[Volatile] - Inception von -Amber- (‚What if I fall?‘ ‚Oh, Darling! What if you fly?‘) ================================================================================ Kapitel 25: Something --------------------- Flashback 「 Amityville - New York 」 *Eames – 28 Jahre, acht Jahre zuvor* Besonders warm war es nicht und das obwohl bereits alle Bäume Knospen trugen. Als gebürtiger Londoner machte ihm die Kälte und der Regen jedoch nichts aus. Gegenwärtig genoss Eames sogar das Kontrastprogramm. Da wo er vor wenigen Monaten gewesen war, war es schrecklich heiß gewesen; unerträglich heiß. Jede Ablenkung, die er von diesem Ort bekommen konnte, war ihm herzlich willkommen. Das, was ihm dieser Cobb angeboten hatte, war eine fantastische Option ein ganz neues Leben aufzubauen. Dream-Sharing war unter den normalen Bürgern noch vollkommen unbekannt; niemand rechnete damit, im Schlaf bestohlen zu werden. Sie würden sich eine goldene Nase verdienen und irgendwann würde Eames keinen Gedanken mehr an seine ach so sehr vermisste Heimat verschwenden. Er schmiss seine Zigarette weg und betrat das Amity Ales, als es erneut zu Regnen begann. Er trug einen achtlosen Zehntage-Bart, das Haar war zerzaust und der Anzug sah aus, wie vom Second Hand Laden um die Ecke, aber stand ihm erstaunlich gut. Er hatte den lottrigen Charme eines Engländers quasi auf der Stirn geschrieben und die Amerikanerinnen liebten es. Seit er angekommen war, hatte er quasi alle naselang ein Date gehabt und es gab bislang keinen Grund, damit aufzuhören. Er ließ sich zunächst an der Bar nieder. Er war zu früh – schlechtes Zeitmanagement – und da Cobb noch nie pünktlich zu ihren Meetings erschienen war, würde er wohl noch ein ganzes Weilchen hier sitzen. Er bestellte ein Bier und schnappte sich ein paar Erdnüsse. Er ließ seinen Blick unbeeindruckt durch den Raum schweifen, als ihm ein Typ auffiel, der nur wenige Tische weiter saß. Ein hübscher Typ... Er war sich nicht sicher, ob er je einen hübscheren gesehen hatte. Schrecklich gut gekleidet, wahrscheinlich so ein Elite-Uni-Absolvent. Er hatte etwas an sich, das Eames noch nie gesehen hatte und er konnte nicht beschreiben was es war. Die tief-dunklen Augen, vielleicht..? Die hübsche Brünette neben ihm an der Bar versuchte ihn anzuquatschen; gehaltloser Unsinn; irgendetwas auf seinen Akzent bezogen. Er schnappte sich sein Bier und speiste sie mit einem lockeren „Sorry, bin beschäftigt“, ab, ehe er aufstand und zu dem Kerl herübe ging. »Ich will nicht unhöflich sein, aber ist hier noch frei? Die Barhocker sind schrecklich unbequem.« *Arthur – 26 Jahre, 8Jahre zuvor* Arthur war froh, dass er einigermaßen pünktlich erschien. Er hatte einmal quer durch die Stadt fahren dürfen – zwei Stunden U-Bahn von der Baustelle, auf der er gerade für die Uni arbeitete, zu seiner Wohnung (schnell duschen und umziehen) und dann weiter bis hierher. Warum Dom ihn ausgerechnet hierher einlud, um ihm mehr Informationen zu geben und ihm einen weiteren Extraktor vorzustellen, war ihm klar: Die Kneipe hatte zugegebenermaßen etwas sehr Angenehmes – und Bier aus aller Welt. Bier war gut. Er hatte an dem Abend nichts mehr weiter vor, außer alles dafür zu tun, seinem Hirn eine Auszeit zu gönnen, sobald sie sich darüber ausgetauscht hätten, wie es weiter ging. Arthur bestellte sich ein Deutsches – Hofbräuhaus Munich. Er hatte lange gezögert, sich nicht ein Guinness zu bestellen, oder ein Kilkenny. Aber allein der Gedanken an seine Heimat beschwor Erinnerungen herauf, die er momentan so gar nicht gebrauchen konnte. Schließlich war er auch