Die Farbe Grau von Cocos ================================================================================ Kapitel 13: Des Widerspenstigen Zähmung --------------------------------------- Aya hätte gerne über sich selbst gesagt, dass er mutig genug war, den übrigen Schwarz in ihrem natürlichen Habitat hoch erhobenen Hauptes und ohne Furcht entgegen zu treten, doch davon konnte mit jeder Treppenstufe, die er in sein Unglück hinabstieg, keine Rede sein. Sein Herz schlug schmerzhaft schnell und er vermochte nicht zu sagen, ob es vor Wut, vor Hass, vor Abneigung, vor Angst oder vor einer bunten Mischung dessen war. Er wusste nicht, was ihn erwartete, auch wenn Crawfords Lächeln ihm einen deutlichen Hinweis darauf gegeben hatte, wie sich Schwarz ihm gegenüber verhalten würde. So hegte er auch keine allzu großen Hoffnungen, als der Anführer des feindlichen Teams ihn in die Küche geleitete, die ihn nicht wirklich in ihrer schlichten Größe und ihrem prunklosen Protz überraschen sollte, es aber dennoch mühelos tat. Der Irre des Teams und der kleine Telekinet waren bereits anwesend und maßen ihn für den Bruchteil eines Augenblickes wie ein Insekt, sezierend und mit Abscheu, bevor sie sich wieder ihren Aufgaben widmeten. Naoe, dem es anscheinend oblag, den Tisch mithilfe seiner Gabe zu decken und für die herumfliegenden Teller, Schalen und das Besteck verantwortlich war. Farfarello, der wie dahingegossen auf der Fensterbank saß, während seine Hände unablässig mit einem Messer spielten. Mit zu Fäusten geballten Händen beobachtete Aya sie und bohrte seinen Blick in den Rücken des Amerikaners, der seinem Team anscheinend schon mitgeteilt hatte, dass sie einen weiteren Arbeitssklaven hatten. „Sieh her, Sebastian, Arielle schnappt gar nicht nach Luft, sondern atmet ganz normal. Noch“, drang die raue Stimme des Iren murmelnd durch die Stille und Aya schluckte unwillkürlich, als ihm bewusst wurde, dass er damit gemeint war, niemand anderes. Warum er ausgerechnet eine Disneyfigur sein sollte und was das im Kopf des verrückten Iren zu bedeuten hatte, war ihm ein Rätsel und so genau wollte er darüber auch gar nicht nachdenken. Aya presste die Lippen aufeinander und fragte sich, wie er die kommenden Monate überstehen sollte. Alleine das hier war schon unerträglich. Der Anblick der Schwarz war es für ihn, obwohl Naoe und Farfarello die beiden gewesen waren, die laut Omi den geringsten Teil an der Folter beigetragen hatten. Naoe hatte ihn geheilt, ein interessantes Detail am Rande, mit dem sein Team hoffentlich mehr anfangen konnte als er jetzt und Farfarello hatte ihn für die Rückkehr vorbereitet. Farfarello war es auch gewesen, der Birman angeschossen hatte. Aya glaubte immer noch nicht an einen Zufall. Was den Rest von Schwarz anging, sah die Sache anders aus. Crawford hatte es gewagt, Hand an Omi zu legen. Schuldig hatte es gewagt. Beiden würde er nicht verzeihen, was sie getan hatten. „Ohh, Crawford hat sein neues Haustier mit nach Hause gebracht“, schnarrte es hinter ihm und Aya fuhr herum zu der zynischen, beißenden Stimme voller Verachtung, deren harter, deutscher Akzent sich nur so durch seine Muttersprache fraß. Dabei tat es seinem Hass keinen Abbruch, dass der Mann so gar nicht wie auf seinen Missionen aussah, sondern regelrecht normal, regelrecht menschlich mit den tiefen Augenrändern, die Aya auch an Crawford gesehen hatte. Ganz im Gegenteil. Diese zur Schau gestellte Menschlichkeit widerte Aya mehr als alles Andere an. Ohne den Telepathen aus den Augen zu lassen, verfolgte er dessen Weg in die Küche hinein hin zur Kaffeemaschine. „Was trinkt denn dein Haustierchen so, Crawford?“, drang die enervierende Stimme an seine gereizten Ohren und Aya grub seine Nägel in die empfindliche Haut seiner Handballen, um sich davon abzuhalten, Schuldigs Gesicht mit der Nase voran auf die Anrichte zu schlagen und ihm eines der nahestehenden Messer aus dem Messerblock in den Nacken zu treiben. „Kaffee aus einer Tasse, die du ihm auf den Tisch stellen wirst“, lautete die lapidare Antwort des Orakels und schweigend sah Aya zu, wie der Anführer von Schwarz sich tatsächlich daran beteiligte, den Tisch zu decken. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es morgens war. Frühstückszeit. Alleine die Vorstellung verursachte ihm Übelkeit. Mit einem abgrundtief bösen Lächeln nahm Schuldig eine Tasse aus dem Schrank und stellte sie mit einer angedeuteten Verbeugung an den anscheinend für ihn gedachten Platz. Na so etwas, musste er also nicht vom Boden essen. Aya wusste nicht, was ihm lieber gewesen wäre, denn der Gedanke, mit Omis Folterern an einem Tisch zu sitzen, widerstrebte ihm zutiefst. „Nimm Platz, Fujimiya“, deutete das Orakel auf besagten Platz. Schweigend maß Aya den Fingerzeig und schauderte innerlich, als er begriff, dass sich dieser mit dem Rücken zu Farfarello befand. Es widersprach allem, was ihn bisher am Leben gehalten hatte, dem verrückten Mörder den Rücken zuzudrehen. Wie oft hatte ihn nur sein Instinkt vor den Messern dieses Mannes gerettet? Einmal zu oft, als dass er diesem Befehl nun freiwillig Folge leisten würde. So blieb er stehen, auch wenn sich die Schwarz – so auch Farfarello - setzten. Schuldig sah zu ihm hoch und grinste sein widerliches Grinsen. „Der Neuzugang hört nicht, Brad. Anscheinend ist er ungehorsam. Darf ich?“ Aya hörte etwas Lauerndes in der Frage des Telepathen, das ihn unwillkürlich einen Schritt zurücktreten ließ. Er befand sich in Gefahr, schrie ihn sein Instinkt an und er wurde überflutet von eben jener Warnung, die, so wusste Ayas logisches Denken, ihm gar nichts einbringen würde. Nicht mit einem Orakel, einem Telekineten und einem Telepathen in unmittelbarer Reichweite. Crawford jedoch reagierte nicht auf die herabsetzenden Worte, sondern nahm sich in aller Ruhe die Kaffeekanne. Ohne aufzusehen antwortete er ihm, nicht Schuldig auf dessen Frage. „Setz dich hin, Fujimiya oder du wirst wie ein kleines, bockiges Kind hingesetzt.