Rot und Blau von Himitsu-chan ================================================================================ Kapitel 11: Hitze ----------------- Leise knirscht der Schnee unter meinen Schuhen, während ich in der weißen Pracht Spuren hinterließ. Kurz lasse ich meinen Blick erneut schweifen, um etwaige Spuren oder gar Anhaltspunkte zu finden. Doch mittlerweile ist es so dunkel geworden, dass ich Probleme habe überhaupt den Weg zu finden, geschweige denn nicht in irgendjemanden reinzulaufen. Liam hält mich weiterhin an der Hand fest, doch der Drang mich einfach von ihm loszureißen herrscht immens in mir und lässt meine Nervosität weiterhin ansteigen. Vermutlich wirke ich jetzt schon wie ein verschrecktes Huhn. Die Gegend in der wir uns gerade aufhalten, steigert meinen Optimismus auch nicht wirklich. Ein komischer, fauliger Geruch liegt in der Luft, hinzu kommt das hier und dort Fensterscheiben und Türen eingeschlagen, beziehungsweise eingedroschen sind. Etwas an Straßenrand liegend, erweckt sogleich meine Aufmerksamkeit und ich blickte genauer hin. Eine Art übergroße Puppe scheint dort zu liegen, jedoch sind die Gliedmaßen in grotesker Form verdreht. Gerade als ich mir das ganze aus der Nähe betrachten wollte, zieht mich Liam jedoch zurück und blickt mich dabei kopfschüttelnd an. „Schau dir das lieber nicht an, das wird dir nur einen großen Schrecken einjagen“ Ehe ich etwas darauf erwidern konnte, zog er mich bereits davon und ich konnte lediglich einen kurzen Seitenblick nochmals darauf werfen. Mir ist durchaus bewusst, dass es sich hierbei um eine Leiche handeln muss. Auch wenn ich es nicht gerne zugebe, aber der letzte Monat hat mich so weitestgehend abgehärtet, dass mich ja nicht mal der Anblick einer Leiche verstört. Nun ja, das ist vermutlich auch übertrieben. Ich werde definitiv wieder davon träumen. Die nächsten paar Jahre und dann immer schweißgebadet aus meinen Träumen hochschrecken. Unsicher biss ich mir auf die Lippen, während ich wieder geradeaus blicke und diesen Anführer der Bande im Auge behielt. Don ist sein Name, wenn ich mich recht entsinne. Auf den ersten Blick, wirkt er wie ein mies gelaunter Mexikaner, von seiner ganzen Erscheinung her. Bei näherer Betrachtung, wirkt er einfach wie mies gelauntes Arschloch, das dich gleich umbringen wird, sobald du nur mal kurz mit der Wimper zuckst. Vermutlich nimmt dieser Kerl mir meine Geschichte auch nicht wirklich ab, da konnte ich froh sein, dass Liam gerade noch rechtzeitig dazu gestoßen war. Sonst wäre es vermutlich Aus mit mir gewesen. Der hätte mich einfach auf der Straße abgeknallt und keiner wäre mir zu Hilfe geeilt. Wäre ja eh zu spät gewesen. Also bin ich kurzum in einer mehr als verzwackten Situation. Unter diesen Umständen komme ich hier eh nicht mehr lebend raus. Erst als Liam leicht meine Hand drückt, erwache ich aus meinen trüben Gedanken und sehe ihn beinahe entgeistert an. Auf seinen Lippen bildet sich wieder dieses bekannte charmante grinsen, was mich vermutlich beruhigen soll, jedoch das blanke Gegenteil erzeugt. Unsicher lächelnd erwiderte ich sein grinsen, doch er beugt sich sogleich vor zu mir, um mir etwas ins Ohr zu flüstern. „Wir sind fast da. Halte dich am besten von Don fern, dann wird es dir bei uns richtig gut gehen. Ich werde auch auf dich aufpassen, dann hast du jetzt praktisch den Jackpot hier geknackt. Kannst du dir das vorstellen?“ Sachte schüttle ich den Kopf, ehe ich mich dann doch zu einer Antwort hinreißen lasse. „Momentan, kann ich mir gar nichts vorstellen. Sorry, aber ich mache mir wohl einfach zu viele Sorgen“ Liam nickt bedächtig, ehe sich sein Blick nun auch verfinstert und er sein Gesicht zudem wutentbrannt verzieht. „Diese beschissenen Androiden haben uns das alles eingebrockt. Erst diese hohe Arbeitslosenquote und dann diese Rebellion. Hunderte Menschen mussten wegen diesen Plastikarschlöchern sterben!“ Ohne dass ich es überhaupt mitbekommen habe, antwortete ich prompt und war selbst über meine Aussage entsetzt im Nachhinein. „Und wie viele Androiden sind von den Menschen zerstört worden? Tausende?“ Der entgeisterte Blick den mir Liam sogleich zuwarf, ließ mich selbst erschrocken dreinblicken. Habe ich gerade Partei für die Androiden ergriffen? Nein, ich habe mich nur falsch ausgedrückt, das ist alles! Schnell hebe ich abwehrend meine Hände und lächele nervös. „Also…es gab zumindest auf beiden Seiten Verluste, oder? Und die Androiden sind zum Glück weniger und haben auch mehr Verluste erlitten“ Dass schien Liam nicht wirklich zu beruhigen, ganz im Gegenteil. Denn sein Gesicht verzieht sich wieder zu dieser aufgebrachten Fratze, während er wohl eher unbeabsichtigt meine Hand etwas fester drückt, sodass es schmerzt. „Es ist mir scheißegal, wie viele von diesen Dingern drauf gegangen sind! Sie haben Menschen umgebracht, sehen sich aber selbst als ein Volk an! Ein Volk besteht aus Gesetzen, Ritualen und einer Gesellschaft! Das sind nichts weiter als Schaltkreise, die irgendeiner Programmierung in ihrem Gehirn, oder was die haben folgen!“ Etwas überrumpelt höre ich mir seinen Vortrag an, ehe er dann doch abrupt endet und mich aufgebracht ansieht. „Das sind Maschinen, die einfach nur Kaputt sind! Deswegen sind sie reif für die Müllpresse und dort werden wir sie auch hinschicken. Selbst wenn sie sich gerade in diesem verdammten CyberLife Tower wie die Ratten vermehren!