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[Volatile] - Inception

‚What if I fall?‘ ‚Oh, Darling! What if you fly?‘
von

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Way down we go

*Arthur*

Es klingelte an der Tür, als Arthur sich gerade für ihr Abendessen angezogen hatte. Irritiert kam er aus dem Schlafzimmer und ging zur Tür, blickte durch den Sucher. „Mach auf, ich weiß, dass du da bist“, hörte er die Stimme seiner Schwester. Arthur öffnete die Tür. „Hey Tricia!“, sagte er und stellte sich in die Tür. Irritiert blickte sie ihn an, blickte an ihm vorbei. „Hast du Besuch?“, fragte sie erstaunt. Arthur erwiderte nichts. „Ich bin auf dem Sprung“, antwortete er, als sie ihn abwartend ansah. „Wie kann ich dir helfen?“ Sie lächelte. „Natürlich“, sagte sie mit einem Seufzen in der Stimme und hochgezogenen Augenbrauen. Der Vorwurf des „Du hast ja eh nie Zeit“ schwang mit. Sie drückte ihm einen Briefumschlag in die Hand. „Das ist die Rechnung vom Elektriker“, erklärte sie. „War gut, dass du was gesagt hast. Auch wenn Dad behauptet, dass das alles ganz harmlos war. Der Elektriker hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und sich gefreut, die Rechnung schicken zu können.“ Arthur nahm sie und nickte.

Er spürte, dass Tricia noch nicht zu Ende war. „Kommst du nun am 21.?“ Arthur schwieg.

Würde er kommen? Zu dem Zeitpunkt war Tom ganz sicher schon wieder weg.

Ihm ging es gut, besser auch in diesem Punkt, seitdem er Tom gezeigt hatte, was damals passiert war. Aber eigentlich wollte er ja vielleicht auch nach Mombasa. Vielleicht wäre er an seinem Geburtstag bei Tom und sie würden sich die Kante geben, auf Enya anstoßen und seit langem mal wieder würde er seinen Geburtstag feiern mit Menschen, die sich über sein Dasein freuten. War das vermessen?

„Ich weiß es noch nicht“, antwortete er ehrlich. „Vielleicht bin ich gar nicht in New York.“ Sie nickte nachdenklich. „Vielleicht sollten wir mal was gemeinsam trinken gehen“, sagte sie schließlich mit einem seltsamen Ton in der Stimme. Arthur sah sie überrascht an, lächelte sogar. „Hm, das wäre schön.“
 

*Eames*

Die Stimme an der Tür machte Eames natürlich neugierig. Er tat so, als hantierte er an seiner Reisetasche herum, die noch immer im Wohnzimmer stand, um besser zuhören zu können. Schien eine Verwandte oder zumindest eine enge Bekannte zu sein – kein Grund also auf irgendetwas eifersüchtig zu sein, entschied er. Nur irgendwie eigenartig, dass Arthur sie nicht hereinließ, oder ihn vorstellte.

Darauf könnte er später zurückkommen, dachte er.
 

Er selbst war gerade eben halb fertig. Immerhin hatte er bereits eine Hose an.

Nach einer weiteren ‚freundlichen‘ Aufforderung seines Liebsten, zog sich Eames dann auch weiter an und striegelte sich das Haar. Wenn sie schon ausgingen, dann wollte er natürlich was hermachen. Zwar war Arthur nur halb mit dem ausgewählten Hemd zufrieden, aber damit würde er wahrscheinlich für immer leben müssen.
 

Irgendetwas stimmte mit seinem Kreislauf nicht... er fühlte sich schwummrig, nicht auf der Höhe, doch er tat sein Bestes Arthur dies nicht merken zu lassen. Vielleicht fehlte einfach Zucker. Er nahm eine Tablette und machte sich mit Arthur auf den Weg.
 

Candela grüßte Eames zunächst herzlich mit einer Umarmung. Darauf achtend nicht von Arthur gehört, oder zumindest nicht verstanden zu werden, steckte er ihr, dass dies ein Date war, woraufhin Candela strahlte und beiden Herren kommentarlos einen Kuss auf die Wangen drückte.
 

»Körperlicher Typ Mensch«, kommentierte Eames, als Candela vorging und für sie beide einen passenden Platz heraussuchte.
 

Die Ecke war schwer einsehbar und gemütlich; bunte Lichter, grob verputzte Wände, Kerzen und Fackeln, dunkles Holz und Mosaike. Sie nahmen Platz und bestellten.

Er fühlte einen undefinierbaren Druck auf der Brust und er spürte seinen Kreislauf schwanken. Ungewöhnlich...

