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Die Farbe Grau

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Disclaimer: wie immer gehören die Charaktere nicht mir und ich verdiene kein Geld damit.

So langsam kommt ein bisschen Bewegung in die Sache. ;) Komplett anzeigen

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Verdorbene Milch

~~**~~
 

Mit einem leisen Summen wiegte sich Omi sacht im Takt der Musik und sang lautlos mit, ließ sich treiben von den melodiösen, weichen Klängen, badete in der kleinen Menge der Bar, in der er sich gerade befand. Es war eines dieser modernen, erst kürzlich fertig gestellten Etablissements über den Dächern von Tokyo, mit Blick auf die nächtlichen Lichter und den feinen Dunst, der aufgezogen war.

Der weiträumige Bereich an sich war in hellem Grau gehalten, an sich sehr puristisch mit wenigen Dekorationsobjekten, dafür umso opulenteren Möbelstücken wie edlen, weißen Ledersesseln. Sanftes, warmes Licht erhellte minimal den Raum, während auf jedem der Tische Kerzenständer ihren Dienst taten.
 

Der junge Weiß ließ seinen Blick über die bis auf schlichte, aber große Spiegel unbehangene Wand ihm gegenüber gleiten, taxierte die Menge an Menschen vor ihm ruhig und gelassen. Oberschicht, ohne Zweifel. Die homosexuelle Tokyoter High Society vergnügte sich hier, gönnte sich eine After-Work-Entspannung inmitten sanfter, spanischer sowie italienischer Klänge und exotischer Getränke. Westorientierung, so hieß das Motto hier und schien gut anzukommen.
 

Auch Omi konnte sich des Reizes dessen nicht verwehren. Er mochte das Interieur genauso wie die lockere und dennoch zurückhaltende Stimmung der Bar. Kein Wunder, kam er doch nun schon zum dritten Mal hierher, direkt nach der Arbeit um ein wenig Abstand von seinen Teamkollegen und seiner Berufung als Auftragsmörder zu gewinnen und sich vom Murmeln der anderen Besucher einlullen und treiben zu lassen. Wie oft hatte er schon die Augen geschlossen und sich einfach in den Geräuschen der Menschen um ihn herumtreiben lassen?
 

Er war kein Kind mehr, auch wenn er mit achtzehn für die meisten Personen seines Umfeldes sicherlich noch in diese Alterskategorie gehörte. Doch geistig fühlte er sich wenig geneigt, sich mit Jungen und Mädchen seines Jahrgangs zu umgeben. Er wünschte sich Gesellschaft, ja. Aber jemanden, mit dem er reden konnte. Aya… ein Mann mit einer solch großen Bürde und soviel Zorn und Trauer in sich, dass es Omi ein schlechtes Gewissen bereitete, dem anderen Mann mit seinen Sorgen auf die Nerven zu gehen. Ken, der ewig Fröhliche, der vor jeder Art tieferem Kontakt zurückschreckte, weil er Angst hatte, erneut von einem Freund verraten zu werden. Youji. Der Älteste von ihnen hatte selbst eine Last zu tragen, die Omi ihm nicht abnehmen konnte. Auch wenn seine Freundschaft mit Youji sehr intensiv war, so war Omi nicht in der Lage, gemeinsam mit ihm das Trauma zu bekämpfen, welches wieder und wieder dafür sorgte, dass der ältere Mann schreiend erwachte.
 

Dafür hatte er viel zu sehr seine eigene Bürde. Die Bürde seiner eigenen Vergangenheit, die Bürde, ein Takatori zu sein, ein uneheliches Kind, das den Hass der Familie auf sich gezogen hatte. Ein Kind, das nur allzu gerne vergessen wurde und dessen sich niemand gekümmert hatte, als es die Hilfe so dringend gebraucht hatte. Ein Kind, das zur Rache großgezogen wurde.
 

Auch wenn es nicht so schien, er war sich wohl bewusst, wie weit Kritiker ihn für ihre Zwecke missbrauchte, ihn in ihre Richtung gelenkt hatte. Omi kannte die Gefahr, die für ihn und sein Leben bestand, wenn er auch nur eine der Missionen nicht zu Persers Zufriedenheit erfüllte. Zu sagen, dass es ihn ängstigte, war wohl falsch, denn er kannte es nicht anders, er wusste nun mal nicht, wie ein normales Leben aussah.
 

All die alltäglichen Dinge, die Schule, die Arbeit, das hier, all das konnte ihn nicht von seiner eigentlichen Aufgabe ablenken. Er tötete Menschen, eine Tatsache, die ihm manches Mal wirklich Probleme bereitete und ihn sich fragen ließ, ob blindwütiger, kompromissloser Hass wie Aya ihn praktizierte, wirklich das Richtige war. Ob diese Fixierung auf nur ein Ziel die beste Möglichkeit war, bei Sinnen zu bleiben?
 

Das Nicht-Denken, wie ein normales Leben sein könnte?
 

Oder sollte er jede Möglichkeit, die sich ihm bot, ergreifen und seine Sorgen in Flüssigkeit ertränken, die nur für ein paar Stunden den Schein schöner Unbekümmertheit vortäuschte? So, wie er es heute Abend tat, seinen Gin Tonic nur halb aufgetrunken und das, obwohl er schon zwei Stunden hier war. Er dachte einfach zuviel, daran lag es vermutlich.
 

Perser hatte so viele Agenten und nur ihn plagten solche Zweifel, so kam es ihm zuweilen wenigstens vor. Alle schienen ihr Leben akzeptieren zu können, nur er nicht.

Omi seufzte leise und bewegte sich mit einem abwesenden Lächeln zum Barkeeper ans Fenster. Er wusste, wofür sie ihn hielten. Für den Sohn reicher Eltern, der nichts besseres mit seiner Zeit zu tun hatte, als Geld für einen exklusiven Drink in einer noch exklusiveren Bar auszugeben.
 

Wenn sie wüssten. Wenn sie alle hier wüssten.
 

Omi ließ sich auf einem der weißen Ledersessel nieder und wandte seinen Blick gen nachtgetauchter Stadt. Was dort unten jetzt wohl vor sich ging? Morde, Akte purer Liebe, Vergewaltigungen, glückliche, normale Menschen Hand in Hand, Raub. All das verbarg sich in der Dunkelheit, unsichtbar für das ungeübte Auge, doch ihm entging nichts. Er war der Jäger der Dunkelheit…
 

...und badete gerade ausgiebig im Selbstmitleid. Er sollte sich für sich selbst schämen, befand er.
 

„Nanu, um diese Uhrzeit noch so alleine?“
 

Omi sah irritiert auf. Wer war das? Er hatte keine Lust auf Gesellschaft, nicht heute. Auch wenn ihn diese womöglich von seinem zähen Selbstmitleid wegbringen konnte. Ein kleiner Flirt, ein nettes Gespräch, die obligatorische Tasse Tee danach. Alles in allem sehr entspannend. Aber nicht heute.

Er sah auf und begegnete den freundlichen, grauen Augen eines älteren, gut gepflegten und anziehenden Mannes. Anscheinend nicht gänzlich japanischer Abstammung, des Akzents und den westlichen Gesichtszügen nach zu schließen. Das Lächeln, welches ihm nun entgegengebracht wurde, beruhigte ihn irgendwie, schien perfekt zum sachten Takt der Musik zu passen. Der olivefarbene Teint der Haut hatte einen exotischen Anklang und weckte unverdiente Sympathie.
 

„Ja und ich wäre auch froh, wenn das so bleibt.“
 

Den anderen Mann schien seine brüske Bemerkung zu amüsieren, denn anders konnte Omi sich das warme Lachen nicht erklären. Auch nicht, dass eben diese Person sich nun gegenüber vom ihm niederließ und sich zu ihm hinüberbeugte, während ein feiner, beinahe unmerklicher Hauch Parfums zu ihm hinüber wehte. Eine Mischung aus Moschus und Zedernholz. Sehr betörend, doch nicht das, was Omi sich für diesen Abend wünschte.
 

„Aber aber, mein schöner, junger Mann, schon so einsamkeitsbedürftig? Das ist in Ihrem Alter aber gar nicht gut“, gab der Unbekannte zurück und ließ nun schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Augenblicke eben das vertrauenserweckende, warme Lachen erklingen, das Omi nun – wenn auch unbewusst – langsam aber sicher in seinen Bann zog. Er war schon oft angesprochen worden, wenn er unterwegs war, nicht hier, in anderen Bars und Clubs, sowohl von Frauen als auch Männern, doch sie waren aufdringlich gewesen und das mochte er nicht. Genauso wenig, wenn ihm jemand schon nach dem ersten Satz zu nahe kam. Und das war hier nicht der Fall. Dieser Mann, wie immer er auch hieß, hielt respektvollen Abstand und wartete höflich auf Antwort. Er siezte ihn. Er versuchte, eine Konversation zu beginnen, die, so wusste Omi, schließlich dazu dienen sollte, ihn ins Bett des Anderen zu ziehen, so zivilisiert sie auch sein mochte.
 

