Fate/Defragment von Erenya ================================================================================ Kapitel 27: Psychometrie ------------------------ Ich starrte auf die goldenen Armreifen, die von Hatschepsut waren. Ich fragte mich, was für Erinnerungen wohl in Ihnen verborgen lagen. Was für eine Geschichte sie erzählen würden. Ich seufzte leise und wandte mich wieder dem Buch zu, welches ich mir aus der Hausbibliothek geliehen hatte. Wobei es eher dutzende Bücher waren. Allesamt beschäftigten sich mit Magie, die Erinnerungen anzapfen konnten, oder sich mit dem Sehen von Dingen beschäftigten. „Ich dachte immer Psychometrie wäre einfach. Man berührt etwas und sieht es dann.“ Ich murrte leicht und seufzte, denn mir schwirrte bereits der Kopf von all den Zeilen die ich gelesen und verinnerlicht hatte. Ich hatte wohl seit meiner Ankunft in dieser Welt noch nie so viel gelesen. Die Frage war nur, ob ich mir das merken konnte. „Das ist es auch. Menschen die die Gabe des Sehens haben, sind gut in der Psychometrie. Skamandrios Familie ist für ihre Sehergabe bekannt. Es würde mich nicht wundern, wenn wir hier also irgendwo ein Ritual finden, dass die Erinnerungen aus einem Gegenstand für alle sichtbar macht.“ Ich verstand nun was Cassy wollte. Sie wollte nicht nur die einzige sein die etwas sah, oder die Bilder mir alleine zugänglich machen. Ich blätterte weiter durch das Buch, welches vor mir lag. Cassy hatte Recht. Dieses Buch beschäftigte sich damit wie man durch Jahrelanges Training ein Feingefühl für das Sehen entwickelte. Meditation war ein Zauberwort oder Beobachtung. Dabei standen Dinge, die alles andere als magisch waren. Ich war wirklich verwirrt und Cassandra schien es zu merken, denn sie kicherte leise. „Was verwirrt dich so, Master?“ „Ich dachte immer alles wird mit Magie gemacht. Aber hier steht ganz viel, was auch in meiner Welt getan wird. Ist Sehen wirklich Magie?“ „Nun... teils teils. Magie beruht in vielen Punkten auf ganz alltägliche Dinge. Das Atmen, das Wissen, die Konzentration. Ein Zauber kann keine Wirkung erzielen, wenn der Geist unruhig ist, oder die Formel falsch gesprochen wird. So ist das mit dem Sehen. Menschen und Magier können Visionen empfangen, wobei auch hier deutlich zwischen Vorahnung und Vision unterschieden werden muss. Visionen kommen meist aus göttlicher Natur heraus. Apollo, der Gott der Künste und Weissagung hat mir die Gabe in Form dieser Halskette verliehen. Andere Menschen sind vom göttlichen Geist berührt und können daher Visionen empfangen. Für die anderen Menschen zählt nur eines, ihre Umgebung gut genug beobachten, Zeichen erkennen und dann alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, die passieren können. Davon muss dann nur die Wahrscheinlichste gewählt werden.“ „So wie eine Wettervorhersage?“ Cassy nickte und lächelte. Sie schien froh zu sein, dass ich es irgendwie verstanden hatte. Und doch verwirrte mich ihre Erläuterung nur mehr. Denn was hatten Vorhersagen dann mit dem Sehen der Zukunft zu tun? „Die Papadopulus sind Nachfahren meines Bruders Helenos. Er hatte in jungen Jahren bei einem Fruchtbarkeitsritual der Kentauren einer Frau die Frucht seiner Lenden geschenkt. Das Kind wuchs auf, ohne zu wissen, wer sein Vater war. Doch die Gabe präzise Vorhersagen zu machen, wurde weiter vererbt.“ „Hatte dein Bruder etwa auch die Fähigkeit des Sehens?