“ Meine Augen weiten sich sogleich, während ich fassungslos zu Liam blicke der meinen Blick ungetrübt erwidert. In seinen Augen konnte ich sowas wie Schadenfreude aufblitzen sehen, als sich seine Lippen zu einem süffisanten Grinsen verzogen. „Sie glauben wohl, wir würden das nicht mitbekommen. Diese Idioten haben sich in ihrem Keller eingeschlossen und produzieren fleißig ein Androiden nach dem anderen. Aber bald wird ihnen ihr Rattenloch zum Verhängnis werden, keine Sorge“ Bevor mir mein Gesicht komplett entgleitet, nickte ich hastig und sah schließlich zu Boden. Jedoch nur, damit der schwarzhaarige nicht mein geschocktes Gesicht sehen konnte. Wenn sogar diese Drogendealer Bescheid wissen, dass im CyberLife Tower Androiden produziert werden, dann weiß es bestimmt auch die US-Regierung. Und die werden garantiert etwas dagegen unternehmen, die Frage ist bloß wann. Vor allem wissen diese Leute hier, das sich die Androiden in den unteren Etagen des CyberLifes Tower aufhalten…aber woher wissen die das nur? Ich bezweifle das die Androiden diese Information lauthals der freundlichen Nachbarschaft so einfach preisgegeben haben. Bedeutet das…sie haben in ihren eigenen Reihen einen Spion? Ehe ich mir weiter darum Gedanken machen konnte, blieben wir plötzlich stehen. Perplex sah ich mich um und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Wir standen vor einem alten, mit Plakaten verzierten und relativ kleinen, quadratischen Gebäude, in mitten einer heruntergekommen Ladenstraße. Auch hier waren die Fenster eingeschlagen und irgendwelche Parolen wurden an die Wände geschmiert Als ich mir das Gebäude genauer betrachtete, entdeckte ich eine Art Reklame vor dem Eingangs Bereich hängen. Mit großen Neonröhren steht dort das Wort Black Sun. Neben den Schriftzügen sah ich ein paar Fledermausartige Gebilde hängen. Okay, eindeutig ein Nachtclub. Vermutlich die Gothic-Szene…oder eben eher die Red Ice Szene. Ich kenne mich da nicht wirklich aus, da es mich nie wirklich in Discos, oder ähnliche Etablissements gezogen hatte. Don trat nun vor und schlug einmal gegen die Tür. Jedoch war es ein kräftiger und vor allem lauter Schlag. Ich befürchtete schon, die Türe würde unter dem Schlag auseinanderfallen, doch sie ist wohl robuster als sie aussieht. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und eine alte und ergraute Frau trat vor die Tür. Sie ließ abschätzig ihren Blick über ihre Halbmond Brille schweifen, ehe ihre eisblauen Augen bei mir hängen blieben. Mit schrecken fiel mir auf, dass ihre Augen blutunterlaufen sind. Dann verzog sie ihr Gesicht zu einem grotesken Lächeln, denn ein paar Zähne fehlten ihr bereits im Frontbereich. Doch das schien sie am wenigsten zu stören. „Herein mit euch!“, rief sie sogleich und trat zur Seite. Sofort setzten sich die umliegenden Menschen in Bewegung und gingen nacheinander in das Gebäude. Zwar sträubte ich mich innerlich, doch Liam zog sogleich wieder an meiner Hand und ging nun ebenfalls hinein. Kaum haben wir die Räumlichkeiten betreten, empfing mich ein süßlicher und doch herber Duft. Ich konnte den Duft nicht zuordnen, doch als die alte Frau von vorhin plötzlich vor mir steht, hatte ich auch keine Zeit um mir darüber Gedanken zu machen, denn sie sprach mich sogleich an. „Sieh an, sieh an. Wen hast du denn da mitgebracht, Liam? Ein weiteres verirrtes Lämmchen?“, sprach sie mit rauchiger Stimme, ehe der passende Husten dazu folgte. Liam antwortete prompt, jedoch sah er nicht sonderlich begeistert aus. Sofort schob er sich an der alten Frau vorbei, sah jedoch fast schon angeekelt aus weil er ihre zerlumpte Erscheinung dabei berühren musste. „Ja, sie muss sich ausruhen, das war etwas viel für sie. Bis später“ Ehe ich es mich versah, wurde ich mal wieder mitgeschleift, versuche aber dabei meine Umgebung genau in Augenschein zu nehmen. Allerhand Graffitis zieren die Wände, der Gang sieht ein wenig verfallen aus. Nur eine weitere, alte, zweiflügelige Tür trennt uns vom Inneren des Clubs. Als wir vor sie treten, schwingt sie Liam auf. Vor mir erheben sich mehrere große Holzsäulen, zwischen ihnen erkenne ich eine alte Pinball Maschine. An der alten Bar residiert Don, der sich sogleich einen Schnaps gönnt, während er mich abfällig mustert von oben bis unten. Hastig wende ich den Blick ab, doch Liam zieht mich sogleich weiter über die eigentliche Tanzfläche. Weiter hinten in dem Saal wurde wohl ein Art Lounge-Bereich installiert. Leute sitzen dort, roter Dampf steigt auf und lautes Gelächter dringt aus der Ecke. Meine Augen wurden leicht zu schlitzen, als mir bewusst wird, was diese Menschen dort konsumieren. Doch ehe ich mir das ganze Szenario weiter anschauen konnte, zog mich Liam in einen angrenzenden Raum und seufzte nur einmal frustriert auf. „Scheiße, ist das kalt draußen! Ich hasse diesen scheiß Winter!“ Ich konnte in diesem dunklen Raum nichts erkennen, doch Liam entzündete sogleich mehrere Kerzen, sodass es in dem Raum bald etwas heller und zudem auch wärmer wurde. Alles lag in diesem Dämmerlicht, doch es reicht aus, damit ich mich einmal umschauen kann. Der Raum hier ist recht klein, es passt nur eine löchrige Couch und ein kleiner, wackliger Tisch mit einem Stuhl hinein, doch Liam schien es zu gefallen, denn er grinste mich sogleich wieder an, als er sich nun eine Zigarette anzündete. „Willkommen in meinem Reich!“, verkündet er stolz, woraufhin ich tatsächlich schmunzeln muss. „Dein Einrichtungsstil ist definitiv minimalistisch, oder?“, lache ich beinahe, während ich mich aufmerksam umsehe. Ein Zeichenblock erweckt sogleich meine Aufmerksamkeit, welcher auf der Couchlehne liegt. Ich nehme ihn mir und blättere neugierig darin herum. Überrascht weiteten sich meine Augen, ehe ich zu Liam starre der jedoch nur belustigt drein sieht. „Die Zeichnungen gefallen dir?“ Schnell nicke ich, während ich mir die verschiedenen Gebäude ansehe, die er auf Papier gebracht hat. Unter anderem das Fisher Building, oder die Statue The Spirit of Detroit. Bei letzterem handelt es sich um einen im Schneidesitz sitzenden, jadegrünen Mann der lediglich eine Art Toga trägt. In seiner linken Hand hält er eine kleine goldene Figur, in der Rechten wohl die Sonne. Jedoch ist sein Gesicht der kleinen Figur zugewandt. Fasziniert streiche ich über die Zeichnung und betrachte aufmerksam jedes kleines Detail, welches Liam nicht übersehen hat und zu Papier gebracht hat. Er muss hunderte Fenster bei diesem mehrstöckigen Fisher Building gezeichnet haben! Zu seinen anderen Zeichnungen gehören auch alte Autos und Motorräder. Jedoch habe ich diese nie zuvor gesehen, weswegen ich sie eher mit Skepsis betrachte. „Aus welchem Jahr sind die denn?