“ Schlichte und strenge Worte, die ihm eine eindeutige Warnung waren, es nicht zu weit zu treiben. Aya kannte den Ton. Er hatte selbigen bei Crawford benutzt, als dieser sich in seiner Gewalt befunden hatte und seiner Gnade ausgeliefert gewesen war. Er hatte Crawford damit gedroht, ihn mit nicht existenten Dingen zu foltern. Da konnte er jetzt von Glück reden, dass der andere Mann sich nicht der gleichen Methode bediente. Langsam, wie unter Schmerzen, trat er einen Schritt nach vorne, dann noch einen. Er zwang sich auch zu dem Dritten und warf einen stummen Blick auf den Tisch und den noch freien Stuhl, der sich zwischen Naoe und Farfarello befand. Vorsichtig ließ er sich darauf nieder und wieder war es Crawford, der Worte an ihn richtete, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen. Die aber durchaus ihre Berechtigung hatten, auch wenn sich Aya das nicht eingestehen würde. „Du wirst dich deiner Aufgaben, die du im Gegenzug für die exzellente Behandlung deiner Schwester für Schwarz ausführst, nicht entziehen, indem du dich in diesem Haus aushungerst. Entweder, du isst freiwillig oder du wirst dazu gezwungen. Was von beidem darf es sein?“ Nun kamen die hellen, stechenden Augen doch hoch und bohrten sich mit einer Intensität auf ihn, die Aya schaudern ließen. Gleichwohl war es aber Wut, die in ihm hochwallte. „So wie du bei Lasgo?“, verließ es abfällig seine Lippen und er streckte fordernd die Hand nach der Kanne Kaffee aus, die sich noch in der linken Hand des Amerikaners befand. Aya hatte kein Interesse daran, Crawfords Geheimnis zu schützen, ganz im Gegenteil. Sollte sein Team sehen, wie hilflos der Amerikaner selbst gewesen war. Er bohrte seinen Blick in den des Schwarz und stumm fochten sie ihren Kampf um die dunklen Erinnerungen an die beiden Tage aus. Stumm rangen sie um die Wahrheit, die dahinterstand, die hässlichen Auswüchse, die all das getrieben hatte. Schlussendlich war es Farfarello, dessen Hand sich um Ayas Handgelenk legte und dieses mit roher Gewalt auf den Tisch zwang. Eisern quetschten die vernarbten Finger ihm das Blut ab, während der Ire ihm seinen Teller volllud mit Dingen, die er nicht kannte und auf die er auch keinen Hunger verspürte. Aber anscheinend würde er sie essen, ebenso, wie er den Kaffee trinken würde, den Crawford ihm nun mit Verspätung und einem warnenden Zug um den Mund reichte. „Wo wir gerade beim Thema sind, Abyssinian. Was habt ihr beiden Turteltäubchen eigentlich bei Lasgo zusammen getrieben?“, fragte Schuldig zu nonchalant, als dass es bissiger Humor sein konnte und Aya sah aus dem Augenwinkel, wie Naoes Kopf hochfuhr. Die Frage war alles Andere als harmlos und für einen Moment war Aya versucht, jetzt und hier dem gegnerischen Team die Unzulänglichkeit und Hilflosigkeit ihres Anführers vor Augen zu halten. Doch seine berechtigte Angst um seine Schwester und was Crawford ihr mithilfe der für ihn arbeitenden Telepathin antun würde, hielt ihn zurück, konnte sich Aya nur zu bildlich vorstellen, was Crawford ihr antun lassen würde, als dass er nun die ihm auf der Zunge liegenden Worte veräußern würde. Schuldig war da vermeintlich ein besseres Ziel, auch wenn Aya zugeben musste, dass es seine Unbeherrschtheit war, die ihn in diesem Moment antworten ließ. „Wir haben Arschlöcher wie dich getötet“, erwiderte er und der Raum wurde von jetzt auf gleich totenstill. Aya war es, als könne man eine Stecknadel fallen hören und was man tatsächlich sehr deutlich hörte, war das zufriedene Seufzen des Iren, während er sich ein zweites Brötchen nahm. Schuldig hingegen schien alles andere als glücklich mit der Antwort zu sein und Aya feierte innerlich diesen kleinen Sieg über den Telepathen, dessen Missfallen klar auf seinem Gesicht geschrieben stand. „Erfolglos, möchte ich meinen, wenn dir der dickste Fisch im Teich entwischt ist und die für Weiß zuständige Agentin euch gleich mit verraten hat.“ Schuldig grinste und Aya ballte unter der Tischplatte die Hand zur Faust. „Nicht nur mir, anscheinend. Ich war nicht alleine erfolglos damit, Lasgo zu töten“, erwiderte Aya und nun war es seine Stimme, in der eine eindeutige Warnung mitschwang, das Thema nicht weiter zu verfolgen. Mit einem letzten Blick in das höhnische Grinsen des Deutschen widmete er sich nun endlich seinem Kaffee und dem westlichen Frühstück, das ihm wie Schmirgelpapier den Rachen hinunterglitt. Aber, so konnte es Aya in der aufkommenden, gefräßigen Stille mit einiger Genugtuung sehen, war er nicht der Einzige, der sich zwingen musste. Crawford würgte ebenso widerwillig das Essen hinunter wie er selbst. Auch wenn er es nicht wollte, so trugen Ayas Gedanken ihn zu ihrem vergangenen Gespräch über die jeweiligen Köche ihrer Teams. Aya hatte niemals gedacht, dass er Zeuge sein würde, wie Naoe sich sein Frühstück mithilfe seiner Gabe zusammensuchte und die bunten Cornpops jeweils eine Extrarunde drehten, bevor sie in der Milch landeten. Er hätte auch nicht gedacht, dass Farfarello etwas anderes als beinahe rohes Fleisch essen würde und dennoch begnügte sich der verrückte Ire mit einem einfachen Omelett, das er liniengenau sezierte. Als wenn Crawford seine Gedanken gelesen hätte, richtete er seine Aufmerksamkeit auf ihn und maß ihn eindringlich. „Du wirst dich an den allgemeinen Hausarbeiten beteiligen, Fujimiya. Nagi wird dir den Plan geben und ich erwarte deine Mithilfe.“ „Sklavenarbeit, meinst du.“ Der Amerikaner schnaubte. „Nenne es, wie du willst. Erneut: du wirst etwas für die exzellente Versorgung, die deine Schwester im Gegensatz zu den Stümpern im Magic Bus genießt, tun.“ Als wenn Aya die Erinnerung an die Geiselhaft seiner Schwester noch ein weiteres Mal gebraucht hätte um zu wissen, wie wenig freiwillig er hier war. Er schwieg und leerte seine Kaffeetasse, spülte damit die letzten Krümel, die sich in seiner Speiseröhre verfangen hatten, hinunter. Inmitten der Anderen versuchte er einen Punkt der Ruhe zu finden, von dem aus er Gelassenheit ziehen konnte. Und war es nicht genauso wie bei Lasgo, nur dass es dieses Mal nicht fünf, sondern zwölf Wochen waren, die er fernab von seinem Team verbrachte, bevor es zur Katastrophe kommen würde? Er spielte hier eine Rolle und hatte sein Innerstes, in das er sich zurückziehen konnte, das niemand von ihnen, selbst Schuldig nicht, erreichen konnte. „Apropos, Fujimiya“, holte ihn eben jener aus seinen Gedanken zurück und Aya tauchte widerwillig aus eben jenen wieder auf. Er ahnte, dass das, was aus dem Mund des Telepathen kommen würde, nicht gut sein würde. Er ahnte, dass das Grinsen des Mannes die Einleitung für die nächste Katastrophe bilden würde. „Wie geht’s eurem Kleinen? Befindet er sich in den liebenden Armen seines Teams, die ihm die hilflosen Tränchen trocknen?