Die Karten legt das Schicksal von Strichi ================================================================================ Kapitel 1: Die Narben der ersten Liebe -------------------------------------- Nervös schaute ich auf die Uhr. Ich war sehr angespannt und stöhnte genervt, wegen der vielen Autos vor mir. Hart prasselte der Regen auf die Scheibe meines Wagens. Viertel vor fünf… Dieses verdammte Meeting hatte viel mehr Zeit in Anspruch genommen, als es eigentlich sollte. Eigentlich wollte ich schon vor einer halben Stunde angekommen sein. Doch Madeline kannte es nicht anders. Sie war es eigentlich schon gewohnt, dass ich immer im Stress war, wenn ich zu ihr kam. Ich war wirklich dankbar, dass sie es mir nicht übel nahm. Nicht immer jedenfalls. Gerade als ich Gas geben wollte, drängelte sich ein schnittiger Mercedes vor mir in die Schlange und genervt hupte ich diesem Idioten vor mir an. Dass ich deswegen nicht schneller war, war mir vollkommen egal! „Arschloch“, raunte ich frustriert und strich mir durch die schwarzen Haare. Ich betrachtete das schnelle Auto vor mir. Früher fuhr ich auch einen Sportwagen, doch das war seit nun vier Jahren anders. Papiere lagen auf der Beifahrerseite. Anwaltsschreiben von Brian. Er hatte sich schon seit Jahren nicht mehr gemeldet und nun tauchte er einfach wieder aus der Versenkung auf und machte mein Leben noch voller, als es eh schon war. Ich hasste diesen Menschen und wünschte ihm die schlimmsten Krankheiten an den Hals. Am besten die Pest! Ich wusste, dass man dies nicht tat, doch wenn es um ihn ging, war es mir scheiß egal. Wenn es um ihn ging, konnte ich nicht mehr rational denken oder gar entscheiden! Immer wieder fragte ich mich, wieso ich mich in dieses Arschloch verliebt hatte. Diesen Wichser, der mir fast neun Jahre geklaut hatte. Wie man sich nur so in einem Menschen täuschen konnte, war mir bis heute ein Rätsel. Ich hatte gehofft, ihn zu vergessen, doch das ging nicht einfach. Neun Jahre konnte man schließlich nicht einfach verdrängen. Damals, als ich ihn kennenlernte, hatte ich gerade angefangen auf dem College zu studieren und ich war sehr ehrgeizig. Ich hatte mich für Jura eingeschrieben und es machte mir unheimlich viel Spaß. Ja, es war ein trockener und überlaufener Studiengang, doch es war mir gleich. Mein Ziel war es schließlich, ein Staatsanwalt zu werden. Einer, der für Recht und Gerechtigkeit focht. Dass es heute, neun Jahre später, gänzlich anders in mir aussah, hätte ich damals nie geglaubt. Ich war ein sportlicher, junger Erwachsener. Das Radfahren war meine größte Leidenschaft. Mountainbike fahren war eine willkommene Abwechslung zu meinem Job, bei dem ich eigentlich nur herumsaß. Querfeldein und mitten durch die Wälder um Portland. Auch Schwimmen hatte ich immer gerne gemacht und das Meer war ein stetiges Ziel meiner Reisen gewesen. Ich hatte ein echt tolles Leben. Meine Eltern unterstützten mich, meine kleine Schwester und ich kamen gut miteinander aus und das Leben war einfach unbeschwert. Dass ich schwul war, war für meine Eltern zwar ein kleiner Schock gewesen, doch eigentlich hatten sie es sehr gut weggesteckt. Ich hatte damals einfach Glück gehabt, denn ich wusste, dass es vielen Männern und Frauen anders erging, wenn sie sich outeten. Ich lernte Brian auf der Feier der Erstsemester kennen, einer Erstiparty. Viele waren da und ich war gerade in einem Gespräch, als er mir auffiel. Er schien keinen wirklich zu kennen und wirkte neugierig und doch etwas verhalten, so wie er sich umschaute. Mein Blick fing ihn ein und sein Grinsen wurde breiter, als wir einander ansahen. Seine glatten blonden Haare und die dunklen Augen standen in einem sehr interessanten Kontrast zueinander. Eine moderne schwarze Brille saß auf seiner Nase und lockere Jeans und T-Shirt kleideten den jungen Mann. Ich ging zu ihm und setzte ein charmantes Lächeln auf. Ich wusste, dass viele mich wegen meiner dunklen, schwarzen Haare und der grünen Augen als attraktiv bezeichneten. Auch ich fand mich sicherlich nicht hässlich. Ich war recht groß mit meinen knapp 1,90 m und durch das Radfahren sehr sportlich. Wir kamen ins Gespräch und verstanden uns sofort. Er studierte Mathe und wir redeten über alles Mögliche. Wir vergaßen, während wir sprachen, einfach alles um uns herum. Es war fast magisch, hätte ich gesagt. Es war wundervoll, sich mit ihm zu unterhalten und auch danach trafen wir einander sehr oft. Viel Freizeit verbrachten wir miteinander und eigentlich hatten wir eine tolle Beziehung. Ich fuhr weiter, dachte an Brian und Verbitterung zeichnete sich auf meinem Gesicht ab. Ich wollte eigentlich nicht mehr an ihn denken. Doch die Korrespondenz hatte alles wieder aufgebrochen. Er hatte mein Leben von jetzt auf gleich über den Haufen geworfen, von heute auf morgen. Doch ehrlicherweise, musste ich zugeben, dass unsere Beziehung nicht nur scheiße gewesen war. Eigentlich wünschte man jedem genauso eine Liebesgeschichte, wie ich sie hatte, nur mit glücklicherem Ausgang. Viel waren wir gereist. Thailand, Hawaii, New York, eines unserer größten Ziele war Australien. Doch dazu war es nie gekommen. Nervös trommelte ich auf dem Lenkrad herum, spielte mit dem Gas und beeilte mich endlich durch den Feierabendverkehr zu kommen. Ich erinnerte mich, wie ich ihm in Peru, auf Machu Picchu, einen Antrag gemacht hatte. Ich hatte mir diesen Ort dafür herausgesucht. Ein für mich so magischer Ort. Oben in den Anden, die einst geheime Inkastadt. Ein wahrlich beeindruckendes Meisterwerk der Menschheit. Ja, der Antrag war etwas ganz besonderes gewesen. Ich hätte alles für diesen Mann getan. Wenn ich mich verliebte, dann mit ganzem Herzen. Er war es, der eine große Feier wollte. Also feierten wir mit sehr vielen, von denen ich die meisten gar nicht kannte. Er genoss die Aufmerksamkeit, mir war sie fast schon unangenehm. Da waren wir gerade mal zwei Jahre zusammen, bezahlt hatten alles unsere Eltern. Erneut hupte ich genervt und fluchte laut im Wagen herum, als sich das nächste Auto vor mich drängelte! Ich hörte, dass mein Handy klingelte und bei einem Blick auf das Display sah ich, dass es Alex war, der mich anrief. Ich traf mich seit einigen Wochen mit diesem Mann. Doch außer etwas Spaß hatte sich bis jetzt nichts ergeben. Ich hatte in den letzten Jahren, häufiger flüchtige Affären gehabt. Dank der Freisprechanlange konnte ich das Telefonat ohne Probleme annehmen und gleich sagte ich mit genervter Stimme: „Hey, wunder dich nicht, wenn ich genervt klinge. Der Verkehr ist die Hölle!“ Ich mochte den Mann. Seine offene Art machte ihn mir sympathisch. Doch ich wollte und konnte es einfach nicht überstürzen! Beziehungen lagen mir nicht mehr, glaubte ich. Und trotzdem suchte ich, wenn ich ehrlich zu mir selbst war, nach einer. Ich hasste es, abends alleine auf der Couch zu sitzen und niemanden zu haben, mit dem ich sprechen konnte. Es war einfach langweilig und fühlte sich nicht gut an. „Nicht schlimm“, vernahm ich die klare Stimme des Mannes aus den Lautsprechern, „ich wollte nur fragen, ob du heute Zeit hast…“ Nein, das hatte ich nicht. Ich hatte so gut wie nie Zeit, eigentlich immer nur in meiner Mittagspause oder ein paar Stunden am Wochenende. Ich seufzte schwer und hörte fast schon im selben Moment Alex genervtes Stöhnen in meinen Ohren widerhallen. „Mensch, wieso können wir uns nicht einfach mal treffen?“ Es tat mir leid, dass ich ihn so hinhalten musste. „Jetzt komm schon, Richard“, meinte er und ich hörte die Ungeduld in seiner Stimme deutlich heraus, „Ich habe keine Lust mehr auf dieses Versteckspiel!“ Ich konnte ihn verstehen und irgendwie wollte ich es auch nicht mehr. Ich schämte mich schließlich nicht, weil er ein Mann war! Ich gab mir einen Ruck. „Okay“, meinte ich nach einem Augenblick, „kannst um halb acht vorbeikommen… denke ich… Hey ich muss dich abwürgen… wir sehen uns ja eh gleich…“ Ich wartete, bis er sich verabschiedete hatte und drückte schnell auf den Hörer, um das Gespräch zu beenden. Tatsächlich hatte ich mein Ziel endlich erreicht. War es eine gute Idee Alex jetzt zu mir einzuladen? Es waren schließlich erst drei Wochen, die wir einander kannten und wir hatten einander nie lange gesehen. Traurig betrachtete ich die farbenfrohe Tür der Kindertagesstätte. Wie er auf Madeline reagieren würde? Ich hoffte einfach, er würde anders reagieren als die Anderen. Nach dem Studium war es Brians Wunsch gewesen, dass wir beide ein Kind bekommen sollten. Er wollte unbedingt, dass eine Leihmutter für uns ein Kind gebar. Ich war damals nicht sicher, ob die Idee gut war, doch wie so oft überredete er mich. Mir war es eigentlich zu früh gewesen. Ja, ich ließ mich wirklich zu schnell überreden, meine größte Schwäche! Doch seine Argumente waren gut! Ich hatte einen guten Job als Anwalt gefunden und er war in einem Versicherungsunternehmen beschäftigt. Er schlug vor, seine Stunden zu reduzieren. Wir wären abgesichert und hatten gerade ein Haus bezogen. Die Idee Staatsanwalt zu werden, wollte ich eigentlich immer noch verfolgen, doch er meinte, dass nun die beste Zeit sei ein Kind zu bekommen. Er wollte auf sein Arbeitszimmer verzichten und daraus lieber ein Kinderzimmer gestalten. Alle meine Argumente verpufften und seine Eltern liehen uns erneut das restliche Geld. Ich strich mir über mein Kinn und die Barthaare strichen über die Haut meiner Hand. Wenn ich nicht eingeknickt wäre, wäre vieles sicher anders gelaufen. Vielleicht wäre ich dann jetzt Staatsanwalt, vielleicht würde ich auch einen schnittigen Sportwagen fahren oder könnte jedes Jahr in den Urlaub fliegen. Ich liebte Madeline. Ich liebte meine Tochter und doch hatte ich es mir einfach anders vorgestellt. Ich stieg aus meinem Auto und beeilte mich. Es war bereits kurz nach fünf. Ich wusste, dass der Kindergarten nur bis um fünf geöffnet hatte. Noch bevor ich die Tür erreicht hatte, öffnete sich die bemalte, bunte Tür und meine kleine Tochter lief mir entgegen. Sie hatte die braunen Haare von ihrer Mutter geerbt. Zwei geflochtene Zöpfe fielen ihr über die Schulter und mit hoher, aber auch etwas mahnender Stimme sagte sie: „Daddy, du bist zu spät! Wie immer. Du hast doch versprochen, dass ich heute nicht die Letzte bin…“ Ich hockte mich hinunter und drückte meine Kleine liebevoll an mich. „Tut mir leid, Maddy. Ich konnte nicht eher gehen. Ich hatte so viel Arbeit zu erledigen.“ Trotzig verschränkte sie ihre kleine Arme vor der Brust und blickte mich mit geschürzten Lippen aus ihren grünen Augen fast schon vorwurfsvoll an. Dies hatte sie eindeutig von mir! Das schlechte Gewissen erfasste mich, denn, ja, ich hatte ihr versprochen, sie heute nicht als Letzte abzuholen. Ich nahm meine Tochter auf den Arm. Ihren pinkfarbenen Anorak und die blaue Jeans hatte sie heute Morgen nur unter Protest angezogen. „Dann muss du deinem Boss sagen, dass du gehst“, schimpfte meine Kleine und ich lachte leise. Ihre kleine heile Welt war so wundervoll. Doch ich konnte ihr schlecht sagen, dass es meinem Chef egal war, dass ich Singlevater war, dass es meinem Chef egal war, wenn ich zu spät kam, um meine Tochter pünktlich abzuholen und ich konnte ihr schlecht sagen, wie dringend ich diesen Job brauchte, um uns über die Runden zu bekommen. Zärtlich strich ich ihr einige der Haarsträhnen aus dem Gesicht und gab ihr einen liebevollen und sicher auch kratzigen Kuss auf die Wange. „Wird gemacht“, sagte ich mit sanfter Stimme zu meinem, mir liebsten Menschen auf Erden. Ich hörte, wie eine Tür zuging und sah die Kindergärtnerin an. Wie dankbar ich ihr war, dass sie mir keine Vorwürfe machte, hatte ich ihr noch nie gesagt. Ich wusste nicht, wie ich es in die richtigen Worte packen sollte, ohne dass es falsch rüber kam. „Mr. Prescot, fast pünktlich heute.“, sagte Anna, die Kindergärtnerin, sie wusste, dass mein Mann nicht mehr bei uns war. Vermutlich war dies der einzige Grund, weswegen sie mich nicht abmahnte. Ich nickte ihr höflich und dankbar zu und grinste sie etwas erleichtert an. „Ich hoffe, morgen schaffe ich es wirklich mal pünktlich.“, meinte ich und gemeinsam mit Maddy auf den Arm ging ich zu meinem Wagen. Ich winkte Anna und setzte Maddy in ihren Kindersitz. „Daddy“, meinte sie aufgeregt und kramte in ihrem Rucksack herum, „Ich hab heute was gebastelt! Und Jane, die Jane, die hat mich heute geschubst! Und dann habe, dann habe ich sie geschubst!“ Endlich hatte ich den Gurt befestigt und schaffte es, Madeline ins Gesicht zu blicken. Ihre großen grünen Augen blickten mich erwartungsvoll an. Das Erste, was mir auf der Zunge lag, war: Gut gemacht, lass dich bloß nicht rumschubsen. Doch ich bemerkte, dass Anna noch hinter uns war und an ihrem Auto stand. Sicherlich wollten Pädagogen etwas anderes hören. Ich räusperte mich und mit strengerer Stimme ermahnte ich meine Tochter: „Das macht man nicht. So kannst du keine Probleme lösen und ich schau mir zu Hause an, was du gebastelt hast. Lass es bitte eingepackt.“ Ich schloss die Tür und ich bemerkte, wie Anna mich breit angrinste. Pädagogisch also alles richtig gemacht, dachte ich schmunzelnd und setzte mich in mein Auto. Als ich in den Rückspiegel blickte, bemerkte ich, wie Maddy schmollend in ihrem Sitzt saß. „Schatz“, sagte ich liebevoll zu ihr, „du weißt, dass mir alles gefällt, was du bastelt. Aber wenn du aufgeregt bist, machst du auch vieles schnell kaputt. Zeig es mir einfach zuhause, Mäuschen.“ Es schien, als besänftigten sie meine Worte und als ich mich wieder in den zähen Verkehr einfädelte, lauschte ich den Abenteuern, welche meine Tochter heute erleben durfte. Ich war froh, als ich zu Hause war. Endlich war der Tag vorbei. Doch nur fast. Bis halb acht musste Madeline im Bett sein. Fast schon ärgerte ich mich, dass ich nicht gesagt hatte, Alex sollte besser um halb neun kommen. Er wusste nichts von ihr. Wir hatten uns in einer Bar kennengelernt. Mindestens einmal im Monat versuchte ich einen Samstagabend nur für mich zu haben. Ohne Kind, ohne Verantwortung. Machte mich dies zu einem egoistischen Menschen? Einem schlechten Vater? Vielleicht würden es einige so sehen, doch ich brauchte diesen Tag, diese Stunden. Denn sonst hatte ich das Gefühl, dass ich mich selbst verlor. Ich wollte nicht nur Daddy sein. Ich wollte auch Richard sein und als dieser wahrgenommen werden. Und wenn ich ausging, sagte ich meinen Eroberungen nie, dass ich ein Kind hatte. Es war nie relevant und die meisten wollten keine Kinder. Sie wollten die Verantwortung nicht, die eine Beziehung mit mir mitbrachte. Früher, wenn ich im Fernsehen die ganzen Geschichten der Alleinerziehenden hörte, hatte ich geschmunzelt und immer wieder gedacht, dass die Personen übertrieben. So schwer oder gar anstrengend, könnte es mit einem Kind und Job nicht sein. Und nun hatte ich kaum noch Zeit. Ich stand morgens um halb sechs auf, bereitete vieles vor, machte ein paar wenige Hausarbeiten und, was das wichtigste war, ich trank in aller Ruhe meinen Kaffee. Gegen sechs weckte ich Madeline. Bis sie fertig war, konnte gut eine dreiviertel Stunde vergehen. Sie hatte bereits jetzt einen sehr ausgewählten Kleidergeschmack. Wenn es nach ihr ging, würde sie jeden Tag rumlaufen wie eine wandelnde Regenbogenflagge. Ich versuchte mit ihr zusammen zu frühstücken. Meine Familie hatte immer versucht gemeinsam zu essen und ich wollte dies an mein Kind weitergeben. Doch meistens wollte sie nicht viel Essen. Es war einfach zu früh. Wir teilten uns ein Brot und immer wenn das Radio lief, sprang sie in der Küche herum und versuchte sich im Takt der Musik zu bewegen. Sie war sehr aktiv morgens. Ich hoffte, dass sich dies irgendwann ändern würde. Immer gegen kurz nach sieben verließen wir das Haus und um halb acht war sie im Kindergarten. Ich fand es schrecklich, dass ich nicht mehr Zeit für sie hatte. Sie hatte es eigentlich verdient, dass ich jeden Tag mehr mit ihr unternahm. Dass ich sie nicht den ganzen Tag abschob, doch mehr blieb mir nicht übrig. Mein Chef war nicht begeistert, dass ich erst so spät kam und auch schon so früh verschwinden musste. Anders als meine Kollegen konnte ich nicht über vierzig Stunden in der Woche bleiben. Ich schaffte gerade mal fünfunddreißig! Das schlimmste was passieren konnte, war, dass Maddy krank wurde. Doch die Rechnungen mussten beglichen werden, ebenso, wie die Versicherungen und der Kredit des Hauses. Und ich wollte mir und meiner Tochter ein gutes Leben bieten. Bildung hing in Amerika schließlich davon ab, wie sehr man sein Kind förderte. Ja, mein Tag war vollkommen durchstrukturiert und kaum etwas durfte und konnte diesen Zeitplan durcheinander bringen. Heute würde ich nie wieder über eine Alleinerziehende oder einen Alleinerziehenden schmunzeln. Nie wieder! Ich war tatsächlich dankbar, dass man Lebensmittel bestellen konnte. Es sparte mir oft den Gang in den Supermarkt. Es war komisch gewesen, doch immer häufiger nutze ich diesen Service. Ich half Maddy aus ihrem bunten Anorak und als sie ihre Schuhe einfach liegen ließ, räumte ich sie einfach weg. Ja, sie hätte es selbst machen sollen, doch gerade ging es einfach schneller. Ich folgte ihrem Getippel in die Küche und sah, wie sie ihren Rucksack leerte. Ein etwas zerknicktes, weißes Blatt erschien und stolz hielt sie es mir entgegen. „Hier schau mal“, sagte sie und ich betrachtete die Kinderzeichnung, „Das ist unser Haus, das bin ich und das bist du und das daneben, das ist unser Hund…. Oh bitte Daddy können wir einen Hund haben?“ Ihre großen grünen Augen, den meinen so ähnlich, blickten mich fast schon flehend an. Genervt seufzte ich und nahm das Bild trotzdem an. Immer wieder kam sie mit diesem Wunsch um die Ecke. Immer wieder fragte sie mich, ob wir nicht einen Hund kaufen könnten und jedes Mal endete das Gespräch in Tränen. Ich hatte weder die Lust, noch hatte ich die Zeit, mich um ein Tier zu kümmern. Wann sollte ich das noch machen? Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Madeline! Es gibt keinen Hund. Dafür haben wir keine Zeit.“, meinte ich und meine Stimme klang streng. Zu häufig hatten wir dieses Thema bereits besprochen und zu oft hatten wir uns deswegen gestritten. Ich wollte weder darüber streiten, noch wollte ich mit meiner dreijährigen Tochter diskutieren. „Bitte, Dad“, jammerte sie und als ich den Kopf schüttelte, fing sie an zu weinen. Wie immer. Doch ich tröstete sie nicht. Ich konnte das Thema einfach nicht mehr hören. „Das ist kein Grund zum Heulen!“, meckerte ich und sah meine Tochter mit ebenso verschränkten Armen an, wie sie mich. Wütend stampfte sie mit ihren kleinen Beinen auf den Boden und motze: „Doch!“ Ich schüttelte nur den Kopf. Es würde keinen Hund geben. Bestimmt nicht! Nicht, wenn niemand Zeit für das Tier hatte. Es reichte schon, wenn ich ein schlechtes Gewissen meiner Tochter gegenüber hatte, da brauchte ich nicht noch ein Tier. Ich hasste es, wenn sie dieses Thema aufbrachte. Ich betrachtete die Zeichnung. Wir beide als Strichmännchen vor dem Strichhäuschen. Sie kannte Brian nicht. Nur aus Erzählungen wusste sie, dass da noch ein anderer Vater war. Das Bild war sehr bunt und wild gemalt. In einer Ecke stand in großen und krakeligen Buchstaben ihr Name. „Du hast deinen Namen toll geschrieben“, versuchte ich sie abzulenken und zeigte ihr die Stelle. Immer noch schmollend betrachtete sie das Bild und nickte dennoch. Ich atmete durch und schaffte es, sie wieder anzulächeln. „Schau mal, wir hängen das zu den anderen… Aber ich glaub eins deiner Bilder müssen wir abhängen. Sonst passt es nicht mehr“, sagte ich und ging zu unserem Kühlschrank. Viele Bilder hingen dort. Sehr viele. Gemeinsam mit Madeline entschieden wir, welches der Bilder ich abhängen durfte. Ich hängte das neue Bild an dem Kühlschrank und seufzte schwer. Ich hatte keine Lust zu kochen. Ich war nie ein guter oder gar ein leidenschaftlicher Koch gewesen. Früher hatte Brian immer für uns gekocht. Er konnte es auch sehr gut. Doch im Laufe der Jahre, in denen ich nun mit Madeline alleine war, hatten sich meine Kochkünste verbessert. Zwar brauchte ich oft eine Tüte, aber immerhin bestellte ich nicht jeden Tag oder hielt, wie viele Amerikaner, an einem Fast-Food-Laden. Ich stellte Maddy etwas zu Trinken hin und blickte seufzend in den Kühlschrank. „Hast du heute im Kindergarten viel gegessen? War es lecker?“, fragte ich, denn wenn sie heute schon gut gegessen hatte, brauchte ich jetzt nicht noch wirklich zu kochen. Ich wollte mein Kind schließlich nicht mästen. Sie schüttelte nur den Kopf und trank ihren Eistee. Ja, Eistee war nicht gesund, doch sie mochte keine Apfelschorle und Limo oder Cola wollte ich ihr nicht geben und nur Wasser fand ich zu gemein. „Nein“, meinte sie und stellte den Becher auf den Tisch, „Ich weiß nicht mehr, was es gab. Nudeln! Spangaletti“ Innerlich seufzte ich genervt auf. Da zahlte man jeden Monat so viel und trotzdem bekamen die Kinder selten etwas anderes als Nudeln zu essen. „Spaghetti“, verbesserte ich sie und griff nach einer Paprika. Sie wiederholte das Wort. Ich war froh, dass sie so gut sprechen konnte. Vielleicht lag es auch daran, dass sie so früh in den Kindergarten musste. Sie rannte aus der Küche und ich hörte, wie sie noch rief, dass sie nun spielen wolle. Ich ließ sie machen und versuchte etwas aus dem, was ich noch im Haus hatte, zu kochen. Ich fand in meinem Schrank eine Tüte Hähnchengeschnetzeltes. Es stand zwar nicht drauf, dass man eine Paprika reinschneiden konnte, doch sie würde das Essen sicher nicht schlecht machen. Ich briet alles wie es auf der Packung stand an und horchte ab und zu, was meine Tochter trieb. Doch ich hörte sie lachen und kichern und so wusste ich, dass ich nicht nachschauen brauchte. Dafür war sie gerade einfach zu laut. Ich blickte auf die Uhr. Es war bereits viertel nach sechs und ich spürte, wie ich nervös wurde. Ich freute mich, Alex zu sehen, und doch hatte ich Bauchschmerzen. Eigentlich sollte es nur eine schnelle Nummer werden, doch ich mochte den Charme dieses Mannes und so hatten wir uns immer öfter getroffen. Während ich im Essen herumrührte, schlich sich ein zufriedenes Grinsen auf mein Gesicht. Auch wenn ich es nicht zugab, hatte ich mich in den Mann verguckt. Er sah gut aus, meiner Meinung nach. Dunkel, größer und hatte schwarze, aber kurz rasierte Haare. Er war begeisterter Basketballer und ich wusste, dass er in einem Verein spielte. „Madeline“, rief ich die Treppe hinauf, „Essen ist fertig!“ Schnell deckte ich den Tisch, schüttete ihr Wasser in den Becher und legte ihr ihr Kinderbesteck bereit. Ich setzte sie auf ihren Kinderstuhl und stellte ihr das Essen hin. Wir aßen und immer wieder musste ich sie daran erinnern, dass sie essen sollte. Sie erzählte mir irgendetwas über die Abenteuer, die ihre Einhornfiguren gerade erlebt hatten. Doch eigentlich hörte ich ihr nicht wirklich zu. Kurz glitt mein Blick zu der leeren Tischseite und innerlich seufzte ich auf. Das war einer dieser Momente am Tag, wo ich mir jemanden gewünscht hätte, mit dem ich über meinen Tag sprechen konnte. Jemanden, dem ich meine Sorgen und Probleme anvertrauen konnte. Ich hatte viele Freunde verloren. Nicht, weil sie mit Madeline ein Problem hätten, sondern weil ich so selten Zeit habe. Man verlor sich einfach aus den Augen. Ich wusste, dass ich meine Eltern oder meine Schwester anrufen konnte. Doch sie wohnten weiter weg in Arizona, ich lebte in Oregon, einem sehr grünen und auch sehr bergigen Bundesstaat an der Westküste der USA. Ich lebte in einem Vorort von Portland. Meine Eltern wollten damals, dass ich zu ihnen zog, nachdem Brian einfach ging, doch ich wollte nicht. Unser Haus stand hier und ich hatte Freunde hier, wenn auch nicht mehr viele. Auch war ich einfach zu stur. Ich wolle es alleine schaffen. Nach dem Essen bestand ich darauf, dass Madeline mir half. Sie war durchaus in der Lage, mir die Sachen vom Tisch zu reichen und mitzuhelfen, die Teller in die Spülmaschine zu stellen. Wie jeden Abend setzten wir uns gemeinsam etwas vor den Fernseher und sahen uns eine halbe Stunde ihrer Lieblingsserie an. Ich kraulte ihren Nacken und sie kuschelte sich an mich heran. Ich genoss die Zeit mit meiner Tochter, auch wenn sie viel zu kurz war. „Daddy“, meinte sie nach einem Moment und sah zu mir hinauf. Ich grummelte und sah hinab in ihr Gesicht. „Jane hat gesagt, dass wir keine richtige Familie sind! Wir haben ja keine Mummy, hat sie recht?“, wollte meine Kleine wissen. Ich wusste, dass dies im Laufe der Zeit immer wieder thematisiert werden würde. Sollte ich wieder jemanden an meiner Seite haben, würden viele meinen, dass zwei Männer kein Kind würden großziehen können. Jetzt waren wir anders, weil ich alleine mit ihr war. „Nein, natürlich sind wir eine Familie. Wir kriegen im Schwimmbad doch auch die Familienkarte und ziehen uns in der Familienumkleide um“, meinte ich freundlich und strich ihr die braunen Locken aus dem Gesicht. Sie blinzelte einige Male und nickte dann eifrig. Innerlich lachte ich laut auf. Als ob ich damit irgendetwas erklärt hätte. Ich wollte gerade keine lange oder komplizierte Erklärungen begingen. In 20 Minuten kam Alex, doch ich wusste, dass ich ihr früher oder später alles erklären musste. Den Fernseher ausschaltend grinste ich sie an und zwinkerte ihr freundlich zu. „Siehst du Maddy, diese Jane hat nicht Recht. Wir sind eine Familie und das werden wir immer bleiben“, sagte ich und griff unter ihre Arme und hob sie hoch. Ihr einen Kuss auf die Wange gebend ging ich mit ihr hinauf. Wie jeden Abend meckerte sie, doch auch sie schaffte der lange Tag. Sie machte seit einigen Wochen keinen Mittagsschlaf mehr und dass sie bereits um sechs aufstand, zollte ihren Tribut. Dennoch war sie, wie vermutlich jedes Kind. Sie wollte nicht ins Bett und moserte, als ich sie in ihr Bett legte. „Erschreck dich gleich nicht. Ich bekomme noch Besuch, Mäuschen“, meinte ich lächelnd. Sofort wollte sie wissen wer. Ehrlich sagte ich es ihr und als sie die Person nicht kannte, war sie weit weniger aufgeregt, als ich dachte. Vermutlich war sie einfach sehr erschöpft vom Tag. Ich machte ihr eine CD an und gerade als ich auf der Treppe war, hörte ich es schon an der Tür klingeln. Ich freute mich, dass ich heute Abend nicht alleine auf der Couch sitzen musste und mit einem breiten Grinsen öffnete ich die Tür. Groß war der dunkle Mann und er grinste mich breit an, als er mich sah. „Hey Rick“, meinte er schmunzelnd. Mit Rick stellte ich mich zumeist vor, wenn ich privat unterwegs war. Sofort hatte ich das Gefühl, nicht mehr nur Daddy zu sein. „Komm rein“, meinte ich grinsend und Alex betrat mein Haus. Der dunkle Mann sah sich in meiner Wohnung um und stirnrunzelnd betrachtete er die Schuhe meiner Tochter. Doch er sagte nichts und folgte mir in mein Wohnzimmer. Mein Haus war nicht riesig, doch ich war stolz darauf. Im Flur stand eine Treppe die nach oben führte. Mein Arbeitszimmer, die Schlafzimmer und Badezimmer waren alle im oberen Stockwerk. Durch den Flur betrat man den Wohnraum, an dem die offene und moderne Küche anschloss. Ein Tresen trennte diese beiden Bereiche voneinander ab. Ich mochte es gemütlich, aber auch modern und die große gläserne Terrassentür ließ viel Licht ins Wohnzimmer. Wir setzten uns auf die Couch und sich immer noch umblickend betrachtete Alex ein Stofftier, welches Madeline hier unten vergessen hatte. „Was ist das denn?“, wollte er von mir wissen und nickte zu dem Stoffpferd hinunter. Ich betrachtete das Spielzeug meiner Tochter und griff danach, um es aufzuheben. „Du wolltest doch immer wissen, warum ich so wenig Zeit habe“, sagte ich und strich dem Stofftier über die Mähne. Ich wurde nervös, ich hatte schon öfter Männern gesagt, dass ich ein Kind hatte. Nie endete es gut. Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern und meinte: „Na ja. Ich habe eine Tochter. Sie ist noch drei…“ Die Augen des schwarzen Mannes weiteren sich und fast schon verwirrt betrachtete er mich. „Du hast was? Ein Kind?“, wollte er nach einem Augenblick der Stille wissen. Unsicher nickte ich und nach einem Augenblick schien er sich gefangen zu haben. „Oh… okay.“ Und wie er dieses okay betonte, rutschte mir mein Herz in die Hose. Ich konnte mir denken, was folgen würde. Vermutlich reagierte er wie der Typ davor, dem ich mal sagte, dass ich eine Tochter hätte. „Hey, wir haben zwar Spaß und du bist ein toller Typ, aber ich glaube kaum, dass ich mich irgendwie als Vaterersatz eigne.“, meinte er und kratze sich fast schon verlegen am Kopf. Wieso glaubten eigentlich alle, dass ich einen Vaterersatz suchte. Maddy hatte einen Vater und eigentlich hatte sie noch einen zweiten. Ich brauchte keinen dritten, sie brauchte keinen dritten! Schwer durchatmend meinte ich nach einem Augenblick: „Alex, ich suche keinen Vater. Ich finde dich sogar so nett, dass ich dich hier her eingeladen habe.“, meinte ich und versuchte einfach offensiv den Mann davon zu überzeugen, dass es nicht schlimm war, nur weil ich ein Kind hatte. Ich strich mir meine schwarzen Haare nach hinten und doch fielen sie mir wieder nach vorne. Schwer durchatmend betrachtete mich der Mann und unsicher verzog er das Gesicht. „Hm… Ich weiß noch nicht…“, meinte er und skeptisch betrachteten mich seine dunkelbraunen Augen. Ich hatte gehofft, dass das Gespräch anders verlief, als es nun der Fall war. Es verlief so, wie die ganzen anderen Male, wenn ich jemanden von ihr erzählte. „Ich dachte, dass du schwul bist? Oder warst du dir vorher unsicher und hattest eine Freundin?“, wollte er neugierig von mir wissen. Wie häufig ich diese Frage schon beantworten musste, wusste ich schon lange nicht mehr. Ich schüttelte den Kopf und seufzte schwer. „Nein, ich war…. Na ja ich war verheiratet und wir haben eine Leihmutter genommen“, erklärte ich ruhig. Ich fand es nicht zu persönlich. Ich schämte mich schließlich nicht für meinen Lebensweg. Ich schämte mich weder für meine Tochter, noch wie sie in mein Leben getreten war. Ich schämte mich nicht dafür, dass ich bereits verheiratet gewesen war und ich schämte mich auch nicht, dass es nicht gehalten hatte. Es war schließlich nicht meine Schuld gewesen. Doch gab es bei einer Trennung eigentlich immer einen Schuldigen? Natürlich, in Ausnahmefällen sicherlich immer. Häusliche Gewalt oder wenn einer notorisch fremdging. Überrascht sah mich Alex an. „Und dein Mann? Was ist mit dem?“, wollte er wissen, doch sofort schüttelte ich den Kopf. Ich wollte das niemandem einfach so erzählen. Es war für uns nicht wichtig und wenn ich es ihm irgendwann erzählen wollte, dann würde ich mir einen anderen Zeitpunkt dafür aussuchen. „Er ist nicht hier“, meinte ich ausweichend, „und er wird auch nicht wieder kommen… Da bin ich mir sehr sicher.“ Ich merkte selbst, wie kühl meine Stimme klang. Hart und kalt. Sie ließ die Wut erkennen, welche immer noch in mir schlummerte. „Bor, weißt du Rick… das ist echt nicht ohne, was du da erzählst“, meinte er und es wirkte fast schon verlegen, wie er sich an der Schläfe kratze, „Ich dachte, du hast keine Zeit, weil du dir etwas unsicher bist, weil ich ein Kerl bin oder Schwarz…“ Ich schüttelte den Kopf. Das war nichts, womit ich ein Problem hatte. „Nein“, sagte ich ruhig. Ich hatte gelernt, meine Gefühle nicht zu zeigen. Das musste ich häufig genug bei meinen Klienten. Doch die Enttäuschung machte sich in mir breit. Wie bei meiner Arbeit setzte ich mich auf. Machte meinen Rücken gerade und lehnte mich in den Sitz nach hinten. Als könne die so erworbene Distanz mir helfen, die Worte weniger schmerzvoll auf mich einprasseln zu lassen. „Vielleicht sollten wir es dann einfach so locker lassen“, meinte er und betrachtete mich. „Ich meine, das hat uns doch beiden Spaß gemacht. Und ich habe keine Lust, mich immer mit deinem Ex herumzuschlagen.“ Nachdenklich, wie ich es wohl immer aus Gewohnheit tat, strich ich mir über den Bart. „Würdest du nicht. Er ist eh nicht für sie da.“ Dass er mir gerade über einen Anwalt geschrieben hatte, brauchte ich jetzt nicht zu erwähnen. Es ging ihn schließlich nichts an. Doch Alex schüttelte den Kopf. „Nee du, ich glaube, das lasse ich besser. Ich bin schon schwul und schwarz, stell dir das mal vor mit einem Kind. Was glaubst du, was dann so alles abgeht.“ Wütend verzog ich kurz das Gesicht. Mich interessierte seine Hautfarbe nicht und in meinen Ohren klang es alles nach einer Ausrede! Er konnte die Wut in meinem Gesicht deuten und langsam stand er auf. „Nee, Rick, wirklich tut mir leid. Aber da bin ich raus. Ich meine, der Sex war gut, wir können uns ja weiterhin treffen“, meinte er und schien mich mit einem Lächeln zu besänftigen. Doch es verfehlte seine Wirkung auf mich. Als ob es mir nur darum ging! Doch ich nickte. Ich wusste schließlich nicht mehr zu sagen. „Gut“, meinte ich und erhob mich von meinem Sitz. Ich wusste nicht, was ich von dem Gespräch erwartet hatte. Einfach mal etwas anderes. Schließlich hatte ich ihn zu mir nach Hause eingeladen. Etwas, was ich sonst eigentlich nicht tat. Der Schwarze erhob sich und entschuldigend sah er mich an. „Hey, tut mir wirklich leid. Ich geh besser, du kannst dich ja melden“, meinte er und ich hörte das Bedauern in seiner Stimme deutlich heraus. Ich folgte ihm zur Tür und weder drückte er mich, noch suchte er sonst irgendeinen Körperkontakt und wenn ich ehrlich war, war ich ihm dafür auch dankbar. Ich schloss die Tür hinter ihm und strich mir durch mein Gesicht. Enttäuscht ließ ich mich auf die Couch nieder und schaltete den Fernseher ein und sah doch nichts von dem Programm was lief. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich melden wollte. Kapitel 2: Die Fügungen des Schicksals -------------------------------------- Schrill riss mich der Wecker um halb sechs aus dem Schlaf. Ich hatte nicht gut geschlafen, immer wieder gingen mir Alex' Worte durch den Kopf. Ich verguckte mich wirklich viel zu schnell. Ich bewunderte Leute, denen das nicht so schnell passierte. Und auch Brian und sein Schreiben wollten nicht aus meinem Kopf verschwinden. Dass er wieder plötzlich auftauchte, machte mich wütender, als ich angenommen hätte. Wäre es nach mir gegangen, wäre ich einfach liegen geblieben. Müde und erschöpft strich ich mir durch meine Haare und streckte meine müden Glieder. Laut knackten sie und leise und etwas schmerzvoll stöhnte ich auf. Mein Arm berührte etwas und als ich schlaftrunken neben mich sah, bemerkte ich den braunen Schopf meines Kindes. Ich war so tief am Schlafen gewesen, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, dass sie zu mir kam. Meine grünen Augen betrachteten sie müde. Es war niedlich, dass sie hier war. Ich legte meinen Arm um ihren warmen und kleinen Körper und streichelte ihr liebevoll über den Rücken. Auch sie schien der Wecker geweckt zu haben und müde umklammerten ihre kleinen Hände die Decke. Ihr Stoffhund Bolt lag neben ihr im Bett. Sanft drückte ich sie an mich und streichelte ihre Seite, kraulte sie und wäre selbst fast wieder eingeschlafen. Sie war so schön warm und ich fand, dass sie unglaublich toll roch. „Ich hole dich gleich, meine Süße“, meinte ich mit so sanfter Stimme, wie ich es um diese Uhrzeit hinbekam. Wenn ich mich jetzt nicht zwang aufzustehen, schaffte ich es gar nicht mehr. Ich lächelte leicht und stand müde auf. Ich griff in den Kleiderschrank, holte Anzug und Hemd heraus und verschwand im Badezimmer. Die durchwachsene Nacht, zeichnete sich deutlich auf meinem Gesicht ab, wie ich fand. Die Sorgenfalten auf meiner Stirn schienen heute ungewöhnlich tief und spätestens morgen musste ich mich rasieren. So konnte und wollte ich keinem Klienten gegenüber treten. Ich war froh, dass ich volles schwarzes Haar hatte und ich war auch froh, dass ich nicht allzu viele Brusthaare hatte, zu viele Haare dort mochte ich nämlich nicht. Immer noch müde, stellte ich mich unter die Dusche und hoffte so, endlich richtig wach zu werden. Das Wasser belebte meinen Geist und ich seufzte schwer und zufrieden auf. Ich blieb nicht lange unter dem erfrischenden Wasser. Zu sehr drückte mir die Zeit im Nacken. Nur schnell wusch ich meine Haare und verteilte Duschgel auf meinem Körper und nach gerade mal fünf Minuten war ich bereits fertig. Nachdem ich mir die Zähne geputzt hatte und mich fertig angezogen hatte, verließ ich das Badezimmer. Ich stopfte mir gerade das Hemd in die Hose und verschloss diese, als mein Blick zu meinem Bett glitt. Ab und zu kam es vor, dass Madeline in meinem Bett schlief. Vielleicht, weil sie mich vermisste, ich fragte sie nicht danach. Ich hatte Angst vor ihrer ehrlichen Aussage. Ich blickte auf mein Handy. Keine neuen Nachrichten waren über Nacht eingegangen. Ein gutes Zeichen. Und doch wieder nicht, denn es bedeutete, dass auch Alex mir nicht geschrieben hatte. Doch er hatte mich aufgefordert sich bei ihm zu melden, doch ich wollte es nicht. Der Stolz war zu groß in mir. Vielleicht sollte ich einfach aufhören zu hoffen, dass es mit jedem neuen Typen etwas wird. Es fühlte sich komisch an und tat weh in der Brust. Ich war mir sicher, dass Alex und ich einander nicht wieder sehen würden, jedenfalls nicht so schnell. Doch wenigstens, konnte etwas meine Stimmung heben. Heute war endlich Freitag, das war sehr gut! Eine der besten Nachrichten des Tages! Alex versuchte ich aus meinen Gedanken zu streichen. Der Tag war eh zu vollgepackt. Ich griff nach meiner Tochter und sanft versuchte ich sie zu wecken. „Los komm… Ist zwar etwas eher als sonst, aber los Mäuschen. Wer bei mir schläft, der muss auch mit mir aufstehen“, schmunzelte ich und hob den warmen und schlaffen Körper meiner Tochter einfach aus dem Bett. Müde und ohne etwas zu sagen, klammerte sie sich an mich und drückte ihr Gesicht an meine Schulter. Sie war sogar so müde, dass sie Bolt einfach in meinem Bett liegen ließ. Das könnte bedeuten, dass es ein ruhiger morgen werden würde. Gemeinsam mit ihr auf dem Arm, ging ich hinunter in die Küche. Schwer seufzte ich und legte einen Kaffeepad in den Automaten. Ich brauchte dringend einen Kaffee. Ohne Kaffee ging morgens eigentlich nichts bei mir! Aus dem Kühlschrank holte ich fertigen Kakao und schüttete ihr diesen in einen Becher. Der bunte Becher mit Anna und Elsa drauf, war ihr sehr wichtig. Als der erste ihr vor einigen Wochen hinfiel und zerbrach war der Morgen gelaufen. Gott sei Dank, konnte ich über das Internet einen neuen Becher bestellen. „Warm, oder kalt?“, fragte ich sie und leise und sehr undeutlich, glaubte ich ein kalt zu hören. Also reichte ich ihr diesen und setzte sie auf der Arbeitsplatte ab. Ihr Olaf-Pyjama hatte einige Flecken. Der musste heute also in die Wäsche. Die hatte ich tatsächlich gestern vergessen. Vielleicht sollte ich einfach eine Wäsche machen, bevor ich ging. Müde begann Madeline den Kakao zu trinken und ich hörte sie zufrieden seufzen. Zufrieden atmete auch ich aus, als ich meinen Kaffee trank. Es war niedlich zu sehen, wie sie meine Gewohnheiten übernahm. Ich schaltete das Radio an und gleich begannen die Augen meines Kindes wacher zu werden. Sie liebte Musik, schon immer. Ich war nie ein musikbegeisterter Mensch gewesen. Ich hörte alleine im Auto auch selten Radio, ich hörte lieber Hörbücher. Früher Jugendliteratur, heute Krimis und Thriller. Wenn nicht gerade Benjamin Blümchen, oder Prinzessin Lillifee liefen. Doch Maddy liebte die Musik und am Morgen war ein wenig Beschallung sicherlich nicht verkehrt. Immer wieder glitten meine Gedanken zu Alex und der Abfuhr, welche ich in meinem eigenen Haus bekommen hatte. Ich war froh, dass ich Madeline nie meine Affären vorstellte. Sie brauchte sie einfach nicht kennen. Denn auf Sex wollte ich nicht verzichten. Ich kannte die Plätze in der Stadt. So genannte Cruisingplätze. Orte an denen sich Homosexuelle trafen und unkompliziert miteinander Spaß haben konnten. Es war mir gleich, dass viele es sicher nicht gut heißen würden, doch ich hatte nicht immer Lust und Zeit, es auf anderem Wege zu versuchen. Ich bekam, was ich wollte, wenn ich dort war, Sex. Liebe oder Freundschaft konnte man dort nicht finden oder ich jedenfalls nicht. „Daddy“, fragte Maddy, strich sich über ihre grünen Augen und die holte mich in die Realität zurück, „Können wir McDonalds essen? Die haben Einhörner und ich will Rainbow.“ Ich schmunzelte und verbesserte: „Bei McDonalds essen, nicht McDonalds essen. Und na gut. Warum nicht. Aber wenn sie dieses komische Ding nicht haben, dann wird nicht geweint, sonst verlassen wir den Laden sofort.“ Empört sah mich Madeline an und wie ich, wenn ich ernster sprach, stellte sie ihren Becher beiseite. „Das ist kein komisches Ding. Das ist Rainbow!“ Ich war nicht schlauer als vorher und trotzdem nickte ich nur. Egal war es war, sie fand es gerade toll. „Kann sein“, meinte ich ausweichend und holte Cornflakes aus dem Schrank, „Trotzdem weinst du nicht, wenn es nicht da ist. Haben wir uns verstanden, Madeline?