Er blieb ruhig sitzen und schloss kurz die Augen, umfasste die Stirn mit der plötzlich kalten Hand.

»Hast du vorhin was an der Dosis verändert?«, fragte er und blinzelte ein paar Mal bevor Arthur im Gegenüber wieder scharf wurde.
 

*Arthur*
 

Arthur hatte seine Schwester verabschiedet, versprochen, sich zu melden. Noch im Flur zückte er sein Handy, öffnete die Rechnung und überwies den Betrag. Eames verhielt sich ruhig. Irgendwie war Arthur erleichtert, dass er nicht zur Tür gekommen war. So blöd es sich anhörte, aber er hätte nicht gewusst, wie er ihn hätte vorstellen sollen. ‚Ein Freund‘ wäre ihm momentan falsch vorgekommen. Alles andere hätte Fragen aufgeworfen. Am unverfänglichsten wäre wohl ‚Arbeitskollege‘ gewesen. Nun ja.
 

Tom sagte nichts, als er zurück ins Wohnzimmer kam. Und bevor er registrieren konnte, dass diese Stille verdächtig war, war Arthur bereits abgelenkt. Ein strenger Blick auf die Uhr und ein „Nichts gegen deinen makellosen Luxuskörper, Mr. Eames. Aber das Zeitfenster, das Jesse uns ermöglicht, ist klein.“ Als Tom zu einem seiner Hemden griff, hob Arthur eine Augenbraue, woraufhin jener das nächste herauszog. Arthur überlegte kurz. Vermutlich würde es nicht besser und dieses Muster ala 50er Jahre Tapete sah einigermaßen kompatibel zu seinen schlichteren Farben aus. „Passt unheimlich gut zusammen“, sagte er gewichtig. Die Ironie war nach wie vor nicht verschwunden. Sie waren vermutlich einfach ein seltsames Paar.
 

Während sich sein wandelndes Chaos fertig anzog, checkte er noch einmal die Ampullen, die er am Küchentisch zurechtgelegt hatte. Als er aufblickte, sah er, dass Tom kurz innehielt, sich zu sammeln schien. Missmutig blickte er ihm hinterher, als jener im Bad verschwand. Hatte er solche Momente schon einmal gesehen? Er konnte sich nicht recht erinnern. Aber es würde ihn nicht wundern, wenn es so wäre. Vorhin hatte er den Whisky gerochen, als er vom Laufen gekommen war. Die Schmerzmittel und Alkohol zusammen mit Somnacin und X - was wusste er schon, was jener sonst noch so einschmiss...
 

La Esquina - der zweite Versuch. Na, ob es diesmal wirklich ein Date wäre? Arthur hatte Eames immerhin auch ohne Handschellen bis hierher bekommen - aber niemand konnte sagen, was noch geschehen würde.

Zumindest war das Vertauschen der Ampullen einfach über die Bühne gegangen. Aus dem Nebenzimmer war er schon vor ein paar Tagen ausgeheckt.

Candela begrüßte Eames herzlich, was Arthur ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Er freute sich auf den Abend auch weil sie da war. Als sich die beiden lösten, hatte ihr Blick einen anderen Ausdruck und Arthur war überrascht, dass sie nun auch ihn so begrüßte. Irgendwie freute es ihn und er schenkte ihr ein Lächeln. Im Grunde war sie vielleicht dafür verantwortlich, dass sie hier überhaupt gemeinsam standen. Sie war es gewesen, die Arthurs Blick an jenem unsäglichen Abend von seinem verletzten Stolz zu dem gelenkt hatte, das Tom neben einem unfassbaren Chaoten eben auch war: ein im Grunde herzensguter Mensch mit etlichen Macken.
 

Mit einem Nicken reagierte er auf Toms scheinbare Entschuldigung hinsichtlich ihres Verhaltens. Er mochte Umarmungen nicht besonders, noch weniger von ihm fremden Menschen. Bei Candela schien es einfach dazu zu gehören, irgendwie. Auch wenn er sich versteift hatte, hatte er es zugelassen.

Erst während sie ihr folgten, kam ihm der Gedanke, warum diese Entschuldigung überhaupt nötig war. Letztlich war es aber egal. Sie waren hier, um den Abend zu genießen.
 

Der Tisch war angenehm, denn er war etwas abseits. Arthur blickte Candela hinterher, die ihnen eine Kerze auf den Tisch gestellt hatte. Als er zu seiner Begleitung blickte und eigentlich etwas über sie sagen wollte, verstummte er.

