[Volatile] - Inception von -Amber- (‚What if I fall?‘ ‚Oh, Darling! What if you fly?‘) ================================================================================ Kapitel 36: Barcelona Fight Club -------------------------------- *Arthur* Die Besprechung dauerte doch etwas länger als gedacht. Nachdem Jesse partout nicht einsah, weshalb er nachmittags und abends kurz verfügbar sein solle, während Jobs an seinem Insulin herumdokterte, kam Yusuf schließlich die Idee, die Insuline einfach gegen Kochsalzlösung auszutauschen und damit den Zustand der Überzuckerung zu provozieren. Warum so kompliziert, wenn es doch auch viel einfacher ging?! Hätte das nicht früher mal bemerkt werden können? Wenn er so undurchdacht arbeiten würde, … Wie auch immer: So könnten sie auf die Manipulation der App komplett verzichten. Yusuf versprach die entsprechenden Ampullen vorzubereiten. Das änderte allerdings das Zeitmanagement etwas, denn nun musste Tom wohl noch einmal zu ihm, was aber auch ok war, denn Arthur mussten auch das Chip-Double bei seinem Bastler abholen. Ansonsten gingen sie bei der letzten Besprechung noch einmal den Ablauf durch: Sobald die Medikamente ausgetauscht waren, begann der Countdown. Sie würden zeitig im Hotel sein müssen, falls Jobs bereits früher Schwierigkeiten bekommen würde und sie dadurch anders anfangen mussten. Wenn alles nach Plan verlief, würde Jobs um 9:45 mit Foster hinunter in den Spa-Bereich gehen. Foster wartet im Normalfall vor der Tür und es findet keine Kommunikation statt. Ross hatte sich die Termine von Jobs extra zuschustern lassen und beschrieb ihn als unkomplizierten Kunden, der nur gern ein wenig fester angepackt wurde. Der Masseur wird Jobs noch empfangen und bitten, kurz zu warten. Jobs sollte bereits da Probleme mit dem Kreislauf haben und sicher etwas zu trinken wollen, wenn man es ihm anbot, was Arthur übernehmen wird. Anschließend konnten sie Arthurs Traumebene betreten. Jobs würde in seinem Hotelzimmer ‚aufwachen‘. Dann würde die Extraktion beginnen. Sobald sie wussten, wie man an den Chip kam, konnte Eames aus dem Traum verschwinden, um den Chip bestenfalls an einen Laptop anzuschließen, um die Daten hinüberzuziehen oder – je nachdem, wie es lief – gegen ihre Attrappe auszutauschen. Dann war Jesse an der Reihe. Yusuf und Arthur würden in der Zwischenzeit dafür sorgen, dass Jobs sein Insulin bekam und seine Massage regulär beendete. Für Jobs würde es hoffentlich nur so aussehen, als sei er kurz eingenickt. Die Möglichkeiten, die sie im Traum hatten, Jobs in die Enge zu treiben, waren vielfältig. Eames ließ sich nicht auf eine Strategie festlegen. Aber Arthur vertraute auf seine Fähigkeiten. Tom wusste, was er tat – für alles andere würde er einspringen. Es wird alles klappen, daran wollte Arthur glauben. Danach war Tom dann hoffentlich die Schatten los, die ihn verfolgten. -------- Als er am Nachmittag nach Hause kam, war Tom noch nicht von Yusuf zurück. Diesmal hatte jener ihm eine kurze Nachricht geschrieben (War da jemand lernfähig?), deren Inhalt ihm bestätigte, dass alles nach Plan verlief und Tom bald zurück wäre. Vermutlich hatte jener sich nur verquatscht. Yusuf ließ deutlich verlauten, dass er New York den Rücken kehren wollte. Eames war ein dankbarer Zuhörer, schließlich ging es Tom nicht anders. Zumindest hörte man es zwischen den Zeilen heraus. Arthur war klar, dass die beiden so bald wie möglich nach Kenia zurückkehren würden. Er sah es in Eames‘ Blick, wenn die beiden miteinander sprachen. Er sah die Sehnsucht. Das Gefühl, das dieser Gedanke auslöste, war wenig angenehm. Aber er hatte Tom versprochen, ihn nicht einzusperren. Er konnte es ohnehin nicht. Es war sein Teil der Abmachung, wenn ihr something bestehen sollte, wie es aktuell