“, fragte ich interessiert und schloss das Buch. Cassys Geschichte klang um so vieles interessanter als die Bücher. „Nein. Aber ich habe ihn das vorhersagen gelehrt. Als Schüler Cheirons hatte er dafür bereits viele wichtige Gaben angelernt bekommen. Helenos hat sie mit meinen Ratschlägen einfach nur verbessert. Er wollte so unbedingt mir ähnlich sein, mir helfen die Last nicht alleine zu tragen. Also lernte er die kleinsten Elemente zu deuten. Sei es ein Windzug der den Geruch von verbrannten Holz mit sich trug. Oder das rote Sonnenlicht, welches sich auf dem See reflektierte. Alles, was die Welt uns zeigt, ist ein Hinweis, eine Warnung oder gar ein Versprechen. Wir müssen einfach nur sehen und deuten.“ Ich sah wieder auf das Buch und überlegte, was ich vielleicht übersehen hatte. Was die Welt mir vielleicht gezeigt hatte, ohne dass ich Notiz davon nahm. Auf Anhieb fiel mir nichts ein. Wahrscheinlich hatte ich mehr als genug Zeichen übersehen und mein Schicksal damit besiegelt. Da konnte ich nur noch hoffen, dass Cassy bemerken würde, wenn alles den Bach runter ging. „Master, du solltest ein wenig schlafen. Ich werde schon finden wonach wir suchen.“ Fast schon vorwurfsvoll sah ich Cassy an, als sie ihren Vorschlag machte, doch sie lächelte. Ein Lächeln, dass dezent bedrohlich wirkte, so dass es besser war, wenn ich spurte. Ich nickte schließlich und legte das Buch, welches auf meinem Schoß lag, beiseite. „Mach aber nicht zu lange, Cassy, du solltest dich auch noch etwas ausruhen. Wir können morgen gemeinsam weiter suchen.“ Sie nickte, versank aber sogleich wieder in ihr Buch. Was das anging war Cassy wohl sehr zielstrebig. Ich wusste daher, das sie wohl nicht schlafen würde. Zumindest nicht so lange bis sie gefunden hatte wonach sie suchte. Ich schüttelte geistig den Kopf und ging in mein Zimmer.   **~~**   Seine Augen wurden größer, als sein Bruder ihm den Bogen entgegen hielt. Er hatte schon immer mit dem Bogen schießen wollen, doch bisher hatte Hektor ihm zu verstehen gegeben, dass er nicht bereit dafür war. „Vater hat mir erzählt, dass du dich mit einem Stallburschen prügeln wolltest. Er ist nicht sehr stolz darauf, dass du deinen Zorn nicht unter Kontrolle hast.“ „Aber er hat gesagt, dass du ein dummer Faulenzer bist, Hektor!“, verteidigte sich Paris und zog einen Schmollmund. Er war nun ungefähr acht Sommer alt und wenn jemand seinen Bruder beleidigte, konnte er einfach nicht an sich halten. Hektor seufzte. Allein die Tatsache das er wusste, warum Paris es getan hatte, ließ seine Wut verrauchen. Und doch, gab es etwas, das er Paris beibringen musste. Kontrolle zu wahren. Inne zu halten, den richtigen Moment abzuwarten. „Komm mit Paris, heute lernst du den Umgang mit dem Bogen.“   Es war der hundertste Pfeil der sein Ziel nicht traf. Um den Apfel herum lagen etliche Pfeile auf dem Boden. Paris war frustriert. Bei seinem Bruder sah es immer so einfach aus und er schien nicht einen einzigen Pfeil in sein Ziel bohren zu können. „Wie machst du das Hektor? Du schummelst doch, oder?“, fragte Paris beleidigt, denn er vermutete einen Trick dahinter, den ihm sein Bruder einfach nicht verraten wollte. „Du bist zu unkonzentriert. Zu stürmisch. Spanne deinen Bogen mir dem angelegten Pfeil. Atme ruhig und konzentriere dich auf das Ziel. Das ist die einzige Schummelei die du brauchst. Wenn du ein still stehendes Objekt nicht triffst, wird du auch kein bewegliches Ziel treffen, Paris.