“, fragte Schuldig mit eben jenem Unterton, der ausreichte, dass jeder Geduldsfaden und jede Kontrolle, die Aya bislang über sich gehabt und mit der er die Anwesenheit der Schwarz überstanden hatte und glaubte, überstehen zu können, mit einem lauten Knall zerriss. Ebenso laut, wie nun das Geräusch seiner auf die Wange des Telepathen treffenden Faust war, die zielsicher ihren Weg fand, als Aya an Naoe vorbei über den Tisch langte, seine Reflexe schneller als Schuldigs Instinkte, wie es schien. Das Meiste, was auf dem Tisch stand, wurde durch seine rohe Gewalt umgeworfen. Teller, Tassen und Schüsseln flogen durcheinander und bildeten in ihrem lautmalerischen Chaos die perfekte Untermalung für seinen zweiten Schlag, der ihm jedoch nicht so leicht gelingen wollte, wie der erste. Schuldig fluchte bildgewaltig und hielt dagegen, gewohnt schnell. Er blockierte Aya mit einem abgrundtief bösen Knurren, über das der Weiß beinahe Crawfords allzu gelangweilten Befehl überhört hätte. „Nagi.“ Ein Wort, das reichte, damit der Telekinet ihn eisern vom Tisch wegzog und auf die Knie presste, die in schmerzhaftem Kontakt zum Boden kamen. Hasserfüllt fletschte er die Zähne und starrte in die blauen, wütenden Augen. „Als wenn du es geschafft hättest, ihn zu brechen, Mastermind“, grollte er erbost und wehrte sich gegen die unsichtbaren Fesseln, die ihn eisern und schmerzend am Boden hielten und ihm zu verstehen gaben, dass er einen großen Fehler gemacht hatte, sich auf die Worte des Telepathen einzulassen. „Oh ich hatte nicht vor ihn zu brechen. Ich habe ihn lediglich dafür bestraft, dass er mit Lasgo geschlafen hat“, erwiderte Schuldig mit einem Grinsen, das teuflischer nicht sein konnte und Aya grollte wütend. Natürlich musste Schuldig genau darauf anspielen. Natürlich musste er ihm das an den Kopf werfen. Aya presste die Lippen zusammen, als er sich davon abhielt, hinterherzuschieben, dass zumindest eine andere Personen im Raum ebenfalls mit Lasgo geschlafen hatte und dass dieser ebenso wenig wie Omi auch sich dem Verbrecher freiwillig oder bewusst hingegeben hatte. Er musste nur den Mund aufmachen und dann gäbe es kein Halten mehr. Doch wieder war es der Ire des Teams, der sich seiner annahm und ihm warnend die Klinge seines Messers ein den Mund schob und auf die Zunge presste. Erstickt würgte Aya, zwang sich jedoch, inne zu halten um nicht noch sein Leben hier in der Küche auszuhauchen, weil der verrückte Ire meinte, ihn aufschlitzen zu müssen. „Kein Wort, Arielle“ murmelte dieser und das noch verbliebene Auge bohrte sich weit über die körperlichen Grenzen hinaus tief in seine Seele. In diesem Moment wurde Aya bewusst, dass der Mann vor ihm über alles Bescheid wusste. Das schwere Wissen in dem einen Auge drückte ihn beinahe mehr hinunter als es die Telekinese vermochte und mit einem abgehackten, erstickten Laut gab Aya nach. Das Messer verließ seinen Mund und Aya schloss abrupt seine Lippen. Er schmeckte Blut, doch das war ein kleiner Preis angesichts des Messers. Schweigend, aber mit nicht geringer Genugtuung beobachtete er, wie Schuldig sich einen Eisbeutel aus dem Gefrierfach holte und ihn sich ins Gesicht presste. Geschah dem Telepathen Recht und es reichte noch nicht einmal an das heran, was er dafür verdient hatte, dass er Omi gefoltert hatte. Dass eben jener den Eisbeutel nun in die Spüle war und zu ihm kam, war logisch. Ebenso logisch, dass Schuldig ihm mit voller Wucht ins Gesicht schlug um sich zu rächen. Das tat jedoch dem Schmerz, der durch Ayas Kiefer zog, keinen Abbruch und sein Kopf ruckte zur Seite. Naoe ließ ihn beinahe im gleichen Moment los, sodass auch der Rest seines Körpers Zeit hatte, seinem Kopf auf den Boden zu folgen, auf dem er nun hart auftraf und für lange Augenblicke Sterne sah. Lange genug, dass Schuldig ihn an seinen Haaren packen und ihn zu sich hochziehen konnte. „Es wird Zeit, dass du dich an deine Position hier gewöhnst, Weiß“, knurrte der Telepath über ihm, während Aya sich mit aller Macht davon abhalten musste, ein weiteres Mal zuzuschlagen. „Du bist nichtmal soviel wert wie das Schwarze unter unseren Fingernägeln. Du bist Dreck, der dazu gedacht ist, seine Aufgabe zu erfüllen und dem es nicht zusteht, eine eigene Meinung zu haben.“ Schuldigs Worte schmerzten ihn mehr als Aya es wirklich einzugestehen bereit war. Birman hatte ihm Ähnliches zu verstehen gegeben, als sie keine Zeit verloren hatte, ihn mit seiner Schwester zu erpressen. Wertlos war er, eine Waffe, die man nach Belieben nutzen konnte, wenn man nur die richtige Leine in der Hand hielt. „Und wie es mein…nein unser gemeinsamer Anführer so will, werden wir beide uns jetzt etwas näher unterhalten über deinen unnützen Ungehorsam deinen neuen Herren gegenüber.“ Schuldig zog ihn an seinen Haaren hoch und Aya stöhnte schmerzerfüllt auf. Sein Blick ruckte zu dem des Amerikaners, doch natürlich erhielt er von diesem keine Hilfe. Warum sollte es auch, wenn es sich um einen Befehl des Orakels handelte. Anders konnte er sich den nachdenklichen Blick aus hellen Augen nicht erklären, der sich nun zuerst auf ihn, dann auf Schuldig richtete, bevor der Telepath ihn mit roher Gewalt aus der Küche zog. ~~**~~ Die Handschellen, mit denen Schuldig ihn an die Gitterstäbe dieses Käfigs, denn nichts Anderes war diese Kellerzelle, gefesselt hatte, bissen sich schmerzhaft in seine Haut. Ungebeten kam Aya das Bild von Crawford vor Augen, der in einer ähnlichen Position über Stunden verharrt hatte. Er erinnerte sich an den Anblick der Handgelenke, ebenso wie er sich daran erinnerte, dem Amerikaner geholfen zu haben, dessen Verwundungen zu versorgen. Das hatte er nun davon. Das alles hier hatte er davon. Aya verspürte seltsame Ruhe bei dem Gedanken daran, dass er nun schlussendlich doch einen verlässlichen Beweis für Crawfords allumfassende Bosheit erlangt hatte. Der Schwarz war nichts Anderes als erfüllt von Verdorbenheit und Sadismus, also gab es kein Delta zwischen seiner vorherigen Einschätzung und dem wahren Charakter des Orakels. Das war tatsächlich beruhigend, war die Welt also doch weiß und schwarz. Das würde dem körperlichen Schmerz, den Schuldig ihm nun zufügen würde, aber keinen Abbruch tun. Bisher hatte der Telepath es sich an der gegenüberliegenden Wand gemütlich gemacht und begnügte sich damit, ihn schweigend anzustarren. Er verursachte Aya damit eine unwohle Gänsehaut, die sich über seinem ganzen Körper ausgebreitet hatte. Es war kalt hier unten und Aya war sich sicher, dass er spätestens in einer Stunde, wenn nicht sogar mehr, anfangen würde zu zittern. Natürlich war das einkalkuliert. Natürlich war all das hier einkalkuliert und Aya fragte sich unwillkürlich, ob sie ihm das Gleiche antun würden wie Omi. Drei Monate körperlicher Folter und erzwungener, telekinetischer Heilung. Ein stetiger Teufelskreislauf. „Plötzlich so still, Fujimiya? Hast du mir keine hasserfüllten Worte mehr entgegen zu spucken? Die Ehre deines Taktikers zu verteidigen? Um Gnade zu winseln?