Messages From My Heart von Lina_Kudo (Botschaften meines Herzens) ================================================================================ Kapitel 5: Delusions -------------------- 5 DELUSIONS »Werde ich nun wirklich verrückt?« Ungläubig betrachtete ich mein eigenes Spiegelbild. Mein Gesicht und vereinzelte Stirnfransen waren durchnässt vom kalten Wasser, das ich mir gerade ins Gesicht geklatscht hatte, um wieder nüchtern zu werden. Mein Atem ging immer noch schwer durch den beschleunigten Herzschlag, der bis jetzt angehalten hatte. Was war das nur vorhin? Es war ja noch nicht einmal eine Rückblende, schließlich hatte sie solche Worte noch nie benutzt mir gegenüber. Alleine bei dem Gedanken daran breitete sich eine Gänsehaut auf mir aus. War das ein Hirngespinst? Warum machte es mir überhaupt so zu schaffen? Es war doch gut möglich, dass ich mir ihre Stimme einfach eingebildet hatte. Denn seien wir mal ehrlich: So abwegig war das nun auch wieder nicht. Schließlich kreisten meine Gedanken doch ständig und rund um die Uhr um sie. Und ihre liebliche Stimme stellte ich mir doch dabei auch immer vor. »Doch dann musstest du gehen … musstest mich verlassen … Zwischen uns, das ging einfach nicht. Und doch kann ich dich nicht vergessen …« Erschrocken zuckte ich zusammen. Da war es schon wieder! Warum hörte ich sie … singen? Ich hatte Usagi noch nie singen gehört. Ehrlich gesagt hatte ich noch nicht einmal gewusst, dass sie das überhaupt konnte. Bedrückt musste ich mir im gleichen Augenblick eingestehen, wie wenig ich doch eigentlich über sie wusste. »Hoffe, dass du glücklich bist und zugleich … dass du mich nicht vergessen hast … dass du mich immer noch liebst … für alle Zeiten …« Als ob sie mir jemals so etwas sagen würde. Warum sollte sie sich wünschen, dass ich sie noch liebte? Das war für sie doch nichts weiter als eine bloße Belastung. So sehr, dass ich es fast schon bedauerte, ihr damals meine wahren Gefühle gestanden zu haben. Vielleicht … wäre es besser gewesen, wenn ich schon damals dichtgehalten hätte. Dieses Geständnis war aus reinem Egoismus entstanden mit dem Vorhaben, meine dunkle Seele zu erleichtern. Doch damit hatte ich ihr verantwortungslos etwas aufgebürdet. War mir dieser Preis damals wirklich angemessen erschienen? Obwohl … sie es mittlerweile bestimmt eh schon vergessen hatte. An unserem Abschied hatte sie schließlich eher den Eindruck gemacht, von nichts einen Schimmer zu haben. Oder aber sie hatte es mir einfacher machen wollen und sich deswegen extra dumm gestellt. Doch das konnte ich mir nicht vorstellen. So durchtrieben war sie nicht. Ablenkung! Ich brauchte unbedingt Ablenkung! Mit diesem Entschluss schnappte ich mir mein himmelblaues Handtuch, trocknete mir mein Gesicht, hing es achtlos wieder an den Haken, machte kehrt und begab mich wieder auf mein Zimmer. Dort angekommen nahm ich mir Musikabspielgerät und Kopfhörer und warf mich ins Bett. Und nun hieß es: Ohrstöpsel rein – Halluzinationen raus. »Mein Liebster! Ich vermisse dich! Ich vermisse dich so sehr! Mein Herz schreit nach dir … Es wird immer nach dir schreien … Ich werde mich immer nach dir sehnen …« ›Liebster‹? Fassungslos setzte ich mich wieder auf. Okay, hiermit erklärte ich mich offiziell für verrückt. Ich konnte mich gleich morgen in einer psychiatrischen Anstalt einweisen lassen. Ich war überreif für die Klapsmühle. Wo waren die Papiere zum Unterschreiben? »Warum müssen wir so weit voneinander entfernt sein? Warum nur sehne ich mich so sehr nach dir? Ich kenne nun die Antwort … Vergiss nie, was ich dir jetzt offenbare: Du bist nun der wichtigste Mensch in meinem Leben …« Das konnte nicht sein. Ich konnte nicht der