“ Er war verletzt wegen der harschen Worte Hektors. Er konnte eben nicht wie sein Bruder sein. Und doch wollte er ihn stolz machen, wollte ein Lob und keinen Tadel dafür hören. Er spannte seinen letzten Pfeil im Köcher und fokussierte sich auf den Apfel. Er wollte ihn treffen. Unbedingt. Und doch, musste er ruhig bleiben. Seine Arme am Zittern hindern. Er holte tief Luft. Atmete ruhig und stetig. Er konnte es spüren, die Gewissheit, dass er dieses Mal treffen würde. Just in diesem Moment ließ er den Pfeil los und sah zu, wie er den Apfel durchbohrte und von seinem Podest schubste. Er spürte den Stolz, die Zufriedenheit und sah zu seinem Bruder, der anerkennend nickte. „Gut gemacht, Paris. Merke dir, egal ob beim Schießen oder bei anderen Dingen im Leben, nimm dir etwas Zeit um deine Gefühle zu beruhigen. Sonst wird der Sturm den sie auslösen können, dich erfassen und in den Untergang tragen.“   **~~**   Ich schlug meine Augen auf, mit wild pochenden Herz. Wieder eine Vision von einem Servant. Von Archer. Ich seufzte leise und erhob mich, denn nachdem was ich gesehen hatte, konnte ich nicht sofort wieder einschlafen. Stattdessen hatte ich so etwas wie Sehnsucht nach Archer. Keine Ahnung wieso. Vielleicht weil ich Schuld daran war, dass er gegen seinen Bruder hatte kämpfen müssen? Oder weil ich in den letzten Tagen so wenig Zeit mit ihm verbracht hatte? Oder wollte ich einfach nur wissen, ob dies wirklich eine Vision gewesen war? Ich konzentrierte mich und lauschte in die Stille. Ich musste einen Gedanken verschicken. 'Archer? Schläfst du?' 'Nein, Erenya. Ich bin wach. Wieso fragst du? Kannst du nicht schlafen?' 'Nicht ganz. Ich hab gerade das Bedürfnis dich zu sehen. Wo bist du?' Kurz herrschte Stille. Ich hörte keinen Ton. Kein Wunder, denn Archer war nicht hier. Ich war alleine im Zimmer und hätte selbst eine Stecknadel fallen hören können. 'Soll ich zu deinem Zimmer kommen?' 'Nein, ich würde gerne zu dir kommen, also nicht in dein Zimmer, sondern dahin wo du gerade bist', erklärte ich, vielleicht ein wenig zu eilig. Irgendwie wollte ich Archer nicht in mein Zimmer einladen. Was wahrscheinlich daran lag, dass Archer sehr forsch sein konnte. 'Ich bin hinterm Haus. Das Safehouse nicht das Große. Soll ich dich abholen?' Ich dachte kurz darüber nach. Doch wenn ich es recht bedachte, war es nicht weit hinters Haus. Ich befand mich ja gerade im Safehouse. Und so schlimm wie ein Ryoga war meine Orientierung auch nicht. 'Schon okay, ich werde dich finden.' Ich grub mich aus meinem Bett, zog mir eine Hose und ein passendes Oberteil an und verließ das Safehouse. Schon vor diesem erkannte ich Berserker und Lancer, die wie Türsteher vor der Tür standen. „Und du willst wohin?“, fragte Lancer grummelig und beäugte mich misstrauisch. Sicher war ihm das Ereignis mit dem roten Lancer noch gut in Erinnerung geblieben. Wurde Zeit das ich Cassy um Passierscheine oder Einträge ins Muttiheftchen bat. „Zu Archer. Unseren Archer.“ „Abgelehnt“, brummte Lancer und warf mir einen bösen Blick zu. Mir hingegen entglitten förmlich die Gesichtszüge. Hatte er gerade abgelehnt, dass ich meine Zeit mit Archer verbrachte? In Berserkers Gegenwart? Wow. „Und wieso?“, fragte ich, nachdem ich mich wieder gefangen hatte. „Weil man dich mit ihm nicht alleine lassen kann. Deswegen.“ „Und was soll das bedeuten, Lancer?