Tom saß ihm gegenüber, sah aus wie ein Blatt Papier und fühlte sich sichtlich unwohl. Seine Frage irritierte ihn kurz. Arthur wechselte den Platz, rutschte auf der Bank um den Tisch herum zu Tom. „Nein“, sagte er ehrlich, hob seinerseits die Hand, um Toms wegzunehmen und seinerseits an der Stirn zu fühlen. Die Hand, die er nun hielt, war kalt, die Stirn wärmer als erwartet, die Pupillen groß. „Was hast du geschluckt?“, fragte er. „Du siehst Scheiße aus und stoned.“ Die Schärfe in seiner Stimme zeugte von seiner Sorge. Candela kam mit dem Bier, das sie bestellt hatten. Auch sie sah Tom irritiert an. „Bringst du ihm Wasser?“, bat er sie und sie nickte, ging, um es zu holen. „Whisky, Somnacin und wieviele Pillen Oxy? Hab ich was vergessen? Ich hatte gehofft, dass du vorsichtig bist.“
 

*Eames*

Sein Körper spielte ihm einen Streich, ausgerechnet in diesem Augenblick, wo er Arthur komplett ausgeliefert war. Keine Chance sich eben ins Bad zu verziehen...

Seine Hand wollte bereits nach dem Bier greifen, dass Candela ihnen servierte, verweilte jedoch, als er Arthur Kommentar dazu hörte. Wasser klang gerade gar nicht so schlecht, wenn er so darüber nachdachte.

Er ließ sich bereitwillig von Arthur begutachten, wandte sich jedoch grummelnd ab, als er den Vorwurf heraushörte.

»Yusuf hat mir grünes Licht gegeben... ich weiß nicht was los ist«, wich er aus. Wenn Arthur allzu genau über seinen Medi-Plan Bescheid wusste, würde er am Ende noch unangenehme Fragen stellen.

Er griff nun doch nach dem Bier und hielt sich das kühle Glas an die Stirn, in der Hoffnung wieder etwas Klarheit zurückzuerlangen.

Sicher, er neigte schon immer dazu in gewisser Weise fahrlässig mit seiner Gesundheit umzugehen – er hatte einfach keinen allzu gesunden Umgang mit Substanzen. Leider blickte er auf 23 Jahre Erfahrung zurück, die ihn in mancher Hinsicht abgestumpft hatten.

Er schenkte Arthur ein zuversichtliches Lächeln.

»Lass uns einfach den Abend genießen...«

Er stellte das Glas wieder ab und griff nach Arthurs Hand, dessen Rücken er sacht mit dem Daumen streichelte.

»… Mach dir keine Gedanken, ich bin vorsichtig.« Anders gesagt: ‚Halt dich raus!‘, nur besser formuliert.
 

*Arthur*

Na klar! Grünes Licht! Arthurs Augen verengten sich kurz, missmutig verzog er den Mund. Dass Tom ihm bei dieser Aussage nicht ins Gesicht sah, sagte ihm genug. Er wusste nur zu gut, wieviel Eames vertrug, wieviel er schluckte, was er gerne probierte. Er hatte ihn auch gelegentlich ziemlich zerschlagen gesehen. Schmerzmittel waren meist nicht auch noch dabei. Und dann war da noch diese schwelende Unruhe in Tom, die jenen umgab und ihn sich auf der Straße nach Verfolgern umsehen ließ. War der Druck, die Folgen wenn etwas schief ging, so massiv, dass er seine Nerven versuchte mit allem möglichen zu beruhigen?

Das Gefühl, nach wie vor etwas zu übersehen, nagte an ihm.

Er wog die Worte hin und her. Was sollte er sagen? Er wollte diesen Abend ja eigentlich genießen, nicht zerstören.

Das Lächeln ließ ihn seufzen - die folgende Ansage war klar. Sein Blick senkte sich auf die streichelnde Hand.

In diesem Moment stellte Candela das Wasser auf den Tisch, Arthur zog die Hand zurück. „Danke!“, sagte er freundlich zu ihr. „Trink!“, wies er ihn recht schroff an. Candela wartete einen Moment, Arthur nickte ihr zu, dass sie gehen könne, was sie tat.

„Wenn alles passt, dann muss es wohl am Sex liegen, dass du gerade nicht auf der Höhe bist“, überlegte er weiter. „Womöglich solltest du vorsichtshalber heute Nacht auf dem Sofa schlafen.“
 

*Eames*

Er trank, wie befohlen. Dabei erschien wieder einmal die steile Furche zwischen seinen Augenbrauen, die wirklich nicht von Zustimmung zeugte. Waren sie schon bei solcherlei Spielchen angekommen? Wollte Arthur ihm mit Entzug von Körperlichkeiten drohen, wenn er nicht nach seiner Pfeife tanzte?