wegen dieser Erinnerungen hier. Er hatte sehr schnell Blut geleckt. Mal hatte ihn nicht lange dazu überreden müssen, sich mit Dom zu treffen. Das Treffen hatte ihn umgehauen – also weniger Dom, der ein netter Kerl war, als vielmehr das, was er ihm gezeigt hatte. Der Traum und die damit verbundenen Möglichkeiten, sein architektonisches Wissen umzusetzen, war eine perfekte Ablenkung. Abgelenkt zu sein von den Dingen, die gerade nicht so gut liefen – um mal zu untertreiben - war gerade mehr als willkommen. Dream Sharing ließ ihn seitdem kaum mehr los. Raffiniert, eine Herausforderung, etwas Außergewöhnliches und aus wissenschaftlicher Sicht: etwas Geniales. Arthur fand es faszinierend – die Idee, dass man Menschen Informationen entlocken konnte, ohne dass sie es bewusst merkten. Informationen stehlen, ohne dass man Gewalt anwenden musste. Die Möglichkeiten, die damit einhergingen, waren enorm. Dass es vollkommen illegal war und eine ‚höfliche‘ Art des Diebstahls war letztlich für ihn zweitrangig. Moral spielte schon lange keine große Rolle mehr – zumindest redete er sich das gut ein. Erschwerend kam hinzu, dass er einfach Geld brauchte, schließlich steckte er noch im Studium und hatte nun niemanden mehr, der ihn finanziell unterstützte. Sicher, er jobbte nebenher, Aber er musste auch seine Abschlussarbeit schreiben, hatte wieder Praktika zu absolvieren und hin und wieder sollte er vielleicht auch mal schlafen können. Die Zeit war zu knapp, um noch mehr zu arbeiten. Die 500$, die er nun nicht mehr von seinem Erzeuger erhielt, mussten irgendwie dennoch verdient werden. Wenn er in den nächsten Monaten nicht seine Wohnung würde räumen wollen, brauchte er Geld. Und dass es genügend Menschen gab, die für ein paar wesentliche Informationen bereit waren, viel Geld zu investieren, war ihm mehr als bewusst. Er hatte sein Skizzenbuch dabei, zeichnete wahllos Details der Umgebung. Sein Blick glitt durch den Raum, immer wieder zur Tür, durch die hoffentlich bald Dom kommen würde. Einen Moment beobachtete er, wie ein etwa gleichaltriger Mann hereinkam, dessen Auftreten die Blicke auf sich zog - nicht nur seinen. Etwas an ihm ließ Arthurs Blick nicht direkt weiterwandern, der oft sehr unruhig durch Räume ging, um Details zu sehen, ohne wirklich stetig auf eine einzige Sache konzentriert zu sein. Warum er bei dem blonden Mann hängen blieb, wusste er gar nicht so genau zu sagen. Er wirkte in der Wahl seiner Kleidung wenig elegant, und doch umgab ihn eine Aura, die Arthur ihn sicher als faszinierend beschreiben lassen würde. Das Gesicht wirkte jung, und doch schienen seine Augen viele Geschichten erzählen zu können. Der Bart, die Haare, die offenbar nicht perfekt sitzen mussten, ließen vermuten, dass er wenig auf sein Äußeres gab – und doch wusste dieser Mann um seine Wirkung. Das sah man daran, wie er sein Bier bestellte, wie er mit der Frau neben sich kommunizierte. Arthur merkte, dass er ihn anstarrte und wendete den Blick ab, als dieser zu ihm blickte. Gott, das war ihm noch nie passiert, dass er einen anderen Mann so gemustert hatte! Er trank schnell einen Schluck Bier und versuchte diesen seltsamen Gedanken damit wegzuspülen. Sein Handy piepste, verkündete eine SMS. Er blickte kurz darauf. „Verspäte mich etwas. Trink ein Bier auf meine Kosten! Dom“ »Ich will nicht unhöflich sein, aber ist hier noch frei? Die Barhocker sind schrecklich unbequem.