Doch Omi würde nicht annehmen, nicht heute. Eine Unterhaltung vielleicht. Alles, was darüber hinweg ging nicht.
 

Er betrachtete den Mann eingehender.

Den charmanten Mittvierziger mit vollen, hellbraunen Haaren, die in leichten Wellen nach hinten fielen, ein Gesicht umrahmten, das durch seine natürliche, aber für die Jahreszeit ungewöhnliche Bräune bestach. Dazu warme, graue Augen, die im Licht der einzelnen Kerzen dunkel funkelten. Er erkannte feingliedrige Hände, gepflegt und ansehnlich in ihrem Erscheinungsbild. Alleine die Kleidung unterstrich die mondäne wenngleich vertrauensspendende Erscheinung. Herbstlicher, braun-roter Tweed mit legerem, senfgelbem Hemd.
 

Attraktiv, ohne Zweifel. Wer wusste es schon...vielleicht hätte Omi ihn an einem anderen Tag mit Kusshand genommen, sich ein entspannendes Stelldichein mit dem Mann gegönnt, doch heute war er einfach nicht in der Laune dafür, wenngleich widerwillig fasziniert von dessen Ausstrahlung.
 

„Kenneth. Mein Name ist Kenneth. Freut mich, Sie kennen zu lernen!“, durchbrach die Honigstimme des Älteren erneut seine Gedanken, ließ ihn für einen Moment die Augenbrauen zusammenziehen. Kenneth...? Ein schöner Name. Omi hatte das Gefühl, den Namen schon einmal gehört zu haben in der letzten Zeit, aber er wusste es nicht mehr. Vermutlich hatte eine seiner Affären so geheißen. Nicht, dass er sich ihre Namen merkte, dafür waren sie zu unwichtig und zu vergänglich.
 

„Ryuichi. Hallo“, erwiderte er knapp, aber dennoch freundlich und ließ seine eigene, kleinere Hand in die des Älteren gleiten, verspürte beinahe augenblicklich die angenehme Wärme, welche ihm über die Haut des Anderen zuteil wurde.

Omi sah, wie sich winzige Fältchen zu Dutzenden um die Mundwinkel und Augen des Anderen wanden, als einziges Altersanzeichen von den Jahren kündeten, die Kenneth schon verlebt haben musste. Sie standen ihm, das stellte der Weiß nun nicht erstaunt und dennoch fasziniert fest. Sie verliehen ihm den Charme des reiferen Alters.
 

„Was führt dich hierhin, mon petit Ryuichi?“, wechselte dieser, nun da er seinen Namen kannte, scheinbar ungeniert zum Du und winkte einer der Kellnerinnen, die ihn mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm und ihm bedeutete, noch einen kleinen Moment zu warten. Für Omi der Augenblick, dem älteren Mann ernst in die Augen zu sehen.
 

„Ich würde es bevorzugen, die Bezeichnung „klein“ nicht in Verbindung meines Namens zu hören.“ Er lächelte, doch hinter dieser Geste verbarg sich ein eiserner Wille, ernst genommen zu werden. Er war jung, ja, das wusste er selbst. Doch er war nicht klein. Nicht unerfahren. Nicht naiv. Nicht einmal im Ansatz das, was sich der ältere Mann vermutlich unter ihm vorstellte.

„Verzeihung, es lag nicht in meiner Absicht, dich zu beleidigen.“ Eine Stimme wie die Sonne, wie der Herbst, wie das farbenfrohe Herbstlaub, so kam es Omi jedenfalls vor. Weiche, einladende Klänge, die ihm das Vertrauen in den Menschen vor ihm leichter machen sollten. Trügerisch, mutmaßte sein Instinkt.
 

Die Kellnerin kam und nahm freundlich die Bestellung der Beiden auf. Gin Tonic, dazu jeweils ein Glas Wasser für sie beide.

Omi sah der jungen Japanerin für einen Moment schweigend nach. Elegant gestylt war sie, das musste er ihr lassen. Die schwarzen, beckenlangen Haare zu einem glatten, puristischen Zopf zusammengebunden, eine ärmellose Bluse mit zeitgemäßem, enganliegendem Stehkragen und einen weißen, langen Rock, beides in strengen Formen und Linien geschnitten und maßgeschneidert, wie es die Bar hier verlangte von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
 

„Darf ich dich dennoch fragen, was ein so junger Mensch hier macht? Noch dazu so melancholisch?“, durchbrach Kenneth lächelnd seine Gedanken und berührte ihn leicht an seiner ausgestreckten Hand, ließ Omis Blick damit zu ihm hochfahren. Stirnrunzelnd sah er wieder hinunter und betrachtete ihrer beider Hände. Wie bleich er doch im Gegensatz zu dem Mann wirkte – Kenneth, so war sein Name.
 

„Schwer zu sagen, der Beruf, die Ruhe, die Atmosphäre hier. Ich brauche das manchmal, um einfach auszuspannen und mich fallen zu lassen.“ Omi war erstaunt über seine eigene Redseligkeit. Sich einem Mann gegenüber derart gehen zu lassen und offen zu sein, was seine Gefühle betraf, auch wenn er eigentlich gar keinen Grund dazu hatte, war ungewöhnlich für ihn. Außerdem kannte Omi ihn gar nicht, wusste rein gar nichts über ihn und schüttete nun diesem Menschen beinahe sein Herz aus. „Und was führt Sie hierher?“, lenkte er von seinen eigenen Unzulänglichkeiten ab.
 

„Aber bitte, nicht so förmlich, ein „du“ reicht vollkommen. Es sei denn, ich soll mich noch älter fühlen, als ich es wirklich bin!“, zwinkerte dieser und zog sacht seine Hand weg, als die Kellnerin die gewünschten Getränke brachte und sie mit einem kurzen Lächeln betrachtete. Omi wusste, wofür sie unwillkürlich gehalten werden mussten. Für ein Liebespaar, welches sich vor dem nächtlichen Stelldichein noch einen oder zwei Drinks gönnte. Sowohl Kenneth als auch Omi lächelten kurz zurück, widmeten sich schließlich aber ihrer eigenen Unterhaltung.

„Warum ich hier bin? Aus ähnlichen Gründen. Mein Beruf ist recht anstrengend, wenn ich das so sagen kann. Ich leite eine größere Exportfirma mit Außensitzen in der ganzen Welt und bin daher viel unterwegs. Eine solche Bar ist für mich, so ich denn nach Tokyo komme, wie eine kleine Oase in dem ganzen Chaos um mich herum. Besonders dann, wenn es Schwierigkeiten gegeben hat und meine Geschäftspartner mir in den Rücken gefallen sind. Aber was rede ich da? Das sind ja keine Themen für den Abend. Was ist mit dir? Welcher Beruf kann einen jungen Menschen wie dich dazu treiben, hier Erholung zu suchen?“
 

Omi musste unwillkürlich schmunzeln. Ja...welcher der beiden Berufe? Der des Mörders oder des Blumenhändlers? „Du wirst lachen, ich arbeite als Florist für eine große Kette. Das internationale Geschäft ist stressig, die Kunden anspruchsvoll“, wählte er schließlich die nicht ganz so wahrheitsbehaftete Alternative. Nein, der Mann durfte wirklich nicht alles wissen. Was er wohl sagen würde, wenn Omi ihm die Wahrheit auftischte?

„In einem Blumenladen?“, lachte sein Gegenüber tatsächlich wohlklingend leise, deutlich überrascht. „Das ist ungewöhnlich! Wie kommt´s?“
 

„Es hat sich ganz einfach so ergeben. Ich mochte Blumen schon immer“, log der junge Weiß, war sich im gleichen Augenblick jedoch nicht mehr sicher, ob es wirklich eine Lüge war. War es denn nicht wirklich Zufall? Kritiker hätte ihn einfach als Agent arbeiten lassen können, ohne die Nebenbeschäftigung als Florist. „Ich habe meinen Arbeitgeber durch Zufall kennengelernt und wurde eingestellt. Eigentlich eine ganz lustige Geschichte, wenn man darüber nachdenkt.“ Und wenn man es mit beißendem Sarkasmus nimmt, fügte er stumm für sich hinzu.
 

„Eigentlich?“, griff Kenneth zielsicher den Teil des Satzes auf, den Omi für sich behalten würde, unter allen Umständen. Er hatte es so nonchalant dahingesagt, mit tieferer Bedeutung, aber nicht wirklich im Glauben, dass es seinem Gegenüber auffallen würde, doch das war es.

