für mich. Ich blinzele gegen das Sonnenlicht. Als sich meine empfindlichen Augen langsam daran gewöhnt haben, erkenne ich was vor mir liegt. Lange schwarze Haare, die wirr in alle Richtungen fließen. Darunter verbirgt sich das friedlich schlafende Gesicht von Mitsuha. Ja richtig, Mitsuha hat hier übernachtet. Erst jetzt fallen mir die Bilder und Gesprächsfetzen von vergangener Nacht wieder ein. Ich nehme mir vor den beiden Kindsköpfen beim nächsten Mal eine Kopfnuss zu verpassen. Ich wollte mit Mitsuha in Ruhe über das Thema Sex reden, aber die beiden Idioten sind mir nicht nur zuvor gekommen, nein, sie haben mich als totales Mauerblümchen hingestellt. Ich verbanne den Gedanken in den hintersten Ecken meines Bewusstseins um mich voll und ganz der Frau in meinen Armen zu widmen. Es ist noch immer ungewohnt. Ich meine, klar, ich war Mitsuha, aber in ihrem Körper zu sein und ihren Körper nah an meinem zu spüren, sind doch zwei unterschiedliche Welten. Obwohl es mit Sicherheit interessant wäre, jetzt die Körper zu tauschen. Ich grinse dümmlich in mich hinein. „Was ist denn so witzig?“, höre ich Mitsuhas helle Stimme sagen. Ich erschrecke mich ein wenig. „Ach guten Morgen.“, lenke ich ab und drücke ihr einen Kuss ins Haar. „Na, wie hast du geschlafen?“ Sie vergräbt ihr Gesicht in meinem Shirt. „Sehr gut.“, nuschelt sie und zieht mich näher zu sich.   . .   Als ich aus der Dusche komme, steigt mir schon der Geruch von gegartem Fisch in die Nase. Nach dem ganzen Alkohol des vergangenen Abends meldet sich nun der Magen. Ich wickele meine nassen Haare in das Handtuch, dass mir Taki rausgelegt hat. Ich beginne das Prozedere wie beinah jeden Tag. Eincremen, einziehen lassen, anziehen, meine Augenbrauen in Form bringen und ein wenig Mascara. Mein Spiegelbild sieht deutlich erholter aus als vor der Dusche. Erfrischt packe ich alle Sachen zurück in meinen Kulturbeutel und lege alles zurück in den Schrank. Meine Nase lenkt mich zur Küche. Ich bleibe im Türrahmen stehen und beobachte Taki wie er unser Frühstück zubereitet. Architektur scheint nicht seine einzige Passion zu sein. Ich erkenne das Glitzern in seinen Augen während er den Reis abschmeckt und den Fisch in aus dem Ofen nimmt. „Ah du bist fertig.“, er bemerkt mich und bietet mir direkt einen der beiden Stühle an dem kleinen Klappesstisch an. Ich sage nichts und lächele. Er wirkt einfach, als wäre er wieder siebzehn, wenn er sich für etwas begeistert. Das Frühstück schmeckt wirklich erstklassig. Auch wenn gebackener Fisch mit Reis und Miso-Suppe kein besonderes Frühstück ist, so schmeckt es unglaublich gut. „Ich wusste gar nicht, dass du so ein leidenschaftlicher Koch bist.“, merke ich an. Er lacht. „Naja, ich hab während meines Kellner Jobs damals einige Kniffe aufgeschnappt.“ „Ist das so?“, entgegne ich interessiert. Er nickt nur und kaut den Reis in seinem Mund zu Ende. „Vielleicht,… kannst du mir ja was zeigen-.“, fange ich an. „-fürs Abendessen…“, ich lächele scheu. Er sieht mich ausdruckslos an, bevor er meine Bitte mit einem Lächeln bestätigt.   . .   Nach dem Essen verschwindet auch Taki unter die Dusche. In alter Gewohnheit durchstöbere ich mein Smartphone und kucke, was ich von der Welt da draußen verpasst habe. Die unnötigen Video Posts auf Facebook sind irgendwie immer das gleiche. Auf Instagram kann ich die vielen Hochzeitstorten bewundern die Saya in ihrer Story teilt. Teshi hingegen filmt einen kleinen Shiba Inu der augenblicklich an das Schild der Konditorei pinkelt. Ich schnaube amüsiert. Die Beiden sind so gegensätzlich, und doch kenne ich kein Pärchen, das besser zusammenpassen könnte. Die Story wechselt und ich erkenne Yotsuhas Account oben links. #vatertochterzeit Ich atme scharf die Luft ein. Ich weiß, ich sollte nicht so denken, schließlich sind er und Yotsuha das einzige, was von meiner Familie noch übrig geblieben ist. Aber er hätte hunderte von Menschen zugrunde gerichtet nur weil ihm sein politischer Stolz im Weg war. Er hatte mich, auch wenn es Taki war, nicht ernst nehmen wollen. Selbst nachdem Oma gestorben war und wir Itomori verlassen mussten, war er nicht bereit sich um mich und Yotsuha zu kümmern. Yotsuha habe ich immer gut zugesprochen. Wenigstens einer von uns sollte sich noch ein wenig heile Welt bewahren. Und so wie ich das sehe, scheint sich Vater meine warnenden Worte von damals zu Herzen genommen zu haben. Alle zwei Wochen fährt Yotsuha zu ihm aufs Land und sie verbringen das Wochenende miteinander. Ich seufze und lasse mich wieder aufs Bett fallen. Durch das Fenster dringt der Geruch des Sommers an meine Nase.   . .   „So, was willst du heute Abend Essen?“, frage ich, während ich mir meine Klamotten für heute raussuche. „Hmmm… naja, wenn du damals einiges aufgeschnappt hast, könnten wir doch was italienisches kochen.“ Keine schlechte Idee. „Hört sich gut an. Ich muss dann aber nochmal in die Stadt. Ich hab nicht alles zu Hause.“ Mitsuha hebt eine Augenbraue und mustert mich interessiert. Keine Sekunde später steht sie schon mit der Handtasche in der Hand neben mir. Diese Frau…   Die Stadt platzt förmlich aus allen Nähten. Wie jeden Samstag in Tokio, nicht nur von Einheimischen, sondern auch von zahlreichen Touristen gefüllt. Menschen aus Amerika, Australien und Europa tummeln sich an den schönsten Flecken die Tokio augenscheinlich zu bieten hat. Als Teenager hat mich das Ganze immer gestört, mittlerweile kann ich ignorant darüber hinwegsehen. Ein fester Druck um meinen Oberarm holt mich aus meinen Beobachtungen. Mitsuha hat ihre Arme enger um mich geschlungen. Meine Mundwinkel heben sich. „Vermisst du manchmal das Leben auf dem Land?“, frage ich vorsichtig. Ihre orientierungslosen Augen halten sich an meinen fest, bevor sie erneut lächelt. „Ich wollte immer in Tokio leben. Klar, es leben wirklich sehr viele Menschen hier, es ist hektisch und auch laut, aber ich glaube es war nur meine Familie die mich noch dort gehalten hat.“ Ihre Augen wirken glasig. Nur am Rande ihres Augenwinkels erkenne ich wie sich Flüssigkeit darin zu sammeln scheint. Doch ehe daraus eine Träne wird, wendet sie den Blick von mir. Ich lasse es unkommentiert, nehme mir aber vor, das Thema bei nächster Gelegenheit wieder aufzugreifen. Als Mitsuha und ich in den italienischen Feinkostladen kommen ist sie ganz aus dem Häuschen. Sie deutet auf viele verschiedene Dinge. Öle, Antipasti, Gebäck, Nascherei. Auch wenn die anderen Besucher ihr Verhalten sehr kritisch beäugen, kann ich mich an ihrer kindlichen Naivität nicht satt sehen.   . .   Ich probiere mich einmal quer durch das Angebot. Wenn ich so weitermache ist später kein Platz mehr fürs Abendessen. Ich war schon immer ein Liebhaber der italienischen Küche, aber dieser Laden hier ist einfach nur Wahnsinn.   