“ Ich versuchte es zu verstehen, wenn sie wegen so etwas anfing zu weinen, doch dafür fehlte mir schlichtweg das Verständnis. Als sie sich in einem Supermarkt auf den Boden schmiss und lauthals brüllte, ließ ich sie einfach liegen. Darauf hatte ich weder Lust, noch tröstete ich sie wegen einer nicht bekommenden Süßigkeit. Schon einmal, hatten wir unter lautem Geschrei ein Fastfood Geschäft verlassen, ohne etwas zu kaufen. Sie wusste also, dass meine Androhung ernst gemeint war. Sie nickte nur und ich schüttelte ihr einige der Cerealien in eine bunte Schüssel. Ebenfalls mit Anna und Elsa drauf. Wir brauchten schließlich alles davon. Madeline kletterte selbst von der Arbeitsplatte und ich reichte ihr den Kakao wieder. Auch ich zwang mich eine Schüssel zu essen und wie am Abend saß ich alleine mit ihr am Tisch. Natürlich fragte mich Madeline nicht, was mein Tag bringen würde. Natürlich nicht! Dass mich ihr Vater angeschrieben hatte, wollte ich ihr nicht sagen. Auch nicht, wie wütend es mich machte. Die Papiere lagen seit gestern unverändert bei den anderen wichtigen Dokumenten. Er hatte uns verlassen, als Madeline fünf Monate alt war. Die Zeit nach der Geburt war schön und alles war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Wir bekamen wenig Schlaf und Madeline forderte viel Aufmerksamkeit. Ich hatte die ersten drei Wochen frei gehabt und versuchte Brian damals mit Maddy und der neuen Situation zu unterstützen. Er war begeistert von dem Kind gewesen. Hatte sie jedem gezeigt und jedem gesagt, dass sie seine Nase und seine Lippen hatte. Doch mit der Zeit, als der neue und veränderte Alltag kam, wurde er unzufriedener. Alles drehte sich plötzlich um das Kind. Er beschwerte sich, dass ich nicht nachts aufstand, um nach ihr zu sehen. Dass ich arbeiten musste und er Zuhause war, schien ihm vollkommen egal. Er beschwerte sich, wenn ich da war und er beschwerte sich, wenn ich nicht da war. Ja, wir hatten es so geregelt, dass ich arbeiten ging und er Zuhause blieb und von dort aus arbeitete. Also wollte ich auch nichts mehr machen, wenn ich um halb sechs von der Arbeit kam. Haushalt und Kind waren seine Aufgaben gewesen. Vielleicht hätte ich ihm helfen sollen. Vielleicht hätte ich ihm nicht immer sagen sollen, dass er doch den weniger stressigen Tag hatte. Doch die Tage waren lang und wenn ich Zuhause war, wollte ich einfach meine Zeit genießen. Dass Madelines Augen dann auch noch grün wurden und ihre Haare dunkler, ließ ihn ungehalten werden. Wir stritten viel darüber. Ich hatte nie darauf bestanden, dass wir das Schicksal entscheiden lassen sollten, wer der biologische Vater unseres Kindes werden sollte. Es war seine Entscheidung gewesen, wie so vieles. Und das Schicksal hatte uns die Karten so zugespielt, wie sie nun einmal waren. In einem unserer letzten Streitgespräche warf er mir wütend an den Kopf, dass er enttäuscht sei, dass ich ihr „richtiger“ Vater sei. Ich fand es albern. Mir war es immer egal gewesen und das sagte ich ihm auch. Madeline liebte schließlich uns beide! Ihm war es aber nicht gleich. Dies hatte ich im Laufe der Zeit verstanden. Als er eines Abends die Koffer packte, hielt ich das alles nur für einen schlechten Scherz. Er verließ mich und was noch schlimmer war, er verließ seine, unsere Tochter. Er war ihre Bezugsperson. Auch wenn auf einem Stück Papier gedruckt stand, dass er nicht ihr Vater sei, hätte all dies nicht die Gefühle gegenüber des kleinen Menschen ändern können. Ich erinnerte mich nicht gerne an diese Zeit zurück. Verzweifelt versuchte ich damals, dass Brian wieder käme. Ich hatte ihn schließlich sehr geliebt! Doch er verschwand, tauchte unter. Später erfuhr ich, dass er sich neu verliebt habe. Vermutlich ging es schon länger so. Das Gefühl betrogen worden zu sein, schmerzte sehr und ich konnte es nie wirklich beschreiben. Seither hatte er Madeline nicht wieder gesehen und wollte auch wirklich nichts von ihr wissen. Am Anfang versuchte ich ihn zu überzeugen wieder zu kommen. Ich hätte ihm verziehen. Doch er antwortete auf keine Nachricht, auf keine Mail und aus Wochen wurden Monate und aus Monaten schließlich Jahre. Geburtstage verstrichen und nie meldete er sich bei uns, bis dieser Brief gestern ankam. Auch Brians Eltern distanzierten sich von mir. Als sie mir vor eineinhalb Jahren dann sagten, dass Madeline nicht ihre Enkelin sei, brach ich jeglichen Kontakt zu der Familie ab. Meine Familie lebte weit weg und meine Freunde hatten auch ihr Leben. Natürlich unterstützen sie mich. Sie passten auf Madeline auf und doch konnte ich sie nicht jede Woche einfach von morgens bis abends weggeben. Ich erinnerte mich, wie ich in meiner Verzweiflung den Weg zum Jugendamt suchte. Ich hatte Angst vor diesem Gang. Doch im Nachhinein bereute ich nicht, dass ich mir Hilfe suchte. Die Sozialarbeiter versuchten ihr Möglichstes. Und nur dank ihrer Hilfe konnte ich Madeline in dem Kindergarten anmelden, in dem sie bis heute war. Ich hatte vieles im Leben meines Kindes verpasst. Das erste Krabbeln, den ersten Schritt. Noch heute erinnerte ich mich, wie sie das erste Mal sprach. Etwas, wo ich dabei war und nicht eine Erzieherin in einer Einrichtung. Etwas, was ich am nächsten Tag stolz berichten konnte. Dank der Hilfe des Jugendamtes hatte ich Nummern bekommen. Nummern von Tagesmüttern und konnte mir nach und nach ein eigenes Netzwerk aufbauen. Doch all dies hätte ich nie ohne meinen besten Freund und seine Frau geschafft. Sarah und Phil waren mir die besten Freunde. Phil kannte ich bereits seit der High School. Wir hatten damals Glück, dass wir an derselben Universität studieren konnten. Ich war Trauzeuge auf seiner Hochzeit. Zwei Wochen, nachdem Brian uns verlassen hatte, klingelte ich bei Sarah und Phil. Madeline hatte die ganze Nacht geschrien. Sie bekam ihre Zähne und auch den Tag über war sie nur am Schreien gewesen. Ich spürte, dass sie ihren Vater vermisste. Und da sie es nicht in Worte fassen konnte, schrie sie nach ihm. Ich war außer mir. Ich wusste nicht, wie ich sie beruhigen konnte. Ich war nicht stolz darauf, doch ich schrie sie an. Ich schrie das kleine Baby damals an, als mache es das mit Absicht. Als wollte sie mich ärgern. Der Drang, sie zu packen und zu schütteln wuchs damals und erschrocken, verließ ich das Kinderzimmer. Das ich das je gedacht hatte, ließ mich bis heute nicht los. Es war der Moment als ich erkannte, dass ich Hilfe brauchte. Der Moment, wo ich weg musste! Ich packte eine Tasche und stellte Maddy bei Phil und Sarah ab. Sie wollten wissen, was los sei, doch ich konnte einfach nicht sprechen! Ich fuhr weg. Weit weg. Ließ mich damals volllaufen und vögelte mit irgendwelchen Fremden, ging zu sogar zu einem Stricher. Wenn Brian mit anderen vögeln konnte, dann konnte ich das schließlich auch! Ich rauchte das erste Mal einen Joint und wollte nie wieder kommen. Vier Tage dauerte dieser Exzess und als ich wieder zu mir kam, war ich ein reines Nervenbündel gewesen. Ich hätte fast meiner eigenen Tochter wehgetan. Und als ich merkte, dass ich dies auch gerade in diesem Moment tat kamen die Tränen. Madeline brauchte mich. Auch wenn es Brians Wunsch war, dieses Kind zu bekommen, liebte ich sie deswegen nicht weniger und so fuhr ich zurück. Klingelte bei meinen besten Freunden und bat sie, mir zu helfen. Bis heute unterstützen sie mich und sie gaben mir damals den Mut, mich beim Jugendamt zu melden. Nie hatten sie mir Vorwürfe gemacht und standen mir einfach bei, wenn es nicht mehr ging. Bis heute. Sarah und Phil würden selbst bald Eltern werden und ich freute mich für meinen besten Freund. Ich betrachtete meine Große. Sie konnte sich an diese turbulente Zeit nicht erinnern. Müde stocherte sie in ihre Essen herum. Spätestens, nach dem Teller würde sie wacher werden und wie ein Wirbelwind durch das Haus fegen. Ich kannte sie schließlich. „Dad?“, fragte sie und strich mit ihrer Hand durch ihre Haare, „Können Fahrrad fahren?“ Ich schmunzelte leicht. Meine Leidenschaft hatte ich nicht aufgegeben. Ich wollte weiterhin Radfahren. Und so hatte ich mir einen Sitz für sie besorgt, welchen ich hinter mir befestigen konnte. Sie hatte zwar ein Kinderrad, doch dafür war sie einfach noch etwas zu klein. Natürlich konnte ich mit ihr auf dem Rad nicht mehr quer Feld ein Fahren, doch längere Strecken waren kein Problem. „Klar, können wir machen. Und es heißt: Können wir Fahrrad fahren. Aber morgen erst“, meinte ich lächelnd und begeistert nickte sie. Pünktlich um kurz nach sieben verließen wir unser Haus. Brote für den Kindergarten waren geschmiert und auch ich hatte ein Lunchpaket dabei. Ich brachte sie in den Kindergarten und nahm mir heute die Zeit, dass sie mir ihre Lieblingsspielecke zeigen konnte. Es waren noch nicht viele Kinder dort. Die meisten kamen gegen acht. Ich fuhr zur Arbeit und war um kurz nach acht im Büro. Einige meiner Kollegen waren schon da und einige würden noch kommen. Ich arbeitete für eine große Kanzlei, welche sich vor allen dadurch auszeichnete, dass sie geldgeilen Geschäftsleuten half, mit ihren Machenschaften unbeschadet durchzukommen. Ich selbst war aber eigentlich auf Strafverfolgung spezialisiert. Mein Wunsch, irgendwann Staatsanwalt zu werden war noch nicht gänzlich ausgeträumt. Ich war schließlich erst einunddreißig! Gut, in zwei Monaten nicht mehr, aber ich war eindeutig nicht alt! Ich hatte ein eigenes Büro. Ein großes Fenster ließ den Blick auf eine volle und belebte Straße zu. Eine dunkle Sitzecke stand an einem Ende und ein Schreibtisch in der anderen. Eine grüne Palme wäre ohne die Führsorge meiner Assistentin vertrocknet. Ich hatte hier kein Bild meiner Tochter auf dem Schreibtisch stehen. Hier war ich Mr. Prescot, doch natürlich wussten meine Kollegen von ihr. Wir unterhielten uns schließlich. Ich schaltete meinen Laptop ein. Gerichtstage waren immer Dienstag und Donnerstag vormittags, heute konnte also der ganze Papierkram erledigt werden. Ich tippte einige wichtige E-Mails und führte gerade ein wichtiges Gespräch, als Benjamin in mein Büro kam. Ich deutete an, dass er sich setzten sollte und erklärte meinem Mandanten, wie der weitere Vorgang seines Verfahrens war. Der Vorteil bei Geschäftsmenschen war, dass Zeit für sie Geld war. Sie erzählten nur das wichtige. Schnell war das Gespräch zwischen uns beendet und genervt ließ ich den Hörer auf die Gabel fallen. „Morgen Ben“, meinte ich und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und betrachtete den Mann vor mir. „Morgen Richard“, meinte er und fragte gleich, wie nervig der Klient war. Ich schmunzelte Ben an und verdrehte spielerisch genervt die Augen. „Er ist total unschuldig. Wie alle.“, meinte ich scherzhaft und wir grinsten einander an. Ben war Ende dreißig. Hatte einen leichten Bauch und war seit einigen Jahren hier. Er war geschieden und sah seine Kinder häufig nur am Wochenende. Er war sehr ernst in seinem Beruf und privat ein Witzbold. Ich schätze ihn sehr als Kollegen und als Menschen. Er sah zwar nicht sonderlich gut aus, mit dem etwas lichten Haar und dem Doppelkinn, doch Geschmack lag immer im Auge des Betrachters. Ben war seit fünf Jahren hier, ich seit drei. Ich hatte den Job dank eines Bekannten bekommen und dank der Klienten konnte man gut verdienen. Ich war gerne Anwalt und ich sagte es auch jedem, doch, dass mein eigentlicher Wunsch etwas anderes war, behielt ich für mich. „Du hattest mir geschrieben, dass du meine Rat brauchst, worum geht es?“, fragte er und lehnte sich entspannt auf den Stuhl zurück und betrachtete die Motivationsbilder an der Wand. Mir gefielen sie sehr! Ich hatte vier Stück in einer Reihe anbringen lassen. Allgemein mochte ich mein Büro gerne. Nur der graue Teppich war hässlich und ich wollte nichts essen, was auf diesen gefallen war. „Ach ja.“, meinte ich und stand auf und verschloss die Tür meines Büros, „Es geht um eine private Angelegenheit… Mein Ex-Mann hat mir geschrieben. Ihm scheint plötzlich eingefallen zu sein, dass er ein Kind hat. Er will sie wieder bei sich haben und du sagtest mir mal, dass du dich früher auf Familienrecht spezialisiert hattest.“ Sich aufrichtend betrachtete mich Ben und musterte mich. Jetzt war er nicht mein Kollege, sondern der Anwalt. Ernster blickte er mich an, als noch vor wenigen Augenblicken. Ich hörte, wie er wütend die Luft aus seiner Lunge presste. „Ach? Nach all der Zeit? Wie kommt es?“, wollte er von mir wissen. Gerade, als ich etwas sagen wollte klingelte mein Telefon. Ich kannte die Nummer nicht und drückte sie einfach auf stumm. Wenn es wichtig war, sollte die Person auf den Anrufbeantworter sprechen. „Ich weiß nicht“, meinte ich und strich mir nachdenklich über das Kinn, „Er hat jetzt eine Freundin. Wusste gar nicht, dass er auch etwas von Frauen will… Soll mir aber gleich sein. Doch jetzt kommt sein Anwalt mit der Behauptung Madeline wäre bei ihnen besser aufgehoben, weil sie in ihrer Entwicklung eine weibliche Bezugsperson braucht. Ich kann und will mich dabei nicht selbst verteidigen. Ich könnte wegen Beleidigung des Gerichtes verwiesen werden, wenn wir uns nicht außergerichtlich einigen.“ Ich grinste und ja, es klang wie ein Spaß, doch eigentlich war es mein vollkommender Ernst. Nachdenklich nickte Benjamin und betrachtete mich. „Hm… ich kann es mir anschauen, aber wenn ich das nicht annehme, dann kann ich das, wenn du magst, einem Freund von mir geben. Der ist immer noch als Familienanwalt tätig.“ Sofort nickte ich und bedankte ich mich höflich bei meinem Kollegen. „Ach keine Ursache. Ist deinem Ex-Mann nicht klar, dass er damit kaum Chancen hat? Madeline lebt schon immer bei dir und sie ist ein tolles Kind. Es gibt genug Singleväter.“ Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern. Seit er einfach verschwunden war, hatte ich das alleinige Sorgerecht. Vielleicht wollte er auch einfach nur wieder regelmäßig Kontakt zu seiner Tochter. Doch wenn er gleich mit Kanonen auf Spatzen feuerte, brauchte er sich nicht wundern, wenn man mit der gleichen Härte zurückschlug. Hätte er mich angerufen und gefragt, ob er sie mal sehen dürfte, wäre ich sicherlich nicht begeistert gewesen. Doch so stellte ich mich eben extra quer! Einfach so, wollte ich nicht, dass er wieder in das Leben meines Kindes trat. Auch sie hatte ihn damals schließlich vermisst, auch wenn sie es nie aussprechen konnte. Sie war damals sehr weinerlich gewesen und ließ sich von mir nur schwer trösten. „Ich weiß nicht, ob es ihm bewusst ist oder nicht.“, meinte ich nachdenklich und kratze mich etwas unsicher an der Schläfe. „Na ja, Rick“, meinte er und ich erkannte, dass er gerade der private Ben war, denn sonst nannte er mich nie Rick, „wir schaukeln das. Ob wir beide oder du gemeinsam mit meinem alten Bekannten.“ Ich war ihm dankbar und sagte ihm, dass ich ihm die Unterlagen zuschicken würde. Er verließ mein Büro und ich hatte ein besseres Gefühl, als zuvor. Ich liebte den Freitag. Freitags war es häufig sehr ruhig im Büro. Ich machte einige Schreiben fertig und gab diese in die Post. Wir waren eine große Kanzlei und viele Anwälte arbeiten hier. Ich verzichtete auf eine lange Mittagspause und aß mein Essen während der Arbeit. Ich wollte heute endlich mein Versprechen einlösen und Madeline nicht als Letzte aus dem Kindergarten abholen. Endlich, um viertel nach drei, schaffte ich es meinen Computer hinunterzufahren. Ich späte aus meinem Büro und sah, dass das Zimmer meines Chefs zu war. Ich mochte ihn nicht, also sagte ich schnell Ben und einigen weiteren Kollegen Tschüss und verschwand endlich in den ersehnten Feierabend. Um viertel vor vier war ich durch Freitagsverkehr gekommen und als ich den Kindergarten betrat, hörte ich bereits die lauten und schrillen Stimmen vieler Kinder. Stolz breitete sich in mir aus. Heute würde ich Madeline nicht enttäuschen. Ich grüßte Anna und fröhlich sah sie mich an. „Mr. Prescot“, meinte sie überrascht und erfreut zu gleich, „da wird sich Madeline aber freuen!“ Ich nickte und meinte: „Das will ich doch hoffen. War sie brav? Wie macht sie sich?“ Anna, oder Miss Davis, lachte leise und meinte: „Keine Sorge, sie macht sich gut. Sie ist nur ab und zu eine kleine Egoistin und sollte vielleicht mal lernen zu teilen. Wenn sie Kinder nicht mag, zeigt sie das doch sehr. Sie hat heute aber niemanden gebissen.“ Ich nickte nur. Ja, dass zeigte sie deutlich. Doch sie musste als Kind nicht jeden mögen, aber natürlich sollte sie nicht schreien, treten und beißen. Ich erinnerte mich, an die Diskussion mit einer Mutter. Madeline hatte ihre Tochter gebissen, nachdem ihr Kind meinem etwas weggenommen hatte. Natürlich war ich immer auf der Seite meiner Tochter, doch so ein Verhalten sollte sie sich nicht angewöhnen. Ich betrat den großen, bunten Gruppenraum. Ich sah meine Tochter sofort. Sie saß in der Puppenecke gemeinsam mit einem ihrer Freunde. Taylor. Beide hatten Puppen zur Hand und spielten. Ich lehnte mich an die Tür und beobachtete meine Tochter. Wie sie mit Taylor spielte und einfach fröhlich am Lachen war. Ich gab mir einem kurzen Moment, in dem ich dem Kind zusah, bevor ich mich auf den Weg machte, um sie abzuholen. Nein, Brian würde sie sicher nie bekommen! „Maddy“, rief ich sie und viele Kinder drehten sich zu mir um. Fröhlich sah sie auf und winkte mir glücklich zu. Ich strich ihr kurz über den Kopf und lächelte sie leicht an. „Na los, wir fahren jetzt nach Hause. Und heute bist du nicht die Letzte, die abgeholt wird.“ Doch so schnell, wie ich gehofft hatte, ließ mich mein Kind nicht gehen. „Warte noch kurz. Ich spiel gerade mit Taylor. Ich bin die Mama und Taylor ist Papa und der Hund! Er ist beides!“ Ich lachte leise und nickte. Woher sie diese Fantasie nahm, war mir manchmal schleierhaft. Ich spielte nicht viel mit meiner Tochter. Ich konnte es schlecht. Brettspiele oder so etwas wie Memory waren okay. Doch Puppen oder so etwas, wollte ich nicht mit ihr spielen. Dann ging ich lieber raus und wir kickten uns einen Fußball zu. Was sie noch nicht gut konnte, eigentlich gar nicht. Sie meckerte zwar manchmal, aber eigentlich kannte sie es nicht anders. Immer noch plapperte sie und nur mit halben Ohr hörte ich ihr zu. „Ich habe auch wieder einen Hund gemalt“, meinte sie und mit einer Unschuldsmiene, welche mich nicht blenden konnte, meinte sie mit fröhlicher, hoher Stimme: „Ich weiß ja nicht, warum ich Hunde immer male…“ Ich weigerte mich, weiter auf das Thema einzugehen und meinte: „Wir haben nicht viel Zeit. Komm zieh die Jacke an, aber räum die Sachen weg, mit denen du gespielt hast.“ Ein wenig schmollend packte sie gemeinsam mit Taylor die Sachen zusammen. Schon häufiger hatte Taylor bei uns gespielt oder Madeline war bei ihm gewesen. Auch, wenn ich die Zeit sehr genoss mit meinem Kind, sollte sie ihre Freunde auch in der Freizeit sehen. Ich hielt mein Versprechen und gemeinsam gingen wir an diesem Tag zu McDonalds und zur Freude meiner Tochter bestellte ich mir auch ein Happy Meal. Sie bekam also gleich zwei Einhornfiguren. Doch abends, als ich auf der Couch saß und Maddy längst im Bett war, spürte ich wieder die bleierne Leere. Die Einsamkeit, welche an mir nagte und einfach zur Unterhaltung ließ ich den Fernseher laufen. Erschöpft ließ ich die Schultern hängen. Ich fühlte mich gerade nicht, wie ein Mann in seinen besten Jahren. Ich fühlte mich elendig alt und müde. Langsam erhob ich mich von der Couch und tat etwas, was ich seit langem nicht mehr gemacht hatte. Alte Fotoalben heraus kramend begann ich mir alte Bilder anzuschauen. Viele, nein eigentlich alle Bilder waren aus dem Leben, welches ich mit Brian hatte. Man durfte mich nicht falsch verstehen, ich liebte diesen Mann nicht mehr, ich vermisste ihn nicht, doch ich vermisste das Leben, welches ich mit ihm alleine hatte. Das Ausgehen, die Spontanität und einfach die Freiheit. Ich vermisste es, nicht alleine auf der Couch zu sitzen. Ich vermisste Erwachsenengespräche am Tisch. Mir war bewusst, dass es auch mit Brian jetzt anders wäre. Jetzt wo Madeline auf der Welt ist. Dass man nicht mehr spontan irgendetwas machen konnte, dass man nicht mehr spontan Ausgehen konnte, doch irgendwie, wäre es anders. Ich hätte kein schlechtes Gewissen, das ich zu wenig da war. Würde nicht so hetzen, könnte mich fallen lassen und brauchte nicht immer stark sein. Ich könnte nachfragen, wenn ich unsicher war, was Madeline betraf. Ich wäre kein Einzelkämpfer. Ich vermisste es, mich einfach fallen lassen zu können. Ich blätterte um und sah mein eigenes, so viel jüngeres Ich. Ich schmunzelte, als ich mich betrachtete. Früher hatte ich ein Sixpack, jetzt fehlte das Training dafür. Doch ich war froh, dass ich nicht dazu neigte, dick zu werden. Bei einem Bild blieb ich hängen. Es war ein Bild, welches nach einer Mountainbiketour gemacht wurde. Ich sah total verdreckt aus. Schlamm im Gesicht, auf dem Helm und der Kleidung. Nur noch selten fuhr ich so und auch meine Kondition hatte gelitten. Doch, als ich das Bild sah, nahm ich mir vor nächste Woche einen Ausflug in die Berge zu machen. Vielleicht fragte ich einfach Phil und Sarah, ob sie Maddy für wenige Stunden nehmen würden. Kapitel 3: (Un)Erwünschte Begegnungen ------------------------------------- Zufrieden lächelte ich, als ich mich montags auf dem Sitz eines Diners nieder ließ. Es war in der Nähe des Gerichtes und es war dafür bekannt, dass viele Homosexuelle hier verkehrten. In einer Ecke sah ich zwei Frauen, welche sich an den Händen hielten und an einem anderen Tisch hatten zwei Männer die Köpf zusammen gesteckt und flüsterten sich etwas ins Ohr. Ich ging gerne hier hin. Es war nicht so, dass ich immer in Schwulenbars oder andere Etablissement ging, welche dafür berühmt und berüchtigt waren. Doch hier konnte man einfach den einen oder anderen netten Kerl anschauen, ihn betrachten und niemanden damit in Verlegenheit bringen, wenn es auffiel. Und wer blickte nicht gerne netten Typen auf den Hintern, wenn man schwul war. Ob ich ein Beuteschema hatte? Das wusste ich selbst nicht genau. Natürlich mochte ich sportliche und athletische Körper, wer nicht? Mir ging es da sicher nicht viel anders, als anderen. Ich selbst wollte ja auch gerne wieder sportlicher sein. Tatsächlich war ich am überlegen, mir einen Hometrainer zu besorgen. Vielleicht kam ich dann zuhause auch auf andere Gedanken und schaute abends nicht immer nur auf die Matscheibe. Doch eigentlich, war es mir wichtiger, dass die Männer eine angenehme Ausstrahlung hatten. Alex hatte sich das ganze Wochenende nicht gemeldet und ich war zu stolz, um ihm zu schreiben. Ich versuchte das Thema einfach abzuhaken. Eigentlich hatte ich gleich einen Termin, doch spontan rief mich mein Klient an. Er würde sich um eine ganze Stunde verspäten, da er einen anderen Termin verpennt hatte. Ärgern brachte nichts. Hier in dem Café war es gerade angenehmer zu arbeiten. Der Geruch von frischem Kuchen und Kaffee lag in der Luft. Es war kühl draußen, aber nicht nass und man spürte, dass der Frühling gekommen war. Das sanfte Summen der Stimmen war nicht zu laut und ließ sich gut ausblenden, wenn man wollte. Also genoss ich es einfach hier zu sitzen. Emails konnte ich auch von meinem Handy aus checken und Telefonate ebenso führen. Vermutlich hätten viele gesagt, dass man dies nicht machen sollte, mit seinem privaten Handy. Aber nicht jeder bekam meine Nummer. Doch eigentlich war es mir gleich, wenn ich eine Nummer nicht kannte ging ich nach 18 Uhr nicht mehr an mein Handy! Es war bereits viertel nach zwei und wenn der Termin später stattfinden würde, konnte mein Chef sich sicherlich nicht beschweren, wenn ich im Außendienst endete. Es schien ein guter Montag zu werden. Ich war auch zufrieden, weil ich deutlich den Muskelkater spürte, den das Radfahren in meinen Oberschenkeln hinterlassen hatte. Gemeinsam mit Maddy war ich weit und viel Fahrrad gefahren. Wir waren fast den ganzen Tag unterwegs gewesen. Sind durch die Stadt gefahren, haben an Spielplätzen gehalten, waren im Wald gewesen, waren etwas Essen und wenn wir etwas Interessantes gefunden hatten, hielten wir an. Auch den Sonntag hatten wir so, als kleine Familie verbracht und waren abends zum Essen bei Sarah und Phil gewesen. Es war einfach toll, den ganzen Tag aktiv zu sein. Nicht hinter einem Schreibtisch zu stecken und vor allem, die Zeit mit meiner Tochter so gut es ging zu nutzen. Dick eingepackt hatten wir auch nicht viel gefroren. Ich las mir gerade eine E-Mail eines Arbeitskollegen durch, als ich hinter mir Bewegungen wahrnahm. Doch noch bevor ich mich umdrehen konnte spürte ich, dass mir etwas auf den Kopf fiel. Es tat nicht weh und ein Donut fiel auf meinen leeren Teller. Ich blinzelte verwirrt das Teilchen an und sah hinter mich. Verwirrt sah ich gegen einen breiten, wohl durchtrainierten Oberkörper. Das blaue Hemd saß enger, aber nicht zu eng. Mein Blick glitt hinauf, in das Gesicht des Fremden. Seine Haare waren dunkelbraun, kurz und vom Wind zerzaust worden. Er hatte einen modernen Haarschnitt und einige der Haare fielen ihm leicht über seine Ohren. Auf der Stirn waren tiefere und weniger tiefe Denkfalten zu erkennen. Seine Augen waren groß und von einem sehr satten und dunklen Braun. Sie wirkten warm, was mir gefiel, mochte ich dunkle Augen doch sehr. Er trug einen drei Tage Bart, wie viele Männer derzeit und ich fand, dass er ihm sehr gut stand. Die schmalen Lippen hatte er gerade aufeinander presst und ein erschrockener und fast schon entsetzter Ausdruck war auf seinem Gesicht zu erkennen. Er war recht groß und trug eine dunkle Jacke, über seinem Hemd. Eine Jeans kleidete den Mann vor mir und ließ kräftige und trainierte Beine erahnen. Wie wohl sein Hintern in der Jeans wirkte, fragte ich mich, eher ich mich von dem Gesicht des Mannes losreißen konnte. Ich griff nach dem Donut und sah ihm fragend ins Gesicht. „Deiner?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort kannte. Ich hörte ihn schwer seufzen und verstand nicht weswegen. Sein Blick war härter, als ich annahm und nur knapp nickte er. „Ja“, sagte er und seine tiefe und etwas leise Stimme drang an meine Ohren. Ich spürte, wie er mich musterte. Seine dunklen Augen glitten von meinen grünen Augen, über mein Gesicht und sahen an mir hinab. Ich reichte ihm sein Gebäck und leicht nickend nahm er es mir ab. Er hatte einen weiteren Donut in der Hand und einen Becher aus dem es dampfte. „Meistens sagen die Leute einfach hallo, wenn sie mit mir sprechen wollen und werfen nicht mit Lebensmitteln“, scherzte ich und verzog meine Lippen zu einem schiefen Grinsen. Seine Mundwinkel zuckten leicht und er wirkte etwas unschlüssig, wie sich seine breiten Schultern hoben. Ja, vermutlich wäre mir die Situation ebenfalls etwas unangenehm. „Vermutlich… Ist für gewöhnlich auch nicht meine Masche“, erwiderte er und anders, als noch vor wenigen Augenblicken, wirkte der Ausdruck auf seinem Gesicht weniger streng. Ich richtete mich auf und lehnte mich leicht zurück, während ich ihn betrachtete. „Was ist denn sonst so deine Masche, wenn du Leute kennen lernen willst?“, fragte ich gut gelaunt und zwinkerte ihm freundlich zu. Ich flirtete gerne und hatte es mir auch nicht während meiner Ehe nehmen lassen. Doch gegessen wurde in Beziehungen immer Zuhause. Ich deutete ihm an, dass er sich setzen konnte, wenn er denn wollte. Kurz sahen wir einander an, doch nach einem Augenblick ließ er sich auf dem Platz mir gegenüber nieder. Tief atmete er aus, als hätte ihn das Stehen angestrengt, doch vielleicht hatte er wie ich einen Muskelkater. Wirkte dieser Mann doch sehr sportlich. „Ich versuch das Kennenlernen meistens mit: Hallo mein Name ist Paul, darf ich dir was zu trinken ausgeben“, meinte er und stellte seinen Becher Kaffee auf den Tisch zwischen uns ab. Ich schmunzelte und erneut glitt mein Blick über den Mann vor mir. Seine Haut wirkte hell, fast schon etwas blass und seine so dunklen Augen standen in einem starken Kontrast dazu. Meine Mundwinkel zuckten leicht und ich schmunzelte ihn leicht an. „Okay, simpel und einleuchtend. Nicht zu forsch und übertrieben“, meinte ich und nippte an meinem Kaffee. Ein leises Lachen stahl sich auf die Lippen des Mannes vor mir und der Ausdruck in seinem Gesicht wandelte sich. Er wurde offener und fast schon überrascht. „Na ja, führt nicht immer zum gewünschten Ziel“, meinte er grinsend und biss in den Donut, den er mir vorhin versehentlich auf den Kopf geworfen hatte. Ich nickte zu dem fettigen Teigstück in der Hand des Mannes und frech sagte ich: „Vielleicht aber effektiver als tieffliegendes Gebäck.“ Erneut stahl sich ein Lachen auf seine Lippen und nachdem er seinen Bissen hinuntergeschluckt hatte, sagte er kopfschüttelnd: „Du scheinst aber auch immer einen Spruch auf Lager zu haben, oder?“ Ich schmunzelte nur und zuckte leichthin mit den Schultern. Er war mir tatsächlich sehr sympathisch, stellte ich fest. Er hatte eine angenehme Ausstrahlung. Nicht schüchtern und doch nicht zu extrovertiert. „Ich bin übrigens Rick, oder Richard“, stellte ich mich endlich vor und reichte ihm meine Hand. Er hatte einen festen, aber nicht zu festen Händedruck. „Nicht Richie?“, wollte er schmunzelnd wissen und angewidert verzog ich mein Gesicht. Ich hasste diesen Spitznamen! Ich hatte meinen Eltern mit 10 Jahren verboten mich so zu nennen, doch noch heute taten sie es ab und zu. „Nein, Rick“, meinte ich mit einem genervten Unterton in meiner Stimme. „Okay, Rick also“, wiederholte Paul und seine Augen glitten erneut über mein Gesicht, „normalerweise werfe ich ja nicht mit Essen, wenn ich jemanden kennen lernen will. Nur, dass du das weißt.“ Ich grinste nur und fragte nach wenigen Augenblicken: „Mittagspause? Oder weswegen bist du hier?“ Den Kopf schüttelnd sah er mich an. Mein Handy vibrierte und ich sah hinab. Nur eine neue E-Mail von einem Klienten. Kurz las ich den Namen um zu wissen, ob sie gerade wichtig war, oder nicht. Schließlich verbrachte ich hier gerade nicht meine Freizeit. „Und du?“, wollte er wissen, nachdem ich das Handy wieder beiseite gelegt hatte. Eigentlich mochte ich es nicht, wenn man am Tisch ständig auf sein Handy starrte, doch oft genug erwischte ich mich selbst dabei. „Na ja, sozusagen. Ich warte auf einen Klienten und vertreibe mir die Zeit. Emails kann ich hier auch lesen und Anrufe auch von hier aus machen“, erklärte ich und gönnte mir erneut einen Schluck meines Kaffees. Er nickte nur und stirnrunzelnd betrachtete er mich. „Was arbeitest du denn?“, wollte er nach einem Augenblick von mir wissen. Ich stellte den Becher auf den Tisch zurück und beugte mich leicht zu ihm. Ich mochte das flirten. An Alex hatte ich mich gezwungen nicht mehr zu denken und gerade fiel es mir auch nicht schwer. Er hatte sich nicht gemeldet und ich glaubte kaum, dass er dies noch tun würde. Also warum nicht etwas flirten? Wieso nicht mal einen Augenblick alle Sorgen des Alltags vergessen? Kurz, biss ich mir auf die Lippen, eher ich antwortete: „Ich bin Anwalt und treffe mich gleich mit einem Klienten. Und, was arbeitest du?“ Auch Paul lehnte sich zu mir und betrachtete mein Gesicht. Ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Kurz und vermutlich ohne es wirklich zu merken, strich er sich durch seine braunen Haare. „Sieht man doch, ich esse Donuts und trinke Kaffee. Ich bin Polizist“, meinte er und ich glaubte so etwas wie Stolz in seiner Stimme wahrzunehmen, „bin noch krankgeschrieben und fang in zwei Wochen wieder an.“ Krankgeschrieben? Wieso? Er sah gar nicht krank aus, dachte ich mir und schalt mich selbst in Gedanken. Er konnte auch verletzt sein. Immer wieder hörte man von verletzten Beamten. Ich betrachtete ihn und interessiert fragte ich: „Wie lange bist du denn schon bei der Polizei?“ „Schon länger“, meinte er ruhig und mit klarer Stimme, „nach der High School war ich zwei Jahre auf dem College und nach dem Abschluss habe ich zwei Jahre beim Militär gedient. Wollte aber nicht mein ganzes Leben irgendwo im Ausland hocken und hab dann bei der Polizei hier in Portland angefangen. Ist jetzt bald neun Jahre her.“ Ich nickte und grinste ihn leicht an. „Klingt nach einem gelungenen Lebenslauf“, scherzte ich und zwinkerte ihm freundlich zu. Er grinste leicht und doch konnte ich den Stolz erkennen, welcher sich auf seinem Gesicht wiederspiegelte. Ich kannte seinen Background nicht und vielleicht konnte er tatsächlich sehr stolz auf sich sein. Ich selbst kam aus einer sehr etablierten Familie. Mein Vater besaß eine gut laufende Baufirma. Eigentlich hätte ich die Geschäfte übernehmen sollen, doch da ich daran kein Interesse hatte, sollte dies meine Schwester übernehmen. Wir hatten nie Probleme mit Geld und konnten uns immer vieles, sicher nicht alles, leisten. Doch mir war bewusst, dass nicht jeder dieses Glück hatte. „Danke“, meinte er und erneut strich er sich durch die Haare. Ob er nervös war? Ich wusste es nicht. Nachdenklich strich er sich über sein Kinn und er fragte nach einigen Augenblicken: „Bist du eigentlich öfter hier?“ Ich schüttelte den Kopf und meinte nach einem Augenblick. „Ich arbeite für die Kanzlei von Mark Demary. Hat sich auf große Firmen und Wirtschaftsangelegenheiten spezialisiert. Aber ab und zu gibt es immer wieder neue und andere Klienten.“ Paul nickte leicht und nach einem Moment meinte er, dass er von der Kanzlei bereits gehört hatte. Mich wunderte es nicht. Nicht wenn er tatsächlich Polizist ist. „Hast du dich darauf spezialisiert?“, wollte er wissen und ich schüttelte leicht den Kopf. „Nein, obwohl eigentlich schon. Ich habe mich aber damals, im Studium, mehr mit Strafverfolgung beschäftigt“, erklärte ich und blickte kurz auf die Uhr meines Handys. Ich hatte noch etwas Zeit, bis ich mich mit meinem Klienten traf. Ich fragte ihn, was er bei der Polizei tat. Ich hatte das Gefühl, als wich er kurz meinem Blick aus. Einen Augenblick zu lange, sah er hinunter zu seinem Kaffee und dem Donut, den er noch nicht gegessen hatte. „Ich war in der Einheit, welche für schnelle und spezielle Eingriffe zuständig war. Amokläufe und Banküberfälle… Aber ab und zu auch mal bei der Verkehrskontrolle. Gibt ja nicht jeden Tag einen Amoklauf… Dann unterstützt man eben Kollegen. Eingreifen, wenn es um Drogengeschäfte geht.“ Spannend klang es und doch hatte er gesagt, dass er in dieser Einheit war. Es war nicht ungewöhnlich, dass Polizisten nach einigen Dienstjahren in andere Einheiten versetzt wurden, oder sich versetzten ließen. „Und wo bist du nun?“, wollte ich wissen und leckte mir den Kaffee von den Lippen weg. „Ich fang jetzt in einer neuen Einheit an. Cold Cases, ist aber bei weitem nicht so spannend, wie in dieser komischen Serie“, erklärte Paul und grinste mich schräg an. „Ist doch cool“, meinte ich anerkennend. Tatsächlich würde mich diese Arbeit selbst auch reizen. Doch wie ich Paul ins Gesicht sah, war ich mir unschlüssig, ob er sich freute, oder nicht. Doch ich kannte ihn nicht. Ihn sicher deuten, dass konnte ich nicht. „Kommt auf den Fall drauf an“, meinte er nach einem kurzen Augenblick, „dann kann es ziemlich interessant sein. Durch die technischen Fortschritte hat man schließlich immer wieder neue Herangehensweisen an alte Fälle…“ Ich kannte es von meiner Arbeit, wenn Menschen einen Text heruntersagten, den sie auswendig gelernt hatten. Sie sagten es schnell und ihre Betonung wirkte distanzierter, als gewöhnlich. So wie er sprach, klang es ähnlich. Doch ich hatte nicht das Recht weiter darauf einzugehen, fand ich. Denn vielleicht freute er sich und war einfach ein Mensch, der Freude nicht so offen zeigte wie Andere. Interessiert nickte ich. Denn ich fand es tatsächlich ziemlich spannend, was er da sagte. Ich schielte hinab zu den Donuts und sagte scherzhaft: „Und das ist jetzt natürlich Standard, oder? Kaffee und Donut.“ Ich ging bewusst nicht darauf ein, dass ihm irgendetwas nicht passte, oder ob er irgendetwas verheimlichen wollte. Ich wollte kein tiefsinniges, oder emotionales Gespräch. Ich wollte eine lockere, nette Unterhaltung. Schließlich kannte ich den Mann vor mir nicht. Paul nickte kurz und biss in den zweiten Donut, welcher mit bunten Streuseln verziert war, hinein. „Wie alt bist du eigentlich?“, wollte ich von dem Mann wissen. Ich war nie gut im Schätzen vom Alter. Er hatte einen jungen Touch, doch die Falten auf seiner Stirn ließen mich, unsicher werden. „Dreiunddreißig“, antwortete er gleich und als er mich fragte, sagte ich ihm, dass ich nur zwei Jahre jünger sei. „Aber die dreißiger sind ja die neuen zwanziger“, sagte ich grinsend und zwinkerte dem Mann zu, der mir gegenüber saß. Es war seltsam, wir saßen in einem vollen Café und trotzdem bemerkte ich die anderen Menschen um mich herum in diesem Augenblick nicht. Ich mochte dieses Gefühl, denn nach genauso einem sehnte ich mich. „Und was sind dann die Zwanziger? Die verlängerten Teenagerjahre?“, scherzte er mit seiner angenehmen tiefen Stimme. Ich genoss das Flirten, auch wenn es nur für den Augenblick sein sollte. Wenn ich gleich zu meinem Klienten ging, würde ich diese Blase verlassen und wieder in meinen gewohnten Alltag eintreten. Es war nicht schlimm und trotzdem wollte ich dieses Gefühl beibehalten. Dieses Gefühl als Mann gesehen zu werden. Also als attraktiver Mann. Nicht als Singledad. Ich schmunzelte zufrieden und biss mir erneut leicht, auf die Unterlippe. „Vielleicht. Wenn man einigen Glauben schenken kann“, meinte ich scherzhaft. Die Tür ging auf und der Windzug wehte mir den Geruch des Mannes entgegen. Ich roch das Duschgel, vermischt mit dem angenehm herben Geruch meines Gegenübers. Es gefiel mir erstaunlich gut! Pauls Mundwinkel zuckten nach oben und interessiert fragte er: „Was machst du denn sonst so in deiner Freizeit?“ Eigentlich wäre die ehrlichste Antwort gewesen, nichts. Denn wenn ich Zuhause war, wartete der Haushalt auf mich und Maddy wollte versorgt werden. Ein wirkliches Hobby, hatte ich also nicht mehr. Ich wollte Madeline nicht erwähnen. Nicht, weil ich mich für sie schämte, doch ich wollte und brauchte auch nicht jedem auf die Nase binden, dass ich eine Tochter habe. Die Gespräche gingen dann immer in dieselbe Richtung. „Ich versuche, so oft es geht mit meinem Fahrrad durch die Gegen zufahren“, meinte ich und es war nicht mal gelogen. Ich versuchte tatsächlich jede Woche zwei Mal länger mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Doch, zu oft nach meinem Geschmack, schaffte ich es nicht. Manchmal konnte ich Maddy bei Sarah lassen und Phil und ich fuhren durch den Wald. „Hab ich auch mal gemacht“, hörte ich Paul sagen und meine Augen begannen zu leuchten. „Echt?“, fragte ich mit Freude in meiner Stimme, „Cool. Vielleicht können wir ja mal zusammen durch die Gegend fahren! Mountainbiken!“ Ich hatte gesprochen, ohne nachzudenken, ohne dass ich daran dachte, dass ich eigentlich keine oder kaum Zeit hatte. Überrascht sah mich Paul an und sein Blick wurde skeptisch. Ich verstand nicht, weswegen. Ja, wir hatten uns gerade erst kennen gelernt und doch war es nicht ungewöhnlich, sich mit jemanden zum Sport zu verabreden. „Ich fahr eigentlich nicht mehr“, wich er aus und sah hinunter in seinen Kaffeebecher. Ich fragte nach dem wieso und wusste nicht, ob es eine zu persönliche Frage war. „Ich kann es nicht mehr so gut“, erklärte Paul und noch bevor ich weiter fragen konnte, fragte er mich, „Was machst du denn sonst so? Wenn du Zuhause bist?“ Immer noch war ich verwirrt und blinzelte leicht verwundert über seine Antwort. Doch, wenn er es mir nicht erzählen wollte, konnte ich es nicht ändern. Kurz dachte ich darüber nach, ihm die Wahrheit zu sagen mit Madeline. Doch eigentlich wollte ich es nicht. Dann gewann ich eben den Award für den schrecklichsten Vater des Tages. „Ich bin früher viel gereist. War schon an vielen Orte. Hawaii, Thailand und in Peru und noch einiges mehr“, meinte ich grinsend und dachte an diese tolle und so glückliche Zeit zurück. Brian und ich hatten jeden Penny unseres Geldes in unsere Reisen gesteckt. Bis wir uns entschieden hatten, ein Haus kaufen zu wollen. „Jetzt nicht mehr?“, wollte Paul wissen und blickte mich interessiert an. Ich blinzelte und schluckte leicht. Ich suchte nach einer neutralen und nicht wertenden Antwort. Einer durch und durch diplomatischen. „Hm… Damals war ich nicht alleine“, begann ich nach einem Augenblick der Stille zwischen uns, „Und alleine solche Reisen zu unternehmen ist irgendwie… blöd.“ Doch wieso eigentlich? Ich könnte mir Madeline schnappen und einfach mit ihr am Wochenende zum Strand fahren. Wo war meine Spontanität hin? Sie war verschwunden. Doch musste verschwinden ja nicht bedeuten, dass ich sie nicht wieder finden konnte. „Hm. Das kann ich verstehen“, meinte Paul und nickte mir zustimmend zu. „Ich bin noch nicht so viel vereist“, meinte er ruhig und kratze sich an der Wange, „Mal nach Palm Springs und Florida, aber ich hab die USA nie verlassen. Zu Armyzeiten hatte ich Glück, dass ich nicht in ein Kriegsgebiet geschickt wurde. Da war ich auf Hawaii und das ist ja auch noch Amerika.