„Auch uneigentlich.“ Omi nahm für einen Augenblick seine nähere Umgebung in Augenschein, ließ seinen Blick über die Menschen gleiten, die sich, wie sie selbst auch, in gedämpfter Lautstärke unterhielten, auch wenn dies eigentlich nicht nötig war. Die Tische standen weit genug auseinander, als dass man sich von seinen direkten Nachbarn hätte gestört fühlen können. Er ließ seinen Blick schließlich zu Kenneth zurückgleiten, lächelte den Mann entschuldigend an. „Meine Arbeit ist wirklich nichts Besonderes.“

„Warum erzählst du mir dann nicht ein wenig über sie, hm?“
 

Omi seufzte. Warum eigentlich nicht? Er musste sich ja nicht an die Wahrheit halten, konnte, wenn er wollte, ein kleines, fröhliches Luftschloss um sich, seine Person und ihren Laden sowie seine Teamkollegen bauen, dem anderen Mann die Illusion einer heilen Welt schenken. Sich selbst vielleicht auch, wenn er nun darüber nachdachte.
 

~~**~~
 

Nach Jeis frühmorgendlichem Besuch hatte Crawford kein Auge mehr zugetan. Insbesondere, da die Ruhe, die der Ire ausgestrahlt, mit dessen Verschwinden verflogen war und das Orakel mit stärker werdenden Schmerzen zurückgelassen hatte. Die Schmerzmittel, die Martinez ihm verschrieben hatte, wirkten in der verdoppelten Dosis, die allerdings zur Folge hatte, dass er sich seitdem unruhig und unstet fühlte.
 

Trotz dessen oder gerade deswegen hatte er die Zeit bis zum Frühstück dazu genutzt, sich zu duschen, in einen seiner verbliebenen Anzüge zu steigen und die Berichte, die seit seinem Verschwinden ausstanden, nachzuholen, bevor er unliebsame Erinnerungen zu den verstrichenen Terminen erhielt und sich dafür rechtfertigen musste.

Die Stille des Hauses war dabei ebenso wohltuend wie enervierend gewesen.
 

Tief in Gedanken versunken, merkte Crawford auch nicht, dass Nagi wie immer derjenige war, der nach ihm aufstand und sich an den Frühstückstisch begab. Erst dessen schüchternes Räuspern holte ihn aus seinen Gedanken und Berichten heraus und ließ ihn ruckartig von seinem Laptop aufsehen.

Der Junge stand außerhalb des Lichtkegels im Dämmern des Hauses und begegnete Crawfords abweisendem Blick mit seinem eigenen, unsicheren.

Einen Augenblick lang fragte sich Crawford, was dem Telekineten einfiel, ihn in seinem Büro zu stören, bis ihm bewusst wurde, dass er eben jenes zugunsten der Küche gemieden hatte.
 

„Guten Morgen Crawford“, beendete Nagi schließlich ihr wenig einvernehmliches Schweigen und das Orakel nickte wortlos. Ohne Umschweife widmete er sich der aktuellen Textpassage über die misslungene Mission, die er zu beschönigen versuchte in der Hoffnung, dass die Koordinatoren in Österreich den Köder schlucken und nicht weiter nachfragen würden, weil er bisher zuverlässig gearbeitet und darüber hinaus einen gewissen Ruf innerhalb der Informationszentrale inne hatte.
 

Er sah auf, als sich wie von Geisterhand die Schränke öffneten und Nagi seine Gabe dazu nutzte, Geschirr und Besteck zum Tisch schweben zu lassen und ihn ohne einen Handschlag zu tun zu decken.

Seit Crawford den Jungen in seine Obhut genommen hatte, hatten sie einen Plan ausgearbeitet, um die telekinetische Kraft zu trainieren und auszuformen, denn wie bei normalen Menschen auch verkümmerten ihre Gaben, wenn sie nicht regelmäßig geschult wurden. Zwei Jahre waren vergangen, bis Nagis Kraft filigran genug war, um diese alltägliche Tätigkeit auszuführen. Unter Crawfords strengen Regeln hatte der Japaner sich von Tag zu Tag verbessert und war mittlerweile sogar in der Lage, verschiedene Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen.
 

Wie zum Beispiel den Tisch zu decken und gleichzeitig für das Frühstück zu sorgen, dass die Hälfte ihres Teams herunterschlingen und ein Viertel zumindest am heutigen Tag nicht anrühren würde.

Doch Mahlzeiten waren von jeher die Zeiten gewesen, die sie zusammen verbracht hatten. Das war eine der festen und unumstrittenen Regeln ihres Teams. Zudem war es eine, der Nagi ausgesprochen gerne folgte, auch wenn er es nicht offen zeigte.
 

Was Schuldig nicht davon abgehalten hatte, in den Gedanken des Telekineten zu stöbern und Crawford aufs Brot zu schmieren, dass der Kleine in ihm nicht nur eine Art Vaterersatz sah, sondern, dass er auch geradezu danach gierte, mit eben jenem und seinen „verkorksten Brüdern Schrägstrich Onkeln“ an einem Tisch zu sitzen und zu essen.

Kommentarlos hatte Crawford das zur Kenntnis genommen. Solange das Team funktionierte und es keinen Sand im Getriebe gab, sollte es ihm recht sein und er würde dem Jungen bei seinem Eindruck nicht widersprechen. Nagi kannte nichts Anderes, daher war es nützlich und effektiv. Er selbst würde jedoch den Teufel tun und Schuldig als Familie bezeichnen.
 

Erst, als der Duft schwarzen Tees zu Crawford herüberwehte und seinen Geruchssinn von seinem Kaffee ablenkte, wagte es Nagi, ihn erneut anzusprechen.

„Wie geht es dir?“, fragte er vorsichtig, so als ob er eine Maßregelung befürchtete und Crawford fragte sich unwillkürlich, was Schuldig ihrem Jüngsten erzählt hatte.

Mit hoch erhobenen Augenbrauen sah er zu Nagi. „Gibt es einen Anlass für diese Frage?“

Die unruhige Angst, die er daraufhin in den grauen Augen zu lesen vermochte, überraschte ihn in ihrer scheinbaren Unendlichkeit. Es schien geradeso, als würde sich nicht nur er nach Normalität sehnen.
 

~Uuuuah... wie kann der Kleine nur so ein braves Hündchen sein? Fehlt nur noch, dass er mit seinem Schwanz wackelt~, kündigte nun auch Schuldig sein Wachsein an und Crawford gestattete sich ein innerliches Augenrollen. Der einzige, zugegeben große Nachteil an ihren gemeinsamen Mahlzeiten waren einige der Teilnehmer an eben jenen. Also eigentlich nur einer. Insbesondere morgens. Insbesondere ab dem Zeitpunkt, an dem Schuldig auftauchte und ihnen allen das Leben gehörig schwerer machte.
 

Crawford mochte wetten, dass der allzu neugierige Telepath bereits Nagi und Farfarello darauf angesetzt hatte, herauszufinden, was wirklich geschehen war. Der Blick aus wissbegierigen, blauen Augen hatte ihn bereits seit dem Hotelparkplatz verfolgt und nicht losgelassen, wann immer sie sich begegneten. Nicht, dass er diese Neugier jemals befriedigen würde, denn damit würde er Schuldig eine Waffe an die Hand geben, die dieser ruchlos gegen ihn als Anführer einsetzen würde, ganz so, wie es der immer nach Macht gierende Telepath in ihm verlangte. Was konnte er sich da doch glücklich schätzen, dass Schuldig Fujimiya nicht lesen konnte und darüber hinaus kein Interesse an der Kritikeragentin hatte. So würde sein Geheimnis, wenn er es geschickt anstellte, auch für die Ewigkeit sein Geheimnis bleiben.
 

Lautes Poltern kündigte eben jenen Plagegeist schon an, als dieser durch das Wohnzimmer in die Küche stolperte und ihnen einen vollumfänglichen Blick auf seinen nackten Oberkörper gewährte. Crawford würdigte das mit einer erhobenen Augenbraue und klappte den Laptop zu, bevor Schuldig einen Einblick in den Missionsreport nehmen konnte.

„Ey Kleiner, wenn du ihn weiter so anhimmelst, ist das schädlich für sein Ego. Er bekommt schon genug Zuspruch. Frag mal Takatori.“
 

Betont nonchalant erhob Crawford sich und ließ Schuldig nicht erkennen, wie heiß der Hass in ihm brannte, der auf einmal in Bezug auf ihren Auftraggeber hochgeschossen war.

Langsam ging er zur Kaffeemaschine und füllte sich seine Tasse mit dem letzten Rest des Kaffees. Mit einem bösartigen Schmunzeln drehte er sich schließlich wieder zu seinem Team zurück und gab den Blick frei auf die nun leere Kanne, die, wie er und sicherlich auch Schuldig wussten, in nächster Zeit mangels Kaffeepulver erst einmal nicht gefüllt werden könnte. Zumindest nicht, bis er einkaufen gegangen war. Nach dem Frühstück. Nach der Zeit nach dem Frühstück. Nach... ihm fiel sicherlich noch etwas ein um den nach Kaffee süchtigen Telepathen für eine lange Zeit aufs Trockene zu legen.
 

Es dauerte seine Momente, bis Schuldig begriff, was Crawford getan hatte, doch die schlussendliche Erkenntnis, die sich dann in den geweiteten Augen wiederfand, war dem Orakel mehr Labsal, als es jede mündliche Antwort gewesen wäre.