Zu Hause angekommen, helfe ich Taki die Taschen auszuräumen. Es ist gerade einmal vier Uhr…also viel zu früh um das Abendessen zuzubereiten. Kurzerhand greift Taki nach meinem Handgelenk und zieht mich mit sich. Letztlich landen wir auf dem Balkon, welcher unmittelbar an Takis Schlafzimmer angrenzt. Sofort steigt mir der Geruch von unzähligen Blumen in die Nase und ich spüre die angenehme Wärme der Mittagssonne. Im Park, unterhalb von uns, höre ich leise Kinder, die auf dem Spielplatz im Herzen der Grünen Oase spielen. Gerade als ich mich zur Seite drehe, bemerke ich, dass Taki gar nicht mehr neben mir steht. Meine Augen richten sich auf die große Sonneninsel aus Rattan die den größten Teil des kleinen Balkons einnimmt. Taki deutet mir mich zu ihm zu gesellen. Mit einem tiefen Atemzug fülle ich noch einmal meine Lunge mit Sauerstoff bevor ich mich auf das weiche Polster sinken lasse. Taki legt seine Arme um mich und zieht mich zu seiner Brust. Ich vergrabe meine Hände unter seinem T-Shirt. Ich kann spüren wie sich seine Muskeln unter meinen Fingerspitzen zusammenziehen. Ist ihm das unangenehm? „Alles in Ordnung?“, frage ich. Ich spüre wie er sein Kinn auf meinen Kopf stützt und mich näher zu sich zieht. „Alles gut. Ich war…nur nicht darauf vorbereitet.“ „Falls es dir unangenehm ist musst du es mir nur sagen.“, erkläre ich ihm. Er schüttelt den Kopf und schnaubt amüsiert. „Unangenehm? Eher reizvoll.“ „Reizvoll?!“ Dann schaut er mit seinen blauen Augen zu mir herab. „Mitsuha, ich liebe jede deiner Berührungen, aber ich weiß nicht wie lange mein Körper das noch durchhält.“   . .   Ihre Augen weiten sich, als sie versteht, was ich ihr damit sagen will. Dann lächelt sie. „Dann sollten wir ihn nicht allzu lange quälen, oder?“ Wieder muss ich feststellen, dass dieses Mädchen… nein, diese Frau einfach unglaublich ist. Andere Frauen in ihrem Alter hätten mich wahrscheinlich ausgelacht, aber Mitsuha weiß ganz genau wie es mir in den letzten Jahren ergangen ist. Sie weiß ganz genau warum ich mich hätte niemals auf eine andere Frau einlassen können. Ein nervöses Lachen entgleitet mir angesichts Mitsuhas Aussage. „Das ist nicht gerade hilfreich wenn du mich unter Druck setzt.“ „Was denn für ein Druck?“, Mitsuha sieht mich fragend an. „Du scherzt wohl? Weißt du was ich mir immer von den anderen anhören muss?!“ Dann beginnt Mitsuha laut zu lachen. „Gott, du glaubst doch wohl nicht alles was dir Takagi und Tsukasa erzählen.“ Natürlich nicht. Ich zucke unbeteiligt mit den Schultern. „Im Gegensatz zu mir haben sie bereits mit einer Frau geschlafen.“ „Ja und? Hör auf dir darüber so den Kopf zu zerbrechen. Wenn es passiert, ist das eben so. Und es wird mit Sicherheit schön.“ Ihre Hände vergraben sich in meinen Haaren und sie lehnt ihre Stirn gegen meine. „Außerdem brauchst du dir keinen Druck zu machen, ich habe nämlich keinerlei Erwartungen.“ Ich kann nicht anders, ich muss sie küssen. Diese Frau ist ein Geschenk des Himmels!   Nur noch vereinzelte Reste auf den Tellern deuten auf das Abendessen hin. Auch die Weinflasche bietet kaum noch mehr als ein Schluck. Wir beobachten die Sonne in ihren letzten Zügen. Ich halte Mistuhas Hand fest in meiner und streiche mit meinem Daumen über ihren Handrücken. „Ich liebe dich auch.“ Ihre Worte sind so leise, das es kaum mehr ein Flüstern ist. „Aber, ich hab doch-.“ Sie sieht zu mir hoch und schüttelt den Kopf. „Das war ich dir nach acht Jahren schuldig.“ Der Groschen fällt. Es soll wohl die Antwort auf meine Botschaft, die ich in ihrer Handfläche hinterlassen hatte, sein. Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Kapitel 8   Mein Fuß wippt auf und ab. Immer wieder fällt mein Blick auf die Anzeigetafel über mir. Der Zug hat nun schon zehn Minuten Verspätung. Um mich abzulenken fällt meine Sicht auf den orange-gelben Horizont der bereits den herannahenden Abend ankündigt. Ich presse meine Lippen zusammen bevor daraus ein sanftes Schmunzeln wird. … Zeit der Dämmerung… …Splitterstunde!... Geschäftige Menschen reißen mich aus meinem Gedanken während sie mich vom Bahnsteig drängen. „Hey!“, versuche ich die Leute zu ermahnen, aber sie schenken mir keine Beachtung. Eigentlich wenden sie kaum den Blick von ihren Smartphones. Ich stöhne genervt und versuche mich aus der Schusslinie zu bringen. Erst jetzt bemerke ich, dass der Zug auf den ich schon so lange gewartet habe bereits im Bahnhof ist. Meine Augen suchen nach den vertrauten Zöpfen. Aber noch ehe ich sie sehen kann, höre ich sie. „Mitsuhaaa!“, ja das ist eindeutig meine kleine Schwester. Wie eine Schlange bewegt sie sich zwischen den Menschen hindurch und steht wenige Sekunden breit lächelnd vor mir. „Yotsuha. Alles in Ordnung? Wieso hat das so lange gedauert?“, ich nehme ihr eine der Taschen ab. Yotsuha stöhn genervt. „Irgend so ein Vollpfosten hat den Nothalteknopf gedrückt und wir konnten erst weiterfahren, als sie sich sicher sein konnten, dass es keinen Grund für eine Notbremsung gab.“ Meine Lippen formen sich zu einer schmalen Linie. „Na dann bist du sicher hungrig, oder?“ Sofort erkenne ich das kleine Funkeln in ihren Augen. „Hast du was bestimmtes im Sinn?“, sie hebt vielsagend die Augenbrauen. Mit einem schelmischen Grinsen bestätige ich ihre Annahme bereits. „Kocht Taki etwa?“ Das Funkeln in ihren Augen wird zu einem Glitzern. Auch wenn ihr Taki am Anfang unheimlich war (sie meinte wir könnten Zwillinge sein)… so haben seine Kochkünste Yotsuha schnell vom Gegenteil überzeugt. Ich nicke Yotsuha bestätigend zu. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, philosophiert sie bereits darüber, was er wohl leckeres für uns kocht.   „Wann willst du Taki eigentlich Vater vorstellen?“ Die Cola bleibt mir im Hals stecken und ich klopfe mir auf die Brust. Taki und Yotsuha mustern mich verwirrt während ich um Sauerstoff ringe. „Hab ich was Falsches gesagt?“   . .   Yotsuha sieht mich verständnislos an. Mein Blick fällt erneut auf Mitsuha. Wenn es um ihren Vater geht weicht sie ständig aus. Sie hat ihm das mit damals nicht verziehen. Yotsuha zuckt unbeeindruckt mit den Schultern und widmet sich kommentarlos wieder ihrem Teller mit Fettucine. Genüsslich schlürft sie die Nudeln wie ein Staubsauger. „Ich hab Vater von euch beiden erzählt.“ Oh weh! Ich erkenne, wie sich Mitsuhas ganze Haltung immer mehr versteift. „Du hast was?“, Mitsuhas Stimme ist leise, beinah ein Flüstern. Sie ist verdammt wütend. Während ich mich bereits auf das Kommende einstelle, bleibt Yotsuha weiterhin unbeeindruckt von dem drohenden Unheil. „Er hat nach dir gefragt. Was hätte ich ihm den sagen sollen?“ Angespannt beobachte ich die Situation und fühle mich mit einem mal völlig fehl am Platz.   . .   Diese kleine Kröte! Unter zusammengebissenen Zähnen entweichen mir nur noch undeutliche Sätze. „Dasselbe wie immer eben.