war. Arthur hatte gestern einmal nachgesehen, wann Flüge gingen und wieviel wohl drei Tickets kosten würden. Wenn er nicht noch eine weitere Woche aus der Arbeit fernblieb, sondern direkt nach Jobs anfangen würde, Ariadne zu helfen, könnte er vielleicht wirklich einfach mitkommen - zumindest für ein, zwei Wochen. Hab ein ‚Geschenk‘ für dich in der Küche platziert. Bin laufen. Bis gleich! A Er platzierte den Chip auf dem Küchentisch, dann zog er sich um und ging rennen – joggen konnte man das nicht nennen. Es tat gut, den Kopf frei zu bekommen. Er freute sich schon auf den Rest des Tages. *Eames* Da Yusuf keinen Alkohol trank, blieben sie bei Tee und sie quatschten neben dem anstehenden Job natürlich auch über ihre Pläne danach. Eames wäre sicherlich der erste, der zurück nach Kenia fliegen würde, aber Yufus würde folgen, das war sicher. Auch Eames dachte bereits darüber nach, Arthur mitzunehmen, machte sich jedoch nicht allzu große Hoffnungen. Tatsächlich offenbarte er sich sogar teilweise vor Yusuf, der ein wenig überrascht, aber mit großem Verständnis reagierte. »Die Zeit wird zeigen wie gut das funktioniert«, ließ er seinen weisen Spruch des Abends ab. Leider konnten sie dieses Gehabe beide nicht ernst nehmen und lachten herzhaft über Yusufs Version eines muslimischen Buddhas. Zuhause angekommen war die Bude leer. Das einzige was er von Arthur fand, war eine kleine Notiz in der Küche und die Attrappe des Chips. Er wog das Ding in den Händen und betrachtete es ausgiebig. Das könnte wirklich klappen. Danach goss er sich ein Glas Whisky ein und schlenderte durch Arthurs Schlafzimmer, bis hin zu seinem Büro, wo er von den schmeichelhaften Zeichnungen von sich, über die Uhr, bis hin zu Arthurs ausgetüftelten Pinnwand kam. Er konnte schon verstehen, wieso manche Menschen von Arthurs Perfektion eingeschüchtert waren. Genauso gut verstand er, wieso ein Kerl wie Cobb Jahre lang Profit aus Arthurs zwanghaftem Drang geschöpft hatte, jedes Detail einer Sache zu erfassen. Wahrscheinlich gab es keine guten Point Man ohne eine vergleichbare Zwangsstörung, aber das war nur eine klischeehafte Theorie. Als Arthur endlich vom Laufen nachhause kam, fiel es Eames schwer ihn allein der Dusche zu überlassen. Der Gedanke an Arthurs schwitzigen, aufgeheizten Körper ließ ihn beinahe die Kontenance verlieren und alle Pläne über Bord schmeißen. Eine Liaison mit einem Job zu verknüpfen, war echt keine leichte Angelegenheit... viel zu gern, verschoben sich die Prioritäten. Am Ende schaffte Eames es, seine Hände von Arthur zu lösen und sein Point Man ging allein duschen. In der Zeit bereitete er den P.A.S.I.V. im Büro vor. »Hmm, das Shampoo hab ich heute auch benutzt. Gute Wahl«, bemerkte er, während er Arthurs' Vene suchte und nebenbei ganz unauffällig an ihm roch. Ihm war klar, wie provokant diese Aussage war... Arthur war eigentlich nicht erfreut darüber, dass Eames ständig seinen Kram benutzt. Aber ein paar Sticheleien waren wie Öl in ihrem Getriebe, wenn sie kurz davor waren, sich zu prügeln. *Arthur* Die Vorfreude auf den Abend wurde sicher nicht weniger, als Arthur sich schließlich doch noch Eames' Armen entwand und unter die Dusche verschwand. Dass jener ihn sogar verschwitzt und stinkend anziehend fand, war seltsam. Aber ging es ihm anders? Wie oft hatte er bei ihrem Training früher Schwierigkeiten gehabt, die Fassade des Unberührten aufrecht zu halten, wenn Eames verschwitzt vor ihm gestanden hatte? Ziemlich oft. Meist war er irgendwie geflohen. Oder Eames hatte seine Irritation doch ausnutzen können und ihn auf den Boden der Tatsachen geholt – dass er sich ihm gegenüber keine Unaufmerksamkeit erlauben durfte, ohne anschließen Häme zu ernten. Arthur wusste, dass er sehr glücklich sein wird, wenn sie den Job erledigt hatten und Job und Privatleben wieder getrennte Bereiche in seinem Leben waren. Sie waren vermutlich wirklich ein gutes Team und morgen würde sich das auch wieder zeigen. Aber ihr something änderte doch einiges. Seine Sorge war deutlicher spürbar, seine Konzentration nicht immer voll da, sein Fokus leichter ablenkbar. Ob sich das mit der Zeit auch ändern würde? Wenn diese erste Zeit vorbei war? Sie würden es sehen. ‚Hmm, das Shampoo hab ich heute auch benutzt. Gute Wahl.