Eames leerte sein Glas in einem Zug und wischte sich im Anschluss mit dem Daumen einen Tropfen aus dem Mundwinkel. Dann nahm er den Blickkontakt wieder auf. Sein Ausdruck hatte was von einer unzufriedenen Bulldogge.

Mal ganz davon abgesehen, dass er nicht glaubte, dass Arthur ihm widerstehen könnte, wenn er es nur hart genug versuchte, war es doch einfach eine zutiefst unschöne Sache, solcherlei Geschütze aufzufahren.
 

»Wenn mir Sex schaden würde, wäre ich längst tot«, erwiderte er trocken, mit einem eingefrorenen Lächeln auf den Lippen und stand auf.

»Pardon me.«

Er rutschte von der Bank und verschwand auf die Herrentoilette.
 

Die Haut unter seinen Augen wirkte dünn, bräunlich, rötlich. Die Pupillen waren tatsächlich leicht geweitet... zugegeben, der Mann im Spiegel sah beschissen aus.

Er warf einen kurzen Blick auf sein Handy. Weitere Nachrichten von Lorenzos Leuten. Er war heilfroh, wenn dieses Affentheater endlich ein Ende hatte... so langsam wurde es ernst. Wenn er morgen nicht lieferte, würden sie ihm einen Betonschuh gießen. Und das nur, wenn sie gut gelaunt waren.
 

Er übergab sich, wusch sich gründlich das Gesicht und den Mund, schmiss einen Kaugummi ein und kehrte anschließend wieder zurück zum Tisch. Nur noch ein bisschen durchhalten und seine elenden, gebrochenen Rippen überstehen, dann stand ihrem Glück nichts mehr im Weg.
 

*Arthur*

Offenbar war der Sarkasmus in seiner Stimme nicht so gut durchgekommen, wie er es gehofft hatte, als er ihm des Bettes verwiesen hatte. Der Gesichtsausdruck des anderen sprach Bände. Arthur erwiderte genervt den Blick, versuchte den Spruch, das Lächeln an sich abperlen zu lassen, wie er es früher so gut konnte. Ganz gelang es ihm nicht, wie sein flaues Gefühl im Magen ihm verriet. Er hatte ihm doch nur die Absurdität aufzeigen wollen, dass all die Tabletten, das Somnacin und der Alkohol sicher nicht an seinem Zustand schuld sein könnten!

„So war das nicht gemeint…“, fauchte er, während der andere sich abwendete und zur Toilette ging. Klar! Abhauen war immer gut! Das schlimme war – er war ja nicht besser, wenn Eames ihm auf die Füße trat. „Vollidiot!“, knurrte er und atmete tief durch.
 

Es war einfach nur diese Sorge, die er schon oft empfunden hatte – vielleicht schon immer empfunden hatte. Auch ein Grund dafür, dass er sich so lange auf nichts eingelassen hatte. Der Lebensstil des anderen, die Liebe zum Risiko, das Provozieren von gefährlichen Situationen stand auf der einen Seite. Auf der anderen Seite standen Alkohol, Pillen, Drogen. All das verkürzte die Lebenserwartung. Was würde passieren, wenn er irgendwann nichts mehr, nie wieder etwas von Tom hören würde? Wenn er die Nachricht bekäme, dass jener den Tod einmal zu viel herausgefordert hatte? Einen Vorgeschmack darauf hatte er schon öfters in Ansätzen zu spüren bekommen, wenn es bei Aufträgen brenzlig wurde. Das erste Mal, als jener bei einem Auftrag angeschossen worden war. Es war letztlich eine Lappalie gewesen, nur ein Streifschuss, aber das Gefühl in ihm war erschreckend gewesen. So erschreckend, dass die Sprüche der Erniedrigung ihm leicht über die Lippen gegangen waren, um sich nichts anmerken zu lassen. Er wollte nicht noch mehr Menschen verlieren, die ihm etwas bedeuteten.
 

Arthur griff nach dem Bier, trank einen Schluck, versuchte seinen Ärger und seine Sorgen hinunterzuspülen. Letztlich hatte er keine Handhabe. Der Gedanke war irgendwie seltsam unbefriedigend, fast ein wenig schmerzhaft. Aber: wenn er selbst und ihr something nicht reichte, um Tom zur Vernunft zu bringen und vorsichtiger werden zu lassen, dann konnten seine Worte ohnehin nichts ändern. Das hatten sie noch nie vermocht.

Er zog sein Handy heraus und überlegte, ob er Yusuf noch einmal vorwarnen sollte, dass es morgen schwierig werden könnte. Aber er entschied sich dagegen. Vermutlich würde Tom sonst noch am gleichen Tag in den Flieger nach Mombasa sitzen und froh sein, ihn endlich los zu sein. Daher steckte er das Handy wieder weg. So eine Scheißsituation!
 