“ Aya schwieg. Er hatte immer noch Kopfschmerzen von Schuldigs Schlag und dachte nicht daran, den provozierenden Worten des Deutschen nur für dessen eigene Belustigung zu folgen. Aya lehnte den Kopf an die Gitterstäbe und verankerte seinen Blick in die blauen Augen des Telepathen. Was war es wohl gewesen, was Omi gefühlt hatte in den Stunden, in denen Schuldig ihn in seiner Gewalt gehabt hatte? Was hatte Schuldig ihn sehen, ihn fühlen lassen? Aya war sich sicher, dass, was auch immer es war, er es Schuldig in tausendfacher Form wünschte. Ein Geräusch ließ ihn aufsehen. Schuldig hatte sich von der Wand abgestoßen und kam nun auf ihn zu, wie ein Raubtier seine Beute anvisieren und verschlingen würde. Instinktiv presste Aya sich gegen die Gitterstäbe um der Nähe des Schwarz zu entkommen, doch vergeblich. Schuldig lehnte sich in unmittelbarer Nähe zu ihm an das kalte Metall und fixierte ihn mit einem dunklen Lächeln. „Möchtest du gar nicht wissen, was ich mit dir vorhabe, Abyssinian, wo mir doch deine Gedankengänge verborgen bleiben? Möchtest du gar nicht wissen, welche Art der Folter auf dich warten wird in der Zeit, die du hier bei uns verbringen wirst?“ Aya schwieg weiterhin. Schuldig wollte sich also selbst einen darauf runterholen, was Aya dachte, dass er ihm antun würde? Das konnte er vergessen. „Weißt du, ich stehe darauf, wenn sie mitarbeiten“, lächelte der Telepath gnadenlos. „Wenn sie schreien und betteln und flehen. So wie dein kleiner Taktiker. Weißt du, dass er mir letztendlich angeboten hat, mir den Schwanz zu lutschen, nur damit ich aufhöre, ihn zu quälen? Hat er dir das erzählt?“ Schuldig grinste und Aya starrte ungläubig in das amüsierte Gesicht. Hatte Schuldig Omi tatsächlich dazu gezwungen, ihn zu befriedigen? Hatte er ihn vergewaltigt? Gegen seinen Willen ballten sich Ayas Hände zu eisernen Fäusten und er grollte. „Natürlich habe ich nicht aufgehört, aber etwas Anderes hättest du von mir auch nicht erwartet, oder, Abyssinian? Aber keine Sorge, geblasen hat er mir keinen und gefickt habe ich ihn auch nicht. Das habe ich mir aufgespart.“ Angewidert wandte Aya seinen Blick ab und bohrte ich auf die mit Gitterstäben versehene, nackte Birne, die den Raum in kaltes Licht tunkte. Aufgespart? Für wen? Doch wollte Aya auch wirklich die Antwort auf die Frage haben? Nein. Lieber ließ er die Erleichterung darüber, dass ihr Jüngster von Schuldig nicht auch auf diese Art und Weise gefoltert worden war, seine eigene Wut stärken. Die Hand in seinen Haaren, die eisern und brutal an ihnen riss, begrüßte Aya mit einem Zischen. Alles Weitere darüber hinaus verbot er sich, selbst, als Schuldigs Faust erneut Kontakt mit seiner Wange machte. Innerlich lachte Aya darüber, wenngleich das Lachen an den Kanten bereits verdächtig ausfranste und an den Rand der Hysterie gelangte. Wenn der Schwarz so weitermachte, wäre er bewusstlos, noch bevor sich dieser entschloss, ihm anderweitige Knochen zu brechen. Vielleicht war das gar nicht mal so verkehrt, beschloss Aya und verzog die schmerzenden Lippen zu einem spöttischen Lächeln. Schuldig schlug noch weitere zwei Male zu, bevor er seinen Kopf zu sich herumzog und ihn zwang, den Telepathen anzusehen. „Also. Kommen wir zu dem, was ich von dir will, Abyssinian. Es ist eigentlich ganz einfach. Du wirst mir Zutritt in deine Gedanken gewähren, die du jetzt noch mit dieser unnützen, dicken Mauer umgibst, die für mich ein lästiges Hindernis sind.“ Für einen Augenblick starrte Aya ihm in das Gesicht und versuchte, den allzu sinnlosen Worten zu folgen, die Schuldigs Mund verlassen hatten. Warum in aller Welt sollte er dem Telepathen Zugang zu seinen Gedanken gewähren? Aus welchem Anlass sollte er dem Telepathen noch mehr Angriffsfläche bieten? Aya lachte. Bitter und beißend, aber er lachte. Er lachte und spuckte Schuldig blutigen Speichel ins Gesicht. „Fick. Dich“, grinste er und lachte weiter, konnte gar nicht mehr aufhören damit. Aya gab die Kontrolle über seine eiserne Selbstbeherrschung auf, er ließ sich gehen und ließ die ungläubige Irritation die Oberhand gewinnen, die sein Herz im hysterischen Griff hielt. Und es war schön zu sehen, wie er Schuldig damit aus dem Konzept brachte, auch wenn dessen Fassungslosigkeit nicht lange anhielt. Wieder wurde ihm ins Gesicht geschlagen, doch dieses Mal begnügte sich Schuldig nicht damit. Wütend drehte er sich von ihm weg und ging zu der überraschend blütenreinen Matratze. Das längliche Stück Stoff, welches er aus dem Matratzenbezug riss, stellte sich als Knebel heraus, mit dem er Ayas Kopf an die hinter ihm liegenden Gitterstäbe fesselte und schließlich so eng zuschnürte, dass es Aya in die Mundwinkel schnitt. Aya würgte die ersten Sekunden, bevor er seine nun verminderte Atmung genug unter Kontrolle bekam, dass er nicht erstickte. Er schluckte panisch, bevor er seine Angst und sein schnell schlagendes Herz unter Kontrolle bringen konnte. Letzteres gelang ihm nicht. Das, was vorher gnädig absent war, kam nun mit voller Wucht, zum Teil befeuert durch Schuldigs Nähe und dessen Worte, die nun an sein überreiztes Ohr drangen. „Ich verrate dir, was ich machen werde und für wen ich mich aufgespart habe. Ich werde dich ficken, Fujimiya. Nicht im übertragen Sinne, sondern wortwörtlich. Ich werde dir deinen weißen Arsch soweit aufreißen, dass ihn dir selbst der beste Chirurg nicht mehr zusammennähen kann. Und zwischendrin werde ich dir meinen Schwanz immer wieder so tief in den Rachen stecken, dass du glaubst, dass du erstickst und dann werde ich dich atmen lassen. Ich werde dieses Spiel solange spielen, bis du nur noch ein zuckendes Häufchen Elend bist. Aber glaube mir, nach dem ersten Mal wird es einfacher werden für dich. Ich werde dich so lange ficken, bis du daran zerbrichst, Fujmiya und wenn das der Fall sein sollte, dann mache ich mit deiner Schwester weiter, der lieblichen, kleinen, komatösen Aya, die noch nicht einmal merken wird, wenn ich in ihr komme. Meinst du, ich kann sie damit schwängern und viele kleine Telepathen für Rosenkreuz produzieren? Wäre doch niedlich, oder?