« Der englische Akzent war nicht zu überhören. Arthur hob erstaunt den Blick, sah in das Gesicht, das er eben noch so eingehend gemustert hatte. Er richtete sich etwas auf, überlegte, ohne zu wissen, was er überhaupt überlegen musste. „Nein“, sagte er im ersten Moment. Und wusste selbst nicht, was er damit sagen wollte. Dom kam später, er hätte Zeit und diese Augen, in die er nun schon wieder viel zu lange starrte, wirkten anziehend auf ihn. Aber… „Ich meine: Nein, es ist nicht unhöflich!“ Unverhohlen musterte er den anderen Mann. „Ich erwarte noch jemanden… Aber er kommt später“, sagte er dann und griff wieder zu seinem Bier, um sich an etwas festzuhalten. „Setz dich!“ *Eames* „Nein“ Er stand ihm gegenüber und sah irritiert über den Tisch hinweg auf den Wunderknaben herab. Wunderknabe, weil er offenbar nicht nur schön war, sondern auch talentiert; mit seinem Skizzenblock und den ganzen schicken Deteilzeichnungen, die Eames sofort aufgefallen waren, als er näher gekommen war. Außerdem schien dieser Typ ein wahres Unikat zu sein - so anders, als die anderen in dieser Kneipe. Vielleicht sogar anders, als jeder in Nordamerika und das übte eine heikle Faszination auf Eames aus. „Ich meine: Nein, es ist nicht unhöflich!“ »Great!«, ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er sich ihm gegenüber niederließ. So leicht hätte er sich ohnehin nicht abspeisen lassen. Der Andere wirkte irgendwie unsicher. Ein bisschen verloren, wenn man so wollte. Bambi. »Kommst du oft her?«, fragte er unverfroren, nicht willens seinen Blick abzuwenden. Immer noch die Augen... aber auch die intelligente Stirn, die langgliedrigen Finger. Was hatte er nur an sich? Diese Frage würde ihn noch lange beschäftigen, da war er sich sicher. *Arthur* Der britische Akzent war so gar nicht zu überhören. Er regte einen gewissen Widerwillen, aber noch mehr Trotz. Etwas, das Arthur erst viel später auffallen würde. Im Moment drehten sich seine Gedanken vielmehr darum, ob der Typ zu ihm gekommen war, weil er bemerkt hatte, dass er ihn angestarrt hatte, oder wirklich nur, weil der Stuhl frei war. Letzteres verwarf er bei einem flüchtigen Blick durch die Kneipe. Es gab einige freie Plätze, auch neben wirklich attraktiven Frauen… Arthur spürte die Unruhe ob dieser Erkenntnis weiterwachsen. Nicht, dass er ein Problem damit hätte, von einem Mann… Stopp! Seine Gedanken drifteten in seine Richtung ab, die hier völlig unangebracht war. Der Brite wollte sich einfach setzen – bei ihm war Platz – alles gut… »Kommst du oft her?« … oder auch nicht. War das nicht der einfallsloseste Anmachspruch? Oder verstand er das falsch? Bestimmt. Heute das letzte Mal – lag ihm auf der Zunge. Aber diese Augen, die auf ihm ruhten ließen ihn den Kommentar herunterschlucken. „Das erste Mal“, antwortete er ehrlich. „Ist nicht so meine Gegend. Ich bin hier nur verabredet…“ Er stutzte bei den Worten. „… also rein geschäftlich, sozusagen“, hörte er sich erklären, was nicht hätte erklärt werden müssen. Er atmete langsam ein. Stellte er sich bei Frauen auch so an, die ihn ansprachen? War ihm noch nicht aufgefallen, bisher. „Und du?“, fragte er zögernd, wissend, wie dämlich das eigentlich war. Er hob die Hand. „Lass mich raten“, sagte er dann und musterte sein Gegenüber einen Moment. „Du bis braun gebrannt, also erst kürzlich im frühlingsnassen New York. Du hast, als du reingekommen bist, dich umgesehen, um dich zu orientieren. Also das erste Mal da. Du hast dir keine Zeit genommen, die Bierkarte zu studieren, also ist dir die Bar an sich egal. Und du hast die hübsche Frau, die da am Tresen steht und dir giftig hinterher gesehen hat, einfach stehen gelassen. Also hast du andere Pläne heute.