“ Ich nickte und lauschte seinen Worten. Ich wollte immer etwas von der Welt sehen. Immer nur im eigenen Land zu verweilen konnte zwar schön sein, aber trotzdem fand ich es nicht interessant. Ich wollte andere Kulturen kennen lernen, wollte wissen, wie Menschen in anderen Ländern lebten. Gerne erinnerte ich mich an Thailand, wo ich einen Fremden fragte, wo der nächste Bankautomat sei und er mich einfach mit seinem Motorrad mitnahm. Er hatte mich sogar wieder zu meinem Hotel gefahren. Diese Freundlichkeit war dort sehr viel verbreiteter als hier! Doch noch immer träumte ich von Australien. Irgendwann, da war ich mir sicher, würde ich dort am Great Barrier Reef schnorcheln. „Ich war nie bei der Army“, meinte ich nachdenklich und dachte an einige meiner alten High School Bekannten, welche diesen Weg eingeschlagen hatten. Ich selbst, hatte mich dafür nie sonderlich begeistern können. Paul winkte ab und meinte: „Braucht man auch nicht, eigentlich. Aber irgendwie…. Mein Vater war mal da, mein Großvater… und dann hat man es eben auch gemacht.“ Ich nickte, denn ich wusste, dass es vielen so erging. Mein Vater hatte ebenfalls im Krieg gedient und mir immer wieder gesagt, dass ich das, was er gesehen hatte, nie zu sehen brauchte. Viel sprach er über diese Zeit nie. „Na ja, aber wie gesagt“, meinte Paul und lächelte leicht, „ich bin selbst nicht wirklich verreist. Kann ja noch werden.“ Gerade, als ich antworten wollte, klingelte mein Handy. Ich musste dran gehen, war ich doch schließlich immer noch nicht privat hier in diesem Café. Es war mein Klient. Er habe nun Zeit und würde in seinem Büro auf mich warten. Enttäuschung breitete sich in mir aus und schwer seufzte ich. „Okay“, meinte ich geschäftig und mit sachlicher Stimme, „ich mache mich auf den Weg.“ Ich legte auf und ein wenig entschuldigend blickte ich Paul an. „Ich muss jetzt los“, meinte ich und versuchte die Enttäuschung aus meiner Stimme zu verbergen, ob es mir gelang, wusste ich nicht. Paul hatte gerade, den letzten Rest seines Donuts gegessen und nickte, während er mich mit vollen Mund anblickte. Ich rief eine Kellnerin zu mir und beglich meine offene Rechnung. Ich kontrollierte gerade, ob ich alles bei mir hatte, Portemonnaie, Aktentasche, Jacke und Handy, als mich Pauls Stimme aus meiner Routine riss. „Verbringst du die Mittagspausen immer hier oder eher woanders?“, fragte er mich und musterte mich mit seinen dunklen Augen. Ein seltsames Gefühl breitete sich in mir aus. Es war ein gutes und angenehmes Gefühl, welches durch meinen Körper strömte. Ich fühlte mich geschmeichelt. Zumeist fragte ich nach. „Ähm… nein, hier eigentlich nicht… Ab und zu, wenn ich bei Gericht bin und der Richter eine Verhandlungspause zulässt… oder die Termine für mich nicht nacheinander sind. Dann bin ich hier, sonst eher an der Eastside.“ Ich sagte ihm, dass direkt neben der Kanzlei ein Bistro wäre. Ich sah, wie Pauls Augen an meinem Körper entlang glitten und nach einem Augenblick fragte er mich, wann ich dort das nächste Mal Pause machen würde. „Ich weiß nicht“, meinte ich leise, doch schon im nächsten Augenblick sagte ich, „Morgen, wenn du willst! Gegen Eins?“ Ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf Pauls Gesicht und als er meinte, dass er dann morgen gegen Eins dort sein wollte, erfüllte eine Leichtigkeit meinen Körper. Fröhlich verabschiedete ich mich von ihm und ging mit sehr guter Laune zu meinem Termin. Noch schnell machte ich mir eine Erinnerung in mein Handy, damit ich morgen pünktlich in die Mittagspause verschwinden würde. Es war ein guter Termin, sehr konstruktiv und hatte mich und meinen Klienten vorwärts gebracht. Wir würden versuchen, seine Angelegenheiten außergerichtlich zu klären, waren beide Parteien nicht an einer Gerichtsverhandlung interessiert. Doch ein Anruf meines Chefs ließ meinen Wunsch, im Außendienst zu enden scheitern. Er war schlecht drauf, als er mich anrief und meinte, ich solle umgehend im Büro erscheinen. Was geschehen war, wollte er mir nicht sagen. Das Hochgefühl von vorhin war damit fast zerstört. Es war kurz vor vier, als ich im Büro eintraf. Sofort sah ich meinen Chef. Er war älter, hatte jedoch noch Farbe in den Haaren, vermutlich durch Chemie. Die blonden Haare hatte er streng nach hinten gekämmt und seine grauen Augen wirkten streng und kalt. Sein Anzug saß wie immer tadellos und war vermutlich maßgeschneidert. „Mr. Prescot“, grüßte er mich mit seiner strengen Stimme und baute sich etwas vor mir auf. Noch bevor ich fragen konnte, was los sei, ließ mich seine schneidende Stimme innerlich zusammenfahren, „Sie wissen schon“, meinte er in einem strengeren Ton, als ich angebracht fand, „Dass private Angelegenheiten nach der Arbeit zu klären sind. Ich hoffe, wir haben uns für das nächste Mal verstanden.“ Er nickte zu meiner offenen Bürotür und als ich seinem Blick folgte, klappte mir fast die Kinnlade hinunter. Die blonden Haare hingen ihm frech ins Gesicht und hinter der modernen Brille, sah ich in mir nur allzu bekannte dunkle Augen. Ich hätte ihn überall erkannt. Das ovale und ebenmäßige Gesicht, die etwas längere, aber gerade Nase und das gründlich rasierte Kinn. Ein ordentliches Hemd und eine moderne Jeans kleideten meinen Ex-Mann und neben ihm sah ich eine kleine Frau stehen. Gelockte, goldene Haare. Ein rosa Oberteil und eine enge hellblaue Jenas ließen sie sehr jung wirken. Ich wusste nicht, wer sie war oder wie sie hieß, doch ich vermutete, dass es seine derzeitige Lebensgefährtin sei. Es war komisch zu wissen, dass er nun mit einer Frau liiert sein sollte. Ohne weiter auf meinen Chef zu achten, ging ich zu meinem Büro. Dass es unhöflich ist, meinen Chef einfach stehen zu lassen, war mir vollkommen gleichgültig. Ich hatte nur noch Augen für die zwei Menschen vor mir! Ich schloss die Tür meines Büros und meine Augen hingen regelrecht an meinen Ex-Mann. Ewig war es her, dass wir einander in die Augen geblickt hatten. Seit er in dieser Nacht das Weite gesucht hatte, hatte ich ihn nie wieder gesehen. Die Scheidung und alles, was dazu gehörte, war über unsere Anwälte geregelt worden. Er hatte es nicht einmal für nötig gehalten, sich zu melden. An keinem Geburtstag, an keinem der Feiertage. Er hatte nie angerufen. Brian hatte sich kaum verändert. Nur, dass er vielleicht einige Falten dazubekommen hatte. Immer noch fand ich, dass er sehr gut aussah, doch wusste ich nun, was hinter dieser Fassade steckte. Hinter der Fassade des netten Mannes von nebenan. Wütend biss ich die Zähne aufeinander und ohne die beiden auch nur zu begrüßen fragte ich: „Was willst du?“ Die Wut leckte an meinen Nerven und ich spürte sie deutlich in meinen Venen fließen. Überrascht hoben sich die Augen von Brian und als er mich fast schon gelassen angrinste, hätte ich ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen. Doch das hätte mich vermutlich den Job gekostet und mich nicht weiter gebracht! „Ich freue mich auch, dich zu sehen, Rick“, meinte er mit seiner so vertrauten und auch so verhassten Stimme. Wie sehr ich diese Stimme vermisst hatte, damals! „Richard“, meinte ich kühl. Ich wollte nicht, dass er mich Rick nannte, vielleicht war das albern, aber ich wollte es einfach nicht. Wir waren nicht mehr zusammen, wir waren keine Freunde mehr! Es schien, als belustigte es ihn, als sei dies alles ein Spiel und nichts Ernstes! „Okay, Richard“, meinte er locker und setzte sich einfach ungefragt auf die Couch in meiner Ecke. „Du hast die Post des Anwaltes ja erhalten“, meinte er und der Ausdruck hinter seiner Brille wandelte sich. Seine Augen schienen härter und kälter zu werden. Es war ihm also wirklich Ernst, dass er Madeline wieder bei sich haben wollte! Die Frau, deren Name ich nicht kannte, ließ sich neben Brian auf die Couch nieder und hielt seine Hand fest umklammert. Ich blieb stehen. Ich wollte mich ihnen nicht gegenüber setzen und tun, als sei alles geregelt. Oder als würden wir es nun regeln! Ich nickte nur und meine grünen Augen wurden zu Schlitzen. „Du wirst noch Post von meinem Anwalt bekommen.“, meinte ich durch zusammengebissene Zähne. Ich hörte Brian schwer seufzen und als er sprach hätte ich am liebsten aufgelacht, wenn ich nicht so wütend gewesen wäre. „Ach komm schon, ich weiß, dass es damals scheiße gelaufen ist. Ich habe einen Fehler gemacht und möchte ihn nun wieder ausbessern. Wir können uns doch auch außergerichtlich einigen.“ Einen Fehler ausbessern? Einen Fehler? Sein Kind zu verlassen war sicher kein Fehler, den man ausbessern konnte wie eine Macke in einem Auto! „Ich glaube kaum“, meinte ich mit gezwungen ruhiger Stimme, die mich fast all meine Selbstbeherrschung kostete, „dass du fast dreieinhalb Jahre wieder „ausbessern“ kannst, bei deiner Tochter. Die in vier Wochen vier wird. Sie kennt dich nicht!“ Ich war sehr stolz auf mich, dass ich ihm nicht jede erdenkliche Beleidigung an den Kopf warf, die mir gerade durch den Kopf ging. Kurz wich Brian meinem Blick aus und ja, ich sah, dass es ihm Leid tat. Er wusste, was er getan hatte. Doch es war mir vollkommen egal! Sollte es ihm doch leid tun! „Richard“, meinte er und ich hörte sofort heraus, dass er versöhnlich klingen wollte, „Ich weiß, dass du sauer bist und du hast jedes Recht dazu. Doch du musst mich auch verstehen. Es war damals einfach sehr viel…“ Es waren diese Worte, die mich wütend aufbrüllen ließen: „Bor, sei Still! Ich muss dich gar nicht verstehen! Das du auf mich wütend warst, okay! Aber das mit Madeline…. Wenn ich dir sage, was ich davon halte, könntest du mich wegen Beleidigung anzeigen. Du weißt gar nicht wie schwer es ist, all das gerade nicht zu sagen!“ Ich wusste, dass er beschwichtigend die Hände heben würde und als er es tat, war ich verblüfft. Wie gut ich diesen Mann einfach noch kannte! „Richard bitte. Ich weiß, dass war nicht richtig. Dass hat Pastor Graham auch gesagt, aber ich möchte jetzt meine Fehler wieder gut machen. Ich will Madeline eine richtige Familie zeigen und zeigen, wie eine richtige Familie funktioniert.“ Wütend strich ich mir meine schwarzen Haare nach hinten und funkelte den Mann vor mir wütend an. „Raus hier!“, raunte ich mit tödlicher Stimme, „Raus, oder ich vergesse mich! Madeline und ich sind eine Familie. Auch ohne dich, sind wir eine Familie. Und nur weil du meinst, jetzt mit einer Frau zu kommen, macht euch das nicht zu einer besseren Familie, oder einem besseren Umgang für meine Tochter!“ Ich sah wie sich Brian langsam erhob und wie er mich bestürzt ansah und ich wusste nicht, ob ich ihn nicht lieber auslachen sollte. Dachte er, ich würde so etwas sagen wie: Voll toll! Geil, endlich werde ich das Balg los. Hab schon drauf gewartet. Ich pack gleich alle Koffer?! „Raus“, wiederholte ich und die Autorität schwang deutlich in meiner Stimme mit. „Brian sagte mir…“, hörte ich plötzlich die Stimme der Frau neben ihm, „dass du eigentlich immer Karriere machen wolltest und zusätzlich haben wir mehr Zeit für ein Kind! Außerdem braucht ein kleines Mädchen doch ein weibliches Vorbild. Wir können ihr ein sicheres und schönes Zuhause bieten.“ Wütend biss ich die Zähne aufeinander. Es knirschte fast schon unangenehm in meinem Kopf. „Ich weiß nicht, wer du bist“, raunte ich wütend der blonden Frau zu, „Gerade ist es mir auch egal! Aber auch für dich gilt dasselbe! Raus hier! Ihr werdet meine Tochter nie bekommen und was sie braucht, ist kein weibliches Vorbild, sondern ein Elternteil, das immer für sie da ist!“ Ich stapfte wütend zur Tür und hielt sie ohne einen weiteren Kommentar auf. „Verschwindet“, zischte ich zornig und als beide sich langsam in Bewegung setzten meinte Brian: „Ich werde kämpfen, Richard. Pastor Graham meinte, Gottes Segen ist auf meiner Seite.“ Ich kratze mich wütend an der Stirn, nicht weil es mich juckte, sondern einfach, damit meine Hände etwas zu tun hatten. Seit wann, war Brian so gläubig? Hatte er sich in den letzten Jahren der Kirche zugewandt? Ich betrachtete den Mann, den ich geliebt hatte und sah um seinen Hals ein silbernes Kreuz hängen. Toll! Ich atmete wütend durch, eher ich erwiderte: „Dann kennen Gott und Pastor Graham sich schlecht im Familienrecht aus! Und jetzt raus hier!“ Ich knallte die Tür wütend hinter ihnen zu und lief wie ein wild gewordenes Tier wütend in meinem Büro herum! Das durfte nicht sein Ernst sein! Dieser schöne und so angenehme Montag wurde zu einer einzigen Katastrophe! Kapitel 4: Ein verregnet, schöner Tag ------------------------------------- Ich las gerade eine E-Mail als mein Handy plötzlich anfing Lärm zu machen. Erschrocken fuhr ich auf meinem Bürostuhl zusammen und kramte hastig nach dem lärmenden Gerät. Es war ein Wecker, eine Erinnerung. Wieso hatte ich mir eine Erinnerung eingespeichert? Und dann auch noch für diese ungewöhnliche Uhrzeit? Kurz vor Eins. Gerade, als ich mein Handy unbeachtet neben mich legen wollte, erinnerte ich mich wieso, Paul! Den Polizisten, den ich gestern in der Nähe vom Gericht kennen gelernt hatte. Heute hatte ich keinen Termin bei Gericht. Deswegen hatte ich ihn eingeladen! In das Bistro neben der Kanzlei. Ich griff nach meiner Jacke, heute war es sehr regnerisch und windig. Einfach sehr ungemütliches Wetter! Die Jacke überstreifend verließ ich schnell das Bürogebäude und ging in das Bistro gegenüber. Viele meiner Kollegen waren gerade in der Mittagspause oder bei Gericht. Ob Paul wohl gekommen war? Das Brian gestern einfach aufgetaucht war, hatte vieles aus meinem Kopf gestrichen und mir einiges an Schlaf geraubt! Ich war unsagbar wütend auf diesen Menschen und wünschte ihm derzeit nur das Schlechteste. Immer noch regnete es und obwohl ich nur über die Straße gegangen war, hatte ich das Gefühl, dass ich ziemlich durchnässt aussah. Gegen eins war es meistens etwas voller. Viele kamen her, machten ihre Mittagspause und saßen mit Kollegen zusammen. Es war sehr mediterran eingerichtet und sollte wohl an Spanien oder Italien erinnern. Beides war jedenfalls auf der Speisekarte zu finden. Es gab einige Sitzgelegenheiten und meine grünen Augen glitten durch die Menge. Ich suchte den dunkelbraunen Haarschopf und war fast enttäuscht, ihn nicht zu sehen. Als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte drehte ich mich sofort um und stieß fast einen erleichterten Seufzer aus. Paul stand mir gegenüber. Er war nur wenige Zentimeter kleiner als ich und seine Haare waren vom Regen durchnässt. Ebenso wie die Meinen. „Hey, wir sind gleichzeitig angekommen“, meinte er und ich konnte die Freude in seinem Gesicht durchaus erkennen. Ob er wohl auch gedacht hatte, er würde versetzt werden? Ich nickte und betrachtete den Mann. Sein dunkelblauer Mantel und der Schal ließen ihn geschäftig wirken. Die schwarze Jeans stand ihm sehr gut, wie ich fand. Er hatte sich rasiert, zwar hatte er immer noch einen drei Tage Bart, doch waren die Kanten ordentlicher und er wirkte nicht mehr so voll wie am Tag zuvor. Mit seiner kräftigen Hand wuschelte er seine Haare durcheinander. Die Tropfen flogen in mein Gesicht und ich schmunzelte, als ich ihn beobachtete. „Sollen wir was essen?“, fragte ich schmunzelnd und hielt nach einem leeren Platz Ausschau. Ich bemerkte ein Pärchen, welches gerade dabei war, dass Bistro zu verlassen. Ich war froh, dass der Tisch in einer Ecke stand und ging zielstrebig auf diesen zu. Ich spürte, dass Paul dicht hinter mir war und als wir den Tisch erreichten, hatte das Paar gerade ihre Jacken angezogen und ging uns entgegen. Höflich lächelte ich sie an und ließ sie vorbei. Wir setzten uns und schnell räumte ein junger Kellner die verbliebenen Gläser weg. Ich schälte mich aus meiner Jacke und auch Paul hängte seinen Mantel hinter sich über den Stuhl. Er trug einen blauen und schlichten Pullover und ich sah an seiner rechten Hand eine dunkle Armbanduhr. „Wie war dein Tag?“, wollte ich von Paul wissen und konnte das zufriedene Lächeln einfach nicht aus meinem Gesicht verbannen. „Alles gut. War heute bei einem Kollegen und hab etwas Sport gemacht“, meinte er und nahm die Karte entgegen, welche der Kellner uns reichte. Ich war unschlüssig, was ich essen sollte. Zuhause würde ich noch kochen müssen, wenn Madeline im Kindergarten nicht viel gegessen hatte und ich wollte am Tag nicht zwei Mal warm essen. Ich wollte einfach nicht aufgehen wie ein Hefekoß. Sorgfältig studierte ich die Karte und las mir durch, was für Sandwiches es gab. Bacon klang super und Bacon ging schließlich immer. Doch ich trug ein weißes Hemd und Fettflecken wirkten sehr unseriös. „Weißt du schon was du willst?“, fragte ich Paul und auch er schien skeptisch, was er bestellen sollte. Seine dunklen Augen fingen die Meinen ein und erneut stellte ich fest, dass ich dunkle Augen sehr gerne hatte. Sie wirkten so warm, fand ich jedenfalls. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Ich weiß nicht. Ich denke irgendwas mit Nudeln. Ich mag Nudeln gerne.“ Ich blätterte durch und betrachtete die Auswahl der Nudelgerichte. „Die Nummer 55 ist gut. Das sind Nudeln mit Rinderfiletstreifen. Die haben was und schmecken lecker, finde ich zumindest“, meinte ich und entschied mich doch für ein Baguette. Ich sah wie Paul leicht nickte und nach einem Augenblick fragte er mich grinsend: „Schon einmal Schnecken probiert?“ Schon häufiger hatte ich sie auf der Karte gelesen und doch hatte ich mich noch nie an ihnen versucht. Ich lachte leise und etwas das Gesicht verziehend meine ich: „Nee, noch nie. Du schon einmal?“ Auch er schüttelte den Kopf und freundlich zwinkerte er mir zu als er sagte: „Ich dachte, dass du vielleicht als alter Weltenbummler so etwas schon einmal probiert hast.“ Ich lachte leise und schüttelte den Kopf. „Nee, aber in Thailand habe ich schon mal Heuschrecken und so was gegessen!“ Ich hörte das tiefe Lachen Pauls und fand, dass es erstaunlich gut klang. „Aber bei Schnecken das Gesicht verziehen“, schmunzelte er gut gelaunt und als der Kellner kam, bestellte er tatsächlich die von mir empfohlenen Nudeln und eine Zitronenlimonade. Obwohl ich Bacon liebte, entschied ich mich lieber für ein Baguette mit Schinken und Käse. Ich hoffte, meine Kleidung würde es mir danken. „Was hast du heute so gemacht“, wollte Paul interessiert wissen und seine dunklen Augen musterten mich. Ich spürte wie ich zufrieden wurde und die Last von gestern fühlte sich nicht mehr so groß an auf meinen Schultern. „Gearbeitet und eine Verhandlung für morgen vorbereitet. Viel Schreibkram also. Ich werde das wohl heute noch ans Gericht faxen“, erklärte ich und aus reiner Gewohnheit strich ich mir durch meine schwarzen Haare. „Hm… muss man das nicht alles vorher einreichen?“, wollte er nachdenklich wissen und mit einer wegwerfenden Handbewegung meinte ich: „Ach! Das ist nicht ungewöhnlich. Sehr häufig werden noch mal Berichte oder Auskünfte schriftlich ausgeteilt und gelesen… Es sollte zwar anders sein, aber es kann sich schließlich immer noch etwas Neues ergeben“, erklärte ich freundlich und nickte dem Kellner zu, als dieser uns unsere Getränke brachte. Es war wie gestern, ein tolles Gefühl, einfach nur Rick zu sein. Rick der Single, der gerne Menschen kennen lernte und ab und zu wusste, wie man seinen Charme einzusetzen hatte. „Ich freu mich wirklich, dass du gekommen bist“, meinte ich mit ehrlicher und offener Stimme. Auch Paul nickte und schwieg. Vielleicht war er einfach kein Mensch, der viele Worte verlor. Das konnte sehr angenehm sein. Brian hatte häufig die Angewohnheit gehabt pausenlos zu reden! Das ich dann irgendwann einfach abschaltete, hatte ihn immer wütend werden lassen. „Ich hätte vielleicht gestern einfach mal, nach deiner Nummer fragen sollen“, scherzte Paul und genehmigte sich einen kräftigen Schluck der Limonade. „Ja, das haben wir vergessen“, meinte ich schmunzelnd und stellte mein Glas Cola zurück auf den Tisch. Ich sagte ihm besser nicht, dass ich ohne die Erinnerung in meinem Handy die Verabredung heute vergessen hätte. „Wie war der Tag gestern noch?“, wollte ich wissen und Paul sagte mir, dass er gestern mit einem Freund und Kollegen am Abend Sport gemacht hatte. Skeptisch sah ich ihn an. Hatte er mir doch vorhin erst berichtet, dass er auch jetzt von einer Sporteinheit kam. Hatte er noch andere Hobbys? Er sah eigentlich nicht aus, wie ein Mensch der all seine Freizeit in einem Fitnessstudio verbrachte. „Viel Sport, hm?“, meinte ich und grinste schräg. Er nickte und schmunzelte, als er mein Gesicht sah. „War ja länger krank, muss wieder Kondition aufbauen, also ja“, erklärte er und trank etwas Limo. Ich war unschlüssig, ob ich ihn fragen sollte, was er für einen Unfall hatte. Ich wollte keine Wunden aufreißen und doch war ich neugierig. „Darf man fragen, was du hattest?“, entschied ich mich nach einem Augenblick zu fragen. Kurz sah er in mein Gesicht und ich merkte, dass er verschlossener wurde. Hätte ich besser nicht gefragt. Er räusperte sich kurz und erklärte nach einem Augenblick: „Ich hatte einen Unfall und war ein wenig im Krankenhaus. Ist jetzt aber nicht mehr wichtig. Kann ja in zwei Wochen endlich wieder arbeiten. Aber jetzt mach ich halt viel Sport um wieder fit zu sein.“ Ich mochte Sport gerne, aber nicht so sehr, dass ich es jeden Tag brauchen würde. Aber er war Polizist, vermutlich brauchte oder musste er eine gewisse Kondition an den Tag legen. „Tut mir leid, wegen des Unfalls“, meinte ich leise und fragte nicht weiter nach. Er war nicht mein Klient und ich konnte ihn schlecht einfach befragen. Er nickte nur und schwieg. Doch dann lächelte er mich an und winkte ab. „Ist ja jetzt auch egal. Was ist mit deiner Nummer?“, wollte er leicht lächelnd von mir wissen. „Wenn du willst, kann ich dir meine Nummer geben“, meinte ich freundlich und holte mein Handy aus meiner Jackentasche. Sofort nickte Paul und fischte ebenfalls nach dem Gerät in seiner Hosentasche. Er wirkte in diesem Augenblick zufrieden. Ich gab ihm meine Nummer und als er durchklingelte speicherte ich seine Nummer gleich ein. Zufrieden sah ich ihn an und frech meinte ich: „Geht das immer so schnell bei dir oder habe ich dich beeindruckt?“ Leise lachte Paul und als er sprach, überraschte mich seine Antwort ziemlich: „Ja…. Irgendwie schon. Ich mag deine Augen, sehr ungewöhnliche Farbe.“ Fröhlich zwinkerte ich ihm zu und biss mir leicht auf die Unterlippe. Ich merkte, dass ich leicht nickte und sagte: „Ich mag deine auch… dunkel, warm, gefallen mir einfach.“ Wie gestern, hatte ich das Gefühl, als seien wir in einer Blase gefangen. Als würden wir darin verschwinden, in unsere eigene kleine Welt. Es klang kitschig und vielleicht albern, doch wollte mir einfach kein besserer Vergleich einfallen. Ich fragte ihn, wo er groß geworden sei und erfuhr, dass er sein Leben lang in Oregon gewohnt hatte. Sein Vater war Farmer und seine Mutter hatte in der örtlichen Fabrik gearbeitet. Geschwister hatte er keine. Gemeinsam mit den Großeltern hatten sie unter einem Dach gewohnt. Selbst das örtliche College hatte er besucht. Das Essen kam und bremste unser Gespräch aus. Ich konnte mir nicht vorstellen, so zu leben. „Mein Vater hat eine Firma. Eine Baufirma. Wäre einmal fast pleite gegangen, konnte er aber noch retten. Mit Farmen und so etwas, hatte ich nie was am Hut. Meine Eltern leben in der Nähe von Phoenix, da bin ich auch groß geworden. Hier ist es einfach nur bitterlich kalt“, meinte ich grinsend und leise lachend nickte Paul. „Klar“, meinte er gut gelaunt und spießte ein Stück Fleisch auf seine Gabel, „im Gegensatz zu Phoenix ist das hier die Hölle. Die Regenhölle gerade. Weswegen bist du hier her?“ Ich schluckte den Bissen meines Sandwiches hinunter und erklärte: „Hab an der Uni ein gutes Stipendium angeboten bekommen. Meine Eltern verdienen zwar gut, aber Studieren kostet was… Und na ja, dann bin ich hier geblieben, eigentlich … wegen der Liebe…“ Ich schämte mich nie, davon zu erzählen und ich hatte gerade nicht das Gefühl, als passe es nicht. Ich aß Tomate, welche von meinem Sandwich auf den Teller gefallen war, als Paul feststellte: „Schien wohl nicht gut ausgegangen zu sein.“ Ich zuckte mit den Achseln und nickte leicht. „Wie lange, ist die Beziehung schon her“, wollte er wissen und seine Augen glitten an meinem Gesicht entlang. „Fast vier Jahre schon“, antwortete ich sachlich und versuchte neutral zu klingen. So, als würde ich diesem Menschen nicht gerne den Hals umdrehen. Ich wusste, dass die Frage kam, wie lange wir zusammen waren. Er war Polizist und vermutlich hatte er schon häufiger Menschen verhört. Und auch ich musste in meinem Job immer wieder vieles bei meinen Klienten erfragen. Ich lachte leise und als ich antwortete meinte ich „Da wirst du nie drauf kommen… Wir waren zwei Jahre lang ein Paar und haben dann geheiratet. Und im verflixten siebten Jahr haben wir uns getrennt.“ Ich lachte leise und fast schon erschrocken weiteten sich die Augen des Mannes vor mir. „Krass“, meinte er und sah mich verblüfft an, „Du hast echt Ernst gemacht, oder?“ Leise lachend, zuckte ich mit den Schultern und schob mir den letzten Rest des Baguettes in den Mund. Ich fand es immer lustig, wie die Menschen darauf reagierten. „Ich meine es in Beziehungen immer Ernst“, bekräftigte ich seine Aussage und ein leises Kichern verließ meinen Mund. Doch was Paul als nächstes sagte, verblüffte mich und ließ mich kurz sprachlos werden. „Ich war auch mal verheiratet“, verkündete der Braunhaarige plötzlich, „Irgendwie, gehörte das bei uns einfach dazu. Hab meine High School Liebe geheiratet. Wollte mir nicht so ganz eingestehen, dass ich schwul bin. Nach zwei Jahren hatte ich es dann nicht mehr ausgehalten. Man, dass war ein Schock für sie.“ Ich blinzelte und neugierig, ja fast schon euphorisch sah ich den Mann an. Wenn er mit einer Frau verheiratet war, könnte das nicht auch bedeuten, dass er Kinder hatte? Ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen. Ich wollte einfach noch nicht sagen, dass ich eine Tochter hatte. In meinem Kopf ratterte es nach einer neutralen Antwort. „Als mich mein Mann verlassen hat, hat er mir alles da gelassen. Kredit für das Haus, für das Auto und noch vieles mehr“, begann ich zu sagen und blickte ihm gespannt in die Augen, während ich weiter redete, „Wie war es bei dir? Hat sie das auch alles da gelassen und die Kinder hat sie mitgenommen?“ Paul schmunzelte leicht und schüttelte den Kopf. Entspannt sah er aus und es wirkte nicht, als haben wir gerade ein Thema angesprochen, welches ihn belastete. Es schien, als sei dies vollkommen abgehakt. Sonst hätte er vermutlich ganz anders über dieses Thema gesprochen. „Nein. Also schon… Kredite wurden aufgelöst und ja… Und Kinder hatten wir keine“, meinte er schmunzelnd und als er dies sagte, spürte ich plötzlich eine Enttäuschung in mir aufkeimen. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und ich hatte das Gefühl, als würde dies durchaus funktionieren. Ich hatte noch keine anderen schwulen Paare kennen gelernt, die ein Kind bekommen oder adoptiert hatten. Vermutlich, hätte man im Internet nach Foren suchen können, doch dazu hatte ich gerade keinen Kopf. „Wir sind sogar heute noch befreundet“, sagte Paul leise lachend und überrascht sah ich ihn an. Vorstellen konnte ich mir das nicht! Brian und ich Freunde? Niemals! „Nachdem sie akzeptiert hat, dass ich schwul bin, kann sie heute endlich darüber lachen. Ist ja auch schon etwas länger her.“ Ich schmunzelte leicht und nach einem Augenblick sagte ich: „Kann ich bei mir leider nicht sagen. Mein Ex ist einfach scheiße. Aber ich denke, jeder hat einen Ex, der ihm irgendwie auf den Sack geht…“ Lachend und nickend blickte mich Paul an und auch ich schmunzelte leicht. Wenn er wüsste dachte ich nur und nahm lieber mein Getränk zur Hand. Ich blickte auf meine Armbanduhr und meinte mit fast schon etwas enttäuschter Stimme. „Meine Pause ist zu Ende… Wenn ich heute noch pünktlich Schluss machen möchte, sollte ich jetzt gehen.“ Auch Paul sah auf seine Uhr, wie schnell die Zeit verflogen war. Ich winkte den Kellner zu uns und meinte gleich: „Ich zahl das, ich habe dich irgendwie ja auch hier hin eingeladen“, meinte ich lächelnd, als ich sah, wie Paul in seine Gesäßtasche greifen wollte. Er blinzelte etwas verwirrt und nach einem Augenblick sagte er: „Okay, aber dann lade ich dich morgen ein.“ Ich dachte kurz nach und nickte sofort und meinte jedoch: „Dann, aber gegen 14 Uhr. Ich hab um neun und um elf eine Gerichtsverhandlung. Die dauern sicher nicht lange, aber dann bin ich mir sicher, dass ich auf jeden Fall da bin.“ Paul nickte und gemeinsam gingen wir aus dem Bistro. Er ging vor mir und langsam, fast schon automatisch glitt mein Blick zu seinem Hintern. Ich konnte nicht anders und starrte für einige Augenblicke fasziniert darauf. Ja, der könnte mir durchaus gefallen. Immer noch, hatte ich das Gefühl, als befänden wir uns in unserer eigenen privaten Blase. „War schön mit dir gemeinsam Essen zu essen“, meinte ich freundlich und sofort nickte Paul. Er schmunzelte leicht und freundlich, hob die Hand und wünschte mir einen schönen Tag. Zufrieden und mit einem sehr guten Gefühl ging ich zurück in das Büro und dieses Mal, erwartete mich keine unangenehme Überraschung. Ich war fast pünktlich, als ich um wenige Minuten nach fünf vor der Tür des Kindergartens stand. Immer noch regnete es, doch auch diese Tatsache schaffte es nicht, das angenehme Gefühl in einem Inneren zu trüben. Ich war sehr glücklich! Ich öffnete die Tür und sah Maddy bereits angezogen im Flur stehen. Sie kramte etwas in ihrem kleinen Rucksack und als sie die Tür hörte blickte sie sich zu mir um. „Daddy“, rief sie fröhlich und lief glücklich auf mich zu. Fest drückte ich meine Kleine und gab ihr einen sanften, aber kratzigen Kuss auf die Wange. „Hey, Maus“, sagte ich grinsend und streichelte ihr den Rücken, „wir fahren jetzt einkaufen und da muss du mir ganz doll helfen.“ Sofort nickte sie und ich ließ sie zu Boden gleiten. Ich verschloss ihren pinkfarbenen Anorak und verabschiedete mich von Anna. Wie so oft, waren die anderen Kinder bereits abgeholt worden. „Papa, kommt das Essen nicht mehr mit der Post?“, fragte Madeline neugierig, während ich sie in ihrem Kindersitz festschnallte. „Natürlich“, meinte ich lächelnd und erklärte, „aber ich hol doch nur ganz selten frisches Fleisch da. Und das kommt erst morgen und du hast doch sicher Hunger, oder?“ Ich pikte ihr liebevoll auf den Bauch und als sie lachend nickte, sah ich sie mit warmen, fast schon verliebten Augen an. „Also“, meinte ich und setzte mich auf den Fahrersitz, „dann müssen wir heute einkaufen. Erzähl mir was du heute erlebt hast.“ Heute war es wirklich toll ihren Geschichten zu lauschen. Das Jane sie wieder geärgert hatte und sie sich entschuldigen musste, dass sie sich heute mit Taylor in der Ecke eine Höhle gebaut hatten und sie Hundemama und Hundevater waren. Sie war noch nicht fertig, als wir am Supermarkt ankamen. Ich ließ sie einen Kindereinkaufswagen nehmen und sagte ihr, was wir alles brauchten. Eifrig tapste sie los und versuchte mir zu helfen. Ich leitete sie durch die langen Gänge, holte Fleisch, etwas Saft und hielt an dem Tütenregal. Ich nahm Maddy auf den Arm und fragte sie, was sie essen wollte. Ich beobachtete wie ihre kleinen Augen durch die Regale glitten und es war tatsächlich, als suche sie etwas. Überrascht war ich, als sie auf eine Tüte deutete, die ziemlich weit von uns entfernt stand. „Die da!“, meinte sie und ich folgte ihrem ausgestreckten Finger. Es war eine Tüte mit einem Wikinger drauf. Erbsen-Möhren und Hackbällchen in heller Sauce. Ich nahm die Tüte und überflog was hinten drauf stand und meinte, dass man die heute machen könnte. Wir holten das Hackfleisch und an der Kasse strich ich Madeline liebevoll über den Kopf und meinte: „Du hast mir so toll geholfen mein Schatz, suche dir ruhig mal einen Schokoriegel aus.“ Ich lachte leise als ich das Strahlen in den grünen Augen meiner Tochter sah. Nur sehr selten erlaubte ich ihr so etwas. Sofort war sie an den Süßigkeiten und begutachtete die zur Schau gestellte Ware. Mein Handy vibrierte und als ich es rausnahm, sah ich eine Nachricht von Paul. „Freu mich echt schon auf morgen“, stand da und ich konnte nicht anders, als noch ein wenig mehr zu strahlen. „Daddy“, rief Madeline und mit immer noch fröhlichem Lächeln auf den Lippen sah ich von meinem Handy auf, „Ich kann mich nicht entscheiden.“ Sie hielt zwei Riegel in den Händen und gut gelaunt packte ich einfach Beide in den Einkaufswagen. „Du bist voll toll!“, rief sie fröhlich und umarmte meine Hüfte. Sie lachte fröhlich und auch ich lachte leise und streichelte ihre braunen Locken. „Ich erinnere dich daran, wenn du dein Zimmer aufräumen sollst… Was du heute auch noch machst“, meinte ich mit strengerer Stimme und ging einige Schritte an der Kasse weiter. Eifrig nickte sie und versprach, dass sie das gleich machen werde. Schräg grinste ich sie an. Ich glaubte kaum, dass sie mit so einem Engagement ihr Zimmer aufräumen wird. Ein Mitarbeiter des Supermarktes packte die Einkäufe in Tüten und Maddy schaute ihm gerade dabei zu, als habe er Angst, er würde ihre Schokoriegel stibitzen. Ich kramte wieder nach meinem Handy und schrieb Paul: „Ich mich auch. Ich hoffe, wir haben morgen genauso viel zu Reden.“ Ich setzte einen Smiley dahinter und öffnete das Bild, welches Paul bei seinen Account verwendete. Es zeigte ihn in Uniform neben einem anderen Polizisten stehen, vermutlich ein Freund von ihm. Ich fand, dass ihm die Uniform erstaunlich gut stand. Doch viel erkennen konnte man nicht. Ich schmunzelte leicht, zufrieden schloss ich die Datei und ging gemeinsam mit meiner Tochter zu unserem Auto. Ich verstaute die Einkäufe in unserem Wagen, schnallte wie immer Madeline an und als ich mich umdrehte sah ich eine Frau hinter mir. Sie hatte rotgefärbte Haare und wie ich grüne Augen. Charmant lächelte sie mich an und meinte: „Echt Süß, wie Sie das mit Ihrer Tochter machen. Ihre Frau kann echt glücklich sein.“ Ich blinzelte verwirrt und schloss die Tür vom Auto. Es war nicht das erste Mal, dass mich Frauen ansprachen. Kleine Kinder funktionierten genauso gut, wie kleine Hunde. Ich kratzte mich verlegen am Kopf und bedankte mich höflich bei der Dame. Ich bemerkte wie sie sich aufrichtete und ihre Augen glitten an meinem Körper entlang. Ich hatte nie Interesse an Frauen gehabt. Klar, hatte ich mal mit einer Schulkameradin etwas ausprobiert, doch mir war sehr schnell klar geworden, dass ich schwul bin. „Ich habe aber keine Frau oder Freundin“, sagte ich und bevor ich weiter erklären konnte, fiel sie mir ins Wort. „Das habe ich mir gedacht, sie tragen keinen Ring!“, stellte sie mit ihrer eigentlich sehr freundlichen und klaren Stimme fest. Ich blickte hinab auf meine Hand. Den Ehering hatte ich tatsächlich schon vor einigen Jahren abgelegt. Ein halbes oder dreiviertel Jahr nach der Trennung. „Stimmt“, meinte ich und sah von meiner Hand in das Gesicht der Rothaarigen. „Ich bin aber schwul“, erklärte ich schnell. Ich hielt es nie lange geheim. Wenn eine Frau flirtete, stellte ich es meistens schnell richtig, damit es für sie und mich nicht unangenehm wurde. „Oh“, meinte sie und tatsächlich wirkte sie etwas verdutzt, „schade… Sie wirkten so nett, da dachte ich, ich versuch mein Glück. Und das ist echt kein Scherz?“ Fast schon ein wenig entschuldigend blickte ich sie an und schüttelte den Kopf. „Tut mir ja Leid… Ich muss auch los. Wir haben beide Hunger“, meinte ich und als ich im Auto saß wollte Madeline sofort wissen, was die Frau wollte. „Sie wollte fragen, ob ich ihr Freund sein will“, sagte ich so simpel, dass ich sicher sein konnte, dass sie es verstand. Es war in meinen Augen auch nichts Schlimmes, ihr so etwas zu sagen. Ich blickte in den Rückspiegel und sah, wie sie entsetzt den Kopf schüttelte. „Das geht doch gar nicht. Weißt sie denn nicht, dass du keine Mama willst?!“, fragte sie und klang dabei vollkommen entsetzt. Natürlich, war es für sie normal, dass ich Männer wollte. Doch sie verstand nicht, dass es nicht „normal“ war. Das nur einige Menschen auf das gleiche Geschlecht standen. Woher sollte sie das auch wissen? Leise stahl sich ein Lachen aus meinem Mund als ich ihr erklärte: „Du kannst so etwas doch nicht sehen. Das ich Männer liebe, steht mir doch nicht auf der Stirn geschrieben. Und deshalb darf sie mich doch fragen.“ Kurz war es hinten still und nach einem Augenblick fragte sie: „Warum schreibst du dir das nicht auf die Stirn? Dann passiert das nicht mehr.“ Perplex blinzelte ich sie verwirrt an und lachte lauthals auf. Manchmal konnte mich meine Tochter mit ihrer frechen und offenen Art immer noch überraschen! Und mit guter Laune fuhren wir durch den wieder sehr starken Regen nach Hause. Kapitel 5: Erste Lügen ---------------------- Wir hatten gerade zu Abend gegessen und es war immer noch schön Zeit mit Madeline zu verbringen. Der Regen hatte aufgehört, sobald wir Zuhause waren und es schien eine trockene Nacht zu werden. Das Essen, was sie sich rausgesucht hatte, schmeckte erstaunlich gut und nach dem Abräumen half ich ihr beim Zimmer aufräumen. Alleine schaffte sie es noch nicht, dafür war sie einfach noch etwas zu jung. Die Wände ihres Zimmers hatten Brian und ich gestrichen, noch bevor sie auf der Welt war. Ich wollte nicht, dass sie ein rosa Zimmer bekam, also wurde eine Wand in einem hellen und sehr freundlichem grün gestrichen. Auf halber Höhe, hatten wir eine Borte anbringen lassen mit Blumen und Schmetterlingen. Brian hatte sich damals richtig ausgetobt. Er konnte so etwas immer besser, als ich. Seither hatte sich nicht viel geändert. Aus der Wiege wurde ein Bett und am Platz der Wickelkommode stand nun eine Kommode. Einige Bilder von Hunden waren an der Wand. Ihre liebsten Hunde hatten langes und weiches Fell. Was das für eine Rasse war, dass wusste ich nicht. Die Möbel waren alle aus einem hellen Holz und ließen das Zimmer warm und einladend wirken. Auf dem Boden lag ein heller beiger Teppich und einige Spielzeuge standen herum. Duplobausteine und Einhornfiguren waren im Zimmer verteilt und einige Stofftiere saßen herum. Wenn ich nicht darauf achten würde, wäre das Zimmer von Madeline viel chaotischer. Ich hielt Madeline gerade den Eimer für die Duplosachen hin, als es unten an der Tür klingelte. Überrascht sah ich auf und meinte: „Räum du weiter die Steine da rein, ich schau mal, wer da an der Tür ist.“ Mit großen grünen Augen sah mich Maddy an und ich wusste, dass sie gleich von oben an der Treppe schauen würde, wer vor der Tür stand. Als ich die Haustür öffnete, sah ich in das rundliche und fröhliche Gesicht meines besten Freundes. Er hatte sich rasiert und seine hellbraunen Haare hingen ihm etwas verschwitzt ins Gesicht. Ich blickte auf den Helm in seiner Hand und sah sein Fahrrad hinter ihm in der Einfahrt stehen. „Hey!“, meinte er freundlich und klopfte mir auf die Schulter, „War gerade eine Runde am Fahren und dachte, ich komme einfach mal vorbei. Oder stör ich?“ Ich lachte leise und schüttelte den Kopf. Ich sagte ihm sofort, dass er reinkommen konnte. Phil war genauso groß wie ich. Wir sahen einander ähnlich und häufiger hatte man uns für Geschwister gehalten. Er hatte wie ich einen sportlichen Körperbau und eine gerade Nase im Gesicht. Das einzige auffällige, was uns neben der unterschiedlichen Haarfarben unterschied war sein etwas rundliche Gesicht. „Onkel Phil“, rief Madeline von oben und ich hörte, wie sie die Treppe hinuntersprang. Ich schmunzelte leicht und sah zu, wie Phil meine Tochter fröhlich begrüßte. „Was machst du hier?“, wollte sie sofort wissen und sah ihn mit großen Augen dabei zu, wie er begann sich die Jacke auszuziehen. „Sarah ist bei ihren Eltern und ich dachte mir, dann besuche ich mal mein Lieblingsmädchen“, scherzte er und zwinkerte Madeline fröhlich zu. Ich schmunzelte, als ich sah, wie Madeline fast schon ein wenig verlegen die Hände auf den Mund presste und vor sich hin kicherte. „Bleibst du, bis ich im Bett bin?“, fragte sie und immer wieder kicherte sie. Phils blaue Augen suchten die Meinen und als er mich fragend ansah, nickte ich nur. „Madeline muss nur gleich baden, beziehungsweise einmal duschen und Haare waschen“, meinte ich und als ich ein genervtes Seufzen von meiner Kleinen hörte wusste ich, dass sie darauf keine Lust hatte. „Es muss trotzdem sein“, mahnte ich sie mit strenger Stimme. „Wir räumen auch gerade das Chaoszimmer auf“, sagte ich und deutete Madeline an, dass sie wieder nach oben gehen sollte. „Soll ich mithelfen?“, fragte Phil und fügte hinzu, „ich habe mich schließlich auch nicht angekündigt.“ Sofort nickte Madeline und als ich sie streng musterte meinte sie schulterzuckend: „Was denn? Onkel Phil will doch helfen. Dann komm mal mit, dann zeige ich dir, wie das funktioniert.“ Mit diesen Worten, drehte sich meine kleine Tochter um und ging die Treppe, so schnell es ihre kleinen Beine erlaubten, hinauf. „Komm schon Onkel Phil, die Sachen räumen sich nicht von alleine weg!