DigiRonpa von UrrSharrador (Mut. Freundschaft. Liebe. Wissen. Ehrlichkeit. Zuverlässigkeit. Licht. Hoffnung ... Verzweiflung.) ================================================================================ Fall 03: Tödliches Leben – Verhasste Routine -------------------------------------------- „Es … es ist nicht so, wie es aussieht“, brachte Jou irgendwann hervor. Hikari konnte den Blick immer noch nicht von der Leiche abwenden, fast war es, als müsste sie sich jede grauenhafte Einzelheit einprägen, damit sie begriff, dass das hier Realität und kein böser Traum oder eine Sinnestäuschung war. Miyako hingegen explodierte. „Was soll das heißen, nicht so, wie es aussieht? Du bist hier herumgestanden, direkt vor der Leiche, und als wir gerufen haben, hast du getan, als würdest du uns nicht hören!“, schimpfte sie los, Tränen in den Augen. Sie hatte in den letzten Minuten so viel durchgemacht, dass es schon erstaunlich war, dass sie überhaupt ihre Sinne beieinander halten konnte. Jou hob abwehrend die Hände, als es aussah, als würde sie ihn schlagen wollen. „Das … das meine ich ja! Ich habe ihn eben erst hier legen gesehen! Ich habe euch nicht mal gehört … Das war ein Schock, versteht ihr? Ich habe nie und nimmer … Das könnte ich gar nicht!“ Hikari glaubte es ihm sogar. Ioris Anblick hätte jeden von ihnen auf der Stelle in eine Salzsäule verwandelt. Bei den drei Mädchen war es nicht anders gewesen. Irgendetwas hatte Iori regelrecht aufgespießt, und die Blutlache unter ihm war riesig. „Ahem, ahem“, räusperte sich jemand gekünstelt. Schon wieder Monokumas Stimme. Warum ließ er sie nicht einfach in Ruhe? „Aufgepasst, Schüler. Da ihr alle gerade über den ganzen Berg verstreut seid, seht in den Himmel. Über dem Fundort der Leiche kreist ein Digimon namens Kuwagamon. Das rote Insekt. Ihr könnt es nicht verfehlen. Bis dann!“ Tatsächlich brummte eines der Digimon, die vorhin Leomon attackiert hatten, gut sichtbar über ihnen. Hikari konnte nicht sehen, wo genau die Stimme hergekommen war, aber sie hatte ziemlich nah geklungen. Am Rande ihres schockierten Bewusstseins fragte sie sich, was diese Ansage bringen sollte, wo sie doch ohnehin hier waren – ehe ein anderer, ebenso peripherer Bereich ihres Verstandes die Frage beantwortete. Es würde sie mittlerweile nicht mehr wundern, wenn Monokuma mehrere Klone hätte oder diese Stimme auch anderswo auf der Insel erklingen lassen könnte. Dann wären auch die anderen benachrichtigt worden. In der Tat dauerte es nicht lange, bis die anderen den Mordschauplatz erreichten. Taichi und Wallace kamen fast gleichzeitig an, aus verschiedenen Richtungen. Als Hikaris Bruder die Mädchen sah, atmete er erleichtert auf, nur um dann mit versteinertem Gesicht auf Ioris Leiche zu starren. „Hier also auch“, murmelte er. Sofort war Hikari hellhörig. „Was meinst du mit auch?“ Ehe Taichi antworten konnte, war Wallace an den Tatort getreten. „Ach du heilige …“, entfuhr es ihm, als er Iori in dem Wäldchen liegen sah, aber er wirkte nicht besonders überrascht. Hikari wusste selten, was er dachte, aber offenbar hatte er nicht geglaubt, dass das Sterbecamp der Vergangenheit angehörte. Taichi leckte sich über die Lippen und sagte mit belegter Stimme: „Kommt mal mit, bitte.