“ Fragend blickte er den anderen an. * Eames* Verabredet? Seine Augenbrauen wanderten in die Höhe. „... also rein geschäftlich, sozusagen“ Praise the Lord. Das war das Gegenteil einer Abfuhr; eine regelrechte Einladung. Es war verdammt schwer ein schwuler Soldat zu sein. Nahezu unmöglich, deswegen hatte er sich von vornherein dagegen entschieden seine Sexualität nach außen zu tragen und war während seines Dienstes auf den Hetero-Zug aufgesprungen... und siehe da, er hatte sich getäuscht. Offenbar mochte er doch beides und genoss nun die freie Auswahl; komme was da wolle, sozusagen. Aber nun, da er dieses Exemplar vor sich hatte, war er sich nicht sicher, ob er je wieder eine Frau ansehen wollte. Mochte sein entfachter Jagdtrieb sein oder seine Gier nach Besitz, aber er war recht schnell, recht angetan von dem eigenartigen jungen Mann. Er holte Luft, als er die Gegenfrage gestellt bekam und wollte seinen kleinen, einstudierten Vortrag halten, als er unterbrochen wurde. „Lass mich raten“ Und zwar nicht nur irgendwie. Der Knabe nahm ihm nahezu auseinander. So durchschaut zu werden, bescherte ihm ein ungutes Gefühl. War das alles denn so offensichtlich gewesen? Er war selbst recht geübt darin, Leute einzuschätzen – als Taschendieb und Trickbetrüger brauchte man solche Eigenschaften – aber das, was der Fremde hier lieferte, hatte er eher was von Monk. Sein Blick festigte sich, verlor etwas von der federleichten, gelassenen Art und ließ etwas Provokantes mit einspielen. »Nicht schlecht, Sherlock.«, erwiderte er und hob das Glas für ein sinnbildliches Cheers, ehe er trank. Er leckte den Schaum von den Lippen ehe er weiter sprach: »Und was könnten meine anderen Pläne heute wohl sein?« Sein Mundwinkel zog sich zu einem spitzen Lächeln, als er den Blickkontakt wieder aufnahm. *Arthur* Arthur fiel es schwer, den Blick des anderen zu halten. Warum hatte er mit seinen Beobachtungen aufgewartet? Nur weil er ein Gespür für Kleinigkeiten und Nebensächlichkeiten hatte, hieß das nicht, dass die Mitmenschen das so toll fanden, wenn sie das Gefühl hatten, unter Beobachtung zu stehen. Angesichts des Gedankens, dass jener gemerkt hatte, dass er ihn angestarrt hatte, rückte seine unüberlegte Analyse noch einmal in ein ganz dämliches Licht. Die Unruhe in ihm wurde nicht weniger, als die Mimik des anderen sich änderte. »Nicht schlecht, Sherlock.« Arthur nickte möglichst selbstsicher, hob selbst das Glas und trank in tiefem Zug, froh darüber, einen Grund zu haben, woanders hinzusehen – nun bis der Mund des anderen seinen Blick wieder auf sich zog. »Und was könnten meine anderen Pläne heute wohl sein?« Arthur lehnte sich zurück, spürte die Provokation, die in ihm gemischte Gefühle heraufbeschwor. Sein zaghaftes Lächeln wurde schwächer. Arthur konnte nur Fakten analysieren und interpretieren – er hasste es zu raten. Und wie sollte er wissen, was dieser Mann hier heute noch vorhatte?! Realistisch betrachtet… Er konnte es ja unmöglich sein, oder? „Tja“, begann er ausweichend. „Wenn ich das wüsste.“ Sein Finger tippte etwas nervös gegen das Glas. Erstaunlicherweise fiel es ihm gerade leicht, den Blick einfach zu erwidern und sich von dem Lächeln nicht verunsichern zu lassen. Er musste abwägen, wohin das Gespräch gehen sollte. Wenn er ehrlich zu sich war, war dieser Mann hier für ihn unfassbar faszinierend, anziehend, reizvoll. War ja nicht so, dass er nicht von sich wusste, dass er auch Männern hinterherschaute und manch einer in seinen Träumen auftauchte. Er würde einen Flirt wagen – doch hatte er das Gefühl, diesem Mann hier nicht gewachsen zu sein. Er wirkte auf ihn, als wüsste er genau, was er wollte und was nicht. Das konnte Arthur nur hinsichtlich seines Jobs wirklich von sich behaupten. Dennoch überwog das Reizvolle. Nur gab es da auch noch die Angst, missverstanden zu werden. Wie weit konnte er sich aus dem Fenster lehnen, um nicht nachher aus einer ihm unfassbar unangenehmen Situation fliehen zu müssen? „Aber da du dich zu mir gesetzt hast, könnte ich mir vorstellen, dass es etwas mit mir zu tun hat.