“, rief sie fröhlich und leise lachend folgten wie ihr hinauf. Das sie meine Sprüche einfach so wiederholte war schon niedlich. Natürlich, musste sie ihm zu den ganzen Spielsachen etwas erzählen, doch als ich sie wütend anfuhr, dass sie endlich fertig werden sollte, räumte sie schmollend auf. Schnell duschte ich sie ab, während Phil unten auf uns wartete und pünktlich um halb acht sahen wir uns Madelines Lieblingsserie an. Später als sonst lag sie im Bett und endlich um halb neun saß ich unten mit Phil alleine. „Wirklich schön, dass du gekommen bist“, meinte ich grinsend und reichte ihm ein kühles Bier. Er nickte mir dankend zu und trank einen Schluck. „Sarah war heute beim Arzt“, begann er ruhig zu sprechen, doch wie er klang, schien nichts Schlimmes geschehen zu sein. Auch ich hatte mir einen kräftigen Schluck gegönnt und fragte: „Und? Alles gut mit dem Baby?“ Sofort nickte Phil und ein stolzer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. „Es wird ein Junge“, berichtete er stolz und ich sah, wie seine Augen glänzten. Ich wusste, dass er gerne einen Sohn haben wollte und es freute mich sehr für meinen besten Freund. Ich klopfte ihm auf die Schulter und sagte: „Das ist doch toll! Das freut mich für dich! Habt ihr denn schon einen Namen?“ Er lachte leise und nickte sofort. „Ja. Jonathan“, meinte er schmunzelnd und ich sagte ihm sofort, dass mir der Name gefiel. Ich hatte mir damals auch eher einen Jungen gewünscht, doch eigentlich war ich nur erleichtert, dass Madeline ein gesundes Kind ist. Klar, ich kann immer noch nicht viel mit typischen Mädchenkram anfangen, doch dann lernte ich es eben, oder es gab einfach keinen typischen Mädchenkram. Schließlich entschieden doch eigentlich wir, was typisch Junge oder Mädchen ist. „Also eigentlich“, redete Phil weiter, „soll er Jonathan Phil Segal heißen! Madeline hat doch auch einen zweiten Vornamen, oder?“ Ich nickte. Viele Amerikaner hatten zwei Vornamen, es war also nicht wirklich ungewöhnlich. Madeline und ich waren dabei keine Ausnahme. „Ja hat sie. Madeline Isabella Prescot“, sagte ich sofort. Tatsächlich hatten sich Brian und ich nie wegen ihres Namens gestritten. Uns beiden gefiel der Name, also nahmen wir ihn! Ich wollte etwas klassisches, aber nichts, was in meinen Ohren zu alt und abgedreht klang. Einfach ein Name der ihr später keine Probleme bereiten würde. „Ach ja“, hörte ich Phil sinnieren und er grinste mich zufrieden an. Scherzhaft meinte ich, dass ich den vollen Name nur benutze, wenn ich sauer auf sie bin. Verschwörerisch sahen wir uns in die Augen, eher wir beide einen Schlick des Bieres tranken. Wir kannten dieses Verhalten schließlich zur Genüge von unseren Eltern. „Ich kann es kaum erwarten, bis der Kleine endlich da ist“, meinte Phil fröhlich und wie er mich so offen und glücklich angrinste, konnte ich ihn mir als einen guten, sogar sehr guten Vater vorstellen. Er und Sarah würden gute Eltern werden, da war ich mir sicher. Wir schwiegen kurz und nach einem Augenblick begann ich Phil von dem Brief von Brian zu erzählen. Es war gut, dass ich endlich mit jemanden darüber reden konnte, wie es für mich war. Wie plötzlich und unerwartet dieser kam und dass er nun das Sorgerecht für seine Tochter haben wollte. „Kann er das denn?“, wollte Phil sofort wissen und fuhr wütend fort, „Dieser blöde Hurensohn. Erst verpisst er sich einfach und jetzt kommt er mit so einem Scheiß um die Ecke.“ Ich nickte nur und nach einem Augenblick erklärte ich: „Eigentlich hat er kaum eine Chance. Damals als wir uns getrennt hatten, war er schließlich einfach verschwunden. Erst als er mit einem Anwalt wegen der Scheidung kam, bekam ich von ihm eine Erklärung. Ein Schreiben in dem steht, dass ich alle Angelegenheiten bezüglich Madeline alleine entscheiden kann. Er hat also das Sorgerecht abgegeben…. Das Problem das ich habe ist, dass es nur zwischen uns geregelt wurde und nie von einem Gericht. Das entscheidet erst, wenn sich Eltern nicht einigen können. Das ist jetzt anders… Aber seit einigen Jahren gibt es ein Kinderschutzgesetz, das besagt, dass das Kind dort bleibt, wo es sich am längsten aufgehalten hat. Natürlich, wenn es da nicht in Gefahr ist, aber ich denke, dass ist verständlich.“ Phil nickte nur und runzelte die Stirn. Er faltete seine Hände vor dem Gesicht und betrachtete mich nachdenklich. „Und warum, macht er es dann?“, wollte er nachdenklich wissen. Spöttisch lachte ich und meinte mit Verachtung in der Stimme: „Er ist jetzt auf einem Bibeltrip und ist plötzlich der Meinung, dass ein Homosexueller kein Kind erziehen sollte. Er trägt jetzt ein Kreuz und ist mit einer Frau zusammen und Pastor Graham und Gott sind jetzt auf seiner Seite….“ Der Blick, den Phil mir schenkte war Gold wert. Jegliche Gesichtszüge entglitten meinem besten Freund und perplex starrte er mich an. Es schien, als habe ihn meine Aussage sprachlos werden lassen. „Das ist der größte Schwachsinn, den ich je gehörte habe“, sagte er nach einem Augenblick der Stille und wäre die Situation nicht so beschissen für mich, hätte ich darüber lachen können. „Ja, ist es“, bestätigte ich seine Aussage und verdrehte fast schon genervt die Augen, während ich weiter sprach. „Das nervige ist einfach, dass es total unnötig ist. Er wird nicht gewinnen und es bringt nur Unruhe in unser Leben. Vermutlich möchte er einfach nur wieder das geteilte Sorgerecht und versucht zunächst den ganzen Kuchen an sich zu reißen. Aber auch das möchte ich eigentlich nicht! Es ist einfach scheiße und dann auch noch dieser Bibelscheiß. Ernsthaft, das er jetzt so etwas meint, ist doch total heuchlerisch. Als ob er die ganzen Jahre mit mir auf Drogen war…“ Phil schüttelte nur den Kopf und nach einem Moment meinte er fast schon schmunzelnd: „Vielleicht hast du das ja einfach nur nicht bemerkt.“ Ein böses, fast schon grimmiges Lachen stahl sich auf meinen Lippen. Ich strich mir etwas wirsch durch meine schwarzen Haare und meinte: „Klar, dass erklärt auch, warum er so scharf auf meinem Schwanz war… Waren alles Drogen. Klar…“ Ich redete eigentlich nie wirklich aus dem Nähkästchen. Es ging niemanden etwas an, wie und was ich im Bett machte. Doch bei Phil konnte ich es einfach machen. Ohne, dass es falsch wirkte. „Siehst du!“, meinte er mit gespielt ernster Stimme, „All diese verdammten Drogen, sage ich dir.“ Ich lachte leise und schüttelte den Kopf. „Na ja, aber mal Spaß beiseite“, meinte ich und meine Stimme wurde ernst. „Es ist schon scheiße. Wenn er es wirklich ernst meint, wird er zum Gericht gehen und da einen beschissenen Antrag stellen. Wenn er echt alles ins Rollen bringt, muss am Ende noch ein Gutachter kommen. Wenn der dann bescheinigt, dass es Madeline nicht schaden würde, auch mit Brian Kontakt zu haben, werde ich kaum verhindern können, dass er sie regelmäßig sehen darf.“ Nachdenklich strich sich Phil über seine Falten an der Stirn und atmete schwer und gedankenverloren durch. „Hm… Na ja, es gibt viele Eltern, die das Kind dann nicht herausgeben, wenn es zu Besuchskontakten gehen soll“, meinte er ruhig und als würde diese Herangehensweise nicht noch mehr Öl in eine lodernde Flamme werfen. „Ich schau jetzt erst einmal, wie sich der ganze Scheiß entwickelt“, erwiderte ich ruhig. Natürlich hatte ich an so etwas gedacht. Doch was würde es mit sich bringen? War das klug oder würde ich Madeline damit nur in eine unangenehme Situation bringen? Wenn es bedeutete, dass Brian und ich uns jedes Jahr vor Gericht wieder sahen, wollte ich das meiner kleinen Tochter nicht antun. Sie konnte nichts für den Streit und anders als Brian schien mir dies auch bewusst. Sie war in dieser Konstellation das Opfer und ich wollte sie einfach davor beschützen, als Punchingball hin und her geschoben zu werden. „Gibt es denn sonst was Neues?“, wollte Phil dann wissen. Gerade, als ich den Kopf schütteln wollte fiel mir Paul ein. „Ich hab jemanden kennen gelernt. Wir waren heute zusammen Mittagessen. In dem Café in der Nähe vom Gericht“, meinte ich erklärend und sofort wusste Phil, welches ich meinte. „Okay, war das der Schwarze, von dem du mal erzählt hattest“, wollte er nachdenklich wissen und als er von Alex sprach, schüttelte ich sofort den Kopf. „Nein, das mit ihm war… was Lockeres. Der wollte keine Beziehung.“ Phil nickte nach einem Augenblick und ich war ihm dankbar, dass er nicht weiter nachfragte. Er kannte meine Probleme mit den Männern. „Okay. Also schon wieder jemand Neues. Mann, du lässt ja kaum etwas anbrennen“, scherzte er und ein schräges Grinsen schlich auf meine Lippen. Ich zuckte mit den Schultern und wie ein Gentleman schwieg ich dazu. Erst nach einem Augenblick sagte ich ruhig: „Er ist nett, ist Polizist und etwa in meinem Alter. Passt also eigentlich. Hätte heute aber die Verabredung vergessen, wenn mein Handy mich nicht daran erinnert hätte.“ Lauthals lachte Phil und als er sagte, was wir heutzutage ohne dieses Ding machen würden, zuckte ich gut gelaunt mit den Schultern. „Wissen deine Eltern eigentlich, dass Brian wieder aufgetaucht ist?“, wollte Phil wissen und stand langsam auf. Ich kannte ihn, er wollte sicher langsam wieder nach Hause aufmachen und auch ich erhob mich von meiner bequemen Couch. „Nein. Ich fliege nächstes Wochenende runter nach Phoenix. Mum hat Geburtstag und da kann man besser reden“, erklärte ich ruhig und begleitete meinen besten Freund zur Tür. Er nickte und setzte sich den Helm wieder auf. Seit Madeline auf der Welt war, hatten Phil und ich uns wieder angewöhnt mit Helm Fahrrad zu fahren. Ich fand es amüsant, dass auch mein bester Freund seine Angewohnheiten geändert hatte. „Na ja ist doch gut. Dann kommst du ein bisschen raus und kannst Sonne tanken“, scherzte er und ging zu seinem Fahrrad. Ich wohnte in einem ruhigen Wohnviertel und noch nie wurde etwas geklaut. Auch Einbrüche geschahen nicht sehr häufig. „Okay Rick“, meinte Phil und stieg auf sein Fahrrad, „wir sehen uns! Und wenn was ist, melde dich okay?“ Ich schmunzelte leicht und nickte, während ich Phil kurz winkte und die Tür langsam hinter mir schloss. Immer noch war es trocken und ich drückte Phil die Daumen, dass er trockenen Fußes Zuhause ankam. Überpünktlich war ich am nächsten Tag im Bistro. Von Paul war noch nichts zu sehen und so suchte ich mir einen leeren Tisch. Ich war froh, dass es nicht zu lange bei Gericht gedauert hatte. Etwas ungeduldig trommelte ich mit den Fingerspitzen auf dem Tisch herum. Wieso war ich eigentlich nervös? Ich kannte den Mann kaum und wir trafen uns erst das zweite Mal. Wieso sollte ich also nervös sein? Ja, Paul sah gut aus und ja, er hatte wohl auch einen guten Humor und sein Hintern war in der Hose gestern jedenfalls nicht zu verachten gewesen. Doch ich sollte keine Schnellschüsse ziehen. Vielleicht war er auch gar nicht auf der Suche, nach etwas Festem. Doch wieso sollte man sich dann in einem Bistro zum Reden treffen? Wenn er es schnell und unkompliziert haben wollte, hätte er es einfacher haben können. Ich hatte nichts gegen Onenightstands, außer ich war vergeben. Immer, wenn die Tür des Bistros sich öffnete blickte ich von meinem Handy auf. Doch erst beim vierten Mal, sah ich, dass Paul das Bistro betreten hatte. Seine Augen glitten durch die Menge und als er mich sah bemerkte ich, wie sich seine Lippen zu einem zufriedenen Grinsen verzogen. Er ging auf mich zu und irgendetwas wirkte komisch, wie er ging. Doch ich konnte nicht benennen, was es war und als er bei mir am Tisch war, setzte er sich mir freundlich zunickend, gegenüber. „Hi“, raunte er freundlich und schmunzelte leicht, „Alles klar?“ Ich nickte und ließ meinen Blick an seinem Gesicht entlang gleiten. Er schien etwas müde und leichte Augenringe zeichneten sich auf seiner Haut ab. „Ja, bei mir schon“, antwortete ich und mit skeptischer Stimme fragte ich: „Und bei dir? Du wirkst müde? Alles gut?“ Leicht nickte der Mann vor mir und winkte ab. „Alles gut“, sagte er und ich hatte das Gefühl, als würde er nachdenklich klingen, „Ich habe nur etwas Stress. Der ließ mich nicht schlafen.“ Ich war unschlüssig, ob ich fragen durfte. Natürlich war ich neugierig und doch wollte ich nicht unhöflich sein. „Was denn für Stress?“, entschied ich mich zu fragen und blickte den Mann vor mir neugierig an. Ich bemerkte, dass er stockte und als er seine Augen zusammenkniff wusste ich, dass egal was er sagte, es sicherlich nicht die Wahrheit war. „Arbeit. War so lange krank und ich bekomme jetzt ein Wiedereingliederung. Ich bin einfach kein Fan davon“, seufzte er. Als der Kellner kam und unsere Getränke aufnahm blickte ich den Mann weiterhin skeptisch an. Ich fragte nicht weiter nach. So etwas könnte man machen, wenn man sich besser kannte. Ich teilte ihm schließlich auch nicht meine Sorgen mit. Doch ich war mir sicher, dass er nicht die Wahrheit gesprochen hatte. Ich bestellte mir Essen und entschied mich einfach für einen Wrap mit Rindfleisch. „Das wird sicher schon werden, mit der Arbeit. Ist vielleicht auch ganz gut nicht mit einer Arbeitszeit von einhundert Prozent anzufangen“, meinte ich und legte die Karte beiseite. Paul nickte nur und immer noch hatte ich das Gefühl, etwas Unergründliches in seinen Augen zu erkennen. Er schwieg und nach einem Augenblick meinte ich: „Das Bild von dir in der Uniform sieht übrigens gut aus. Ich glaube, mir könnten Uniformen gefallen“, versuchte ich die Stimmung aufzuheitern. Ich zwinkerte ihm zu und grinste ein wenig. Vielleicht brachte ihn dies ja auf andere Gedanken. Sofort bemerkte ich, dass ich mit dieser Idee vollkommen richtig lag. Sein Blick hellte sich auf und das leichte Lächeln, welches sein Gesicht zierte, stand ihm erstaunlich gut. Er sah tatsächlich etwas geschmeichelt aus. „Du hast ja nur ein Bild von deinem Fahrrad als Profilbild“, beschwerte er sich schmunzelnd. Ich hörte sofort heraus, dass er es nicht ernst meinte und konnte dennoch nicht verhindern, dass ich frecher antwortete, als es angebracht war: „Du hättest mir ruhig schreiben können, wenn du Bilder gewollte hättest. Das ein oder andere hätte ich dir sicher geschickt.“ Überrascht sah er mich an und sein Gesichtsausdruck war unergründlich. „Kannst mir ja später welche schicken“, scherzte er und zwinkerte mich leicht zu. Gerade, als ich etwas antworten wollte kamen unsere Getränke. „Was hättest du denn gerne für Bilder?“, fragte ich und ein süffisanter Unterton schlich sich in meine Stimme, nachdem der Kellner wieder verschwunden war. Über den Tisch hinweg beugte ich mich leicht zu ihm. Fast schon etwas herausfordernd blickte ich ihn aus meinen grünen Augen an. Auch Paul beugte sich zu mir und schmunzelte leicht. „Hm…“, kam es langgezogen von ihm und seine dunkelbraunen Augen glitten über meinen Oberkörper. Süffisant schien das Grinsen zu werden und nach einem Augenblick fragte er keck: „Was ist, wenn ich Bilder möchte, auf denen mal mehr zu sehen ist?“ Frech zwinkerte er mich an und ich verstand sofort. Doch ich schickte niemanden Bilder, auf denen ich unbekleidet war. Es brachte mich und meine Karriere nur in Gefahr, wenn jemand meinte, mich damit zu erpressen. Ich war froh, dass ich schon immer diese Weitsicht hatte. Doch ich wollte einfach keinen Rückzieher machen. Ich nickte leicht, nachdenklich und frech erwiderte ich. „Ich zeige das alles lieber Live. Dann kann ich die Reaktion genießen.“ Überrascht weiteten sich die braunen Augen des Mannes vor mir und er blickte mich durchdringend an. Ich sah, wie der Mund sich ein, zwei Mal öffnete und erst beim dritten Mal kamen Wörter heraus: „Du hast echt eine große Klappe…. Was ist, wenn ich jetzt sage, okay lass uns gehen?“ Ich lachte leise und immer noch, hatte er mich nicht in die Ecke gedrängt. „Dann würde ich sagen, dass ich eigentlich recht viel Hunger habe und nur mitkomme, wenn du mir genug gibst, was mich satt machen kann“, sagte ich mit einem dreckigen, amüsierten Unterton und ließ meine Augen erneut an dem Körper des Mannes hinabgleiten. Ich bemerkte, wie Paul stockte und als er anfing zu lachen, konnte ich nicht anders und stimmte in sein Lachen mit ein. „Man, Rick“, meinte Paul und strich sich über die Augen, „Dass war ja mal so was von billig.“ Ich nickte nur und schmunzelnd betrachtete ich den Mann vor mir. Ich zuckte mit den Schultern und meinte: „Ja, das kann ich auch.“ Immer noch schmunzelte der Mann vor mir und meinte nach einem Augenblick: „Vielleicht finden wir mal wieder zum Niveau zurück.“ Ich nickte nur und trank einen Schluck meines Wassers. „Hätte nicht gedacht, dass der Herr Anwalt solche Töne von sich gibt“, scherzte Paul und stellte seine Cola zurück auf den Tisch. Ich zuckte mit den Schultern. Nur, weil ich Anwalt war, musste es schließlich nicht bedeuten, dass ich keinen Humor besitze. „Wir Anwälte sind auch nur Menschen, bei euch Polizisten sieht das schon etwas anders aus“, scherzte ich schmunzelnd und Paul lachte kurz auf. Er schien seine schlechte Laune vergessen zu haben und nach einem Augenblick sagte er: „Ich war am überlegen, heute abzusagen aber irgendwie, bin ich froh, dass ich doch hier bin.“ Ich nickte nur, denn auch ich war sehr froh, dass wir wieder gemeinsam unsere Mittagspause verbrachten. Klar, hätte ich sie auch mit meinen Kollegen verbringen können doch es war, wie ein kleines Date und ich genoss diese Flucht, wie gestern. „Morgen dann wieder?“, fragte ich lächelnd und sofort nickte Paul. Er fragte mich, was ich gestern getan hatte und ich erzählte ihm, dass mein bester Freund gestern Abend vorbei kam. Wir sprachen über alltägliches. So erfuhr ich, dass er ein großer Footballfan war. Ich war immer eher ein Fan von Baseball und Basketball gewesen. Paul wollte schon immer beim Superbowl dabei sein. Ich schaute diesen zwar, war aber eigentlich kein wirklicher Footballfan gewesen. „Besuchst du deine Familie eigentlich häufig“, wollte Paul wissen und aß den letzten Rest seiner Pizza. Ich nickte und schluckte das Essen hinunter bevor ich antwortete: „Klar. Hab ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern und meiner Schwester. Ich bin nächstes Wochenende bei ihnen. Meine Mutter feiert Geburtstag. Da freuen wir uns schon drauf.“ Skeptisch hob Paul den Blick und fragte: „Wir? Wer ist wir?“ Kurz weiteten sich meine Augen und ich verschluckte mich am Essen, welches ich gerade im Mund hatte. Ich wollte nichts von Madeline erzählen! Ja, vielleicht war es falsch, doch es war erst unser zweites Treffen! Schnell ratterte es in meinem Kopf und immer noch hustete ich. Ich trank einen Schluck Wasser und nach einem Augenblick meinte ich: „Wir, ich meine, meine Schwester und ich. Wir haben ein tolles Geschenk für unsere Mutter besorgt.“ Skeptisch blickte Paul mich an und erst nach einem Augenblick nickte er. „Okay. Ich wollte früher immer einen Bruder haben“, sagte er ruhig und immer noch, wirkte der Blick mit dem er mich musterte seltsam. „Ich auch“, sagte ich sofort und ging bewusst nicht auf den Unterton ein, welcher in der Stimme des Polizisten mitschwang, „Aber ich hab nur ’ne Schwester bekommen. Marieanne Meine Eltern stehen auf alte und traditionelle Namen.“ Paul nickte nur und schwieg. Ich sah, wie er die Stirn immer wieder runzelte und nach einem Augenblick meinte er: „Du, wenn du was lockeres willst, dann kannst du das einfach sagen.“ Diese Aussage, überraschte mich. Wie kam er denn darauf? Verwirrt zogen sich meine grünen Augen zusammen und langsam schüttelte ich den Kopf. „Nein“, sagte ich langsam und vorsichtig, „Ich bin für alles offen, was sich so ergibt. Wie kommst du darauf?“ Schnell winkte Paul ab und meinte: „Nur so. Vielleicht treffen wir uns einfach am Wochenende mal?“ Ich blinzelte und in meinem Kopf begann es erneut zu rattern. Könnte ich Madeline für ein paar Stunden zu Freunden geben? Phil hätte sicher nichts dagegen. Doch ich kannte seinen Terminplan nicht. Nachdenklich meinte ich nach einem Moment: „Hm… Ich schreib dir heute Abend. Ich weiß nicht, ob an diesem Wochenende schon was ansteht. Ich schreib dir einfach, okay?“ Paul nickte und winkte den Kellner zu sich. „Klar, melde dich einfach“, meinte er und freundlich war das Lächeln, welches wieder auf seinem Gesicht erschienen war. Er bezahlte das Essen und gemeinsam verließen wir das Bistro. Ich war froh, dass es nicht regnete. Nur die dicke Wolkendecke ließ kein Sonnenstrahlen hindurch. „War echt schön. Morgen wieder um eins?“, fragte ich freundlich und konnte die gute Laune nicht aus meiner Stimme verbannen. Ja, es war wirklich toll, sich mit ihm zu treffen! Diese Flucht aus meinem Alltag war einfach wundervoll! „Geht klar“, meinte Paul, winkte leicht und als er sich umdrehte erinnerte ich mich, dass ich ihn eigentlich fragen wollte, ob mit seinem Bein was nicht stimmte. Hölzern schien sein Gang, doch eigentlich, konnte man Eins und Eins zusammen zählen. Er war krankgeschrieben und bekam nun eine Wiedereingliederung. Vermutlich hatte er einen Unfall und hatte sich am Bein verletzt. Meine Augen glommen erneut zu seinem Gesäß und zufrieden grinste ich leicht, als ich mich auf den Weg zurück in die Kanzlei machte. Ich holte mein Handy aus der Tasche und schrieb ihm fröhlich: „Ich schaue, dass ich am Wochenende etwas Zeit habe. Und dein Hintern sieht echt gut aus.“ Ich packte einen Smiley dahinter, welcher ihm die Zunge rausstreckte und schickte die Nachricht ab. Kapitel 6: Schmerzvolle Worte ----------------------------- Ich rief nach dem Abendessen die Mutter von Taylor an. Ich wollte nicht, dass Madeline das Gefühl bekam, ich würde sie am Wochenende abschieben. Nach dem dritten Klingeln wurde abgenommen und eine tiefe männliche Stimme meldete sich am Telefon. „Guten Abend, Sir“, sagte ich und fuhr fort, „Meine Tochter Madeline ist mit ihrem Sohn Taylor befreundet. Und ich wollte fragen, ob sie am Wochenende mal zu Ihnen kommen darf?“ Die Stille am anderen Ende der Leitung verwirrte mich und noch einmal fragte ich verwirrt: „Hallo? Sir?“ Ich hörte, wie das Telefon weggehalten wurde und als ich die Worte des Mannes hörte riss ich erschrocken meine Augen auf. „Zoe, ist in Taylors Kindergarten eine Madeline oder habe ich deinen Stecher am Telefon!“, brüllte der Mann durch sein Haus. Ich spürte, wie ich rot und mir zugleich heiß und kalt wurde. Es war mir unangenehm und unsicher stand ich von der Couch auf und ging durch mein Wohnzimmer. Vorbei an einer Kommode auf der einige Bilder standen. Ich hörte im Hintergrund jemanden herantreten und Stimmengewirr. „Oh mein Gott John! Ich bitte dich!“, hörte ich die vertraute Stimme von Taylors Mutter. Ich wusste gar nicht, dass sie Eheproblem hatte. Immer, wenn man sie fragte, war alles in bester Ordnung. Ich wollte sicherlich nicht für Eheprobleme verantwortlich sein! „Mr. Prescot?“, fragte sie und nachdem ich ein unsicheres ja von mir gab, fragte sie, was ich wollte. „Ähm“, entfuhr es mir wenig intelligent und ich strich mir die Haare aus der Stirn, „Ich wollte eigentlich fragen, ob ich Madeline am Samstag von zwölf bis fünf oder sechs Uhr vorbeischicken kann? Aber wenn es nicht pas-.“ Sofort fiel sie mir ins Wort und meinte: „Nein, nein! Es ist alles gut… Ähm… warten Sie. Ich möchte nur vorher auf den Kalender schauen.“ Ich hörte wie sie ging und ihr Mann rief ihr etwas zu, was ich nicht verstand. Immer noch war es mir unangenehm und ich kratzte mich verlegen am Kopf. „Ähm… Mr. Prescot ich denke, dass wird klappen und tut mir leid. Mein Mann weiß sich manchmal nicht zu benehmen“, entschuldigte sie sich und ich hörte an ihrer Stimme deutlich, dass es ihr unangenehm war. Auch mir war es peinlich. Immer noch rauschte das Blut in meinen Ohren und nach einem Moment sagte ich: „Okay… Aber das klappt wirklich? Ich muss mich da ein wenig drauf verlassen können. Ich bin nämlich verabredet und kann dann nicht einfach verschwinden.“ Die Frage war mir unangenehm und dennoch musste ich sie jetzt einfach stellen. Ich wollte nicht, dass es am Samstag doch hieß, Madeline müsse zuhause bleiben. „Natürlich können Sie sich auf mich verlassen“, meinte Taylors Mutter und schien sich immer unwohler zu fühlen. Ich erlöste sie und sagte: „Das ist klasse. Die zwei spielen ja auch echt gerne zusammen…. Ja ich sag dann mal bis Samstag…“ Ich legte schnell auf und amtete durch, während ich das Telefon mit großen Augen anblickte. So ein unangenehmes Gespräch hatte ich privat seit langem nicht mehr geführt. Ich war mir sicher, dass es Taylors Mutter unangenehm werden würde, wenn wir uns morgen im Kindergarten über den Weg laufen sollten. Doch zum Glück, trafen wir uns so gut wie nie. Doch schon öfter hatte ich Madeline zu ihnen gebracht und Taylor hatte schon einige Male bei uns gespielt. Unschlüssig sah ich das Telefon an und nach einem Augenblick entschied ich mich bei Sarah und Phil anzurufen. Ich wollte Paul unbedingt treffen! Ich erkannte sofort, dass es Phil war, der das Gespräch annahm. „Hey, ich bin es Richard“, sagte ich schnell und erklärte, „Sag mal, eigentlich ist Madeline am Samstag bei einem Freund. Doch… Na ja so hundertprozentig ist das noch nicht sicher. Ich wollte mich sehr gerne am Nachmittag mit Paul treffen.“ Ich hörte es am anderen Ende der Leitung lachen und noch bevor ich weiter sprechen konnte meinte Phil: „Klar. Wir können sie nehmen… Ich bin froh, wenn du mal mit jemanden ausgehst, der vernünftig ist!“ Eine unglaubliche Wärme floss durch meinen Körper und ein sanftes und dankbares Lächeln zierte meine Lippen. Was ich nur ohne die Beiden tun würde? Freundlich bedankte ich mich. „Ihr seid echt die Besten“, meinte ich zum Abschied und als ich auflegte holte ich gleich mein Handy aus der Tasche. Ich war mir unschlüssig. Sollte ich anrufen oder sollte ich lieber schreiben? Ich blickte auf die Uhr, gleich war es Zeit für Madelines Lieblingsserie und ich steckte das Handy lieber zurück in die Tasche. Ich wollte in Ruhe mit Paul sprechen und das konnte ich nur, wenn mein Kind im Bett lag. Ich ging hinauf in ihr Zimmer und betrat das Reich meiner Tochter. An ihrer Tür hatte ich ihren Namen anbringen lassen und ein Bild von Anna und Elsa hing darunter. „Maddy, am Wochenende bist du bei Taylor zum Spielen. Ist das nicht toll?“, sagte ich ihr freundlich und ich sah, wie ihre Kinderaugen leuchteten. Fröhlich sprang sie zu mir und meinte glücklich: „Oh ja! Wie toll! Außer er will wieder Cars spielen!“ Ich konnte nicht anders und lachte leise, als ich meine Tochter betrachtete. Ich hockte mich vor sie und sah ihr in die grünen Augen, den Meinen so ähnlich. Spontan hatte ich eine Idee, als Madeline mich so offen anblickte. „Und wir beide gehen am Wochenende in den Zoo?“, fragte ich schmunzelnd und sofort nickte sie wieder. Ich bekam einen Kuss und während ich aufstand, wuschelte ich ihr durch die Haare. Heute war ich wieder ein toller Vater, das könnte morgen schon ganz anders aussehen. „Räum auf“, meinte ich und deutete auf ihre Puppensachen, welche verstreut im Zimmer lagen, „Sonst können wir deine Serie nicht schauen.“ Ich hörte, wie sie genervt und übertrieben stöhnte und dann die Spielsachen in ihre Kiste räumte. Schon jetzt schien ich nicht mehr so toll zu sein, wie noch vor wenigen Minuten. „Daddy“, meinte sie und legte ihre Puppe in den Kinderwagen, „Ich wünsche mir zum Geburtstag ganz viele Sachen von Einhörnern und eine neue Puppe. Glaubst du das kann ich haben?“ Ich war dankbar, dass ich einen so guten Job gelernt hatte. Ohne das Einkommen wären viele Wünsche meiner Tochter einfach nicht möglich. Es wäre gelogen, wenn ich sagte, dass ich als Anwalt wenig verdienen würde und nur dank des Jobs war es möglich, so zu leben, wie wir es taten. Ich nickte wage und sagte: „Ich schau mal. Na komm mit runter.“ Wir sahen uns gerade die Sendung an als sich Madeline zu mir drehte und mich fragte: „Papa, kannst du schöne Zöpfe mache?“ Unschlüssig sah ich sie an. Ich konnte so etwas nicht gut. Ich war froh, dass ich die Haare zusammenbinden konnte. Auch zwei geflochtene Zöpfe bekam ich gerade noch hin. Ich griff nach ihren Haare und grinste leicht, als ich begann die Haare zu flechten. „Nein“, meinte sie und schüttelte den Kopf, „Nicht so. So, dass der Zopf am Kopf anfängt.“ Fragend sah ich sie an. Wo sollte der Zopf anfangen? Alle Zöpfe begannen am Kopf. „Mäuschen“, meinte ich mit langsamer und verwirrter Stimme, „Haare fangen immer am Kopf an.“ Wieder schüttelte sie den Kopf und griff mit ihren Händen oben auf ihren Kopf. „Nein da“, meinte sie nur und ich verstand immer weniger, was sie eigentlich von mir wollte. Die Serie schien gerade vollkommen vergessen. „Jane hat auch immer Zöpfe da oben“, meinte Madeline und es schien, als frustriere es sie, dass ich sie einfach nicht verstand. „Warte mal“, meinte ich und stand kurz auf und holte mein Tablet zur Hand. Ich gab den Code ein und suchte im Internet nach Bildern von geflochtenen Zöpfen. Mit ihren kleinen Händen patschte Madeline auf dem Gerät herum und sagte dann: „Genauso. So wie Elsa!“ Mit großen Augen betrachtete ich das Bild. Die geflochtenen Strähnen begannen wirklich, wie Madeline gesagt hatte, oben auf dem Kopf. Ich hätte es auch nicht anders beschreiben können. Einzelne Strähnen waren vom Hinterkopf in den Zopf geflochten und es wirkte, als beginne der Zopf bereits oben mit der ersten Haarsträhne. „Ähhh“, meinte ich langgezogen und blickte von den Bildern hinein in das Gesicht meiner Tochter, „Dass kann ich nicht. Vielleicht kann Tante Sarah das.“ Ich war mir nicht sicher, ob Sarah je die Haare so getragen hatte. Schließlich achtete ich auf so etwas eigentlich nicht. „Dann muss sie dir das beibringen“, meinte Madeline und es klang irgendwie niedlich, wie ernst sie mit ihrer hohen Mädchenstimme sprach. Ich schmunzelte leicht und meinte: „Ich schau mal.“ Sie nickte und blickte mich immer noch ernst an. „Sowas musst du doch können“, beschwerte sie sich und leise lachend drückte ich sie an mich. Ich fand es nicht frech, wie sie mit mir sprach. Ich war dankbar, dass ich kein Kind hatte, welches zu schüchtern zum Sprechen war. Vielleicht konnte sie auch schon so gut sprechen, weil ich mich tatsächlich viel mit ihr unterhielt. Und lieber wies ich sie das ein oder andere Mal in die Schranken, als ihr alles aus der Nase ziehen zu müssen. „Dein Dad kann dafür andere Sachen ganz toll. Wie mit dir ganz tolle Höhlen bauen und total toll Fußball spielen“, stichelte ich und piekte ihr in den Bauch. Sie lachte leise und nickte zufrieden, während sie sich an meine Seite kuschelte. „Ja“, sagte sie zufrieden und sah den Fernseher wieder an. „Jetzt haben wir die Serie verpasst“, meinte sie frustriert und ich zuckte leicht mit den Schultern. Ich fand sie eh nicht toll. Ich sah sie mir nur an, um mit Madeline Zeit zu verbringen. „Können wir vielleicht noch was lesen?“, fragte Madeline und ich nickte leicht. Ich sollte ihr öfter etwas Vorlesen, dass wusste ich. Doch abends nach dem langen Tag war ich meistens zu erschöpft. „Kann ich machen. Aber vorher Zähne putzen“, sagte ich und stand von meiner bequemen Couch auf. Wir verschwanden im Badezimmer und ich half ihr, die Zähne zu putzen und las ihr eine Geschichte vor. Natürlich, mussten Hunde darin vorkommen. Es war später geworden als üblich, doch es war schön ihr beim Vorlesen zuzuschauen, wie sie langsam einschlief. Ich konnte mir vorstellen, dass sie abends mehr Theater machen würde, wenn sie morgens nicht so früh aus dem Bett raus müsste. Ich wünschte, dass sie immer so entspannt wäre. Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn, schaltete ein Nachtlicht ein und verließ das Kinderzimmer. Ich zwang mich, die Wäsche aufzuhängen und erst, als ich danach erschöpft auf der Couch saß holte ich mein Handy wieder aus der Tasche. Endlich rief ich Paul an. Ich mochte es einfach, mit ihm zu sprechen. Es wirkte trotz der eigentlich so kurzen Zeit, erstaunlich vertraut. Konnte das so sein oder wollte ich nur, dass es so war? Doch eigentlich, wollte ich auch nicht zu viel darüber nachdenken. Ich wollte es einfach auf mich zukommen lassen. Ich musste so vieles in meinem Leben durchstrukturieren, dass ich es einfach genoss, dass dieser Mann so vollkommen spontan und plötzlich in mein Leben gestolpert war. Ob und was sich ergab, war mir tatsächlich egal. „Hallo“, drang seine tiefe Stimme aus dem Hörer und zauberte mir ein zufriedenes Grinsen auf die Lippen. Ich lehnte mich entspannt auf der Couch zurück und schloss die Augen, als ich fröhlich sagte: „Hey, ich hab am Samstag Zeit. Zwar nur von zwölf bis ungefähr halb sechs, aber wir können da was machen“, sagte ich freundlich. Ich hörte, dass Paul den Fernseher leiser stellte und als er sprach klang er erstaunlich gut gelaunt: „Das ist cool. Muss du danach noch weg?“ Ich stockte für wenige Augenblicke und log schnell: „Ja, bin mit Freunden verabredet.“ Ich wusste, dass es wieder ein Moment war, an dem ich ihm von Madeline hätte erzählen können. Einen Moment, den ich wieder bewusst nicht wahrgenommen hatte. „Okay, ja cool und hast du was geplant?“, wollte er wissen und ich glaubte zu hören, wie er sich ein Kissen zurecht rückte. Tatsächlich, hatte ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Ich wollte gerade fragen ob wir Rad fahren sollten, als ich mich erinnerte, dass er krankgeschrieben war. Ich wusste nicht, was genau er hatte, doch ich vermutete, dass er sein Bein gebrochen hatte. „Hm… weiß ich nicht. Ich meine, sagtest du nicht du warst verletzt? Sonst würde ich sagen, dass wir Fahrrad fahren könnten“, schlug ich dennoch vor, denn tatsächlich wollte mir auch nichts Besseres einfallen. „Hm“, vernahm ich von der anderen Seite und ich glaubte etwas wie Unbehagen in seiner Stimme zu vernehmen, „Ne lass mal. Besser nicht zurzeit. Wie wäre es, wenn wir einfach was zusammen kochen?“ Ich hasste kochen! Ich hasste es schon, dass ich es jeden Tag machen sollte und nun auch noch bei einem Date? „Ich weiß nicht“, sagte ich skeptisch klingend, „Ich bin jetzt nicht so toll im Kochen…“ Ich hörte Paul lachen und konnte mir gut vorstellen, wie sich seine Augen, wegen des Lachens zusammenzogen. „Dann schneidest du halt und ich mach den wichtigen Rest“, meinte er und die gute Laune von ihm war ansteckend. Sie ließ mich zustimmen, obwohl ich es nicht wollte. „Okay, ich such mir dann ein Rezept aus“, meinte er gut gelaunt und ich stimmte ihm einfach zu. „Ich esse alles, solange es keine Pilze sind“, sagte ich schmunzelnd. Ich konnte mit diesen Gummidingern nichts anfangen. Einfach nur widerlich. „Nicht schlimm“, hörte ich Paul sagen und er fügte hinzu, „Ich esse sie zwar, aber bin auch kein großer Fan davon. Ich mag dafür keine Gurken. Die schmecken nach nichts.“ Ich lachte leise und grinste leicht. Ja, ich konnte einen sehr billigen Humor haben, den sicherlich nicht viele Menschen lustig fanden. Doch mein Mund war schneller als mein Kopf, als ich frech sagte: „Ach die ein oder andere Gurke kann schon gut schmecken. Dafür muss Mannich nur Zeit nehmen, wenn du verstehst.“ Ich hörte am anderen Ende der Leitung Schweigen und erst nach einem Moment lachte Paul kurz und laut auf. „Oh“, sagte er gut gelaunt, „Das Niveau ist wieder am Abtauchen.“ Auch ich lachte leise und nahm es nicht persönlich. Wieso sollte ich auch? Ich scherzte weiter und meinte keck: „Du hast ja keine Ahnung, wie tief es noch sinken kann.“ Wieder hörte ich ihn amüsiert Kichern und er meinte: „Deiner Nachricht nach heute zu urteilen, vielleicht noch ein bisschen mehr?“ Er brachte mich damit nicht aus der Fassung. Ich konnte dazu stehen, was ich geschrieben hatte. Sein Hintern sah aber auch verboten gut aus. Ich grinste vor mich hin, weil ich genau das meinte. Ich mochte es, dass er meinen Humor mochte. Natürlich, dies war sicherlich nicht für jeden etwas und ich hatte auch sicherlich nicht immer Lust, solche Witze zu reißen. Doch gerade, war es einfach toll, so unbeschwert mit jemanden zu reden und nicht genau darauf zu achten, wie und was man sagte. „Dein Hintern sieht übrigens auch nicht schlecht aus. Vielleicht solltest du mal eine engere Hose anziehen, damit du ihn besser betonst, könntest du ja am Samstag anziehen“, raunte mir Paul ins Ohr. Ich merkte selbst, dass ich immer noch am Grinsen war. Fast schon wie ein Irrer musste ich vermutlich aussehen. „Vergiss es“, meinte ich und legte meine Beine auf das Sofa, „So eine Hose habe ich nicht. Die sind viel zu eng im Schritt. Die kneifen sicher. Mein Ex-Mann hatte die früher öfter an, weil sie modern waren oder sind.“ Ich erinnerte mich, wie ich einst nach Hause kam und ihn zum ersten Mal in einer Röhrenjeans gesehen hatte. Ich fand, dass er schrecklich aussah und ich sagte es ihm auch. Brian war beleidigt gewesen, obwohl er eigentlich immer meine ehrliche Meinung hören wollte. „Oh nee“, hörte ich Paul sagen und konnte mir vorstellen, wie er den Kopf schüttelte, „Ich finde sie auch nicht toll. Ich hatte auch mal eine, weil sie eben modern sind. Keine Röhre, aber ne enge… Ich finde das nicht so toll. Kannst dich kaum hinhocken. Sollen das mal die Hipster und die Schwulen tragen, die unbedingt jedem ihre Sexualität aufdrängen müssen.“ Ich schmunzelte vor mich hin und fragte nach einem Augenblick: „Wie war das eigentlich. Hattest du Probleme wegen deines Outings. Ich meine Polizei ist ja ähnlich wie Militär.“ Ich war nicht verwundert, dass nach meiner Frage ein Augenblick Stille herrschte. Vermutlich musste er sich darüber zunächst Gedanken machen. Vielleicht auch darüber, was er erzählen wollte. „Hm“, kam es nach einigen Augenblicken, „Natürlich, gab es den einen oder anderen Spruch. Trotzdem muss du dich im Ernstfall aufeinander verlassen können. Mit zweien gab es größere Probleme. Aber der eine ist weggezogen und der andere wurde versetzt, nachdem er auf einen unbewaffneten Mann geschossen hatte.“ Genervt verzog ich das Gesicht. Es war nichts Neues mehr, dass so etwas geschah. Leider, musste man dazu sagen. „Na ja“, sagte ich mit ernsterer Stimme als zuvor, „Aber wenn du sonst mit deinen Kollegen gut klar kommst, ist das ja wichtiger.“ Ich vernahm ein zustimmendes Grummeln. „Das ist aber schon sehr lange her“, meinte er und ich hörte an der Stimme deutlich, dass es ihn tatsächlich nicht zu belasten schien, „Und jetzt habe ich überhaupt keine Probleme mehr damit.“ Mich freute es für ihn und ungefragt, erzählte ich ihm, dass ich vermutlich zu den wenigen Menschen gehörte, die keine größeren Probleme während des Outings hatten. Nur meine Großeltern taten sich damals schwer, doch in ihrem Alter war das für mich immer verständlich gewesen. Auch mein Vater brauchte seine Zeit. Doch nach einigen Gesprächen war zwischen uns alles geklärt gewesen. Wir schweiften ab und ich erfuhr, dass der Mann auf dem Profilbild von Paul sein bester Freund war. Sie hatten sich während der Polizeiausbildung kennen gelernt. Sie waren häufiger campen gewesen und er hatte nie Probleme damit, dass Paul schwul ist. Auch sein bester Freund war, wie meiner, nicht schwul. „Er hat einen ähnlichen Humor wie du“, meinte Paul und ich lachte leise, während er das sagte. „Klingt doch gut“, sagte ich und streckte meine Glieder. Bei einem Blick auf die Uhr stellte ich fast schon erschrocken fest, dass es bereits nach halb elf war. „Bor, verdammt“, sagte ich erschrocken, „Ich muss auflegen. Sonst komme ich morgen gar nicht aus dem Bett! Hey, wir sehen uns ja morgen, dann können wir weiter reden!“ Ich erntete ein lautes und tiefes Lachen von ihm und schnell legten wir auf. Er wollte sich nun auch endlich fertig für das Bett machen und freue sich wie ich auf das morgige Treffen. Ich wünschte, dass gute Gefühl und die gute Laune hätte bis zum nächsten Tag angehalten. Doch als ich morgens um sechs meine Tochter weckte, wollte sie einfach nicht aufstehen. Im Gegensatz zu mir, schien ihre Nacht nicht sehr erholsam gewesen zu sein. „Nein, ich will heute nicht in den Kindergarten“, jammerte sie und zog ihre Decke über den Kopf. Ich war genervt und schaltete das Licht ein. Zwar war meine Nacht erholsam, doch eindeutig viel zu kurz gewesen. Ich stöhnte laut und genervt auf und schüttelte nur den Kopf, als ich Madeline betrachtete. Oder eher das Deckenknäul. Ich selbst war bereits frisch geduscht und angezogen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und ging zu ihrer Kommode. „Steh endlich auf!“, forderte ich sie auf und kramte ein T-Shirt und einen Pullover heraus. Es regnete wieder und ich wollte nicht, dass sie krank wurde. „Ich will nicht“, meckerte sie und immer noch steckte ihr Kopf unter der Decke. „Madeline, wir haben nicht viel Zeit“, sagte ich genervt und ging zu ihrem Bett. Sie murmelte etwas, was ich nicht verstand und glaubte so etwas, wie „Keinen Bock“ zu hören. Ich zog ihr die Decke weg und wütend schrie sie mit ihrer hohen Stimme: „Lass das! Ich will nicht in den Kindergarten!“ Sie strampelt wild um sich und genervt hob ich sie aus dem Bett. „Du wirst in den Kindergarten gehen!“, sagte ich streng und zog ihr den Pyjama aus. Immer wieder meckerte sie und schmiss das Oberteil, welches ich rausgesucht hatte, auf den Boden. „Das sieht doof aus!