“ Sein gezwungen ruhiger Tonfall alarmierte Hikari mehr als alles andere. „Was ist los?“ „Koushiro“, sagte er leise. „Wir haben Koushiro gefunden.“ Allein die Art, wie er es sagte, sprach Bände. „Sollte nicht jemand den Tatort im Auge behalten?“, rief Wallace, als alle bergan losliefen. „Wenn alle mitkommen, wird auch niemand hier herumpfuschen“, knurrte Taichi. „Wenn du dich auch endlich bewegst, heißt das.“ Wallace zuckte mit den Schultern und folgte ihnen. Taichi hüllte sich in eisernes Schweigen, ehe sie die Stelle erreichten, wo Daisuke auf sie wartete. Er stand neben Koushiros Leiche, und kaum dass der am Boden liegende DigiRitter in Sicht gekommen war, plapperte Monokumas Stimme schon wieder los. „Pam-pam-pam! Uuuund noch eine Leiche wurde gefunden! Heute ist aber viel los auf der File-Insel! Vielleicht sollte man tatsächlich mal einen Touristenort daraus machen. Ständig passiert etwas, nie ist es langweilig!“ Der Bär spazierte hinter einem Felszacken hervor und marschierte zwischen Koushiro und den Lebenden hin und her. „Wie auch immer, dieser Mord wird natürlich auch im folgenden Klassenprozess behandelt. Ich habe euch noch ein Monokuma-File ausgestellt. Der Fall scheint dieses Mal ja ein wenig anspruchsvoller zu sein, also lest genau und strengt eure Köpfe an!“ Damit sprang er von der nächstbesten Felskante und war ihrem Blick entschwunden.   Sie fühlten sich allesamt so mies wie schon lange nicht mehr. Tagelang war nichts passiert – und nun, wie als Ausgleich, gleich zwei Morde auf einmal. Zwei! Hikari glaubte in einem Albtraum gefangen zu sein, der vielleicht schon zu Beginn ihres Inselabenteuers begonnen, nun aber ein völlig neues Level erreicht hatte. Und am meisten erschreckte sie die Routine, mit der sie mittlerweile zu Werke gingen. Sie brauchten merkbar weniger Zeit, um sich zu fassen, als bei den ersten beiden Morden. Hikari erwischte sich dabei, viel rationaler alles zu analysieren, was mit den Morden zu tun hatte. Bei Sora hatte sie sich noch gegen das Ermitteln gesträubt – nun war sie von einem geradezu unheimlichen Pflichtgefühl beseelt. Sie musste ihren Beitrag leisten, damit sie den Klassenprozess überlebten … Koushiro war immer ein zuverlässiger Streiter der Logik gewesen und hatte stets gute Gedanken gehabt, die sie zum Schuldigen geführt hatten. Nun war er tot. Irgendjemand musste diesen Part übernehmen, sonst waren sie alle verloren! Dieser Gedanke erzeugte gemischte Gefühle in ihr – derart ineinander verschlungen, dass sie ihr die Kehle zuschnürten. Zum einen war da die Panik. Wenn sie den Mörder nicht fanden, würden sie alle sterben. Und zum anderen blankes Entsetzen, weil sie schon so rational über diese Dinge nachdenken konnte, wo doch zwei ihrer Freunde getötet worden waren! Da sie nicht wussten, wie viel Zeit Monokuma ihnen gönnen würde, teilten sie sich in zwei Gruppen auf, um die beiden Leichen zu untersuchen. Hikari blieb mit Taichi, Mimi und Daisuke bei Koushiro, während Jou, Miyako und Wallace noch einmal nach Iori sahen. Hikari fiel ein, dass es im Labyrinth Videoaufzeichnungen zu allen Geschehnissen auf der Insel gab und man dort bestimmt auch den Mörder sehen würde – doch die Zeit, die sie bis dorthin bräuchten, würde ihnen Monokuma gewiss nicht geben. Als Allererstes fiel Hikari Koushiros Laptop auf. Versiegelung geöffnet stand am Ende eines Programms, das darauf ausgeführt worden war … und irgendwie hatte sie eine ziemlich genaue Vorstellung, welche Versiegelung damit gemeint war. „Heißt das, die Barriere um dieses Leomon wurde von Koushiros Laptop aus geöffnet?