“, frage ich deswegen Liam, als dieser sich neben mich setzt und ebenfalls die Zeichnungen betrachtet. „Die meisten Autos sind aus den Jahren 2000 bis 2010. Ich liebe es einfach, wie die Technik sich langsam Stück für Stück des Autos bemächtigt. Hier schau!“ Angeregt zeigt er mir verschiedene Modelle. Bei einigen war nicht mal eine Einparkhilfe eingebaut, doch zehn Jahre später schien das Auto dem Fahrer immer mehr zu unterstützen. Zumindest erzählt das Liam aufgeregt, als er von Regensensoren, automatischen Auf- und Abblenden der Scheinwerfer und anderem Firlefanz berichtet. Dabei wird er regelrecht mitreißend und euphorisch, sodass ich lächeln muss. Dieses Thema scheint ihn wirklich schwer zu Begeistern. Als er mein Lächeln erblickt, verstummt er plötzlich und mustert mich kurz aufmerksam. „Nerve ich dich damit?“, fragt er offen, doch ich schüttle nur schmunzelnd meinen Kopf. „Oh, nein. Es ist nur eine Freude, dir bei deinen Erzählungen zuzuhören. Auch wenn ich wirklich überhaupt keine Ahnung von Technik hab“ Liam grinst nun wieder, ehe er sich gelassen zurück lehnt und an seiner Zigarette zieht. „Mein Vater hat eine Autowerkstatt gehabt, ich habe viel von ihm gelernt. Meine Mutter hat mir das Zeichnen näher gebracht…beides zusammen hat in mir den Wunsch geweckt, Automobilingenieur zu werden. Hab’s sogar ein paar Semester studiert“ Er nimmt erneut einen tiefen Zug von seiner Zigarette, ehe er den Qualm aus seiner Nase und Mund bläst. Netterweise nicht in meine Richtung. Der schwarzhaarige schien kurz mit seinen Gedanken woanders zu sein, denn sein Blick wirkt regelrecht trübe. Kann jedoch auch an den dichten Zigarettenqualm liegen, der sich nun um uns gelegt hat. „Warum hast du denn aufgehört zu studieren?“, frage ich unsicher nach, da er nicht weitererzählt. Nun sieht sein Gesichtsausruck wieder wütend aus und ich bereue es schon fast, nachgefragt zu haben. „Wegen dieser scheiß Rebellion! Alles ist in Detroit hier den Bach runtergegangen, seit diese Drecksteile existieren!“ Liam wird bei jedem Wort immer lauter und ich rutsche daraufhin unruhig auf der Couch hin und her, da ich seinen emotionalen Ausbruch nicht so richtig deuten kann. Es wirkt fast so, als wenn er gleich explodieren würde und wenn das passiert, möchte ich nicht daneben sitzen. „Wegen diesen Blechbüchsen ist die Werkstatt meines Vaters bankrottgegangen! Wozu auch zu einem überteuerten Automechaniker gehen, der zudem an Feiertagen und Wochenende geschlossen hat, wenn es doch die Androiden in dieser Billig-Werkstatt um jede Uhrzeit und Wochentag erledigen können! Und zudem um einiges günstiger!“ Er redet sich regelrecht in Rage, während er nun doch aufsprang und wild durch das kleine Zimmer ging und dabei aufgebracht gestikulierte. „Und mein Vater, dieser Idiot, verliert seine Werkstatt und einfach alles! Kann weder Hypotheken, noch mein Studium bezahlen. Schlau wie er ist, gibt er sich schließlich die Kugel!“ Erschrocken sehe ich ihn an, mit wachsender Sorge nehme ich seine zunehmender lautere Aussprache wahr. Langsam wird das ganze hier ziemlich heikel, spätestens dann, als Liam wutentbrannt seinen Zeichenblock nimmt und schreiend gegen die Häuserwand wirft. Sofort fliegen die zahllosen Blätter nun durch den Raum. Angespannt sehe ich ihn an, wage es kaum noch zu atmen, während Liam wohl zu hyperventilieren scheint und gar nicht genug Luft bekommen kann. Kurz sieht er zu mir, dann lächelt er beinahe süffisant. Die Angst in meinen Augen scheint er ziemlich lustig zu finden. „Sorry, ich bin ziemlich down. Das geht mir hier echt alles auf die Nerven“ Schließlich geht er wieder geradewegs auf mich zu, was mich dazu bringt von der Couch aufzuspringen und ihm augenblicklich aus dem Weg zu gehen. Mit wild klopfendem Herzen sehe ich ihn an, als er mich belustigt nochmals mustert, ehe er nach einem Karton auf dem Regal, oberhalb der Couch greift. „Was denn? Bist du auch so angespannt? Ich hab da was dagegen“ Als Liam den Karton öffnet, erblicke ich augenblicklich eine alte Pfeife und ein Päckchen roter, kleine Kristalle. Mein Herzschlag hat sich erneut deutlich erhöht, während ich mein Blut durch meine Adern rauschen höre. Zumindest kam es mir so vor, als ich wieder ein Stück zurück wich und mir erneut der Atem stockte. „Verdammt, Liam. Das ist nicht dein Ernst“, flüstere ich, während der Kerl vor mir sich tatsächlich dieses Dreckszeug Red Ice in die Pfeife stopft und schließlich anzündet. Seine brennende Zigarette ließ er einfach achtlos zu Boden fallen. Fassungslos sehe ich drein, als Liam einen tiefen Zug nimmt und roter Dampf um ihn herum aufsteigt aus der Pfeife. Ein süßer und zugleich herber Duft schlägt mir sogleich entgegen und lässt mich würgen. Ich schiele zur Tür und wog es kurzzeitig ab, auf diesen beschissenen Plan zu pfeifen und einfach abzuhauen. Besonders weit würde ich jedoch nicht kommen, vermutlich würde ich der nächsten Straßenkreuzung erschossen im Schnee liegen. Doch genau jetzt fiel mir wieder dieser berüchtigte Plan ein! Wenn mich nicht alles täuscht, hat Simon doch gesagt, sobald ich mich nicht mehr zehn Minuten von der Stelle bewegen würde, dann würden sie kommen und mich raus holen. Wenn sie es ernst gemeint haben… „Seit wann sind wir schon hier?“, frage ich überrascht, als Liam plötzlich vor mich steht und mich mustert. Dabei bläst er mir den dampf ins Gesicht. Ehe ich es mich versah, wird wir schummrig und ich taumle kurz. Hastig kralle ich mich an dem wackligen Tisch fest und sehe Liam verärgert an, während er nur loslachen muss. „Oh man, du verträgst ja gar nichts! Hast du es noch nie ausprobiert?