“ Ich zuckte zusammen, als hinter mir Archers Stimme ertönte. Ich spürte, wie er mich sanft an der Schulter ergriff und fast schon schützend hinter sich zog. „Du bist zu impulsiv und vergisst dann, dass du einen Kopf auf den Schultern hast. Der ist nicht nur zur Zierde oder für die Halterung deiner Augen da. Du hast genau dasselbe Problem wie Master. Sie denkt auch erst hinterher über ihre Handlungen nach.“ Ich seufzte leise und schüttelte den Kopf. Da war er also wieder, der Streit zwischen Lancer und Archer. „Komm mit, Erenya. Wir reden woanders. Lancer verdirbt uns nur den Abend.“ „Was soll das hei- Oi! Berserker, geh aus dem Weg!“ Es ging zu schnell. Archer hatte mich bereits vom Safehouse weggezogen. Ich konnte mir anhand Lancers Worte nur vorstellen, dass Berserker wohl so ein gutes Verhältnis zu Archer entwickelt hatte um ihm zu helfen etwas Zeit mit mir zu bekommen.   Wir gingen einige Minuten durch das Geäst, bevor wir am Haupthaus ankamen. Archer hielt meine Hand fest in seiner, allerdings wohl bedacht, denn sie schmerzte nicht, obwohl sein Griff stark war. „Du... wolltest mit mir reden?“, fragte Archer nach einiger Zeit und öffnete die Terrassentür. „Ja. Ich hab gerade von dir und Hektor geträumt.“ „Von mir und Hektor? Ich weiß nicht ob mich das glücklich machen soll, oder eher wütend, dass du scheinbar so fasziniert von meinem Bruder bist, dass du von ihm träumst.“ Archer lachte bitter, allerdings klangen seine Worte nicht nach einem Vorwurf, eher bedauernd. Fast schon ein wenig traurig. „Idiot. Das war kein solcher Traum. Es war mehr... mh... wie sage ich das nur.“ „Wie wäre es mit gerade heraus?“ Ich seufzte leise und folgte Archer notgedrungen in die Küche. Dort erst ließ er meine Hand los und kramte in der Küche nach Geschirr und Zutaten. „Wisst ihr Servants, dass euer Master eure Erinnerungen aus der Vergangenheit sehen kann?“ Archer hielt in seiner Bewegung inne und sah zu mir auf. Er schien überrascht und verwirrt zu sein. Also wussten Servants das doch nicht. Die Serie hatte mir genug Hinweise gegeben, dass dem der Fall war und da scheinbar kaum ein Master über diese Träume sprach, war es nur logisch, dass Servants nie davon erfuhren. „Was garantiert dir, dass es eine Erinnerung war und kein Traum?“ Ich dachte nach und fragte mich, wie ich es Archer beweisen konnte. „Also ich hatte schon von Lancer so einen Traum. Außerdem... sag mir... Hat Hektor dir das Bogenschießen beigebracht, weil er dir damit beibringen wollte, dass du nicht zu emotional reagieren sollst?“ Archer harrte noch ein paar Sekunden aus, ehe er weiter machte, ohne etwas zu sagen. Ich beobachtete, wie er Milch in einen Topf goss. Er gab etwas Honig hinzu und stellte diesen auf den Herd. „Ja. Das war seine Intention. Ich frage mich, ob er enttäuscht ist, weil es nichts gebracht hat.“ „Nein. Das glaube ich nicht. Sicher es ist nicht ganz zu dem Ergebnis gekommen, dass er sich erhofft hat, aber er wird nicht enttäuscht sein. Den Eindruck hat er auf mich nicht gemacht. Er macht sich wohl eher Sorgen um dich.“ Mit dem Löffel rührte Archer nachdenklich im Topf. Er schien nicht ganz überzeugt und doch wollte er sich nicht gegen diese Worte verwehren. „Es ist wahrscheinlich zu spät um sich zu ändern.“ Er klang entmutigt, niedergeschlagen. Wie ein begossener Pudel stand er vor dem Topf und rührte. Ein Anblick, den ich nicht ertragen konnte. Wie auch? Ich ertrug es nicht einmal bei Skipper wenn er mich mit seinen großen Knopfaugen ansah und einfach nur knuffig aussah. „Wieso zu spät? Du hast als beschworener Heldengeist die seltene Chance erneut zu leben. Wenn du dein Wesen aus der Vergangenheit bereust, hast du nun die Gelegenheit das zu ändern.