“, fragte Daisuke. „Klar wurde sie das“, murmelte Taichi. „Eine andere Möglichkeit gab es ja wohl gar nicht. Leomon ist freigekommen und hat erst Koushiro selbst getötet, dann Iori.“ „Also hat Koushiro das Programm doch geknackt? Ich meine, er hat doch gesagt, dass er es nicht schaffen würde, weil es zu kompliziert wäre, oder?“ Darauf konnte Taichi nur mit einem Achselzucken antworten. „Seht mal.“ Mimi war etwas an der Felswand aufgefallen, in deren Nähe Koushiro lag. Nicht nur, dass die Wand über und über mit seinem Blut bespritzt war – was Mimi entdeckt hatte, war zwischen und unter den Blutflecken zu sehen. Hikari hätte ihr gar nicht zugetraut, sich eine so grausige Szene genauer ansehen zu können. „Sind das … Schriftzeichen?“, fragte Taichi. Hikari musste ihm recht geben. Es handelte sich offensichtlich um dieselben Schriftzeichen, die die Wände in dem Labyrinth übersät hatten. Sie waren mit violetter Farbe auf die Felswand geschmiert. Es musste sich um die Schrift handeln, die in der DigiWelt gebräuchlich war. „Die konnte wohl höchstens Koushiro entziffern“, murmelte Daisuke. „Meint ihr, er wollte sie gerade übersetzen, als er …“, begann Hikari. „Vermutlich“, meinte Daisuke. „Aber selbst wenn er nicht abgelenkt gewesen wäre … dieses Leomon hätte ihn sicher so oder so erwischt, wenn es so furchterregend ist, wie ihr erzählt habt.“ Hikari erschauerte allein bei der Erinnerung. Sie nahm ihr DigiVice zur Hand, um sich das Monokuma-File durchzulesen. Monokuma hatte nur einen recht kurzen Text auf Koushiro verschwendet. Monokuma-File #4: Das Opfer ist Koushiro Izumi. Er starb, weil seine Halsschlagader aufgeschlitzt wurde. Andere Verletzungen gibt es nicht. Daisuke verzog das Gesicht, als er erneut neben Koushiro in die Hocke ging. „Wie scharf war denn das Schwert von diesem Leomon? Denkt ihr, dass es … schnell und schmerzlos gegangen ist?“ Hikari wusste nicht, was sie antworten sollte. Allein sich vorzustellen, wie Leomon zugeschlagen hatte, war entsetzlich. „Hier gibt es sonst nichts“, sagte Taichi irgendwann. „Keine Fußspuren, weil hier fast alles Felsenboden ist. Aber der Weg führt hoch zu dieser Kathedrale, das ist eindeutig.“ „Dann sollten wir jetzt vielleicht auch zu Iori gehen“, schlug Daisuke vor. „Wenn wir noch etwas Zeit haben, müssen wir sie nutzen.“ Taichi nickte. „So eine Ironie“, meinte Mimi lethargisch, als sie hinter den anderen her trottete. „Die ganze Sache nur wegen dieser Beerensuche … und dann haben wir Iori gesucht, und Koushiro ist hier gestorben, wo er Iori nicht gefunden hat, wo es dafür aber Beeren gibt.“ Sie deutete auf die dornigen Sträucher etwas abseits des Weges. Dicke, dunkelviolette Beeren wuchsen darauf, die im Abendlicht köstlich ausgesehen hätten, wäre Hikaris Magen nicht ein mehliger, übersäuerter Klumpen gewesen. Auf halbem Weg kam ihnen die andere Gruppe entgegen. „Seid ihr auch fertig?