‘ Arthur hob eine Augenbraue, sein Schmunzeln wurde dunkel, sein Blick etwas stechender. Er verzog keine Miene, als Eames ihm nun den Zugang legte. War ja klar, dass die "Null-Reaktion" am Morgen eine "Trotzreaktion" später nach sich ziehen würde. Eames war in diesen Dingen sehr konsequent - alles wurde irgendwann wieder hochgezogen und einem auf dem Silbertablett serviert. In diesem Punkt würde er aber nicht nachgeben. Arthur erwiderte nichts, stellte den Timer ein, dann blickte er Eames wieder an. "Go to sleep, Mr Shampoo! Wir diskutieren gleich auf einer anderen Ebene..." Kaum war Eames eingeschlafen, lehnte er sich zurück und folgte dem anderen. Es war Zeit auszuprobieren, was ihr something bei ihrem Training änderte. Diesmal würde er sich definitiv nicht verprügeln lassen. Er war besser geworden, schneller, stärker. Zeit, das einmal wirklich zu zeigen. *Eames* Auf der anderen Ebene bewies Eames das, was Arthur sicher längst vermutete: er würde New York bald verlassen, um nach Hause zugehen. »Tut mir leid, ich werde wohl etwas nostalgisch.« Sie liefen die zweigeteilte Moi Avenue entlang, direkt auf die vier riesigen Stoßzähne zu, die wie zwei Bögen aus dem Boden ragten. Für Eames waren sie Tore in die Freiheit, jedes Mal wenn er nach langer Zeit nach Hause zurückkehrte. Die Luft erschien schwer, irgendwie staubig oder sandig und der Himmel war überzogen von einer hellgrauen Wolkenschicht, die sich hier und da öffnete, um Fragmente eines blauen, klaren Himmels zu entblößen. Alles in allem war es jedoch warm. Um sie herum herrschte reges Treiben, aber die Rushhour schien bereits vorbei zu sein. Die Sonne neigte sich nach Westen. Bevor sie die imposanten Stoßzähne erreichten, führte Eames seinen Gefährten weg von der Hauptstraße in eine verzweigte Nebenstraße, über bröckelnde Stufen und durch enge Gassen, bis sie den „Barcelona Fight Club“ erreichten. Der Eingang war recht unscheinbar, zwischen den teils hell gestrichenen, teils maroden Gebäuden und man schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit, als sie hindurch schritten. Im Innern befanden sich einige, äußerst altmodische Trainingsgerätschaften, die durch ständige, liebevolle Pflege instand gehalten worden waren. Die Polster der Bänke waren an den Ecken zerfranst und mehr als einmal gerissen und wieder geflickt worden. Das Holz glänzte und matte, teils aufgesprungenen Fließen auf den Boden ließen ein ehemals rotgelbes Muster vermuten. In der Mitte des großen Raumes befand sich ein altmodischer Ring. Es roch leicht nach erkaltetem Schweiß, trockenem Staub und Politur. Man könnte durchaus meinen, dass Eames etwas Besonderes daraus machte. Schließlich spiegelten ihre intensiven Trainingseinheiten einen Teil ihrer Beziehung wieder. Es gab also keinen Grund nicht das volle Maß seiner intuitiven Kreativität für diese Sessions auszukosten. »Wenn du willst binde ich mir den rechten Arm auf den Rücken, ich bin heute in Gönnerlaune.