“ Ich hörte wie die Milch anfing zu kochen. Archer rührte weiter, stellte aber die Temperatur des Ofens runter. Scheinbar war die Milch gleich fertig und er wollte verhindern, dass sie am Boden anbrannte. „Es ist schwer Gewohnheiten abzulegen“, flüsterte er und ich nickte. Ich wusste nur zu gut was er meinte. „Ich weiß. Ich hab auch die ein oder andere Gewohnheit, die ich besser ablegen sollte. Es ist schwer. Gerade in unserer Situation. Aber wir sind ja nicht allein. Wir können einander helfen aus unseren schlechten Gewohnheiten, gute zu machen.“ „Du meinst also, in meiner Emotionalität steckt nicht durchgehend etwas schlechtes?“ Ich schüttelte den Kopf und lächelte Archer an. „Nein. Wir müssen das nur noch hinbekommen, dass deine Emotionen dich nicht wie eine Welle mit sich reißen und du noch darüber nachdenkst was du tun könntest. Wie im Club. Du hast ziemlich unbedacht gehandelt und hast wahrscheinlich vollkommen vergessen, dass ich von Magie kaum Ahnung habe. Ich meine es war angenehm zu wissen, dass du mir vertraust, aber mit einem anderen Plan wären wir vielleicht etwas effektiver gewesen.“ „Dann müssten wir bei dir an deiner Neugier arbeiten. Die hätte dich wegen dem roten Lancer den Kopf kosten können.“ Ich grinste verschmitzt wegen seinem Vorwurf. Er hatte ja Recht. Ohne Assassins Hilfe hätte die Sache mit dem roten Lancer ganz anders enden können. Ich wollte mir das „Wie“ gar nicht erst ausmalen. „Lancer würde nicht nur daran bei mir arbeiten wollen.“ „Auch an deinem waghalsigen Verhalten. Wieso ist das so?“ Nun erstaunte Archer mich. Er stellte die Frage, die Lancer nie gestellt hatte. Es gab mir das Gefühl, dass Archer wenigstens versuchte mich zu verstehen und genau deshalb war ich froh, dass er nun zu mir, an meine Seite gehörte. „Weil mein Leben mir nicht so wichtig ist wie eures. Ist auch in meiner Welt so. Bei Problemen gelten meine ersten Gedanken meist anderen. Schon als Kind war das so. Da hatten meine Eltern und ich einen Autounfall. Mir tat das Handgelenk weh und doch fragte ich als erstes nach meiner Mutter. Irgendwie habe ich mir um sie mehr Sorgen gemacht. Ich hasse es machtlos zu sein... nicht genug zu wissen. Deswegen musste ich den roten Lancer treffen ohne zu wissen, dass er es war.“ Archer seufzte leise und goss die Milch in zwei Tassen. Eine davon schob er vorsichtig mir zu. „Cassandra hat Recht... Wahrscheinlich ist Berserker der beste Leibwächter den du bekommen kannst. Bitte tu uns so etwas nicht noch einmal an. Wenn du etwas wissen willst, finden wir einen Weg, wie du es erfahren kannst. Versuch diese Informationen aber bitte nicht noch einmal alleine zu holen.“   **~~**   „Ich hab es gefunden.“ Ich erschrak, als Cassy mich aus einem leichten Dämmerschlaf weckte, indem sie lauthals ihren Fund verkündete. Ich rieb mir die Augen und sah zu Cassy, hinter der sich Archer gestellt hatte, um über ihre Schulter zu blicken. „Du hast den Zauber gefunden?“, fragte er interessiert und bekam sogleich einen abschätzenden Blick, als wäre er irgendetwas ekelhaftes. „Natürlich. Die Papadopolus sind immerhin meine und Helenos Nachfahren. Wenn es um das Sehertum geht haben sie das größte Wissen der ganzen Magiergesellschaft. Und das beste ist, sie haben ihr Wissen und ihre Rituale so vereinfacht, dass selbst ein Frischgeborenes sie durchführen könnte.