“ Ungeachtet der Fesseln, des Knebels bäumte sich Aya auf. Jetzt, in diesem Moment hätte er Schuldig gerne alles entgegengeschleudert, was er aufzubieten hatte. Schuldig durfte seine Schwester nicht anrühren, unter keinen Umständen. Nicht Aya, die er die ganze Zeit über versucht hatte zu beschützen. Nicht Aya. Nein, nicht sie Verzweifelt kämpfte er dagegen an, doch vergeblich. Das Einzige, was er damit erreichte, war, dass Schuldig sich lachend zurücklehnte und ihn mit voller Zufriedenheit betrachtete, bevor er seine Hände an den Jeansbund der Hose legte und den obersten Knopf legte. Spielerisch öffnete er ihn ebenso wie nun den Reißverschluss, bevor er mit einem Ruck die Jeans hinunterzog. Aya presste seinen Hinterkopf gegen die Gitterstäbe und presste die Augen zusammen. Bei allem, was ihm heilig war, nein. Nein! Das durfte nicht sein. Nein! Bitte nicht, flehte er innerlich, während er ob des Atems schauderte, der über sein Gesicht strich, als Schuldig sich wieder an ihn schmiegte. Doch bevor er weitermachen konnte, hielt der Telepath inne und schien auf etwas zu warten, das ihn schlussendlich auflachen ließ. „Ach herrje, Fujimiya, was hast du für ein Glück. Da werde ich doch tatsächlich von meinem Team gebraucht.“ Verächtlich wurde ihm die Wange getätschelt. „Bleib schön hier und freu dich auf das, was kommt. Ich kann dir sagen, dass ich mich auf jeden Fall freuen werde.“ Aya musste seine Augen nicht öffnen, um das Lächeln in den Worten zu sehen. Und erst, als Schuldig sich von ihm löste und den Käfig verließ, wagte er es, seine Augen wieder zu öffnen. Unwillkürlich zuckte er zusammen, als das Licht erlosch und er in dem fensterlosen, stillen, ihn begrabenden Raum alleine war. Aya schluchzte erstickt. Es sollte ihn nicht wundern, dass das passierte. Es sollte ihn nicht wundern, dass Schuldig zu solchen Mitteln griff. Doch er hatte anscheinend bis zuletzt die Hoffnung gehegt, dass Schuldig sich nicht Lasgos Methoden bediente. Dass er doch noch einen Funken Ehre und Respekt in seinem Körper hatte und sich nicht seiner Schwester bedienen würde. Anscheinend war das zuviel verlangt und so blieb Aya nichts Anderes mehr übrig als möglichst lange durchzuhalten um sie zu schützen. Aya rief sich das Bild seiner lachenden Schwester in Erinnerung. Unschuldig, schützenswert, sein Ideal. Seine Schutzheilige. Gleichwohl rief er sich all die schönen, intimen Stunden mit Männern ins Gedächtnis, die er je in seinem Leben verbracht hatte, in dem Wissen, dass er sie nach Schuldigs Folter nie wieder zu schätzen wissen würde. Bitterkeit wallte in ihm hoch. Er musste sich keine Gedanken darüber machen, was nach den drei Monaten passierte. Wenn er es schaffte, bis dahin zu überleben, dann würde er Aya wieder zurückbringen in das Krankenhaus, aus dem sie entführt worden war. Er selbst… ~~**~~ Die Art, wie ihre Nervensäge aus dem Keller kam, missfiel Jei. Nun könnte man sagen, dass ihm alles an dem Telepathen missfiel und gelogen wäre das sicherlich nicht, aber es gab Dinge, die ihm insbesondere nicht gefielen und das war die Siegessicherheit des arroganten Mannes, der sich nun – für seine alltäglichen Fernsehsendungen, die ihm Tiere und Pflanzen zeigten – in ihr Wohnzimmer begab, was just der Raum war, in dem sich Jei befand. Noch. „Keine Lust auf Tierdokus, Jei?“, wurde er von der schnarrenden Stimme gefragt und Jei fletschte die Zähne. „Du stinkst“, erwiderte er und Schuldig hob betont lässig den Arm, roch an seiner Achsel. Er zuckte mit den Schultern und beschmutzte die Couch mit seiner Anwesenheit, die bis vor kurzem noch rein und schuldlos gewesen war. „Ich bin’s nicht. Fujimiya vielleicht?“, waberte dieses widerliche Grinsen zu ihm und Jei drehte sich weg von dem Quell seines Unmutes. Er hatte Besseres zu tun als Zeuge von blutigen Massakern und Familiendramen zu werden. Er hatte Fujimiya und eine Aufgabe. Jei seufzte tief, als er wartete, bis ihm niemand in die Quere kam, wenn er ihrem Gast einen Besuch abstattete, der genau in jedem Keller untergebracht worden war, in den das Orakel ihn zunächst in der irrigen Annahme gesperrt hatte, dass dies der richtige Ort für ihn sei. Jei hatte ihn in der Annahme gelassen, solange bis es Zeit gewesen war, dem Kronprinzen zu zeigen, dass er falsch lag. Auch wenn dieser überraschend dumm und langsam gewesen war, bis er schlussendlich begriffen hatte, was richtig und was falsch war. Aber mit der Zeit hatte sich das gegeben und Jei war unweigerlich stolz auf die Fortschritte, die das Orakel gemacht hatte in den vergangenen Jahren. Doch diese Erinnerungen waren nun nicht wichtig. Er hatte dank der Sucht der Nervensäge genügend, wenngleich nicht ewig Zeit. Bestimmt öffnete er die Tür und schlüpfte in die Dunkelheit des Raumes, die er kannte wie nichts auf der Welt. Jeden Winkel kannte er auswendig, jede Kachel hatte er unter seinen Füßen bereits erspürt. Er kannte Abstände, Nuancen, Möglichkeiten, so führte ihn sein Weg zielstrebig zu dem Mann, dessen hektischer und ängstlicher Atem sich in der Stille des Raumes brach und direkt vor ihm an den Gitterstäben seinen Ursprung hatte. Jei hieß die Laute willkommen und umarmte sie, gab ihnen eine Heimat, da auch sie es verdienten, Grund und Boden zu haben, in dem sie sich nähren konnten, wie jedes andere Lebewesen auch. Er schmiegte sich an die Gitterstäbe und damit auch teilweise an den Körper des Zellenbewohners und atmete ruhig und bedacht in dessen Ohr um ihn zu beruhigen, denn, so hatte er gelesen, wenn man sich auf den ruhigen Atem einer ruhigeren Person konzentrierte, dann wurde man selbst ruhiger. Er ließ seine Hände die Aufgabe seines Auges übernehmen, und fühlte, was er sonst sehen würde. Zielsicher glitten seine Finger über die Gitterstäbe nach oben, auf seine Höhe. Stumm ertastete Jei die Haare, die weniger weich als die des Technikjungen waren. Über das klamme Gesicht fuhr er nach unten, blieb an dem Knebel hängen, der den Kopf des Weiß an die Gitterstäbe fesselte. Jei grollte unwillig und beließ ihn erst einmal dort, wo er war, denn er konnte weder Husten noch Erbrechen noch unnütze Worte gebrauchen, während er sich ein Bild machte vom Zustand ihres Gastes. Jei lauschte den Geräuschen, die der Stoff des Knebels nicht aufhalten konnte. Man konnte es Stöhnen nennen, gedämpft durch den allzu robusten Stoff. Es trug Nuancen von einem Wimmern in sich, die wiederum destilliert worden waren aus Angst vor dem, was kommen mochte und aus schlechten Erinnerungen an