Messages From My Heart von Lina_Kudo (Botschaften meines Herzens) ================================================================================ Kapitel 3: Soledad ------------------ 3 SOLEDAD »Meine Sehnsucht nach dir ist nicht in Worte zu fassen.« Das war wieder eine der Tage, wo ich mein Zimmer gar nicht verließ. Jeder Tag verlief wie immer. Ich stand ziemlich früh auf – meistens aufgrund eines Albtraums – blieb ewig im Bett liegen, bis ich irgendwann doch mal aufwachte für einen Kaffee, der meinen seelischen Schmerz zwar auch nicht lindern, aber zumindest meine chronische Müdigkeit ein wenig aus meinem Körper vertreiben konnte. Außerdem bekam ich sonst kaum etwas runter – am Morgen beziehungsweise Vormittag erst recht nicht. Nach meinem »reichhaltigen Frühstück« erledigte ich meine Pflichten gegenüber der Prinzessin, schob Wache oder bekämpfte irgendwelche Feinde von außerhalb, bevor ich mich dann wieder in mein Zimmer oder irgendwo sonst verzog, wo ich für mich sein konnte. Kämpfen tat ich noch lieber als früher – allein schon, weil mir mein Leben völlig gleichgültig war und ich keine Angst vor dem Tod hatte. Ich glaube, so etwas nannte man auch »Lebensmüdigkeit«. Schon seit längerer Zeit schwirrte in meinem Kopf ein Text herum. Eine sehr schöne Melodie. Es war an der Zeit, sie niederzuschreiben, um endlich Ruhe vor ihr zu haben, bevor sie mich noch ewig belästigen konnte. Es war wohl überflüssig, zu erwähnen, dass dieser Text von meinem Schätzchen handelte, oder? Gedankenverloren nahm ich Platz an meinem Schreibtisch, holte Block und Kugelschreiber heraus und setzte die Mine auf das unbefleckte Papier. Es würde das allererste Lied überhaupt von mir werden. Bisher war ja immer Taiki für das Komponieren unserer Lieder zuständig gewesen. Und irgendwie war der Gedanke daran schön, dass ich mein erstes Lied meiner ersten Liebe widmen würde. Wenn du doch nur die Tränen der Welt sehen könntest, die du hinter dir gelassen hast … Wenn du doch nur mein Herz nur noch ein einziges Mal heilen könntest … Selbst wenn ich meine Augen schließe … sehe ich ein Bild deines wunderschönen Gesichts vor mir. Und wieder einmal komme ich, um zu realisieren … dass du ein Verlust bist, den ich nicht ersetzen kann. Ich hielt inne und verzog leicht mein Gesicht. Gott, klang das kitschig. Und doch entsprach jede einzelne Zeile – nein, jedes einzelne Wort – der Wahrheit. Usagi war eine einzigartige Frau. Sie gab es nur einmal. Natürlich war sie nicht zu ersetzen. Ich lächelte fast schon heiter, als ich an diese unglaubliche Frau dachte. An die wundervollste Frau, der ich je in meinem Leben begegnet war. Soledad Es ist eine Verwahrung der Einsamkeit seit dem Tag, an dem du gegangen bist. Warum hast du mich verlassen? Soledad In meinem Herzen warst du die Einzige … Und die Erinnerungen an dich leben in mir weiter. Warum hast du mich verlassen? Soledad … Auch das stimmte. Die Erinnerungen an sie lebten in mir weiter. Treffender ausgedrückt: Die Erinnerungen an sie hielten mich überhaupt noch am Leben. Aber gleichzeitig war doch irgendwie auch sie der Grund, warum ich so gefährlich nahe an der Grenze zwischen Leben und Tod wanderte. Ohne sie hätte ich niemals die Erfahrung gemacht, wie nahe sich diese beiden Extreme sein konnten. Ich schlendere durch die Straßen von Nothing Ville … Wo unsere Liebe noch jung und frei war. Kann es nicht begreifen, warum dieser Ort nun so leer geworden ist. Es musste ja so kommen. Ich würde mein Leben weggeben wenn es wieder so werden könnte wie früher. Weil ich immer noch nicht die Stimme tief in mir bändigen kann. Die Stimme, die unentwegt deinen Namen rausschreit. Diese Passage war vielmehr ein Wunschdenken. »Unsere Liebe, die noch jung und frei war« – natürlich war das nie der Fall gewesen. Ich hatte sie schließlich nie gehabt. Es war, als wäre sie die Musik in mir, die gerade durch meinen Körper floss und mir neue, ungeahnte Energie verlieh. Ich konnte kaum noch aufhören zu schreiben. Die Zeit wird niemals die Dinge ändern, die du mir erzählt hast. Trotz allem waren wir füreinander bestimmt. Die Liebe wird uns zu einem ›Du und ich‹ zurückbringen … Wenn du