« *Arthur* Dass er so bald nach Mombasa kommen würde, war erstaunlich. Noch erstaunlicher war, dass er sich rundum wohlfühlte — anders als das erste Mal in Eames‘ Traum. Am aller erstaunlichsten war jedoch die Wärme, die ihn empfing, nicht unangenehm, aber ungewohnt. Er schmunzelte. Ob jener ihn jemals hierher mitgenommen hätte, wenn sie nicht ihr something hätten? Letztlich spielte es keine Rolle. Arthur hatte legerere Klamotten an, spürte eine ungewohnte Entspannung in sich. Mit interessiertem Blick ließ er die Stadt, die Straße auf sich wirken. „Ich kann verstehen, dass du es vermisst“, sagte er schließlich, nachdem er lange nichts zum Thema Nostalgie gesagt hatte. Er überlegte, ob er sein Versprechen, ihn nicht aufzuhalten, wiederholen sollte. Aber er ließ es. Stattdessen sagte er nur: „Bald haben wir den Job hinter uns.“ Danach war Eames wieder frei. Danach würde er gehen können, wenn ihn nichts weiter hielt. Arthur wusste schon jetzt, dass er dann erst einmal ins Büro ziehen würde, um nicht in seiner Wohnung sein zu müssen und der Stille zu lauschen, die ihm sonst vertraut war, ihn dann aber erschlagen würde Der Fight-Club passte zu Tom. Dazu, wie er vermutlich in Kenia trainierte, aber auch dazu, wie er in England trainiert haben könnte. Verglichen mit seinem Trainingszentrum war es alt und heruntergekommen. Aber es hatte zumindest Persönlichkeit und jede Macke in diesem Laden hatte eine Geschichte zu erzählen. Das Lächeln auf seinen Lippen erstarb erst, als er Eames‘ Spruch hörte. „Deine Gönnerlaune kannst du dir sonst wohin stecken“, erwiderte er trocken. Arschloch! - fügte sein Blick hinzu. Er griff nach einer der Trainingstaschen, die wie zurechtgestellt dastanden. Es war seine Tasche, die er in New York hatte. Dann ging er sich umziehen. Sie nahmen sich sogar die Zeit, sich etwas aufzuwärmen. Arthur genoss die Ruhe, die er in sich spürte. Irgendwie fühlte sich das vollkommen anders an als bisher. Als sie in den Ring stiegen, spürte er die unverhohlene Vorfreude auf sein Zwerchfell drücken. „Na, alter Mann“, sagte er leichthin. „Ich hoffe du weinst nachher nicht!“ *Eames* Dieser Drahtseilakt zwischen verletztem Stolz und unterirdischem Humor war Eames wie immer eine diebische Freude. Erst Recht, wenn er dafür Blicke erntete, die jeden Normalsterblichen umgebracht oder zumindest versteinert hätten. Alles Taktik. Eames kam in schlichter Trainingsmontur aus der Umkleide zurück; schlichte, schwarze Boxing-shorts und das dunkelgraue Shirt, das vor Ewigkeiten an einem Flughafen in Spanien verloren hatte und ungefähr einen Monat gesucht hatte, bis ihm diese Tatsache bewusst geworden war. Ein einfacher Schriftzug stand ihm quer über die Brust geschrieben: „Get back to work“. Na wenn das nicht ihre momentane Lage parodierte, dann wusste er auch nicht. Natürlich traf ihn „alter Mann“, aber wenn Arthur ihn aus der Fassung bringen wollte, brauchte es schon mehr als solche süßen Sprüche. Er hob die Arme und lächelte ihn durch die Barriere seiner eigenen Fäuste hindurch an. »Und wenn, kenne ich jemanden, der sich liebend gern um mich kümmert.« Er täuschte an, nahm einen Schritt wieder zurück, nur um dann schnell nach vorn zu stoßen, nur um sein Ziel zu verfehlen. Es brauchte wohl eine schwierigere Denkaufgabe, um seinen Point Man aus dem Konzept zu bringen; schade aber auch. *Arthur* Sollte das Shirt ihn darauf aufmerksam machen, dass sie eigentlich etwas anderes zu tun hatten? Sollte es ihm ein schlechtes Gewissen machen? Er hatte die vergangenen vier Tage sich reingehängt, damit sie eben genau das hier einfach machen konnten, ohne schlechtes Gewissen. Was waren da schon 15Minuten, die sie immerhin in drei Stunden verwandeln konnten. Er trug seine normalen Trainingsklamotten, eine schlichte Hose, ein Shirt, das sich ganz gut an seine drahtige Figur anpasste und recht kurze Ärmel hatte. Auch er hob die Arme, lachte leicht. „Kaum zu glauben, aber solche Idioten soll es wohl geben…“, antwortete er, während er dem Schlag auswich. Zeit sich zu konzentrieren. Sein Blick fokussierte sich, seine Sinne schärften sich. Das