das, was bereits geschehen war. Blut roch Jei wenig, also hatte die Nervensäge sich noch zurückgehalten und es konnte keine lebensgefährliche Verletzung sein, die er ihm zugefügt hatte. Das Gesicht war es, es war zu heiß für unverletzte Haut gewesen. Der Oberkörper war immer noch eingehüllt in die Kleidung des Orakels. Doch als sich seine Hand auf dem Weg zur Hose machte und nur dünnen Stoff fand, wo er einen richtigen Hosenbund erwartet hatte, knurrte Jei missbilligend. War es da ein Wunder, dass der Körper vor ihm versuchte, mit aller Kraft vor ihm wegzubrechen? Nein, aber der aussichtslose Widerstand war trotzdem unsinnig, töricht und dumm. Sinnlosigkeit nervte ihn. Schuldig war also sinnlos. Ein schöner Gedanke, wenn auch nicht neu. Er wanderte wieder nach oben und löste den Knebel, der sich so brutal in die Mundwinkel des Weiß geschnitten hatte. Keuchend und hustend glich der Anführer in diesem und den folgenden Augenblicken seinem Taktiker und Jei wartete ab, bis er wieder ruhig wurde und das, was er am Besten tun konnte, tat: nämlich schweigen. Aber Jei wollte das langfristig nicht. Er wollte Antworten. „Mich hat die Nervensäge nie an die Gitterstäbe gefesselt“, murmelte er nachdenklich, während sich seine Hände neben dem Kopf um die Stäbe legten. Berührungen in dieser Situation waren notwendig um Angst zu erzeugen, für mehr nicht, also ließ er es, nachdem er gesehen hatte, was er hatte sehen wollen. Er hörte den Mann in der Dunkelheit schlucken und legte den Kopf schief. Für Tee und Müsliriegel war es noch zu früh und der rothaarige Mann war im Gegensatz zu seinem Taktiker sowieso generell zu alt dafür. Aber wie sollte er ihn dann zum Reden bringen? Schaffte die Beleidigung des Telepathen durch ihn selbst eine ausreichende Basis zwischen ihm und dem Weiß, die ihn zu seinen Antworten brachte? Tatsächlich, wie es schien. „Nervensäge?“, ertönte die raue, tiefe Stimme des anderen Mannes durch den stillen Keller und Jei rollte sein verbliebenes Auge. Als wenn das nicht offensichtlich war. „Der, der dich an die Gitterstäbe gefesselt hat.“ „Schuldig.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, auch wenn die Stimme den Umständen entsprechend vorsichtig war. Jei würdigte das Offensichtliche keiner Antwort. Es gab Wichtigeres. „Du hast ihn hierhin zurückgebracht und nicht zu denjenigen, denen du gehorchst. Warum?“, fragte er und der Weiß zuckte vor seinen Worten zurück, als hätte er ihn mit ihnen geschnitten. Die Wahrheit schmerzte, war so manches Mal schärfer als es eine Klinge jemals sein konnte. Jei schmunzelte. „Woher weißt du das?“ „Es ist meine Aufgabe zu wissen. Warum hast du es getan?“ Die Atmung des Mannes vor ihm änderte sich. Er hatte keine Angst, denn sie wurde nicht schneller. Sie wurde langsamer. Kontrollierter. Interessant, befand Jei, denn es deutete auf Wut hin. Auf Frustration. Was an der Frage löste das aus? „Schuldig hat dich vorgeschoben“, verließen Worte die Lippen, die ihn wütender nicht machen konnten. Abrupt und überschäumend erzürnte ihn eben jener Zorn, den er sonst für den Telepathen reserviert hatte. Erbost zischend fasste Jei die losenden Enden des Knebels und zog sie und den empfindlichen, ungeschützten Hals des Weiß daran zu sich. Mit Lust am Töten würgte er den Mann vor sich und überrascht keuchte der Weiß. Ebenso nutzlos wehrte er sich gegen den Stoff, der ihm abrupt die Luft zum Atmen raubte. Fester und fester drückte Jei zu, gab beinahe seinem Drang nach, dem Weiß das elendige Leben auszuhauchen, mit dem dieser gesegnet worden war. Beinahe… doch er konnte sich kontrollieren. Mittlerweile konnte er sich kontrollieren. „Wag es ja nicht, mich noch einmal mit dem Telepathen zu vergleichen, Weiß“, zischte er missbilligend und wartete noch einen Moment, in dem er die Bewegungen des sich wehrenden Körpers mit dem seinen erfühlte und sich an der Todesangst labte, die sich direkt vor ihm ausbreitete und immer und immer größer wurde. Doch der Weiß hatte noch eine Aufgabe, also durfte er nicht sterben, nicht brechen, nicht verstümmelt, nicht übermäßig verletzt werden. Jei seufzte und ließ ihn los, wartete, bis sich das verzweifelte Husten und Röcheln in ein raues Keuchen umwandelte, das zu einem schwerfälligen, verzweifelten Atmen wurde. Abfällig rollte er mit dem Auge. „Also. Warum?“, kam er zu dem einzigen Thema zurück, das von Interesse war. Die Antwort darauf ließ auf sich warten, verständlich angesichts der emotionalen und körperlichen Reaktionen. Das bedeutete aber nicht, dass die Tiersendungen der Nervensäge ewig andauerten und spätestens danach würde der rothaarige Telepath wieder hier unten sein und weitermachen mit dem, was das Orakel ihm aufgetragen hatte. „Ich hatte Mitleid“ presste der Weiß überraschend schnell durch seine geschundene Luftröhre und Jei legte den Kopf schief. „Mitleid“, wiederholte er langsam, nachdenklich beinahe. Damit konnte er nichts fangen und es erschloss sich ihm auch nicht. „Warum war das angemessen?“, wollte er wissen und die Dunkelheit verbarg die Überraschung des Weiß gut. Lediglich der Kontakt der Handschellen mit den Gitterstäben verriet die Unruhe ihres Trägers ob der Frage. Auch diese verstand Jei nicht. „Ich verstehe die Frage nicht.“ Jei legte den Kopf schief. Dumm war der Weiß nicht und begriffsstutzig ebenfalls nicht. Also musste es zwangsläufig daran liegen, dass er an seine Art der Sprache nicht gewohnt war. Vielleicht sollte er es also mit dem Sprachmuster versuchen, an das der Weiß bereits gewöhnt war? Jei beschloss, diesem Versuch die nötige Zeit zu geben. „Deine emotionale Verfassung hat dazu geführt, dass du dich dazu entschlossen hast, einen dir feindlich gesinnten Agenten, dessen Tod dir einen Vorteil verschafft hätte, zurück in die Hauptstadt deines Landes zu bringen, in der sich auch deine Basis befindet. Anstelle ihn deinen Auftraggebern auszuliefern, wie es von dir verlangt, sinnvoll und logisch gewesen wäre, hast du für ihn ein Hotelzimmer angemietet und bist zu deinem Team gefahren, das du teilweise in Kenntnis über deine Taten gesetzt hast. Meine Frage lautete, welche Gefühle dich mit welchen Überlegungen dazu gebracht haben, diese Entscheidungen zu treffen“, imitierte Jei die detailreichen Wiedergaben ihrer Aufträge durch das Orakel und legte ebenso die entsprechende Stimmfärbung in seine Worte. Es machte ihm keine Mühe, aber der überraschte Laut des Weiß entlohnte ihn in keinem Fall für seinen Versuch, dem Unwissenden Wissen beizubringen. „Es schien mir richtig“, drang es noch viel unbefriedigender von dessen Lippen und Jei grollte erneut. „Warum?