Er hatte sich auch ihren gemeinsamen Abend anders vorgestellt. Er überlegte, ob er wieder zurück zu seinem Platz rutschen sollte, entschied sich aber dagegen. Er wollte keine Distanz aufbauen. Vielleicht sollte er das Thema einfach fallen lassen. Er hatte zwar das Gefühl, in vielen, vielleicht zu vielen Dingen zurückstecken zu müssen, zu respektvoll zu sein, aber angesichts der Situation war es nun mal so. So war es mit Tom, so und nicht anders. Nichts und vor allem niemand würde das ändern. Außer er selbst.
 

Als Tom zurückkehrte, sah er zu ihm auf, zögerte. Sollte er ihm sagen, dass er sich einfach nur Sorgen machte? Sie hatten darüber schon geredet. Der Forger hatte ihm deutlich gemacht, dass er sich keine Sorgen machen brauchte. Doch wenn er ihn so sah, wie eben, dann blieb das einfach nicht aus. Dass es ihm dabei nicht um den Job ging – oder nur bedingt – war Tom hoffentlich klar. Arthur hob die Hand und ergriff die des anderen, zog diesen neben sich auf die Bank. Ein Friedensangebot? Es war ihr Abend. Morgen würden sie mit Yusuf feiern, mit Jesse. Heute Abend galt ihnen beiden – unabhängig vom Job.
 

Der Geruch von Kaugummi, wieder etwas mehr Farbe im Gesicht - manchmal reinigte sich der Körper selbst.

Candela kam, brachte einen Vorspeisenteller, vergewisserte sich, ob es Tom besser ginge, der das bestätigte. Arthur hatte Toms Hand diesmal nicht losgelassen. Ein Friedensangebot.

Schließlich hatte sich Arthur soweit wieder im Griff. „Dein Mombasa, wie du es mir gezeigt hast, gefällt mir“, begann er. „Erzähl mir von dem ‚Barcelona Fight Club‘. Trainierst du dort, wenn du in Mombasa bist?“ Er sah ihn auffordernd an. Vielleicht würde er so seine Laune bessern. Er zögerte, ob er noch etwas hinzufügen sollte, zum Beispiel die Frage, wann er zurückfliegen würde. Doch er griff nach einem Stück Brot und spießte eine der Garnelen auf, um mit dem Essen zu beginnen.

Wenn es sich ergab, konnte er immer noch fragen. Er wollte nicht, dass Tom es in den falschen Hals bekam. Zudem wollte er nicht das beklemmende Gefühl spüren, wenn jener ihm verriet, dass er so bald wie möglich dorthin fliegen würde.
 

*Eames*

Die Wogen hatten sich schon wieder geglättet, als er zurückkehrte. So war es wohl manchmal bei ihnen: es wurde heiß gekocht, aber nicht so heiß gegessen. Wenn man wollte, konnte man es sogar auf die Anspannung vor dem Job schieben, die ihnen beiden zusetzte. Das war auch nach all den Jahren nicht ganz unwahrscheinlich… außerdem hing dieses Mal wirklich eine Menge vom Gelingen der Mission ab. Da kochte es vermutlich noch leichter hoch, als gewöhnlich...
 

Er ließ sich neben Arthur nieder, nahm mit Wohlwollen wahr, dass er sogar vor Candela seine Hand hielt. Es war ihm von vorn herein klar gewesen, dass Arthur ihre Beziehung niemals an die große Glocke hängen würde. Ebenfalls war ihm klar, dass ihn das auf lange Sicht extrem verletzen würde, aber im Augenblick waren sie noch nicht dort. Sie machten kleine Babyschritte; Hauptsache vorwärts.
 

Er nahm einen kleinen Schluck Bier. Lächelte auf die Frage hin in sich hinein. ‚Friedensangebot angenommen.‘

»Hin und wieder. Dann hat der Besitzer gewechselt und plötzlich wollten die Geld von mir... unverschämt!«

Er schob sich eine Olive zwischen die Lippen, kaute und schluckte ein wenig widerwillig. So ganz wohl war ihm noch nicht, aber es gab kaum ein Problem, dass eine gute Mahlzeit nicht lösen konnte.