war das Schöne an der Traumebene. Sein Verstand war schärfer als in der Realität. Diese Tatsache half ihm ungemein. Schließlich konnte er an Masse und Kraft nur bedingt etwas ausrichten, wohl aber wenn er genau hinsah und Eames Bewegungen voraussah. Und indem er einsteckte, ohne den Schmerz richtig zuzulassen. Das hatte er lernen müssen, Tom hatte es ihm vorgemacht. Sie umrundeten sich, täuschten an, brachen immer wieder hervor, ohne sich ernsthaft zu treffen. In einem Ring war es anders als einfach auf der Straße oder in einer Halle. Die Seile waren eine Begrenzung. Arthur musste aufpassen, dass er nicht irgendwann in ihnen hing und sich nicht mehr befreien konnte. Gegen Toms Masse würde er wenig Chancen haben, da wieder herauszukommen. Aber man konnte die Seile auch nutzen. Genau das tat er, als Tom ihn mit einigen schnellen Schlägen zurückdrängte, manche saßen, andere blockte er gut ab. Im richtigen Moment öffnete er die Deckung, ließ sich bewusst nach hinten fallen, um aus den elastischen Bänder mit Schwung nach vorne zu schnellen und einen Schlag anzutäuschen, dann aber abtauchte, um Eames mit einem gezielten Tritt das Standbein wegzuziehen und ihm mit dem Ellbogen in seine Niere zu schlagen. Blöd war, dass er dadurch seine Drehung etwas langsamer wurde und es verpasste, noch einmal nachzutreten, um Tom ganz auf den Boden zu schicken. Immerhin hatte er ihn kurz in die Knie gezwungen. „Nett, dass du vor mir auf die Knie gehst.“ Er hüpfte auf der Stelle, wartete, dass Tom wieder stand, hob erneut die Fäuste. *Eames* Das Manöver war gut, hätte von ihm sein können. In der Tat wäre der Schwung durch die Bänder mit seiner Masse auch ein gänzlich anderer gewesen (wobei Arthur mittlerweile auch kein komplettes Fliegengewicht mehr war). Nichtsdestotrotz sackte er nach den Treffern zusammen und musste sich mühsam wieder aufraffen. Er knackte die Nackenwirbel und lockerte die Schultern, ehe er sich Arthur wieder entgegenstellte, seine übliche Ausgangshaltung einnahm. »Wenn du willst, dass ich dir einen Antrag mache, musst du es nur sagen, my love«, seine Tonlage verriet, dass er nicht begeistert war. Abermals bewies Arthur, dass er viel dazugelernt hatte und längst nicht mehr auf Lehrstunden bei ihm angewiesen war. Er probierte es mit ein paar schnellen rechts-links-Kombis, locker, flockig, aber Arthur war einfach zu schnell. Ein durch und durch beängstigender Gedanke, dass er ihn mittlerweile so leicht zu durchschauen schien und in Eames wurde wieder diese Stimme laut. Die Stimme, die ihm dazu riet abzuhauen - so schnell er nur konnte. Es war nämlich nicht nur die Angst davor, Arthur Kummer zu bereiten, sondern auch die leise Furcht, irgendwann nicht mehr der undurchschaubar Überlegene zu sein. Irgendwann keinen Wert mehr zu besitzen, wenn man es auf das Mindeste reduzierte. Letztlich landete er doch einen Treffer mit der Faust und zwar an derselben Stelle, die Arthur zuvor mit seinem Ellbogen bei ihm getroffen hatte. Das erste Mal, dass er wirklich traf und auch das Gefühl hatte, effektiv Schaden zu machen. Dafür hatte er selbst abermals eingesteckt. Arthur war gut mit Tritten und die Stelle am Ellbogen, wo er ihn getroffen hatte (beziehungsweise, da wo er sich unglücklich verteidigt hatte) wurde bereits blau. *Arthur* Arthur lachte spöttisch, lachte damit seine kurze Irritation weg. Er wusste anhand der Wortwahl, dass es keine Bedeutung hatte, nur ein dummer Spruch war. War das nicht eine ganz ähnliche Antwort wie auf seinen Vorwurf, dass er sich vor einem halben Jahr nicht einmal die Zeit genommen hatte, ihm Tschüss zu sagen? Dennoch. Ein Antrag?! Er sollte um den Antrag bitten?! Gut, er hatte die Assoziation provoziert. Aber... Unabhängig davon, dass er Hochzeiten sinnlos und überflüssig fand. In dem Moment, in dem er den anderen darum bitten müsste, dass er ihm einen Antrag machen solle, würde er sich lieber trennen. Entweder der andere kam auf die Idee, oder eben nicht. Dass er mit diesem Gedanken doch im Grunde eine romantische Vorstellung davon hatte, ignorierte er lieber. Für sich konnte er ohnehin ausschließen, dass er selbst je so etwas machen würde - jemandem einen Antrag machen. Allerdings war Tom nicht irgendjemand. However. Hier hatte das Thema keinen Platz. „Keine Sorge, Honeybunny!