~Du blöder Wichser!~, grollte es keinen Moment später zornig und Crawford genoss Schuldigs Anblick mehr als es dem allgemeinen Anstand von Schwarz entsprach. Zumindest darin glichen sie einander wie ein Ei dem anderen.
 

Crawford nahm sich seinen nun wertvollen Kaffee mit an den Tisch und griff sich unter dem mörderischen Blick des Telepathen die Tageszeitung. Beinahe erwartete er, dass sie festgehalten wurde durch unnachgiebige Finger und dass ihm dumme Fragen gestellt wurden, bevor er weiterlesen konnte, doch nichts geschah.

Nichts, weil es sein Team war, bei dem er sich befand. Nicht Lasgo, nicht Fujimiya. Schwarz.
 

Während er in den besorgniserregenden Nachrichten versank, die einiges an Nachsteuerungsbedarf seinerseits erforderten, gab sich nun auch Jei die Ehre und ließ sich kommentarlos neben ihn auf den Stuhl gleiten. Wie gewohnt war er dabei ein scheinbar leichtes Opfer für Schuldig, dessen Wut sich auf den Iren projizierte. Zumindest solange, bis es diesem zuviel wurde und Jei den bösartigen Wortwechsel, der zwischen den beiden hin und herflog mit einem wohlplatzierten Messer in der Tischplatte zu einem Ende brachte.
 

Das Orakel seufzte innerlich.
 

Es hatte sich nichts geändert. Gar nichts. Aber was erwartete er auch? Dass sein Team mit einem Mal erwachsen geworden war, nur weil sich seine Welt für ein paar Tage auf links gedreht hatte und beinahe untergegangen war? Nein. Das konnte er wahrlich nicht erwarten.

In Gedanken griff Crawford nach der Milch. Er, Jei und Schuldig gönnten sich den Luxus des jeweiligen landestypischen Frühstücks, während Nagi sich mit Ausnahme seiner bunten, süßen Cornpops an traditionelle japanische Speisen hielt. Zu Crawfords morgendlichem Rhythmus gehörte somit das Müsli mit zum festen Plan.
 

Zu spät wurde er sich bewusst, dass er im Autopilotmodus gehandelt hatte und eigentlich überhaupt nicht hungrig war, geschweige denn, dass das Müsli zu seinem vorübergehenden Ernährungsplan passen würde. Doch die Schüssel unangetastet stehen zu lassen, würde noch mehr Aufmerksamkeit erregen und den neuen Anhaltspunkt wollte er Schuldig nicht gönnen. Also zog er sie mit krampfendem Magen und hochschießender Übelkeit zu sich und hoffte, dass es ihm wenigstens jetzt gelingen würde, ohne Probleme zu schlucken.
 

Unter den wachsamen Augen seines gesamten Teams, wie ihm sein Instinkt einflüsterte.
 

Scheinbar nonchalant nahm Crawford den ersten Löffel und kaute die milchige Masse. Er schluckte und noch während das Getreide seine Speiseröhre passierte und ihn beinahe würgen ließ, breitete sich ein derart bitterer, widerwärtiger Geschmack auf seiner Zunge aus, der schlimmer nicht hätte sein können.

Betont langsam legte Crawford den Löffel in die Schale und griff zu seinem Kaffee. Bevor... vor diesen sieben Tagen hätte er sich den Mund mit Wasser ausgespült, bis dieser penetrante Geschmack von saurer, verdorbener Milch aus seinem Mund verschwunden war. Davor hätte er gar nicht überrascht werden können, stellte er umso überraschter für sich selbst fest. Seine Voraussicht hätte ihn gewarnt.
 

Nun hatte sie das nicht getan.
 

Crawford spülte mit seinem schwarzen Gold nach, bis nichts anderes außer bitterer Kaffeegeschmack seine Sinne erfüllte und seine Zunge verbrannt hatte, während ihm vor plötzlicher Erkenntnis flau im Magen wurde. Seine Gabe ruhte bis auf diesen kleinen, verstümmelten Fetzen während der Besprechung mit Nagi, seitdem er wieder da war. Sie warnte ihn nicht vor Jei. Sie warnte ihn nicht vor Takatori. Sie warnte ihn nicht vor vergorener Milch.
 

„Na, schmeckt's dir, oh großer Anführer?“, grinste Schuldig in seine Überlegungen hinein und Crawford erwog, dem Telepathen ins Gesicht zu schlagen. Er entschied sich nach wirklich langer Überlegung dagegen.

„Abgelaufene Milch? Ich meine mich daran zu erinnern, dass es deine Aufgabe war, einkaufen zu gehen, Schuldig“, erwiderte er tadelnd und eben jener zuckte unbeeindruckt mit den Schultern.

„Keine Lust, keine Zeit, kein Geld.“

Bis auf das Erste besaß sicherlich keiner der drei Punkte Validität und Crawford wusste das. Schuldig wusste, dass Crawford es wusste und für einen Moment lang starrten sie sich über den Tisch hinweg feindselig an. Kaum war er wieder da, schon versuchte Schuldig seinen Führungsanspruch mit einem fehlenden Einkauf zu untergraben. Nichts Neues also.
 

Crawford musste unwillkürlich lachen, so lächerlich war es im Angesicht dessen, was in den vergangenen Tagen passiert war. Da musst du schon mehr aufbieten, Mastermind, zum Beispiel mehrere Vergewaltigungen, und selbst die überlebe ich, richtete er in Gedanken an den Telepathen ohne seine Schilde zu senken.
 

Das Orakel warf einen Blick in die Runde und begegnete Nagis verschreckten Augen. An Schuldigs wütenden Gegenstücken blieb er hängen. „Ein Wunder, dass du überhaupt ohne einen Puppenspieler überleben kannst", erwiderte Crawford mit beißendem Spott und erhob sich unter dem hasserfüllten Zischen seines Telepathen.

„Nagi, fertige mir eine Einkaufsliste an. Nach meinem Einkauf werden wir deine verpasste Vorlesung miteinander durchgehen.“
 

Wenigstens der Junge hatte einen gesunden Erhaltungstrieb und nickte stumm.
 

~~**~~
 

„Aya, könntest du bitte einkaufen gehen?“
 

Besagter Mann sah zunächst verwirrt auf, rückte dann jedoch seine Lesebrille zurecht, mit der er die alltäglichen Abrechnungen für ihre Kunden bewältigte. Bevor Omi ihn gerufen hatte, hatte er versucht, anhand von Youjis unleserlicher Handschrift eine Großbestellung von zehn Gestecken auseinander zu pflücken. Hiragana, Katakana, alles kein Problem, aber die Kanji. Die verdammten Kanji!

So sehr er auch fluchte, so sehr lenkte ihn auch diese bodenständige, alltägliche Arbeit ab von den Problemen und Sorgen, die sich vor ihm auftürmten und für die er noch keine Lösung hatte.
 

Seine Gedanken wichen auch nun aus und kehrten zu Omis Frage zurück. Er hatte wohl gemerkt, dass sie nichts mehr im Haus hatten, wenngleich ihn das nicht wunderte. Während Omi für das Kochen zuständig war, oblag ihm das Einkaufen. Ken und Youji waren nicht dazu zu gebrauchen, also hatte er sich schlussendlich in seine Rolle eingefunden, Nahrungsbeschaffer für sein Team zu sein.

Außerdem hatten sie gerade wenig zu tun, die beste Gelegenheit also, ihre Vorräte vor dem Nachmittagsstress wieder aufzufrischen.

Aya seufzte unterdrückt. Nun gut, dann würde er unlesbare Schriftzeichen gegen einen Einkauf tauschen eben wieder für einen vollen Kühlschrank sorgen. Vorher würde er noch das Grab seiner Eltern aufsuchen. Wo konnte er besser über seine nächsten Schritte nachdenken als dort?
 

„In Ordnung, ich mache das hier noch schnell fertig und fahr dann los. Irgendwelche Wünsche?“
 

Omi lachte hell auf und nickte begeistert! „Ja, sehr gerne. Die Midnight Pepsi und drei Packungen Suicaba Gumi, bitte!“
 

Den rothaarigen Mann schüttelte es alleine bei der Vorstellung an das süße Zeug, doch er konnte Omi schlecht seine Wünsche abschlagen. Nicht, wenn diese hellen, blauen Augen ihn so groß anstarrten. Für einen Moment ließ sich Aya vom Anblick des unbeschwerten Jungen treiben, widmete sich dann jedoch seiner jetzigen Aufgabe. Er würde es nicht zugeben, doch insgeheim war er froh, dem Blumenladen und seinem Team entfliehen zu können. Es gab zuviel, über das er noch nachdenken musste, als dass er dieses Leben je unbeschwert führen konnte. Birman, wie es weitergehen, wie sein jetziges Leben beeinträchtigt werden würde. All diese Ungewissheiten, die ihm noch keine Lösung zeigten, ihn mit einem schier erdrückenden Klammergriff umschlossen hielten.
 