“ Nun war er es, der das Kinn etwas provokant hob und sein Gegenüber unverwandt ansah. *Eames* Er wich aus und dann wieder diese nervöse Geste. Wenn das nicht seiner Natur entsprach und da war sich Eames relativ sicher, dann hatte machte er mächtig Eindruck auf den Fremden. Ein Grund für gute Laune. Er schnaufte ein trockenes Lachen, als Arthur seine Vermutung kund tat. »Wow, ich wusste nicht, dass ich so leicht zu durchschauen bin.« Dieses Spiel gefiel ihm. Erst hatte er sich leicht unwohl gefühlt, aber es beruhigte ihn, dass sein Gegenüber keine Gedanken lesen konnte, sondern einfach nur eine erschreckend gute Auffassungsgabe besaß. Es wurde langsam voller in der Bar. Die Plätze um sie herum füllten sich allmählich. Mit dem Daumen wischte er spielerisch das Kondenswasser von seinem Glas. »Wäre nur fair mir auch etwas über dich zu erzählen oder? Wenn du mich schon liest wie ein offenes Buch.« *Arthur »Wow, ich wusste nicht, dass ich so leicht zu durchschauen bin.« War jener das wirklich? Wohl kaum! Es wäre zu einfach, wenn sein letzter Kommentar wirklich wahr wäre. Irgendwie widersprach das seinem ersten Gedanken, dass die Augen dieses Mannes eine unwägbare Tiefe besaßen. Aber gut. Er hatte ihm die Worte in den Mund gelegt, jener hatte sie dankbar aufgegriffen. Andersherum hätte er es vielleicht nicht anders gemacht. Jemand anderen in dem Glauben zu lassen, den er von sich aus hatte, war einfacher, als die Wahrnehmung zu korrigieren. Sofern das alles positiv für einen lief. Allerdings blieb zu bemerken, dass der Brite nicht dementierte, dass seine Abendplanung mit ihm zu tun hätte. Das zeugte zumindest davon, dass ein Flirt wirklich möglich wäre – auch wenn es vollkommen neue Terrain für Arthur war. Etwas in ihm warnte ihn, dass das letztlich auch nicht stimmen konnte – dass er zum Teil seiner Abendplanung geworden war. Wieso auch? Er hatte nichts Besonderes an sich. Doch er wusste nur zu gut, dass er von dem Zug nicht mehr herunterspringen würde, auf den ihn der andere eben hochgezogen hatte. Wieso auch? Er hatte nichts zu verlieren. »Wäre nur fair mir auch etwas über dich zu erzählen, oder? Wenn du mich schon liest wie ein offenes Buch.« Arthur lächelte leicht, trank einen Schluck, blickte den anderen amüsiert an. „Das ist zu einfach“, sagte er schließlich und schüttelte den Kopf. Erwartete er ernsthaft, dass er jetzt etwas über sich selbst erzählte? War er bei einem Vorstellungsgespräch? Nein, nein. SO einfach ging das nicht. Er zog sich nicht so einfach für jemanden aus – egal, wie interessant und attraktiv die Person war. „Du musst dich schon ein wenig anstrengen“, fuhr er fort und beugte sich etwas vor, blickte ihn an. „Ich habe nicht den Eindruck, dass ich dich einfach so lesen könnte. Eher nur den Umschlag des Buches – und der ist austauschbar.“ Ja, das Bild passte irgendwie besser – warum auch immer. Er lehnte sich wieder zurück „Woher soll ich wissen, was dich interessiert? Ich könnte dich langweilen.“ Und die Wahrscheinlichkeit war verdammt groß, wenn er davon zu reden begann, was er den ganzen Tag tat: arbeiten. „Stell mir eine Frage, dann entscheide ich, ob ich dir eine Antwort gebe.