“, antwortete er im Affekt. „Käme mir nicht in den Sinn.“ Der dunkle, ja fast bedrohliche Ton in Eames’ Stimme, das Lockern der Schultern, das Knacken der Halswirbel - jetzt begann der Kampf wirklich. Arthur hob die Hände, wartete gelassen auf den anderen. Dennoch warnte ihn eine Stimme: er sollte es nicht eskalieren lassen, nicht schon wieder. Aber sein Ehrgeiz, zu beweisen, wie hart er die letzten Jahre auch ohne Tom trainiert hat, war groß. Es ging nicht darum, ihn besiegen zu wollen. Er wusste, was das für das Ego des anderen bedeuten würde - unabhängig davon, dass eben dieses Ego eine Niederlage zu keinem Preis zulassen würde und sich Tom vermutlich eher alles brechen ließ, als aufzugeben. Und das wollte er in keiner Weise! Im Grunde ging es ihm nur darum, Anerkennung zu bekommen von dem Mann, der ihm das Wesentliche beigebracht hatte, der ihn hochgezogen hatte, den er... mit dem er... something hatte. Arthur schlug sich gut, war geschmeidig, entkam Tom immer wieder. Seine Tritte waren gut. Kickboxen war nun mal seine Stärke. Es hielt den anderen aber nur bedingt auf Abstand. Und wenn Tom an ihn herankam, musste er selbst einstecken. Der Schlag in die Niere, ließ seine Knie weich werden, doch er hielt sich aufrecht, hielt nur seine Seite, deutete, dass er eine kurze Auszeit brauchte. Er schloss die Augen und atmete bewusst den Schmerz weg. Seine Fäuste pochten, seine eine Schulter schmerzte, am Auge beim Wangenknochen fühle es sich leicht geschwollen an, Schweiß rann ihm von der Stirn, sein Herz schlug kräftig. Es fühlte sich richtig gut an. Selten fühlte er sich so lebendig. Schließlich richtete er sich wieder auf, lockerte die angespannten Muskeln, atmete tief durch, bevor er wieder die Fäuste hob. „Noch ein bisschen, Unbezwingbarer.“ Sie umrundeten sich, Arthur versuchte weiter, durch Schnelligkeit zu punkten. Sie triezten sich. „Vielleicht sollte ich für deine Klamotten keinen Weichspüler verwenden...“, griff er ihr Streitgespräch von vorhin wieder auf. „Der Schongang scheint dir nicht gut zu tun.“ Er tänzelte, blieb in Bewegung. Aber dadurch bewegte er sich auch mehr als Tom, zehrte mehr an seinen Kräften, an seiner Kondition. Er spürte, dass er außer Atem kam. Der Schmerz in der Seite war nicht gänzlich verschwunden. Weitere Treffer schwächten ihn. Aber es machte ihm zu viel Spaß, um zu sagen, dass es genug war. Gut war erst, wenn er wirklich nicht mehr konnte. Im Traum konnte die Vernunft besser schweigen. Arthur griff an, zielte aufs Gesicht des anderen doch Tom duckte sich weg. Im nächsten Moment rammte wurde ihm eine Schulter in den Bauch gerammt, wurde er hochgehoben. Krachend knallte er mit dem Rücken auf den leicht federnden Boden. Arthur japste nach Luft, merkte wie seine Augen schwammen. Der Schmerz ließ ihn stöhnen. Dann hob er instinktiv die Hände vors Gesicht, als er das Gewicht auf seinen Oberschenkeln spürte, die Knie des anderen an seiner Hüfte. Tom hatte sich so auf ihn gesetzt, dass er seine Beine nicht mehr für eine Klammer würde einsetzen können. In einem Fight war das der Moment, in dem er an Eames‘ Stelle nun auf den Kopf seines Gegners einschlagen würde, bis der Richter ihn herunterziehen würde oder der Gegner abschlug. Im Kampf - nicht im Training. Hatte er Tom zu viel gereizt? Hatte er ihn wieder wütend gemacht? Er hoffte es nicht. Dennoch sollte er vielleicht etwas sagen, das die Situation entspannte, oder? Sonst würde es wieder so enden, wie bei ihrem letzten Training. Und der Schmerz, den er in Toms Gesicht gesehen hatte, während er ihn in den Armen gehalten hatte, wollte er eigentlich nie wieder sehen, solange sie ihr something hatten. „Wenn du mich flachlegen willst, hättest du doch nur etwas sagen müssen, my...