“, lacht er lauthals los, ehe ich mich schrecken feststelle, wie gläsern seine Augen plötzlich wirken. Als ob er durch mich hindurch sehen würde. Diese verdammte Droge wirkt viel schneller, als ich gedacht hätte. Auch wenn ich bereits davon gehört hab, dass Red Ice extrem abhängig machen soll und zudem den Hormonhaushalt des Menschen stören soll. Was auch immer noch dabei herauskommt, ich will es nicht ausprobieren! „Ich hätte nicht gedacht, dass du dich einfach diesem Zeug hingibst“, fing ich an zu argumentieren, in der Hoffnung, noch irgendwie an seine Vernunft appellieren zu können. Im Moment ist Liam der einzige, der mich hier vielleicht doch noch rausschleusen könnte, falls die Androiden und Hank ihr Wort brechen sollten. Mittlerweile habe ich eh langsam das Gefühl, niemanden mehr trauen zu können. Und meine böse Vorahnung verhärtete sich, als Liam sich zu mir vorbeugte und nun noch wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt war. Angespannt sah ich ihn an, während mir sein Atem ins Gesicht schlug und mich erneut fast zum Taumeln brachte. Dieser widerwärtige Geruch betäubt mich ja beinahe schon! Wie kann Liam da nur noch aufrecht stehen?! „Verdammt, Liam. Du machst mir echt Angst“, flüsterte ich wahrheitsgemäß mit zittriger Stimme, doch er schmunzelte nur wieder, ehe er eine Haarsträhne von mir zwischen seine Finger nahm und eingehend betrachtete. „Und du faszinierst mich. Wie kann man nur so schamlos lügen, hm?“, säuselte er nah an meinen Ohr, während ich regelrecht erstarrte. Sein drei-Tage-Bart kratzt unwohl an meiner Wange, als Liam erneut in mein Ohr flüstert. „Hältst du mich für total bescheuert? Du bist nie und nimmer diesem Androiden entkommen, dafür bist du viel ungeschickt. Selbst ich konnte gerade noch so entkommen und das will was heißen. Also was ist passiert, hast du dich mit diesem Plastikmüll verbündet und verrätst jetzt dein eigenes Volk?“ Mir lief es eiskalt den Rücken runter, mein Herz schien mir regelrecht aus der Brust springen zu wollen. Verzweifelt versuchte ich von ihm wegzurutschen, doch er packte mich hart an meinen Schultern und drückte mich brachial gegen die Wand zurück. Ein kleiner Schmerzenslaut entwich mir, doch da hörte ich ihn erneut dunkel auflachen. Mittlerweile verspüre ich Todesangst und wage es gar nicht mehr Liam in die Augen zu blicken. Sein warmer Atem streicht mir über die Wange, ehe er mich nun jedoch anschaut und mein Kinn anhebt damit ich ihn ebenfalls mit ängstlichen Augen anblicken kann. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich wollte wegrennen, wollte um Hilfe rufen, wollte einfach losheulen…oder einfach schnell von hier verschwinden! Am liebsten alles gleichzeitig, doch mein Körper schien mir nicht mehr gehorchen zu wollen, er ist wie festgefroren. Er lächelt wieder süffisant, beinahe hämisch, ehe er meine Jacke einfach öffnet. Meine Augen weiten sich erschrocken, als er mir einfach die Jacke von den Schultern streift und mich erneut mustert. Diesmal lacht er sogar auf. „Schau dich doch an! Trägst einen teuren Damenblazer von CyberLife, aber trägst immer noch die billige Jacke, die du damals schon in der Mall anhattest. Wer soll dir diese dilettantische Komödie deines Stückes noch weiter glauben? Don ist vielleicht so ein kleiner Hinterwäldler, der dir deine stümperhafte Schmieren Komödie abnimmt, aber ich nicht“ Fassungslos blicke ich in seine Augen, die mittlerweile Blutunterlaufen waren. Seine Lippen verzogen sich wieder zu diesem boshaften Lächeln und zum ersten Mal bin ich mir ziemlich sicher, dass ich hier nicht mehr lebend rauskommen werde. Tränen sammelten sich bereits in meinen Augen, doch Liam seufzte nur gespielt frustriert auf, ehe er seine Stirn gegen meine lehnte und mich so zusammenzucken ließ. Hastig kniff ich meine Augen zusammen, woraufhin sich die ersten Tränen einen weg über Wangen bahnten. „Wenn du mir alles sagst, was du weißt, dann werde ich dich nicht töten. Ist das nicht ein fairer Deal von mir?“ Seine dunkle Stimme vibriert unwohl in meinen Ohren und mir entweicht daraufhin ein leises schluchzen. Ich fühle mich wie ein hilfloses Kind, das am liebsten zu seinen Eltern zurück will. Tatsächlich wünsche ich mir gerade nichts sehnlicheres, als in den Armen meiner Eltern zu liegen, die ich seit einem Jahr nicht mehr gesehen habe. Damals als vor einem Jahr nach Amerika geflogen bin, um eine Stelle als Au-Pair in Detroit anzutreten, habe ich sie zuletzt gesehen. Sie waren so stolz auf mich, ebenso meine Geschwister. Aber nun sind sie nicht hier, um mir zu helfen. Sie sind tausende von Meilen entfernt von mir. Wäre ich nur nie aufgebrochen. Ich erwachte je aus meinem Tagtraum, als ich eine heftige Ohrfeige bekam und mein Kopf dabei zur Seite gerissen wurde. Sofort breitete sich explosionsartig ein pochender Schmerz über meine Wange aus und ich schmeckte diesen metallischen Geschmack in meinem Mund. Als ich vorsichtig mit meiner Zunge über meine Lippen leckte, bemerkte ich sogleich, dass sie aufgeplatzt war. „Spar dir dein Geheule für jemand anderes. Sage mir jetzt sofort was du weißt, oder ich knalle dich ab“, sprach Liam leise zischend in mein Ohr, sodass ich ihn doch wieder verschreckt ansah. Er wirkt nun regelrecht ungeduldig und aufgebracht, von seiner anfänglichen Gelassenheit ist nicht mehr viel übrig. Meine Beine zitterten mittlerweile und ich war mir sicher, gleich einfach zu Boden zu fallen. Doch Liam packte mich nun an meinen Kragen und donnerte meinen Kopf dabei heftig mehrmals dumpf an die Wand. Kleine Sterne tanzten vor meinen Augen, als der Schmerz an meinen Hinterkopf schwer an meinem Bewusstsein zerrte. Liam sprach wieder drohend auf mich ein, doch ich verstand ihn kaum noch. Mein Blick richtete sich zu Boden, als ich bemerkte dass etwas nicht stimmte. Als Liam seine Zigarette so achtlos fallen gelassen hatte, glühte diese immer noch leicht. So konnte die Zigarette die vielen Skizzen auf den Boden