Messages From My Heart von Lina_Kudo (Botschaften meines Herzens) ================================================================================ Kapitel 1: Solitary Life ------------------------ 1 SOLITARY LIFE »Nie hätte ich gedacht, dass sich ›Einsamkeit‹ so schlimm anfühlen kann …« Ich sehe sie vor mir, wie sie mich mit vom Weinen angeschwollenen Augen anblickt. Ihrer Schönheit tun die roten Äderchen in ihnen jedoch keinen Abbruch. Nichts ist dazu fähig, sie zu entstellen. Für mich wird sie immer die Schönste von allen sein. Ihre zittrigen Schultern. Ihre zu Fäusten geballten Hände. Ihre vergebliche Mühe, die unaufhaltsamen Tränen zu unterdrücken. Noch nie habe ich sie so schwach gesehen. Und es versetzt mich in einen qualvollen Zustand, sie überhaupt so sehen zu müssen. Noch nie ist mein Drang so groß gewesen, für sie da zu sein. Sie einfach in meine Arme zu schließen und nie wieder loszulassen. Sie vor allem Unheil auf dieser Welt zu beschützen. Sie ist mein Schätzchen. Nichts und niemand darf sie verletzen oder traurig machen. Letzten Endes verliere ich den Kampf gegen meine Vernunft. Ich stelle ihr die Frage, die alles zwischen uns ein für alle Mal verändern wird: »Bin ich denn nicht gut genug für dich?« Ein lautes Klopfen schreckte mich aus meiner Trance. Doch ich machte keine Anstalten, mich aufzusetzen. Unbeeindruckt blieb ich auf meinem Bett liegen und starrte weiterhin Löcher in die Luft. »Seiya, gedenkst du vielleicht mal, aus deinem Zimmer zu kommen und dich zur Abwechslung blicken zu lassen?«, hörte ich die gereizte Stimme Healers, doch ich verschwendete keinen Gedanken daran, ihr überhaupt zu antworten. Es lief doch eh alles auf’s Selbe hinaus. Leise grummelnd drehte ich meiner Tür den Rücken zu und schloss meine Augen. Ich war schon seit längerer Zeit wach, doch ich hatte keinen Antrieb, um aufzustehen und in die Welt hinauszugehen, die hinter dieser Tür nur ungeduldig darauf wartete, mich zum Kampf herauszufordern. Einer Welt, der ich mich schon seit geraumer Zeit nicht mehr gewachsen fühlte. Das lag sicher nicht zuletzt auch daran, weil ich nachts kaum ein Auge zukriegte. Viel zu große Angst hatte ich vor dem Schlaf und den damit verbundenen Albträumen, die mich jedes Mal heimsuchten, wenn ich dann doch mal wegdämmerte. Irgendwann war auch ich dem menschlichen Bedürfnis nach Schlaf und Erholung erlegen. Wobei in meinem Fall von »Erholung« nicht die Rede sein konnte. Nicht im Geringsten. Diese furchtbaren Träume verfolgten mich sogar tagsüber. Immer wieder lief vor meinem inneren Auge ein Kopfkino ab, wie mein Schätzchen mit ihrem ach so tollen Mamoru turtelnd durch die Straßen schlenderte und beide glücklich wie eh und je zusammen waren. Selbst für mich war das irgendwann zu viel. Allein bei der Vorstellung drehte sich mir der Magen so um, dass ich auf der Stelle kotzen könnte. Das war mehr als nur egoistisch und ich sollte mich freuen, solange Usagi glücklich war. Doch ich konnte es nicht verhindern, dass es mir seelische Qualen bereitete, dass nicht ich derjenige sein durfte. Dass nicht ich sie glücklich machen durfte. Durch diesen permanenten Schlafmangel litt ich unter chronischer Müdigkeit und die Tage, wo ich nur so vor Tatendrang und Energie gestrotzt hatte, gehörten der Vergangenheit an. Daher kam es auch häufig vor, dass ich tagelang mein Zimmer nicht verließ, weil ich schwer damit beschäftigt war, mich selbst zu bemitleiden. Ich wusste, dass es erbärmlich war, und dennoch wolle ich nichts an dieser Tatsache ändern. Warum denn auch? Ich hatte einfach keine großen Erwartungen mehr von der Welt da draußen. Keinen Ansporn, deren Herausforderung anzunehmen und mich mit Gewalt durch das Leben zu schlagen. Womit würde ich denn belohnt werden, wenn ich mich meiner Existenz stellen würde? Was konnte ich mir davon versprechen? Für mich gab es keinerlei Aussicht auf Glück oder Freude. Eigentlich gab es für mich nur … meine Pflicht: die Arbeit. Mein neuer Lebensinhalt. »Du siehst richtig scheiße aus«, nahm Healer mal wieder kein Blatt vor den Mund, als wir uns am Gang begegneten, nachdem ich mich tatsächlich irgendwann doch dazu durchgerungen hatte, mich rauszuwagen. So kannte man sie: Direkt und ehrlich, ohne dabei Rücksicht auf die Gefühle anderer zu nehmen. »Wenn du meinst …« Ich wusste das auch, ohne dass sie es mir immer wieder reindrückte. Natürlich hatten sich unter meinen Augen tiefe dunkle Ringe eingegraben, sodass ich wirklich nicht mehr richtig frisch und gut aussah. Von allen Menschen hätte man bei mir am