Ein Leben wie dieses von Juju ================================================================================ Kapitel 33: Wahre Freundschaft ------------------------------ Sonntag, 1. Oktober 2006   Schwerfällig öffnete Tai am Morgen die Augen und wunderte sich, warum er sich so niedergeschlagen fühlte. War nicht irgendetwas vorgefallen? Ach ja. Die Trennung von Sora vor etwa acht Stunden. Seufzend drehte er sich auf den Bauch und drückte das Gesicht ins Kissen. Er versuchte, sich einzureden, dass die Trennung die einzig richtige Lösung für diesen Schlamassel gewesen war. Vielleicht waren er und sie einfach nicht dazu bestimmt, ein Paar zu sein. Vielleicht gehörte sie einfach zu Matt und nicht zu ihm. Grummelnd griff er nach seinem Handy. Eine neue SMS. Wer hatte ihm denn nachts noch geschrieben? Sora? Hoffnungsvoll öffnete er die SMS, doch sie war zu seiner Überraschung von Mimi, abgeschickt um drei Uhr sechsundzwanzig.   Tai, i4chh wünsxchte, duw2rst jetz iier. D3u hattest rechht mitvdeine7 Vermmutung: ich mag di4ch sehrrrrrr,   Argwöhnisch und ein bisschen erschrocken starrte Tai auf sein Handy. Es war zwar schwer, ihre Nachricht zu lesen, doch wenn man sie erst einmal verstand... verstand man eigentlich nichts mehr. Er brauchte einige Minuten, um sich zu fangen und den Inhalt der SMS zu verarbeiten. Ja, sie war eindeutig betrunken gewesen, als sie das geschrieben hatte. Doch sagten Betrunkene nicht angeblich immer die Wahrheit? Und er hatte es ja sowieso schon vermutet, wie sie richtig geschrieben hatte, doch er hatte gehofft, er würde sich täuschen. Langsam fuhr er sich durch die Haare, bis er schließlich eine Antwort tippte.   _   „Wie kannst du nur am frühen Morgen schon rauchen?“, tadelte Mimi ihn und verpasste ihm einen Schlag mit ihrem Rock, bevor sie diesen anzog. „Das ist doch total eklig.“ „Und wie kannst du am frühen Morgen schon meckern?“, murrte er und nahm einen weiteren Zug. Nur mit seinen Boxershorts bekleidet stand er am offenen Fenster und rauchte in aller Seelenruhe morgens um neun eine Zigarette. „Mit dir muss man nun mal meckern“, erwiderte sie und zog sich ihr Top vom letzten Abend über. Sie kramte ihre Haarbürste aus der Tasche hervor und bürstete sich die langen Haare, bevor sie sie zu einem losen Dutt zusammenband. Anschließend prüfte sie ihr Handy und stellte zu ihrer Verwunderung fest, dass sie eine SMS von Tai bekommen hatte.   Ähm wie bitte?   Verwirrt starrte sie die Nachricht an. Was wollte er ihr damit sagen? Hatte sie ihm irgendetwas geschrieben? Sie klickte sich zu ihrem Postausgang durch und überprüfte die dort liegenden SMS. Sie öffnete die, die ganz oben stand und an Tai gesendet worden war und riss vor Entsetzen die Augen auf. „Ach du Scheiße!“, rief sie und ließ ihr Handy zu Boden fallen. „Das darf doch nicht wahr sein!“ Nun konnte sie sich auch wieder dunkel daran erinnern, dass sie Tai letzte Nacht tatsächlich eine solche SMS geschickt hatte. Mit fragendem Blick drehte Matt sich zu ihr um. „Hm?“ Sie stellte sich neben ihn und schob ihn ein wenig zur Seite, um ebenfalls Platz am Fenster zu haben. „Kann ich auch eine?“ Skeptisch hob er eine Augenbraue, hielt ihr aber dann doch die offene Schachtel entgegen und zündete ihr die Zigarette an. „Warum dieser plötzliche Sinneswandel?“ Hastig zog Mimi an der Zigarette und musste prompt husten. Der Rauch kratzte fürchterlich in ihrem Hals und ihrer Lunge. Wie konnte Matt das nur dauerhaft aushalten? „Betrunkene SMS.