entzünden, die zuvor aus seinem Zeichenblock geflogen waren, als er so herumgetobt hatte. Das Feuer hatte sich einen Teppich gleich, langsam und leise, über den Boden ausgebreitet und verschlang nun ebenfalls auch langsam die Couch. Es würde nicht mehr lange dauern und das ganze Zimmer würde in Flammen aufgehen. Davon bekam er jedoch nicht viel mit, da er dem Szenario ja den Rücken zugewandt hatte. Plötzlich wurde ich an meinen Haaren gepackt und mein Kopf so grob nach hinten gerissen. Gepeinigt schrie ich auf vor Schmerz, als mein Kopf erneut gegen die Wand gedonnert wurde. Mittlerweile drehte sich alles in meinem Sichtfeld und wenn dieser Mistkerl mich nicht festhalten würde, dann wäre ich vermutlich schon längst zu Boden gefallen. „Du willst mir also nichts sagen, hm? Wenn du nicht mit mir reden willst, dann vielleicht mit den anderen Männern hier? Die sind bestimmt begierig darauf, dass du zu ihnen gehst…und sie unterhältst“ Das letzte Wort sprach er so frivol aus, das ich mir bildlich vorstellen konnte, was passieren wird wenn die anderen Männer mich zu packen kriegen. Sofort versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien, doch er packte mich so grob an meinem Kinn das es bereits schmerzte, egal wie sehr ich mich zu wehren versuchte. „Das wäre doch wirklich schade, oder? Immerhin wollte ich dich vorher gern noch etwas näher kennenlernen, bevor ich dich fi-„ Doch er hielt abrupt inne, als von draußen plötzlich Schüsse zu hören waren. Wütende Schreie folgten sogleich, ehe ich dann auch langsam verstand was dies zu bedeuten hatte. Erneut liefen mir Tränen über meine Wange, doch diesmal war es aus Erleichterung. Liam blickte nun auch hinter sich und zischte fluchend, als er das Feuer nun endlich bemerkt hatte. In diesem kurzen Moment seiner Unachtsamkeit mir gegenüber, nutzte ich meine verbliebenden Kräfte und rammte mein Knie so kraftvoll wie ich nur konnte, zwischen seine Beine. Jämmerlich schrie er auf und ging sogleich windend zu Boden. Ich starrte ihn an, während mein Atem stoßweise über meine Lippen kam. Hastig sah ich mich um, ehe ich mich entschloss einfach nach draußen zu rennen. Kaum hatte ich den Tür Knauf gedreht um die Tür zu öffnen, ertönten weitere Schüsse ganz in meiner Nähe. Liams wütender Schrei übertönte sie jedoch bei weiten, als er wohl selbst seine Pistole gezogen hatte und tatsächlich nach mir geschossen hat. Ein brennender Schmerz bereitete sich sogleich auf meinen Arm aus. Ich fiel praktisch zu Boden, ehe ich mich im letzten Moment abfangen konnte und nun geradewegs über den Boden krieche, während über mir die Kugeln hinwegfliegen. Ich wage es gar nicht, mich weiter um zu blicken. Ich muss sofort hier weg! Angespannt krieche ich weiter, Richtung Bar. Hauptsache erstmal aus dem Kugelhagel raus und mich verstecken. Tatsächlich hatte ich bis hinter den Tresen geschafft. Hektisch atmend drückte ich mich gegen die Bar, während die Schreie immer lauter wurden. Mittlerweile rann mir der Schweiß in Stoßbächen über meinen Körper hinab. Über mir zersprang eine Flasche und die Scherben, samt spirituosen Inhalt, fällt auf mich nieder. Jedoch nahm ich das kaum wahr, da meine Angst mich mittlerweile an den Rand eines Nervenzusammenbruchs führt. Ich ließ meinen Blick fahrig schweifen und bemerkte, dass sich in Liams Zimmer das Feuer bereits großflächig verteilt hat. Zudem kam dicker Ruß heraus, der die Sicht erheblich behinderte. Von den aufkommenden Atemproblemen meinerseits, will ich erst gar nicht nachdenken. Augenblicklich musste ich husten und kauerte mich in eine Ecke zusammen in der Hoffnung, die ganze Geschichte hier unbeschadet zu überstehen. Obwohl…unbeschadet komme ich hier nicht mehr raus. Mit Schrecken sehe ich auf meine Hände und Knie. Als ich durch die Bar gekrochen war, bin ich vermutlich auch mitten durch die Scherben gekrochen. Nun habe ich mir die Haut auf meinen Händen und Knie aufgeschnitten. Fluchend sehe ich zu meinem Blut, als ich zu den Scherben auf den Boden blicke. Dann fiel mir auf, wie viele Flaschen mittlerweile zersprungen auf den Boden lagen. Der Alkohol hat sich großzügig in den Raum bereits verteilt und fließt nun langsam, aber stetig zu den Flammen, die sich aus Liams Zimmer winden. Sofort wird mir eiskalt und mein Herz macht einen kurzen Aussetzer. Chemie war nie wirklich mein Lieblingsfach gewesen, doch mir ist sehr wohl bewusst, das Feuer und Alkohol keine besonders gute Kombination ist. Ehe ich mir irgendwas überlegen konnte, wurde ich plötzlich zu Boden gerissen. Sämtliche Luft entwich mir daraufhin aus meinen Lungen und ließ mich verzweifelt nach Luft japsen. Kurz darauf erschien Liams wutverzerrtes Gesicht in meinem Blickfeld und ließ mich vor Schreck meinen Sauerstoffmangel vergessen, da sich nun Entsetzen in mir breit machte. „Du verdammtes Miststück! Ich werde dich mit meinen eigenen Händen umbringen!“, zischt er aufgebracht, als sich seine Hände um meinen Hals legt und er gnadenlos zudrückt. Verzweifelt trat ich um mich, versuche den Kerl von mir runterstoßen, der sich mittlerweile mit seinen gesamten Körpergewicht auf mich gelegt hat und mir nun zusätzlich die Luftzuvor abschnürt. Aber es ist zwecklos, er ist einfach viel zu schwer für mich und genügend Kraft hab ich dafür auch nicht um ihn von mir zu stoßen. Röchelnd zog ich an seiner Kleidung, versuchte alles Mögliche ihn von mir runterzubekommen, doch es ist erfolglos. Mittlerweile gingen meine Hände kraftlos zu Boden und die Welt um mich herum wurde langsam schwarz und taub. Langsam tastete ich mit meinen Händen auf den Boden herum, suchte nach irgendwas mit dem ich mich wehren könne. Auch wenn ich mir nicht sicher war, wie ich dem ganzen noch entkommen könnte. Etwas Scharfkantiges schnitt mir plötzlich in meine rechte Hand. Ein zischen entwich mir als mich der Schmerz kurz wieder wachrüttelte, dann umklammere ich es sogleich und ramme es an Liams