Omi winkte ihm mit einem strahlenden „Dankeschön!“ und verließ den Raum. Aya seufzte und stieß ihr Bestellbuch energisch von sich. Sollte Youji sich doch selbst darum kümmern, wenn er schon so undeutlich schmierte. Sich überhaupt dazu aufzuraffen und sich darauf zu konzentrieren, war ihm schwer genug gefallen. Die letzten Tage hatten einiges verändert, andere Dinge waren auf einmal wichtiger, als die tägliche Arbeit, als seine Rache an Takatori und Schwarz. Aber wunderte es ihn? So sehr Aya sich auch wünschte, dass alles seinen gewohnten, stoischen Gang ging, wusste er auch, dass er sich von diesem Gedanken verabschieden konnte, nicht mit dem Wissen, das er hatte. Nicht mit der Gewalt, die Birman und Lasgo nun über ihn hatten.
 

„Genug“, murmelte er zu sich selbst und streckte sich, ließ dabei einige seiner Wirbel knacken, während sein Blick zu einem der großen Spiegel im Laden glitt und an den bläulich schimmernden Würgemalen an seinem Hals hängen blieb. Würgemale, die auf Kosten des Amerikaners gingen. Einen Kampf, den er selbst provoziert hatte. Sein Team hatte sie und die Hämatome in seinem Gesicht als Spuren seines Kampfes angesehen. Wie sie es mittlerweile von ihm gewohnt waren, kümmerte er sich selbst um seine Verwundungen, wenn sie nicht schwer waren und schätzte ihre Sorgen um seine Gesundheit nicht.

Er seufzte leise. Er würde es mit allem anderen, was dort passiert war, in die Vergangenheit verbannen.
 

Aya zog seine grüne, blumig duftende Schürze über den Kopf, die er normalerweise bei der Arbeit trug und griff in der gleichen Bewegung nach seinem Portemonnaie. Er steckte seinen Kopf aus ihrer Hintertür um zu prüfen, wie kalt es geworden war. Zu kalt, wie er nun feststellte. Anscheinend hatte sich die Temperatur doch um einiges dank der aufziehenden Wolken und dem daher nur gedämpft vorhandenen Sonnenlicht abgekühlt. Besser, er nahm eine Jacke mit.
 

Mit einem letzten Blick in den Laden verschwand er schließlich und stieg fröstelnd in seinen weißen Porsche, die einzige Dekadenz in seinem Leben, die er sich gönnte und die nicht seiner Schwester oder seinen Sparbüchern zugute kam.

Weiß mit bordeauxroten Ledersitzen, Mahagoniarmaturen und allem technischen Schnickschnack, den ein modernes Auto zu bieten hatte. Alles in allem sehr komfortabel.
 

Er hütete diesen Schatz wie seinen Augapfel, nicht, dass Blut seine Sitze verunreinigte.
 

Ganz auf sich und seinen Wagen fixierte, entging Aya nun vollkommen die im Schatten stehende Gestalt, die am Türrahmen des Hintereingangs stand und sich schließlich umdrehte.

„Zufrieden, Birman?“, merkte Omi stirnrunzelnd an, als er die ältere Frau fixierte. „Was ist nun so wichtig, dass wir eine Missionsbesprechung ohne Aya abhalten und ihn sogar wegschicken müssen?“
 

~~**~~
 

Siebzehn....
 

...achtzehn...
 

...neunzehn...
 

...zwanzig.
 

Crawford stellte das kleine, unscheinbare Fläschchen neben sich auf den dunklen Beistelltisch und schluckte die bitteren Tropfen schaudernd hinunter. Das war also der Preis, den er für ein schmerzfreies Leben bezahlte, dachte er, während er sich vor Ekel schüttelte. Alleine der Nachgeschmack ließ bittere Galle hochsteigen, die er jedoch erfolgreich niederkämpfte. Bald, ganz bald würden sie vorbei sein, die Schmerzen in seiner Rückseite und seinem Unterleib, was jedoch das latente Fiebergefühl, welches ihn nun schon seit Tagen beherrschte, nicht lindern würde. Sein Körper fühlte sich krank, ungeachtet der Schmerzen, und ließ somit eine dumpfe Schicht an Unwohlsein zurück, die Crawford weder mit Medikamenten noch mit noch so gründlichen Duschen bekämpfen konnte.
 

Auch wenn er es nach Sonnenaufgang versucht hatte. Er hatte ihren gesamten Heißwasservorrat und die Hälfte seiner Duschlotion bei dem Versuch aufgebraucht, seinen Körper zu reinigen, was im Endeffekt jedoch nichts gebracht hatte. Die unangenehme Wärme und das stechende Unwohlsein in seinem Inneren hatte sich damit nicht gänzlich beseitigen lassen. Was vielleicht auch daran gelegen hatte, dass er seinen Rücken, um den Jei sich kurz zuvor gekümmert hatte, ausgespart hatte.
 

Crawford hatte es schließlich aufgegeben und sich einer weitaus unangenehmeren Aufgabe gewidmet. Wie Gift hatte er die Salbe, die Martinez ihm verschrieben hatte, angestarrt. Beinahe hätte er die unscheinbare Tube in den Müll geworfen, so sehr ekelte er sich vor dem, wofür sie stand. Doch er hatte den irrationalen Hass auf diesen unscheinbaren Gegenstand heruntergeschluckt und die Salbe unter Schmerzen auf den geschundenen Bereich aufgetragen. Danach hatte er sich schließlich mehrmals die Hände mit heißem Wasser gewaschen, um ja jegliche Spuren von seinen Händen zu tilgen. Wenigstens war das eine Aufgabe, für die er keinen anderen Menschen brauchte, der ihm zu nah kam. Wenigstens das.
 

Crawfords Gedanken kehrten zurück zu der Besprechung mit ihrem Jüngsten.

Während der ganzen Zeit, die er mit Nagi verbracht hatte, hatte seine Gabe geschwiegen und sich nicht gerührt. Erst, als der junge Telekinet gefragt hatte, ob es Interferenzen mit bekannten Gruppen gegeben hatte, hatte sich bei dem Gedanken an den Weiß, der für zwei Tage zwischen ihm und Lasgo gestanden hatte, minimal etwas geregt, was er ansatzweise als Vision bezeichnen konnte.
 

Ein Grab, ein Name darauf und Wasser, das den schlichten Stein hinabfloss. Dazu das untrügliche Gefühl der noch kommenden Tageszeit. Das war nicht viel, aber genug, um ihm zu zeigen, was die Vision getriggert haben könnte.

Fujimiya. Mal wieder. Wie bei Lasgo auch. Crawford fluchte stumm. Er wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab, um Gewissheit zu erlangen, ob Fujimiya tatsächlich der momentane Auslöser war und er wusste, wo er ihn finden konnte. Soviel hatte ihm seine Gabe wenigstens verraten.

Sein Vorhaben war dennoch gewagt und ohne ergänzende Informationen wenig ratsam. Er selbst würde seinem Team für solch eine waghalsige Aktion den Kopf abreißen. Wenn sie sich in einer Normalsituation befänden. Doch im Gegensatz zu seinem Team musste er auf seine Gabe zurückgreifen können. Sie musste zuverlässig arbeiten und er durfte nicht noch mehr versagen, als er es bereits getan hatte.
 

Unter Schmerzen erhob Crawford sich von seinem Schreibtischstuhl. Er befand sich schon im Überdosisbereich der Schmerzmedikation, doch er wusste, dass die normale Dosis auf Dauer nicht reichen würde. Jetzt schon nicht. So war die Physiologie eines PSI. Die auf ihn angepassten Medikamente zu nehmen, schloss sich aus, da er über keine gute Begründung verfügte.
 

Den Teufel würde er tun.
 

So nahm er das Fläschchen mit sich und griff sich einen der Autoschlüssel ihres Fuhrparks. Der Mercedes war verloren, Lasgo hatte ihn aller Wahrscheinlichkeit nach verschiffen oder verschrotten lassen, als er sich seiner bemächtigt hatte. Kein großer Verlust, war es sowieso eines der vielen Autos, die ihnen zur Verfügung standen. Trotzdem verursachte es Crawford Übelkeit.
 

Er nahm sich den Jaguar und ließ sich vorsichtig in sein Auto hineingleiten, genoss vom ersten Moment an das Gefühl, eine andere Welt zu betreten. Der angenehme Duft von Leder, das puristische Innendesign, all das ließ ihn sich zuhause fühlen und mit geschlossenen Augen den Wagen starten. Ein machtvolles Gefühl, als der wortwörtliche Funken übersprang, zunächst als sanftes Vibrieren unter ihm spürbar. Doch dann verstummte der Jaguar, wurde ruhig, ließ Crawford nur erahnen, dass er schon fuhr. Alleine die Kieselsteine ihrer Einfahrt unter den Rädern des Wagens ließen durch ihr Knirschen vernehmen, dass sich eben jener in Bewegung gesetzt hatte. Wie sehr sich doch die Sichtweise von einer Sekunde auf die andere ändern konnte, wenn das Leben auf den Kopf gestellt wurde.
 