das doch nur sehen könntest … Seufzend las ich mir diese letzten Zeilen immer und immer wieder durch. Die Zeit ließ sich nicht ändern. Die Vergangenheit war starr und robust. Das war nichts Neues. Doch für Usagi war selbst die Zukunft sicher. Die altbekannte Zukunft würde so sicher kommen wie das Amen in der christlichen Kirche. Ich konnte tun, was ich wollte: Gegen die Zeit konnte ich nicht ankommen. Da war ich chancenlos und würde auf der Stelle unterliegen. Ich wusste, dass es arrogant klang, aber dennoch konnte man mich nicht von der Überzeugung abbringen, dass ich in Wahrheit viel besser zu ihr passte als Mamoru. Ein einziger Blick hatte ausgereicht, um zu erkennen, dass sich die beiden rein vom Charakter schon nicht miteinander harmonierten. War ich etwa der Einzige, der nicht blind war und das erkannte? Dabei war es doch so offensichtlich … Zumindest in meinen Augen. Er war ein intellektueller, vernünftiger Mensch, während sie noch ein halbes Kind war – genau wie ich. Während er sich als gestandener Mann auf dem steilen Weg einer großen Karriere als Arzt befand, lief sie irgendwelchen Träumen hinterher und hatte noch nicht einmal einen blassen Schimmer, wie sie sich später beruflich verwirklichen wollte. Aber musste sie sich darüber überhaupt Gedanken machen? Bei ihr war doch schon von Vornherein klar, dass sie in Zukunft dieses »Crystal Tokyo« regieren würde. Daher fragte ich mich auch, warum er dann überhaupt noch so eifrig weiterstudierte, obwohl auch seine Zukunft so durchschaubar war wie ein klares, sauberes Fenster: Warum noch der Traum, Arzt zu werden, obwohl er eh wusste, dass daraus nichts werden würde auf Dauer, weil für ihn ein Platz am Thron bestimmt war? Aber zurück zu meiner These, was die Inkompatibilität der beiden anbelangte. Hier trafen grundverschiedene Welten aufeinander. Wie konnte das zusammenpassen? Alles, was dem einen fehlte, besaß der Andere dafür im Überfluss. Ich weitete bei dieser Erkenntnis meine Augen. War vielleicht das das Geheimnis ihrer Liebe? Dass sie sich perfekt ergänzten? Ich schüttelte mich verärgert. Warum lynchte ich mich eigentlich selber, indem ich ihre ach so tolle Beziehung analysierte? Hatte ich denn wirklich nichts Besseres zu tun? Ich seufzte, weil ich diese Frage gleich selbst beantworten konnte: Nein, ich hatte nichts Besseres zu tun und wusste nichts anderes mit meinem wertlosen Leben anzufangen. Außer, rund um die Uhr an meine Verflossene zu denken. Einfach nur noch bedauernswert. Ich sah abermals runter zu meinem gerade geschriebenen Text. Und mal ganz abgesehen davon: Egal, wie viel Herz ich in dieses Lied auch steckte: Es würde sie niemals erreichen. Sie würde diesen Song niemals zu hören bekommen. Nicht einmal eine harmlose Botschaft konnte ich ihr damit überbringen. Was sollte sie denn dann bitte schön von mir denken? Ich würde sie damit doch nur nerven – wenn nicht sogar unfreiwillig bedrängen. Das konnte ich nicht bringen. Sie würde mich für einen liebeskranken Vollidioten halten, der ich ja auch war. Welche Frau hört denn auch gerne Liebesschwüre von einem dahergelaufenen Typen, während sie glücklich mit dem Mann ihrer Träume liiert ist? Mag sein, dass es Frauen gibt, die diese Bestätigung von allen Seiten durchaus brauchen und genießen – Usagi gehörte aber definitiv nicht zu dieser Sorte. Ich spürte vereinzelte Tränen der Verzweiflung meine Wangen hinabfließen, schmiss den Stift in eine Ecke und drückte zitternd meine Hände an beide Schläfen. Ich vermisste sie. Ich vermisste sie so entsetzlich sehr. Mein Herz verzehrte sich nach ihrem Anblick. Nach ihren Haaren. Ihren Augen. Ihrem Gesicht. Ihrem Duft. Ihrer Stimme. Ihrem Lächeln. Ihren Berührungen. Was hätte ich alles getan, nur um sie nur noch ein einziges Mal wiederzusehen? Was hätte ich alles in Kauf genommen? Viel hätte ich dafür in Kauf genommen. Zu viel. So viel, dass es nicht mehr vereinbar war mit dem beschissenen Schicksal. Ein Schluchzer verließ meine Kehle und schnürte sie mir brennend heiß zu. Meine ganze Situation war einfach hoffnungslos. Ehe ich es mich versah, würde ich untergehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)