“ Wenn sie sich wenigstens schuldig fühlen würde, aber diese kleine Hexe schafft es selbst in der chaotischsten Situation die Ruhe zu behalten. „Vater hat mittlerweile auch kapiert, dass ich ihn  damit nur hinhalte.“ „Na und?“ Yotsuha stöhnt genervt. „Ich soll dir einfach nur ausrichten, dass er sich freuen würde dich wiederzusehen und Taki kennen zu lernen.“ Diese Aussage ist alles andere als zufriedenstellend. Ich sehe es Mitsuha an. Aber das Gespräch ist beendet. Mitsuha verliert während des Abendessens kein einziges Wort mehr darüber. Selbst als ich nach meiner Dusche in ihr Zimmer komme, ist sie still. War es denn wirklich so schlimm, dass Yotsuha es ihrem Vater erzählt hat? Ich setze mich zu ihr. Eine Weile sage ich nichts, aber Mitsuha vollkommen sprachlos zu erleben missfällt mir. „Willst du darüber reden?“, frage ich vorsichtig. Aber Mitsuha schüttelt verneinend den Kopf. Und jetzt? „Hör mal, ich weiß es geht mich nichts an, aber war es so schlimm was Yotsuha getan hat?“ Anstatt eines erwartet giftigen Blickes, schaut mich Mitsuha mit großen Augen an bevor sie niedergeschlagen ihren Kopf senkt. „Nein…“, ihre Stimme ist nur ein zartes Flüstern. „Dann erklär mir was los ist.“, fordere ich sie erneut auf. Ich nehme die Wolldecke von ihrem Schreibtischstuhl und lege sie ihr über Schultern. „Was willst du von mir hören? – Dass ich nicht wollte dass sie Vater von uns erzählt? – Ja natürlich wollte ich es nicht. Taki dieser Mann hat mir alles genommen. Er hat unsere Familie zerstört, mich und meine Schwester zurückgelassen. Selbst als Großmutter uns verlassen hat, hat er Yotsuha und mich im Stich gelassen. Das einzige was ihn je interessiert hatte, war, dass wir Vorzeigetöchter waren. Wir dienten ihm nur als Werbewerkzeug für seinen dämlichen Wahlkampf.“ So langsam beginne ich zu begreifen, dass die seelischen Wunden, die ihr Vater ihnen zugefügt hatte, wohl deutlich tiefer saßen als ich zu Beginn vermutet hatte. Und doch verstehe ich nicht, wo ich bei all dem reinpasse. „Ich verstehe, dass dein Vater dich sehr verletzt hat, aber warum macht es dich so wütend, dass er von uns weiß?“ „Weil er dich doch nicht akzeptieren wird.“ „Wie kommst du darauf?“ „Weil ich es ihm nie recht machen konnte. Noch als wir in Itomori gewohnt haben, hat er mich ständig vor anderen bloß gestellt nur um als verantwortungsbewusster Vater dazustehen. Selbst als der Komet auf Itomori gestürzt ist, hat er mich erst in letzter Sekunde ernst genommen. Seine Sturheit und sein falscher Stolz hätten hunderte Menschenleben gekostet…Wenn er selbst mit seiner eignen Tochter nicht zufrieden ist, wie soll er dann ihren Partner akzeptieren?“ Ohje… Ich bin ein wenig geplättet. Ich hätte nie erwartet, dass Mitsuha sich so sehr davon beeinflussen lässt. Aber manche Bande wird man wohl nie trennen können. „Und was wirst du jetzt machen?“ „Ich weiß es nicht. Irgendwann werde ich dich ihm wohl vorstellen müssen…“, sie seufzt. „Ich glaube für heute haben wir erst mal genug, oder?“ Mitsuha lehnt ihren Kopf gegen meine Schulter und nickt.   . .   In der darauf folgenden Zeit  spricht mich Taki nicht mehr auf meinen Vater an. Ich bin dankbar dafür. Ich fühle mich nicht bereit dazu mich mit meinem Vater auseinander zu setzen. Kurz lasse ich mich von dem Gedanken erneut verführen, doch das schrille Klingeln meines Firmentelefons holt mich aus meinen Grübeleien. Als ich auf den Display schaue muss ich grinsen. „Was gibt’s?“, frage ich direkt. Ich höre nur noch ein langes Seufzen am anderen Ende des Telefons. „Ist bei dir im Büro auch so viel los?“, fragt Taki gelangweilt. Ich kichere. „Es ist Sommer, Taki. Die meisten haben eben Urlaub oder gehen nur den halben Tag arbeiten.“ „Hmm… das sollten wir auch mal probieren, findest du nicht?“ Wieder lache ich. Er kann so süß sein. „Ein ander Mal vielleicht. Wie läuft die Wohnungssuche? Hast du noch was gefunden?“ „Ja, ich habe dir eben eine Auswahl an Links zusammengestellt. Hast du viel zu tun oder willst du drüber schauen?“ „Ich glaube mir geht’s ähnlich wie dir. Schick mal rüber.“ Wenige Sekunden später erscheint sein Name in meinem E-Mail Postfach. Den restlichen Nachmittag verbringe ich damit, mich durch die Links zu klicken die Taki mir zugeschickt hat. Ich muss zugeben, es war die richtige Entscheidung ihn unsere erste gemeinsame Wohnung aussuchen zu lassen. Nach Feierabend wartet bereits Saya auf mich. Ich hatte ihr versprochen, bei den letzten Vorbereitungen zu helfen. „Hat sich das Vater-Tochter Thema wieder eingerenkt?“, fragt Saya vorsichtig. Ich stöhne. „Eingerenkt? Ich habe es einfach unter den Tisch gekehrt… ich möchte einfach nur die Zeit mit Taki genießen. Vater würde alles kaputt machen. Allein bei der Vorstellung wie beide sich gegenüberstehen-.“ Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. „Kann ich gut verstehen. Dein Vater war ja schon immer sehr-.“ „-anspruchsvoll?“ Saya nickte bei der zutreffenden Beschreibung. „Aber andererseits scheint das zwischen dir und Taki echt was ernstes zu sein. Meinst du nicht es wäre einfacher für alle beteiligten wenn du es einfach über dich ergehen lassen würdest?“ „Saya, versteh doch. Ich möchte es einfach nicht. Taki ist so ein guter Mensch. Er hat Vaters Urteil einfach nicht verdient.“ „Aber du weißt doch gar nicht ob dein Vater so über ihn denken wird. Mitsuha das alles ist so Lange her. Vielleicht hat er sich wirklich geändert.“ Ich beiße die Zähne zusammen. Die gibt auch nie auf… „Sollten wir nicht eher über dich und deine Hochzeit reden, anstatt über meine ‚Probleme‘?“ Saya sperrt die Tür zu ihrer Wohnung auf und bittet mich rein. „Erst wenn du versprichst, dass du zumindest darüber nachdenkst.“ Sie sieht mich mit eindringlichem an. Genervt stöhne ich auf und werfe die Arme nach oben. „Na schön, aber erst nach eurer Hochzeit.“ Zufrieden verschränkt Saya die Arme vor der Brust und grinst triumphierend. „Damit kann ich leben. Schließlich hast du nur noch dieses Wochenende.“ Ich presse meinen Kiefer zusammen. Ich hasse es wenn sie gewinnt.   Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- Kapitel 9   Noch einmal betrachte ich mich im Spiegel. Eigentlich ist meine Frisur die selbe, doch die Dame im Friseursalon hat die offenen Haarströhnen mit dem Lockenstab bearbeitet. Schwarze Wellen fließen von meinem Kopf herab als wäre es flüssige Seide. Mit kleinen Haarnadeln hatte die Frau es sogar geschafft, meine oberen Haare zu seiner Blume zusammenzustecken. Staunend betrachte ich das Gesamtkunswerk. Den perfekt verblendeten Lidschatten, den Hauchdünnen Eyeliner oder die sanften Pfirsichtöne auf meinen Wangen. Alle Achtung! Meine Augen finden noch einmal die Uhr auf meinem Nachtschränkchen. Kurz vor zwölf. Ich habe also nur noch eine halbe Stunde Zeit bis Taki mich abholt, damit wir zu Saya können. Mit Grauen betrachte ich die prall gefüllten Wäschekörbe in dem kleinen Flur. Ob Schleifchen für die Autos, Utensilien für die späteren Hochzeitsspiele, Hochzeitszeitungen und den ganzen Kleinkram die die Braut den ganzen Tag über benötigt, alles findet sich in den zahlreichen Wäschekörben wieder.Warum nur hatte sich Saya für eine europäische Trauung entschieden? Das alles ist doch nur eine Schikane für jeden Trauzeugen. Ein Glück hat Taki das Auto  seines Vaters für heute bekommen, sonst hätten wir alles mit den öffentlichen Verkehrsmitteln transportieren müssen. Mit einem tiefen Seufzter sinke ich zurück aufs Bett. Ich greife nach meinem Glas Wasser und genehmige mir einen großzügigen Schluck. Abwesend schwenke ich das Wasser im Glas hin und her während ich ich das rosane Ballkleid auf dem Kleiderbügel betrachte. Es ist wohl einer der heißesten Tage dieses Jahres und ausgerechnet heute ist Sayas Hochzeit. Wenn ich jetzt schon ins Schwitzen komme, wie wird es dann wohl Saya mit ihrem alles andere als dezentem Kleid ergehen. Amüsiert über den Gedanken schmunzle ich.   . .   Wieder schaue ich auf die Uhr. 12:18 Uhr. Ich habe also noch knapp 10 Minuten. Wenn diese vedammte Ampel mehr wie drei Autos durchlassen würde, wäre ich schon längst da. Ich schalte den Motor aus und krame mein Telefon aus der Hosentasche. Ein verzweifelter Emoji ziert nun mein Foto dass ich Mitsuha gerade vom Stau zusende.   Mitsuha ♥        12:19   Das sieht aber sehr erfolgsversprechend aus ;-) Keine Panik, wir haben Zeit genug ♥   Ich muss lächeln. Ich lege mein Handy beiseite und motiviere die Ampel endlich grün zu werden. Als hätte ich telepathische Fähigkeiten, springt die Ampel auf Grün. Erleichtert atme ich auf, als ich Mitsuhas Viertel erreiche. Schon jetzt nehme ich mir vor, nie wieder das Auto in Tokio zu benutzen. Glücklicherweise bekomme ich schnell einen Parkplatz vor Mistuhas Haus. Noch einmal wage ich einen Blick auf die Uhr. 12:38 Uhr. Zwei zu spät aber es hätte definitiv schlimmer ausgehen können. Hastig steure ich ihre Wohnung an. Kaum steckt ihr Wohnungsschlüssel im Schloss, reißt sie mir schon die Tür auf. Erschrocken stehe ich wie eine Salzsäule da und während ich mir Mitsuha näher betrachte, stockt mir der Atem. Sie sieht wunderschön aus. Ihre langen Haare fallen an ihr hinab wie ein Wasserfall. Oh Man ich steh auf lange Haare. Selbst das Kleid, obwohl sie es zunächst überhaupt nicht mochte, aber Saya hat darauf bestanden, sieht toll an ihr aus. „Hallo Liebling.“, begegnet sie mir mit butterweicher Stimme. Noch immer halten meine Finge den Schlüssel in der Hand, mit der Absicht die Tür aufzusperren. Erst als Mitsuhas Blick sich auf seltsame Weise verändert bemerke ich, dass ich sie immer noch stumm anstarre. Sofort bringe ich mich wieder in Form  bevor ich ihr die Aufmerksamkeit schenke die ihr zusteht. „Hallo.“, entgegne ich ihr, bevor ich meine Arme um sie lege und sie küsse. Mitsuha schenkt mir ein scheues Lächeln während sie nochmal das Revers meines Sackos zurechtrückt. „Können wir los?“, frage ich. Mitsuha nickt mir zu und wir fangen an, alles in das Auto meines Vaters zu räumen.   . .   Vor Sayas und Teshis Wohnung kann ich schon die feierlichen Blumengirlanden erkennen. „Und die Zwei haben das jetzt wirklich traditionell westlich gemacht?“, unterbricht Taki meine Grübeleien. Ich nicke. „Ja, soweit ich weiß hat Saya Teshi sogar auf die Couch seines Kumpels verbannt. Denn die Braut vor der Hochzeit zu sehen würde ja Unglück bringen.“  „Verrückt.“, gibt Taki schmunzelnd zurück. Atemlos klopfen wir an Sayas Tür. Einen kleinen Augenblick später steht auch schon Sayas Mutter an der Tür. „Ach hallo Mitsuha.“ „Guten Tag Frau Natori.“, gebe ich scheu lächelnd zurück. Überraschender Weise nimmt mich Sayas Mutter in ihre Arme und drückt mich fest an sich. Zaghaft erwidere ich ihre Umarmung. Was ist denn jetzt los? „Liebes, verzeih. Es ist nur, ich habe dich schon so lange nicht mehr gesehen und du siehst so wunderschön aus.“ Sayas Mutter scheint aufgeregt. Kein Wunder. Ihre jüngste Tochter verlässt sozusagen das Nest. „Schon gut. Es freut mich dass es Ihnen gefällt. Saya hat es ausgesucht.“ Und als hätte man vom Teufel gesprochen, höre ich Sayas Stimme vom anderen Ende des Flurs. „Mitsuhaaaaa!“ Au weia! Ich kenne den Tonfall. Irgendetwas passt Saya ganz und gar nicht. Taki schenke ich ein entschuldigendes Lächeln, bevor ich ihn mit Frau Natori alleine lasse. Als ich das Wohnzimmer betrete muss ich mir heftig auf die Zunge beißen um nicht gleich loszulachen. Da sitzt Saya nun, versteckt in einem Berg aus Tüll und Spitze. „Was hast du denn gemacht?“, frage ich leise, um mein Lachen zu unterdücken. Der wütende Wattebausch hüpft zu meiner Belustigung auf dem Sofa auf und ab. Okay, Saya dreht definitiv gerade durch. „Mitsuha, Gott sei Dank du bist endlich da. Ich wollte eben meine Schuhe anziehen, aber du siehst es ja selbst. Ich komme nicht dran. Und zu allem Überfluss ist mein Schleier jetzt noch verrutscht. Bitte sag mir dass du das wieder hinkriegst.“ Saya sieht mich mit großen Augen an, fast als würde ein kleines Kind seine Mutter anbetteln. Ich gönne mir einen tiefen Atemzug um mein Zwerchfell zu beruhigen und lächle Saya sanftmütig entgegen.   . .   Als ich endlich einen Parkplatz für gefunden habe, lasse ich mich mit einem tiefen Seufzer in den Sitz sinken. Noch einmal klappe ich die Sonnenblende runter um zu schauen, ob meine Haare noch genau so aussehen wie vor einer Stunde. Ein paar Strähnen nach rechts, ein paar andere nach vorne und fertig. Ich schnappe mein Sacko von der Rückbank und mache mich auf den Weg zur Kapelle. Von weitem erkenne ich schon Mitsuha. Sie steht immer noch da, wo ich sie eben rausgelassen habe. Auch Teshi kann ich erkennen. Wow, der hat sich ja ganz schön rausgepuzt. Als ich ankomme reicht mir Teshi seine Hand und begrüßt mich. Unglaublich, dass selbst er mal aus der Ruhe zu bringen ist. „Okay Jungs, ich würde mal sagen wir gehen rein. Sonst macht Saya mir noch vor dem Ja-Wort die Hölle heiß.“ Wir lachen. In dem Moment als das Brautauto vorfährt stehle ich mir einen letzten Kuss von Mitsuha bevor ich mit Teshi reingehe.   . .   