“ Ich wusste irgendwie, dass Cassy übertrieb. Wahrscheinlich gab es doch noch mehr zwischen ihr und Archer, was mir nicht bewusst war. Die Frage war nur, ob sie jemals darüber hinweg kommen würden. „Was brauchen wir für das Ritual?“, fragte ich und versuchte so Archer davon abzubringen zu antworten. „Nun, wir brauchen fünf weiße Kerzen. Zusätzlich noch ein Lorbeeren, wobei ich Lorbeerkraut bevorzuge. Wir brauchen auch eine silberne Schüssel, in der wir dieses verbrennen können. Den Gegenstand der für die Beschwörung der Erinnerung notwendig ist, haben wir. Allerdings fehlt uns noch ein Relikt, welches den Rang oder eher die Person, die Ruler war, widerspiegelt. Eine königliche Insignie zum Beispiel.“ „Was meinst du mit „königliche Insignie“? Reichen die Armreifen nicht?“ Cassy seufzte, als sie Lancers misstrauische Stimme vernahm. Es war so ein typisches Lancer-Ding. Erst einmal alles hinterfragen, bevor man zustimmte. „Die Armreifen stammen aus dieser Zeit. Wären sie Rulers Eigentum gewesen, so wären sie mit ihr verschwunden. Ohne eine Insignie kann es passieren, dass wir Erinnerungen des Herstellers oder des Verkäufers sehen, nicht aber die von der Person, die sie getragen hat. Wir müssen die Erinnerungen also mit sondieren, genauer benennen. Dafür brauchen wir eine Insignie, die aus der Zeit der Pharaonen stammt. Am besten eine, die die einem Pharao gehörte.“ Ich konnte sehen, wie Lancers Augen sich zu kleinen Schlitzen verengten. Was Cassy sagte und implizierte, gefiel ihm gar nicht. „Du denkst doch nicht an den anderen Lancer, oder? Master ist offiziell tot, wir können ihn nicht kontaktieren. Wir sollten den Master des roten Riders fragen. Er hat sicher den ein oder anderen Verbündeten, der ihn helfen kann.“ Ich wusste sofort, dass es jemanden in Wavers Fraktion gab. Aurelia. Bisher hatte ich es gut vermieden, diese alte Frau um Hilfe zu bitten. Und selbst wenn es Waver tat, ich wollte sie nicht in meine Pläne einbeziehen. Damit blieb Ozymandias die einzige Option, wenn auch eine Unliebsame. „Der Effekt eine Insignie direkt von einem Pharao zu erhalten, ist stärker als wenn sie durch mehrere Hände ging. Aber lassen wir Master entscheiden, was wir tun.“ Cassy lächelte mich, wobei Lancer nur fassungslos den Kopf schüttelte. War ja klar, dass er nicht damit einverstanden war, dass ich entscheiden sollte. Und doch hatte er keine andere Wahl. Da war immerhin Cassy die es so verkündet hatte, Archer der nicht widersprechen würde und Berserker, der von mir den Befehl erhalten hatte zu tun was Cassy sagte. „Die Frage wird sein, wie wir den roten Lancer kontaktieren, ohne dass sein Master Wind davon bekommt“, erklärte ich und hörte schon das „hmpf“ von Lancer. Er war eindeutig dagegen und nicht begeistert, dass ich eine Entscheidung traf, die seiner Meinung nach die Dümmste war, die dümmer nicht hätte sein können. „Kann Cassandra nicht einfach dieses Übertragungsding machen, dass wir benutzt haben um die anderen Master herauszufordern?“, fragte Archer und verschränkte dabei die Arme. Sein Blick war dabei auf Cassy gerichtet. „Das ist unglaublich... du hast etwas Kluges gesagt, Archer.