“, schimpfte sie und wollte gerade wegrennen. Doch eisern hielt ich die am Handgelenk feste. Ich hatte keine Lust, auf so ein Theater! Natürlich meckerte sie, dass ich ihr wehtun würde, doch ich wusste, dass ich das nicht tat. Doch es war, als würde sie immer mehr beginnen, auf meinen Nerven herum zu trampeln und ich spürte, dass eben diese mich bald verlassen würden. „Du ziehst das an! Oder du wirst deine Serie heute nicht schauen“, meinte ich gereizt und griff nach dem Pullover. Schmollend sah sie mich an und als sie den Mund öffnete, sagte ich streng: „Ich meine es verdammt ernst, junge Dame!“ Wir starrten einander an. Es war erstaunlich, wie lange Kinder den Blickkontakt halten konnten. „Madeline Isabelle Prescot, du ziehst das jetzt an!“, rief ich lauter als beabsichtig. Und schmollend verzog sich ihr Mund. Widerwillig zog sie die Kleidung an, welche ich ihr rausgelegt hatte. Doch immer wieder sagte sie, dass sie nicht in den Kindergarten wolle! Ich atmete tief durch und versuchte dabei meine Nerven zu beruhigen. Ich war froh, dass ich bereits einen Kaffee getrunken hatte. Ich wusste, dass Kinder keine Maschinen waren und sicher nicht immer so funktionierten, wie man es sich wünschen würde. Doch das, was sie gerade machte, war schrecklich! „Du musst aber in den Kindergarten. Ich muss schließlich arbeiten“, sagte ich streng und reichte ihr nach langem hin und her eine Scheibe Toast. Böse funkelte sie mich aus ihren grünen Augen an und verzog das Gesicht zu einer mies gelaunten Schnute. Ich ignorierte es einfach und aß meinen Toast stillschweigend auf. Ich hasste es, wenn sie so war. Ich fand sie einfach anstrengend und in diesen Augenblicken wünschte ich mir ab und zu jemanden, der sie mir dann abnahm. Langsam aß sie den Toast und ich wusste, dass sie es machte, um mich zu ärgern. „Wenn du dich nicht beeilst, nehme ich dir das Brot gleich ab“, raunte ich genervt und packte mein Geschirr bereits in die Spülmaschine. Ich wusste, dass wir beide müde waren und ich konnte auch irgendwie verstehen, dass Madeline nicht immer in den Kindergarten wollte. Doch sie wusste es eigentlich besser! Ich freute mich jetzt schon auf meine Mittagspause! Auf meine Flucht aus dem Alltag mit Paul. Später, als gewöhnlich saß ich mit Madeline im Wagen und immer noch hatte sie schlechte Laune. „Ich will nicht in den Kindergarten“, wiederholte sie schlecht gelaunt und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Ich stöhnte genervt und fuhr sie gereizt an: „Ich hab keinen Bock, dass du das ständig sagst! Ich will auch nicht arbeiten, aber ich muss!“ Es war nicht nur Madeline, welche mich nervlich an den Rand des Wahnsinns trieb. Es war auch der Verkehr und das schlechte Wetter, welches meine Laune trübte. Ich schaltete den Scheibenwischer ein und hupte genervt das Auto vor mir an, welches vor einer grünen Ampel einfach abbremste. Ich hatte das Gefühl, dass heute nur Vollidioten auf der Straße waren! „Du liebst die Arbeit“, meckerte sie von hinten und sie wusste sicher nicht, dass sie Öl ins Feuer goss, „Und deswegen muss ich in den blöden Kindergarten. Du hast die Arbeit lieber, wie mich!“ Laut meckerte ich von vorne, dass sie nicht so einen Schwachsinn erzählen sollten. Meine Hände verkrampften sich um das Lenkrad. Wenn sie nur verstehen konnte, wie schwer es war alles zu managen. Doch das, was meine Tochter als nächstes sagte, zog mir fast den Boden unter den Füßen weg. „Doch. Ich will einen Hund, damit ich nicht mehr so einsam bin. Du bist nie da“, sagte sie und eine Kälte erfasste mich. Einsam, nie da… Es war das erste Mal, dass sie so etwas sagte und es war, wie ein Stich mitten in meine Brust. Denn ich wollte niemals, dass sie einsam war! Ich wollte nicht, dass sie meinte, ich sei nie da. Die Stimmung änderte sich und auch Madeline schien es zu merken. Ich schwieg und sagte nichts dazu, denn ich hatte Angst, etwas Falsches zu sagen. Immer wieder verkrampften sich meine Finger um das Lenkrad. Ich wollte nicht, dass sie das Gefühl hatte, abgeschoben zu werden. Ich wollte doch einfach nur alles richtig machen! Ich war erleichtert, als ich endlich am Kindergarten war. Immer noch war ein komisches Gefühl in meinem Inneren. Beschreiben konnte ich es nicht. Immer und immer wieder hallten mir ihre Worte durch den Kopf. Ich hatte die Fahrt über geschwiegen und als ich Madeline abschnallte blickten mich ihre grünen Augen erstaunlich vorsichtig an. „Dad?“, fragte sie und ich war überrascht, dass ich Unsicherheit in ihrer Stimme hörte, „Bist du böse auf mich?“ Ich schwieg, denn ich wusste es nicht. Ja, ihre Worte hatten mich verletzt und doch zeigte es auch, dass ich irgendetwas ändern musste. Aber ob ich sauer auf sie war, dass wusste ich selbst nicht. Mein Schweigen verunsicherte sie und dicke Tränen rannen ihr über die Wange. Liebevoll wischte ich sie weg und sagte: „Ich bin nicht sauer. Ich bin nur auch traurig, dass ich dich viel zu wenig sehe. Ich habe dich doch lieb.“ Es war die Wahrheit und ich hoffte, dass es kinderfreundlich genug war. Ich hatte den Gurt gelöst und traurig blickten mich die Augen meiner Tochter an. Ich nahm sie an die Hand und brachte sie hinein in die Tagesstätte. Immer noch schniefte sie leise. Ich wollte ihr nicht versprechen, dass ich früher kommen würde, denn ich wusste nicht, ob ich das Versprechen würde einhalten können. Ich hockte mich hinunter und blickte meiner Kleinen ins Gesicht. „Nicht mehr weinen, Mäuschen“, sagte ich ruhig und half ihr, ihren pinkfarbenen Anorak auszuziehen. Sie nickte nur stumm und drückte mich länger als gewöhnlich. „Ich lieb dich Daddy. Nicht sauer sein. Ich bin jetzt auch gerne hier. Nicht traurig sein.“ Ich war überrascht, wie feinfühlig meine Tochter war. Ich versuchte zu lächeln und versuchte es ehrlich aussehen zu lassen. „Ich bin nicht traurig. Hab einfach einen schönen Tag“, sagte ich und liebevoll küsste ich sie auf die Lippen. Unsicher nickte sie und als ich den Kindergarten verließ, plagte mich immer noch das schlechte Gewissen. Kapitel 7: Vorfreuden --------------------- Ich fühlte mich komisch und schaffte es kaum, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Müde strich ich mir durch die Haare und blickte mit trüben Augen auf den Bildschirm. Hatte Madeline Recht und ich schob sie tatsächlich ab? Ich wusste, dass ich nicht schlecht verdiente als Anwalt. Doch ich wusste auch, dass ich laufende Rechnungen hatte. Kredite die abbezahlt werden mussten und Versicherungen, welche ihr Geld wollten. Ich hatte ein gutes und schönes Haus mit einem schönen Garten. Der Kindergarten musste bezahlt werden, genau wie Klamotten, Lebensmittel und einiges von meinem Geld ging auf ein Collegefond für Madeline. Ich fand es toll, dass wir jedes Jahr wegfahren konnten und wollte all diese kleinen Luxussachen nicht missen. Die spontanen Flüge zu meinen Eltern, wollte ich nicht einstellen. Madeline brauchte schließlich auch ihre Großeltern. Ich hatte mich damals geweigert, von Brian Unterhalt zu beziehen. Natürlich, stand er Madeline zu, aber mir war damals der Abstand einfach viel wichtiger gewesen. Würde ich es schaffen, meine Rechnungen und meinen Lebensstandard zu halten, wenn ich an einem Tag eher ging? Und würde mein Chef sich darauf einlassen können? Ich musste mir darüber einfach mal Gedanken machen. Zuhause, in Ruhe. Ich freute mich auf das Treffen mit Paul und doch hatte ich das Gefühl, dass heute die Zeit einfach nicht verflog. Als es endlich so weit war, war ich regelrecht erleichtert. Ich versuchte mir nichts von meiner schlechten Laune anmerken zu lassen. Wir redeten einfach. Über unsere Freunde und unsere vorherigen Partner. Von Tag zu Tag gefiel er mir besser. Die Lippen, das markante Kinn. Auch der trainierte Körper und ich fragte mich, wie er wohl ohne diese ganzen Sachen aussah. Ich merkte zwar, dass auch er mich musterte, doch ich sprach ihn nie darauf an. Immer wieder überraschte er mich. Bei ihm hatte ich das Gefühl als könne ich über alles reden und das, obwohl wir einander noch nicht lange kannten. Er ließ mich meine schlechte Laune vergessen. War es komisch, dass es so schnell vergessen sein konnte? Vielleicht. Ich musste heute ein Ventil finden, um meiner schlechten Laune Luft zu machen. Also kotzte ich mich über Brian aus. Darüber wie er einfach verschwand, wie er mich mit dem Haus und den Kredit hatte sitzen gelassen und das er mich vermutlich auch betrogen hatte. Auch darüber, dass er nun wieder einfach aufgetaucht sei. Als Paul nach dem warum fragte, log ich, dass es um das Haus ging, da es auf unseren beiden Namen lief. Ich konnte mich bei ihm einfach wunderbar über meinen Ex aufregen. Er hörte mir zu und ich hatte das Gefühl, als interessierte es ihn. „Jeder hatte mal so einen, bei dem man sich hinterher nach dem: Warum? fragt“, meinte Paul. Auch er hatte einen Partner dem er heute die Pest an den Hals wünschte. Als ich fragte weswegen, erklärte er lachend: „Ach, der hat einfach einen an der Klatsche. Ich frage mich heute noch, wie ich mich auf diesen Typen einlassen konnte. Aber wenigstens, habe ich den nicht geheiratet.“ Er lachte und ich wusste, dass er es nicht böse meinte. Ich zuckte mit den Schultern und erwiderte, dass Liebe einfach blind mache. Paul nickte nur und wieder einmal, war die Mittagspause viel zu kurz. Doch er hatte es geschafft, dass ich mich besser fühlte. Er begleitete mich bis zum Büro der Kanzlei und als wir uns verabschiedeten fragte ich mich, ob ich ihn nicht besser hätte küssen sollen. Leider war Madeline am Abend sehr anstrengend und wir stritten viel. Ich erwischte mich selbst, wie ich mich auf eine Diskussion mit ihr einließ und tatsächlich durfte sie an diesem Tag ihre Lieblingssendung nicht schauen. Ich hatte einfach keine Lust! Ich hatte keine Lust, auf das Gezicke und ich hatte auch keine Lust, mir ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen. Ich tat mein Bestes und mehr konnte ich nicht machen, auch wenn sie es einfach noch nicht verstand. Ich war wieder der Letzte im Kindergarten gewesen und durfte mir anhören, dass Madeline heute viel mit anderen Kindern gestritten hatte. Für mich klang es heute so, als würde ich alles falsch machen. Hörten alleinerziehende Mütter auch ständig wie schlecht sie alles machten oder war ich hier etwas Besonderes? Sehr häufig, hatte ich das Gefühl, dass sobald die Menschen wussten, dass ich Singledad und schwul war, ich unter einer vollkommen anderen Beobachtung stand. Doch vielleicht, bildete ich mich mir das auch einfach nur ein. Früh ging ich an diesem Tag ins Bett und lag noch länger wach, als ich eigentlich wollte. Mitten in der Nacht wurde ich wach und ging schlaftrunken in das Zimmer meiner Tochter. Sie schlief ganz friedlich und ich streichelte ihr vorsichtig durch die Haare. Sie schlief wie ein Stein und hielt ihr Stofftier im Arm. Ich lächelte leicht und atmete tief durch. Ich mochte es nicht, wenn wir stritten. Ich liebte sie schließlich. Zum Glück war sie nie lange sauer und schon am nächsten Morgen schien sie ihre Laune überwunden zu haben. Fröhlich redete sie davon, was sie mit Taylor am Wochenende gemeinsam unternehmen wollte und als sie sprach, hätte es auch eine Weltreise sein können. Ich ließ sie einfach reden, trank meinen Kaffee und ermunterte sie, etwas zu essen. Mein Handy vibrierte und als ich es rausnahm war ich erstaunt, dass es Paul war, der mir schrieb. „Freue mich auf heute Nachmittag. Lust nach der Arbeit noch was zu unternehmen?“ Ich stutzte und ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Es schien, als wolle er mich wirklich kennenlernen. „Ähm… Ich kann nicht. Ich muss zur Bank und was klären“, meinte ich ausweichend und klopfte mir selbst innerlich auf die Schulter. Dagegen konnte man wirklich nichts sagen. Nicht, nachdem ich gestern erklärte, dass ich mich mit Brian um das Haus stritt. „Und auch Freitag nicht. Da hat ein Freund Geburtstag. Wir treffen uns ja Samstag und ich freu mich total darauf den Tag mit dir zu verbringen“, sagte ich einfach und merkte danach erst, wie das in seinen Ohren klingen könnte. Ich hoffte, es wirkte nicht, als würde ich wie ein verliebter Teenie die Stunden zählen, bis wir mehr als nur eine Stunde zusammen hatten. Schnell kam eine Nachricht zurück: „Okay, dann vielleicht nächste Woche? Können wir später besprechen.“ Ein zwinkernder Smiley war an der Nachricht angeheftet und immer noch schmunzelnd fuhr ich Madeline später in den Kindergarten. Als Paul und ich uns trafen, sprachen wir wieder sehr viel miteinander. Er erzählte mir wie gerne er ins Fitnessstudio ging. Es war keine Bude, in welcher nur Pumper waren, so erklärte Paul. Und endlich traute ich mich zu fragen, ob er wegen eines Unfalls so seltsam ging. Er bestätigte meine Aussage. Er habe einen Unfall mit einem Motorrad gehabt. Früher hätte er es geliebt, damit zu fahren. Heutzutage stand die Maschine ungenutzt in der Garage. Ich hatte nie einen Führerschein gemacht, wenn ich ehrlich war, hatte ich tatsächlich Angst davor, diese Maschinen zu fahren. Erneut brachte er mich nach der Pause bis zum Büro. Kurz nahm ich seine Hand und drückte sie leicht, doch ihn zu küssen, dass traute ich mich nicht. Irgendwie, fand ich es nicht passend. Auch am Freitag trafen wir uns wieder in der Mittagspause. Ich wollte nicht auf diese Momente verzichten. Zu sehr freute ich mich auf ihn. Ich erinnerte mich, dass er mit einer Frau verheiratet war. Auch er hatte, wie ich, sehr früh geheiratet. Als ich nach dem warum fragte, schmunzelte Paul ein wenig. Es schien, als habe er diese Frage schon öfter gehört. Er stocherte in seinem Essen herum und erklärte nach einem Augenblick: „Meine Eltern haben auch sehr früh geheiratet. Ich wollte es genauso machen. Früh heiraten und dann ein Leben lang glücklich und zufrieden sein. Ich habe mir gedacht, dass aus meiner besten Freundin auch eine gute Partnerin werden könnte. Naja… den Rest kannst du dir denken. Es hielt nicht sehr lange und irgendwie war immer irgendetwas komisch. Man sollte sich wohl eingestehen, dass man nicht hetero ist, wenn man ständig Schwulenpornos schaut. Irgendwann habe ich es dann nicht mehr ausgehalten.…“ Er lachte ein wenig verlegen bei der Aussage. Skeptisch blickte ich ihn an und noch bevor ich fragen konnte, antwortete er auf meine nonverbale Frage: „Ich war in einer Bar und ein Mann hatte die ganze Zeit herüber geschaut und… na ja. Das Ende vom Lied war ein Blowjob auf dem Rücksitz seines Jeeps.“ Ich lachte leise und schüttelte schmunzelnd den Kopf. Ich hatte nie meinen Mann betrogen, auch wenn es sicher nicht immer leicht war. Aber ich wüsste nicht, ob ich es nicht getan hätte, wenn ich meine Sexualität so lange hätte verheimlichen müssen. Wieder war die Mittagspause fast vorbei. Fünfzig Minuten Mittagspause waren eigentlich immer viel zu wenig Zeit für unsere Gespräche. Am liebsten hätte ich stundenlang mit ihm weiter geredet. Ich musste und wollte diesen Mann einfach öfter sehen. Immer hatte ich das Gefühl, dass wir für uns allein waren, in unserer Blase. Wir redeten einfach weiter und er begleitete mich noch zur Kanzlei. Es störte uns nicht, dass es regnete und es störte uns nicht, dass der Wind gerade unangenehm pfiff. Wir blieben vor der großen Schiebetür stehen und als ich in seine braunen Augen blickte, glitt ein zufriedenes Lächeln über meine Lippen. „Ich freue mich auf morgen.“, sagte ich leise und es war mir fast ein inneres Bedürfnis, einfach seine Hand zu greifen. Erstaunlich warm, waren seine Hände. Ich konnte es einfach nicht lassen und strich mit meinen Fingern sanft über seine Fingerkuppen. Ich biss mir kurz auf meine Unterlippe und schmunzelte zufrieden, als ich Paul betrachtete. Er war einfach wirklich total mein Typ und ich konnte einfach nicht widerstehen. Ich zog ihn zu mir und drückte meine Lippen auf die Seinen. Er schmeckte wunderbar, fand ich zumindest. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich ihn einfach mit nach oben in mein Büro genommen. Mein Herz schlug schneller, als ich spürte, wie er den Kuss erwiderte. Meine Hände glitten langsam durch seine Haare und ich drückte seinen Kopf an meinen. Seine Hand legte sich an meine Schulter und ich musste den Kuss einfach beenden, bevor noch mehr geschehen würde. Zufrieden grinste ich ihn an und auch Paul wirkte glücklich. „Bis Morgen, Rick“, meinte er locker und winkte mir, bevor ich zurück in die Realität musste. Ab diesem Zeitpunkt verging die restliche Tag wie im Flug. Mit einem zufriedenen und glücklichen Gefühl, schlief ich am Abend ein. Ich hatte noch lange über den Kuss nachgedacht und wie ich auf die leere Bettseite blickte, hätte es hier gerne eine zweite Runde geben können. Ich wollte ihn morgen wieder küssen. Das musste ich einfach machen, es war mir fast schon ein innerer Drang. Als der Schlaf mich empfing waren die Träume die mich einholten, nicht jugendfrei. Früher, als mir lieb war, wurde ich jedoch geweckt. Meine Decke bewegte sich und als ich müde die Augen öffnete, sah ich Madeline mit ihrem Stoffhund zu mir ins Bett kriechen. „Darf ich noch etwas mit dir kuscheln?“, fragte sie mich leise und auch ihre Stimme klang ziemlich verschlafen. Vermutlich, war sie auch gerade erst aufgestanden. Kurz überprüfte ich ob die Träume für Madeleine sichtbare Spuren hinterlassen hatten und ohne ein weiteres Wort Ohne zu sagen, hob ich die Decke gänzlich an und zog Maddy in meine Arme. Ich streichelte ihren Bauch und atmete den angenehmen Geruch von ihr ein. Ich lächelte zufrieden und schloss erneut die Augen. So anstrengend Kinder auch sein konnten, so dankbar war ich, dass ich sie hatte. Ich wusste nicht, wie spät es war, doch der Schlaf zog mich wieder in seinen Bann. Ich träumte von Madeline und Paul. Träumte, dass sie einander kennen lernten und dass, es dieses Mal gut ausging. Wir machten nicht viel. Madeline rannte herum und Paul und ich blickten ihr stumm nach. Er griff nach meiner Hand und zog mich zu sich. Im Traum drehte sich Paul zu mir und sagte Dad zu mir. Wieso tat er das denn? Ich spürte Hände auf meinem Gesicht und langsam merkte ich, wie mich der Schlaf aus seinen Fängen löste. „Daddy“, hörte ich erneut eine Stimme. Ich blinzelte leicht und erst im nächsten Augenblick, merkte ich, dass es meine Tochter war. Es waren ihre kleinen Hände die meine Wange piekten und ihre Stimme, welche mich aus meinem Schlaf riss. „Steh auf, Daddy“, sagte sie und als ich sie müde anblinkte, strahlte sie mich aus ihren großen Kulleraugen an. „Aufstehen… Ich habe Hunger“, sagte sie und erneut patschte sie mir auf mein Gesicht. Ich grummelte vor mich hin und leise murrend setzte ich mich auf. Ein Kichern erfasste den Körper des kleines Mädchens und als ich sie fragend anblickte plapperte sie: „Deine Haare sehen komisch aus.“ Ich griff mit meiner Hand zu meinen schwarzen Haaren und spürte, dass sie in alle Richtungen abstanden. Ich lachte leise und nickte nur. „Da hast du wohl Recht“, meinte ich leise. Immer noch war meine Stimme durch den Schlaf etwas belegt. Ich strich mir mit meinen großen Händen verschlafen durch mein Gesicht und gähnte hinter vorgehaltener Hand. Ich hörte wie Madeline leise etwas murmelte. Ich verstand sie nicht und als ich fragte, was sie gesagt habe, meinte sie: „Ich habe Bolt gefragt, wie er geschlafen hat.“ Ich schmunzelte leicht und betrachtete Madeline, wie sie ihren Stoffhund streichelte. Ich schwang meine Beine aus dem Bett und müde meinte ich: „Vermutlich gut. Er wird sich in der Nacht sicher nicht viel bewegt haben.“ Sie nickte und sah mir nach, wie ich mich fertig machte. Ich ging zu meinem Kleiderschrank und holte mir frische Klamotten raus. Bei einem Blick aus dem Fenster sah ich, dass es erneut bewölkt war. Ich zog mich schnell an und machte mich im Badezimmer frisch. Ich durchwühlte die Schränke in der Küche und fand eine Packung Fertigteig für Pfannkuchen. Ich fand sie erstaunlich lecker und an einem Samstagmorgen konnte ich für Madeline und mich auch mal so ein Frühstück auftischen. Ich goss die Milch in die Flasche und fragte Maddy: „Willst du mal schütteln?“ Sie lachte und ihre Augen strahlten. „Ja“, rief sie und rannte zu mir. Immer noch trug sie ihren Schlafanzug, doch da wir uns nicht beeilen mussten, durfte sie damit Frühstücken. Ich beobachtete, wie sie die Flasche in beide Hände nahm und versuchte so kräftig es ging sie zu schütteln. Während Madeline half, unser Frühstück fertig zu bekommen, rief ich Taylors Mutter an. Ich hoffte, dass sie abnahm und nicht ihr Mann. Doch ich schien Glück zu haben. Sie nahm das Gespräch entgegen und ich versicherte mich, dass ich Madeline bis circa sechs Uhr bei ihr lassen konnte. Es war in Ordnung für sie. Fröhlich und auch ein wenig erleichtert legte ich auf. Ich hörte etwas zu Boden fallen und wusste, dass Madeline die Plastikflasche aus der Hand gerutscht war. „Nichts kaputt“, rief sie und lächelnd ging ich hinter die Theke der Küche und sah wie sie immer noch die Flasche schüttelte. „Gib sie mir bitte“, meinte ich und hielt ihr meine Hand entgegen, „Ich mache den Rest.“ Kräftig schüttelte ich die Flasche und sorgte dafür, dass keine Klumpen im Teig übrig blieben. Ich schaltete den Backofen ein und als die ersten Pfannkuchen auf dem Teller im Backofen waren, stand Madeline auf den Zehenspitzen um in den Backofen schauen zu können. Ich hatte eine erstaunlich moderne Küche. Hochgebockter Backofen, eingebaute Mikrowelle, breite Ausziehschränke. Brian war leidenschaftlicher Koch gewesen. Ich selbst hatte bei der Planung damals nicht viel zu sagen gehabt, nur bei der Mikrowelle hatte ich mich durchgesetzt. Ich war es auch, der hochglanz wollte. Etwas, was ich mit einem Kleinkind einfach nur bereute. Ich reichte Madeline Teller und ohne eine Erklärung nahm sie die Sachen und stellte sie auf den Tisch. „Ich will Marmelade“, sagte sie, als ich den letzten Pfannkuchen aus der Pfanne geholt hatte. „Das heißt, ich möchte Marmelade“, korrigierte ich sie und lächelte sie freundlich an. Leise wiederholte sie den Satz und leicht nickte ich ihr zu. Ich bestrich ihren Pfannkuchen mit der roten Cranberrymarmelade und auf meinem verteilte ich etwas Erdnussbutter. Ich rollte Madeline ihren Pfannkuchen zusammen, damit sie ihn besser essen konnte. Ich war aufgeregt, ich freute mich auf Paul. Kurz betrachtete ich auf dem Handy das Bild, welches er als Profilbild nutzte. Ich hatte ihn noch nie in Uniform gesehen. Ich zwang mich das Handy wegzulegen und ihm nicht zu schreiben! Ich aß schließlich gerade mit meiner Tochter. Ich blickte auf die Uhr und sagte ihr: „Ich bringe dich in zwei Stunden zu Taylor.“ Madeline folgte meinen Blick. Sie konnte die Uhr noch nicht lesen und sie wusste sicher auch nicht, wie lange zwei Stunden sein würden. „Okay“, meinte sie und kleckerte mit ihrem Pfannkuchen auf ihren Schlafanzug. Ich war genervt davon und mahnte sie, vorsichtiger zu essen. Ja, das war der Nachteil… Doch ich konnte ihr nicht immer beim Essen helfen, sie musste es lernen und das bedeutete für mich extra Dreck. Mit großen Augen blickte sie an sich hinab und fingerte mit ihrem Zeigefinger auf dem Fleck herum. „Jetzt mach es nicht noch schlimmer“, sagte ich streng und holte einen Lappen aus der Küche. Ich wischte ihr die klebrige Masse von den Fingern und entfernte notdürftig den Fleck auf der Kleidung meiner Tochter. Ich war erstaunt, dass Madeline es tatsächlich schaffte, gleich zwei Pfannkuchen zu verdrücken. Ich scherzte als ich schmunzelnd sagte: „Du willst wohl wachsen, hm? Isst du deswegen wie ein Scheunendrescher?“ Sofort nickte Madeline und grinste mich an. „Ja“, rief sie fröhlich und trank aus ihrem Lieblingsbecher einen Schluck Wasser, „Ich wachse, bis ich so groß bin wie du!“ Ich schmunzelte leicht. Ich war schließlich nicht gerade klein. „Na ja“, meinte ich kichernd, „Damit du so groß wirst wie ich, muss du aber dein Gemüse essen.“ Ich beobachtete, wie sie schnell ihr Essen hinunterschluckte. „Du isst dein Gemüse auch nie auf“, beschwerte sie sich und sie hatte nicht Unrecht. „Hm…. Ich bin ja aber auch schon groß und will nicht mehr weiter wachsen“, sagte ich gut gelaunt und trank einen Schluck Kaffee. Ich beobachtete, wie es in dem Kopf meines Kindes ratterte. Es war niedlich, wenn man sehen konnte, wie sie ihre Schlussfolgerung aus meinen Aussagen schloss. „Das heißt, wenn ich so groß bin, wie ich es möchte, dann muss ich kein Gemüse mehr essen?“, fragte sie und klang dabei erstaunlich ernst. Ich nickte nur und grinste innerlich vor mich hin. Kinder mussten, nein, sollten auch mal verarscht werden. „Okay“, sagte sie und blickte mir in mein Gesicht, „Aber wenn ich groß genug bin, kaufen wir das nicht mehr.“ Ich lachte leise und sagte ihr, dass ich da vielleicht drüber nachdenken werde. Ich aß gerade meinen dritten Pfannkuchen. Ja, diese Fertigteigpfannkuchen waren echt klasse. Madeline nahm die Pfannkuchenrolle wieder zur Hand und biss die Spitze des Süßes Teiges ab. Mit jedem Bissen sah sie weniger begeistert aus. „Muss ich aufessen, wenn ich nicht mehr kann?“, fragte sie mich und ich schüttelte den Kopf. Ich zwang sie nie aufzuessen, außer wenn sie den ganzen Tag kaum etwas gegessen hatte. Wenn ihr Körper ihr sagte, dass sie satt sei, sollte sie nicht noch mehr in sich hineinschaufeln. „Dad, können wir heute Abend zusammen baden“, wollte sie wissen und folgte mir in die Küche, als ich begann aufzuräumen. „Können wir machen“, sagte ich und bat Madeline mir die Spülmaschine zu öffnen. Pünktlich um zwölf war ich mit Madeline bei ihrem Freund Taylor. Ich hatte nicht viel Zeit und Mrs. Simpson öffnete mir die Tür. Wie ich es mir denken konnte schien ihr das Telefonat mit mir und ihrem Mann immer noch eine bleibende Erinnerung. Sie schien nicht traurig, dass ich nur wenig Zeit zum Verabschieden hatte. Zudem gingen mich ihre Eheprobleme nichts an. Also fragte ich nicht nach. Ich freute mich einfach endlich zu sehen, wie Paul lebte. Endlich mehr als eine Stunde gemeinsam mit ihm zu haben. Ich war froh, dass samstags nicht viel los war auf den Straßen. Das schlechte Wetter hielt die Menschen in ihren Häusern. Ich erinnerte mich, dass ich Madeline versprochen hatte morgen mit ihr in den Zoo zu fahren und als der Nachrichtensprecher sagte, dass es morgen ein trockener Tag werden soll, lächelte ich zufrieden vor mich hin. Paul lebte am Rande der Innenstadt. Sein Haus lag am Ende einer Sackgasse. Es passte sich der Reihe der anderen Häuser an. Es war holzvertäfelt. Über drei Stufen kam man auf die Veranda vor der Haustür. Es war ein klassisches kleines Haus, welches an die Bauweisen des Kolonialstils erinnerte. Die Veranda und Fensterrahmen waren weiß gestrichen. Die Wände waren glatt verputzt. Er hatte eine Doppelflügel Haustür, über der sich ein kleiner Balkon befand. Es sah fast so aus wie ein Miniaturherrenhaus. Es war sehr gepflegt und wirkte frisch gestrichen. Eine Fußmatte lag vor der Haustür und ich klopfte an. Es dauerte nicht lange, bis die Tür sich öffnete. Eine gut sitzende Jeans und ein lockeres Hemd kleideten den Mann vor mir. Seine Haare schienen noch etwas feucht zu sein. Vermutlich, hatte er noch geduscht. Ich betrachtete die dunklen Augen des Mannes und fröhlich blickte er mich an. Ich bemerkte wie sein Blick an mir hinab glitt und zufrieden lächelte ich. Irgendwie sah er mich anders an als sonst. Doch ich konnte es nicht entschlüsseln. „Hi, darf ich rein?“, fragte ich gut gelaunt und mit einem „Na klar“ ließ mich der Polizist in seine Wohnung. Direkt hinter der Tür befand sich ein schmaler Flur und eine steile Treppe, welche in den oberen Bereich des Hauses führte. Fast alle Türen hatten zwei Flügel und Glasfenster oder waren ausgebaut. Die eher kleinen Räume wirkten dadurch groß und offen. Paul klopfte beim Vorbeigehen gegen eine Tür und erklärte schnell: „Da ist das Badezimmer.“ Ich nickte nur und folgte dem Mann in sein Haus. Ich war erstaunt als ich sah, dass sein Flur in Grün gestrichen war. Ein schwarz-weißes, großes Bild hing an der Wand. Ich erkannte den Ort, der abgebildete war. Eine belebte Kreuzung in der Stadt. „Das habe ich gemacht“, meinte Paul auf einmal und schmunzelte leicht. War es Stolz? Ich kannte ihn noch nicht lange genug um jede Regung in ihm zu eruieren. „Wusste gar nicht, dass du Fotos machst“, sagte ich, während ich mich langsam zu ihm drehte. Sein Blick war auf das Bild geheftet und er schmunzelte als er erwiderte: „Du hast ja auch nie Zeit gehabt um dich zu treffen. Was soll ich dir denn alles in deiner Stunde Mittagspause sagen?“ Ich war überrascht, als er mir über den Oberarm strich und mit einer Kopfbewegung folgte ich ihm weiter durch sein Haus. Tatsächlich, hatten wir uns nie beim Essen angefasst, umso überraschter war ich, als er es jetzt tat. Ich war erstaunt, als er mir tatsächlich zuzwinkerte. Wenn ich je Sorge gehabt hatte, dass der Kuss zu schnell kam, hatte sich diese gerade in Luft aufgelöst. Ich freute mich und mein Herz begann schneller zu schlagen. Als schien es sich uneinig zu sein, welchen Takt es angeben wollte. Ich war verblüfft von seinem Einrichtungsstil. Dunkle und helle Möbel standen herum. Es wirkte ein wenig zusammengewürfelt und die Stoffcouch in der Ecke war voll mit Kissen. Einige Pflanzen standen auch herum. Ich ließ meinen Blick schweifen und sah einen freundlichen, kleinen Essbereich. Dahinter konnte ich durch den Türrahmen die Küche erkennen. Mir persönlich gefiel es besser, wenn der Kochbereich und der Wohnbereich zusammen gelegt waren. Doch jeder Geschmack war nun einmal anders. Erneut, ließ ich meinen Blick schweifen. Ein dunkelblauer Teppich lag unter einem sehr auffälligen Couchtisch. Es war eine Baumscheibe. An der Seite war noch die Rinde zu sehen. „Das sieht cool aus“, kommentierte ich und Paul folgte meinen Blick. „Ja… Ich hasse Fernsehschauen… Ich habe in meinem Keller eine Werkstatt und ab und zu mag ich es, so etwas zu Bauen… Aber ich brauch dafür immer etwas Zeit. Mein Großvater ist Hobbyschreiner. Ich hatte dir doch gesagt, dass ich mit ihnen und meinen Eltern in einem Haus gewohnt hatte. Auch mein Vater schreinert viel…“ Anerkennend nickte ich und betrachtete erneut den Couchtisch. Ich hatte so etwas noch nie gesehen und stellte fest, dass ich es wirklich schick fand. „Sieht gut aus“, bekräftigte ich meine Aussage. „Du hast also viele Hobbys“, kommentierte ich und setzte mich neben Paul auf seine Couch. Ein Fernseher stand auf einem Sideboard und als mein Augen wieder zu Paul glitten, sah ich, wie seine Augen erneut an meinem Körper entlangstreifte. „Ja, einige Interessen… Das Fotografieren mache ich aber noch nicht so lange. Nach dem Motorradunfall brauchte ich einfach ein neues Hobby und mein bester Freund hat mir seine alte Kamera gegeben. Konnte ja nicht mehr zum Sport, die erste Zeit.“ „Ich habe im Urlaub immer viele Bilder gemacht. Da mag ich es auch zu fotografieren“, meinte ich gut gelaunt und fischte mein Handy aus der Tasche. Ich suchte nach Bildern von meiner letzten weiten Reise. Ich war mit Madeline noch nie Interkontinental geflogen. Zu meinen Eltern oder auch mal an das Meer, doch das Land hatte ich mit ihr tatsächlich noch nie verlassen! Ich hatte einen Ordner und zeige Paul ein Bild der geheimen Inkastadt. Die Reise lag zwar Jahre zurück, doch ich liebte diese Bilder. Auch, wenn ich mit diesem Ort meinen Heiratsantrag in Verbindung brachte, würde ich jederzeit erneut in die Anden fliegen. Dieser geheimnisvolle und coole Ort, war majestätisch und eindrucksvoll. „Das hat schon was. Vor allem die ganzen Lamas“, sagte Paul und rückte an meine Seite. Sofort fiel mir sein Geruch auf. Das Duschgel, welches sich mit seinem eigenen Geruch vermischte, war echt toll. Nicht aufdringlich, angenehm herb. So würde ich ihn beschreiben. Am liebsten, hätte ich ihn einfach auf die Couch runtergedrückt! Ich verbot mir den Gedanken weiter zu spinnen, denn ich wollte es einfach richtig angehen. Doch wer sagte denn, was richtig ist. Langsam sah Paul von dem Handybild auf und als sich erneut unsere Blicke trafen konnte ich den Ausdruck des Mannes nicht deuten. So, war es doch nie beim Essen in dem Bistro gewesen?! Doch irgendwie, war es nur natürlich, dass es sich hier anders, privater, anfühlte. Hier war kein Lärm, hier saß keiner neben uns. Wir hatten zwar immer, so fand ich es jedenfalls, unsere eigene Blase erschaffen, doch war es hier natürlich anders. Endlich konnte man sich einfach wirklich kennen lernen. „Freut mich echt, dass du Zeit hast, Rick“, meinte Paul und leicht strich seine Hand über meinen Oberschenkel. Ich spürte das Prickeln, welches von dieser Stelle ausging. Ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich glaubte, dass dieses Dauerlächeln mich heute den ganzen Tag begleiten würde. Gemächlich erhob sich Paul und ich sah, wie er in die Küche ging. Langsam stand ich auf und folgte ihm in die Küche. Sie war kleiner, als meine. An vielen der Hängeschränke war Glas und das Holz war recht dunkel. Die Knäufe wirkten schon etwas älter, sahen aber noch gut aus. Ein großer Kühlschrank stand herum. Anders als bei mir war er nicht in die Küchenzeile integriert. Ein kleinerer Esstisch als im Wohnzimmer stand hier und vermutlich aß er hier, wenn er keinen Besuch hatte. Paul holte gerade aus einem Hängeschrank zwei Gläser raus und automatisch glitt mein Blick zu seinem Hintern. Ich war nie ein Mensch, der es langsam angehen musste. Ich hatte auch einige One Night Stands gehabt. Sex beim ersten Date war nichts Schlimmes, oder etwas, was man nicht sollte. Ich war schließlich nicht mehr Anfang zwanzig. Und doch war es trotzdem komisch, dass Paul plötzlich so offensichtlich flirtete. Ja, ich hatte gemerkt, dass er mich gemustert hatte. Ja, er hatte den Kuss erwidert, doch er hatte es viel niveauvoller gemacht, als ich es getan hätte. Ich konnte mir denken, woran es lag. Er war hier zuhause und dieser Ort gab ihm einfach Sicherheit. Und trotzdem konnte ich es mir nicht verkneifen zu sagen: „Irgendwie…. Ich weiß auch nicht, suchst du heute ziemlich viel Körperkontakt.“ Die gute Laune schwang in meiner Stimme mit und ich blieb im Türrahmen stehen. Ich beobachtete, wie Paul eine Wasserflasche hochhielt und mich fragend anblickte. Ich nickte auf die nonverbale Frage nur und schmunzelnd meinte Paul: „Na ja, wir haben endlich genug Zeit und niemand der ständig kommt und uns was fragt. Und hier ist es wesentlich ruhiger…“ Ich nahm das Glas Wasser entgegen und nickte leicht. „Ja“, bestätigt ich ihn, „Da hast du durchaus Recht.“ Ich trank einen Schluck und stellte das Glas wieder beiseite. „Ich finde dein Haus echt schön“, meinte ich anerkennend und blickte mich um. „Danke“, sagte Paul und zwinkerte mir erneut frech zu. Als ich dies sah, biss ich mir erneut leicht auf meine Unterlippe. Überall in diesem Haus, roch es nach diesem Mann. Überall! Mein Herzschlag wollte und wollte sich einfach nicht beruhigen! „Wenn du weiterhin so flirtest, vergesse ich mich noch….“, nuschelte ich und meine Augen weiteten sich, als Paul langsam auf mich zukam. Immer näher und als er vor mir stand und sich zu mir beugte, war ich perplex, als er plötzlich sagte: „Dann sollten wir vielleicht lieber anfangen zu kochen… Habe auch noch nichts gegessen heute…“ Ich konnte seine Wärme spüren und ich sparte mir den Spruch, dass ich bereits am Brodeln war, denn ich glaubte, dass es dem Mann vor mir durchaus bewusst war. Kapitel 8: Auszeiten -------------------- Das Radio wurde eingeschaltet und vier große Hähnchenschenkel wurden gerade im Küchentuch trocken gerubbelt. Ich mühte mich ab, Kartoffeln zu schälen. Ich beschwerte mich innerlich schon, denn diese gab es schließlich fertig gekauft im Supermarkt. Da musste man sie weder schneiden, noch salzen. Man konnte sie einfach erwärmen. Doch Paul schien gerne zu kochen. Er bestrich die Hähnchen mit selbstgemachter Marinade und was er alles in das Öl warf, wusste ich gar nicht. Doch es roch lecker. Ich mühte mich mit dem Sparschäler ab und immer wieder rutschten die Kartoffeln aus meiner Hand. Ich grummelte genervt und verdrehte die Augen. Wieso kochten Menschen gerne? Ich verstand es einfach nicht. Ich war in Gedanken versunken, als ich plötzlich merkte, dass Paul hinter mich getreten war. Dicht stand er hinter mir und ich spürte seinen Oberkörper an meinem Rücken. Ich fand es toll, dass er hier in seinem Haus meine Nähe suchte. Warum es ihm hier so leicht fiel, war mir gerade vollkommen egal. Zufrieden lächelte ich und am liebsten hätte ich mich einfach an ihn gelehnt, doch ich ließ es bleiben. „Ich muss an die Schublade“, raunte er leise in mein Ohr und seine Hand wanderte langsam und dicht an meiner Seite entlang. Zu dicht, als das es unbeabsichtigt war. Ja, auch er schien meine Nähe zu wollen, denn sonst würde er sich sicherlich nicht so an mich drücken. Ich mochte den Geruch den er ausstrahlte und mein Herz begann wieder einmal aus dem Takt zu kommen. So machte mir kochen doch Spaß. Fast schon automatisch wollte ich einen Schritt zurücktreten und drückte mich an den Körper hinter mir. Ich biss mir auf die Unterlippe und schloss die Augen. Verdammt, wenn er nicht bald aufhörte, würde ich noch meinen Verstand verlieren. Ich war nicht schüchtern und ich war nicht zurückhaltend, doch er bewirkte nur, dass ich mich noch näher an ihn drückte. Wenn das sein Ziel gewesen war, dann hatte er es jedenfalls leicht erreicht. Ich hörte ihn leise lachen und als sich seine Hände kurz auf meinen Bauch legten stöhnte ich innerlich auf. Ich war mit dem Gedanken hier her gekommen, ihn noch einmal zu küssen, doch diese Einladung von ihm war viel besser. Alles, was er tat war wie eine Einladung auf etwas, womit ich einfach noch nicht gerechnet hatte! Wieso hielt ich mich eigentlich zurück, wenn er es doch schon fast heraufbeschwor? Energischer als beabsichtig schmiss ich den Sparschäler zu den Kartoffeln und drehte mich zu ihm um. Kurz trafen sich unsere Blicke, ehe ich gierig über seine Lippen herfiel. Ich konnte einfach nicht widerstehen. Nicht, wenn er mich so wahnsinnig machte. Sein Geschmack raubte mir die Sinne. Ich strich ihm über den Rücken und drückte sein Gesäß an meine Mitte. Ich hörte Paul in den Kuss keuchen und sein rechter Arm legte sich um meinen Nacken. Ich drückte mich näher an ihn heran. Ich bekam das Gefühl, als habe er nur darauf gewartet, dass ich die Zügel los ließ! Meine Hände wanderten unter sein Hemd und streichelten über seinen trainierten Rücken. Warm und weich fühlte sich die Haut über seinem Rücken an und ich konnte nicht widerstehen und kratze leicht über das Fleisch. Ich vergaß, was mich belastete, wie immer, wenn ich bei diesem Menschen war. Ich vergaß die Probleme mit Brian. Ich verabschiedete mich von meinem Vorhaben, es mit Paul richtig und langsam angehen zu lassen. Scheiß drauf, wir waren keine Teenager mehr. Wir wussten beide, was wir wollten und als er mich an die Theke drückte, wusste ich, dass er mich ebenso begehrte, wie ich ihn! Paul löste den Kuss und seine dunklen Augen blickten mich lüstern an. Er drückte sich an mich und küsste meinen Hals, bevor sich unsere Lippen wieder in einem leidenschaftlichen Kuss verfingen. Meine Hand wanderte nach vorne. Ich spürte die sehnigen Muskeln unter meinen Fingern. Selten waren die Männer mit denen ich schlief so trainiert. Alex war zwar kräftig gewesen, doch auch der schwarze Mann hatte keinen so gut trainierten Körper. Ich wusste, dass es auch an Pauls Arbeit lag. Er wollte wohl zu den fitten Polizisten gehören. Seine Hände wanderten langsam unter meine Kleidung und er zog an dem grünen Pullover den ich gerade trug. Ich ließ ihn gewähren, hob die Arme und das Kleidungsstück landete auf den hellen Fliesen zu meinen Füßen. Er betrachtete meinen Oberkörper gierig und fuhr mit seiner Hand über die wenigen Brusthaare, die ich hatte. „Oh ja“, hörte ich ihn raunen, „Das gefällt mir ganz gut…Sehr sogar. Ab ins Wohnzimmer sonst landest du auf der Theke.“ Er drückte mich fast schon aus der Küche raus und fasste mir dabei an mein Gesäß. Tatsächlich hätte ich das nicht erwartet, doch es gefiel mir sehr, wie er sich benahm! Ich war froh, dass er nicht schüchtern oder zurückhaltend war. „Du überraschst mich“, raunte ich und hörte Paul hinter mir leise lachen. Er gab mir einen leichten Schubs und ich landete auf der Couch. Ich erwartete ihn direkt hinter mir zu spüren. Als dies nicht passierte schaute ich über meine Schulter. Paul stand an einer Kommode und ich sah, wie er eine Tube und etwas kleines, Silbernes rausholte. So wie er die Sachen rausholte und sein Blick zu meinem Körper wanderte wusste ich, dass es kein Zufall war, als er damit auf mich zukam. „Du Schwein“, raunte ich belustigt und sah, dass das Silberne ein Kondom war, „Du hast das alles geplant, oder?