»Du solltest mitkommen, wenn wir den Job erledigt haben. Lass Ariadne mal ein bisschen Freiraum, sie wird es lieben.«
 

*Arthur*

Arthur lachte leise. „Wirklich unverschämt! Müssten sie nicht eigentlich dir etwas bezahlen, dass du dort trainierst?“, kommentierte er die Aussage des anderen. Dieser Mann! Toms Verständnis für die Welt war einzigartig. Und so sehr es ihn oft nervte, dass jener meinte, die Welt schulde ihm alles und er ihr hingegen nichts, so sehr konnte er in diesem Moment darüber schmunzeln. Vermutlich war es die Erleichterung darüber, dass auch Eames gewillt war, den kurzen Streit von eben unter den Tisch fallen zu lassen. Arthur fühlte sich wieder entspannter, fröhlicher.

War er so harmoniesüchtig? Im Moment schon. Wegen morgen? Vielleicht. Wobei er einfach darauf vertrauen konnte, dass Tom alles richtig einschätzte, dass er kein unnötiges Risiko einging.

Vielleicht war er auch so harmoniebedürftig, weil die letzten Tage einfach nur schön gewesen waren, einfach nur schön.

Er lächelte Tom an, blieb in den Augen des anderen hängen, als dieser ihn aufforderte, gleich mit ihm mitzukommen. Zwischen den Zeilen las Arthur, dass Tom ‚wenn der Job erledigt ist‘ direkt fliegen würde. Nun, das hatte er bereits vermutet, der Traum vorhin hatte ihm Gewissheit gegeben. Aber konnte er wirklich auch so schnell weg?

Der Gedanke, dass Tom gleich wieder schier auf der anderen Seite des Globusses sein würde, fühlte sich nach den vergangenen Tagen Scheiße an - wenn er ehrlich wäre.

Was hielt ihn also? Hatte er wirklich ein Problem damit, Ariadne alles zu überlassen?

Sie war verdammt gut, resolut, mit der nötigen Durchsetzungskraft in einem von Männern dominierten Beruf. Sie hatte Biss und sich bereits in kurzer Zeit ordentlich Respekt verschafft. Sie war mindestens so gut wie er in dem was sie tat, besser was Kreativität und Innenarchitektur betraf. Hatte er deshalb Angst? Dass er überflüssig wurde? Ersetzbar?

Es hatte keine Woche gedauert, nachdem ihn sein Vater vor 8 Jahren vor die Tür gesetzt hatte, und sein Zimmer war ausgeräumt gewesen, seine Sachen abholbereit zurechtgestellt worden. Aber das war verdammt lange her. So langsam müsste er darüber hinausgewachsen sein. (Auch etwas, was Tom bewirkte: er konnte seit er es ihm gezeigt hatte, darunter endlich einen Strich ziehen)

Ariadne war für ihn nach dem Fisher-Fall ein guter Ersatz für ihn gewesen, das Gefühl zu haben, gebraucht zu werden. Alle waren auseinander gegangen, Eames ohne sich zu verabschieden. Er war wieder allein gewesen. Eigentlich brauchte sie ihn nur bedingt.
 

Arthurs Lächeln war kleiner geworden, irgendwann verschwunden. Er wandte den Blick ab, griff nach der Bierflasche. Sein Daumen wischte über das feuchte Etikett. Dann hob er die Flasche an und trank.

Der Job, den sie an Land gezogen hatten, war die Kernsanierung und der Umbau eines Bestandhauses nahe Manhattan. Es würde ein Vorzeigeobjekt werden. Ihre Reputation würde gigantisch sein, wenn es richtig gut werden würde. So richtig los ging es erst in einer Woche, wenn der Investor die Immobilie notariell als sein Eigentum bestätigt bekam. Vorher durften sie nicht rein, durften keine Messungen machen. Sie hatten nur Baupläne, die aber vermutlich schon veraltet waren. Im Grunde würden sie erst in zwei bis drei Wochen wirklich richtig mit der Arbeit beginnen. Bis zur Präsentation der Vorschläge hätten sie genug Zeit.
 

Arthur stellte die Flasche ab und blickte wieder zu Tom. „Ich glaube, darum geht es gar nicht“, sagte er schließlich. Damit meinte er, Ariadne Raum zu lassen. „Ist so eine dämliche Kopfsache.“ Arthur lächelte entschuldigend und zwang sich, nicht wegzusehen. Da hieß es immer: Herz gegen Verstand sei wie Panzer gegen Dreirad. Bei ihm war es irgendwie genau andersrum.

Er sah in diese Augen, sah diesen Mann hier neben sich an, der zum Glück wirklich wieder etwas mehr Farbe ins Gesicht bekam. Dieser Mann schaffte es ihm ein unbekanntes Gefühl von Glück zu bescheren. Und irgendwie ängstigte es ihn genauso, wie es ihn freute. Ob es genauso funktionieren würde, wenn sie keinen Job mehr hatten. Wenn sie einfach nichts tun würden? Wenn ER nichts sonst zu tun hatte? Würde er das können? Oder würde er Tom irgendwann nur noch nerven? Würden sie sich irgendwann beide nur noch annerven? Vermutlich. Ziemlich sicher sogar. Wäre ein Wunder, wenn es anders wäre.