“, fragte Taichi. „Es gibt nicht wirklich viel zu untersuchen“, erklärte Miyako. „Was habt ihr denn herausgefunden?“ „Sparen wir uns das für später auf“, sagte Wallace. „Ihr seid auf dem Weg zu Ioris Leiche, oder? Wir gehen zu Koushiro. Ermitteln wir, solange Monokuma es zulässt.“ Taichi nickte, und beide Gruppen setzten ihren Weg fort. Ioris Anblick war trotz allem der schrecklichere. Die Farnwedel, die nur unter seiner Leiche plattgedrückt waren, kündeten davon, dass er aufgespießt und in das Wäldchen hineingeschleudert worden war. Sein Tod war garantiert nicht so schnell vonstattengegangen wie der von Koushiro … Und die ausgefranste Wunde, die in seinem Rücken zu sehen war, war grässlich. Ehe sie sich einen noch genaueren Anblick antaten, kontrollierten sie das entsprechende Monokuma-File auf ihren DigiVices. Monokuma-File #3: Das Opfer ist Iori Hida. Er wurde von einem spitzen, scharfen Gegenstand durchbohrt und starb an einem Schock durch Blutverlust. Mehr gab das File auch hierzu nicht her. „Fällt euch was auf?“, murmelte Mimi. „Es wird kein Todeszeitpunkt genannt.“ „Ist das wichtig?“, fragte Taichi mit hochgezogenen Augenbrauen. „Wenn Monokuma uns etwas verschweigt, ist es immer wichtig. Bei Sora und Yamato hat er den Todeszeitpunkt genau angeführt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er diesmal einfach darauf vergessen hat – gleich zweimal.“ Das gab Taichi zu denken. Hikari konnte nachvollziehen, warum die anderen so schnell alles um Iori herum fertig abgesucht hatten. Auch hier gab es wenig zu entdecken – abgesehen davon, dass es fast körperlich wehtat, Ioris Leiche zu betrachten. Unter seinem Körper hatte sich eine Blutlache gebildet. Rote Spritzer markierten sogar mehr oder weniger die Distanz, die er in das Wäldchen geschleudert worden war. Mimi fand schließlich sogar einen Fußabdruck: Dort, wo die Felsen langsam in das Moos des Wäldchens übergingen, war der tiefe Abdruck einer Art Tatze zu sehen. Hikari versuchte sich daran zu erinnern, wie Leomons Füße ausgesehen hatten, aber sie hatte zu keiner Zeit genau darauf geachtet. Bedachte sie das Äußere des Digimons im Allgemeinen, stammte der Abdruck aber eindeutig von ihm. „Wenn Leomon nach dem Mord an Koushiro den Weg hinuntergelaufen ist, den wir genommen haben“, überlegte Taichi und kaute auf seiner Unterlippe, „dann hat er vielleicht hier Iori erwischt.“ „Und dann ist es in diese Richtung weitergelaufen und hat Miyako und Hikari gefunden.“ Daisuke deutete in die Richtung, in der sie sich ursprünglich getroffen hatten. „Und dort wurde es dann vernichtet, ja?“, fragte Mimi hoffnungsvoll. „Bist du sicher, dass es tot ist, Hikari? Ich will nicht, dass es noch einmal auftaucht, wenn es so … brutal ist.“ „Absolut.“ Hikari nickte. „Ich meine, es ist ein Wesen aus einer fremden Welt, aber ich habe gesehen, wie es explodiert ist. Wenn uns das Schicksal überhaupt irgendeine Chance gibt, diese Insel lebend zu verlassen, dann war es das mit ihm.“ „Gut, und was jetzt?“, fragte Daisuke, als sie keine neuen Spuren mehr ausfindig machen konnten. „Zurück zur Villa“, beschloss Taichi. „Vielleicht finden wir dort noch irgendetwas.“ „Und was genau sollen wir finden?