“ „Ah“, machte Matt, als wüsste er sofort, was sie meinte. „Ich habe Tai geschrieben, dass ich wünschte, er wäre hier und dass ich ihn sehr mag“, erklärte sie genauer und nahm erneut einen Zug. Matt schnaubte belustigt. „Und hat er geantwortet?“ „Ja. Seine Antwort war: 'Ähm wie bitte?'“ Matt sog scharf die Luft ein und verzog das Gesicht. „Autsch.“ „Ja. Autsch“, stimmte Mimi ihm zu und nahm einen weiteren tiefen Zug ihrer Zigarette.   _   Ein kribbelndes Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus, wenn er an die vergangene Nacht dachte. Schon den ganzen Morgen stand er deswegen völlig neben sich und konnte sich kaum auf das konzentrieren, was seine Eltern beim Frühstück erzählten. „Wie war es denn mit Yolei?“, fragte seine Mutter schließlich und musterte ihn über den Tisch hinweg mit bohrendem Blick. „Schön“, antwortete er lächelnd. „Wir waren im Kino und hinterher noch in einem Club und ja... ich glaube, ich war um eins zu Hause.“ Er wusste, dass seine Eltern zu diesem Zeitpunkt noch wach gewesen waren. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie nicht schlafen konnten, bevor er nicht sicher wieder zu Hause angekommen war. Seine Eltern fragten ihn noch weiter über die vergangene Nacht aus: welchen Film sie sich angeguckt hatten, in welchem Club sie waren, was dort los war, wie die Leute waren und so weiter. Ken beantwortete brav all ihre Fragen, ohne jedoch zu sehr ins Detail zu gehen. „Und du und Yolei, ihr seid jetzt also...“, fragte seine Mutter neugierig und konnte sich ein schiefes Lächeln nicht verkneifen. Verlegen wandte Ken sich an sein Frühstück. „Naja, irgendwie sowas in der Art, ja.“ Zumindest glaubte er das. Sie hatten sich noch nicht geküsst, aber bereits fürs nächste Wochenende verabredet. Und wer wusste schon, was bei ihrem nächsten Date passieren würde. Falls Yolei das gleiche wilde Kribbeln im Magen verspürte wie er, würde es sicher nicht mehr lange dauern, bis er diese Frage seiner Mutter eindeutig mit Ja beantworten konnte.   _   Sora war gerade dabei, sich anzuziehen, als ihre Mutter an die Tür klopfte und öffnete, bevor Sora etwas erwidern konnte. Sie stand in Unterwäsche in ihrem Zimmer und sah Toshiko fragend an. „Ich habe gehört, dass du wach bist“, erklärte diese. „Und ich habe gehört, wie du dich gestern Abend übergeben hast. Ist alles okay? Bist du krank?“ Erschrocken sah Sora ihre Mutter an. „Nein, mir geht’s gut. Bin kerngesund, echt. Das war nur...“ „Hast du gestern was Schlechtes gegessen?“, unterbrach ihre Mutter sie mit einer neuen Frage. Ihr Blick war auf Sora gerichtet, die Arme vor der Brust verschränkt und die Hüfte gegen den Türrahmen gelehnt. „N-nein, nicht, dass ich wüsste“, stammelte Sora unsicher. Sie bekam ein ungutes Gefühl bei diesem Gespräch. „Warum hast du dich dann übergeben?“, hakte ihre Mutter nach. „Ich... naja, war ein langer Tag gestern und ich hatte ein bisschen Ärger und... ja... es kam einfach so, aber es war nur einmal und dann war alles draußen. Und jetzt geht es mir wieder gut, also kein Grund zur Sorge.“ Sie lächelte zuversichtlich, doch Toshiko verzog keine Miene. „Es geht dir wieder gut? Hast du dich mal im Spiegel gesehen?