Aber dann würde er heimfliegen und arbeiten können. Er würde es genießen, seine Wohnung für sich zu haben. Und er hätte schöne Erinnerungen. Andersherum wäre es vermutlich so, dass er auf der Arbeit säße und darüber nachdenken würde, warum er nicht mitgeflogen war. Er würde seine Wohnung hassen, in der die Einsamkeit ihn erschlagen würde. Und vor allem die Langeweile.

Wenn er ehrlich wäre, müsste er zugeben, dass er sich verdammt auf den Job morgen freute. Vor ihrem Bruch waren sie ein so verdammt gutes Team gewesen. Dann war ihm Eames weggebrochen. Seit Dom sich auch zurückgezogen hatte ja zurückziehen musste (wegen der Kinder, wegen Mal), war ihm immer mehr bewusst geworden, dass er es vermisste - die Jobs, der Nervenkitzel, der Thrill. Die letzten beiden Jahre hatte er es am schlimmsten vermisst. Es war erdrückend. So richtig bewusst wurde es ihm erst jetzt. Er hatte versucht, ein normales Leben zu führen. Es machte ihm Spaß, das Büro mit Ariadne. Aber eigentlich... eigentlich kotze es ihn manchmal an. Immer mehr. Wie auch immer. Darüber würde er sich nach dem Job mehr Gedanken machen. In Mombasa?
 

Mit einem Lächeln auf den Lippen lehnte er sich etwas an Tom. „Ich komm mit“, sagte er. „Ich spreche nochmal mit Ariadne. Und ich werde meinen Laptop mitnehmen. Aber ich komme mit. Für zwei Wochen wird das schon irgendwie gehen. Länger sollten wir unser... something eh nicht strapazieren.“
 

Vermutlich zögerte er aber auch wegen etwas anderem. Er wusste noch nicht genau, wie es morgen ausgehen würde. An sich schien alles gut geplant zu sein - auf Basis der Informationen, die er hatte.

Er hatte aber noch gut seine eigenen Worte im Kopf, er hatte sie erst vor einer Woche gesagt: ‚Wenn sich hinterher irgendwie herausstellen sollte, dass du mich mal wieder verarscht hast, dann schwöre ich dir, dass ich dich töte, wenn du mich danach nur noch einmal ansprichst.‘

Er hatte das absolut ehrlich gemeint. Er wollte vertrauen, wollte glauben, dass Thomas ihn mit all dem hier nicht hinterging. Wenn morgen alles reibungslos klappen würde, dann könnte er das verlorengegangene Vertrauen wiederherstellen.

Aber an seinem Gefühl, dass irgendwas noch passieren könnte, und er noch nicht alles wusste, hatte sich seitdem nur bedingt etwas geändert. Sollte Eames ihm wirklich wieder etwas Entscheidendes verheimlicht haben und damit auf seinem Vertrauen erneut herumgetrampelt sein, dann wären die anderen Worte noch wahrer. Denn der Schmerz würde tiefer sitzen denn je.
 

*Eames*

Es war absurd, wie Arthurs Nachdenklichkeit Eames eine Heidenangst einjagen konnte. Jetzt wo er ihn hatte, erschien die Gefahr ihn wieder zu verlieren enorm groß. Es fühlte sich fast so an, als steuerte er den Kahn auf alle Fälle ins unvermeidliche Verderben, die Frage war nur: wann und wie?

Als Arthur ihm schließlich bestätigte, dass er mitkommen würde, spürte er eine Welle der Erleichterung über ihn hereinbrechen.

Er lächelte zufrieden.

»Zwei Wochen.«, bestätigte er und stieß mit Arthur an, dann nahm er einen kleinen Schluck.

Er liebte und hasste ihn zugleich in diesem Augenblick. Liebte ihn, weil es ihn glücklich machte, ihn bei sich haben, und hasste ihn, weil es niemanden geben sollte, der so eine Macht über ihn besaß. Er fühlte wie seine Unabhängigkeit einen kleinen Knacks bekam und wie sich sein Konstrukt des Glücklichseins abermals um Arthur herum aufbaute. Fraglich war, ob es schon immer unbemerkt so gewesen war und er es nur nicht wahrhaben wollte, oder ob er nun erst diesen Status erreichte und bemerkte, dass er nicht genau wusste, ob er es wirklich wollte. War ihm denn sein Freiraum und seine Unabhängigkeit nicht viel wichtiger, als eine klassische, langweilige Beziehung zu führen?
 