“ Lieber etwas die Kontrolle behalten. Nicht, dass es in die falsche Richtung lief. *Eames* Der Kleine war schonungslos und klar in seinen Aussagen. Resolut, tiefgründig, anspruchsvoll, intelligent.. Eames fühlte sich zum ersten mal seit seines Aufenthaltes in den USA wirklich von einer Person herausgefordert. Mal von Dom abgesehen, der ebenfalls ein ziemlich kluges Kerlchen war, den er schnell zu schätzen gelernt hatte. Aber zu ihm fühlte er sich nicht in diesem Sinne hingezogen... Und dann befürchtete er noch, er würde ihn langweilen. Eames spürte die Spannung in seinem Zwerchfell, je länger sie sprachen. Diese Sache hier war alles, aber nicht langweilig. Aber nicht zu viele Zugeständnisse gleich zu Beginn. Auch er versuchte interessant zu bleiben. »Okay.«, stimmte er galant zu. »Fangen wir mit was einfachem an. Nicht allzu persönlich.« Er nahm einen Schluck und wischte sich danach mit dem Daumen den Schaum vom Mundwinkel. »Wieso hast du mich beobachtet?« Er hatte es selbst nicht bemerkt, aber die detaillierten Beschreibungen, die er vor einer Minute vom Stapel gelassen hatte, ließen eindeutig darauf schließen. *Arthur* Immerhin ging sein Gegenüber auf den Deal ein, Fragen zu stellen. Nun, Arthur war gespannt, was kommen würde. Langsam wurde er selbstsicherer, gelassener. Sich bewusst zu machen, dass das hier etwas war, das er einfach genießen konnte, tat gut. Egal, wohin das hier führte, er konnte es einfach auf sich zukommen lassen. Er konnte es vorbehaltlos genießen und auch wenn er später mit Dom noch einige Dinge klären musste, hoffte er, dass der Dunkelblonde das Interesse an ihm nicht verlieren würde, so dass ihr Spiel noch weiter geführt werden könnte. »Fangen wir mit was Einfachem an. Nicht allzu persönlich.« Arthur nickte, blickte abwartend. Erneut dieser schöne Mund, der in den Fokus rückte, die vollen Lippen, umspielt von einem Bart, der ihm diesen gewissen Charme gab. »Wieso hast du mich beobachtet?« War er wirklich gelassen? Die Frage war ja nun doch ziemlich persönlich, irgendwie. Aber genau das sollte er sich bestenfalls nicht anmerken lassen. Dennoch spürte er, dass ihm warm wurde, auch wenn es sicher nicht auffallen würde. Er zwang sich, still sitzen zu bleiben und sich nicht zu bewegen, was seine Nervosität sicher verraten hätte. Was sollte er darauf antworten? Dass er ihn in seinem Auftreten fasziniert hatte? Dass er seitdem er hier war, alles andere auszublenden schien? Einen Moment musste er doch auf sein Skizzenbuch blicken. Ob das herhalten müsste? „Zufall“, begann er nun langsam. „Ich warte auf jemanden, daher habe ich dich bemerkt, als du reingekommen bist. Ich zeichne gerne Dinge, die ins Auge fallen und bei dir fiel mir gleich auf, dass deine… Erscheinung die Aufmerksamkeit von so vielen auf sich gezogen hat. Hin und wieder skizziere ich auch Menschen. Ich habe abgewogen, ob deine Ausstrahlung eines Bildes würdig wäre.“ Zu welchem Schluss er gekommen war, ließ er offen. Ob er es noch anfügen sollte? Er würde ohnehin nicht die Wahrheit sagen können. *Eames* Amüsiert verfolgte er das Zögern des jungen Mannes. Sah zu, wie sein Blick auf seinen Skizzenblock hinabsank. Die Antwort befriedigte sein Ego... halbwegs. Ein, zwei schmeichelnde Zugeständnisse hatte der Kerl wohl gemacht, aber allzu weit lehnte er sich nicht aus dem Fenster. Ob er vor irgendetwas Angst hatte? (Vor diesem Flirt?) Oder ob er ihm einfach nicht zu viel Honig ums Maul schmieren wollte? Dabei bekam der tollkühne, 28 jährige Eames wirklich gern Komplimente. „... Ich habe abgewogen, ob deine Ausstrahlung eines Bildes würdig wäre.