“ Schweigend presste Sora die Lippen aufeinander und wich dem Blick ihrer Mutter aus. Tatsächlich mied sie es seit einiger Zeit, in den Spiegel zu sehen und wenn es doch sein musste, tat sie es nur ganz oberflächlich. Zu genau wollte sie sich selbst momentan nicht angucken. Sie wusste, dass sie abgenommen hatte, und außerdem hatte sie Haarausfall und Augenringe. Ihre Haut war fahl, ihre Lippen rissig, ihre Fingernägel brüchig. Das wollte sie nicht im Spiegel sehen. Toshiko schloss die Tür von Soras Kleiderschrank, auf dessen Vorderseite ein Spiegel angebracht war, sodass Sora sich nun notgedrungen ansehen musste. Sie machte Anstalten, sich das Shirt, das sie in der Hand hatte, anzuziehen, doch ihre Mutter nahm es kurzentschlossen sich. „Nein, sieh dich mal an“, forderte sie. Gezwungenermaßen betrachtete Sora ihr Spiegelbild. Ein mageres, verunsichertes Mädchen mit trübem Blick starrte sie an. Ihre Schlüsselbeine traten knochig hervor, man konnte ihre Rippen zählen, ihre Hüftknochen wirkten kantig, ihre Knie knubblig im Vergleich zu ihren dünnen Beinen, ihre Arme und Hände sehnig. Verstört biss Sora sich auf die Unterlippe bei diesem Anblick. War das wirklich sie? Ihr Blick huschte zu einem Foto, das in der oberen Ecke des Spiegels klebte. Darauf waren sie, Tai und Matt zu sehen und es war irgendwann im letzten Schuljahr bei einem Picknick entstanden. Sie grinsten alle drei in die Kamera und wirkten so glücklich und unbeschwert, dass es sich anfühlte, als käme dieses Foto aus einem Traum, nicht aus einer vergangenen Wirklichkeit. „Was siehst du?“, unterbrach Toshiko ihre Gedanken. Soras Augen füllten sich mit Tränen. Was sie sah, war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Jemand, der mit dem Mädchen, das sie gewesen war, nicht mehr allzu viel zu tun hatte. „Sora, ich kenne mich damit nicht aus, aber ich denke, du bist auf dem besten Weg in eine Magersucht und vielleicht sogar in eine Depression. Ich wollte mich nicht in dein Leben einmischen, habe dich für deinen Traum arbeiten lassen und wollte, dass du einfach glücklich bist. Aber das, was du machst, lasse ich auf keinen Fall länger zu. Erwarte nicht von mir, dass ich dabei zusehe, wie meine einzige Tochter sich selbst zerstört. Was ist nur mit dir passiert?“ Sora öffnete den Mund, um zu antworten, doch heraus kam nur ein Schluchzen und sie sackte zusammen. Und dann fing sie an zu reden.   _   Matt war gerade mal vor einer halben Stunde aus dem Motel zurückgekommen, als sein Vater ihn rief. „Matt, du hast Besuch.“ Besuch? Etwa Mimi? Das war die erste Person, die ihm einfiel. Und die Einzige. Momentan gab es nicht viele Menschen, die ihn gern besuchen würden und Mimi wahrscheinlich auch nur wegen körperlicher Gelüste. Aber vielleicht war es ja auch T.K.? Er verließ sein Zimmer und schlurfte zur Wohnungstür, wo zu seiner Überraschung Tai auf ihn wartete. Die Hände in den Taschen seiner Jogginghose vergraben und damit seine vom Fußball rührenden O-Beine betonend stand er im Türrahmen und sah Matt aus seinen braunen Augen ausdruckslos an. „Tai“, sagte Matt überrascht. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er überhaupt das letzte Mal etwas zu ihm gesagt hatte. „Hi“, begrüßte Tai ihn. Eine Weile starrten sie sich an, Matt wartend und Tai... überlegend, was er sagen sollte? Matt hatte keine Ahnung. Doch schließlich kratzte sein ehemaliger bester Freund sich am Hinterkopf und senkte den Blick. „Ähm... hast du vielleicht eine Minute? Ich will dir was sagen“, fragte er schließlich und wirkte ein wenig verlegen. Matt drehte sich zu der Uhr hinter ihm in der Küche um. Seine Bandprobe würde erst in zwei Stunden beginnen, also hatte er durchaus die ein oder andere Minute frei, die er mit Tai verbringen konnte. Er war wirklich mehr als gespannt, was er zu sagen hatte. „Klar. Lass uns raus gehen“, antwortete Matt schulterzuckend. Gemeinsam verließen sie das Gebäude und steuerten auf den Strand zu. Keiner von ihnen sagte einen Ton, bis sie am Strand ankamen und ganz ohne sich abzusprechen den Sand betraten. Sie wateten am Wasser entlang, das Tosen der Wellen überbrückte die Stille zwischen ihnen. „Also, was wolltest du mir sagen?