Wer hätte gedacht, dass ihm die simple Fahrt in seinem Wagen einmal soviel bedeuten würde.
 

Er fuhr langsam den Weg hinunter bis ans Tor, öffnete per Fernschaltung das schmiedeeiserne Gitter und bog nach rechts in Richtung Tokyo. Ja, er würde einkaufen fahren, mit einem kleinen Zwischenstopp bei einem der etwas außerhalb gelegeneren Friedhöfe um zu sehen, ob seine Gabe ihm tatsächlich die Wahrheit gezeigt hatte. Und um sich selbst zu widerlegen, denn dass ausgerechnet Fujimiya als Stabilisator seiner Visionen dienen sollte, war mehr als absurd.
 

Es war vollkommen hanebüchen.
 

~~**~~
 

„Wir wissen nicht, wie lange das nun schon so geht, aber wir vermuten, dass es seit letzter Mission ist. Alle Informationen über Ayas Handlungen weisen deutlich darauf hin, dass er bestochen wurde und damit seinen Auftrag nicht dem Vertrag entsprechend erfüllt hat. Uns liegen belastende und verlässliche Informationen vor, dass er Lasgo hat leben lassen anstelle ihn zu töten und sein Handeln durch die Zerstörung des Areals vertuscht hat. Wir kennen das Ausmaß des möglichen Verrates noch nicht, sind aber dabei, es zu ermitteln. Und das ist noch nicht alles.“
 

Birman ließ ihre Worte für einen Moment sinken, maß die Gesichter der übrigen drei Weiß mit sorgenvollem Ernst. Sie waren entsetzt über den Verrat ihres Freundes, über dessen unverständlich abrupten Meinungswechsel. Noch glaubten sie ihr nicht, was sie sagte, noch waren sie im Stadium der Verleugnung. Aya war ihr Freund, er war loyal und ein sturer Kämpfer für die gute Seite. Jede Logik sprach gegen ihre Worte, doch genau da lag die Herausforderung. Weiß davon zu überzeugen, dass Aya sie und ihre Sache verraten hatte und gefallen war.
 

Sie liebte Herausforderungen.
 

„Abyssinian wurde von einem meiner Männer dabei beobachtet, dass er sich mit Lasgo nach Beendigung seines Auftrages getroffen hat. Was sie besprochen haben, war für den Agenten nicht hörbar, doch sie schienen vertraut miteinander umzugehen. Fast wie…“ Birman machte eine wirkungsvolle Pause und schluckte, als würde ihr ein großer Kloß im Hals sitzen. „…als wären sie Liebende.“
 

Liebende. Dass sie nicht lachte. Aya verachtete Lasgo für das, was er getan hatte.

Dabei hatte es diese Hure von einem Hellseher mehr als verdient. Alles, was Lasgo und sie selbst ihm angetan hatten, hatte er in anderer Form bereits vorher jemandem Unschuldigen angetan. Eigentlich war das, was geschehen war, noch viel zu wenig für den Amerikaner. Lasgo hätte ihn schon vorher wegbringen sollen, nachdem klar geworden war, dass Fujimiya nicht die Eier in der Hose gehabt hatte, sich an Crawford zu rächen. Doch nein, der Drogenhändler musste ja weiterspielen und sich den Schwarz noch für ein letztes Stelldichein holen.

So befriedigend das Leid und die Verzweiflung des Orakels auch gewesen war, so unnütz war es letzten Endes gewesen. Jetzt war er wieder frei und sie musste die Zügel in der Hand behalten, um Aya für seine Schwäche in Misskredit zu bringen.
 

Die Mission war einzig und allein für Aya bestimmt gewesen und das aus gutem Grund. Doch anstelle sich an Crawford zu rächen, wie sie es erst angenommen hatte, zeigte der seinem Hass so sklavisch und zuverlässig ergebene Abyssinian unerwartete Gnade und Milde für den Mann, der für eben jenen arbeitete, der seine Familie auf dem Gewissen hatte.

Sie hatte ihm einen Gefallen tun und ihn schließlich von Lasgos und ihrer Absicht überzeugen wollen, doch so ging es nicht. Nicht, wenn Aya sich gegen sie auflehnte. Nicht, wenn er sich ihnen verweigerte. So war sein Wissen über ihre Verbindung zu Lasgo zu gefährlich, als dass sie ihn ohne etwas dagegen zu unternehmen weiterleben lassen konnte. Und was war da besser, als ihn durch seine eigenen Freunde, die einzigen, die er noch hatte, erledigen zu lassen? Ein verdientes Ende für einen schwachen Mann und ein Problem weniger auf ihrem Weg zur absoluten Gerechtigkeit.
 

„Vielleicht wird er dazu gezwungen“, holte sie der Jüngste, Bombay, zögerlich aus ihren Gedanken und ließ sie nachdenklich aufsehen. Sie kräuselte ihre Stirn, vertuschte somit den wahren Mittelpunkt ihres Interesses. Omi Tsukiyono, Takatoris direkter Verwandter und Persers Sohn, ohne dass er es wirklich wusste. Ein kleiner, dummer Junge ohne eigenes Leben, dazu aufgezogen, zu töten und zu dienen. Wie gut, dass sie ihn seit seinem Eintreffen hier wie eine Ersatzmutter aufgezogen hatte. Er würde ihr niemals abtrünnig werden, genauso wenig wie er niemals aufhören würde, an den Sieg des Guten in der Welt zu glauben.
 

Lasgo hatte zu dem Jungen Kontakt aufgenommen. Anscheinend war es sehr anregend gewesen, eine willkommene Abwechslung zum eigentlichen Vorhaben des älteren Mannes. Auch wenn er einen anderen Typ Mann bevorzugte - schwarz, großgewachsen, muskulös, hilflos - hatte er die Zeit mit dem jungen Weiß genossen, wie Omi auch. Vergewaltigung war eben nicht immer das Richtige.
 

Bei Crawford allerdings schon. Etwas Anderes hatte der Schwarz nicht verdient.
 

Birman lächelte unbewusst, als sie sich eben jenen in Erinnerung rief. Wie er vor ihr lag, hilflos, allem beraubt, seiner Würde, seinem Stolz, seiner freien Entscheidung. Wie er von ach so schwachen Menschen missbraucht wurde. Ihr Teil an den Vergewaltigungen war gering gewesen, doch das würde sich noch ändern. Lasgo und sie selbst waren noch lange nicht fertig mit ihrem Opfer, noch lange nicht...
 

Sie würden ihr Netz spinnen und langsam aber sicher die Fäden zuziehen. Ein Mosaikstein nach dem anderen würde sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen und schließlich kein Entkommen ermöglichen. Jeder der hier Anwesenden würde seinen Teil zu ihrem Triumph beitragen und sie – wenn auch unbewusst – bei der systematischen Zerstörung von Schwarz unterstützen.
 

„Birman?“ Ach ja, man erwartete eine Antwort von ihr. Ihre Marionetten wollten von ihr wissen, in welche Richtung sie laufen sollten. Wen sie wann töten sollten wie willige Schoßhunde, die nach lang ersehnten Blut lechzten.
 

„Die Möglichkeit besteht, ja. Doch es gibt nichts, mit dem er zu erpressen wäre. Seine Schwester ist sicher bei uns, ihre Security sicher wie immer. In Bezug auf Weiß liegen uns auch keine anders lautenden Informationen über Gefährdungen vor. Ausschließlich kann man nichts, doch zu diesem Zeitpunkt der Ermittlungen müssen wir auf alles vorbereitet sein. Doch dafür brauchen wir eure Hilfe als sein Team. Perser und ich möchten, dass ihr ihn beobachtet und auf eventuelle Auffälligkeiten achtet, die sich an seinem Verhalten zeigen. Wir können es uns nicht leisten, einen so fähigen Mann wie Aya zu verlieren, daher wollen wir ganz sicher sein, dass das, was wir vermuten, stimmt oder nicht stimmt. Youji, ich möchte, dass du während eurer Missionen ein Auge auf ihn hast, ganz einfach, weil du am Nächsten mit ihm zusammenarbeitest. Ken, du beschattest ihn, wenn er abends weggeht oder generell das Haus verlässt. Omi, du überprüfst seine Spuren im Internet, welche Nummern er angerufen hat, etc..“ Sie legte eine weitere, bedeutungsschwangere Pause ein. „Ich habe vollstes Vertrauen in euch alle, dass wir gemeinsam Licht in diese Sache bringen.“
 

Sie mochte die Idee. Aya von Weiß überwachen zu lassen, war ein fantastischer Zug in ihr aller Spiel. Nun bedurfte er nur ein paar gefälschter Dokumente, Telefongespräche, Treffen und Videos und schon hatten sie ihren Vorzeigeverräter. So schnell würde aus dem stolzen Anführer von Weiß ein abtrünniger Agent werden.
 

Langweilig einfach.
 