Während er in die dunklen Rehaugen seines Liebsten blickte, bemerkte er, dass es egal war. Die Zukunft konnte warten und schlussendlich ergab sich ohnehin alles von selbst... was auch immer ihr something ergeben mochte. Wichtig war das zu tun, was sie beide glücklich machte.
 

Er lehnte sich ihm entgegen und stahl ihm spielerisch einen Kuss.

»Ein bisschen Farbe wird dir stehen«, neckte er.

Sein Appetit kehrte zurück. So langsam fühlte er seinen Kreislauf wieder.

»Und Yusuf wird sich freuen auf dem Flug nicht nur mit mir reden zu müssen.«
 

Candela servierte den nächsten Gang. Und mehr Bier. Sie aßen, sie tranken und Eames sinnierte ein wenig mehr über Mombasa, die kleinen, raffinierten Läden, wie wenig Einfluss die Polizei in ihrem Viertel hatte und von seiner kleinen, schönen Dachgeschoss-Wohnung mit Dachterrasse und Ausblick auf den Markt und das Rotlichtviertel.
 

Als sie an diesem Abend nachhause gingen, war er angetrunken und ließ seine Hand ungeniert in die Arschtasche von Arthurs feiner Anzughose gleiten. Er war gut darin Besitzansprüche zu stellen. Dreist genug auf alle Fälle.

Als sie zuhause ankamen war es später als erwartet, eigentlich zu spät. Trotzdem kam Eames nicht umhin die Frage zu stellen, die ihm durch den Kopf schwirrte, seit sie La Esquina verlassen hatten:

»Küche, Couch, Kommode?«, dabei wanderten seine Hände bereits gierig über den schlanken Körper seines Point Man und seine Lippen suchten die empfindliche Haut seiner Halsseite heim.
 

*Arthur*

Mit dem Entschluss, Eames und Yusuf zu begleiten, löste sich das seltsame Gefühl in seinem Inneren etwas auf und die gemeinsame Zeit, die sie miteinander verbringen würden, dehnte sich. Es fühlte sich gut an, dass er es geschafft hatte, seinem Herzen zu folgen, nicht seinen Verstand entscheiden zu lassen. Er wollte auf Tom zugehen, sein Leben besser kennenlernen und dabei das festigen, was sie hatten.

Vielleicht würde Tom dann doch auch die Mauern fallen lassen, hinter die Arthur nur sehr, sehr selten einen Blick werfen durfte. Vielleicht. Arthur ließ sich treiben, so wie früher. Sie tranken, erzählten. Und in Gedanken nahm Mombasa eine Form an, die Vorfreude bereitete.
 

Der Versuch, Tom etwas auf Abstand zu halten, in der Öffentlichkeit diskreter zu sein, scheiterte. Allerdings hatte er bald auch genug Bier im Blut, dass es die Hemmungen etwas fallen ließ, er sich schließlich nur halbherzig dem Arm um sich, der Hand an seinem Hintern entzog. Die mahnenden Blicke wurden nachsichtiger. Nur in seinem Haus, durch den Flur, die Treppe hinauf, machte er deutlicher, dass sich Eames zurückhalten solle. Die Nachbarn sollten nach Möglichkeit nicht mitbekommen, dass er Männerbesuch mit nach Hause nahm.
 

„Ganz schön spät geworden“, seufzte Arthur, als sie vor der Wohnungstür standen. Er schloss auf, sie betraten die Wohnung. Eigentlich sollten sie ins Bett. Es blieben ihnen nur wenige Stunden bis sie wieder aufstehen mussten, völlig fit sein mussten.

Vielleicht war es der plötzliche Abstand, den Eames netterweise einhielt - zumindest bis sie in der Wohnung waren -, der in ihm den Ruf nach Körperkontakt laut werden ließ. Vielleicht waren es auch einfach die Hände des anderen an seinem Körper: Kaum hatten sie die Wohnung betreten, war jegliche Zurückhaltung und vor allem der Wunsch, zügig ins Bett zu gehen, verschwunden. „Lass uns auf der Kommode anfangen“, raunte er gegen das Ohr des anderen, bevor er neckend hineinbiss. „Mal sehen, wann wir im Bett ankommen...“
 

Ja, es war unvernünftig, Toms Körper nicht mehr Ruhe zu gönnen.

Ja, es war unvernünftig, nicht mehr Schlaf vor dem Job zu bekommen.

Ja, es war unvernünftig, so spät überhaupt nach Hause zu kommen.

Aber niemand konnte ihm weismachen, dass es unvernünftig war, glücklich zu sein.

‚And way down we go‘

(https://youtu.be/UzXuQbcp8Yc)



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