“ Leise lachte er und stellte die Sachen auf den auffälligen Wohnzimmertisch. Er zuckte gelassen mit den Schultern während er meinte: „Sagen wir mal so, ich wollte für diese Eventualität vorbereitet sein…“ Ich betrachtete den Mann. Eingehender als vorher. Er hatte mehr Brusthaare als ich. Auch seine Bauchpartie war nicht frei von Haaren. Doch Gott sei Dank, waren es nicht zu viele. Es sah sehr maskulin aus und gefiel mir gut. Brian hatte sich die Brust rasiert, er glaubte immer, mir würde es besser gefallen. Doch eigentlich war es mir egal. Es musste einfach passen. Und diesem Mann standen sie durchaus, fand ich. Mein Blick glitt über den athletischen Körper und doch sah ich einen Makel auf dem trainierten Körper. Zwei größere leicht rotschimmernde Narben waren seitlich an seiner Brust zu sehen. Ich fragte nicht nach, doch ich vermutete, dass sie von dem Motorradunfall herrührten, den er hatte. Ich achtete nicht weiter auf sie, ich konnte mir denken, dass er deswegen nicht angesprochen werden wollte. Vor allem nicht jetzt! Die Jeans saß locker um seine Hüfte und in seinem Schritt konnte man erahnen, dass er leicht erregt war. Erneut glitten meine Augen zu den Narben. Nicht, weil ich sie hässlich oder abstoßend fand, sondern weil sie auffällig waren, auf seiner hellen Haut. Doch dann fiel mir etwas gänzlich anderes auf. Überrascht fragte ich: „Wann hast du eigentlich dein Hemd ausgezogen…“ Leise lachte Paul und zwinkerte mich frech an, während er zu mir auf die Couch gekrochen kam. „Tja, dass wüsstest du wohl gerne, hm?“ Noch bevor ich etwas sagen oder erwidern konnte, drückte er seine Lippen erneut auf die Meinen. Er drückte mich mit seinem Gewicht hinunter auf die Couch und seine Hände erkundeten meinen Oberkörper. Gierig reckte ich mich ihm entgegen und wild spielten unsere Zungen miteinander. Ich kratze leicht über seinen Rücken und das Keuchen, welches seinen Mund verließ, stachelte mich weiter an. Paul fuhr mit seiner Hand über meine behaarte Brust und murmelte zu sich selbst: „Das könnte mir wirklich gefallen“. Erneut wanderte er mit der Hand über meinen Bauch und bahnte sich langsam seinen Weg bis zu meinem Schritt. Auch ich wollte mich nicht nur mit seinem Oberkörper zufrieden geben und schob eine Hand von hinten in Pauls Jeans. Ich genoss seine Berührungen und kniff ihm fast schon grob in den Hintern. Ich konnte einfach nicht widerstehen. Überrascht sahen mich seine braunen Augen an und keck meinte ich: „Das könnte mir gefallen.“ Ein leises Lachen stahl sich aus seinem Mund und als er auf einmal hinunterrutschte und meinen Bauch küsste, keuchte ich lustvoll auf. Ich war froh, dass er so auf meine Sprüche reagierte, ich hatte auch schon zu hören bekommen, ich solle beim Sex einfach die Klappe halten. Als sei Sex etwas Ernstes. Ich spürte, dass die Lust deutlich in mir brodelte und als er kurz in meinen Bauch biss, keuchte ich lustvoll auf. Da ich nicht an ihn herankam, krallte ich eine Hand in seinen braunen Schopf und drückte ihn runter zu meiner Mitte. Ich wollte, dass er mich mit seiner Zunge verwöhnte! Ja, das wollte ich wirklich. Ich wurde nervös, als Paul begann an meiner Hose herum zu nesteln und endlich war sie offen. Erleichtert keuchte ich auf, als er meine Hose mitsamt der Unterwäsche auszog. Ich lag nackt und erregt vor ihm, nun ja, fast nackt. „Sexy die Socken“, sagte Paul leise und ich sah, wie er mich von Kopf bis Fuß musterte. Ich schämte mich nicht und verdeckte auch nichts, denn dafür wollte ich den Mann vor mir zu sehr! Sein Geruch in meiner Nase und der Geschmack auf meinen Lippen, ließen mich nervös werden. „Ja, die kann nicht jeder so sexy tragen wie ich“, sagte ich leise lachend. Ich setzte mich auf und drückte meine Lippen erneut auf die Seinen. Ich wollte diesen Geschmack erneut auf meinen Lippen schmecken! Er hatte seine Hose noch an. Ein Zustand den ich unbedingt ändern wollte. Auch wollte ich wissen, was er zu bieten hatte. Ich öffnete seine Hose schnell und befreite seinen harten Schwanz von dem Stoff. Wir schafften es immer noch nicht unseren Kuss voneinander zu lösen, ganz im Gegenteil. Als ich mit meiner Hand über sein Glied fuhr, stachelte dies mich dazu an ihn noch leidenschaftlicher zu küssen. Ja, ich wollte ihn! Ich wollte ihn wirklich! „Blas mir einen“, wies ich ihn an, nachdem ich endlich seine Lippen freigegeben hatte. Paul sagte nichts. Nur leicht zog er die Augenbrauen hinauf und verzog seine Lippen zu einem leichten Grinsen. Was er dachte behielt er für sich, doch er drückte mich einfach auf die Couch. Ich starrte kurz an die Decke und keuchte vor Aufregung fast schon auf. Seine Lippen knabberten an meiner Hüfte und ließen mich verhalten aufstöhnen. Wie nervös er mich machte. Ich glaubte, dass ich nur bei meinem ersten Mal noch nervöser war. Er drücke meine Beine weiter auseinander, vermutlich um mehr Platz zu haben. Ich schloss für einen Moment die Augen um mich ganz auf ihn zu konzentrieren. Laut stöhnte ich auf, als sich sein warmer, heißer Mund um meinen Schaft legte. Fast schon wild fuhr er mit der Zunge meinen Penis entlang. Seine Hände bearbeiteten währenddessen immer wieder meine Hoden. Es fühlte sich so gut an, dass er mich schneller als erwartet in den Wahnsinn trieb. Meine Hände verkrallten sich in seinen Schopf. Ob ich ihm damit wehtat, wusste ich nicht. Er entließ mich keinen Augenblick aus seinem Mund. Genau das war es, was ich wollte. „Oh ja“, murmelte ich und wandt mich vor Lust auf dem Sofa. Immer wieder fuhr er mit seiner Zunge über mein Glied und bearbeitete ab und zu nur meine empfindliche Spitze. Ich keuchte und stöhnte unter ihm auf und drückte mein Glied tiefer in seinen Mund. Leicht hustend löste sich Paul von mir und schmunzelte mich an. Es schien ihm nicht zu passen, dass ich in seinen Rachen stieß und ich ärgerte mich, dass er einfach aufgehört hatte! „Hey“, beschwerte er sich und griff nach dem Kondom und dem Gleitgel auf dem Tisch, „Da kriegt einer wohl nicht genug, hm?“ Ich lachte leise und beobachtete ihn dabei, wie er seine Hose ein Stück hinunter schob. Auch sein Glied war steif und schien voller Vorfreude auf das zu sein, was gleich folgen würde. Ich hatte nicht mitbekommen, ob er vielleicht an sich herumspielte, während er mir einen blies. Ich betrachtete ihn genauer. Er war nicht klein, zum Glück. Er griff nach der Tube Gleitgel und ich ließ ihn einfach machen, wie er es gerade wollte. Zwar kam es häufiger vor, dass ich die Führung übernahm, da viele es wegen meiner Größe implizierten, doch eigentlich war es mir egal. Ich mochte beides. Doch ich musste ihn wenigstens anfassen! Ich setzte mich ohne Scheu auf und strich über sein hartes Stück Fleisch. Paul stöhnte zufrieden und lauter auf, als ich dachte. Er erstarrte dabei regelrecht in seiner Bewegung und schaffte es nicht mehr das Gummi aus seiner Verpackung zu holen. Ich fragte mich, ob er laut werden würde beim Sex. Doch ich wusste, dass ich die Frage bald beantwortet bekommen sollte. Ich fuhr über seinen Penis und ließ meinen Daumen über seine Spitze kreisen. Langsam und sanft führte ich meine Finger und brachte ihn damit kurz zum Zucken. Lusttropfen bildeten sich auf der Spitze und ich verstrich sie. Es störte mich etwas, dass er die Hose noch trug und wollte sie ihm gerade runter schieben, als er mich plötzlich auf die Couch drückte. Erneut verfingen sich unsere Lippen in einem wilden und leidenschaftlichen Kuss. Sein Glied drückte gegen meins und ich konnte nicht verhindern, dass eine Gänsehaut über meinen Körper zog. Bestimmender als ich es erwartet hätte, drückte er mich hinunter und grinste mich leicht an, während er nach dem Gleitgel griff, welches ihm gerade aus der Hand gefallen war. Ich beobachtete und betrachtete ihn. Ja sein Schwanz gefiel mir. Nicht zu groß und nicht zu klein. Ich ließ ihn machen, wollte ich endlich nicht mehr nur kuscheln und knutschen! Ich zuckte etwas zusammen, als er zwei Finger in mich einführte und keuchte lustvoll auf. Ich mochte es, dass es nicht einfach ficken war, was er machte. Irgendwie hätte es auch nicht zu dem Menschen gepasst, den ich kennen lernen durfte. Dafür schien er zu niveauvoll zu sein. Die kurze Anspannung, die sich aufgebaut hatte als er sich in mir bewegte, war so schnell verflogen wie sie gekommen war und als er meine Prostata streifte, zuckte ich laut stöhnend zusammen. Ja, er hatte definitiv schon mit mehreren Männern geschlafen! Er gab mir kurz Zeit, mich an ihn zu gewöhnen und ich genoss das Spiel unserer Körper. Immer wieder küssten wir uns und waren uns sehr nah. Ich wandte mich unter ihm und strich mir meine schwarzen Haare aus der Stirn. Ich spürte, dass ich verschwitzt war, doch es war mir egal! Immer wieder stießen die Finger in mich und weiteten und entspannten meinen Muskel. Ich genoss es, was er tat und es machte mich unglaublich an, wie er immer wieder leicht über meine Prostata strich. Schneller als ich dachte, zogen sich seine Finger aus mir zurück und er drehte leicht an meiner Hüfte. Immer noch keuchte ich und mein Körper zitterte leicht, denn die Anspannung in mir war nicht kleiner geworden. Nein, sie war gewachsen und ich wollte diesen Mann einfach! Ich kam seiner nonverbalen Aufforderung nach und kniete mich vor ihn hin. Ich fand diese Position geil. Egal, ob passiv oder aktiv! Er strich über meinen Rücken und mein Puls wollte sich nicht beruhigen lassen. Seine Hände streichelten über meinen Hintern und ich hörte, wie er nach dem Kondom griff. Ich strich mir selbst über mein Glied und keuchte lustvoll auf, als ich sagte: „Jetzt mach endlich. Ich will nicht länger warten…“ Für mich zählte gerade nur noch meine Lust! „Oh, da hat es aber einer nötig“, vernahm ich Pauls Stimme hinter mir und stöhnte noch einmal lustvoll auf, als er begann, sein hartes Glied in mich einzuführen. Sein Arm schlang sich um meine Hüfte und drückte mich fest an seinen Schwanz. Ich japste vor Lust auf. Endlich, dachte ich mir. Mein Pulsschlag war ein einziges Rauschen in meinen Ohren und als er begann, sich in mir zu bewegen, stöhnte ich erneut. Er fühlte sich einfach gut an in mir. „Dein Arsch ist geil“, keuchte Paul und drückte sein Glied fest an mich. Seine Hände, die mich streichelten, fingen an zu kratzen, was mich laut aufstöhnen ließ und meinen Puls dazu brachte Purzelbäume zu schlagen. Er war nicht hektisch in seinen Bewegungen. Geradezu genussvoll bewegte er sich in mir. Ich konnte nicht mehr sprechen! Die Lust schnürte mir die Kehle zu und ließ mich nur noch stöhnen. Immer wieder stieß er zu, mal fester, mal sanfter. Ich drückte mich ihm so entgegen, ob es billig aussehen könnte war mir scheiß egal! Während ich mein Gesäß an sein Glied drückte, verließ mich jegliche Zurückhaltung. Wir waren schließlich alleine und es war sein Haus und nicht das Meinige. Meine Arme begannen immer stärker zu zittern und nur mit Mühe, schaffte ich es mich auf ihnen abzustützen. Ich stöhnte immer wieder. Ab und zu entwich ein leiser Schrei meinen Lippen. Auch Paul schien gefangen in seiner Lust. Er stöhnte über mir und als er merkte, dass ich darauf stand, wenn man mir über die Brust kratze, wiederholte er es einige Male. Doch so geil das war, musste ich so uns beide stützen und nur unter großer Anstrengung schaffte ich es, die Arme durchgestreckt zu lassen. Paul schien zu merken, dass es anstrengend wurde und drehte meinen Körper auf die Seite. Als sein Glied aus mir glitt erschauderte mein Körper. Unsere Blicke trafen sich und deutlich sah ich das Begehren in seinen braunen Augen. Ich grinste leicht und erkannte die Vorteile, die diese Position mit sich brachte. So konnte ich ihn schließlich ansehen und hatte die Arme frei, um ihn an zu fassen. Er drängelte sich zwischen meine Beine und versenkte sein Glied gleich wieder in mir. Ich streichelte über seinen Bauch. Ich musste ihn einfach irgendwie berühren. Ihn nur anzublicken und ihn alles machen zu lassen machte mich wahnsinnig. Lustvoll schrie ich auf und ließ meinen Kopf hängen, verlor mich in den Gefühlen der Leidenschaft. Ja, der Sex mit Paul war einfach geil! Sanft und weniger leidenschaftlich als ich dachte, streichelte er meinen Oberkörper. Ich erschauderte, denn ich war noch nicht gekommen und sein Glied entzog er mir plötzlich! Ich wollte es aber so sehr! Er drehte mich noch ein Stückchen weiter, sodass ich auf dem Rücken vor ihm lag. Paul streichelte sanft über meine Hüfte und ich hörte ihn mit lustverzerrter Stimme sagen: „Heb die Hüfte, Rick.“ Tief und keuchend atmete ich durch und hob langsam meine Hüfte an. Pauls Hand half mir dabei und ich stöhnte erneut auf, als sich sein Glied erneut in mich schob. Langsamer, aber nicht weniger intensiv, bewegte er sein Glied in mir. Einen Arm schob er unter mein Bein um es zu stützen. Ich wollte ihn so tief es ging in mir spüren und so drückte ich mich einfach an ihn! Ein Windzug erfasste mich und ich spürte, dass ich ziemlich am Schwitzen war. Erneut griff er mit seiner Hand mein Glied. Er massierte meinen Penis im Rhythmus seiner Stöße. Ich stöhnte und schloss die Augen, wollte die Reize so gut es ging aufnehmen. Immer wieder stieß er härter, mal sanfter zu. Der Rhythmus den er vorgab ließ mich erschaudern und je länger er ihn hielt, desto nervöser wurde ich. Immer intensiver wurde das Gefühl und als sein Glied meine Prostata streifte zuckte ich merklich zusammen. Ich hielt nicht mehr lange durch, dass schien er zu merken. Doch auch Pauls Bewegungen wurden fahriger und ich sah und spürte, dass sein Körper leicht zitterte. Ich legte meine Hand auf die seine, welche meinen Penis umschlossen hielt und drückte sie fester um mein hartes Fleisch. Er verstand die Aufforderung und ich stöhnte zufrieden auf, als sich seine Hand fester und schneller bewegte. Als Paul erneut zustieß und mein Glied dabei fest hinaufstrich, ergoss ich mich in seiner Hand und drückte mich dabei an ihn. Jegliche Kontrolle war dahin. Ich fluchte leise, etwas was ich immer tat, wenn ich kam. Es gefiel ihm scheinbar dies zu sehen. Was er in diesem Moment murmelte verstand ich nicht. Er beugte sich zu mir hinunter und wir küssten uns wieder. Paul stieß noch ein paar Mal zu, während wir uns küssten, bis auch er kam. Immer noch war er in mir und schwer und unregelmäßig amtete ich aus und ein. Mein Puls hatte sich noch nicht ganz beruhigt und ich keuchte leise auf, als er sich aus mir zurückzog. Er ließ seinen Körper einen Moment lang auf meinem liegen. Auch er sah verschwitz aus. Seine braunen Haare klebten an seiner Stirn und seine Brust hob und senkte sich. Das Kondom hatte er achtlos auf den Couchtisch gelegt und breit grinsend sah er mich an. „Du hast mein Kissen versaut“, sagte er immer noch leicht nach Atem ringend. Ich blickte hinab und stellte fest, dass er Recht hatte. Langsam setzte ich mich auf und nahm das versaute Kissen zur Hand. Man konnte es abziehen. „Hm“, meinte ich schmunzelnd und zog leicht an seinem Arm. Ich mochte es, wenn mir die Männer sympathisch waren, mit ihnen zu kuscheln. Überrascht kam er meiner Aufforderung nach und ich zog ihn dicht an meine Seite. Wir lagen einander zugewandt und ich streichelte sanft durch seine verschwitzten Haare. „Wenn dein Kissen Kinder bekommt, zahle ich keinen Unterhalt. Dein Kissen, dein Problem“, scherzte ich und ich spürte, wie der Mann in meinen Armen leise lachte. „Du bist echt ein mieses Schweinchen“, stichelte er und strich leicht über meine Seite. Auch mir entwich ein Lachen und schmunzelnd fragte ich ihn, ob ich den Kissenbezug zuhause in die Waschmaschine schmeißen solle. „Du wirst es kaum glauben“, sagte Paul mit einem überbreiten Grinsen, „Aber ich habe auch eine Waschmaschine.“ Ich lachte leise und drückte ihn leicht an mich und wuschelte durch die braunen Haare. Ich zog seinen Geruch tief in mir ein und konnte nicht verhindern, dass mein Herz begann wieder unregelmäßig zu schlagen. Es war toll, hier mit ihm zu liegen und ich stahl mir frech einen weitern Kuss von ihm. Ich konnte einfach nicht widerstehen. Seine Lippen waren zu verführerisch in meinen Augen. Er streichelte mir über die Seite und erst nach einer Weile meinte ich, dass mir langsam kalt wurde. Schließlich lag ich, bis auf meine Socken, nackt hier, während er immer noch seine Hose trug. Wiederwillig ließ ich ihn los und als ich auf meine nackte Brust blickte, sah ich einige rote Kratzer. Vorsichtig strich ich über die Schrammen und grinste ihn an. „Schau mal, was du mir mit gemacht hast“, meinte ich und Paul folge meinem Blick. „Passiert, so hast du ein Andenken an mich“, meinte er gut gelaunt und erhob sich. Schnell zog ich mir meine Unterwäsche an und als ich mir die Hose überzog hörte ich Paul sagen: „Weißt du, wenn ich immer so gut aussehende Männer abbekomme, wenn ich mit Donuts schmeiße, sollte ich das öfter machen.“ Gelöst sah er mich an und meine Mundwinkel zuckten leicht. „Reicht dir einer nicht?“, fragte ich wie beiläufig und schlenderte an ihm vorbei. Ich konnte nicht widerstehen und strich ihm dabei leicht über den Bauch. Ich war überrascht von dieser Aussage. „Reicht dir denn einer?“, war seine Gegenfrage, welche mich im ersten Augenblicke verwirrte. Was meinte er damit? Skeptisch sah ich ihn an, während ich leicht nickte. „Ja? Wieso kommst du auf so was?“, wollte ich wissen. Seine Aussage verwirrte mich und ich verstand nicht, wieso er dies sagte. „Ach, nur so… Na komm. Lass uns endlich Kochen… Du hast ja leider nicht so viel Zeit“, meinte er wieder gut gelaunt und zwinkerte mir zu. Ich konnte die Finger kaum noch von diesem Mann lassen. Ich erwischte mich dabei, wie ich ihn beobachtete und immer wieder suchten meine Finger seinen Körper. Ich drückte mich an ihn, während er in einem Topf Sauce zubereitete und knabberte an seinen Nacken. Er zuckte ziemlich zusammen und ich merkte, dass sich eine Gänsehaut auf seinem Körper gebildet hatte. Ich grinste leicht und strich über seine Seite. Ich wusste nicht, wieso ich dies tat. Wir waren nicht zusammen und wir kannten einander eigentlich kaum. Doch er stieß mich weder weg, noch sagte er, dass ich aufhören solle. „Lass mich kochen“, beschwerte er sich leise lachend, drückte sich weg von mir und nur widerwillig ließ ich es geschehen. „Ist ja gut“, meinte ich leise vor mich hin schmunzelnd und deckte lieber den kleinen Tisch in der Küche. Auch zu zweit mussten wir nicht am großen Esstisch im Wohnzimmer sitzen. Als das Essen endlich fertig war hatte ich tatsächlich Hunger. Es war bereits vier Uhr nachmittags. Die Uhrzeit war ungewöhnlich, doch es störte uns nicht. „Was machst du morgen?“, wollte Paul wissen und ich sah unsicher auf den Teller. Wieder war es einer der Augenblicke, in denen ich ihm so einfach die Wahrheit hätte sagen können. Doch gerade, als ich dachte, dass ich es machen sollte, hielt mich eine innere Stimme davon ab. Es waren keine zwei Wochen her gewesen, da hatte ich mich in Alex verguckt. Ja, ich wusste, dass ich mich schnell verknallte. Interesse und verknallen war jedoch noch keine Liebe. Ich wollte nicht schon wieder eine Abfuhr bekommen. Ich wollte mich einfach weiter mit ihm treffen und einfach Rick sein. Ich hasste und liebte meine innere Stimme und sie zählte gemeinerweise die Männer auf, die mich wegen Madeline schon zurückgewiesen hatten. Es waren einfach zu viele gewesen, als das ich offen und fröhlich dazu stehen konnte, eine Tochter zu haben. „Ähm“, entfuhr es mir und noch bevor ich weiter sprechen konnte hörte ich Paul genervt stöhnen. „Lass mich raten, du hast keine Zeit?“, fragte er und ich hörte die Unzufriedenheit deutlich heraus. Ich nickte leicht und wusste einfach nicht, was richtig war. Wir kannten einander gerade einmal eine Woche. Vielleicht sollte ich nicht zu hart mit mir ins Gericht gehen. Eine Woche war schließlich nichts und ich hatte mich schon oft verguckt. Ich mochte einfach, das Gefühl verknallt zu sein. Eigentlich wollte ich ja mehr, doch dazu kam es einfach nicht. Ich wollte schauen, was sich zwischen uns beiden entwickeln würde. Vielleicht wartete ich einfach die Woche ab und würde es ihm dann sagen. Vielleicht wollte er ja nur etwas Spaß. Den hatten wir nun ja gehabt. „Wir können uns ja bei mir im Büro treffen“, schlug ich vor, denn ich wollte ihn eigentlich unbedingt wieder sehen. Ja, verknallt war ich über beide Ohren, ob sich daraus nun Liebe entwickeln sollte, würde die Zeit zeigen. „Hm… na ja, wenn du mehr Zeit nicht hast“, raunte er ruhig. Ja, es war keine Dauerlösung, dass wusste ich selber. Doch gerade war es der einzige vernünftige Vorschlag der mir einfiel. „Musst du denn nächste Woche nicht zu Gericht?“, fragte mich Paul und ich erklärte, dass derzeit viele meiner Klienten versuchten ihre Angelegenheiten außergerichtlich zu klären. „Bist du aufgeregt, wegen deiner neuen Stelle?“, fragte ich und aß den Salat der wahnsinnig lecker schmeckte. Er nickte leicht und antwortete: „Ja ja, wird sicher cool.“ Ich runzelte leicht die Stirn. Ich fragte nicht weiter nach und wusste, wenn ich ehrlich war, auch nicht was ich dazu sagen sollte. „Hm“, meinte ich nachdenklich nach einem Moment und ehrlich sagte ich: „Ich wollte früher lieber Staatsanwalt, als Rechtsanwalt werden. Hat sich aber alles irgendwie anders ergeben. Vielleicht ist es bei dir genauso und dir macht die neue Arbeit richtig Spaß.“ Paul nagte gerade das letzte Fleisch von seinem Knochen und betrachtete mich nachdenklich. Es schien, als wisse er tatsächlich nicht, was er dazu sagen sollte. Ich verstand nicht, weswegen es für ihn so schlimm schien, dass er Cold Cases aufdecken sollte. Die Arbeit war spannend und wirklich aufregend, meiner Meinung nach. Sie erforderte Grips und die Fähigkeit, um die Ecke denken zu können. Mir selbst, hätte es sehr viel Spaß bereitete so etwas zu machen. „Ja, das wird sicher alles noch kommen. War ja auch lange draußen“, meinte er und legte den Hähnchenknochen zurück auf seinen Teller. Ich nickte und frage nach einem Augenblick: „Wie lange, warst du eigentlich im Krankenhaus? Wenn man fragen darf?“ Ich hoffe, dass ich mit dieser Frage keine Wunden aufriss. Doch irgendwie, war es auch dämlich, meiner Meinung nach, alles tot zu schweigen. „Im Krankenhaus, war ich nur zwei Wochen. Aber mit Heilungsprozess und Reha war ich gut ein halbes Jahr außer Gefecht gesetzt“, erklärte er und überrascht sah ich den Mann an. „Und wie bitte“, meinte ich fast schon entsetzt klingend, „Kann man dann so aussehen, wie du es tust?“ Er war trainiert und hatte ein verdammtes Sixpack! Das war einfach unfair! Über meinen entsetzten Gesichtsausdruck konnte Paul nur lachen. „Ja, ich kann ja Arme und Oberkörper trainieren…. Hast du schon mal einen Mann etwas anderes trainieren sehen?“ Leise lachend schüttelte ich den Kopf und zuckte unwissend mit den Schultern. „Keine Ahnung, bin ja in keinem Sportstudio angemeldet“, erwiderte ich schmunzelnd und kicherte leise. „Kannst es dir ja überlegen. Man muss was machen, sonst rostet man ein“, meinte Paul und zwinkerte mir über sein Glas Wasser hinweg zu. Ich fand es toll, dass er flirtete und grinste zurück. „Okay. Ich schau mal… Obwohl viele Menschen ja behaupten, dass Sex auch ein super Sport sein soll“, sprach ich gut gelaunt und spießte die letzte Kartoffel auf. Wir räumten gemeinsam ab und als wir auf der Couch saßen, war ich mir unschlüssig. Wie sollte ich jetzt mit ihm umgehen? Wäre er mein Freund gewesen, hätte ich ihn einfach in meine Arme gezogen. Doch als Paul einfach anfing über das letzte Footballspiel zu reden verflog meine Unsicherheit augenblicklich. Wir redeten über alles Mögliche und als auf einmal mein Handy vibrierte, blickte ich verwundert auf die Nummer. Es war Mrs. Simpson. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es bereits viertel nach Sechs war. „Sorry“, meinte ich entschuldigend zu Paul. Ich stand vom Sofa auf und nahm das Gespräch sofort entgegen. „Ich habe die Zeit verpennt“, sagte ich noch bevor ich ein hallo sagen konnte. „Ah okay“, hörte ich Taylors Mutter sprechen, „Ich dachte schon, es ist vielleicht etwas passiert. Wann kommen Sie denn?“ Ich konnte den Verkehr nicht einschätzen, doch ich sollte gut 20 Minuten brauchen. „Ich mach mich sofort auf den Weg“, meinte ich und legte auf. Ich hoffe, dass sie nicht sauer werden sollte. „Du musst sofort los?“, fragte Paul, welcher sich an die Tür lehnte. Ich nickte und meinte erklärend: „Die warten auf mich. Ich muss noch wen abholen und ja… Da bin ich jetzt ne halbe Stunde zu spät.“ Paul nickte leicht und sagte nichts mehr. Ich wusste den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht zu deuten. Gut gelaunt, ging ich auf ihn zu und sagte ehrlich: „Es war wirklich ein toller Tag. Danke dafür.“ Ich zog ihn kurz in meine Arme und drückte ihm einfach meine Lippen auf seinen Mund. Er erwiderte den Kuss und ich konnte nicht widerstehen und drückte ihn leicht gegen den Türrahmen. Seine Hände strichen über meine Wange und nur widerwillig verabschiedete ich mich von diesem Mann, der mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Ich hatte die Auszeit aus meinem Alltag einfach gebracht. Entspannter als ich annahm machte ich mich verspätet auf den Weg zu Madeline. Kapitel 9: Ein eröffnetes Verfahren ----------------------------------- Um kurz nach halb sieben war ich bei den Simpsons und klingelte an der Tür. Wie konnte ich nur die Zeit vergessen? Das passierte mir sonst nie. Gott sei Dank, waren die Straßen nicht all zu voll gewesen. Ich blickte auf den ordentlich geschnitten Rosenstrauch neben der Treppe und klingelte augenblicklich, als ich oben vor der großen Doppeltür stand. Sofort öffnete sich die Tür und ich sah Mrs. Simpson entschuldigend an. Ihre rotblonden Haare hatte sie streng nach hinten gekämmt und auf ihren Wangen war eine Menge Rouge zu erkennen. „Tut mir leid. Ich hätte besser auf die Zeit achten sollen“, entschuldigte ich mich bei ihr. Sie nickte und wirkte tatsächlich etwas schlecht gelaunt. Verstehen, konnte ich sie durchaus. „Ja, eigentlich ist es ja nicht schlimm, aber wir sind heute Abend auch noch verabredet und der Babysitter wird gleich da sein“, meinte sie und blieb höflich. Ich verstand jedoch, dass es sie ärgerte. Vermutlich waren sie jetzt wegen mir in Zeitdruck gekommen. Vielleicht hatte es auch wieder Streit mit ihrem Mann gegeben. Doch natürlich fragte ich nicht nach. „Tut mir jedenfalls leid. Es kommt nicht wieder vor“, sagte ich und sah hinter der Frau meine Tochter. Sie lächelte und griff nach ihren Schuhen. „Hallo Dad“, rief sie und fröhlich winkte sie. Ich war froh, dass Mrs. Simpson Madeline wohl nichts gesagt hatte. Höflich trat Taylors Mutter beiseite, sodass ich zu meiner Kleinen konnte. Ich griff nach ihrem pinkfarbenen Anorak und hockte mir vor ihr hin. Schnell half ich ihr beim Schuhe anziehen und zog ihr die Jacke über. „Ich hatte total viel Spaß“, plapperte sie fröhlich. Ich sagte ihr, dass ich mich für sie freue und schnell verließen wir das Haus der Familie. Höflich verabschiedeten wir uns und Madeline winkte fröhlich von meiner Schulter. Während der Fahrt nach Hause redete sie wie ein Wasserfall. Sie hatten viel gespielt und sich einmal sogar kurz gestritten. Warum verstand ich nicht, doch es interessierte mich gerade auch nicht so, dass ich nachhakte. Ich hielt für Madeline bei McDonalds und kaufte ihr noch ein Happy Meal. Ich wollte nicht nur für sie kochen, ich hatte schließlich schon gegessen. Es lohnte sich nicht, nur für sie etwas zuzubereiten. Sie freute sich über ihre dritte Einhornfigur und am Abend saßen wir beide in der Badewanne. Ich badete nicht oft mit ihr. Eigentlich ging ich lieber duschen. Einmal, als Madeline im Kindergarten erzählte, dass sie mit mir baden war, waren einige Eltern entsetzt gewesen. Ich als Mann könne nicht mit meiner Tochter baden gehen. Totaler Schwachsinn. Als ich dann hörte, dass sie meinten, dass man dies nicht mache, da sie ein Mädchen und ich ein Mann sei, habe ich nur verständnislos den Kopf geschüttelt. Es war eines der dämlichsten Argumente, welche ich je gehört hatte. Selbst bei Gericht hörte ich wenig so sinnloses. Egal, ob ich schwul war oder hetero, sie war mein Kind. Und wenn ich sie je interessant finden sollte, würde ich mich sofort kastrieren lassen. Doch diese komischen Mütter regten sich damals immer weiter auf. Madeline könne sich doch keinen nackten Mann anschauen. Als ich den Damen erklärte, dass Madeline den Unterschied zwischen Jungs und Mädchen kannte, hatte ich erneut den Award für den schlechten Vaters des Tages gewonnen. Madeline wusste, dass sie eine Scheide hatte und ich, als Mann, einen Penis. Wofür man die Sachen alles benutzen konnte, musste ich ihr doch nicht erklären. Allerdings war es vielleicht einfach üblicher, dass Mütter mit ihren Kindern badeten. Ich genoss die Zeit heute mit ihr. Schnell wusch ich ihr und mir die Haare, bevor ich Sachen zum Spielen in die Badewanne legte. Wir spielten mit einigen ihrer Spielzeuge und ich ärgerte sie, als ich ihr mit der Quietscheente ins Gesicht spritzte. Ich ließ eine Plastikfigur untertauchen und Madeline „rettete“ mir so das Leben. Sie bespritzte mich mit Wasser und ich lachte auf. Ja, die Gute Laune schien einfach den Tag über anzuhalten. „Daddy, hast du dir weh getan?“, fragte sie, als sie mich erneut mit etwas Wasser vollspritzte. Sie deutete auf mich und ich folgte ihrem Finger und sah leichte rote Kratzspuren auf meiner Brust. „Oh. Ja“, meinte ich, strich darüber und ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf meine Lippen, „Da hab ich mich wohl zu feste gekratzt.“ Kurz grinste ich süffisant, als ich an den Sex dachte. Ja, der war gut, auch besser, als der mit Alex. Doch schnell riss mich Madeline mit ihrer Stimme aus meinen Gedanke. Sie nickte und fragte mit ihrer niedlichen Kinderstimme: „Muss ich jetzt pusten, damit es nicht weh tut?“ Herzhaft lachte ich auf und griff mit meinen langen Armen zu meiner Kleinen. Es war herzallerliebst und ich drückte sie an meine Brust, als ich lachend sagte: „Ich glaube, dass musst du nicht machen. Es tut ja gar nicht wirklich weh.“ Vorsichtig tatschte sie mit den Händen auf der Brust herum und ich hielt sie feste. „Anfassen, macht es aber nicht besser, Mäuschen“, sagte ich mit sanfter Stimme und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Wärme breitete sich in mir aus, als ich mein kleines Mädchen betrachtete. Ich liebte sie einfach und auch, wenn es ab und zu anstrengend war, war sie es mir wert. Wir blieben noch eine Weile im Wasser, bis ich fand, dass ihre Hände schrumpelig genug aussahen. Auch Maddy schien genug zu haben, denn sie protestierte nicht, als ich ihr dies mitteilte. Das ganze Badezimmer stand unter Wasser und als ich Madeline aus der Wanne hob meinte ich schmunzelnd: „Schau dir das mal an. Wir waren viel zu wild… Jetzt müssen wir das Badezimmer trocken legen.“ Ich hatte sie bereits in ihren Bademantel gewickelt und unschlüssig tapste sie mit ihren Füßen in einer Pfütze herum. „Wie denn?“, wollte sie wissen und blickte zu mir auf, während ich mir ein Handtuch um die Hüfte legte. Ich kramte aus einem Schrank mehrere Handtücher hervor und blickte sie grinsend an, während ich fragte: „Wer glaubst du, ist schneller? Du oder ich?“ Ich warf ihr ein Handtuch entgegen, welches sie jedoch nicht zu greifen bekam. Ich hockte mich schnell hin und begann die Pfützen neben der Badewanne aufzuwischen. „Ich bin schneller!“, rief Maddy und begann wild mit dem Handtuch auf den Boden herum zu wedeln. Ich lachte innerlich laut auf. Wie einfach man sie dazu bringen konnte mit aufzuräumen, wenn man nicht sagte, dass es aufräumen war. Ich ließ sie einfach machen und machte den Boden schnell trocken. Als sie mich fragte, ob sie gewonnen hatte meinte ich skeptisch: „Hm… Ich glaube, dieses Mal war ich schneller.“ Ich wusste, dass sie schlecht verlieren konnte und frustriert blickte sie zur Tür. „Aber das nächste Mal, gewinne ich“, meinte sie und reichte mir das nasse Handtuch. Schnell zog ich mir frische Kleidung an und schmiss die nassen Handtücher über die Wäscheleine im Keller. Langsam ging ich die Treppe hinauf und ging in Madelines Zimmer. Sie hatte sich bereits selbst angezogen, nur mit Oberteilen tat sie sich erstaunlich schwer. Ich beobachtete, wie sie fast verzweifelt versuchte ihren Kopf durch den Ärmel zu bekommen. Ich schüttelte leicht genervt den Kopf und meinte: „Madeline, dass ist der Ärmel. Du bist doch ein großes Mädchen und wirst vier. Da sollte das doch wirklich kein Problem mehr sein.“ Ich half ihr, dass richtige Loch zu finden und als ich ihr grinsendes Gesicht sah war sie am Kichern. „Aber da sind so viele Löcher“, meinte sie und steckte die Arme durch die Ärmel. Ich tippte ihr auf die Nase und meinte: „Aber dein Dickschädel passt nur durch das Eine.“ Sie verdrehte leicht genervt die Augen, doch ich ließ sie machen. Ich kämmte ihr die Haare und ließ sie ihren Bademantel über den Klamotten tragen. Es war bereits acht und nach einem Augenblick fragte sie: „Können wir Frozen schauen?“ Ich seufzte genervt auf. Ich hasste diesen Film langsam abgrundtief. Nicht, weil er schlecht war, sondern weil ich ihn zu oft gesehen hatte. Ich wollte diesen Film nicht sehen. „Nein, einen anderen Film, aber nicht wieder Frozen“, meinte ich und hielt ihr meine Hand entgegen. Auf den Weg nach Unten nörgelte sie weiter und als ich genervt meinte, dass wir auch keinen Film schauen müssen, blieb sie still. Ich ging die DVDs durch und blieb bei 101 Dalmatiner hängen, doch sofort verwarf ich die Idee. Nachher gab es wieder eine Diskussion wegen irgendwelcher blöden Hunde. Ich griff nach Bärenbrüder. Bei diesem Film war die Musik wenigstens gut und als ich sie reinlegte kuschelte Madeline sich an meine Seite. Ich war nie ein großartiger Kinderfilmfan, doch ehrlicher weise, musste ich sagen, dass Disney wirklich okay war. Doch so spannend, dass sie mich fesseln konnten war keiner von ihnen bis jetzt gewesen. Während der Film lief, holte ich mein Handy aus der Tasche und schrieb Paul, dass ich mich total auf Montag freuen würde. Er antwortete schnell. Auch er freue sich auf Montag und er hoffe, dass ich nächste Woche mehr Zeit haben würde. Auch ich hoffte es. Ich schrieb ihm, dass ich mich bemühen würde. Ich blickte hinab auf Madeline. Sie konnte sich nicht 90 Minuten auf einen ganzen Film konzentrieren. Sie streichelte gerade ihrem Kuschelpferd die Mähne. Ihre braunen Haare waren von dem ganzen Wasser sehr wellig und müde gähnte sie. Ja, es war für sie heute ein wirklich langer Tag. Ich schaltete an meinem Handy die Kamera ein und meinte: „Komm mal her Maddy. Wir machen ein Foto.“ Ich beugte mich runter zu ihr und wir beide grinsten in die Kamera, als ich ein Selfie von uns machte. „Zeig es mir“, sagte sie begeistert und grinsend betrachtete sie uns beide auf dem Handy. „Schön“, meinte sie und patschte aus dem Gerät herum. „Nicht Madeline. Das ist kein Spielzeug“, meinte ich und nahm ihr mein Handy aus den Händen. Sie sah dem Gerät nach und sagte zu mir: „Die Candy in meiner Gruppe darf immer mit dem Handy ihrer Mum spielen.“ Ich kannte Candy, sie machte ihren Namen alle Ehre. Ihre Eltern stopften das arme Kind mit Süßem voll. Sie war so alt wie meine Tochter und fast doppelt so schwer. Zudem konnte sie nicht mal richtig sprechen. Sie und Madeline waren mal die Letzten gewesen und im Gegensatz zu meiner Tochter sprach Candy einfach schlecht. „Hm…“, meinte ich stirnrunzelnd, „Das würde erklären, warum du so toll sprechen kannst und Candy nicht. Du lernst nichts, wenn du nur an dem Dingen hängst.“ Stirnrunzelnd betrachtete mich Madeline. Ich hatte viele Erziehungsratgeber gelesen, vor der Geburt und an einem war ich hängen geblieben. Es stritten sich die Geister darüber, ob man Kindern über diese neuen Medien versucht die Welt zu erklären. Sicherlich war vieles gut und auch interessant, doch ich wollte, dass sie die Welt selbst erkundete. Sie sollte auf den Spielplatz spielen, klettern und auch mal hinfallen. Wenn sie in den Sand fiel, dann weiß sie, dass sie beim nächsten Mal etwas anders machen sollte. Wenn sie sich das Knie aufschlägt, dann gibt es ein Pflaster. Ich bin genauso groß geworden und habe es geschafft 31 Jahre alt zu werden. „Meinst du, dass man doof wird, wenn man nur an dem Dingen sitzt?“, fragte sie und ich kannte sie gut genug. Wenn ich nun ja sagen würde, würde sie sagen, dass ich da häufig dran hing. Ich strich ihr durch die Haare, während ich erklärte: „Du bist noch klein und da lernst man immer ganz viele und neue Sachen kennen. Wenn wir mit dem Fahrrad unterwegs sind, haben wir doch ganz häufig Tiere gesehen. Eichhörnchen und sogar mal ein Reh, sowas siehst du nicht, wenn du nur am dem Handy sitzt und darauf rumdrückst.“ Unschlüssig nickte Madeline und ich erinnerte sie daran, dass sie eigentlich den Film schauen wollte. Ich brachte Madeline nach dem Film ins Bett und als sie endlich ruhig blieb ging ich wieder hinunter. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich mich jetzt gerne wieder mit Paul unterhalten. Stattdessen öffnete ich meine Post, welche ich heute Morgen einfach auf die Kommode im Flur gelegt hatte und erstarrte, als ich einen Brief des Gerichtes erkannte. Erschrocken weiteten sich meine Augen, als ich las: „Familiengerichtliches Verfahren zur Übertragung des alleinigen Sorgerechts des Kindes: Madeline Isabella Prescot.“ Ich überflog das Schreiben des Gerichtes. Es war wirklich echt. Das Siegel, die Unterschrift. Angeheftet an das Schreiben war ein Brief des Anwaltes meines Ex-Mannes. Ich schluckte und kurz zitterten meine Hände. Ich hatte das Gefühl, ich würde fallen und wusste nicht, wann und wie ich aufschlagen würde. Er hatte es wirklich ernst gemeint. Als ich das Anwaltsschreiben überflogen hatte, hatte ich es doch nicht gelesen. Ich zwang mich ruhig zu bleiben und setzte mich auf das Sofa, auf dem Madeline und ich noch vor einer halben Stunde gemeinsam gekuschelt hatten. Wieso musste ich diese verdammte Post auch heute öffnen? Ich zwang mich ruhiger und konzentrierter die Zettel zu studieren. Ich sah Zitate in dem Schreiben des Anwaltes und als ich die Namen googelte waren es wohl bekannte Menschen aus der Ex-Gay Bewegung. Kinder bräuchten Mutter und Vater. Und zwei Elternteile seien besser, da man so ein sicheres Umfeld bieten könnte. Ein Mann könne auch kein Mädchen erziehen? Welcher Vollidiot hatte das geschrieben?! Wieder überflog ich das Schreiben in meinen Händen. Brian hätte gegenüber seines Anwaltes geäußert, dass er damals überfordert war. Er hätte sich selbst und alles in Frage gestellt und musste gehen um einen „klaren Kopf zu bekommen“. Er bereute diese Entscheidung und wolle nun für seine Tochter da sein. Meine Hände begangen zu zittern und ich biss mir wütend auf die Lippen. Am liebsten hätte ich meinen Arbeitskollegen angerufen. Doch es war Samstag und bereits nach zehn Uhr. Ich würde auf Montag warten müssen. Ob ich es wollte oder nicht. Ich hasste es, wie das Schicksal mit mir spielte. Freude und Zorn, Wut und Liebe, lagen in den letzten Wochen sehr dicht beieinander. Ich beruhigte mich. Sich jetzt darüber aufzuregen würde gar nichts bringen. Es würde mir nur Nerven rauben. Er hatte keine Chance auf Erfolg und schwer durchatmend legte ich die Korrespondenz auf die Ablage für die wichtigen Dokumente. Ich ging zum Kühlschrank und schüttete mir einen kräftigen Schluck Scotch ein. Am Sonntag konnte ich mich kaum auf den Zoo und Madeline konzentrieren. Doch ich bemühte mich. Ich wollte ihr einen schönen Tag bereiten und ich kaufte trotz des etwas kühlen Wetters ein Eis. Doch ich war nervös und am Abend musste ich einfach Phil anrufen. Ich musste einfach mit jemanden sprechen. Entsetzt war er, als ich ihm von den Neuigkeiten berichtete. „Das ist doch nicht dein Ernst?“, meinte er zornig am Telefon und ich grummelte nur genervt. Doch es war mein vollkommener Ernst. Ich ließ Dampf ab und beschimpfte Brian das ein oder andere Mal sehr. Phil beruhigte mich und das war auch nötig. Er brachte mich runter und erdete meine Gedanken. Ich brauchte gerade meinen besten Freund, der mir in dieser Zeit beistand. Ich vergaß sogar ihm von Paul zu erzählen. Ich ließ einfach Dampf ab und es tat unglaublich gut. Phil beschwerte sich nicht und ich vergaß sogar zu fragen, wie es Sarah ging. All das, fiel mir erst ein, nachdem das Gespräch beendet war. Ich hatte gerade aufgelegt, als erneut mein Handy klingelte. Ich nahm an, dass es Phil war, der vergessen hatte mir etwas zu sagen, doch nein. Ich sah Pauls Namen auf dem Display stehen und ein leichtes Lächeln zierte meine Lippen. „Hey“, sagte ich sofort, als ich abnahm, „Kannst du nicht schlafen?“ Ich hörte Paul gut gelaunt lachen und er meinte: „Doch, aber ich muss nicht so früh ins Bett. Ich wollte wissen, ob das mit Morgen alles passt und ob ich einfach in das Büro marschieren darf.“ Entspannt lehnte ich mich auf der Couch zurück und meinte nach einem Augenblick: „Klar kannst du. Das ist eine ganz normale Kanzlei. Sag vorne am Empfang, dass du einen Termin mit mir hast. Das ist kein Problem“, erklärte ich gähnend und streckte meine Glieder. Madeline war seit sieben Uhr wach gewesen. Es hätte nicht viel gebracht, sie länger aufbleiben zu lassen. Tatsächlich war ich einfach erschöpft. Die Sorge und der ganze Stress wurden einfach zu viel. Ich telefonierte zumeist nicht gerne. Ich sagte eigentlich nur das Wichtigste und legte dann wieder auf. Doch ich wollte die Ablenkung und so redete ich einfach. Redete das ich eigentlich keine Lust hatte, nächste Woche meine Eltern zu besuchen, doch dass ich nicht drum herum kommen würde. Ich redete von meinen Großeltern und der Hitze in Arizona. Er ließ mich einfach reden und ich fragte mich, ob er mir überhaupt zuhörte. „Hey Paul“, meinte ich nach einem Augenblick der Stille, „Ich finde es toll, dass du mich mit dem Donut beworfen hast.