„Warum sollte er Perser denn überhaupt verraten haben? Wieso ausgerechnet Aya?“, warf Ken kopfschüttelnd ein und nippte gedankenverloren an seinem Tee. Birman hielt sich zurück um nicht angeekelt die Nase zum rümpfen. Die tumbe Loyalität des Fußballers widerte sie an, genauso wie die Person, die ihn trank. Wie natürlich jeder aus diesem Team hatte auch er seine persönliche, tragische Vergangenheit, deswegen waren sie rekrutiert worden. Der arme, betrogene Fußballer und sein verräterischer, bester Freund. Was für eine rührende Geschichte.
 

Birman interessierte sie einen Dreck.
 

„Ich bin ebenso entsetzt wie du“, log sie und nickte verständnisvoll. „Deswegen ist es wichtig, dass wir Hand in Hand zusammenarbeiten um alles aufzuklären.“ Sie erhob sich langsam. „Doch ich möchte nicht, dass ihr ihm zu erkennen gebt, dass ihr von dem Verdacht wisst, da wir nicht wissen, wie weit sich seine Verbindungen zu Lasgo erstrecken. Ich möchte nicht, dass ihr euer Leben lassen müsst, nur weil er seine neuen Freunde mit hinzugezogen hat, habt ihr mich verstanden?“
 

Eindringlich musterte Birman einen jeden von ihnen und war auf den Widerstand, der sich in den ernsten und entsetzten Gesichtern regte, bestens vorbereitet. „Ich wiederhole es noch einmal, Weiß. Ich möchte euer aller Leben nicht riskieren. Seid bitte vorsichtig, wir haben es hier eventuell mit einem nicht zu unterschätzenden Gegner zu tun.“

„Verstanden“, erwiderte Kudou mit belegter Stimme und ihm folgten Ken und Omi. Sehr gut.
 

„Ich muss zurück ins Hauptquartier. Ihr habt meine Nummer und ihr wisst, wo ihr mich findet, wenn ihr Hilfe braucht.“ Birman machte sich keine Illusionen darüber, dass Weiß ihre Worte heiß diskutieren würden, wenn sie weg war. Sie machte sich ebenso keine Illusionen darüber, dass sie zunächst nicht daran glauben würden. Aber sie war guter Hoffnung, dass zum Schluss alles zu ihrer aller Zufriedenheit ausgehen würde.
 

~~**~~
 

Panisch und unregelmäßig brach sich der Atem des Mannes, den Crawford im eisernen Griff hielt, an seiner Hand. Fast war es dem Orakel, als wolle der Japaner versuchen, durch seine Haut zu atmen. Fast war es amüsant, wie verzweifelt er sich gegen Crawfords Griff stemmte und wie nutzlos es trotz Crawfords Zustand war. Der Überraschungsmoment hatte sein Übriges dazu getan, dass der nichts ahnende Kritikeragent ihn nicht hatte kommen sehen und sich nun in der deutlich nachteiligen Lage befand, erwürgt zu werden.
 

Der Japaner wehrte sich und versuchte, auch reichlich nutzlos, um sich zu schlagen und Crawford abzuschütteln. Vermutlich fragte er sich währenddessen fieberhaft, wer es wohl war, der seinem lächerlichen Leben ein Ende bereitete, während er den Anführer von Weiß auf dessen Weg zum Friedhof ausspioniert hatte. Crawford war nicht geneigt, ihm diese Frage zu beantworten, sondern richtete seine vollständige Aufmerksamkeit darauf, dieses Mal nicht den gleichen Fehler wie bei Fujimiya zu machen und den Agenten leben zu lassen.
 

Sein Leben hatte dieser in dem Moment verwirkt, in dem er den Auftrag von der verfluchten Hure Birman angenommen hatte, Fujimiya auszuspionieren um ihr danach zu berichten, mit wem sich der Weiß treffen würde und was er tun würde. Crawford konnte ihn also gar nicht am Leben lassen, selbst, wenn er nicht eine innerliche Freude und Genugtuung daran verspürte, dieses unnötige Leben auszuhauchen. Mehr Freude, als er eigentlich sonst empfand. Töten war notwendig, aber nie derart lustbehaftet gewesen wie bei Jei oder auch Schuldig. Es brachte ihn zum Ziel, mehr nicht.
 

Doch nun war es ein Schritt mehr zur Rache, die er an Birman nehmen würde für das, was sie getan hatte.
 

Er würde jeden ihrer Agenten töten und wenn es notwendig war, auseinanderreißen.
 

Die Gegenwehr des sterbenden Agenten erlahmte mit jeder Minute, die Crawford dazu aufbrachte, ihm mit einem festen Griff um den Kehlkopf zu erwürgen.

Die verzweifelten Laute wurden leiser, verstummten schließlich gänzlich und Crawford hielt ihn noch solange, bis er keinen Herzschlag mehr spüren konnte. Erst dann ließ er ihn angewidert zu Boden fallen und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf sie Zukunft, die in Fujimiyas Nähe soviel klarer war als in ihrem Anwesen.
 

Das war beunruhigend, auch wenn es Crawford sich nicht eingestehen wollte.
 

Vielmehr war das vertraute Gefühl, das ihn durchfloss, als er sich auf die Gegenwart und die Zukunft richtete, Balsam für seine innere Unruhe. Zum ersten Mal seit Tagen hatte er das Gefühl, Kontrolle über sich zu haben und über das, was ihn ausmachte. Fujimiyas Nähe war hierzu der Schlüssel, wie es schien, auch wenn Nähe relativ war. Der Weiß war bereits auf dem Friedhof, während Crawford sich selbst noch auf dem abgelegenen Parkplatz befand. Er hatte keinen Blickkontakt zu dem Weiß und empfing dennoch zuverlässig seine Visionen, die ihm noch heute Morgen wie auch in den letzten Tagen versagt geblieben waren.
 

Wortlos warf er das Handy des Agenten auf den Boden und zertrat es. Zeit, dem Weiß einen Besuch abzustatten. Lächelnd zog Crawford seine Waffe und trat auf den menschenleeren Friedhof.
 

~~**~~
 

Wird fortgesetzt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Höhö. Cliffhanger. :P
Trotzdem mag ich Kommentare und Kritik sehr gerne. ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2018-10-29T13:47:43+00:00 29.10.2018 14:47
Danke für das schöne Kapitel - und den gemeinen Cliffhanger da am Ende! xD Jetzt hibbele ich dem nächsten Upload noch ein bisschen mehr entgegen :D

Hach, Omi allein unterwegs ... ich bin immer noch gespannt, was für ein Pairing du uns neben Brad und Aya noch schenken wirst - falls das früher schon mal vorgekommen sein sollte in der alten Version, dann habe ich das absolut nicht mehr auf dem Zettel. Ich hab ohnehin das Gefühl, eine komplett neue Geschichte zu lesen, und ich genieße es sehr *_* Wann hast du 3T3N noch gleich zum ersten Mal veröffentlicht? Das ist gefühlt eine Ewigkeit her :D (und inzwischen bin ich genau die Ewigkeit älter, ugh! xD) Aaaber zurück zu Omi: Ich wittere Gefahr (wie immer; Lasgo macht mich seit dem ersten Teil schon komplett paranoid xD hinter jedem Satzzeichen könnte er lauern!). Große Gefahr, viel Gefahr ... mal abwarten, was da mit seiner neuen Bekanntschaft noch passieren wird.

Ich hab mich auch wieder so über die Schwarz-Homestory gefreut! <3 Ich mag diese "menschliche" Seite der Jungs sehr gern, dieses Bisschen Normalität, das eben auch für Orakel und Telepathen nicht einfach wegfällt. Jetzt sind die beiden Chefs also unterwegs ... und Birman, oh Birmaaan! Es ist so spannend. Die Aussage klingt einfach so plump, aber es ist so spannend, wie es sich langsam zuspitzt und man ahnt, dass die sehenden Auges ins Verderben gerannt wird. Diese Hilflosigkeit, zu der man als Leser verdammt ist, ist schon gemein :D aber Brad ist ja noch da - und Brad regelt hoffentlich ... vielleicht ... irgendwann ... Du hast den Plot einfach so klasse gestrickt, dass man mitfiebern muss, während sich jetzt gerade die Schlinge weiter um Ayas Hals legt. Da ist erstmal die Frage danach, wie die Begegnung mit Brad abläuft, aber dann muss er auch wieder zurück, und Birman legt ihre Qualitäten als olle Giftspritze ja doch ganz hübsch an den Tag :D oh Mann, oh Mann!