“ »Verstehe.« Er nickte anerkennend und betrachtete erneut den Block, der vor Arthur lag und mit allerlei Kleinigkeiten geschmückt war, aber nichts, was nach ihm aussah. Dann nahm er den Blickkontakt wieder auf. »Und ist sie es?«, fragte er frech und grinste. Und er wollte diese Antwort wirklich, er hoffte, dass sie ihnen eine Tür öffnen würde, die zu mehr führen würde, als nur zu einem beiläufigen Flirt. Vielleicht waren sie bereits dort und Arthur war einfach nur zu unnahbar und Eames zu dämlich um zu schnallen. Dann wurde es scheinbar plötzlich laut im Laden – die Unruhe um sie herum hatte er erst gar nicht bemerkt. Die Leute pfiffen und Klatschten. Mittlerweile war jeder Tisch besetzt und in Arthurs Rücken hatte sich eine Band auf der kleinen Bühne aufgebaut, die nun ohne großes Intro zu spielen begann. Something in the way she moves Attracts me like no other lover *Arthur* »Und ist sie es?« Arthur hatte damit rechnen müssen, dass diese Frage kommen würde. Er hatte nur etwas Zeit schinden wollen, weil er die Antwort nicht wusste – also er wusste sie schon, aber er wusste nicht, ob er sie sagen wollte. Das Lächeln des anderen hatte etwas Triumphierendes. Er wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, als es laut wurde. Arthur wurde erst jetzt so richtig gewahr, dass er wirklich gar nicht mitbekommen hatte, was um sie herum geschehen war. Eine Band war auf die Bühne getreten, die Kneipe war mit einem Mal voller und offenbar war die Gruppe beliebt, denn der Fanclub war anwesend. Arthurs Blick fiel auf die Rückseite der Getränkekarte, in der „Events“ angekündigt wurden. Die Beatles würden wohl heute herhalten. Er blickte wieder zu seinem Gegenüber, als der erste Song, die ersten Verse angestimmt wurden. Something Arthur schluckte, lauschte den Worten, die er so gut kannte und die in diesem Moment die Frage des anderen zu beantworten schienen. In einer unbedachten Bewegung hob er die Hand, signalisierte seinem Gegenüber, dass das die Antwort war. Ob er es so verstehen würde, wusste er nicht. Sein Blick wurde etwas unruhiger. Etwas zu sagen, wäre kaum sinnvoll, denn dafür war es zu laut. Er blickte auf den Stuhl neben sich und zwischen ihnen, der zu ihrem Tisch gehörte und noch frei war. Ob er sich näher zu ihm setzen sollte, damit sie weiterreden konnten? Aber dann wären sie sich mit einem Mal unfassbar nah. Somewhere in her smile she knows That I don't need no other lover Er blickte wieder auf und den anderen an. Dessen Lächeln wirkte mit einem Mal anders, wissend? Es war seltsam, wie das Lied zu dieser Situation zu passen schien, ohne dass er diesen Gedanken wirklich denken wollte. Kurzerhand stand er auf, wechselte den Stuhl und lehnte sich zu ihm. „Vermutlich schon“, sagte er und sog den ihm bisher fremden Geruch ein, der sich in ihm einbrennen würde. „Aber das kommt auch darauf an, wie der Abend weiterhin verlaufen wird.“ You're asking me will my love grow I don't know, I don't know *Eames* Auch Eames Blick fiel auf die Event-Ankündigung, die sie wohl beide bis zu diesem Moment gekonnt ignoriert hatten. Nun war das Gespräch wohl vorerst beendet. Was Arthur ihm mit der unbestimmten Geste sagen wollte, war ihm nicht direkt klar, aber er ahnte es. Hoffte es zu wissen. Sein Gegenüber wirkte nicht mehr ganz so gelassen (mal von den kleinen Anflügen Nervosität abgesehen, der er mit Bravour versteckt hatte – Congratulations, er hätte es fast nicht bemerkt). Schade, wie Eames fand, denn der Song sprach ihm aus der Seele – Kitsch hin oder her; er war