wichtigste Mensch in ihrem Leben an. Diese Rolle hatte schon seit Ewigkeiten ein anderer Mann inne. Das musste eine Täuschung sein. Es gab hierfür keine andere, sinnvollere Erklärung. Mein Herz überschlug sich beinahe, bevor es von Zweifel überschüttet und durch einen gigantischen Berg vergraben wurde. Es fühlte sich schwer an, als würden mehrere Tonnen von Misstrauen auf ihm liegen und kurz davor sein, es zu erdrücken. Warum nur … hörte sich alles so real an? So unfassbar real? »Endlich weiß ich es … Endlich kenne ich meine Gefühle für dich … Doch was bringt das, wenn du nicht mehr bei mir bist? Nur Leere, Schmerz und Hoffnungslosigkeit?« Schön wäre es. Das waren alles Worte, von denen ich mir gewünscht hatte, sie aus ihren Lippen zu hören: Von ihr zu hören, dass sie etwas für mich empfand. Allein das war schon ein Indiz dafür, dass das alles gar nicht echt sein konnte. Das alles reimte sich bestimmt mein Unterbewusstsein zusammen und bastelte daraus dieses wunderschöne Lied. Es war wahrlich wunderschön. Doch einfacher machte es mir diese neue Erkenntnis nicht. Im Gegenteil: Dadurch wurde mein Wunsch nur noch größer, solche Worte wirklich von ihr zu hören. Ich schloss meine Augen und stellte sie mir vor. So wie sie vor mir stand und mir mit einem verliebten Lächeln die Zeilen vorsang. Ganz allein für mich. Eine herrliche Vorstellung. Wie aus dem traumhaftesten Märchen. »Wegen dir, Liebster … habe ich alles aufgegeben … Wegen dir, Liebster … kenne ich den unbändigen Schmerz der Liebe …« ›Den unbändigen Schmerz der Liebe‹? Damit hatte ich in letzter Zeit leider mehr Bekanntschaft gemacht, als mir lieb gewesen war. Mehr, als ich eigentlich ertragen konnte. Ich kannte diesen Schmerz besser als jedes andere Wesen auf diesem Universum. Ich schlug meine Augen wieder auf und sah die schneeweiße Decke über mir. Was sollte es: Dann war ich eben verrückt geworden War doch völlig egal. Wen kümmerte das schon? Was änderte das? Dann lebte ich eben in meiner Traumwelt, die viel schöner war als die triste Realität. Dann bildete ich mir eben ein, dass sie nur für mich sang. Vielleicht war das ja der einzige Weg, um mit dieser Situation klarzukommen. Ich hatte Healer und Maker vorhin ja gesagt, dass ich aufgeben wollte. Und mein Wort würde ich auch halten. Natürlich war das nicht der ideale Weg, jemanden loszulassen, indem man weiter von ihr träumte und sie sich vorstellte. Doch es war ja nicht für immer. Irgendwann … würde ich soweit sein. Doch jetzt noch nicht. »Darf ich noch auf dich hoffen? Darf ich auf deine Rückkehr warten? Darf ich warten, ohne dabei ständig Angst zu haben: Du wirst doch nie wiederkommen? Doch ich trage diese leise Hoffnung noch in mir … Ich versuche auch nicht, sie zu verscheuchen … Denn diese Hoffnung ist das, was uns neben unserer Liebe … in dieser schweren Zeit der Trennung noch verbindet …« Unsere Liebe? Hatte es sie jemals gegeben? Meine Liebe gab es, definitiv. Meine unerwiderte Liebe. Aber unsere Liebe hatte es nie gegeben. Und es würde sie auch nie geben. Völlig ausgeschlossen. Ich schüttelte leicht verärgert meinen Kopf. Was träumte ich nur wieder für einen absoluten Mist zusammen? Ein beiläufiger Blick auf die Armbanduhr verriet mir, dass bald Zeit für’s Essen war. War bestimmt nicht verkehrt, mich mal wieder in die Gesellschaft zu wagen. Wenn ich noch länger in diesem Zimmer bleiben und ständig diese Liedfetzen hören würde, würde ich früher oder später wirklich noch durchdrehen. »Mein Liebster! Ich vermisse dich! Ich vermisse dich so sehr! Mein Herz schreit nach dir … Es wird immer nach dir schreien … Ich werde mich immer nach dir sehnen …« »Wie kannst du dich nach mir sehnen?