“ Ich hörte ihn lachen und ich glaubte tatsächlich so etwas wie Zufriedenheit zu hören, als er meinte: „Ja, so etwas ähnliches habe ich mir auch schon gedacht.“ Es war ein langes Telefonat bis wir endlich auflegten. Lange dachte ich an diesem Abend darüber nach, ihm einfach von meiner Tochter zu erzählen doch zu einer Einigung kam ich nicht Ich war erleichtert, als ich Benjamin am Montag sah. Erst, nachdem er seine Jacke ausgezogen hatte ging ich in sein Büro. Anders wie in meinem standen auf seinem Schreibtisch Bilder seiner Kinder. Ein großes Bild, welches die chinesische Mauer darstellte war gegenüber des Schreibtisches aufgehängt. Wie ich, hatte er eine kleine Sitzgelegenheit in einer Ecke des Büros stehen. „Morgen Ben, gutes Wochenende gehabt?“, wollte ich wissen und schloss die Tür hinter mir. Er nickte und schaltete gerade seinen Laptop an, während er mir skeptisch betrachtete. „Und deins?“, wollte er wissen und lächelte mich freundlich an. Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern. „Na ja, begann sehr gut, endete sehr scheiße. Brian ist zum Gericht gegangen… Mein Ex-Mann“, sagte ich nur und reichte ihm das Gerichtsschreiben weiter. Er hatte zwar noch nicht gesagt, ob er mich vertreten würde, doch da er noch nichts anderes geäußert hatte ging ich davon aus. Ernst blickte er auf das Schreiben. „Hm… Ich werde auch ein Schreiben aufsetzten, aber du solltest im Jugendamt anrufen“, meinte er ernst und legte sich das Schreiben auf seinem Schreibtisch. Ich brauchte nicht weiter zu fragen, er übernahm meinen Fall. Doch wieso das Jugendamt? Als ich danach warum fragte, erklärte er: „Die bekommen das Schreiben auch. Und werden gebeten, eine Stellungnahme zu verfassen. Sie werden dich sicher so oder so einladen.“ Ich kniff zornig die Lippen aufeinander und seufzte schwer. Darauf hatte ich eigentlich überhaupt keinen Bock. Doch gerade, schien mich keiner zu fragen. „Okay“, meinte ich ruhig und Ben nickte ernst. Er überflog das Schreiben von Brians Anwalt und kicherte leicht. „Der Herr Kollege, der das geschrieben hat, scheint ja sehr konservativ zu sein.“ Ein gehässiges Grinsen schlich sich auf mein Gesicht und ich nickte kurz. „Kann man aus dem Schreiben entnehmen, ne?“, kommentierte ich achselzuckend. Er nickte nur und las stirnrunzelnd weiter. Mich störte es nicht, dass mich Ben vertrat. Wir mochten einander. Man könnte schon sagen, dass aus diesem Kollegen ein Freund geworden war. Ich hatte nicht mehr viele Freunde. Da ich wenig Zeit hatte waren es eigentlich nur Phil und Greg. Doch Greg war keiner dem ich einfach meine Sorgen mitteilen konnte. Er war einer dieser Freunde mit denen man einfach eine tolle Zeit verbringen konnte. Nachdem sich Benjamin eine Kopie gezogen hatte fragte er: „Willst du in der Mittagspause eigentlich mit uns oder mir was essen?“ Ich lehnte ab und erklärte, dass ich bereits verabredet sei. „Ach“, begann ich nach einem Augenblick der Stille zu fragen, „Glaubst du, dass ich dem Chef Bescheid sagen soll? Also, dass du den Fall übernimmst?“ Ben sah zur Tür des Chefs und nach einem Augenblick nickte er. „Wäre besser. Je nachdem, wie lange sich das zieht, nimmt das Zeit in Anspruch“, meinte er und ich musste ihm im Stillen Recht geben. Nachdem mein Chef da war, ging ich zu ihm und berichtete ehrlich von meiner Situation und mit gerunzelter Stirn betrachtete mich mein Boss mit verschränkten Armen. Sein Büro war größer als die unseren. Eine Karte der Stadt hing herum, an mehreren Pinnwänden hingen Flyer und vieles mehr. Mir wäre es zu unpersönlich gewesen, doch jeder Mensch war anders. Ich konnte mir denken, dass er sich an meinen Ex-Mann erinnerte. Stand er doch in seinem Büro, eher er mich angerufen hatte. „Hm…“, raunte er nach einem kurzen Moment, „Eigentlich machen wir kein Familienrecht. Lassen Sie das über ihre Rechtsschutzversicherung laufen. Die haben sie ja hoffentlich?“ Ja, seit Madeline da war, hatte ich diese und eine Haftpflicht. Ich nickte nur und sah ihm weiterhin ins Gesicht. „Gut“, erklärte mein Chef und strich sich seine blondgefärbten Haare nach hinten, „Den Rest den das eventuell kostet können wir vielleicht etwas senken, aber umsonst können wir das über die Kanzlei nicht laufen lassen, außer Mr. Salmon macht das zusätzlich in seiner Freizeit.“ Natürlich wäre es schöner gewesen, wenn Ben dies getan hätte. Doch auch er hatte neben seinem Job noch ein Leben. Und so nickte ich. Wofür hatte ich schließlich so eine Versicherung und ich hatte Rücklagen. Ich musste mich an diesem Tag zwingen, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Immer wieder ging mir dieses dämlich Anschreiben durch den Kopf. Ich war mir auch unschlüssig, ob ich mich tatsächlich beim Jugendamt melden sollte. Ja, ich hatte keine schlechten Erfahrungen mit ihnen gemacht und trotzdem war es eine Behörde, welche ich nicht brauchte. Sozialarbeiter konnten mit ihrer weltverbessernden Art sehr anstrengend sein. Und wenn ich ehrlich war, hatte ich Angst, dass die Person ebenso dachte, wie Brians Anwalt. Wir lebten nun schließlich in Amerika. Wenn man nicht gerade in den riesigen Ballungsräumen lebte, waren viele Menschen einfach sehr konservativ. Doch eigentlich war Portland so ein Ballungsraum. Auch dies war eine Metropole. Nicht wie New York oder LA. Doch auch so groß, dass viele Touristen die Stadt besuchten und durch unsere Kneipen gingen, für die wir auch außerhalb der Stadtgrenze bekannt waren. Doch kurz vor 12 Uhr wurde mir die Entscheidung, ob ich dort anrufen sollte abgenommen. Verwirrt betrachtete ich die Nummer auf meinen Handy und als ich dran ging hörte ich die Stimme einer Frau sagen: „Brown hier, Jugendamt der Stadt Portland, Mr. Prescot?“ Verwirrt starrte ich auf meinem Bildschirm und nach einem Augenblick meinte ich unschlüssig: „Ja? Woher haben sie meine Nummer?“ Geschäftig kam die Antwort sehr schnell: „Die hatten Sie vor drei Jahren angegeben und ich wollte versuchen, ob sie noch aktuell. Schön, dass ich Sie erreiche. Ich würde Sie gerne zu einem Gespräch einladen und würde ihnen drei Terminvorschläge unterbreiten.“ Es dauerte einen Augenblick, ehe ich mich sammeln konnte und meinte dann hastig, dass das okay wäre. Irgendwie, war ich so perplex, dass ich vergaß zu fragen, worum es ging. Ich öffnete meinen Terminkalender am Laptop und als sie die Termine durchgab meinte ich: „An denen kann ich nicht. Dienstag habe ich um die Uhrzeit einen Gerichtstermin und an dem Freitag fliege ich zu meinen Eltern. Ich bin erst am Montag, mittags rum, wieder in der Stadt.“ Ich hörte im Hintergrund, wie sie blätterte und nachdenklich fragte Mrs. Brown: „Wie wäre es dann an dem Dienstag? Da ist ein HPG ausgefallen, da habe ich den ganzen Vormittag Zeit.“ HPG? Was soll das denn sein? „Hp-was?“, fragte ich verwirrt und als sie mir sagte, dass es für Hilfeplangespräch steht, war ich zwar nicht schlauer, doch ich glaubte eine Vorstellung zu haben, was dies sein könnte. Ich hatte da bereits einen Termin und meinte nachdenklich: „Kann ich auch um 15 Uhr kommen? Dann mache ich danach Feierabend, ist vielleicht auch besser so.“ „Ja, ich schieb ein wenig, dann passt das. Ich schicke ihnen dann noch eine Einladung per Post zu“, meinte sie und bevor sie auflegen konnte fragte ich: „Es geht um das eröffnete Verfahren, oder?“ Ungeduldig tippte ich mit den Fingern auf meinem Schreibtisch herum und griff, einfach um die Finger zu beschäftigen nach einem Stift. „Ja, genau. Das Gericht hat mich gebeten, meine Einschätzung zu geben und deswegen treffe ich mich nun mit allen Beteiligten“, erklärte sie und als ich sie entsetzt fragte, ob Brian bei dem Gespräch dabei sein würde, verneinte sie. Zum Glück. „Ich treffe mich mit beiden Parteien vorerst alleine“, meinte sie und ich wusste nicht, ob ich es gut fand, dass sie alleine mit diesem Idioten sprach. Doch sie traf sich schließlich auch mit mir alleine. Ich biss mir unsicher auf die Unterlippe und raunte leise okay in das Handy. Wir verabschiedeten uns und unschlüssig trug ich den Termin in meinen Kalender ein. Ich schrieb Phil eine Nachricht, dass ich beim Jugendamt einen Termin hatte. Er fragte sofort, ob er mit dabei sein sollte. Doch das wollte ich nicht. Ich konnte schließlich auch meine Mandanten vor Gericht alleine verteidigen. Da fand ich es unprofessionell, bei solch einem Termin zu zweit zu erscheinen. Gerade, als ich das Handy wegstecken wollte, sah ich, dass Paul mir geschrieben hatte. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich es sah. Dass er es tatsächlich schaffte, verblüffte mich, denn meine Laune war eigentlich miserabel. „Soll ich dir was vom Chinesen mitbringen und wenn ja, was?“, stand geschrieben und ein grinsender Smiley blickte mich an. Wie schaffte er das bloß? Unter all den ganzen Scheiß unter all den beschissenen Neuigkeiten, zauberte mir dieser Mann einfach so ein Lächeln ins Gesicht. Ich war dem Schicksal so dankbar, dass ich ihn kennen gelernt hatte. Brachte er mich doch auf andere Gedanken in dieser unruhigen Zeit. „Bring einfach ein paar gebratene Nudeln und Frühlingsrollen mit“, schrieb ich und fügte hinzu, „Du glaubst gar nicht, wie sehr ich Ablenkung gerade brauche.“ Als ich mein Handy beiseite legte, stellte ich fest, dass es viertel nach 12 war. Die dreiviertel Stunde, welche mir noch vergönnt war, wollte ich effektiv für die Arbeit nutzen. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, in dieser halben Stunde besser vorangekommen zu sein, als in der ganzen Stunde davor. Ich schrieb einige Briefe und schickte sie per Fax zu den jeweiligen Beteiligten. Gegen eins bekam ich einen Anruf meiner Assistentin. Sie unterstützte mich und zwei weiterer meiner Kollegen. Sie plante meine Termine und half mich beim Verfassen von Einladungen. „Mr. Prescot“, meinte sie, höflich und fragte: „Haben sie einen Termin zum Lunch?“ Ich bestätigte den Termin und ging Paul entgegen. Mein Herz begann wieder unregelmäßig zu schlagen, als ich den Mann vor mir betrachtete. Ein dunkelgrüner Parker kleidete den Mann und er trug eine dunkle Jeans. Er hatte zwei Tüten in den Händen und wie er mich betrachtete wirkte er tatsächlich ziemlich zufrieden. Er grinste mich an und wie am Samstag wirkte sein Lächeln anders, als noch am Freitag. Ob es daran lag, dass wir Sex hatten, wusste ich nicht. Doch irgendwie glaubte ich, dass sein Gesichtsausdruck vertrauter wirkte. Eigentlich, hätte ich mich bereits daran gewöhnen müssen, dass mein Herz sich bei ihm einfach nicht beruhigen wollte, doch das tat ich nicht. Seine dunklen Augen bohrten sich in die Meinen und so albern es vielleicht klang, es war ein persönliches und intimes Gefühl, ihm so tief in die Augen zu blicken. Ich sah wie seine Augen an mir hinabglitten und es ließ mich zufrieden lächeln. Er hielt zwei Tüten hoch und sagte: „Wo soll ich die abstellen?“ Ich zeigte ihm die Tür meines Büros und holte aus der Kaffeeküche Servierten, Messer, Gabel und nahm auch eine Flasche Wasser mit. Als ich die Bürotür hinter mir verschloss, trafen unsere Augen erneut aufeinander und ein erleichterter und zufriedener Seufzer entkam meinen Lippen. Ich folgte dem inneren Drang und drückte meine Lippen fest auf die Seinen. Meine Hände zerwühlten seine Haare und drückten den Mann an mich. Kapitel 10: Wut verjährt nicht ------------------------------ Ich genoss es, ihn zu spüren und als sich seine Hände in meinen Haaren verfingen, konnte ich einfach nicht widerstehen. Zu sehr raubte mir sein Geruch gerade den Verstand. Begierig glitt meine Zunge in seinen Mund und sein Geschmack versetzte mich fast schon in einen Rauschzustand. Ich hatte das Gefühl, dass er mich high machte und genau davon wollte ich mehr fühlen. Es war dieser Zustand, den ich einfach nur genoss! Ich strich über seinen Rücken und meine Hand glitt unter seine Jacke und seinen Pullover. Doch als er mich leicht wegdrückte gab ich widerwillig seine Lippen frei. Paul zwinkerte mir aus seinen dunklen Augen heraus an und sagte: „Das Essen wird kalt... Lass uns lieber etwas essen.“ Ich betrachtete seinen Körper und meinte frech: „Mir würde noch was anderes einfallen, auf das ich Appetit bekommen könnte.“ Ich hörte Paul leise lachen und er schüttete nur den Kopf. Hier war er wieder zurückhaltender. Anders als bei sich zuhause. Wieso war er hier so viel zurückhaltender? Ich strich mir über mein Kinn und mein Blick glitt fast schon hungrig an seinem Körper entlang. Ich bemerkte, wie Paul sich in meinem Büro umblickte. Er betrachtete die Motivationsbilder und schmunzelte leicht. Auf einem war eine weite Landschaft. Eine grüne Wiese und der Himmel war lila verfärbt. Ein Mädchen stand auf einem Stuhl und griff nach dem Mond. Darüber stand groß und fett das Wort Inspiration und unten drunter ein Zitat Albert Einsteins, „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“. Er deutete auf das Bild und meinte: „Das passt irgendwie nicht zu einem Anwalt.“ Leise vor mich hin lachend ging ich auf ihn zu und meinte: „Kommt drauf an. Wenn ich meine Plädoyers verfasse, muss ich ab und zu sehr kreativ werden. Je nach dem, um was es sich bei dem Verfahren handelte.“ Nachdem Paul seine Jacke ausgezogen hatte, konnte ich nicht widerstehen und strich ihm über den trainierten Rücken. Der Pulli, welches er trug saß eng an dem athletischen Körper. Unsere Blicke trafen sich, doch anders als bei ihm zuhause kam er mir nicht näher. Seine Augen glommen zu einem anderen Motivationsbild ein der Wand. Dieses Bild zeigte eine große Welle und einen Surfer, welcher die Welle auf seinem Surfbrett ritt. Oben stand groß Motivation und der Spruch unter dem Bild sage: „Motivation ist das Geheimnis des Erfolges“. Er deutete darauf und meinte während er sich zu mir drehte: „Das hier passt besser zu einem Karrieremenschen.“ Ich fragte mich, ob er die Intimität nicht aufkommen lassen wollte? Ich fand fragen zu taktlos und so schlenderte ich Paul hinterher. Ich runzelte die Stirn über seine Aussage. Karrieremensch? War ich das denn? Kam ich wirklich so herüber? Ich selbst fand das nicht mehr. Doch Paul konnte meine Gedanken nicht lesen. Er sah nur das, was ich ihm zeigte. Und das war augenscheinlich ein Mensch, der fast nur für seine Arbeit am Leben war. Es machte mich nachdenklich, denn eigentlich zeigte es etwas von mir, was ich vor Jahren war, aber nicht, was ich jetzt bin. „Bin ich denn für dich ein Karrieremensch?“, wollte ich nachdenklich wissen und holte die Verpackungen mit dem chinesischen Essen heraus. Leicht nickend kam er zu dem Sofa und mit einem leisen Stöhnen setzte er sich hin. Er strich über sein Bein und ich fragte ihn, ob er Schmerzen habe. Er nickte leicht und sagte: „Der Arzt meinte, dass sich das regulieren wird.“ Ich blickte in die Schachtel und reichte Paul die Seine während ich ihn skeptisch musterte. „Was ist denn passiert?“, wollte ich wissen und aß eine Frühlingsrolle. Als ich sie ihm hinhielt lehnte er ab und erklärte: „Na ja, das ist alles noch wegen des Unfalls. Das Bein und die Rippen waren ziemlich kaputt. Das dauert einfach lange.“ Ich nickte und erklärte ihm, dass ich bei einem schweren Sturz mit dem Fahrrad einen Arm gebrochen hatte. Ich hatte Glück, dass es der Rechte war, als Linkshänder. Auch Paul hatte sich als Kind schon einmal den Arm gebrochen. Damals war er von einer Rutsche gefallen. Doch erst beim Schwimmunterricht sei dies aufgefallen. Ich schmunzelte, als ich das hörte und konnte nur den Kopf darüber schütteln. „Im Dienst ist mir das aber noch nie passiert“, meinte Paul gut gelaunt und aß seinen gebratenen Reis. „Hat eigentlich mal wer auf dich geschossen?“, wollte ich wissen, nachdem ich alle meine Frühlingsrollen verputzt hatte. Paul nickte und erklärte: „Ja, das war während einer Geiselnahme in einer Bank. Ich war hinten bei den Notausgängen und als die Geiselnehmer plötzlich mit den Geiseln hinausstürmten, versuchte ich sie zu stoppen. Dabei hat einer versucht mich zu erschießen. Ich hatte aber eine Schussweste an. War nur ein blauer Fleck.“ Ich blickte ihn mit großen Augen an, während ich einige gebratene Nudel aß. „Wow, klingt äußerst spannend“, sagte ich ehrfurchtsvoll und nickte leicht. Zustimmend grummelte Paul etwas, was ich nicht genau verstand. Doch gerade, vergaß ich nachzufragen, was er gesagt hatte. Ich stellte mir vor, was er getan hatte und musste ehrlich zu mir sagen, dass ich mich dies nicht getraut hätte. Erneut betrachtete ich den Mann vor mir. Er wirkte nachdenklich. Vielleicht dachte er an seinen neuen Job. Dieser würde sicher nicht so aufregend. „Ich würde sowas ja nicht machen wollen“, meinte ich während ich Gemüse auf die Gabel schob, „Ich meine, da hätte ich Angst, dass ich nicht mehr nach Hause komme.“ Er schmunzelte und nickte nur. Ich fragte mich, ob er Freunde hatte, die im Dienst ihr Leben gelassen hatte. Doch ich traute mich nicht nachzufragen. Nur, weil wir miteinander geschlafen hatten, kannten wir uns noch nicht besser. „Wieso glaubst du eigentlich, dass ich so der Karrieretyp bin? Ich meine, bist du eher so der Familientyp?“, wollte ich scherzhaft wissen und zwinkerte ihm nett gemeint zu. Doch nachdem ich die Frage gestellt hatte, merkte ich erst, was hinter der Antwort alles stecken könnte. Wenn er nun sagte, er mag Familien nicht und könne damit nichts anfangen, würde das unsere Beziehung ja beenden. Es war, als würde mir jemand mit einer kalten Faust in den Magen schlagen. Ein unangenehmes und sehr seltsames Gefühl. Von Sekunde zu Sekunde wartete ich immer verzweifelter auf die Antwort des Mannes vor mir. Ich konnte es gar nicht abwarten, bis er endlich zu Ende gegessen hatte. Paul schluckte sein Essen hinunter und nachdem er einen Schluck Wasser getrunken hatte antwortete er: „Hm… Ich weiß es gar nicht. Ich bin ja schwul. Klar, ich liebe meine Familie aber selbst eine…. Irgendwie geht das ja schlecht.“ War das eine gute oder eine schlechte Antwort? Ich wusste es nicht. Ich stocherte in dem Essen herum. Er hatte es nicht abgelehnt, jedoch hatte er auch nicht gesagt, dass er eine wollte. Wieder einmal wäre es so einfach zu sagen, dass ich eine Tochter hatte. Es war wieder ein Augenblick, indem es mir sogar auf den Silbertablett präsentiert wurde. Doch ich traute mich nicht. Alex und die ganzen anderen, die ich kennen gelernt hatte, hatten mich verunsichert. Ihre Worte hallten in meinem Kopf wieder. Zu viel Verantwortung. Oh nein, ich will nicht Vater spielen. Wie sollen andere darauf nur reagieren. Und die für mich schlimmste und beschissenste Frage in diesem Zusammenhang: Kannst du dir vorstellen, was das für eine Verantwortung ist ein Kind groß zu ziehen? Bei dieser Frage war ich regelmäßig ausgeflippt. Ich wusste einfach nicht, ob dieser Mann anders war, als die Anderen. Was wäre, wenn er darauf keine Lust hatte? Wenn er sagt, er will sich dieser Verantwortung nicht stellen? Ich war verknallt, doch verknallt sein bedeute nicht Liebe. Ich kannte mich schließlich. Verknallen konnte ich mich schnell, doch verlieben war einfach eine ganz andere Hausnummer. Ich liebte es, dass ich bei ihm Rick war. Wie häufig hatte ich schon gehört, ich melde mich bei dir. Ich muss mir erst Gedanken machen und doch hatte sich nie einer gemeldet. Alex nicht und auch die davor nicht. „Hm…“, meinte ich nachdenklich, zwang mich wieder in die Realität und sagte ruhig, „Also so ungewöhnlich ist es nicht. Ich meine, Leihmütter und Adoptionen sind nichts Neues. Man muss sich nur vorher Gedanken machen.“ Paul nickte und als er mich fragte, ob ich mir dazu je Gedanken gemacht hatte nickte ich nur. Es war nicht gelogen. Gut, es war auch nicht die ganze Wahrheit, aber ich hatte mir damals natürlich Gedanken gemacht. Für mich war Madeline keine spontane Entscheidung gewesen. „Und Haustiere?“, fragte mich Paul, zwinkerte mir zu und ich stöhnte genervt auf. Nicht auch noch mit ihm! Ich sagte ihm sofort, dass ich mir keinen Hund anschaffen würde. Ich wollte nicht bei Wind und Wetter das Haus verlassen müssen und so eine Trethupe würde ich nicht haben wollen. Paul lachte nur und erklärte: „Auf der Farm wo ich groß wurde, hatten wir immer ein paar Tiere. Das ist gar nicht schlimm. Ich hatte mal einen Hund, der musste leider eingeschläfert werden. Krebs. Katzen sind zwar süß, ich bin aber eher der Hundetyp.“ Stirnrunzelnd nickte ich und beobachtete, wie sich Paul erneut über seine Beine strich und das Gesicht verzog. Ich blickte ihn fragend an. „Wirklich alles gut?“, wollte ich wissen. Er nickte nur und kramte aus seiner Hosentasche eine Packung Medikamente. „Gib mir mal bitte das Wasser“, bat er mich und als ich es ihm reichte, spülte er gleich zwei Tabletten hinunter. Ich kannte die Marke. Schmerztabletten. „Ich hoffe, dass du die nicht immer nehmen musst“, meinte ich und fügte hinzu, „Laut Verpackungsanweisungen sollst du die nicht über 25 Grad lagern. Und du bist eindeutig heißer als 25 Grad.“ Ich zwinkerte ihm frech zu und ich hörte ihn kurz auflachen. „Jetzt versucht du auch noch perverse Andeutungen zu machen, wenn du mich belehren willst“, erwiderte er und schmunzelte leicht. Ich schob den Rest des Essens weg von mir. Es war viel zu viel. Doch vielleicht konnte ich es heute Abend für Madeline aufwärmen. Ich könnte ein Ei drüber machen. Ihr würde es sicher schmecken. „Morgen wieder hier?“, wollte Paul wissen und lehnte sich entspannt auf der Couch zurück. Sofort stimmte ich zu. Ich wollte ihn natürlich wieder sehen! „Dann besorg ich morgen Essen“, meinte ich schmunzelnd und zufrieden nickte der athletische Mann vor mir. Wieder einmal war die Stunde viel zur kurz gewesen und als ich meinte, dass ich weiter arbeiten müsse, wirkte auch er etwas enttäuscht. „Ja, ich hab heute Abend leider keine Zeit“, meinte Paul und strich sich kurz durch die braunen Haare, „Ich bin mit meinem besten Freund verabredet. Wir gehen ins Kino und danach zum Sport.“ Ich beneidete ihn. Ich war schon länger nicht mehr im Kino gewesen. Klar, für so etwas konnte man sicherlich einen Babysitter engagieren, doch ich wollte einfach nicht, dass Madeline glaubte, ich wolle sie nicht haben. Sie musste schon so häufig auf mich verzichten. „Dann viel Spaß“, meinte ich freundlich und Paul sagte mir, dass er sich sehr auf das Treffen mit seinem besten Freunde freue. Er drückte mich als er ging und ich konnte einfach nicht widerstehen, ihn noch einmal zu küssen. Zu verführerisch waren seine Lippen einfach. Wieder trafen wir uns jeden Tag und immer noch konnte man sich wundervoll mit ihm unterhalten. Die Freude, die er in mir auslöste ließen mich meinen stressigen Alltag vergessen. Er half mir diese Tage einfacher zu überstehen. Der Film, den er sich angeschaut hatte, war lustig gewesen und auch ich schmunzelte über die Szenen, welche er mir beschrieb. Er fragte mich, ob ich gerne Komödien sah und ich bejahte. Ich sagte ihm, dass ich ein neues Hörbuch gekauft hatte. Einen Krimi von einer Reihe welche ich bis jetzt durchaus empfehlen konnte. Ich merkte immer deutlicher, wie verknallt ich war, doch ich merkte noch etwas anderes. Mit jedem Treffen merkte ich, wie Paul auch immer mehr ein Freund wurde. Ich liebte es ihn zu küssen und ich liebte es genau so sehr mit ihm zu sprechen. Fast schon fand ich es schade, dass ich am Wochenende nach Arizona musste. Es war Donnerstagabend. Morgen und am Montag hatte ich Urlaub, Paul wusste davon. Er hatte mir bereits einen guten Flug gewünscht und gefragt, ob ich Dienstag um 15 Uhr Zeit zum Lunch hätte. Er würde Montag schließlich seine neue Arbeit beginnen. Natürlich stimmte ich ihm sofort zu und drückte ihm die Daumen, dass er einen guten Einstieg haben würde. Schmunzelnd betrachtete ich das Profilbild, eher ich das Handy wieder wegsteckte. Ich freute mich zwar auf meine Eltern und meine Schwester und trotzdem wäre ich dieses Wochenende lieber hier geblieben. Das Geschenk für meine Mutter war verstaut und auch einige Spielsachen meiner Tochter waren in dem Koffer. Ich hatte einige Kleidungsstücke von mir und Madeline eingepackt und schaute überrascht auf, als es an der Tür klingelte. Es war halb acht? Wer konnte das denn sein? Langsam ging ich hinunter und öffnete die Haustür. Ich erstarrte, als ich Brian vor der Tür sah. Es war wie ein Schlag mitten in mein Gesicht. Ich hatte das eröffnete Verfahren nicht vergessen. Doch irgendwie, war es dank Paul nicht so schlimm gewesen. Benjamin hatte begonnen sich darum zu kümmern und ich glaubte am Montag würde er eine Stellungnahme verfassen. Ich hatte mich beruhigt und die Wut, die dieses Schreiben ausgelöst hatte, hinunterschlucken können. Doch alles änderte sich, als ich in diese braunen Augen sah. Diesem immer noch so gut aussehenden blonden Mann. Hinter ihm stand die blonde Frau, welche auch dabei war, als sie in meinem Büro erschienen sind. Die Wut kam mit einem Faustschlag zurück und schien lichterloh in mir zu lodern. „Was zum Teufel willst du hier?“, fuhr ich ihn wütend an und krallte meine linke Hand an der Tür fest. Eine vernünftige Begrüßung wollte nicht über meine Lippen kommen. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen, als ich den Mann vor mir betrachtete. Er hatte eine dunkle Jacke und eine helle Hose an. Wie immer war er glatt rasiert. Ich hatte es ihm damals geraten, es stand ihm besser fand ich. Er schien es bis heute auch noch so zu sehen. Die Frau hinter ihm trug einen roten Mantel und eine dunkelblaue Jeans. Eine bunte Handtasche lag um ihren Hals und baumelte an ihrer Hüfte. Warum war sie auch da? Doch etwas anderes fokussierten meine Augen. Ein großes Päckchen in den Armen des Mannes vor mir ließ mich fragen: „Was ist das?“ Unbeeindruckt blickte Brian mich an und meinte: „Dir auch einen schönen Tag. Das ist für meine Tochter. Das ist eine Puppe.“ Genervt schüttelte ich den Kopf. Das durfte einfach nicht wahr sein! Wieso musste er einfach hier auftauchen? Selbst seine Eltern wollte nichts von Madeline wissen, wieso meinte er nun das ändern zu wollen? „Du hast ihr die ganzen Jahre nichts geschenkt, das braucht sie jetzt auch nicht“, raunte ich ihm wütend zu und wollte ihm die Tür vor der Nase zuknallen. Doch schneller als erwartet hielt Brian dagegen. „Ich habe ein Recht, meine Tochter zu sehen!“, meinte er kühler als ich zugetraut hätte. Ich biss wütend die Zähne aufeinander. Mich interessierte es nicht. Kein Stückchen! Dass er nun auch noch die Tür festhielt ließ mich vor Wut erzittern. Er stocherte in dieser alten Wunde herum und riss sie einfach auf! Es interessierte ihn nicht einmal, so jedenfalls kam es mir vor. „Ganz ehrlich Brian, dich hat es jahrelang nicht gekümmert! Die ganzen Jahre war es dir vollkommen egal. Nie eine Karte zu Weihnachten, nie ein Anruf zum Geburtstag und jetzt stehst du hier und bringst unserer Leben vollkommen aus dem Gleichgewicht? Warum? Du bist doch gerade hetero, mach ein Kind mit der Frau und lass uns in Ruhe“, raunte ich zornig und drückte Brian bestimmend aus der Tür. Der einzige Grund, warum ich ihn nicht lauthals anschrie war, dass Madeline oben in ihrem Zimmer war. Ich wollte nicht, dass sie Brian kennen lernte. Ich wollte nicht, dass er ihr so wehtat, wie er mir wehgetan hatte. Wenn ich jetzt schrie hätte es sie nur dazu gebracht, hinunter zu kommen und zu schauen, was hier los sei. „Richard“, meinte Brian und ich hörte die Eindringlichkeit in seiner Stimme deutlich heraus. „Ich habe einen Fehler gemacht, trotzdem bin auch ich ihr Vater! Und ich will mich um meine Tochter kümmern! Also lass mich ihr das geben verdammt!“ Zornig verengten sich die Brauen des Mannes und er schob wütend seine schwarze Brille ein Stück höher. Doch eisern schüttelte ich den Kopf. Manche Fehler konnte man in meinen Augen nicht mit einer blöden Puppe wieder gut machen! „Vergiss es. Du willst mir das Sorgerecht wegnehmen. Ich lasse dich hier nicht rein! Ich lasse nicht zu, dass du Madeline wehtust!“ Ich war erstaunt, als er plötzlich anfing zu brüllen, doch ich zuckte nicht zusammen. Was ihn so aus der Ruhe brachte verstand ich nicht. „Du hast sie nie gewollt! Hätte ich dich damals nicht überredet, gäbe es sie nie!“ Gehässig begann ich zu grinsen. Ja, ich war ehrlich, ich fand es klasse, dass ich die Karte die ich auf der Hand hatte gegen ihn ausspielen konnte. Ich liebte dieses Machtgefühl, welches ich über ihn hatte. Ich ließ mich von diesem Mann nicht beeindrucken. Nein, der Zug war längst abgefahren. Vielleicht war er auch sauer, weil ich im Recht war. „Und? Mir egal, was damals wie abgelaufen ist. Wie haben wir es alle im Kindergarten gelernt. Weggegangen, Platz vergangen! Oder in deinem Fall einfach, Pech gehabt. Und tu nicht so, als hätte ich mich damals nicht gefreut! Ich wollte Kinder, ich fand es nur damals einfach noch zu früh“, verteidigte ich mich, denn ich wollte mir von ihm so etwas einfach nicht sagen lassen! Ich wollte mir von niemanden vorwerfen lassen, ich hätte mein Kind nicht gewollt. Ja ich war ein Karrieremensch, doch eine Familie, dagegen hatte ich nie etwas! Und ich hatte mich in den letzten Jahren durchaus bewiesen. Bewiesen als Vater! Ich hatte meine beruflichen Wünsche hinter die meines Kindes gestellt und alles versucht, um uns ein angenehmes und schönes Leben zu ermöglichen! Ich war sicher nicht mehr der Mensch, den Brian vor vier Jahren verlassen hatte. Ich verwies ihn erneut des Hauses als ich plötzlich hinter mir etwas hörte. „Dad“, hörte ich von oben Madelines piepsige Kinderstimme und verzweifelt schloss ich kurz die Augen. „Verschwindet beide“, meinte ich dann noch. Aber bevor ich Brian zur Tür schubsen konnte rief er: „Madeline. Dein Vater will mich nicht reinlassen, aber ich will dich so gerne sehen!“ Erschrocken starrte ich ihn an. Das konnte und das durfte nicht sein Ernst sein! Das hatte er gerade nicht wirklich gesagt! „Verpiss dich!“, forderte ich ihn wütend auf. Die Wut leckte an meinen Nerven und es war nicht nur Wut. Es war auch Hass. Ich hasste diesen Menschen, den ich so sehr geliebt hatte, einfach. Ich könnte ihm niemals verzeihen, nicht wenn er sich so hier einmischte! Nicht, wenn er mich so einfach überging. Ich hörte, wie Madeline unsicher die Treppe hinunterkam. Sie war neugierig, dass wusste ich und ich wollte ihr keine Angst machen, indem ich sie wieder nach oben schickte. Ich wusste einfach nicht, was in diesem Augenblick das Richtige war! Doch sie gehörte hier nicht hin! Das war ein Streit unter uns beiden. Sie brauchte nicht der Puffer sein! „Madeline, das ist ein Erwachsenengespräch“, meinte ich noch, doch ich spürte schon ihre Hände an meiner Hose. Brians Augen weiteten sich und es schien, als habe er gerade nur noch Augen für das eingeschüchterte Kind hinter mir. Ich merkte, wie sie sich an mir festhielt. Auch die Frau blickte neugierig zu meiner Tochter. Sie starrten das Kind an, als sei es eine Zirkusattraktion. Wieso diese Frau immer mitkam wusste ich nicht, noch verstand ich, was Brian von ihr wollte! Doch das musste ich auch nicht und als ich merkte wie Brian wieder versuchte mein Haus zu betreten, schubste ich ihn weg. Weg von mir und weg von meiner Tochter. „Ich will nicht, dass du mein Haus betrittst!“ Wütend und voller Zorn war Brians Stimme als er mich anfuhr: „Ich habe hier auch gewohnt und Madeline ist auch ein Teil meines Leben. Ich bin dein Vater Madeline und ich wette, dein Vater hat nur ganz schlimme Dinge über mich gesagt! Aber wenn du erstmal wieder bei mir und deiner neuen Mutter wohnst, wirst d-.“ Ich ließ ihn nicht weiter sprechen. Es war, als würde ein Vulkan ausbrechen und ich vergaß mich, als ich ihn anschrie: „Raus hier! Madeline wird nicht bei dir wohnen, noch wird diese blöde Schlampe ihre Mutter spielen.“ Ich hätte weiter gebrüllt, doch ich spürte an meinem Bein, wie mein Kind erschrocken, vermutlich auch ziemlich verängstig zusammenzuckte. Sie erinnerte mich wieder daran, dass sie da war. So schrecklich es war, dass sie das mitbekam, so dankbar war ich ihr auch. Hätte sie mich nicht daran erinnert, dass sie da war, hätte ich Brian vielleicht die Nase gebrochen. Ich schluckte alles, was ich ihm noch entgegen brüllen wollte hinunter und meinte: „Wenn du nicht freiwillig gehst, rufe ich die Polizei. Verschwinde“, forderte ich ihn auf und zwang mich ruhiger zu sprechen und was dies für eine Überwindung war, konnte ich kaum in Worte fassen. Bestürzt sahen Brian und seine Freundin zu mir und Brian nickte langsam und sah zu Madeline. War ich wirklich so laut gewesen? Ich spürte, dass Madeline ihr Gesicht an meinen Oberschenkel drückte. Ich legte ihr beruhigend eine Hand auf die Haare und als ich sie endlich anblickte sah ich, dass sie erschrocken zu mir auf sah. Ja, so hatte sie mich noch nie schreien gehört. „Du machst ihr Angst“, meinte Brian und als sich unsere Blicke trafen musste ich mich erneut dazu zwingen, ruhig zu bleiben. „Raus hier. Wenn du hier noch mal hinkommst, werde ich eine einstweilige Anordnung erwirken lassen“, zischte ich ihm zu. Ich wusste, dass ich damit sicher keinen Erfolg haben würde, doch es war mir in diesem Augenblick vollkommen egal! Wir blickten einander in die Augen. Brian hatte die Lippen fest aufeinander gepresst und ich sah, wie die blonde Frau nach seinem Arm griff. „Lass uns gehen. Denk wenigstens du an das Kind. Die Kleine hat Angst.“ Denk wenigstens du an das Kind?! War sie wirklich so blond? Hatte sie nicht verstanden, dass Brian es war, der uns verlassen hatte? Das es Brian war, der sein Kind im Stich gelassen hatte? Da hatte er nicht an seine Tochter gedacht! „Ja, Hannah. Du hast Recht. Madeline, hier ist ein Geschenk für dich und wenn du bei mir bist, dann kriegst du davon noch ganz viel“, meinte er und stellte diese beschissene Schachtel auf den Boden. Ich blickte hinab zu meiner Tochter und sie war wie erstarrt. Blickte starr den Mann vor ihr an. Ich ertrug es nicht mehr sie so zu sehen und hob sie hoch. Drückte sie an meine Brust und strich ihr beruhigend über den Rücken. Brians und mein Blicke trafen sich und wir starrten einander einfach an. Was hatte ich je an diesem Menschen geliebt? Ich beobachtete, wie seine Freundin ihn an der Hand griff und mit sich zog. War ich ihr dankbar, dass sie ihn wegbrachte? Keine Ahnung. Ich blickte auf das Paket hinunter und schob es einfach ins Haus und schloss die Tür hinter mir zu. Madeline weinte nicht, doch sie klammerte sich an meinem Hals fest und nach einem Augenblick ging ich mit ihr ins Wohnzimmer. Selten hatte sie sich so an mich geklammert. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und so drückte ich sie einfach an mich und streichelte ihr sanft über den Rücken. Es dauerte eine Weile, bis sie sich aus der Starre löste. Ihr kleiner Körper erzitterte und ich drückte sie fester an mich. „Wer war das?“, fragte sie ängstlich und ich seufzte schwer auf. Ihre grünen Augen waren vor Schreck oder Angst geweitet und blickten mich verständnislos an. Es war schlimm, mein Kind in diesem Zustand zu sehen. Ich biss mir auf die Lippen und stand, mit ihr auf den Arm, auf. Sie hätte mich vermutlich eh nicht los gelassen. Ich öffnete die Schublade einer Kommode und fand schnell wonach ich suchte. Es war ein Bild von einem Fotografen. Wir hatten es machen lassen, nachdem Madeline auf der Welt war. Es war ein klassisches Bild. Es zeigte Brian und mich. Er hatte das Baby im Arm und wir grinsten beide nach oben in die Kamera. Madeline selbst schlummerte friedlich in Brians Armen. Kurz betrachtete ich die Aufnahme. Die Aufnahme aus glücklichen Tagen, als ich nie davon ausging, dass sich etwas ändern würde. Als ich nie damit gerechnet hatte, diesem Mann mit Hass zu begegnen. Wieder setzten wir uns auf die Couch und ich schob Maddy neben mich. Als ich ihr in die Augen blickte sah ich Tränen in ihnen schimmern. Sanft wischte ich sie weg und fragte: „Warum weinst du, Mäuschen?“ Sie stammelte etwas, was ich nicht verstand und als ich sie aufforderte, noch einmal zu sagen, was sie belastete, sagte sie mit brüchiger Stimme: „Ich will nicht weg. Muss ich zu dem fremden Mann?“ Energisch schüttelte ich den Kopf und nahm meine Tochter erneut beruhigend in den Arm und wog sie sanft hin und her. Wie sehr ich Brian für seine Worte gerade hasste! Konnte er sich nicht denken, dass er Madeline so Angst machte? „Nein mein Schatz. Wir bleiben immer zusammen. Wir sind doch ein Team. Niemand wird dich dazu zwingen, okay? Hier ist dein Zuhause“, meinte ich mit sanfter und liebevoller Stimme und unschlüssig schien sie zu nicken. Erneut strich ich ihr sanft über die Wange und gab ihr einen lieben Kuss auf die Wange. Ich wollte sie so nicht sehen. So verunsichert und verängstigt. „Madeline, wirklich. Du musst nirgendwohin, wo du nicht hinmöchtest. Ich beschützte dich, dass weißt du“, redete ich weiter auf sie ein und wog sie erneut hin und her. Sie nickte nur und gerade wünschte ich mir, ihre Gedanken lesen zu können. Ihr Kopf ruhte an meiner Schulter und sie blickte starr auf den Wohnzimmertisch. Dort, wo ich das alte Bild angelegt hatte. „War das der Dad der gegangen war?“, wollte sie leise wissen und ich nickte nur. Natürlich hatte ich ihr gesagt, dass wir früher zu dritt waren. Doch das wir, anders als ihre Freunde, keine Mum hatten. Sie wusste, dass es Brian gab. Ich hatte ihr auch, wenn sie gefragt hatte, ein paar Bilder von ihm gezeigt. Warum er uns allerdings verlassen hatte, hatte ich ihr nie gesagt. Sie brauchte das nicht zu wissen, wenn es nach mir ging. Ich hatte zu große Angst, dass sie sich noch die Schuld an dieser so verzwickten Situation gab. Und sie hatte einfach keine Schuld an irgendetwas. „Ja, das war er“, meinte ich und zeigte ihr das Bild. Ich deutete auf Brian und erklärte: „Das- das ist Brian. Dein... Ja das ist Brian“ Ich war sprachlos, denn ich wusste nicht, wie ich ihn vor ihr nennen sollte. Brian? Dad? Papa Brian? Was war richtig und was verunsicherte sie noch mehr? „Brian“, wiederholte sie und betrachtete das Foto ganz genau. Sie wusste, dass sie eine Leihmutter hatte. Damals, als ich das erste Mal beim Jugendamt war, hatte ich gefragt, wie ich es meiner Tochter erklären sollte. Ich hatte ein Kinderbuch besorgt. Sie wusste, dass es eine Frau gab, die uns geholfen hatte sie zu bekommen. Ich wollte damit von Anfang an offen umgehen. Nur so, war es für sie normal. Und je älter sie wird, desto einfacher versteht sie es. „Wieso sagt er, dass ich bei ihm wohnen soll?“, wollte sie wissen und erneut klammerte sich ihre Hand an meinem Shirt fest. Ich atmete schwer durch. Ich wollte nicht noch mehr Beleidigungen vor ihr aussprechen und so zwang ich mich zu einer freundlichen Erklärung. „Er hat dich wohl vermisst und ist nun so froh gewesen, dass er nicht darüber nachgedacht hat, dass du gerne hier wohnst“, zwang ich mich zu sagen und als Madeline meinte, dass ich lügen würde, hatte sie nur bedingt unrecht. „Nein Madeline“, sagte ich und wiederholte das von mir gesagte. Sie nickte und erneut blickte sie auf das Gesicht ihres anderen Vaters. Sie sah zu mir und fragte mich: „Du willst auch, dass ich hier bin, oder?“ Ich nickte sofort und nahm sie erneut in den Arm. „Natürlich. Wir beide gehören zusammen.“ Ich hielt ihr meine Handfläche hin und sie schlug leicht lächelnd mit ihrer Hand auf meine ein. „Okay“, sagte sie und immer noch wirkte meine Tochter komisch. Immer wieder krallten sich ihre Hände in mein Oberteil und sie drückte ihren Kopf an meine Brust. Ja, sie hatte wirklich Angst. Ich schwieg und streichelte ihr einfach sanft über den Rücken und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. „Dann muss du Brian das sagen. Dass ich hier wohne“, meinte sie nach einem Augenblick und ich schmunzelte leicht. „Oh ja, Maddy, das werde ich machen“, meinte ich und hart wurde mein Blick, als ich zur Wand sah. Und wie ich ihm deutlich machen würde, dass du hier wohnst, dachte ich still und streichelte ihr durch die längeren braunen Haare. „Darf ich das Geschenk eigentlich haben?“, wollte sie wissen und schweren Herzens nickte ich. Doch anders als ich dachte, sprang sie nicht gleich auf. Weiterhin saß sie bei mir und schien sich nicht wegbewegen zu wollen. Sie beruhigte mich und meine Wut auf ihren Vater ließ langsam aber sicher nach. Madeline brauchte mich gerade als emphatischen und liebevollen Vater. „Wieso hat er gesagt, ich bekomme eine Mama, wenn ich bei ihm wohne?“, wollte sie wissen und erneut schluckte ich die sarkastische Antwort hinunter. „Ich weiß es nicht. Er hat sich wohl in eine Frau verliebt. Und das war dumm, was er gesagt hat. Wie ich dir auch oft sage, erst denken dann sprechen“, meinte ich harscher, als vielleicht gut war. Doch es schien Madeline nicht zu verunsichern. Sie nickte nur und meinte mit ihrer hohen Stimme: „Ja, ich brauch keine Mama.