“, fragte Daisuke stirnrunzelnd. „Keine Ahnung. Einen Grund, warum Iori so lange fort war. Und Koushiro hatte seinen Laptop verloren, wenn ihr euch erinnert. Vielleicht ist das wichtig.“ Daisuke zuckte mit den Achseln zum Zeichen, dass er einverstanden war. Sie hatten jedoch noch keine drei Schritte in Richtung Villa getan, als ihnen Monokuma in den Weg sprang. „Pam-Pam-Pam!“, quietschte er. „Die Zeit fürs Ermitteln ist um.“ „Schon?“, entfuhr es Mimi. War es kürzer gewesen als die letzten Male? Oder fühlte es sich nur so an, weil sie zwischen den beiden Leichen hin und her hatten gehen müssen? „Findet euch bitte in der Kathedrale auf der Spitze des Berges ein. Wer bei der Anwesenheitskontrolle fehlt, den holen meine Insektendigimon ab“, drohte Monokuma, hopste zur Seite und war wieder einmal verschwunden. Hikari hatte es aufgegeben, sich über ihn zu wundern. „Ich gehe da sicher nicht hoch!“ Mimi klammerte sich an Taichis Arm. „Dort oben ist dieses Leomon ausgebrochen! Wenn auch noch das andere Digimon entkommen ist … Selbst wenn es noch eingefroren dort steht, ich … Ich will nicht!“ „Dir wird nichts anderes übrig bleiben“, meinte Daisuke und verzog den Mund. „Kommt ihr?“ Hikari blickte in die Richtung, in der die Villa lag. Sie hätte sich gern noch einmal dort umgesehen, auch wenn sie ebenfalls nicht wusste, was sie sich dort zu finden erhoffte. Die anderen warteten bei Koushiros Leiche auf sie, und sie gingen schweigen den Bergpfad entlang. Es war wie ein Weg zum Richtblock, und er war anstrengend und schweißtreibend dazu. Hikari hatte das Gefühl, es würde die letzte Wanderung in ihrem Leben sein. Sie wusste, sie mussten den Mörder von Koushiro und Iori finden. Der Fall schien klar – aber ob Monokuma Leomon als Täter würde gelten lassen? Es sollte sie froh stimmen, dass keiner ihrer Freunde zum Mörder geworden war – oder stimmte das nicht? Und wenn Leomon der Täter war, wie sollten sie dann im Prozess argumentieren? Warum gab es denn überhaupt einen Prozess, wenn der Mörder nicht unter ihnen war? An ihr nagte der Verdacht, dass Monokuma es ihnen nicht so einfach machen würde. Wallace und Jou unterhielten sich mit gedämpften Stimmen über genau diesen Sachverhalt. „Und wenn Monokuma Leomon quasi als … Mordwerkzeug sieht?“, fragte Wallace soeben. „Ich kann mir nämlich gut vorstellen, dass er das tut. Demnach wäre derjengie von uns der Mörder, der dafür verantwortlich ist, dass Leomon jemanden töten konnte, meinst du nicht auch?  Er hat quasi den Löwen losgelassen. Das heißt, als Mörder gilt derjenige, der die Versiegelung geöffnet hat.“ Hikari überlegte. Ja, das konnte sein. Aber auch in diesem Fall schien es klar. Es war, als gäbe es endlich mal ein einfaches Klassentribunal. Und genau deshalb glaubte sie nicht so recht daran. Als die Bergspitze endlich in die Nähe kam, versank die Sonne bereits tiefrot am Horizont im Meer. Hikari wurde bewusst, dass sie dieses Mal wesentlich unstrukturierter zu Werke gegangen waren. Koushiro und seine Checkliste fehlte ihr schon jetzt. Aber sie hatten ohnehin kaum etwas gefunden, was sie an Hinweisen hätten aufschreiben können. In Gedanken ging Hikari deshalb alles durch, was seit ihrer Ankunft auf der File-Insel geschehen war. Wenn sie