Kopf. Genau in dem Moment ist mir sämtliche Kraft aus den Gliedern gewichen. Doch ehe ich in der Gänze der Dunkelheit entschwinden konnte, verschwand der Druck um meinen Hals. Auch das Gewicht von Liams Körper verschwand sogleich und ließ mich endlich wieder tief einatmen. Nach Luft ringend drehte ich mich zur Seite, atmete hektisch und hustete wieder schwer, ehe ich mich dazu zwang, endlich die Augen zu öffnen. Ich blicke in tiefschwarze, blutunterlaufene leere Augen die mich anstarren. Schwerfällig rang ich um Luft, während Hustenanfälle meinen Körper zum Erzittern brachten. Liams Kopf ist blutüberströmt und als ich genauer hinschaue, erkenne ich auch warum. Eine große Scherbe eines abgebrochenen Flaschenhalses steckt in seinem Schädel. Kurz starre ich ihn weiterhin an, während um mich herum weiterhin geschossen wird. Dann langsam fange ich an es zu begreifen. Er ist Tod und ich habe ihn umgebracht. Ich alleine…habe einen Menschen umgebracht. Ich bin eine Mörderin. Zerstreut blicke ich auf meine blutigen Hände, die nun anfangen zu zittern. Blankes Entsetzen ergreift mich und lähmt mich nun vollkommen, doch ich kann den Blick einfach nicht von Liams Leichnam abwenden. Mir wird so unendlich kalt, sodass ich hastig meine Arme um meinen Körper schlinge, um mir so verzweifelt Wärme zu spenden. Tränen laufen über meine Wange, während mir nun ein lautes schluchzen meiner trockenen Kehle entweicht und ich erneut von einem weiteren Hustenanfall gepeinigt werde. Ich will hier weg…einfach nur weg! Plötzlich zerreißt ein Schrei die Luft und ich schrecke ängstlich hoch. Ungelenk und wacklig krieche ich zurück zu der Bar und sehe nun vorsichtig über den Tresen hinweg. Der große Raum vor mir, hat sich nun in zwei Lager geteilt. Auf der einen linken Seite haben diese Menschen eine provisorische Barrikade aus einem umgefallenen Getränkeautomaten und Tischen gebaut. Insgesamt konnte ich zehn Männer zählen, doch es lagen schon etliche Leichen auf den Boden um sie herum. Auf der anderen Seite konnte ich Hank und die Androiden erkennen, die sich ebenfalls eine Barrikade aus umgefallenen Tischen und dieser Pinball Maschine errichtet haben. Doch ich erkannte gleich, das Josh wohl getroffen wurde, denn sein Hemd ist blutgetränkt in der blauen Farbe seines Blutes. Auch Hank sieht irgendwie angeschlagen aus, hält sich aber wacker als er kurz nach oben blickt und einem der feindseligen Männer prompt eine Kugel in den Schädel schießt. Sie halten sich tapfer, sind aber deutlich in der Unterzahl. Wenn Josh jetzt auch noch verletzt ist, wird das eng werden. Mein Augenmerk richtet sich wieder zu den Menschen, die weiterhin mit Pistolen auf die anderen schießen. Dann fällt mein Blick wieder zu Liams Zimmer, aus dem nun Flammen meterweit schlängeln. Auf dem Boden sehe ich eindeutig die Alkoholspur, die sich weiterhin über den Boden ausbreitet, weiter zu dem Feuer hin. Und keiner scheint es zu bemerken…mich bemerkt wahrscheinlich auch keiner, denn die verfeindeten Parteien beschießen sich weiterhin, während ich nun stehe und mir das ganze Szenario mit Fassungslosigkeit ansehe. Die lauten Schüsse die wiederhallen, habe ich diesmal weitestgehend ausgeblendet, dennoch gehen sie mir durch Mark und Bein und lassen mich wieder erzittern. Mit Schrecken bemerke ich, wie die alte Frau von vorhin, nun zwischen den Schwenktüren gerannt kommt und dabei ein Maschinengewehr in der Hand hält. Ihr Lächeln wirkt dabei dämonisch, ehe sie sich hinter der Barrikade der Menschen versteckt. Wenn sie diese Waffe abfeuert, dann haben die anderen gar keine Chance! Die Alte wird alles niedermähen, was ihr vor die Nase kommt! Ich muss irgendwas unternehmen, bevor es zu spät ist! Schnell gehe ich wieder zu Boden und suche verzweifelt die Umgebung nach etwas brauchbarem ab, doch bis auf ein paar zerbrochene Flaschen finde ich leider nichts. Unsicher sehe ich nun zu Liam, der mich weiterhin beinahe anklagend ansieht aus seinen toten Augen. Ich biss mir auf die Lippen, dann kroch ich schnell zu ihm und erschaudere. Plötzlich ertönt eine schnelle und laute Schussfolge, wie es nur ein Maschinengewehr kann und das splittern von Holz ist zu hören. Der ganze Raum ist für kurze Zeit in flackerndes Licht getaucht. Angespannt sehe ich auf, als ich Hank schreien höre. Scheiße! Mit zitternden Händen zerre ich das Hemd von Liam hoch und entdecke tatsächlich die Pistole in dem Halfter, welches er an seinem Gürtel trägt. Mein Herzschlag hat ich wieder erhöht, während mir der Schweiß nun in Sturzbächen über den gesamten Körper fließt. Wie hypnotisiert starre ich auf die Pistole. Hanks wütender Schrei lässt mich wieder zusammenzucken, was mich jedoch wachrüttelte und mich endlich nach dieser verdammten Pistole greifen lässt. Ich ziehe sie heraus und erschaudere erneut über Kälte, die augenblicklich meine Hände ergreift und vermutlich auch mein innerstes. Dann drehe ich mich um, gehe zu dem Tresen und schaue vorsichtig hinüber. Hank wurde anscheinend im Bein getroffen, er liegt am Boden und flucht laut, während Simon einen provisorischen Verband um das Bein bindet. Josh sieht auch nicht besser aus, trotzdem erwidert er ebenfalls das Feuer. Als ich zu Connor blicke, erstarre ich für einen Moment entsetzt. Er sieht mir direkt in die Augen, beinahe so, als ob er bis zu dem Grund meiner Seele schauen würde. Erst bin ich wie versteinert, dann zeige ich zögerlich auf das Feuer aus Liams Zimmer und den Alkohol auf den Boden. Doch weiter konnte ich mich nicht mit ihm verständigen, denn der nächste Kugelhagel brach über sie ein. Der Tisch, hinter dem sich Josh versteckt hat, ging augenblicklich zu Bruch und durchlöcherte den Androiden. Eigentlich wollte ich entsetzt aufschreien, doch mein Husten meldete sich prompt zu Wort und ließ mich erzittern. Ich sehe entsetzt zu den dicken, schwarzen Rußwolken die aus dem brennenden Zimmer kommen und langsam aber sicher, den