Die letzte Minute vergeht in quälender Langsamkeit. Auch ich lasse mich nun von Sayas Aufregung anstecken. Dann ertönen die zarten Töne des Klaviers und zwangsläufig bin ich dir erste die den Raum betritt. Obwohl ich ganz genau weiß, dass die Blicke der Menschen nicht auf mich gerichtet sind, fühle ich mich fast selbst als Braut, denn Taki mustert mich mit einem derart verträumten Blick, dass mir kaum etwas anderes übrig bleibt. Mein Herz schlägt mit jedem weiteren Schritt höher und als ich ihn endlich erreiche, legt er schützend seinen Arm um meine Taille. Die Sängerin stimmt die ersten Zeilen des Liedes an und Saya betritt den Raum. Augenblicklich bin ich wieder im Hier und Jetzt. Mein Blick wandert zu Teshi. Meine Mundwinkel heben sich, als ich das zarte Glitzern um seine Augenpartie wahrnehme. Unglaublich, ich habe ihn noch nie so erlebt. Doch wenn ich Saya so ansehe, habe ich auch Mühe die Tränen zu unterdrücken. Schon als Teenager wusste ich dass die Beiden zusammengehören. Und jetzt werden sie sich tatsächlich das Ja-Wort geben. Andächtig beobachte ich die meine besten Freunde bei ihrem wohl wichtigsten Tag im Leben. Ich muss weinen, lachen und klatschen. Die Trauung ist selbst für mich ein Achterbahnfahrt, denn der Pfarrer kommt nicht daran vorbei unsere Geschichte zu erzählen. Für einen kurzen Moment sehe ich zu Taki. Seine Erinnerungen gehen wohl auch zu eben diesem Tag zurück. Schließlich war es der Tag, an dem er mir das Leben rettete. Der Tag an dem er mir gestand, dass, obwohl wir uns eigentlich nie persönlich kennenlernten, er mich liebt. Ich drücke seine Hand ein wenig fester und errege seine Aufmerksamkeit.   . .   Ein Blick reicht vollkommen um zu wissen, dass Mitsuha genau das Gleiche denkt. Der Gedanke, dass wir gemeinsam hier sind und die Hochzeit von Teshi und Saya feiern, die Mitsuhas Schicksal teilten, erfüllt mich mit unfassbarem Glück. Ich bemerke kaum, dass die Trauung sich dem Ende neigt. Erst als lauter Beifall ausbricht, kann ich mich aus der Trance befreien und richte meinen Fokus auf die Schöne Frau in meinen Armen. Zu den sanften Tönen des Klaviers verlassen wir schließlich die Kapelle um das firsch gebackene Brautpaar zu beglückwünschen. Vom Baumstamm durchsägen bis hin zum Herz dass beide mit einer stumpfen Nagelschere aus einem weißen Laken schneiden müssen ist alles dabei. Und zu guter letzt zerrt Saya Mitsuha aus meinen Armen zu den anderen Jungesellinnen damit Saya endlich ihren Brautstrauß loswird. Ich schnaube amüsiert. Ich sehe Mistuha ihre Unlust deutlich an und kann erkennen, dass sie sich nach hinten schleicht, als Saya ihr den Rücken kehrt.   „Unglaublich, dass du den Blumenstrauß gefangen hast.“, sagt Sayas ältere Schwester. Mitsuha betrachtete das gute Stück mit Argwohn. „Ja, ich hatte wohl wahnsinniges Glück.“, entgegnet Mitsuha sarkastisch. Sie hat Sayas Wurfkünste eindeutig überschätzt. Noch jetzt muss ich bei dem Gedanken Lachen. Aber schon damals war Saya im Sportunterricht eine totale Niete. „Naja einen Mann hast du ja schon mal an deiner Seite.“ Sayas Schwester deutete zu mir, doch ich lasse mir nichts anmerken und studiere gespielt die Getränkekarte.   Im Laufe des Abends beginne ich zu verstehen, warum Mitsuha den schön drapierten Haufen Grünzeug so verflucht. Sayas Schwester  ist nicht die Einzige. Fast im Minutentakt werden wir darauf angesprochen. Unvermeidlich, wohl die zweideutigen Anspielungen, dass ich Mitsuha doch einen Antrag machen solle. Unauffällig bringt Mitsuha das gute Stück schließlich zu einem der Kellner um ihn ins Wasser stellen zu lassen. Beim Zurückkommen bemerke ich ihre Erleichterung. „Das ist kein Segen, sondern ein Fluch.“, sagt sie angetrengt und lässt sich in den Stuhl fallen. Ich biete ihr meine Schulter und ziehe sie zu mir. Mein Daumen streicht über ihre Schulter. „Du wirkst müde.“, stelle ich fest. „Hmm. Es war auch ein langer Tag.“ „Willst du aufs Zimmer?“ „Guter Gott nein. Weißt du was Saya mit mir anstellen würde?“ Ich muss auflachen, denn ich kann es mir nur all zu gut vorstellen.   Nach dem Essen beginnt endlich der lebhaftere Teil der Feier. Nachdem Mitsuha mich systematisch abgefüllt hat, bin ich von der Tanzfläche nicht mehr wegzudenken. Ob es gut aussieht? Keine Ahnung. Wohl eher nicht. Aber das ist mir egal. Denn ich habe nur Augen für Mitsuha, die mit kindlicher Freude im Gesicht um mich rumtänzelt. Ihre Müdigkeit ist vollkommen verflogen. Erst als schon die ersten Schweißtropfen unsere Stirn benetzen, legen wir eine Pause ein. „Sag mal, wie machen die das?“, frage ich Mitsuha amüsiert.   . .   Ich sehe ebenfalls zur Tanzfläche, wo Saya und Teshi bereits seit Stunden pausenlos am tanzen sind. Ich lache. „Ich habe keine Ahnung.“ Ich öffne die feinen Riemchen meiner Sandalen und erlöse mich von den schmerzenden Fußsohlen. „Aber es war ein wundervoller Tag.“, bemerke ich. Taki stimmt wortlos zu. Noch eine Weile sitzten wir nur da und schauen dem Ehepaar beim Feiern zu. Langsam überkommt mich die Müdigkeit. Selbst der bestellte Espresso kann meine Zellen nicht mehr beleben. „Willst du gehen?“, fragt Taki und holt mich bereits aus meinem Halbschlaf. Ich nicke halbherzig. „Dann komm.“ Er hält mir seine ausgestreckte Hand entgegen, die ich dankbar ergreife. Saya verabschiedet sich noch einmal mit einer überschwänglichen Umarmung und zahlreichen Küssen auf meine Wange von mir. Auch Teshi schließt mich noch einmal herzlich in seine Arme. „Danke für den tollen Tag, Mitsuha.“ „Gern geschehen.“, flüstere ich ihm ins Ohr. „Taki ist wirklich ein feiner Kerl. Kein anderer hätte dich mehr verdient.“ Ich lasse von Teshi ab und sehe ihm nochmal ins Gesicht. Sein Ausdruck wirkt ernst. Ich ziehe ihn noch einmal zu mir. „Danke.“ Mit diesen Worten verabschieden wir uns schließlich.   Im Hotelzimmer angekommen, schäle ich mich halbherzig aus dem Kleid und lasse mich einfach nur noch in das kuschelige große Bett fallen. Kapitel 10: Kapitel 10 ---------------------- Kapitel 10   Ich bin einfach nur aufgeregt. Schon fast zittrig stecke ich den Schlüssel in das Schloss und drehe ihn um. Ein klacken ertönt und die Tür offenbart das Verbogene. Ein steril weißer Gang erstreckt sich vor mir. Kein einziges Möbelstück zu finden. Das ist sie, unsere erste gemeinsame Wohnung.  Schon bei der Besichtigung, unmittelbar nach Sayas und Teshis Hochzeit, waren wir so begeistert, dass wir direkt zugesagt hatten. Es war einfach das Gefühl nach Hause zu kommen. Selbst jetzt, wo ich im völlig leeren Flur stehe, keimt das Gefühl von Zuhause auf. Die hohen Decken, die Bodentiefenfenster, eine neue Einbauküche. Es ist einfach der Jackpot im Immobilienlotto und das zu einem erschwinglichen Preis. „Eh Mitsuha?“, Taki meldet sich hinter mir und reißt mich aus meinen Gedanken. Vor lauter neuen Eindrücken habe ich ihn beinahe vergessen. Abrupt drehe ich mich zu ihm um und betrachte den Turm auf Farbeimern den er bis hierher balanciert hat. „Oh entschuldige.“, werfe ich ein. „Warte, ich helfe dir.“, ich nehme ihm die Pinsel und einen Farbeimer ab. „Am Besten stellen wir die Sachen ins Wohnzimmer.“, weise ich an. Taki stimmt mir wortlos zu und stellt die schweren Farbeimer ins Wohnzimmer. Er stöhnt erleichtert, als das Gewicht nicht mehr seine Schultern belastet. „Wann wollten Saya und Teshi kommen?“ „Saya meinte irgendwas von fünf Uhr.“ „Okay, dann hole ich noch den Rest aus dem Auto, damit wir anfangen können.