“ Er blinzelte zwischen den Fäusten hindurch, versuchte Toms Blick einzufangen. Er zögerte, bevor er etwas flüsterte, was vermutlich „Love.“ heißen könnte. Er plapperte ja nur nach. Seine Stimme war kratzig, sein Hals trocken. Er atmete heftig. Provokant hob er leicht die Hüfte gegen Tom - soweit er es überhaupt konnte. „Die Stellung gefällt mir schon mal...“ *Eames* ‚Der Schongang scheint dir nicht gut zu tun.‘ Er hüstelte ein trockenes Lachen. Arthur hatte eine ebenso ausgeprägte provokante Seite, wie er selbst, aber Eames war weit von Wut entfernt. Trotz seiner albernen Bedenken bezüglich ihres Machtgefälles. Er genoss es sogar, sich ärgern zu lassen. Diese Art von Spielen war ein großer Teil ihrer Beziehung und es weckte Eames Ehrgeiz und sein Lust diesem frechen Stück die Leviten zu lesen – natürlich auf die sexy Art und Weise. Sie tänzelten noch ein paar Runden um einander herum und auch Eames steckte noch ein paar unangenehme Tritte und Schläge weg, ehe er seinen Point Man zu fassen kriegte und ihn auf die Matte legte. Im Punkt Masse hatte er noch immer einen unbestreitbaren Vorteil, den er in diesem Fall schamlos ausnutzte. Er blickte mit teuflischem Grinsen auf ihn herab. Der Schweiß stand ihn im Gesicht und sein Atem ging heftig, während er versuchte Arthur zu fixieren. Dass Arthur eine seiner klassischen Floskeln gebrauchte, machte ihn auf verstörende Weise an. Die Hüfte, die sich angenehm gegen ihn drückte, verstärkte das Gefühl. Erstaunlich wie leicht sie dort landeten... aber irgendwie auch typisch. Libido war auf beiden Seiten stark ausgeprägt und wer könnte es ihnen verübeln? Hatten sie nicht beide acht Jahre aufeinander gewartet? Kämpfen und Sex war ja auch nicht allzu weit voneinander entfernt – nicht bei ihnen. »Seit wann muss ich denn etwas sagen, um dich rumzukriegen?«, raunte er und biss ihm neckisch in die Unterlippe. Salzig. Unter sich spürte er Arthurs Herz genauso heftig gegen seine Brust schlagen, wie sein eigenes. Die Hand, die Arthurs Arm fixiert hatte, griff noch etwas fester zu; sein Körper rieb sich schwer an Arthurs und hielt ihn effektiv am Boden, während er kleine, freche Bisse unter lustvollem Keuchen auf Arthurs Halsseite verteilte. * Arthur * Die Schläge blieben aus, offenbar war alles gut. Das Grinsen des anderen zeugte ebenfalls davon. Sehr gut. Arthur spürte, wie die Erleichterung andere Gefühle zuließ, Gefühle, die eher in seinem Magen zu finden waren, ein Kribbeln, dass sich nur zu gerne in weitere Tiefen hinabbegab. Eames versuchte seine Handgelenke zu fassen zu bekommen, was ihm schließlich auch gelang. Arthur versuchte sich zu wehren, aber nur aus Prinzip. Im Grunde machte ihn das auf erstaunliche Art und Weise gerade verdammt an. »Seit wann muss ich denn etwas sagen, um dich rumzukriegen?« Arthur grinste. "Früher hast du mich stets gefragt - mehr oder weniger höflich! Die guten alten Zeiten..." Eames hatte früher oft gesagt (mehr oder weniger deutlich), dass er mehr wollte. Besonders, wenn sie besoffen aus irgendeiner Bar hinausgewankt waren. Er hatte sich oft darin geflüchtet, vorzugeben, dass er kein Interesse an Männern hatte. Wirklich geglaubt hatte ihm das der andere vermutlich nie. „Wenn du weiterhin so frech bist“, sagte er und wand sich erneut unter ihm, versuchte sich zu befreien, „sollte ich dich vielleicht nicht mehr so zuvorkommend beha…ngh.