“ Ich konnte sehen wie Archer das Gesicht verzog und konnte ihn voll und ganz verstehen. Manchmal konnte Cassy ihr Gift wirklich weit und vor allem tief in eine offene Wunde spritzen. Dabei hielt ich Archer nicht einmal für dumm. „Da wir dieses Mal das Ziel kennen, können wir direkt eine Übertragung zu dem roten Lancer machen. Ich bin mir auch sicher, dass er niemanden verraten wird, dass Master noch lebt. Immerhin hat er ja gesehen, wie schnell sie sterben könnte. Und noch einmal will er sicher nicht die Person verlieren, die er zu seiner ersten Frau in diesem Leben bestimmt hat. Ebenso ist diese Art des Kontaktes sicher für Master. Schwieriger wird da nur, wie wir den Gegenstand von ihm erhalten wollen. Aber darum können wir uns sorgen, wenn es soweit ist.“ „Das halte ich für eine dumme Idee. Gerade er sollte nicht wissen, dass Master noch lebt. Wegen Leuten wie ihm haben wir dieses ganze Theater doch erst abgezogen.“ Sein Blick ruhte ernst auf Cassy. Sie erwiderte ihn und beide schienen stumm einen Blickkontakt-Kampf auszutragen. Ich erwartete von beiden, dass sie sich zu rechtfertigen wussten. Aber vor allem erwartete ich, dass bei ihnen mehr als nur Funken sprühten, wenn sie nicht stumm kämpften. „Hast du eine bessere Idee, Lancer? Oder bist du einfach nur dagegen, weil eine Frau gerade mehr Macht hat als du?“ Schweigen von Lancer. Nein, Cassys Feind wollte ich unter keinen Umständen sein. Schon gar nicht, wenn sie am Ende doch gewinnen würde. „Ich werde alles vorbereiten um den roten Lancer zu kontaktieren. Master, ruh dich solange noch aus. Du scheinst mir müde zu sein“, erklärte sie schließlich und machte deutlich, dass es keine Diskussion geben würde.   Ich war nervös, denn die Tatsache, dass ich mich dem roten Lancer offenbaren würde, war Nervenaufreibend. Zu Gut erinnerte ich mich an unsere erste Begegnung. Gleichzeitig aber könnte es Waver und Rider aus seinem Visier nehmen. Noch dazu brauchten wir diese königliche Insignie, wenn wir wirklich sehen wollten, was Hatschepsut wusste. Unwissenheit fühlte sich einfach seltsam an. Noch dazu schien die Zeit nicht zu vergehen. Und das hasste ich. Denn ich wusste so nicht, wie ich diese Zeit verbringen sollte. Ein Klopfen an meiner Fensterscheibe, ließ mich zusammenzucken. Ich wandte meinen Blick zu diesem und erkannte Archer, der mir aufgeregt zuwinkte. Verwundert über sein Verhalten, ging ich zu dem Fenster und öffnete eine der zwei Seiten, damit ich ihn nicht vom Sims schubste. „Was machst du hier, auf meinem Fensterbrett?“, fragte ich sofort und konnte das feixende, jungenhafte Grinsen auf seinem Gesicht sehen. „Ich dachte mir, dass du dich vielleicht langweilst. Also dachte ich, dass ich dir etwas Bogenschießen beibringen könnte. Wenn du das kannst, kann Lancer nicht mehr sagen, dass du vollkommen hilflos wärst.“ Behände sprang Archer in mein Zimmer und hielt mir seinen Bogen und einen Köcher voller Pfeile entgegen. Er schien vollends überzeugt von seiner Idee zu sein. Ich hingegen... war es nicht. „Ich weiß nicht. Ich bin nicht sonderlich gut im zielen. So ganz ohne Steuerkreuz... und selbst mit Steuerkreuz bin ich ne echte Niete.“ „Steuerkreuz?“, fragte Archer verwirrt, was mir nur wieder klar machte, dass er nicht aus meiner Zeit oder gar Welt kam. „In Spielen kann man so zielen.“ Ein amüsierte Lachen kam von Archer, der mir den Bogen förmlich in die Hand drückte. „Mach dir keine Sorgen, deine Augen zielen für dich und der Rest hat einfach mit richtiger Atemtechnik und Konzentration zu tun.