“ Ich nicke Taki zu und er verschwindet direkt hinter der Tür. Mit einem erwartungsvollen Lächeln öffne ich schließlich die Farbeimer. Eine zauberhafte pastellige Mischung verschiedenster erd-und Rosatöne erstreckt sich vor mir. Ich atme noch einmal tief ein bevor ich mich voller Tatendrang in die Arbeit stürze.   . .   Mein Blick fällt auf die beiden Frauen, die sich einen unerbittlichen Wettkampf im Streichen zu liefern scheinen. Ich reiche Teshi die kalte Limo Dose, die ich aus der Kühlbox rausgenommen habe. „Danke.“ Ein Zischen ertönt, als die Kohlensäure entweicht. Sehnsüchtig stürze ich die kühle Flüssigkeit meine Kehle runter. Unglaublich das es selbst im Herbst noch so warm ist. „Hey ihr Zwei! Ausruhen könnt ihr euch später. Kommt helft uns mal.“, fordert Mitsuha. Ich grinse ihr frech entgegen und nehme mir demonstrativ noch einen genüsslichen Schluck aus der Dose.   „Mitsuha, musste das sein?“, frage ich genervt, während ich versuche die vertrocknete Farbe aus meinen Haaren zu lösen. Sie schenkt mir ein freches Lächeln. Das war wohl die Retourkutsche. Immerhin hat sie auch was abbekommen. Ihr Gesicht ist gesprenkelt mit sämtlichen Farben die in unserer Wohnung zu finden sind, genau wie ihr T-Shirt. Es sieht fast wie ein Kunstwerk aus. „Ach stell dich nicht so an. Eine heiße Dusche und du siehst so toll aus wie immer.“ Sie schenkt mir ein zuckersüßes, entschuldigendes Lächeln. Diese Frau… Ich kann einfach nicht anders. Kopfschüttelnd lege ich meinen Arm um sie und ziehe sie nah an meine Brust um ihr schließlich einen Kuss ins Haar zu drücken. „Vielleicht kommst du ja mit unter die Dusche.“, bei dem Gedanken kann ich nicht ein anzügliches Grinsen nicht vermeiden. Ich bemerke wie Mitsuha nach Luft schnappt. Doch ich sehe auch, dass sie alles andere als abgeneigt ist. „Du weißt, dass Yotsuha noch vorbeikommen wollte um ihre restlichen Sachen abzuholen.“ Ich leere mein Wasserglas, stehe auf und lächele sie an. Mein Lächeln erstirbt keine Sekunde. Ich halte ihr meine Hand hin und zwinkere ihr zu. „Dann sollten wir uns wohl beeilen.“ Mitsuha bedenkt meine Aussage nur mit einem Kopfschütteln, doch sie ergreift meine Hand.   Mühevoll versucht Mitsuha das Chaos aus meinen Haaren zu entfernen. Doch weit kommt sie nicht. Ihr nackter Körper lenkt mich einfach zu sehr ab. „Taki.“, kichert sie. „Du lenkst mich ab.“ Ich halte inne während meine Lippen fast die warme Haut ihrer Ohren berühren. „Und das ausgerechnet von dir.“, raune ich. Ich greife nach ihren Handgelenken um ihre Hände aus meinen Haaren zu befreien. Ich parke ihre Hände auf meinen Schultern und ziehe sie näher zu mir heran um sie endlich zu küssen. Immer noch verschlägt es mir den Atem. Seit wir das erste Mal miteinander geschlafen hatten, kann ich mir kaum etwas Schöneres mit ihr vorstellen. Es vergeht kaum ein Tag an dem wir nicht in den Genuss unserer Körper kommen. Es klingt vielleicht naiv, aber wir beide hatten einfach gewartet, Jahre. Während andere in unserem Alter bereits die Kinderplanung überdenken, machen wir diese Erfahrungen zum ersten Mal. Im Nachhinein bin ich froh dass wir beiden gewartet hatten. Für uns beide war es das erste Mal. Ich kann im Nachgang nicht behaupten dass es gut war, aber es war echt und wir konnten einfach wir selbst sein. Keine Scheu vor dem anderen, denn wir kennen den Körper des jeweils anderen fast so gut wie unsere eigenen. Und auch dieses Mal lassen wir uns dazu hinreißen. Nur knapp schaffen wir es. Eben im selben Moment als ich das Wasser abdrehe, ertönt die Türklingel. Hastig wickelt sich Mitsuha ihre Haare in ein Handtuch und schmeißt sich einen Bademantel über. Ich kann ein dümmliches Grinsen meinerseits einfach nicht vermeiden. Zu benommen bin ich von dem kleinen Intermezzo unter der Dusche.   . .   Wie immer mustert mich Yotsuha misstrauisch. Sie kann sich wahrscheinlich schon alles denken, schließlich ist sie nicht auf den Kopf gefallen. Diese kleine Kröte…   Ich ziehe mich an und helfe Yotsuha schließlich die kleinen Dekoartikel von den Regalen zu räumen, in Zeitungspapier einzuwickeln und liebevoll in einem Umzugskarton zu verstauen. „Brauchst du noch was, oder habt ihr alles in eurer WG?“, frage ich. Es ist ein ungewohntes Gefühl meine Schwester gehen zu lassen. Sie ist für mich eben immer noch die kleine, freche Yotsuha. Ein unbekümmertes Grundschulkind, das sagt was es denkt. Aber meine kleine Schwester ist volljährig, erwachsen und fertig mit der Schule. Ich bin unfassbar stolz, dass dieses kleine Biest, nicht nur ein tolles Abitur geschrieben hat, sondern auch im Herbst zur Uni geht. Ich bin mir sicher, dass sie das schaffen wird. Sie war schon immer eine starke Persönlichkeit. „Nein, alles ok. Miako hat noch ein paar Haushaltsgeräte von ihren Eltern bekommen. Und den Rest besorgen wir uns gebraucht im Internet.“ Das Klimpern von Metall erreicht meine Ohren während ich Yotsuha zusehe. Ich drehe mich um und sehe bereits Taki, der lässig im Türrahmen steht und uns beim Packen zusieht. Verträumt sehe ich zu ihm rüber und mustere ihn abwesend.   Das Chaos in unseren Wohnungen erreicht langsam seinen Höhepunkt. Überall türmen sich Umzugskisten gefüllt mit allem was mein Leben bisher geprägt hat. Nostalgisch betrachte ich die Fotos in meiner Hand, bevor sie in einer der Kisten verschwinden. Bilder aus Itomori, aus meiner Schulzeit. Diese Erinnerungen wirken fast wie ein längst vergangenes Leben. Nach dem Kometeneinschlag war einfach alles anders… Ein wenig wehmütig lege ich die Fotobücher und Bilderrahmen in den Karton. Ich atme tief ein. Eine warme Hand legt sich auf meine Schulter. Ein wenig erschrocken zucke ich zusammen und drehe mich um. Dunkelblaue Augen mustern besorgt meinen betrübten Gesichtsausdruck. „Alles in Ordnung?“ Meine Hand verkrampft sich ein wenig. Doch während ich Taki so betrachte, verschwindet das Gefühl der Wehmut allmählich und ich beginne zu lächeln. Mein Leben in Itomori hatte viele negative Seiten. Sei es der Tot meiner Mutter, die Ablehnung meines Vaters, der Kometenabsturz oder Omas Ableben. Aber das alles musste scheinbar passieren…denn sonst hätten wir uns wohl nie kennengelernt. „Alles in Ordnung, Liebling.“   Am Tag des Umzugs greifen alle mit an. Saya, Teshi, Tsukasa, Takagi,  ja selbst Takis Vater ist gekommen um uns zu helfen. Es war wirklich komisch mich bei ihm vorzustellen, denn eigentlich kannte ich ihn ja schon. In dem Moment wusste ich genau wie es Taki mit Yotsuha erging. Aber Takis Vater hat mich direkt herzlich empfangen. Er schließt mich jedes Mal in die Arme wenn wir uns sehen. Wahrscheinlich ist er einfach froh, dass sein Sohn endlich jemanden gefunden hat. Taki hatte mir zwischenzeitlich offenbart, dass, nach dem kläglichen Scheitern mit Miki Okudera, alle dachten er sei schwul, weil er über fünf Jahre kein Interesse an Frauen gezeigt hatte. Noch heute muss ich über den Gedanken schmunzeln. Taki und schwul? Gezwungener Maßen erinnere ich mich bei diesem Gedanken immer an die Tatsache, dass er in der Zeit des Körpertauschs kaum die Finger von meinen Brüsten lassen konnte. Umso absurder erscheint mir der Gedanke von Takis vermutlicher Homosexualität.   . .   Schweiß perlt meine Stirn hinab. Das Handtuch, das mir Mitsuha reicht ist schon völlig von meinem Schweiß getränkt. Immerhin war es das letzte Möbelstück. Erleichtert lasse ich mich kurz auf das Sofa fallen um meinem Rücken für einen kurzen Moment die Last zu nehmen. Auch die anderen Helfer nehmen sich eine kurze Auszeit. Seit den frühen Morgenstunden sind wir pausenlos am Arbeiten, aber unsere Wohnung nimmt langsam Gestalt an.   Bis tief in den Abend rein bauen wir auf, räumen Kisten aus und waschen Möbel ab. Erst kurz vor Mitternacht lassen wir uns erschöpft auf das Sofa fallen und betrachten das geordnete Chaos unseres Umzugs. Wir haben fast alles geschafft. Zufrieden betrachte ich das Ergebnis. Ich muss lächeln als ich das Bild über dem Esstisch betrachte. Ich hätte nicht erwartet, dass wir ein Einzugsgeschenk bekommen, aber Saya hat wohl ihr großartiges Organisationstalent durchgesetzt. Es ist die Zeichnung, die ich vor fünf Jahren von Itomori gemacht hatte. Wer auch immer es ihr gegeben hatte, sie hat es bei einem Online Dienst auf Leinwand drucken lassen. Wenn Saya nur wüsste… Eine große, offene Wohnung gefüllt mit Erinnerungen. Und welche Erinnerungen könnten wohl wertvoller sein, als solche, die ich mit Mitsuha teile. Sie haben uns wohl auf ewig verbunden… Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- Kapitel 11     Noch fünfzehn Minuten. Mein Countdown auf dem Handy läuft bereits runter. Noch einmal sehe ich zu dem Umschlag in meiner Tasche. Ich bin so gespannt was Mitsuha dazu sagen wird.  Ungeduldig starre ich den Bildschirm vor mir nieder. Eigentlich sollte ich vor meinem Urlaub wenigstens noch meine Mails bearbeiten, aber ich habe einfach keine Lust mehr. Satoru, mein Arbeitskollege und Vertreter, wird das schon irgendwie hinkriegen. Er war schließlich derjenige, der mich bereits nach der Mittagspause nach Hause schicken wollte. „Und alles bereit?“ Erschrocken sehe ich auf und erkenne Satoru der sich gegen die Trennwand meines Schreibtisches lehnt. Mein Blick fliegt von dem Umschlag zurück zu ihm. „Hoffentlich. Bis Mitsuha nach Hause kommt habe ich noch eine knappe Stunde Zeit. Ich konnte ja schlecht gestern alles vor ihren Augen packen.“, lache ich. Satoru lächelt mir entgegen und zuckt mit den Schultern. „Ich hatte dir bereits angeboten früher frei zu machen.“ „Nein schon gut. Ich krieg das irgendwie hin.“ …hoffe ich zumindest. Mein Terminkalender meldet sich gemeinsam mit meinem Handy und signalisiert mir Feierabend… und gleichzeitig Urlaub! Auch wenn ich gerne in die Arbeit gehe, nach dem Umzug, brauche ich das wirklich. Ich glaube Mitsuha geht es ähnlich. Es hat Tage gedauert bis wir die ganzen Kartons ausgeräumt hatten. Noch immer stehen so viele Sachen rum, weil wir noch keinen Ort dafür benennen konnten.   . .   „Schönen Urlaub!“, ruft mir Ayumi entgegen. Ich lächele. Endlich etwas Freizeit. Nach dem ganzen Umzugsstress kann ich das wirklich gebrauchen. „Danke.“ rufe ich zurück und verabschiede mich winkend. Mit einem Ping öffnet sich der Aufzug und verfrachtet mich in den einladenden Urlaub. Die U-Bahnen sind brechend voll, doch das tangiert mich nicht. Ich stöpsele meine Kopfhörer ein und lasse mich von den beruhigenden Klavierklängen treiben und starre in die vorbeiziehende Landschaft. Mein Handy vibriert lautlos in meiner Hand. Takis Bild erscheint auf meinem Display. Ich schmunzele als sich sein verspieltes Lächeln sehe.   Taki♥        16:57   Und? Bereit für den Urlaub? Wenn du zu Hause bist, habe ich eine kleine Überraschung für dich.   Eine Überraschung? Nun bin ich neugierig. Über den ganzen Nach-Hause-Weg grübele ich über Takis Überraschung. Ich habe keine Ahnung was er vorhaben könnte, zumal Dates oder ähnliches noch nie Takis Stärke waren. Ich beschließe einfach mich überraschen zu lassen.  Es dämmert bereits, als ich endlich die Tür zu unserer Wohnung aufschließe. Mein Schlüssel fällt in die Schale auf der Kommode neben der Haustür. Das klirrende Geräusch lockt Taki aus der Schlafzimmertür. Fast abgehetzt hängt er im Türrahmen. „Hey.“, sagt er lachend, bevor er mich am Eingang abholt und mich küsst. „Hallo.“, hauche ich ihm entgegen. „Und? Wo ist meine Überraschung?“   . .   Klar dass sie das nicht vergessen hat. Ich lache, greife nach ihrer Hand und ziehe sie Richtung Schlafzimmer. Ich hatte gerade noch Zeit das Bett zu machen und die Koffer demonstrativ hinzustellen. Es hat also alles genau gepasst. Mitsuha sieht zum Bett und betrachtet die beiden Koffer. „Taki, was ist das?“, fragt sie mich neugierig. „Naja weißt du, die letzte Zeit hat uns echt viel Kraft gekostet…“, ich greife nach ihren zierlichen Händen. „…und ich weiß auch nicht. Ich hatte eben das Gefühl, dass du, auch wenn es nur manchmal ist, das Leben auf dem Land ein klein wenig vermisst.“ Ich ziehe den Umschlag aus meiner Hosentasche und halte Mitsuha alles hin. Neugierig betrachtet sie das weiße Papier, bevor sie zwei Zugfahrkarten herauszieht. „Hidaprovinz?“ „Ich dachte wir könnten ein paar Tage aufs Land und eventuell noch das Grab von Oma besuchen.“ Ich mustere Mitsuha und versuche ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Ich weiß nicht was ich erwartet habe, aber ihre Regungslosigkeit ist irgendwie unbefriedigend. „Stimmt etwas nicht?“, harke ich nach. Mitsuha steckt die Zugfahrkarten zurück in den Umschlag, sieht mich an und schenkt mir schließlich ein zartes Lächeln. „Das ist eine sehr schöne Idee. Danke Liebling.“ Mehr sagt sie nicht. Ich spüre lediglich ihre Arme um meine Mitte. Sie drückt ihren Körper fest gegen meinen. Ich kann nicht anders, ich lege meine Arme um sie, ziehe sie noch näher an mich heran und drücke ihr ein Kuss ins Haar.   . .   In zwei Stunden geht es auch schon los. Taki scheint alles bis ins kleinste Detail geplant zu haben. Anerkennend bestaune ich seine Auswahl an Kleidung für mich. Kein anderer Mann hätte so zielgenau die richtige Kleidung für mich auswählen können. Da hätte man schon mal Ich sein müssen. Ich ergänze seine Auswahl nur noch um ein Paar Kuschelsocken und zwei Pullover, bevor ich den Koffer verschließe. Ein letzter Blick auf die Uhr. Perfekt! „Können wir?“, Taki sieht mich an und reicht mir seine Hand. Lächelnd ergreife ich sie. Ein wenig wehmütig lasse ich unsere kleine feine Wohnung zurück, doch ich freue mich der Hektik dieser wundervollen Stadt wenigstens für ein paar Tage entfliehen zu können, aufzuatmen und einfach zur Ruhe zu kommen.   Der Bahnhof ist gegen Abend schon etwas leerer geworden. Auch die Züge wirken wie verlassen. Nur vereinzelt sieht man in den Abteilen Menschen. Männer und Frauen die hochkonzentriert auf ihre Smartphones, Tablets oder Notebooks starren. Wir lassen uns an einer der freien Sitzecken nieder. Taki verstaut unsere Koffer in den Tragefächern über uns.  