... und noch kurz zur Antwort auf den Kommentar zum letzten Kapitel: Irgendjemand hatte das schon angemerkt, glaube ich, denn es besteht ja diese fiese Zwickmühle, dass man einerseits am liebsten sofort alles verschlingen würde, andererseits dann ja aber auch alles schneller zu Ende ginge xD von daher ist Donnerstagabend super! Ich verschlinge die Kapitel auch immer recht zeitnah, bis Weihnachten ist der Uni-Kram nur geballt auf Do-So gelegt, sodass ich nicht direkt etwas schreiben kann :<

Deine Adventskalender-Idee ist richtig schön *_* dann freu ich mich doppelt! xD Genau, ich hatte mich auch gemeldet, muss das aber auch noch ganz ausformulieren, auch wenn die grobe Idee steht. Weiß Kreuz wäre da auch cool gewesen, wobei da die gemeine Pistensau definitiv für Crack gesorgt hätte, fürchte ich xD - wobei das ja auch nicht schlimm sein muss. Vielleicht stelle ich noch was um, mal sehen :D

Ahh, ich geh schon mal vorsichtshalber in Deckung xD ja, genau den Dummheiten-affinen Aya meine ich >.< und ich klammere mich an deine Worte, die ein fluffiges Ende versprochen haben x'D Möge der Weg auch steinig sein, ich giere nach jedem Bisschen Liebe (oh Gott, jetzt habe ich es wirklich geschrieben :D) zwischen Brad und Aya, auch wenn die erstmal als ... als irgendwas weniger Liebevolles getarnt ist ... <3 (die Skala ist btw großartig, Brad sollte sich die patentieren lassen!)

Bis zum nächsten Mal <3
Antwort von:  Cocos
01.11.2018 16:41
Sodele, jetzt musst du nicht mehr hibbeln ;) Ich hatte vergessen, wie schön es ist, Cliffhanger zu schreiben. Aber keine Sorge, das wird nicht oft vorkommen.

Nein, die frühere Version war gar nicht so weit fortgeschritten, dass sie andere Pairings hätte haben können (Achtung, Plural ;) ). Das ändert sich im Lauf dieser Geschichte und ich nehme noch Vermutungen an, wer es denn sein könnte außer dem Offensichtlichen. Zugegeben, zum jetzigen Stand ist das ein wenig schwierig, weil es ja noch nicht wirklich Situationen gegeben hat, in denen sich etwas hätte bilden können. Aber keine Sorge, das kommt noch.

Zum Thema gefühlte Ewigkeit: DTdN habe ich auf ff.net 2003 das erste Mal hochgeladen, auf Yaoi.de vermutlich früher. DFG kam im gleichen Jahr. Die 15 Jahre machen es wahrscheinlich aus, dass es sich wie zwei verschiedene Geschichten liest. Ich habe ja auch viel abgeändert (und bin auch älter geworden *heul*).

Die Gefahr, die du bei Omi witterst, ist vielleicht gar nicht mal so unberechtigt. Vielleicht aber auch doch. Schließlich kann ja auch nicht alles böse sein hier. Lasgo und Birman sind schließlich schon böse genug für zehn.

Danke danke. Häusliches Schwarz zu schreiben hat mir auch sehr viel Freude bereitet, insbesondere die Gedankenspiele, wie die Herren sich denn untereinander verhalten, wenn sie gerade nicht für Takatori unterwegs sind.
Ich bemühe mich, den Spannungsbogen auf einem erträglichen Maß zu halten und zwischendurch immer mal wieder für Entspannung zu sorgen. ;)

Was das Posten angeht: ich hatte diese Woche geplant, Dienstag und Freitag zu posten. Schau, wie gut das geklappt hat XD... Schöne Pläne halten auch nur bis sie auf die Arbeit treffen. Keine Sorge, ich habe genug Teile für über ein Jahr DFG, also geht es eigentlich dann nicht "schnell" zuende. Und wenn ich die Muße habe, die Trilogie noch voll zu machen, folgt dem auch noch die dritte Geschichte.
Und mach dir keine Gedanken: ich freue mich über jeden deiner Kommentare, egal, wann der kommt. :)

Ach ich freu mich so oder so auf deinen Weihnachtskalenderbeitrag, egal, ob Weiß Kreuz oder nicht. Pistensau auf Crack weckt in mir da aber auch ganz ungute Assoziationen.

Was die Skala von Brad angeht, so hat er sie sich glaube ich schon patentieren lassen, weil sie für ihn einen nicht unwichtigen Kompass darstellt (habe ich so das Gefühl). Zumal es auch seltsamerweise eine gemeinsame Humorbasis von Aya und Brad ist, die sie gefahrlos nutzen können um daraus vielleicht so etwas wie... Liebe (O__O) zu machen.

Viel Vergnügen mit dem neuen Teil! Ich bin schonmal auf deine Meinung gespannt. :D
Antwort von: abgemeldet
25.11.2018 11:30
Ich habe so lange nicht geschafft, weiterzulesen, dass ich wahrscheinlich bis Weihnachten nicht up to date sein werde xD verdammte Uni, gerade zerrt die echt an mir (und meinen Nerven)!

15 Jahre … meine Herren, das ist wirklich sehr, sehr lange her … Wahrscheinlich bin ich jetzt erst alt genug, um wirklich ganz zu durchdringen, wer da was macht – und warum xD Aber Altersempfehlungen haben mich eh nie interessiert, was soll's! Als ich erst im Yaoi.de-Strudel drin war, war meine Seele sowieso komplett verloren :D Hach, tröste dich, wir sind beide ein großes Stück gealtert seitdem und ich vermute ganz stark, dass das auch so fix nicht aufhören wird :3

Das Schlimme ist ja wirklich, dass ich momentan immer davon ausgehe, dass irgendwo etwas im Busch ist, wenn jemand Neues auftritt … deswegen wird das jetzt ganz genau beobachtet 8D Ich werde mir jetzt gleich das nächste Kapitel gönnen, so viel Zeit muss endlich mal wieder sein *_* Dass Lasgo und Birman böse genug für 10 sind, würde ich übrigens sofort unterschreiben. Ich habe die böse Vorahnung, dass sich das noch mal multiplizieren wird xD

Ohhh mein Gott, über ein Jahr?! *__* Gut, das ist dann mein Weihnachtsgeschenk für dieses und nächstes Jahr xD ich freue mich gerade so sehr – es könnte sein, dass ich eine Runde auf meinem Schreibtischstuhl gedreht habe! Die Aussicht auf eine Trilogie ist übrigens der Hammer … ich will ja nichts beschreien, aber … also … nunja …! *_* <3

Danke dir, das kann ich nur zurückgeben :D Ich bin so gespannt auf deinen Beitrag – und vielleicht, ganz vielleicht switche ich doch nochmal um. Momentan klammere ich mich noch an meine Anfangsidee, aber eventuell tut sich da noch was. Erstmal muss hier dieses elende (unbenotete, arghhh!) Portfolio für's Seminar fertig werden und dann habe ich mein Leben und hoffentlich auch meine Muse zurück, hehe :3 (Und wo du gerade Pistensau auf Crack sagst – warum muss ich gerade an Schuldig denken, der teuer besonnenbrillte Skihasis mittleren Alters von der Piste kickt? Oh Mann … xD)

Ahh, jetzt hast du das L-Wort auch gesagt! :O Lieber nicht zu laut … nicht zu laut, sonst hören die beiden das noch! xD

So, und ich hüpfe jetzt endlich (<3) zum nächsten Kapitel! *_*
Antwort von:  Cocos
25.11.2018 20:59
Na dafür hast du heute aber ordentlich gelesen und kommentiert. *___* Was soll ich sagen, heute war schon Weihnachten bei mir! :D Danke für die geballte Art der Kommentare!
Ich drücke dir die Daumen, dass die Uni nicht ganz so stressig wird und du vor Weihnachten wenigstens ein paar ruhige Tage hast.

Du meinst, das Altern wird nicht aufhören? Nein, wird es nicht. *wein* Aber ja mei, man ist immer so jung, wie man sich fühlt. Rede ich mir zumindest ein. ;)

Was soll ich zum Thema Misstrauen sagen, außer: vielleicht eventuell könntest du Recht haben mit deinen Vermutungen und es lauert ja wirklich etwas. Lasgo ist ja nun nicht der Dümmste auf dem ganzen Planeten (zumindest klug genug, um besser als Crawford zu sein), wer weiß, was er und Birman sich da noch ausgedacht haben.

Ja, ein Jahr und zwei Wochen bei wöchentlicher Postweise, deswegen überlege ich den erhöhten Zyklus. Wobei das ganz gut passen würde, ich hatte beim Schreiben auch noch die Idee eines Weihnachtsspecials mit ein paar speziellen Charakteren. :D Aber wer weiß, wer weiß!

Thema Weihnachtskalender: dank dir ist mein Beitrag heute zu 80% fertig geworden. :D Ich drücke dir die Daumen, dass es bei dir auch so fluppt und dass deine Muse dich nicht im Stich lässt.
Schuldig, der Leute von der Piste kickt? Oh ja, kann ich mir so gut vorstellen. Oder er lässt sie von alleine gegen irgendwelche Bäume oder ineinander fahren. Wir kennen ihn ja. Immer für Ärger gut. ô.Ô

Och du, die beiden werden das sehr laut im Laufe der Geschichte hören (es wird jemand zum unpassenden Zeitraum sehr laut, sehr falsch und sehr aus dem Kontext gerissen in den Äther blasen). Aber mehr sage ich nicht. :P

Auf auf zum nächsten, jawollja! :D



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