“, fragte Matt schließlich, als Tai auch keine Anstalten machte, etwas zu sagen, nachdem sie einige Meter durch den Sand gewandert waren. Er räusperte sich und brauchte einige Sekunden, bis er antwortete. „Mir geht das alles total auf die Nerven. Was passiert ist, meine ich. Dass wir nicht mehr miteinander reden und so. Das ist einfach nur ätzend.“ Skeptisch hob Matt eine Augenbraue. Tai war derjenige, der nicht mehr mit ihm redete. Und doch überraschte es ihn, dass er es nun war, der einen Schritt auf ihn und ihre Freundschaft zuging. „Ja, finde ich auch“, stimmte Matt ihm zu. „Wie geht es dir so? Ich meine, was machst du so?“, fragte Tai nach einer Weile. Matt überlegte kurz, bevor er antwortete. „Gut, schätze ich? Und ich mache nur das Übliche. Die Welt retten, Millionen verdienen, ein Allheilmittel kreieren... du weißt schon.“ Tai schnaubte amüsiert. „Bescheiden wie immer.“ „Klar“, erwiderte Matt locker und zuckte mit den Schultern. „Und bei dir so?“ „Nun ja, ähm... das ist es, was ich dir sagen wollte. Ehrlich gesagt habe ich mich gestern von Sora getrennt.“ „Oh.“ Es kam tonlos heraus, wie vieles, das Matt sagte, doch innerlich war er überrascht. Er musste zugeben, dass es zwar nicht so ausgesehen hatte, als würde die Beziehung zwischen ihm und Sora ewig halten, doch er hätte niemals erwartet, dass Tai derjenige war, der es beendete. Und schon gar nicht so schnell. Immerhin waren sie noch nicht einmal zwei Monate zusammen. „Ja“, murmelte Tai. „Sie ist... sie hat... es war wegen dir.“ Das überraschte Matt noch mehr. Seinetwegen? Er erwiderte nichts, sondern wartete, dass Tai weitersprach. „Ich habe es einfach gemerkt. Statt uns näher zu kommen, haben wir uns irgendwie... weiter voneinander entfernt. Als sie mit mir die Beziehung eingehen wollte, dachte ich, es würde sie vielleicht glücklicher machen. Also ich meine, du weißt ja, wie sie momentan aussieht. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sie glücklicher geworden ist. Und gestern, da habe ich sie auf dich angesprochen. Ob es wegen dir ist, dass sie mich nicht an sich heran lässt und... naja, sie hat zwar nicht Ja gesagt, aber es war eindeutig“, erklärte Tai langsam. „Es war ein Fehler. Ich war so bescheuert, zu denken, sie könnte einfach mal eben ihre Gefühle ändern und sich für mich statt für dich interessieren. Und mir war es wichtiger, mit ihr zusammen zu sein, als zu versuchen, unsere Freundschaft zu retten. Die Beziehung mit ihr war mir wichtiger als die Freundschaft zu euch beiden. Ich habe dich komplett in den Wind geschossen, um mit ihr zusammen zu sein. Und erst jetzt merke ich, dass das total bescheuert war.“ Er seufzte tief, nachdem er seine Ausführungen beendet hatte und blieb stehen, da Matt nun ebenfalls stehen geblieben war. Fragend sahen sie sich an. „Ich wollte damit sagen, dass du sie haben kannst. Ich habe jetzt endlich begriffen, dass sie dich liebt, nicht mich. Und dass ich euch nur sinnlos im Weg stehe. Also geht und werdet ein Paar. Ihr habt auf jeden Fall meinen Segen und ich werde mich nicht länger wie ein Arschloch benehmen. Vielleicht können wir ja sogar irgendwann daran arbeiten, dass alles wieder ein bisschen so wird wie vorher und...“ „Tai“, unterbrach Matt ihn und suchte seinen Blick. „Man fängt nichts mit der Ex seines besten Freundes an, kapiert?“ Verwirrt blickte Tai ihn an. „Aber ich bin nicht sauer. Es ist schon okay, echt. Klar, es wird sich in der ersten Zeit echt scheiße anfühlen, aber ich weiß, dass es so besser ist. Ich kann ihr eh nicht geben, was sie will.