“ „Er war verwundet.“ „Nicht mit tödlichen Verletzungen.“ „Lasgo hat ihn gefoltert.“ „Du benutzt nicht den richtigen Ausdruck für die Taten.“ Unsicheres Schweigen antwortete ihm und Jei merkte, dass er Wut in seine Stimme hatte einfließen lassen. Anscheinend verursachte diese die Angst. Im Gegensatz zu seinem Taktiker, ließ sich der Anführer aber nicht von dieser leiten und so erhielt Jei seine Antwort. „Ich war der Meinung, dass er das nicht verdient hat.“ Jei wog die Antwort des Weiß ab und prüfte sie auf Schlüssigkeit. Er konnte keine Hinweise auf eine Lüge oder aber ein Auslassen der Wahrheit erkennen. Es gab auch keinen Grund, warum der Weiß ihn anlügen sollte um sein eigenes Leben zu retten, denn schließlich war er nicht die Nervensäge. Kommentarlos vergrub Jei seine rechte Hand in den Haaren des Weiß und zog ihn daran zurück an die Gitterstäbe. Er brachte seine Lippen ganz nah an das Ohr des anderen Mannes. „Mir reicht dein Wort, aber der Telepath wird sich nicht damit zufriedengeben. Gib ihm, was er will und er wird dich nicht brechen. Behalte deine hohen, unüberwindbaren Mauern und erlebe, wie er dich Stück für Stück auseinanderreißt, bis nichts mehr übrig ist“, raunte er die Belohnung für die Informationen in das Ohr des stocksteifen Mannes. Er roch Angst und sie war mehr als berechtigt. Jei lachte leise und drehte sich weg. „Bis morgen…vielleicht…“, warf er über seine Schulter, bevor er die Tür hinter sich schloss und den Geruch und die Geräusche des Weiß aussperrte. Sirko und das ukrainische Märchenbuch warteten auf ihn. Das Philippinische hatte zu warten, bis der Weiß wieder bei Verstand war. Falls. ~~**~~ Aya wusste nicht, wieviel Zeit seit dem Besuch des Iren vergangen war und er gehabt hatte, seine Angst vor dem Kommenden zu kultivieren, bevor sich die Tür sich erneut öffnete und ihm beißend weißes Licht in die Augen stach. Er wusste, dass es töricht war, die Augen zu schließen angesichts des Feindes, der nun hinter seinem Rücken auf ihn warten würde, doch er ertrug die Helligkeit nicht. Und wenn er ehrlich war, wollte er dem Monster, das sich nun zu ihm gesellte, auch nicht in die Augen sehen, egal, welcher Schwarz es war. Die Haut um seine Handgelenke herum schmerzte und seine Arme waren schwer und kribbelten vor anstehender Taubheit. Die furchteinflößende Begegnung mit dem Iren steckte ihm in den Knochen und Aya schluckte schwer, als die erwartungsvolle Stille weiterhin anhielt. Doch jetzt war nicht der Moment, um darüber nachzudenken. Jetzt musste er sich auf das konzentrieren, was ihn erwartete und wenn er dem vernarbten Mann auch nur einen Funken Glauben schenkte, dann würde Schuldig alles daransetzen, seinen eigenen Willen zu bekommen und den seinen zu brechen. Mit allen Mitteln. Notfalls mit seiner Schwester. Und Aya war sich nicht so sicher, ob er nicht schlussendlich dem Drängen nachgeben würde nur um sie und sich zu retten. Denn was waren seine Schilde gegen die Telepathie des Deutschen wert, wenn dieser ihn körperlich so sehr folterte, dass er alleine dadurch schon den Verstand verlor und er dann bei Aya weitermachte? „Na so etwas, haben wir hier etwa einen Houdini oder wie darf ich mir erklären, dass du dich von deinem Knebel befreit hast, du ungehorsamer Weiß?“ Aya versteifte sich unwillkürlich angesichts der vor lockendem Zynismus triefenden Stimme. Schuldig wusste nichts von dem Besuch seines Teamkollegen? Unter anderen Umständen war das genauso wie die keinesfalls übersehbare Abneigung des Iren gegen den Telepathen eine nützliche Information. Jetzt brachte sie aber rein gar nichts, außer dass er Schuldig damit noch mehr provozieren würde. Aya öffnete gerade rechtzeitig die Augen, um zu sehen, wie der Schwarz ebenfalls in den Käfig trat und ihm über die Wange strich. Schweigend drehte er den Kopf weg, sinnlos, das wusste er, aber ein für ihn selbst notwendiger Akt des noch existierenden Widerstandes gegen den Mann, der Omi gefoltert hatte. Schuldigs Augen maßen ihn amüsiert. „Immer noch so stur? Oder liegt es daran, dass ich Hand angelegt habe an euren kleinen, süßen Omi, der sich mit gefälschten Ausweisen durch das Tokyoter Nachtleben vögelt?“ Natürlich traf Schuldig zielsicher seinen wunden Punkt. Immer und immer wieder suchte er ihn, bohrte in der Wunde, bis sie über alles Ertragen heraus schmerzte und Aya dazu brachte, seine erzwungene Beherrschung aufzugeben. Wütend starrte er Löcher in die gegenüberliegende Wand und versuchte mit schwindendem Erfolg, den Telepathen zu ignorieren. Er versuchte es wirklich. Aber die wandernde Hand auf seinem Körper, die über seine Brust nach unten strich, war schwer zu ignorieren. Sie wollte nicht ignoriert werden. Doch Aya wollte sich nicht kampflos ergeben, auch wenn seine Chancen verschwindend gering standen. Als Schuldig die Hose, die er immer noch wie eine zusätzliche Fessel um die Fußgelenke trug, löste und hinter sich warf, versuchte er ihn zu treten. Schuldig nutzte das als Gelegenheit, seine Beine zu packen und sie hochzuziehen und sich zwischen sie zu drängen, dass Ayas Gewicht nun ausschließlich auf seinen Handgelenken ruhte, bis er die Querstreben des Käfigs zu fassen bekam. Gepeinigt stöhnte er auf, als der Schmerz in seiner Hüfte und in seinen Handgelenken unerträglich wurde und presste die Augen zusammen. „Was denkst du, wie sich das gleich anfühlen wird, Abyssinian, wenn ich dich bis zum Anschlag aufspieße und dir den Ritt deines Lebens beschere? Wieviel Gleitgel soll ich nehmen, damit ich gerade noch bequem reinkomme?“ Die Hände um seine Oberschenkel pressten sie noch weiter auseinander und nun stöhnte Aya deutlich auf vor Schmerz. Er presste die Lippen aufeinander, als die Angst in ihm zu groß wurde, als dass er sie weiter schlucken konnte. Das Flehen um Gnade lag ihm auf den Lippen. „Und weißt du, was der nette Nebeneffekt unseres kleinen Höllenritts sein wird? Am Schluss dessen komme ich in deine Gedanken und dann steht mir alles offen. Win win für mich, oder?“ Win win für Schuldig? Ja, dem konnte Aya nur zustimmen. Schuldig würde in voller Linie gewinnen und Aya blieb nichts Anderes übrig als zu überleben. Irgendwie. „Bist du stark genug, um mich von deiner Schwester abzuhalten?