“ Er streckte den Hals ganz automatisch, seine Augen schlossen sich, die Gegenwehr wurde weniger. Verräterischer Körper! „Kaum sind dein Rippen ganz, wirst du unverschämt…“ Er drehte den Kopf und erhaschte die Lippen des anderen, zog ihn in einen Kuss. Eames verlagerte so ganz automatisch sein Gewicht nach vorne und Arthur nutzte die Chance, seine Hüfte leicht zu drehen, ein Bein aufstellen. So versuchte er sich gemeinsam mit Eames zu drehen, den Griff an seinem Handgelenk nutzend, um auch Kraft gegen den Oberkörper des anderen auszuüben. *Eames* ‚Die gute, alte Zeit!‘ – Eames war sich nicht so sicher, wie gut die Zeit wirklich gewesen war - im Vergleich zu dem, was sie jetzt hatten. Immerhin hatte es auch viel Frust für ihn bedeutet. Wie er mittlerweile wusste, war es für Arthur (wenn auch aus anderen Gründen) ähnlich schwierig gewesen – ein winzig kleiner Trost. »Zuvorkommend?«, keuchte amüsiert. Es war anstrengend Arthur da zu behalten, wo er ihn haben wollte. Und das trotz Schwerkraft als Vorteil auf seiner Seite. Letztendlich befanden sie sich noch immer in einem Traum – es war durchaus möglich an physikalischen Gegebenheiten herumzuspielen. »Ich glaube, ich wüsste, wenn du zuvorkommend zu mir wärst«, neckte er ihn weiterhin und verlor alsbald den Halt. Arthur hebelte ihn aus und wuchtete ihre ineinander verhakten Leiber herum, so dass Eames auf seinen breiten Rücken knallte. Im letzten Moment ließ er sich sogar gern nach hinten fallen – er mochte den Aufprall auf dem leicht nachgebenden Boden des Rings. Nun der Unterlegene, verlor sein Blick keinen Funken der diebischen Freude. Er ließ Arthur bereitwillig die Oberhand und aalte sich unter ihm, als versuchte er noch mit halber Kraft zu entkommen. In Wahrheit nutzte er nur die Chance erneut ihre Körper aneinander zu reiben. Von Arthur begehrt zu werden, brauchte er mehr als die Luft zum Atmen. »Küss mich, sonst werde ich gleich wirklich unverschämt«, forderte er ihn auf. Eine Niederlage auf diese Art Weise, war merkwürdigerweise OK – für dieses Mal. *Arthur* Arthur lachte leicht. Es fühlte sich so gut an, auf diese Weise kommunizieren zu können, dieses Spiel zu spielen und sich dabei einfach treiben lassen können, ohne letztlich abblocken zu müssen. Stattdessen trieben sie diesen ‚Kampf‘ in eine Richtung, die in absoluter Befriedigung enden würde, ersehnter und lieben gelernter Befriedigung. „Ich bin immer zuvorkommend, nur vielleicht nicht immer zu dir…“ Mit diesen Worten hebelte er Tom tatsächlich herum, kam schließlich auf ihm zu sitzen. Sein Körper schmiegte sich an den des anderen, ein Keuchen entwich ihm, als er Toms Erregung an seiner eigenen nur zu deutlich durch den dünnen Stoff ihrer Shorts spürte. ‚Küss mich, sonst werde ich gleich wirklich unverschämt.‘ Arthur hielt Tom seinerseits fest, halbherzig zugegebenermaßen, weil er merkte, dass jener sich nur bedingt wehrte. Arthur biss sich auf die Unterlippe, betrachtete die Lippen des anderen und zog den Kopf zurück, als er merkte, dass jener ihm entgegenkam. „Ist das eine Drohung oder ein Versprechen?“, raunte er dunkel, bevor er ihn nun endlich küsste. Er hatte noch nie Sex in einem Traum gehabt. Es war berauschend. Es fühlte sich intensiver an, sofern das möglich war. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie keine Rücksicht auf verheilende Rippen nehmen mussten. Das nutzten sie aus. Vermutlich würde er sich in den Wochen oder Monaten nur zu gerne daran erinnern, wenn Eames in der Welt unterwegs war und er sich einsam fühlte. Vermutlich würde er dann die Menschen besser verstehen, die Yusuf aufsuchten, um ein wenig glücklicher sein zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)