“ „Verdammt Tai!“, rief Matt nun wütend und starrte ihn an. „Du raffst es echt nicht, oder?“ Verunsichert und nun ein wenig abweisend erwiderte Tai seinen Blick. Tatsächlich schien er nicht zu verstehen, worauf Matt hinaus wollte. „Hätte ich von Anfang an gewusst, dass du auf sie stehst, hätte ich die Finger von ihr gelassen. Garantiert. Mir ist die Freundschaft zu dir wichtiger als eine Beziehung mit ihr, kapierst du das nicht? Das war von Anfang an so gewesen. Und ich weiß, wie sehr es dich verletzen würde, wenn ich jetzt was Ernstes mit ihr anfangen würde. Dafür kenne ich dich zu gut, falls dir das entgangen sein sollte. Nur wegen dir habe ich das mit ihr beendet.“ Er wandte den Blick von Tai ab und starrte aufs Meer hinaus. Es war ein trüber Tag und die graue Farbe des Himmels spiegelte sich im Wasser wieder und ließ es kalt und wenig einladend erscheinen. „Ich bin ein Idiot“, murmelte Tai nach einigen Sekunden des eisigen Schweigens. „Bist du nicht“, widersprach Matt nun ruhiger. „Doch. Ich habe sie der Freundschaft vorgezogen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Genau das, was du nicht getan hast. Und jetzt habe ich einfach beides verloren.“ Er kickte einen Stein ins Wasser und wirbelte dabei eine Ladung Sand auf. „Mich hast du nicht verloren“, sagte Matt, den Blick auf die Stelle geheftet, an der der Stein im Wasser verschwunden war. „Ich bin doch hier.“ „Du weißt schon, wie ich das meine“, erwiderte Tai ungeduldig. „Ja, weiß ich. Und ich bleibe bei meiner Antwort.“ Erneut trafen sich ihre Blicke. Tai verzog leicht das Gesicht, wirkte gequält. „Matt. Die ganze Zeit habe ich dich für das größte Arschloch der Welt gehalten. Du bist zwar, gerade was Mädchen angeht, auch wirklich manchmal ein Arsch, aber von Freundschaft verstehst du so viel mehr als ich“, stöhnte Tai und rieb sich die Stirn. „Dafür hättest du niemals im Leben eine Wette auf jemanden abgeschlossen“, entgegnete Matt mürrisch. „Wir haben halt alle unsere guten und schlechten Seiten.“ „Aber genau da ist das Problem. Ich habe dich für schlechter gehalten als mich, dabei bist du das gar nicht“, murmelte Tai. „Ich bin einfach ein mieser Kumpel.“ „Hey“, Matt legte ihm eine Hand auf die Schulter, „man macht einfach dumme Sachen, wenn man verliebt ist, okay? Und unser Problem war, dass wir uns in die Gleiche verguckt haben.“ Tai kaute auf seiner Unterlippe herum und nickte. „Wir hätten beide die Finger von ihr lassen sollen.“ Matt zuckte mit den Schultern. Nun war es ohnehin zu spät, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie es hätte anders laufen sollen. Das Kind war längst in den Brunnen gefallen und so schnell würden sie diesen Riss sicher nicht kitten können. Doch von nun an konnten sie es zumindest versuchen. „Du hast mir echt gefehlt, Alter“, murmelte Tai, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. „Du mir auch“, erwiderte Matt langsam.   _   T.K. lag gerade in seinem Zimmer auf dem Bett und las in einem Buch, als es an der Tür klopfte. Es war schon lange Abend und er wollte in den nächsten Minuten schlafen, weshalb es ihn wunderte, dass seine Mutter noch etwas von ihm wollte. „Ja?“, rief er und ließ das Buch sinken. Die Tür öffnete sich und Natsuko streckte lächelnd den Kopf herein. „Na, schläfst du schon?“ „Gleich“, erwiderte T.K. „Was gibt’s denn?“ „Ich wollte eigentlich nur kurz mit dir reden“, erklärte sie und kam in sein Zimmer. Auch sie trug bereits ihren Schlafanzug und hatte sich abgeschminkt. Langsam setzte sie sich auf die Bettkante und sah T.K. an. „Okay?