ganzen Saal verdunkeln. Atmen wird immer schwerer, was immerhin einen kleinen Vorteil gegenüber den Menschen mit sich bringt. Auch sie müssen immer öfter ihren Pistolen sinken lassen und nach Luft japsen, während die Sicht auch immer miserabler wird. Die Chancen stehen gut, vielleicht schafft Connor es ja…eine andere Möglichkeit haben wir nicht! Sogleich lege ich meine ausgesteckten Arme auf die Theke und ziele mit der Pistole auf die alte Frau, die gerade schwer hustend die Munition nachlädt für das Maschinengewehr. Meine Hände zittern jedoch so sehr, dass ich mir sicher bin daneben zu schießen. Was mir ja eigentlich auch recht ist, immerhin will ich keinen weiteren Menschen umbringen. Sondern lediglich für Ablenkung sorgen. Ich hasse Schusswaffen. Aber es geht nicht anders, sonst werden wir hier alle in dieser Hölle draufgehen! Tief atme ich ein, dann drücke ich einfach ab. Ein lauter Schuss zerreißt die kurze Stille und trifft direkt ins Ziel. Die alte Frau schreit gepeinigt auf, ehe sie zu Boden geht. Sofort sehen alle Menschen zu mir, ich erkenne sogar Don, der mich wutentbrannt anschaut und sofort das Feuer auf mich eröffnet. „An der Bar ist noch einer! Abknallen!“, schreit er aufgebracht. Sofort werfe ich mich zu Boden und halte schützend meine Arme über meinen Kopf, ehe sich ein wahrer Scherbenregen über mich ergießt. Sämtliche Flaschen in der Bar gehen zu Bruch infolge des Kugelhagels. Doch der Schusswechsel wurde jäh unterbrochen und durch entsetztes Keuchen abgelöst. Dann folgen wieder Schüsse und ich luge zitternd hinter der Bar hervor. Connor war bei den verbliebenden vier Menschen angekommen und einfach über deren Barrikade gesprungen. Simon gab ihm Rückendeckung, erschoss einen Menschen der gerade auf Connor zielt. Dann geht alles so schnell, das ich ihm kaum mit meinen Augen folgen konnte. Seine Bewegungen sind so fließend und koordiniert, dass jeder Handgriff von ihm tödlich ist. Meist benötigt er nur einen Schuss, der dann zielgenau mitten ins Herz trifft. Ein andermal rammt er sein Ellenbogen in einer solch schnellen Bewegung in den Kehlkopf eines Menschen, das ich erst nicht verstand, warum dieser japsend zu Boden ging, ehe er von Connor erschossen wurde. Selbst seine Tritte waren ausbalanciert und zielsicher, trafen mitten in den Brustkorb, wodurch ein anderer Mensch ebenfalls zu Boden ging, ehe er von Connor niedergeschossen wurde. Es ging alles so schnell, das die Menschen kaum Zeit zum Schießen und Nachladen hatten. Je länger ich mir das Schauspiel ansah, desto unwohler wurde mir. Mein Herz pulsiert regelrecht, während ich dem RK800 bei seiner effizienten Arbeit zuschaue. Connor scheint genaue Kenntnisse darüber zu haben, wo und wie man effizient einen Menschen töten kann. Dabei wirkt er manchmal so unscheinbar, fast wie ein Schuljunge. Doch hier ist nichts mehr von dem naiven Androiden Connor zu sehen, sondern nur noch eine reine Tötungsmaschine… Der letzte Schuss ertönt und es herrscht schließlich Stille. Kein einziger Mensch war mehr zu sehen, sie lagen alle hingerichtet auf dem Boden. Lediglich das Feuer knackte bedrohlich und ließ mich so wieder daran erinnern, in welch großer Gefahr wir uns immer noch befinden. Schwerfällig erhob ich mich nun und stütze mich erschöpft an der Theke ab. Mit großen Augen besehe ich mir das Blutbad. Auch wenn ich erst wegschauen wollte, so kann ich es einfach nicht. Überall ist Blut. An den Wänden, auf dem Boden und an mir… Connor kommt plötzlich auf mich zugeeilt, sodass ich ihn verschreckt anschaue. Der Drang vor ihm wegzulaufen ist immens, da mich plötzlich eine Angst ihm gegenüber ergreift. Doch als ich die Sorge in seinem Gesicht sehe und in seiner Stimme höre, ist diese Angst ihm gegenüber wohl unbegründet. „Du bist blutest! Wir müssen sofort von hier verschwinden, kannst du laufen?“ Unsicher sehe ich ihn an, dann sehe ich an mir herunter. Ich bin blutbesudelt von oben bis unten, dabei war ich mir nicht ganz sicher, ob das ganze Blut wirklich nur von mir kommt. „Ich…habe einen Menschen umgebracht“, antworte ich stattdessen mit zittriger und monotoner Stimme, ehe ich langsam wieder meinen Blick hebe und direkt in Connors tiefbraune Augen blicke. Es scheint sich tatsächlich sowas wie Unsicherheit in seinen Augen widerzuspiegeln, ehe er sich nochmals kurz umsieht und mich dann einfach an der Hand ergreift und mitzieht. Wie eine Puppe lasse ich es geschehen und starre auf seinen Rücken. Simon eilt nun ebenfalls auf uns zu, während er mich kurz besorgt mustert, dann aber wieder alarmiert zu Connor blickt. „Wir müssen sofort von hier verschwinden, hier wird gleich alles in die Luft fliegen!“ Hank kommt nun ebenfalls an gehumpelt und schnauft angestrengt durch die Nase. „Verdammte Scheiße! Der Plan ging deutlich nach hinten los, aber das habe ich ja gleich gesagt gehabt!“, faucht er Connor aufgebracht an, doch dieser reagiert nicht auf die Vorwürfe. „Wo ist Josh?“, fragt er stattdessen und Simon sieht besorgter denn je drein. „Sein Vitalsystem ist schwer beschädigt, er kann sich kaum noch bewegen“ Ich blicke zu Josh, der weiter hinten auf dem Boden liegt und sich an der Holzsäule festhält, um nicht umzufallen. Aus seiner Nase und seinem Mund läuft blaues Blut, doch er sieht nicht wirklich so aus, als ob er Schmerzen hätte. Er wirkt lediglich…körperlich eingeschränkt. Bemerkenswert. Ich merke bereits jetzt, dass ich vermutlich die nächsten Tage Schmerzen haben werde von diesem kleinen Abenteuer. Mein Kopf brummt so fürchterlich. „Simon, du hilfst Josh!“, wies Connor sogleich diesen an, ehe er zu Hank blickt. Doch der winkt nur wütend ab. „Ich schaffe das schon! Los, alle raus hier!