«, schnaubte ich in Gedanken, während ich durch den langen Korridor entlangging. »Du hast in mir doch nie mehr gesehen als einen einfachen Freund. Glaub mir: Die Sehnsucht nach einem einfachen Freund ist nicht zu vergleichen als das qualvolle Verlangen nach der Person, die man über alles liebt.« Jetzt führte ich in meinen Gedanken schon Selbstgespräche. So tief war ich also schon gesunken. Ernüchternd. Die Hände zu Fäusten geballt und tief in meinen Hosentaschen vergraben bog ich in den Speisesaal ab und sah, wie das Essen schon angerichtet war. Ich zwang mich zu einem halbwegs ehrlichen Lächeln, als ich mich zu den anderen setzte. »Warum müssen wir so weit voneinander entfernt sein? Warum nur sehne ich mich nur so nach dir? Ich kenne nun die Antwort … Vergiss nie, was ich dir jetzt offenbare: Du bist nun der wichtigste Mensch in meinem Leben …« »Na, was steht bei euch so an?« Healer verschluckte sich an ihrem Bissen Reis. Mit einem heiteren Kopfschütteln klopfte ich ihr hilfsbereit auf den Rücken. Ich konnte mir vorstellen, wie überrascht sie über meine Worte sein musste. Seit unserem Fortgang von der Erde hatte ich mich nie nach ihnen erkundigt und auch beim Essen nie etwas gesagt, sondern nur lustlos im Gericht herumgestochert und nur ein Wort rausgebracht, wenn ich explizit dazu aufgefordert wurde. Und wenn, dann waren es nicht mehr als einsilbige Antworten. Es war also nachvollziehbar, dass mich Healer, Maker und auch Prinzessin Kakyuu nun fassungslos anstarrten, als wäre ich ein Geist. Ich lachte gekünstelt. »Was denn?«, stellte ich mich dumm. »Warum macht ihr denn jetzt solche Gesichter?« Wenn ich diese Rolle nur ansatzweise überzeugend spielte, wusste ich, dass meine Freunde mitmachen würden. Sie wünschten sich doch auch nur, dass bei mir wieder der normale Alltag einkehrte. Und wenn ihnen vor Augen geführt wurde, dass ich wirklich auf dem richtigen Weg war, würden sie auch ohne zu zögern mitspielen, selbst, wenn sie meine Fassade durchschauten. Hier zählte ja allein schon die Bemühung von meiner Seite, die sich in diesem Fall auch auszahlte: Sie standen mir lebhaft Rede und Antwort, wie ich es nicht anders erwartet hatte. »Mein Liebster! Ich vermisse dich! Ich vermisse dich so sehr! Mein Herz schreit nach dir … Es wird immer nach dir schreien … Ich werde mich immer nach dir sehnen …« Unwillkürlich knirschte ich mit den Zähnen. Wieso hörte es nicht auf? Angestrengt versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen und meinen Freunden weiter interessiert zuzuhören. Oder wenigstens so zu tun als ob. »Endlich weiß ich es … Endlich kenne ich meine Gefühle für dich … Doch was bringt das, wenn du nicht mehr bei mir bist? Nur Leere, Schmerz und Hoffnungslosigkeit?« »Bitte sei doch endlich still«, zischte ich verzweifelt und hielt mir meinen Kopf, nachdem ich mein Besteck abgelegt hatte. »Hast du was gesagt?«, hörte ich Makers besorgte Stimme. Mist – hatte ich das etwa laut gesagt? »Geht es dir nicht gut, Fighter?« Auch die Prinzessin hatte sich nun zu Wort gemeldet. »Bitte entschuldigt mich. Ich habe ein bisschen Kopfweh und muss mich mal kurz hinlegen.« »Früher, mein Liebster … Früher saßen wir im gleichen Boot … Früher, mein Liebster … waren wir zusammen …« Kraftlos ließ ich mich auf’s Bett fallen. Diese Illusionen machten mir mehr zu schaffen, als ich gedacht hatte. Aber nicht, weil ich diese Worte nicht hören wollte, sondern weil ich einfach wusste, dass sie nicht real waren. Weil mir bewusst war, dass ich sie nie hören würde. Niemals. Und genau aus diesem Grund wuchs mein Verlangen nach Usagi nun ins Unermessliche. »Halt doch bitte endlich deinen Mund …« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)