“ Sie machte ihn ein wenig nervös. Das klang, als wäre etwas Ernstes passiert, doch sie lächelte. Trotzdem schien sie selbst ein wenig nervös zu sein, denn sie knetete die Hände in ihrem Schoß. „Also, es geht um deinen Vater und mich“, begann sie zögerlich. „Wir haben uns da was überlegt.“ T.K. erwiderte nichts, sondern hob nur fragend die Augenbrauen und setzte sich auf. Gespannt wartete er, dass seine Mutter weiterredete. „Wir verbringen ja wirklich momentan sehr viel Zeit zusammen, wie du wahrscheinlich mitbekommen hast.“ Das hatte er in der Tat mitbekommen. Es war nicht zu übersehen. Jedes Wochenende unternahmen sie etwas gemeinsam, luden jedoch meist auch T.K. und Matt dazu ein, um Zeit als Familie zu verbringen. Matt wohnte jedoch nur den nötigsten gemeinsamen Aktivitäten bei, weil er der Beziehung seiner Eltern noch immer skeptisch gegenüberstand. Jedoch hoffe T.K., dass er seine Meinung irgendwann ändern würde, sobald er bemerkte, dass ihre Eltern es ernst meinten. „Und naja, dieses ständige Hin- und Herfahren ist halt ziemlich umständlich auf die Dauer und deswegen haben wir uns gedacht, dass wir eventuell wieder zusammenwohnen wollen. Ich meine, das mit uns geht jetzt schon lang genug, dass ich mir sicher bin, dass es ein gutes Zusammenwohnen wäre, weißt du?“ Hoffnungsvoll sah sie ihn an. „Was hältst du davon? Denkst du, das ist eine gute Idee?“ T.K. konnte kaum glauben, was er da gehört hatte. Natürlich hätte er damit rechnen können, dass das früher oder später passierte, doch trotzdem überraschte ihn diese Entscheidung seiner Eltern. „Ich... klar! Das ist eine super Idee!“, sagte er begeistert. „Ehrlich, ich freue mich. Das ist großartig. Wann zieht ihr zusammen? Wollt ihr euch eine neue Wohnung suchen oder bleiben wir alle in einer unserer Wohnungen?“ Natsuko lachte erleichtert. „Hey, nicht so übermütig. Ein bisschen wird es noch dauern. Wir werden erst zusammenziehen, nachdem Matt aus der Schule ist. Ich schätze, es wäre keine gute Idee, jetzt zusammenzuziehen, da er immer noch so... dagegen ist.“ „Ja, stimmt, da hast du Recht“, antwortete T.K. ein klein wenig ernüchtert. „Das ist wirklich vernünftiger.“ Ein paar Minuten sprachen sie noch darüber, wie das Zusammenleben wohl werden würde, bevor seine Mutter ihm eine gute Nacht wünschte und das Zimmer wieder verließ. T.K. ließ sich in seine Kissen sinken und lächelte vor sich hin. Seine Eltern wollten tatsächlich zusammenziehen! Vielleicht würden sie ja sogar noch einmal heiraten. Und diesmal würde es ganz sicher für immer klappen und dann würde Matt in ein paar Monaten einsehen, dass er sich umsonst quergestellt hatte. Er würde verstehen, dass ihre Eltern sich liebten und einfach zusammengehörten und dann konnten sie endlich wieder eine Familie sein. Nach all den Jahren. Mit diesem traumhaften Gedanken wollte T.K. einschlafen, doch das Vibrieren seines Handys auf dem Nachttisch lenkte ihn ab. Er griff danach, um zu sehen, wer ihm um diese Uhrzeit schrieb. Es war eine Nachricht von Hiroshi, einem seiner Klassenkameraden. Er kam gut mit ihm klar und sie spielten auch beide Basketball, doch trotzdem wunderte er sich, warum er ihm gerade jetzt schrieb. Verwundert öffnete T.K. die Nachricht und stellte fest, dass er ihm ein Video geschickt hatte.   Hey, sag mal, ist das nicht dein Bruder mit der Amerikanerin?!   Mit einem flauen Gefühl im Magen spielte T.K. das Video ab und ließ bereits nach zwei Sekunden wie erstarrt das Handy fallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)