allerwenigsten damit gerechnet, dass ich mich irgendwann mal so gehen lassen würde bei meinem Ego und meiner Eitelkeit. Was die diabolische Liebe doch nur mit einem anstellen konnte. Mehr als erschreckend. Ich hatte mich auch nicht nur äußerlich verändert. Früher hätte ich gegen so eine Anpöbelei von Healer schlagfertig gekontert und hätte mich kampflustig auf ein Wortgefecht eingelassen. Doch dazu fehlten mir inzwischen die Lust, die Kraft und die Motivation. So eine unnötige Streiterei hatte gar keinen Sinn. Im Grunde genommen hatte nichts mehr einen Sinn. Wirklich deprimierend. »Vergiss sie doch endlich! Es ist nun schon ein halbes Jahr her, dass wir die Erde verlassen haben. So langsam solltest selbst du von ihr loskommen! Das kann man ja gar nicht mehr länger mitansehen!« Langsam blickte ich auf, meine Hände dabei nach wie vor lässig in den Hosentaschen vergraben. Natürlich war mir klar, wen sie genau damit meinte. Sie musste ihren Namen nicht explizit aussprechen, damit wir genau wussten, von wem wir redeten. Die Leere in meinen Augen wollte nicht in den Hintergrund rücken. Auch nicht, als ich ihr folgende Worte an den Kopf warf. »Willst du etwa zusehen, wie ich sterbe? Denn um sie zu vergessen, müsstest du mich schon umbringen.« Ein entsetzter Laut kam aus ihrer Kehle, während sie mich mit weit aufgerissenen Augen entrüstet anstarrte. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!«, stieß sie fassungslos hervor, und doch war ihr klar, wie ernst ich das meinte. Deswegen verlangte sie auch gar nicht erst nach einer Antwort. Sie lag bereits tonnenschwer in der Luft: Und ob. Usagi war mein Herz. Es grenzte eh schon an ein Wunder, dass allein mein Gedanke an sie mich am Leben erhalten konnte. Doch wenn ich sie vergessen wollte, musste ich mein Herz erstechen. Und welcher Mensch konnte denn schon ohne Herz überleben? Eben. Das wäre Selbstmord. »Du solltest dich mal ansehen: Du bist nicht mehr wiederzuerkennen. Was ist aus dem Charmebolzen geworden? Aus dem Flirtkönig? Du könntest jede kriegen. Stattdessen trauerst du einer hinterher, die du nie gehabt hast. Komm endlich zu dir!« Unbeeindruckt sah ich sie mit einer ausdruckslosen Miene an. »Jemand wie du wird das nie verstehen«, behauptete ich und senkte den Blick. Es stimmte, dass ich früher für mein Leben gerne geflirtet hatte. Es hatte mir Spaß gemacht, den Mädchen schöne Augen zu machen und in ihren Augen zu sehen, wie sehr sie mich doch begehrten. Es imponierte mich. Doch diese Zeiten waren vorbei. Denn obwohl die Mädchen nach wie vor nur so auf mich flogen, ließ es mich total kalt. Es war die Ironie des Schicksals, dass man immer das am meisten wünschte, das man niemals haben konnte. In diesem Fall war es eine kleine, junge Frau mit zwei blonden Odangos mit dem Herz am rechten Fleck. Gelassen schloss ich meine Augen. Ich hatte nicht die geringste Lust, mich weiter mit Healer auseinanderzusetzen. Im Grunde genommen hatte ich eigentlich auf gar nichts Lust. »Du entschuldigst mich?«, gab ich kurz von mir, bevor ich an ihr vorbeiging, ohne ihr auch nur eines Blickes zu würdigen. Ich hatte wirklich keine Nerven mehr, mich weiter von ihr anzicken zu lassen. Mein Gemüt tat das schon zur Genüge, weil es nicht genügend Schlaf bekam. Bevor ich in der Ecke verschwand, hörte ich sie noch laut hinter mir rufen: »Und hör endlich auf, als Mann rumzulaufen! Schon seit unserer Kindheit leben wir als Frauen, hast du das schon vergessen? Kannst du dir vorstellen, wie komisch das für unsere Prinzessin sein muss, die uns von klein auf nur als Frauen kennt?!« Ich blieb kurz stehen und drehte mich mit neutraler Miene zu Healer um. »Du weißt ganz genau, dass wir in Wahrheit Männer sind. Findest nicht auch, dass es langsam an der Zeit ist, dieses alberne Theaterspiel endlich zu beenden und unserer Prinzessin mit der Gestalt gegenüberzustehen, mit der wir geboren worden sind? Sie wird deswegen schon nicht vor Scham umfallen. Wir sind schließlich alt genug.« Bevor Healer irgendetwas darauf erwidern konnte, schritt ich unbeirrt weiter. Ich war keine Frau. Weder geistig noch körperlich. Lange genug hatte ich meine männliche Seite unterdrücken müssen, die während der Zeit auf der Erde unwiderruflich in mir erwacht war. Meine Existenz als Frau war von nun an auf den Kampf beschränkt, wenn ich auf meine Sailorkräfte angewiesen war. Verkrampft ballte ich unbewusst meine rechte Hand abermals ganz fest zu einer Faust zusammen. Ich war eben … keine Frau. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)