“ Alleine die Frage ließ Aya brachial zusammenzucken. Der verheißungsvolle Sadismus in der geschnarrten Frage deutete ihm an, dass er eben nicht stark genug sein würde, wie auch? Selbst Crawford war nicht stark genug gewesen, unbeschadet aus seiner Begegnung mit Lasgo hervorzugehen. Selbst das Böse in Person hatte sich durch den simplen Akt der sexuellen Demütigung aus seiner Bahn werfen lassen. Die Hände, die nun unter die Boxershorts fuhren und seinen Hintern umfassten, ließen ihn ausbrechen – ohne Erfolg. Das Flehen in ihm wurde lauter, eindringlicher, es wartete nur darauf, ausbrechen zu dürfen. Es fehlte nicht viel und Aya würde tatsächlich das Wort an Schuldig richten. Ihn anflehen, aufzuhören. Eben weil er kein Held war, nicht dumm und im Grunde seines Herzens zu feige war, das zu ertragen, was Crawford ertragen hatte. Doch Schuldig kam ihm zuvor. „Wie wäre es mit einem Alternativvorschlag, Fujimiya?“, fragte er und die Stimme war in ihrer Sanftheit so falsch, wie sie nur sein konnte. Alleine das warnte Aya schon davor, dem folgenden Vorschlag auch nur einen Moment Gehör zu schenken. Nicht, dass es den Schwarz davon abhielt, ihn weiter mit seinen Worten und Berührungen zu bedrängen. Oder davon, dass er nun Ayas Kinn packte und es zu sich zog. „Folgender Vorschlag. Wir überspringen das Ganze ‚ich ficke dich blutig, solange bis du nur noch ein kleines Häufchen Elend bist, das sich wünscht zu sterben und entsprechend darum bettelt‘ und kommen zu dem wirklich Wichtigen: dem Zugang zu deinen Gedanken. Du gewährst ihn mir freiwillig und ich lasse deinen Arsch in Ruhe. Wie wäre es?“ Aya bohrte seinen Blick in die blauen, grausamen Augen, die ihn aufmerksam und abwartend musterten. Vielleicht war es die Ruhe in ihnen, die ihn zum Sprechen verleitete. „Als wenn ich dir auch nur ein dreckiges Wort glauben würde, das deinen Mund verlässt“, zischte er trotz oder gerade wegen seiner Angst widerwillig und Schuldig lachte. „Ach schau mal, er kann ja sprechen. Du glaubst mir nicht? Dein Problem. Aber ich habe noch ein Zusatzangebot. Was hältst du von Folgendem? Ich lasse deinen Arsch in Ruhe, du lässt mich in deine Gedanken und ich stelle dafür eine Verbindung zwischen dir und deinem wunderbaren Schwesterlein her, mithilfe derer ihr zwei Geschwister euch unterhalten könnt?“ Alles in Aya kam zu einem brachialen Halt. Sein Atem stockte, sein Herz setzte einen Moment lang aus, sein logisches Denken. Für Sekunden war er versucht, ja zu schreien. Für Sekunden waren die Worte des Deutschen Verlockung pur. Eine Verbindung zu seiner Schwester, dafür keine Vergewaltigung und als Preis nur Einlass in seine Gedanken? Das war ein Angebot, das er nicht ausschlagen konnte und wollte. Oder? Es war zu gut, um keine Falle zu sein. Aber… „Ich glaube dir nicht“, presste er rau hervor, auch wenn bereits Hoffnung in seiner Stimme durchschimmerte, und Schuldig lachte beißend. „Deine Sache“, winkte er ab. „Mein Angebot steht, Weiß. Ich gebe dir jetzt Zeit, darüber nachzudenken. Wenn diese Zeit abgelaufen ist und du nichts sagst, werde ich Tor eins nehmen und das Tor wird dir nicht gefallen, denn es bedeutet Vergewaltigung und Folter für dich und deine Schwester. Wirst du mit mir diskutieren wollen…Tor eins. Wirst du Fragen stellen…Tor eins. Wirst du etwas anders als „Ich gewähre dir Zutritt“ sagen, Tor eins. Wählst du hingegen Tor zwei, werde ich den hübschen, kleinen, seine Maxime verratenden Abyssinian anständig belohnen und ihn zum ersten Mal seit Jahren mit seinem Schwesterchen sprechen lassen. Versprochen.“ Verzweifelt schluckte Aya. Schuldigs Worte waren mehr als eindeutig. Aber… „Du hast keine Verbindung zu ihr“, hielt er dagegen und er hasste, wie rau seine Stimme vor den Zweifeln klang, die er hatte. „Oh, habe ich nicht?“, hielt eben jener dagegen. „Kostprobe gefällig?“ Aya wollte nicht reagieren. Er wollte stark sein. Und doch nickte er schneller, als er sich davon abbringen konnte, auch wenn Omi in seinem Hinterkopf schrie und ihn dafür verdammte, ein Verräter an ihrer Sache zu sein. Ein Verräter an ihm und dem, was ihrem Jüngsten angetan worden war. „Nenn mir etwas, wonach ich sie fragen soll“, grinste Schuldig und knabberte an Ayas Ohrläppchen. Widerwillen überschwemmte Aya, doch unter dem Aufgebot all seiner verbliebenen Kraft hielt er still. „Weihnachtseule?“ Schuldig lachte und der Laut verätzte Ayas Gehörgänge. „Bei Gott, wie kitschig.“ Dann wurde er still und minutenlang geschah nichts. Mit leeren, unsehenden Augen stand der Telepath dort wie eine Statue und hielt Aya mit seinen Händen wie einen Liebhaber an die Gitterstäbe gepresst. Nur an der Atmung des Anderen konnte Aya sehen, dass dieser überhaupt noch lebte. Schließlich kehrte Schuldig wieder zu ihm zurück. „Die Grau-weiße. Sie fragt, ob du sie immer noch hast oder ob du den „hässlichen, kleinen Schlumpf“ entsorgt hast, wie du es ihr am Donnerstag angedroht hast.“ Ungläubig zuckte Aya zusammen. Alles, was Schuldig ihm so eben gesagt hatte, war wahr. Nichts davon war eine Lüge. Die Details stimmten. Mühevoll schluckte Aya und bevor er auch nur einen Ton dazu sagen konnte, hatte Schuldig sich von ihm gelöst und seine Beine angewidert fallen gelassen. Erst, als der Schwarz aus dem Käfig heraustrat, fand Aya die Kraft, seine Stimme zu nutzen. „Warte…WARTE!“, rief er dem Telepathen hinterher, versuchte erfolglos, sich in seinen Fesseln zu drehen, doch es war nur ein Lachen, das ihm antwortete. „T minus drei Stunden, Fujimiya.“ Damit wurde es wieder dunkel und Aya schrie all seinen Frust, all sein Unverständnis in die Dunkelheit heraus, losgelöst von jeglicher Disziplin und jedweder Beherrschung. Schuldig konnte mit Aya sprechen? War es tatsächlich so? Doch woher sollte er sonst ihre Antwort haben? Eben jene, die sie ihm noch schuldig war, die er aber genauso erwarten würde, was niemand wissen konnte. Wenn sie in der Lage war zu denken und Schuldig ihm eine Möglichkeit bieten würde, mit ihr zu kommunizieren, wie konnte er sich da nicht auf das Angebot des Deutschen einlassen? Wie konnte er da nur einen Moment zögern? Doch Omi würde ihm hierfür nie verzeihen. Er selbst würde seines Lebens nie wieder froh werden, wenn der Telepath Zugriff zu seinen Gedanken hatte. Er würde keine Sekunde seines Lebens mehr alleine in seinem Kopf sein. Aber sein innerlichster, sehnlichster Wunsch würde erfüllt werden. Er würde mit seiner Schwester sprechen können. Nach drei Jahren. Endlich wieder mit ihr sprechen. Vielleicht. ~~~~~ Wird fortgesetzt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)