schon aus den jetzigen Mordfällen zu wenige Hinweise ziehen konnte, dann gab es ihr wenigstens Halt, wenn sie alles im Blick hatte, was irgendwie mit den Vorkommnissen auf dieser Insel zu tun hatte. Sie fing bei dem an, was sie von Ken und in dem Labyrinth erfahren hatten. Das hier ist die DigiWelt. Hier leben die sogenannten Digimon. Wir sind DigiRitter und sollten eigentlich eine wichtige Rolle für diese Welt spielen. Aber Monokuma hat irgendein krummes Ding gedreht. Er hat die Digimon von dieser Insel entfernt und ein paar wenige versklavt, damit sie uns in Schach halten. Uns hat er irgendwie hierhergebracht. Er will, dass wir uns gegenseitig töten. Das war es, was er uns bei unserer allerersten Begegnung in einem Wald gesagt hat. Wir haben daraufhin eine Nacht in einer Straßenbahn auf einem See verbracht und sind tagsüber marschiert. Wir haben ein Liliputanerdorf in der Wüste durchquert und sind schließlich in die Fabrik gekommen. Dort fand der erste Mord statt. Monokuma hatte Kisten mit Waffen vorbereitet. Wir haben im unteren Stockwerk geschlafen, und in der Nacht wurde Sora ermordet. Wir konnten den Mord aufklären. Der Täter war Ken, der mehr als wir anderen von der DigiWelt wusste. Als Daisuke ihm verzweifelt gestanden hatte, dass er ihn nicht verstehe, gab sich Ken äußerst arrogant und meinte, dass das kein Wunder sei. Später fanden wir heraus, was der Grund für dieses Gebaren war. Er war von der Saat der Finsternis beherrscht, die ihm unglaubliche Intelligenz und körperliche Fitness verlieh und die seinen Verstand verdrehte. Er hat Sora ermordet, um von dieser Insel fortzukommen, damit er seine Welteroberungspläne auf einem Kontinent in der DigiWelt umsetzen konnte. Er wurde hingerichtet. Wir haben eine Stadt ausfindig gemacht und sind dem Lauf eines Abwasserrohrs oberirdisch dorthin gefolgt. Wir kamen in die Spielzeugstadt, die verlassen war. Monokuma hat uns dort ein Festmahl aufgetischt, aber es waren auch Gift und Pilze, die die Erinnerungen löschen konnten, dabei. Monokuma brachte uns bald darauf zu den Telefonzellen, um uns ein neues Motiv zu geben. Jeder von uns telefonierte mit einem Erziehungsberechtigten der anderen, und wir alle erfuhren, dass sie offenbar in großer Gefahr schwebten. Doch keiner von uns durfte darüber sprechen, und ohne die Gewissheit, dass unsere eigenen Angehörigen ebenfalls in Gefahr waren, wollte keiner einen Mord begehen. Bis auf einen. Monokuma wusste, dass Takeru und Yamato Brüder und ihre Eltern geschieden waren. Dieses Schlupfloch in seinen eigenen Regeln nutzte er, um Yamato mit seiner Mutter, Takerus Erziehungsberechtigter, telefonieren zu lassen. Yamato fasste daraufhin den Entschluss, sich zu opfern, damit Takeru freikommen konnte. Er ließ sich von Takeru im Affekt vergiften und löschte ihm dann die Erinnerungen mit Pilzsaft. Wir kamen aber bei dem Klassenprozess wieder hinter die Wahrheit, und Takeru wurde hingerichtet. In einem alten Labyrinth fanden wir endlich mehr über diese Welt und die DigiRitter heraus, auch über die Saat der Finsternis, und wir konnten uns Soras Mord und Yamatos Telefonat als Videoaufzeichnung ansehen. Koushiro erzählte uns, dass diese Welt nur aus Daten besteht. Allerdings entdeckten