ein Bündel aus Emotionen, egal wie cool und unberührt er nach außen wirkte. Er sah in Bambis Augen und wünschte sich sehnlichst, dass dieses Gespräch noch nicht beendet war. Dass seine Verabredung nicht mehr kam und dass Dom sich viel Zeit ließ, bevor er auftauchte. Dann stand der Fremde auf und Eames bemerkte, dass er nicht wirklich klein war. Sie müssten ungefähr gleich groß sein. Aber im Gegensatz zu Eames besaß der Andere eine schlanke, drahtige Linie, die sich angenehm geschmeidig auf ihn zubewegte. Er lehnte sich ihm ein wenig entgegen und horchte. Es kribbelte ihm Nacken, als er ihm ins Ohr sprach. Plötzlich so nah. And all I have to do is think of her Er drehte dein Kopf halb in seine Richtung und betrachtete die außergewöhnlich blassen Muttermale unter seinem rechten Auge. Das wäre der Moment gewesen, ihm einen Kuss zu stehlen. Wäre da nicht diese Hand auf seiner Schulter gelandet. »Schön, dass du kommen konntest, Arthur!« Cobb grinste enthusiastisch. Je eine Hand auf je einer Schulter der beiden Männer. »Wie ich sehe, kennt ihr euch bereits!« Er musste sich bemühen gegen den Lärm anzukommen, aber da sie nicht auf einem Rock-Konzert, sondern bei einer Beatles Cover-Band waren, konnte man sich relativ gut verständigen. Trotzdem wäre ein Wechsel der Location wohl angebracht. Eames ließ Arthur nicht aus den Augen, genoss die Mimik auf dem jungen Gesicht. Er war nicht weniger überrascht, zugegebenermaßen. »Eames!«, er reichte Arthur die Hand. »Thomas Eames!« *Arthur* Als der Brite sich ihm zuwandte und ihn ansah, spürte Arthur nur zu deutlich, dass er wünsche, dass dieser Abend noch lange dauern würde. Sie waren sich so unerwartet nah, aber den Drang, wieder auf Abstand zu gehen, den er so oft bei anderen Menschen verspürte, fehlte. Nein, er würde keinen Rückzieher machen – komme was wolle. »Schön, dass du kommen konntest, Arthur!« Die Hand auf seiner Schulter, die Worte – wieso ausgerechnet jetzt? Er blickte hinab und sah, dass Dom auch dem anderen die Hand auf die Schulter gelegt hatte. Irritation schlich sich in seinen Blick. »Wie ich sehe, kennt ihr euch bereits!« Etwas griff nach seinem Magen und drückte erbarmungslos zu. Das konnte jetzt nicht wahr sein, oder? Das durfte jetzt nicht wahr sein! War dieser Brite tatsächlich der Mann, den Dom ihm vorstellen wollte? Der mit dem sie die nächsten Wochen und Monate, vielleicht sogar Jahre zusammenarbeiten würden? Zwei Dinge wurden ihm gerade bewusst: 1. Alle Unbefangenheit war dahin, was den Umgang mit diesem Faszinosum betraf. Denn nun hatte er etwas zu verlieren, wenn er sich auf einen Flirt oder mehr mit ihm einließe. Der Job war ihm wichtiger, als alles andere. Nichts und vor allem niemand würde diesen Job beeinträchtigen. 2. Das alles hier war mit einem Mal in Frage gestellt. Alles, was er sich zurechtgebogen hatte, damit es ihm in den Kram passte. „Aber da du dich zu mir gesetzt hast, könnte ich mir vorstellen, dass es etwas mit mir zu tun hat.“ Der andere Mann schien genau gewusst zu haben, wer er war. Vermutlich hatte Dom mit ihm darüber gesprochen. In seinem Gesicht konnte er keine Überraschung sehen. Alles, der ganze Flirt war inszeniert gewesen. Hatte er ihn testen wollen? Was hatte er damit bezweckt? „Kennen ist übertrieben“, murmelte er. Arthur schluckte, seine Miene verhärtete sich. So schnell würde er nicht mehr auf dieses Lächeln und das Funkeln in den blauen Augen hereinfallen. Etwas kräftiger als nötig ergriff er die Hand. „Arthur“, sagte er schlicht. „Auf gute Zusammenarbeit.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)