Kaum fünf Minuten später rollt der Zug dann los. Der Blick aus dem Fenster gewährt uns eine traumhafte Sicht auf den Fuji. Während ich die naturale Umgebung so betrachte, schleicht sich eine zarte Aufregung bei mir ein. Es ist Jahre her, dass ich Zuhause war…   . .   Mit jedem weiteren Meter werden die Gebäude weniger und kleiner. Nur noch vereinzelt ragen größerer Mietshäuser in den Himmel, bevor sie schließlich gänzlich verschwinden. Das letzte Mal, dass ich soweit von Tokio weg war, war als ich Mitsuha gesucht hatte. Wer hätte gedacht, dass wir uns ausgerechnet in Tokio wiederfinden. Warum mussten unsere Erinnerungen verblassen? Wieso konnte sie nicht, nach meinem Aufwachen, neben mir stehen und mich in die Arme schließen, mir sagen, dass alles was ich getan hatte richtig war. Stattdessen ließ mich das Schicksal der Einsamkeit und einer großen Gedächtnislücke über, die ich erst jetzt, fünf Jahre danach füllen konnte. Die ganze Geschichte wirkt fast tragisch, aber immerhin hat sie ein Happy End. Mitsuhas kalte Finger, die sich zwischen meine schieben, reißen mich aus meiner Trance. Ich lächele ihr schwach entgegen, nehme ihre Hand hoch und drücke ihr einen Kuss auf den Handrücken, bevor ich meine Augen erneut von ihr abwende und in die Nacht starre.   Nach einigen Stunden kommt endlich die erlösende Ansage. Wir sind da. Ich habe eines der Onsen in der Umgebung rund um die Geisterstadt Itomori für uns gebucht. Schließlich gehört auch ein wenig Entspannung dazu. Selbst auf dem Weg zu unserer Unterkunft merken wir, dass wir definitiv auf dem Land sind. Wer hätte gedacht, dass es in einem so fortschrittlichen Land wie Japan immer noch unbefestigte Straßen gibt?!   . .   Die Stille ist beinah erdrückend. Nur von der Ferne kann man einzelne Autos hören. Die taudurchdrungene Luft füllt meine Lungenflügel. Meine Augen betrachten die abendliche Landschaft. Ein kleiner Ort am Fuße des Berges der uns nur noch Meter von meiner Heimat trennt. Das eigenartige Gefühl von Zuhause schleicht sich in meinem Herzen ein.  „Mitsuha?“, Taki unterbricht die Stille. Ich sehe zu ihm und erkenne seine Hand die er mir einladend entgegenhält. Ich greife zuerst zu meinem Koffer und schließlich nach Takis Hand. Orientierungslos lasse ich mich von ihm durch das Dorf führen. Takis Augen sind stur auf den Bildschirm seines Handys fixiert. Hin und wieder gleicht er die Ansagen des Ortungsdienstes mit der Umgebung ab bevor er mich weiterzieht. Nach einer knappen viertel Stunde haben wir unser Ziel dann endlich erreicht. Taki hat wirklich nichts anbrennen lassen. Mit offenem Mund bestaune ich das augenscheinliche Gebetshaus, das sich später als Onsen entpuppt. Kaum meinen Blick von der Umgebung abwendend stolpere ich Taki hinterher, der meine Hand bisher nicht einmal losgelassen hat. Mein Blick gleitet zu einer der offnen Schiebetüren. Eine offene Balustrade führt vom Haupthaus zu einem der kleineren Anbauten. Ich erkenne wie sich der Mond unterhalb der Balustrade im schwarz wirkenden Wasser spiegelt. Unfassbar. Dieser Ort erinnert mich an so viele Dinge aus meiner Vergangenheit. Wie einen Geist sehe ich mich in meiner Erinnerung die Balustrade des Miyamizu Schreins entlangschreiten. Es ist grotesk. Das vertraute Gefühl von zu Hause droht mich beinahe zu erdrücken und gleichsam genieße ich das nostalgische Gefühl. „Können wir?“ Takis blaue Augen schieben sich in mein Sichtfeld und halten mir etwas gold-glänzendes entgegen. Stolz präsentiert er mir den Schlüssel mit samt Schlüsselanhänger in den unsauber die Ziffern 196 hineingeschlagen wurden. Immer noch ein wenig verloren greife ich nach meinem Koffer und folge Taki, der Anweisungen der Rezeptionistin vor sich hin murmelt.   . .   Mitsuha wirkt die ganze Zeit über abwesend. Ich kann es ihr kaum verdenken. Das alles hier erinnert mich an die Zeit vor fünf Jahren. Die Zeit in der ich in Mitsuhas Körper aufgewacht bin, die Welt durch ihre Augen gesehen habe. Ihrem Ausdruck nach zu urteilen scheint sie genauso zu fühlen. Ich ziehe den Reisverschluss meiner Kapuzenjacke auf und lege sie wohlgewärmt über Mitsuhas Schultern. Sie zuckt zusammen, als der weiche Stoff ihre nackten Schultern berührt. Sie scheint wohl gar nicht registriert zu haben, wie ihre Haut unter der kühlen Brise erschauderte. Ich muss zwangsläufig lächeln. Es passiert so selten, dass sie so abwesend ist. Umso schöner ist es, dass ich mit der Reise mein Ziel erreicht habe. Sie mit mir hier und wenigstens ein kleines Stück Vergangenheit. „Über was denkst du nach?“, frage ich ruhig, während ich mich zu ihr auf die Fensterbank setze und sie in meine Arme schließe. „Ich weiß nicht… mein Kopf ist auf seltsame Weise leer. Wenn ich so nach draußen sehe ist es… ich weiß nicht…“ „…als wäre es gestern?“, ergänze ich fragend. Mitsuhas Kopf dreht sich zu mir und sie sieht mich mit großen haselnussbraunen Augen an. Der Mond, der sich in ihrer Iris spiegelt, lässt ihre Augen glasig wirken. Ich frage mich ob sich Tränen ihren Augenwinkeln zu sammeln beginnen. „Ja…“, flüstert sie mir schließlich zu. Ich ziehe Mitsuha näher zu mir heran. „Ich mag mir gar nicht vorstellen, was es damals für ein Gefühl gewesen sein muss, als der Komet einschlug.“ Mitsuha greift nach meinen Händen und schlingt sie fester um sich. „In dem Moment, als die letzten Einwohner das Schulgelände erreicht hatten, war ich unendlich erleichtert. Aber zu sehen, wie der Komet alles zerstörte, war schockierend…“, flüstert Mistuha. Ein Zittern fährt durch ihren Körper. Das Ganze scheint ihr nun doch näher zu gehen als ich geglaubt hatte. Ich drücke Mitsuha einen Kuss ins Haar. „Komm, lass uns schlafen.“, schlage ich ihr vor. Eine Weile regt Mitsuha sich keinen Milimeter, doch sie steht schließlich auf. Wir bereiten das Futon vor und kuscheln uns in die samtig weichen Bademäntel.   Es hat lange gedauert, aber Mitsuha schläft mittlerweile tief und fest in meinen Armen. Ich, trotz dass ich seit dem frühe Morgen auf den Beinen bin, bin hellwach. Mich beschleicht das Gefühl, dass ich einen Riesen Fehler begangen habe, oder eher gesagt einen großen Fehler begehen werde. Aber das Ausmaß meiner Entscheidung ist mit erst nach Mitsuhas Verhalten so richtig bewusst geworden. Ich hätte nicht Gedacht, dass die Wunden der Vergangenheit so tief bei ihr sitzen.  Wie wird sie morgen wohl reagieren? Schließlich hat sie sich jahrelang erfolgreich herausreden können. Das Geld, der Job, die Sorge um Yotsuha… und nun? Mir wird mulmig. Ich fürchte mich ein wenig vor Mitsuhas Reaktion, schließlich wird sie morgen wieder auf ihn treffen - ihren Vater. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)