“ Ein letztes Mal sehe ich mich um, dann werde ich erneut mitgezogen. Meine Beine tun ihren Dienst, doch meine Gedanken sind mir längst entglitten. Draußen angekommen empfängt mich der kalte Winter, mittlerweile hat es zum Glück aufgehört zu schneien. Doch dafür ist es inzwischen stockdunkel geworden, lediglich der weiße Schnee erhellt etwas die Umgebung. Simon kommt neben mir zum Stehen, während Josh sich an ihm abstützt und entsetzt zu der ehemaligen Diskothek blickt, die nun vollends in Flammen aufgeht. Hank knurrt beinahe. „Wir sollten schnellstmöglich von hier verschwinden. So ein Feuer lockt immer die Flaschen Personen an“ Auch ich werfe nochmals einen Blick zu der Diskothek, besehe mir die zahllosen Plakate die an der Häuserwand nun in Flammen aufgehen. Dann sehe ich wieder zu den anderen und mir regelrecht schwer ums Herz. „Es…tut mir Leid, es ist meine Schuld“, sprach ich mit zittriger Stimme und lasse nun alle überrascht zu mir blicken. Hank meldet sich als erstes verärgert zu Wort, als er sich wieder gefangen hat. „Hör ja auf so einen Mist zu reden!“ Dann sieht er verärgert zu Connor, der auch nicht wirklich beruhigt aussieht. Die beiden haben sich in den lautstark in den Haaren, doch ich sehe nun zu Connors Hand die meine weiterhin umschlossen hält. Seltsamerweise fühlt es sich um weiten besser an, als bei Liam als dieser meine Hand festgehalten hatte. Erschöpft lehne ich mich einfach gegen Connors Arm und schließe die Augen, ehe mir bewusst wird, wie fertig ich eigentlich bin. Mit allem. Plötzlich lässt Connor meine Hand wieder los und ich öffne überrascht meine Augen. Beinahe unsicher sehe ich zu ihm, da ich mir sicher bin, wieder irgendwas falsch gemacht zu haben. Ehe ich es mich jedoch versah, zog er sich einfach sein Jackett aus und legt es mir um. Die Kälte auf meinen Armen verschwand sogleich. Mit großen Augen sehe ich zu ihm auf, doch sein Gesichtsausdruck ist weiterhin besorgt und aufgewühlt. Von der starren Miene die meist auf seinem Gesicht liegt, ist nichts mehr erkennbar. „Der Stoff dieses Jacketts ist dazu designt, den meisten Umwelteinflüssen und nassen Flüssigkeiten zu widerstehen. Zudem ist er extrem reißfest und trocknet innerhalb kürzester Zeit“, versichert er mir, ehe er doch wieder meine Hand ergreift. Überrascht sehe ich wieder zu seiner Hand, doch sagen kann ich in dem Moment einfach nichts. Würde wahrscheinlich auch nichts Gescheites bei rauskommen. Hank sieht sich das ganze eher mit Skepsis an, ehe dann doch wieder loshumpelt. „Los, ich hab das Auto dort hinten geparkt! Wir müssen uns beeilen“ Sogleich eilten wir alle los, während ich nochmals kurz zu dem Nachtclub blicke, der nun regelrecht in Flammen steht und die gesamte Umgebung erleuchtet. Die dicken Rauchschwaben steigen in den Himmel und verdunkeln so den Schein der Sterne. Ehe ich darüber nachdenken konnte, drücke ich einfach sachte die Hand von Connor und rücke etwas näher an ihn heran. Momentan ist er gerade der einzige, der dafür sorgt, dass ich nicht komplett durchdrehe. Kaum waren wir bei Hanks Auto angekommen, welches er geschickt in einer kleinen Seitengasse versteckt hatte unter ziemlich viel Zeitungsmüll, stiegen wir sogleich alle ein. Diesmal saß Josh vorn, er wirkt zusehends steifer und sieht etwas benebelt drein. „Soll ich fahren, Hank?“, fragt Connor sogleich, als ich mich neben ihn gesetzt habe. Er sitzt wieder in der Mitte auf der Rückbank. Doch der grauhaarige schüttelte energisch den Kopf, ehe er den Motor anlässt und auf das Gaspedal drückt. „Träum weiter!“, ruft er grimmig, ehe durch die Straßen von Detroit fährt. Langsam lehne ich mich zurück, blicke aus dem Fenster und besehe mir Detroit. Oder eher das, was davon übrig geblieben ist. Mittlerweile bin ich sicher, dass es besser wäre wenn die Stadt einfach von der Landkarte verschwinden würde. Mitsamt ihren missratenen Bewohnern. Zögerlich sehe ich auf die Innenfläche meiner Hände, die tiefe Schnittwunden aufwiesen. Jedoch sind meine Hände so Blutgetränkt, das ich nicht genau lokalisieren konnte, wie tief die jeweiligen Schnitte waren. Plötzlich ergriff Connor meine linke Hand und betrachtet sie eingehend, in der sie dreht und hebt und senkt. Dann sieht er mich wieder an, blickt in mein Gesicht, an meinen Hals und weiter tiefer zu meinen ebenfalls aufgeschnittenen Beinen. Erst wollte ich ihm meine Hand entziehen, doch ich ließ es schließlich bleiben. Hätte ja eh keinen Zweck gehabt. „Du musst dingend Medizinisch versorgt werden“, fing er an, doch ich blicke nur stoisch auf meine Hand, die er weiterhin festhält „Das…müssen wir doch alle“, fing ich leise an und deutete nebenbei auf Hank und Josh. Denen geht’s auch nicht besser, als mir. Doch seine Stimme klingt nun nachdrücklicher. „Du weißt eine Anisokorie auf, was auf ein Schädel-Hirn-Trauma hindeuten kann“ Langsam kamen seine Worte bei mir an, doch so richtig verstehen konnte ich sie nicht. „Eine was?“, wiederhole ich deswegen perplex. Zu meiner Überraschung meldet sich nun Josh zu Wort, als er sich leicht zu mir umdreht und mich schwerfällig mustert. „Eine Pupillendifferenz, also unterschiedlich große Pupillen. Ursache für eine Seitendifferenz in der Pupillenweite können sowohl einseitige zentrale Lähmungen, Hirndruck oder auch extrakranielle Muskel- oder Regulationsfehler sein. Neben einem Schädel-Hirn-Trauma mit homolateraler Subduralblutung, können auch Schlaganfälle, Tumoren oder das Horner-Syndrom Ursache dieses Effektes sein“ Es herrscht Stille im Wagen, während Hank durch die Straßen brettert. Jedoch wirkt auch er angespannt, sagt diesmal jedoch kein Wort. Nachdenklich sehe ich Josh, der mich kurz mustert, ehe ich den Blick abwende und aus dem Fenster sehe. „Sagt doch gleich, dass ich eine Gehirnerschütterung hab. Das geht schon wieder vorbei, ich muss nur etwas schlafen“ Was ich mir auch sogleich gönnte, als ich müde die Augen schloss und in einen tiefen, traumlosen Schlaf entglitt. Jedoch lehnte ich mich dabei an Connor, ehe ich meine Hand mit seiner verhakte. Hoffentlich nimmt er mir es nicht krumm, dass ich ihn so mit Blut besudle. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)