“ „Ich weiß nicht, was es mit Konzentration und Atmung zu tun hat, wenn sich das Ziel bewegt.“ Ich sah auf den Bogen und wusste nicht so recht, wie ich Archer abwimmeln konnte, ohne seine Gefühle zu verletzen. Er war immerhin ein stolzer Bogenschütze, hatte dieses Handwerk von seinem Bruder erlernt. Es war selbstverständlich, dass er sein Wissen an jemanden weiter geben wollte, damit es nicht verloren ging. „Erstmal üben wir auch mit unbeweglichen Zielen. Damit du ein Gefühl dafür bekommst. Und wenn du das Gefühl dafür hast, dann kommt der Rest wie von Selbst. Immerhin weißt du dann, wie der Wind einen Pfeil lenken kann oder wie schnell ein Pfeil wird, wenn die Sehne bis zum Anschlag gezogen ist.“ Ich nahm den Bogen und zog an der Sehen. Sie dehnte sich kaum, bewegte sich nicht großartig und das obwohl ich einiges an Kraft hinein investierte. Das würde eine Grauenstunde werden. Und Archer schien das zu bemerken. „Komm her.“ Er nahm einen Pfeil aus dem Köcher und stellte sich hinter mich. Zärtlich drehte er mich in Richtung des Fensters, so dass ich den Baum sehen konnte, der davor stand. „Du bist Rechtshänder, also Spanne die Sehne mit deiner rechten Hand. In der linken hältst du den Griff. Ich empfehle dir, den hinteren Teil des Pfeiles zwischen Zeigefinger und Mittelfinger zu nehmen. Ungefähr so.“ Archer zeigte mir, wie er den Pfeil hielt. Er wich dabei nicht von meiner Seite, sondern stand weiterhin hinter mir. Dabei zeigte er nur zu deutlich, dass ich den Bogen nehmen und so wie beschrieben anfassen sollte. Ich beugte mich seinem Wunsch, nahm den hölzernen Teil in die linke Hand und umfasste den Pfeil mit Zeige- und Mittelfinger. Dabei berührte ich Archers Hand, der den Pfeil immer noch hielt und meine scheinbar führen wollte. „Gut und nun, nimmst du mit dem Daumen, Ring- und kleinen Finger die Sehne. Den Pfeil stabilisierst du, indem du ihn auf den Zeigefinger legst, der den Bogen hält.“ Ohne dass ich seinen Worten folgen musste, führte Archer meine Hände und Finger. Es war mir unangenehm, denn mit jedem Wort spürte ich seinen warmen Atem auf meinem Nacken. Noch dazu war seine Stimme so warm und sanft, als wollte er mich einlullen. „Und nun, spann die Sehne“, flüsterte er und legte seine Hand auf meine, so als sei sie nur ein Handschuh. Er imitierte meine Haltung, mein Tun und doch war er derjenige, der es beeinflusste. Er führte meine Hand, nutzte seine Kraft, damit ich die Sehne überhaupt gespannt bekam. Ich spürte nur ein leichtes Zittern, welches von mir kam. Archer gab mir Beständigkeit, einen sicheren Griff und einen Pfeil der nicht klappernd gegen das Holz schlug. „Und nun ziele auf den Ast über dem vor deinem Fenster“, erklärte Archer und gab mir deutlich zu verstehen, dass er das zielen mir überlassen würde. „Eigentlich hatte ich nicht vor, mich vor dir zu blamieren, Archer.“ Er lachte leise und jagte mir damit einen kühlen Schauer über den Rücken. „Keine Sorge, du könntest dich niemals blamieren. Versuch es einfach.“ Ich seufzte leise, denn ich hatte ja keine andere Wahl. Ich richtete eine Arme auf die Höhe aus. Visierte den dünnen Ast so gut es ging an. Dabei folgte Archer meinen Bewegungen. Ich konnte die Reibung von diesen spüren. Irritiert davon, ihn wirklich so nahe an meinem Körper zu spüren, ließ ich los und der Pfeil verfehlte das von Archer genannte Ziel. Hosted by Animexx e.V. 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