wir keinen Hinweis, wie wir von hier fortkommen könnten. Schließlich fanden wir die Villa, in der wir die letzten Tage verbracht haben. Wir trafen auf Gundham Tanaka, eine rätselhafte Gestalt, die laut Monokuma nicht in diese Welt gehörte. Er konnte uns nicht wirklich weiterhelfen, und als Monokuma auf ihn aufmerksam wurde, nannte er ihn einen Datenrest und löschte ihn mit einem digitalen Scanner. Uns anderen machte er eines seiner zweifelhaften Geschenke: Er hatte irgendwie die Leichen unserer Freunde aufbereitet, sodass ihre Wunden verschwunden waren, und im Keller der Villa in gläserne Särge gelegt. Er meinte, so könnten wir von Sora, Ken, Yamato und Takeru besser Abschied nehmen. Danach war es vier Tage lang ruhig. Am fünften fanden wir auf der Spitze dieses Berges die Kathedrale, zu der wir nun unterwegs sind. Dort bewahrte Monokuma zwei Digimon auf, die, laut seiner Worte, zu mächtig gewesen wären, um sie zu kontrollieren. Sie waren in Kristalle eingeschlossen und konnten nur befreit werden, wenn jemand das Programm entschlüsselte, das sie gefangen hielt. Koushiro analysierte es, aber er meinte, selbst für ihn wäre es zu komplex, und er war immerhin unser Computergenie. Gegen Mittag am nächsten Tag meldete Koushiro, dass sein Laptop verschwunden wäre. Wir suchten gemeinsam danach, aber er fand ihn am Abend schließlich selbst. Wohin der Laptop in der Zwischenzeit verschwunden war, haben wir nicht herausgefunden. Am darauffolgenden Tag, als wir alle Besorgungsgänge erledigten, kam Iori nicht rechtzeitig zum Mittagessen in die Villa. Nachdem wir eine Weile erfolglos gesucht hatten, teilten wir uns auf, um einen größeren Bereich abdecken zu können. Dabei habe ich Miyako getroffen, die von Leomon verfolgt wurde – einem der Digimon, die eigentlich in einem Kristall eingeschlossen sein sollten. Es hätte uns fast getötet, aber da hat Monokuma eingegriffen und es mit seinen Sklaven-Digimon zerstört. Kurz darauf haben wir Daisuke getroffen, und dann Taichi und Mimi. Wir wollten den anderen Bescheid sagen und außerdem die Kristalle in der Kathedrale überprüfen. Dafür teilten wir uns abermals in zwei Gruppen auf. Miyako, Mimi und ich fanden Jou, der Ioris Leiche entdeckt hatte. Währenddessen fanden Daisuke und Taichi Koushiros Leiche. Koushiro wurde laut Monokuma-File die Kehle aufgeschlitzt. Noch im Tod hatte er seine Hand auf der Tastatur seines Laptops liegen gehabt, auf dem ein Programm gelaufen war, das offensichtlich die Versiegelung von Leomon aufgehoben hatte. In Koushiros Nähe haben wir eine blutbespritzte Felswand gefunden, auf der violette Symbole der Digimon-Schrift zu sehen waren. Keiner von uns konnte sie entziffern. Ioris Leiche lag etwas weiter den Weg runter. Er wurde von einer scharfen Waffe aufgespießt und in ein Wäldchen geschleudert. Dort ist er verblutet. Am Rand des Wäldchens haben wir einen Pfotenabdruck gefunden, der wahrscheinlich von Leomon stammt. Sie konnte nur hoffen, dass sie den Prozess mit diesen Informationen überstanden. Die Tür der Kathedrale schwang von alleine vor ihnen auf, und Hikari war es, als würde sie, das angebliche ultimative Licht, nun in pure Dunkelheit eintauchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)