“ Ich schmunzelte leicht, als sie das sagte und strich ihr erneut durch die weichen Haare. Ich hoffe, dass sie dies auch noch sagte, wenn sie in der Pubertät steckte. „So lange er glücklich ist, soll er eine Frau haben“, sagte ich und lächelte sie liebevoll an. „Vielleicht verliebe ich mich ja auch in einen neuen Mann. Hm? Wie fändest du das?“, wollte ich wissen und stupste sie freundlich an. „Ich finde das doof“, sagte sie plötzlich und ich erstarrte. Was? Seit wann sagte sie das? Doch noch bevor ich fragen konnte, erhielt ich eine Erklärung von ihr. „Ich will dich nicht teilen. Außer der Mann hat einen Hund. Dann ist er okay.“ Ich war froh, dass wir endlich über etwas anderes redeten. Ich schmunzelte und fröhlich lachte ich leise, als ich meinte, dass ich mal schaue, ob ich jemanden mit einem Hund kennen lernte. Ich schmunzelte leicht und schwieg. Ich streichelte ihr durch die Haare und erneut schwieg meine Tochter. „Madeline?“, fragte ich sie und als ihre grünen Augen in die Meinen blickten, fragte ich sie mit sanfter Stimme, „Ist jetzt wieder alles okay?“ Sie nickte leicht und trotzdem wollte sie nicht hinunter von meinem Arm. Es dauerte, bis ich sie wieder ganz normal war. Und erst sehr spät brachte ich sie an diesem Abend zu Bett. Sie wollte unbedingt bei mir im Bett schlafen und nach einigem hin und her legte ich sie mit Bolt in mein Bett. Ich versprach ihr zu warten, bis sie eingeschlafen war. Länger als sonst dauerte es, bis meine Tochter endlich zur Ruhe fand. Ich wollte mit jemanden sprechen und als bei Phil niemand abnahm blickte ich unschlüssig auf Pauls Nummer. Es waren erst zwei Wochen die wir einander kannten und trotzdem hatte ich ihn so viel häufiger gesehen, als alle anderen Typen davor. Ich mochte ihn, ich war verknallt in ihn, er war aber auch ein Freund und ich musste mit jemanden sprechen! Und ich musste endlich ehrlich zu ihm sein! Ich nahm mein Handy aus der Tasche und wählte seine Nummer. Schon nach wenigen Augenblicken nahm er ab und noch bevor er irgendetwas sagen konnte, bat ich leise: „Paul, kannst du vorbeikommen? Bitte? Ich muss mit dir sprechen.“ Kapitel 11: Der schmale Grat der Freundschaft --------------------------------------------- Ich fühlte mich aufgewühlt und hätte meine Gefühle nicht wirklich beschreiben können. Ich spürte die Wut in mir, welche Brian hinterlassen hatte und die Schuldgefühle, da Madeline viel zu viel mitbekommen hatte. Ich wartete auf Paul. Ich hoffte, dass er nicht wütend werden würde, wenn ich ihm von Brian und Madeline erzählte. Doch ich brauchte gerade jemanden zum Reden. Ob dies der passende Zeitpunkt war, um es ihm zu sagen, dass konnte ich selber nicht beantworten. Es war bereits kurz vor zehn und immer noch lief ich angespannt zwischen Wohnzimmer und Küche hin und her. Kurz schlich ich hinauf und wollte sehen, ob Madeline noch am Schlafen war. Friedlich lag sie in meinem Bett und ich sah, dass ihr Stofftier vom Bett gefallen war. Leise hob ich es auf und legte es wieder neben meiner Kleinen auf das Bett. Liebevoll deckte ich sie zu und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, eher ich mich leise aus meinem eigenen Schlafzimmer schlich. Es beruhigte mich zu wissen, dass Madeline nicht wach war oder Albträume hatte. Tief ein und ausatmend versuchte ich rational zu denken. Doch ich schaffte es nicht. Brian hatte Madeline Angst gemacht. Langsam ging ich hinunter und mein Blick fiel auf das bunt eingepackte Geschenk von Brian. Immer noch stand das Paket ungeöffnet im Flur und zornig stopfte ich es unter den Wandschrank der Treppe. Ich konnte den Anblick dieses Päckchens einfach nicht ertragen. Wieso machte mein Ex-Mann das? Wieso konnte er uns nicht einfach in Ruhe lassen? Wie die ganzen Jahre zuvor auch. Verstand er nicht, dass er Madeline damit Angst gemacht hatte? Sie kannte ihn nicht und er sagte ihr so einen Schwachsinn! Wie grotesk das in den Augen von Madeline ausgesehen haben musste. Ich war schließlich auch nicht ruhig gewesen. Betrübt setzte ich mich auf die Treppe und starrte auf die Fliesen in unserem Eingangsbereich. In der Küche und im Wohnzimmer lag Parkettboden. Doch im Flur waren Fliesen einfach praktischer. Ich wusste nicht, wie lange ich dort saß. Als ich endlich ein Auto hörte, welches auf der Straße vor dem Haus anhielt, sprang ich erleichtert auf. Endlich war Paul da! Doch bei einem Blick auf mein Handy stellte ich fest, dass es erst kurz nach zehn Uhr abends war. Es kam mir wesentlich länger vor. Ich hoffte nun einfach, dass es gut war, dass ich in dieser Ausnahmesituation Paul angerufen hatte. Ich war schließlich immer noch aufgewühlt. Noch bevor er klingeln oder klopften konnte, öffnete ich die Haustür und Erleichterung durchflutete meinen Körper, als ich in seine dunkelbraunen Augen blickte. Verblüfft betrachtete er mich und stirnrunzelnd betrat er mein Haus. Er trug eine Jogginghose und nur ein T-Shirt. Vermutlich war er bereits bettfertig gewesen, als ich ihn anrief. Ich merkte, wie die Anspannung von meinem Gesicht abfiel und erleichtert stieß ich einen tiefen Seufzer auf. „Danke, dass du gekommen bist“, meinte ich und konnte nicht anders, als ihn zu umarmen. Ich brauchte und wollte diese Nähe. Ich spürte, wie klammernd meine Umarmung war und ich war erleichtert, als Paul mich fest an sich drückte. Sein Geruch beruhigte mich, so albern es vielleicht klang. „Hey? Alles gut“, wollte er besorgt wissen, „Was ist passiert bei dir?“ Unschlüssig sah ich ihn an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Wo fing ich an zu erklären? Das wusste ich in diesem Augenblick einfach nicht. Doch noch bevor ich beginnen konnte zu erklären meinte er: „Hat dein Freund oder Mann herausgefunden, dass du dich mit mir triffst?“ Überrascht sah ich in sein Gesicht und runzelte verwirrt die Stirn. Wie kam er darauf? „Wie bitte? Nein? Ich habe doch gesagt, dass ich Single bin“, meinte ich verwirrt und führte Paul in mein Wohnzimmer. Skeptisch betrachte er mich. Das war das was er dachte? Das? Er dachte, er wäre meine Affäre? Doch gerade, als ich darüber lachen wollte, hielt ich mich zurück. Es ist nicht abwegig, was er dachte. Nie hatte ich Zeit, noch nie war er hier und wir trafen uns immer in den Mittagspausen. Nun, wo er es sagte, passte es tatsächlich ganz gut. Es erklärte auch seine Frage, ob mir ein Mann nicht reichen würde. „Ich habe keinen Mann. Ich habe einen Ex-Mann und der bleibt sowas von Ex“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen, doch wütend schüttelte er den Kopf. „Vergiss es, Richard“, fuhr er mich zorniger an als ich erwartet hätte, „Ich will wissen, was hier gespielt wird! Was ist dein verdammtes Problem, Mann! Immer diese Geheimniskrämerei und nie hast du Zeit. Jetzt klingst du auch noch total aufgelöst am Telefon. Ich will endlich, dass du mir reinen Wein einschenkst! Wieso stehe ich so spät abends hier in diesem Haus?“ Ich war überrascht, dass Paul so viel mehr mitbekommen hatte, als ich dachte. Auch, dass er sich so viele Gedanken gemacht hatte verwirrte mich. Ja, es war wirklich an der Zeit, ihm endlich die Wahrheit zu sagen. Angst keimte in mir auf. Ich wollte nicht, dass er wütend war. Ich wollte einfach nur mit ihm reden. Ich wollte über Brian meckern und über so vieles, was mich die letzten Woche so sehr beschäftigt hatte. Doch nun, als ich den zornigen Mann vor mir betrachtete, glaubte ich, dass dieser Zeitpunkt vielleicht nicht der Richtige war. Vermutlich, hatte ich jeden richtigen Zeitpunkt einfach verpasst und nun gab es kein Zurück mehr. Es gab einfach manche Augenblicke in denen es unglaublich schwer war, die Wahrheit zu sagen. Ernst durchatmend zwang ich mich zu sprechen und es war weitaus schwerer, als bei den anderen Männern gewesen, denn in denen habe ich nie einen Freund gesehen. Sie waren einfach nur interessant oder hätten interessant werden können. Paul war es bereits. „Ich habe ein Kind und mein Ex-Mann macht mir gerade das Leben einfach zur Hölle“, sagte ich leise. Ich schloss fast verzweifelt die Augen. Ich hoffte und betete fast, dass das Gespräch positiv verlaufen wird. Ich wollte heute nicht noch mehr erdulden müssen. Ich wusste nicht warum Paul so geladen war, vielleicht tat ihm wieder das Bein weh. Doch ich fragte nicht nach. Ich beobachtete das Mienenspiel. Ich sah, wie sich die dunklen und so warmen Augen Pauls weiteten, als schien ihm erst nach und nach bewusst zu werden, was ich gerade gesagt hatte. Die harten Züge um seinen Mundwinkel verschwanden langsam aus dem ebenmäßigen Gesicht. „Du hast was?“, fragte Paul sichtlich verwirrt und die Wut welche noch vor wenigen Augenblicken in seiner Stimme mitgeklungen hatte, war verpufft. Es war, als sei die Luft aus dem Raum verschwunden und nichts war mehr zu hören, außer unseren Atemzügen. Er schien mir nicht glauben zu wollen. Ich bemerkte, wie er sich in meinem Wohnzimmer umblickte. Einige Spielsachen lagen herum, denn immer wieder brachte Madeline ihre Stoffpferde hinunter ins Wohnzimmer. Auch eine Puppe und einige Puppenkleider lagen auf einen Sessel. Ich nahm an, dass sie einfach in meiner Nähe sein wollte, wenn ich hier unten beschäftig war. Ich bemerkte, wie seine Augen von den Spielsachen hinüber zu der Kommode wanderten. Bilder standen dort, doch aus der Distanz konnte man nicht genau erkennen, was auf den Fotos abgelichtet war. Weiter glitten seine Augen durch den Wohnbereich und blieben kurz am Tresen hängen. Madelines Lieblingsbecher mit Anna und Elsa stand dort und als sich seine Augen endlich wieder auf mich richteten sah ich einen überraschten Gesichtsausdruck. Doch ich war mir nicht sicher, ob es ein Ausdruck der Überraschung oder des Entsetzten war. Ich konnte es gerade nicht decodieren. „Ich habe eine Tochter. Ich habe keinen Freund. Ich hab nie wirklich Zeit, weil ich sie versorgen muss. Und ich habe derzeit einfach nur Stress mit ihrem anderen Vater. Der macht gerade alles nur noch komplizierter“, erklärte ich leise und ich hörte selbst, dass meine Stimme entschuldigend klang, fast schon ein wenig reuevoll. Vermutlich hätte es viele andere Augenblicke gegeben, in denen ich es ihm hätte sagen sollen. Denn jetzt nach dem Streit mit Brian waren meine Nerven immer noch angespannter als sonst. „Wieso hast du das nie gesagt. Oder willst du mir weiß machen, es gab keine Momente in denen du das hättest verraten können?“, entsetzt klang seine Stimme und als er einen Schritt von mir wegtrat sank mein Herz hinunter in die Hose. Ich konnte verstehen, warum er sauer war und doch wieder nicht. Natürlich gab es diese Augenblicke. Es waren viele gewesen, doch ich hatte nicht einen genutzt. Zu groß war die Angst auf Ablehnung zu stoßen. Ich konnte darauf einfach nicht antworten. Zu ehrlich wären meine Worte gewesen und diese Ehrlichkeit hätte mich zu angreifbar gemacht. Ich hatte gehofft, dass dieses Gespräch einfach anders verlaufen wird. Das er mir ruhig und besonnen zuhörte und mir Mut gab, im den Kampf mit Brian. Doch natürlich war dies zweitrangig in seinen Augen. Für ihn zählte gerade etwas gänzlich anderes. „Wieso hast du das nicht gesagt?“, forderte mich Paul erneut zornig auf. Das Gefühl ungerecht behandelt zu werden stieg in mir auf. Ja, es war sicherlich ein falscher Augenblick gewesen, Paul damit zu konfrontieren, doch ich wollte mich nicht von ihm unterbuttern lassen. Weder von ihm noch von Brian. Es war schließlich meine Entscheidung, wann ich den Menschen in meiner Umgebung sagte, dass ich ein Kind hatte. Es waren gerade mal knapp zwei Wochen in dem ich ihn kannte. Was waren schon zwei Wochen? Nichts! Und er kannte meinen Background nicht. Er wusste nicht, wie häufig ich schon auf Ablehnung wegen meiner Tochter gestoßen bin. Was Brian getan hatte und wie das Leben mir sonst so mitgespielt hatte. Meine Augen verengten sich zornig, als ich den so gut aussehenden Polizisten betrachtete. Glaubte er, ich habe es nicht ernst gemeint? Glaubte er, es sei nur Spaß gewesen mit ihm? Dann hätte ich ihn sicherlich nie gebeten, mich hier zu besuchen! Die Wut ließ meine Stimme erzittern, als ich begann zu sprechen: „Jedes verdammte Mal, wenn ich jemanden kennen gelernt hatte, hab ich wegen meine Tochter eine Abfuhr bekommen. Jedes Mal! Ich habe darauf einfach keinen Bock gehabt. Egal, wann ich sie erwähnt habe, immer waren es die selben Sprüche. Du hast keine Ahnung wie das ist Paul! Glaub nicht, dass ich mir darüber nie Gedanken gemacht hätte oder dass du einfach nur ein Spaß für mich bist. Du hast keine Ahnung wie das ist, wenn man so eine Verantwortung hat.“ Zornig sah er mich an und runzelte die Stirn. Er blickte weg, ich hoffte er ließ sich meine Worte durch den Kopf gehen. Es tat mir leid. Ich wollte ihn nicht wütend machen. Noch wollte ich mich mit ihm streiten. Ich brauchte doch eigentlich nur jemanden der mir zuhörte und nicht über mich urteilte. Immer noch schwieg er und als er die Arme vor der Brust verschränkte, schloss ich verzweifelt die Augen. Waren meine Worte zu hart gewesen? Vielleicht, doch ich konnte sie gerade nicht anders wählen. Jedoch wollte ich keinen Streit mit diesem Menschen! Ich schloss fast verzweifelt meine Augen und atmete beruhigend durch. Vermutlich war es falsch gewesen. Falsch, dass ich es ihm nicht gesagt hatte und falsch, ihn hierher einzuladen. Nicht, wenn ich selbst so wütend war und die Wut immer wieder am überkochen war. „Es tut mir leid“, sagte ich aufrichtig zu dem Mann und seine dunklen Augen blickten in die Meinen. Langsam ging ich auf ihn zu und griff nach seiner Hand. Er zog sie nicht weg, sondern blickte mir einfach stumm in die grünen Augen. Vermutlich wartete er einfach auf meine Erklärung. „Man, Paul“, meinte ich leise und sagte nach einem Augenblick der Stille, „Ich habe es von Anfang an ehrlich gemeint. Ja, ich hätte sagen sollen, dass ich ein Kind habe, aber deswegen war das was… ich sagte … nicht gelogen.“ Paul blickte weg, sah aus dem Fenster in meinen Garten. Doch eigentlich konnte man diesen wegen der Dunkelheit gar nicht sehen. Ich wünschte, ich könnte seine Gedanken lesen, doch leider war mir dies nicht gegönnt. Nach einem Moment meinte er: „Du streitest dich nicht wegen des Hauses mit deinem Ex, oder?“ Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich das zu Paul gesagt hatte. Langsam schüttelte ich den Kopf. Ich wünschte, es wäre das Haus, weswegen wir uns stritten. „Dann hast du mich doch angelogen“, raunte er und sah mir weiterhin in die Augen. Er wirkte störrisch, ruhig. Etwas, was ich selten bei Menschen mitbekommen hatte. Ich konnte nicht deuten, was ich in ihnen sah. Zorn, Wut oder Enttäuschung? Ich war mir unschlüssig. Ich nickte leicht und nach einem Augenblick sagte ich: „Ja, gut… Dabei habe ich gelogen. Aber alles was… was uns anging war ehrlich. Ich schwöre es dir. Ich…“, ich war unschlüssig, was ich sagen wollte und was ich sagen sollte. Immer noch hielt ich seine Hand fest und drückte sie leicht. Ich wollte nicht noch mehr sagen, was man einfach falsch verstehen konnte. „Und du streitest dich gerade mit ihm?“, wollte Paul wissen und langsam entzog er mir seine Hand. Es war ein komisches und beklemmendes Gefühl. Ich hätte ihn nur zu gerne in den Arm genommen. Noch lieber wäre es mir in diesem Augenblick gewesen, er hätte mich umarmt und hätte mich gestützt an diesem schweren Abend. Kurz betrachtete ich unsere Hände und unschlüssig nickte ich. Ein Gefühl keimte in mir auf, dass ich mich erklären wollte, erklären musste. Ich wollte ihm sagen, warum er hier war und nicht mein bester Freund. Dass ich diesen einfach nur nicht erreicht hatte, sollte ich dabei besser nicht sagen. Es wäre nur menschlich gewesen, mir diese Worte im Mund herumzudrehen.   „Ich wollte mit dir sprechen, weil du… Du bist mir in den letzten Wochen wichtig geworden. Ich mag dich und ja ich bin verknallt in dich. Doch irgendwie bist du auch ein Freund. Du hast mir in den letzten zwei Wochen einfach unglaublich gut getan. Deswegen, habe ich dich gebeten zu kommen“, meinte ich ehrlich und trat einen Schritt auf ihn zu. Mit beiden Händen umschloss ich das, in meinen Augen, so gut aussehende Gesicht und fing seinen Blick ein. Immer noch blickte er mich mit einem mir nicht zu deutenden Gesichtsausdruck an, etwas was mich fast wahnsinnig machte. „Paul, wir reden hier von zwei Wochen, die wir uns kennen“, sagte ich eindringlich und fügte hinzu, „Ich habe einige Männer schon länger gekannt, ehe ich ihnen von meinem Kind erzählt hatte.“ Ich sah, wie er das Gesicht verzog und er griff nach meinen Händen. Er zog sie weg von seinem Gesicht und strich über meinen Handrücken und hielt sie tatsächlich fest in seinen Händen. Er stieß mich nicht einfach weg. „Wir haben uns aber fast jeden Tag gesehen Rick. Wir haben sogar miteinander geschlafen und so viel wie wir gesprochen haben, hättest du es irgendwann einfach sagen müssen“, meinte er ernst und doch war seine Stimme ruhiger, als noch vor wenigen Augenblicken. Ich glaubte, dass ich die richtigen Worte gewählt hatte. Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern. Egal, wie man es betrachtete jeder konnte Recht haben. Sowohl ich, als auch er. Zwei Wochen waren nicht viel, doch wenn man sich fast jeden Tag getroffen hat, ja dann waren auch zwei Wochen eine lange Zeit. „Du hast nicht unrecht“, versuchte ich den diplomatischen Weg zu gehen, „Trotzdem muss ich mich und auch meine Tochter schützen. Egal, wann ich es sagte, immer war es für die Menschen der falsche Zeitpunkt. Vielleicht gibt es dafür auch einfach keinen. Ich… ich fand es einfach toll, dass ich bei dir Rick war. Nicht der Singlevater. Sobald ich das nämlich sage, sehen fast alle nur noch das in mir. Und ich finde zwei Wochen nicht zu spät, auch wenn wir uns fast jeden Tag gesehen haben.“ Wir verstummten beide und ich strich mir erschöpft durch das Gesicht. Wieder schwiegen wir und wieder war es ein komisches und für meine Gefühl, ein unangenehmes Schweigen. Schwer atmete ich durch und fragte leise: „War es das jetzt? Hab ich es jetzt wirklich so kaputt gemacht?“ Es fühlte sich komisch an, anders als bei den Anderen. Vielleicht, weil ich mit den anderen Männern nie so viel Zeit verbracht hatte. Und nie hatte ich in einem dieser Männer mehr gesehen als jemanden für den ich kurz schwärmte. Paul war einfach auch ein Freund und von diesen hatte ich nicht mehr all zu viele. Unschlüssig zuckte Paul mit den Schultern und schien wie ich nicht zu wissen, was nun das Richtige war. Die Stille die zwischen uns herrschte war mir unangenehm und drückte auf mein Gemüt. Ich hätte einfach ins Bett gehen sollen. Hätte ich doch nur meinen besten Freund erreicht. Ich war enttäuscht und sauer. Sauer auf mich, dass ich Madeline so lange verheimlich hatte und sauer, dass Paul nicht verstand, warum ich es getan hatte. Doch am größten war die Wut auf Brian. Brian, der so vieles durcheinander brachte. Brian der einfach meinte, ich sei ein schlechter Vater und mich immer mehr aus der Fassung brachte. „Ich… Ich weiß es nicht Richard“, raunte Paul und ging leicht auf und ab. Auch er strich sich die braunen Haare aus dem Gesicht, als schien er unschlüssig, was er wollte und was nicht. Wahrscheinlich hatte ich ihn in eine doofe und sehr unangenehme Situation gebracht. Etwas, was ich eigentlich nicht wollte. Etwas unschlüssig ging er durch mein Wohnzimmer. Sein Blick glitt zu den Bildern und nach einem Augenblick fragte er: „Wie alt ist sie eigentlich? Und wie heißt sie?“ Ich folgte seinem Blick. Ich brauchte ihm nicht nachzugehen um zu wissen, welches er betrachtete. Ich wusste, wo welches stand. Es war ein Bild, welches Madeline als Baby zeigte. Ich hatte sie auf dem Arm und ihre Hand gehoben, als das Bild geschossen wurde. „Madeline. Sie wird in drei Wochen vier“, meinte ich leise und konnte es gerade selbst nicht glauben, dass sie schon so lange bei mir war. Vier Jahre, waren eine echt sehr lange Zeit. „Und dein Ex?“, wollte Paul wissen und ich spürte, wie mein Gesicht erstarrte. Langsam ging der athletische Mann wieder auf mich zu und musterte meinen Gesichtsausdruck. Es waren die gleichen Fragen, die immer gestellt wurden. Doch anders, als bei den anderen Männern, konnte ich nicht einfach behaupten, dass er keine Rolle mehr spielte. Das er uns verlassen hatte und sich nicht wieder gemeldet hat. Paul wusste, dass Brian da war. Ich hatte es ihm gerade selbst gesagt. Deswegen war er schließlich hier. „Er ist abgehauen, als sie fünf Monate alt war. Sie kennt ihn nicht. Er will jetzt doch wieder Kontakt… Er stand gerade vor der Tür und hat einfach gesagt, er will sie mitnehmen. Das hat ihr gerade total Angst gemacht. Er war sogar schon bei Gericht…“, sagte ich Leise und hatte es endlich geschafft, das zu erzählen, was von Anfang an mein Ziel war. „Bin ich deswegen hier? Weil er dich gerade so provoziert hat“, wollte er wissen und ich nickte nur. Es schien, als besann er sich, denn ich merkte, wie er ruhig durchatmete und er fragte mich dann, wie viel Madeline davon mitbekommen hatte. Schwer durchatmend suchte ich nach den richtigen Worten. Wieso er plötzlich so ruhig war, wusste ich nicht. Vielleicht lag es an seinem Job und dem, was er gelernt hatte. Nach einem Augenblick begann ich zu sprechen: „Sie kam runter. Er hat sie einfach angesprochen und gesagt, dass sie bei ihm wohnen wird. Er klang wie ein Typ mit einem weißen Van. So einem, wo man jedem Kind sagt, mit dem sprichst du nicht. Sie war gerade so komisch… und ja… Es ist einfach zu viel gerade.“ Ich ließ mich auf die Couch nieder und als mein Blick zu dem Bild glitt, welches ich Madeline gezeigt hatte, wurde mir schlecht. Ich musste die Aufnahme umdrehen, denn ich ertrug es nicht. Ich wollte nicht an diese Zeiten erinnert werden. Immer noch schwieg Paul, etwas was er in manchen Augenblicken sehr gut konnte und etwas, das ich sehr an ihm schätzte. Er überließ mir das Tempo des Gesprächsverlaufes. Ich blickte langsam von dem Bild hinauf in sein bereits so vertrautes Gesicht. „Er hat keine Chance, aber es ist einfach so scheiße und bringt meinen Alltag völlig durcheinander“, meinte ich ehrlich und schaffte es nicht wegzublicken von diesem Mann, der mich die letzten Tage so sehr um den Verstand gebracht hatte. Paul setzte sich nicht, er stand weiterhin vor mir und betrachtete mich und ehrlich waren seine Worte als er sagte: „Ja, beneiden kann man dich sicher nicht. Das wird sich alles klären. Ist halt scheiße, wenn plötzlich ein Elternteil wieder auftaucht. Das passiert Frauen doch aber auch oft genug. Man wird dir das Kind schon nicht wegnehmen. Du kennst die Gesetze sicher besser, wie ich. Hast du dir Hilfe besorgt?“ Ich nickte nur und ich war wirklich froh, dass Ben den Fall übernahm. Mich selbst vertreten vor dem Familiengericht würde in einer Katastrophe enden. Ja, dass was Paul sagte stimmte. Brian hatte rechtlich kaum Aussicht auf Erfolg. Trotzdem tat es gut es einfach von jemand anderem zu hören. „Es nervt einfach“, sagte ich leise, aber sehr ehrlich zu Paul, „Ich weiß einfach nicht, wo mir der Kopf steht. Ich versuch es allen Recht zu machen und ich glaube langsam, dass ich es bald nicht mehr schaffe.“ Ja, mit all dem ganzen Stress der von Tag zu Tag immer mehr zu werden schien, hatte ich einfach das Gefühl, ich verlor mich selbst in all diesem Chaos. Ein Chaos, das ich selbst nicht angerichtet hatte und es doch beseitigen musste. Paul nickte leicht und nach einem Augenblick meinte er: „Ich kenne das Gefühl. Das habe ich auch lange genug versucht. Du musst die Reisleine ziehen, bevor es zu viel wird.“ Ich nickte nur und sah von meinen Füßen hinauf in Pauls Gesicht. Wieder erdete er mich. Wieder beruhigte er mich mit seiner besonnen und vernünftigen Art. Dankbar lächelte ich diesem Mann zu. Doch noch immer hing dieses Damoklesschwert über uns. „Was ist jetzt mit uns?“, wollte ich wissen und hatte doch Angst vor der Antwort. Das Schweigen was folgte, ließ mich unruhig werden und ich sah nicht weg. Als Paul wegblickte war es ein komisches und beklemmendes Gefühl, welches sich in meiner Magengegend ausbreitete. „Okay“, begann Paul leise und als er mich anblickte und seine Augen erneut zu den Bildern glitten, sprach er: „Man Richard, dass ist echt viel Verantwortung…So ein Kind.“ Ich hätte kotzen können, als er das sagte! Diese Sätze waren wie ein Trigger für mich. Es waren die selben Sätze wie immer. Und ich konnte ein genervtes Stöhnen nicht unterdrücken. Erneut loderte der Zorn in mir auf. Wieder war die Wut da. Plötzlich und so schnell, als sei sie schon die ganze Zeit an meiner Seite gewesen. Egal, wie ich es anging, ich machte es einfach falsch. Sonst würden diese beschissenen Sätze einfach nicht fallen! „Danke, dass du mir das sagst“, raunte ich sarkastisch und konnte die Wut nicht aus meiner Stimme entfernen. „Wäre ich nie darauf gekommen. Das ein Kind wirklich so etwas wie Verantwortung mit sich bringt.“ Es war falsch, sich von der Wut leiten zu lassen, doch es war einfach so, dass ich bei diesem Satz nicht anders reagieren konnte. Wenn ich diesen Satz hörte übernahmen andere das Richterpult in meinem Kopf. Es war einfach ein Trigger, den ich nicht verhindern konnte. Pikiert sah mich Paul an, als wäre ich ihm mit dieser Aussage auf den Schlips getreten und vermutlich war ich das auch. Doch es war mir egal. Es tat einfach weh, solche Worte, solche Sätze immer und immer wieder zu hören. „Weißt du Paul“, meinte ich noch bevor er etwas sagen konnte, „Das sind genau die Sprüche, die einfach nur zum Kotzen sind. ‚Oh das ist viel Verantwortung‘ als ob ich das nicht selber weiß! Oder so Sätze wie, ‚Oh, ich weiß nicht, ob ich immer mit deinem Ex konfrontiert werden möchte‘ als ob der hier ein und ausgehen könnte, wie es ihm beliebt! Oder sowas wie ‚Oh nein, also mit Kindern das kann ich nicht. Stell dir mal vor die will irgendwann Papa sagen‘. Als ob ich möchte, das meine Tochter zu einem anderen Mann Dad sagt. Ich hasse diese Sprüche einfach. Schön, wenn du sauer bist, weil ich es dir nicht vorher gesagt habe. Vielleicht siehst du das anders, wenn du alleine bist und immer nur zu hören bekommst, dass der einzige Grund warum man abends alleine auf der verfickten Couch sitzt, dein Kind sein soll. Ich habe einfach keinen Bock mehr, sowas zu hören. Wenn du also nichts anderes zu sagen hast, als die Standardsprüche… Dann weiß ich auch nicht.“ Ich wusste, ich hatte ihn verletzt. Ich wusste, ich war unfair und doch brach es einfach aus mir raus. Zu oft war ich verletzt worden. Zu oft hatte es wehgetan. Deswegen wollte und musste ich mich einfach selbst schützen. Das musste ich heute mehr denn je, vor allem nachdem was Brian mir und auch meiner Tochter heute angetan hatte. Ich wollte nicht wieder verletzt werden. Wobei, wenn ich ehrlich war, genau dies bereits geschehen war. So albern es vielleicht war, lieber stieß ich ihn von mir weg, als dass wieder jemand auf meinen Gefühlen herumtrat und in dieser nicht verheilen wollenden Wunde herumstocherte. „Ich habe keinen Plan, was die Standardsprüche sind“, fuhr mich Paul lauter an, als ich dachte. Unschlüssig stand er vor mir, als wisse er nicht, was er tun sollte. „Ich aber“, sagte ich ruhiger als ich eigentlich wollte, doch Madeline schlief oben, „Und ist es wirklich so schrecklich, wenn man jemanden kennen lernt, der ein Kind hat? Ej, ich bin bald 32! Ich bin nicht 18….“ Ich konnte meine Verzweiflung nicht aus meiner Stimme verbergen und langsam, mit schweren Herzen stand ich von der Couch auf. „Ja es ist außergewöhnlich! Du bist schwul! Und ja, bevor du es sagst, ich weiß selbst dass wir in Amerika leben. Ich muss mir einfach Gedanken machen, Richard“, raunte Paul leise und kratzte sich kurz an der Schläfe. „Ich habe darüber einfach noch nie nachgedacht. Du hättest es einfach früher sagen müssen. Ich mag dich wirklich, trotzdem gib mir bitte einfach etwas Zeit. Du musst auch erst einmal wieder runter kommen. Okay?“ Langsam ging er zur Haustür und nach einigen Augenblicken folgte ich ihm dorthin. Runterkommen? Ja, da hatte er vermutlich wirklich Recht und trotzdem tat es weh, wie er es sagte. Ich wollte diese blöde Floskel einfach nicht hören. „Und was wäre dann anders, wenn ich es früher gesagt hätte? Es sind nur zwei Wochen gewesen. Nicht zwei Jahre…“, raunte ich und als Paul weiter mit langsamen Schritten zur Tür ging, war es ein komisches Gefühl. Es schmerzte mehr, als bei Alex oder den anderen Männern. „Es ist nicht nur das“, meinte Paul leise und offen blickte er mir in die Augen. „Rick, Richard… Wir haben beide Ballast den wir herumtragen und ich weiß nicht, ob das nicht zu viel wird. Ich habe es wie du ehrlich gemeint wirklich. Gib mir einfach Zeit zum Nachdenken. Die brauche ich jetzt einfach.“ Skeptisch betrachtete ich Paul und als ich nachfragte, was er mit Ballast meinte, sagte er: „Nicht wichtig. Ich werde mich melden. Ich verspreche es dir. Komm du erstmal runter. Deine Nerven liegen blank und ich kann es sogar verstehen.“ Er griff nach meiner Hand und unschlüssig erwiderte ich den Händedruck. Ich folge ihm mit meinen Augen und sah, wie er in sein Auto stieg. Es war wie ein Messerstich tief in meine Brust, als Paul den Motor startete und einfach fort fuhr.   Kapitel 12: Falscher Augenblick ------------------------------- Ich schlief sehr schlecht in dieser Nacht. Immer wieder suchten mich verwirrende und auch schreckliche Träume heim. Ich träumte von Brian, dass dieser kam und Madeline einfach mitnahm. Mein Körper wollte nicht gehorchen und war wie gelähmt. Ich konnte sehen, dass Madeline sich freute wieder bei ihm zu sein. Sie sagte im Traum, wie sehr sie ihn doch vermisst hatte. Sie würde sich freuen, bei ihm und dieser Hannah zu wohnen. Endlich habe sie eine Mutter. Fröhlich nannte sie ihn Dad und sie sagte mir, dass ich ja nun zufriedener sei. Ich hätte doch eh nie Zeit für sie. Ich ertrug es nicht und Brian verwandelte sich in Paul. Paul der sich wegdrehte und sagte, dass er sich melden würde und ich wusste, dass er es nicht tun würde. Schweißgebadet wachte ich auf und keuchte laut. Schlaftrunken blickte ich mich um, doch alles schien wie immer. Ich sah auf meinem Funkwecker, dass es erst vier Uhr morgens war. Noch drei Stunden Schlaf lagen vor mir, bis der Wecker klingelte und Madeline und ich zum Flughafen aufbrachen. Ich hörte das Atmen des kleinen Kindes neben mir und rollte auf die Seite. Klein und zusammengekauert lag sie im Bett. Ihr Stofftier hatte sie im Arm und schlummerte tief und fest. Ich atmete leise auf. Es waren nur Träume gewesen. Sie war bei mir. Ich strich ihr über den Rücken und legte vorsichtig einen Arm um ihren Körper. Ich war froh, dass sie da war. Sie ließ mich nicht aufgeben. So einsam ich mich auch häufig fühlte, stimmte es doch eigentlich nicht. Wir waren zu zweit. Vielleicht sollte ich einfach aufhören, so sehr an dem Gedanken zu hängen, jemanden an meiner Seite zu haben. Vielleicht nahm ich es einfach alles viel zu verbissen. Wenn ich es ehrlich betrachtete, hätte es vermutlich viele andere Situationen gegeben, in denen ich ehrlich zu Paul hätte sein sollen. Ich schloss die Augen und es dauerte einige Zeit, bis der Schlaf mich wieder zu sich zog, doch dieses Mal schien er gnädig zu sein, denn keine schlechten Träume suchten mich heim. Der schrille Ton des Weckers riss mich aus meinem Schlaf und ich zuckte erschrocken zusammen. Tief und fest hatte ich die letzten Stunden geschlafen und fühlte mich gerädert. In einer Stunde mussten wir losfahren um pünktlich am Flughafen zu sein. Ich half Madeline dabei sich fertig zu machen, gebadet hatte sie gestern schon. Wir frühstückten und ich zwang sie regelrecht danach noch einmal auf die Toilette zu gehen. Keiner von uns sprach den Vorfall von gestern an. Ich wusste auch nicht, ob man dies machen sollte oder nicht. Wenn sie nicht fragte, dachte ich, muss ich das Thema nicht weiter aufrollen. Ich hoffte, dass ich damit das Richtige machte. Während Madeline auf der Toilette war checkte ich uns über mein Smartphone ein. So brauchte ich am Schalter nur den Koffer und den Kinderwagen abgeben. Eigentlich brauchte Madeline keinen mehr, doch ich hatte ihn zur Vorsicht noch. Wenn es in Phoenix unerträglich warm werden würde und Madeline zu erschöpft zum Laufen war, wollte ich sie einfach nicht die ganze Zeit tragen. Ich verstaute alles im Auto und um kurz nach acht machten wir uns auf den Weg zum Flughafen. „Oma freut sich auf dich“, sagte ich und blickte in den Rückspiegel zu Madeline. Sie hatte Bolt auf den Arm und blickte fröhlich zu mir. „Glaubst du, sie hat Schokolade für mich?“, wollte sie wissen und ich grinste leicht. Ich zuckte mit den Schulter und erwiderte: „Möglicherweise. Aber nur, wenn du im Flugzeug nett bist. Wenn du nur quengelst sag ich es Oma.“ Sofort versprach sie, dass sie sich während des Fluges nicht anstellen wollte. Ich schmunzelte zufrieden und grinste leicht, während ich ihr lauschte. Ich kannte sie. Schon öfter waren wir nach Phoenix geflogen. Immer Nonstop, sonst wäre es für Madeline auch einfach zu lang. Auch so war der Flug mit fast 3 Stunden einfach anstrengend für sie. Ich hatte zwei, drei Spiele dabei und mein Handy aufgeladen und mehrere Hörspiele darauf gezogen. Ich hoffte, dass sie das beschäftigen würde. Während ich ein Hörspiel für sie im Auto spielte, drifteten meine Gedanken ab. Ich dachte an das was geschehen war, nachdem Brian gegangen war. Wie ängstlich meine Tochter war und wie seltsam wie sich benommen hatte. Es war falsch gewesen, dass ich Paul gestern gebeten hatte zu komme. Es war einfach ein falscher Augenblick. Die Konsequenz folge auf dem Fuße. Er hatte mir nicht geschrieben in der Nacht und auch nicht am Morgen. Sollte ich ihm Schreiben? Oder besser nicht? Früher hatte ich den Männern noch geschrieben, wenn sie meinten sie würden sich melden. Doch schnell hatte ich es mir abgewöhnt, denn sie wollten es einfach nicht. War ich zu stolz? Paul war anders, als die anderen die ich kennen gelernt hatte. Schon allein deswegen, weil ich nicht nur verknallt in ihn war, sondern weil er auch etwas wie ein Freund war. Während ich an einer roten Ampel hielt blickte ich starr hinaus auf die Straße. Es war zum verrückt werden. Es war eine innere Unruhe in mir, welche ich kaum in den Griff bekam. Unbarmherzig spürte ich die Sehnsucht nach dem Mann in mir brodeln. Würden nicht meine Eltern auch mich warten, wäre ich am liebsten zu ihm gefahren um ihn zu zeigen, dass es nicht schlimm ist, dass Maddy da war. Kurz betrachtete ich sie im Rückspiegel. Hätte ich einen Mann früher sitzen gelassen nur, weil er ein Kind hatte? Ich wusste es selbst nicht. Etwas in mir sagte ja, denn damals war ich jung und unerfahren, wollte die Welt sehen und doch sagte auch etwas in mir Nein, denn ein Kind beendete das Leben schließlich nicht. Ich strich mir über die Augen und erst als Madeline hinter mir fröhlich sagte, dass es Grün sei, fuhr ich weiter. Vielleicht tat es einfach mal gut, aus der Stadt herauszukommen. Bekannte Gesichter zu sehen und andere Gesprächsthemen zu lauschen. Ich mochte meine Familie und hatte sie schon länger nicht mehr besucht. Das letzte Mal war über Weihnachten und Neujahr gewesen. Meine Eltern liebten Madeline und besuchten mich so oft es ging. Immer wieder versuchten sie mich zu überreden wieder nach Arizona zu ziehen. Ich solle das Haus der Bank überlassen und mit dem restlichen Geld des Kredites ein Haus bei ihnen kaufen. Sie würden mir helfen mit Madeline und eigentlich war die Idee nicht verkehrt. Doch der Stolz hielt mich davon ab. Ob dieser Stolz angemessen war oder nicht, dass musste jeder für sich entscheiden. Ich war zu Stolz dafür. Sie waren damals gegen die frühe Ehe mit Brian gewesen und ich wollte und musste ihnen beweisen, dass ich auch ohne ihre Hilfe zurecht kam. Mein Vater leitete die Baufirma und meine Mutter half ihm im Büro, sie könnten sich freinehmen. Tatsächlich war es sogar schon vorgekommen, dass meine Mutter zu mir kam, als Madeline krank wurde und ich nicht freinehmen durfte. Doch wieder dort hin zu ziehen käme für mich einem Aufgeben gleich. Es war, als würde ich kapitulieren und das wollte ich mir nicht eingestehen. Meine Eltern kannten mich zu gut und akzeptieren meine Haltung. Ob sie es gut fanden, oder nicht. Doch sie kamen, wenn ich sie brauchte und auch so gerne zu mir. Erst vor sechs Wochen waren sie an einem Wochenende zu Besuch gekommen und auch in drei Wochen, an dem Wochenende von Madelines Geburtstag wollten sie uns besuchen. Schon häufig war ich am Flughafen gewesen und so wusste ich, wo ich hinmusste. Man erkannte, dass einige der Fahrer vor mir selten am Flughafen Auto fuhren. Sie schienen nicht zu wissen, wo sie hin mussten. Doch ich blieb entspannt und ließ ein älteres Ehepaar vor mir einscheren. Ich parkte das Auto in einem Parkhaus, lud das Gepäck auf einen Wagen und endlich betraten wir die große Halle. Es herrschte betriebliche Hektik. Viele Businessmenschen gingen geschäftig an mir vorbei und schienen blind zu wissen, wo sie hin mussten. Andere, oft auch ältere Menschen, schienen einen Augenblick zu brauchen, bis sie sich in diesem großen Gebäude zu Recht fanden. Viele der Schalter waren besetzt und an einigen war eine größere Schlange Passagiere zu sehen, die darauf warteten ihr Gepäck abgeben zu können. Da keine Ferien waren, waren nur wenige Menschen, wie ich mit Kind unterwegs. Ich hielt meine Tochter fest an meiner Seite und suchte nach unserer Gepäckabgabe. „Dad“, fragte sie und ich sah hinunter in ihre grünen Augen, „Darf ich auf dem Karren fahren?“ Ich stimmte zu und setzte sie auf unseren Koffer. Madeline selbst hatte Bolt auf dem Arm und einen Rucksack auf den Rücken, wie ich. „Papa, wann kannst du mir die Haare eigentlich so machen wir bei Elsa?“, wollte sie wissen, während wir endlich in der richtige Schlange standen. Skeptisch folge ich dem Blick meiner Tochter und sah, dass Madeline eine Frau betrachtete, deren Zopf so komisch geflochten war. Die Haarsträhnen waren bereits auf dem Kopf in den Zopf geflochten worden. Wie man dies machte, davon hatte ich keine Ahnung. Ich seufzte schwer. Ja, ich kam mit diesem Frauenkram nicht zurecht, doch es schien, als müsste ich mich bald damit auseinandersetzen. Wäre es nach mir gegangen, hätte Madeline gar keine langen Haare. Ich hätte sie wesentlich kürzer geschnitten. Doch sie wollte sich unbedingt Zöpfe machen lassen und so ließen wir die Haare dran. „Ich weiß es noch nicht. Ich muss das noch lernen“, meinte ich und dachte daran mir Videos anzuschauen, um zu lernen, wie man theoretisch Haare flechten konnte. Wenn ich es dann immer noch nicht konnte, hatte ich es wenigstens versucht. „Ja…. Du lernst Haare flechten und ich lerne Buchstaben“, schlug sie vor und ließ mich schmunzeln. Neben mir in der Schlange sah ich eine junge Frau grinsen. Sie drehte sich leicht weg von mir und strich sich mit der Hand über die Lippen und ich war mir sicher, dass sie uns beide belauscht hatte. Schlimm fand ich es nicht. „Klingt gut“, meinte ich und strich Madeline durch die braunen Haare. Ich zog mein Handy aus der Tasche. Warum wusste ich nicht, vielleicht musste ich einfach nur meine Hände beschäftigen. Ich hatte neue Nachrichten und als ich das Handy entsperrte, hoffte ich, dass eine Nachricht von Paul unter ihnen war. Ich wollte so gerne noch mal mit diesem Menschen sprechen. Doch keine war dabei. Eine Nachricht war von Phil. Er wollte wissen, weswegen ich gestern versucht hatte ihn anzurufen. Die anderen beiden waren von meinem Vater und meine Schwester. Er wollten wissen, wann ich flog und Marianne bat mich Zigaretten mitzubringen. Ich schrieb Phil, während wir in der Schlange voran gingen, dass ich mich nach dem Wochenende bei ihm melden werde. Ich fragte, wie es Sarah und seinem ungeborenen Sohn ging und hoffte, dass bei ihnen alles in bester Ordnung war. Wir erreichten die Gepäckabgabe und ich steckte mein Handy in die Jackentasche. Doch wie ich das Handy wecksteckte keimte erneut das Gefühl der Unzufriedenheit in mir auf. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und schloss kurz und nachdenklich die Augen. Ich beschloss mir im Flug Gedanken darüber zu machen, ob ich mich melden sollte oder nicht. Ich sah zu Madeline und stellte fest, dass sie neugierig die Umgebung beobachtete. Sie schien aufgeregt und ich schmunzelte leicht, als ich sagte: „Du muss runter vom Koffer.“ Kurz sah sie mich an, kletterte hinab und blieb an meiner Seite stehen. Ich hievte den Koffer und den Kinderwagen auf die Waage und war froh, dass Madeline als Passagier zählte. So brauchte ich kein Übergepäck zu bezahlen. Neugierig fragte Maddy, was die Frau am Schalter machte. Ich reichte der schwarzen Frau unsere Pässe und erklärte schnell, dass sie das Gewicht der Gepäckstücke kontrollierte. Geschäftig reichte sie mir die Pässe wieder und endlich konnten wir die Schlange verlassen. Ich hielt Madeline fest an der Hand. Es war nicht viel los, doch ich wollte unter keinen Umständen, dass sie einfach falsch abbog und ich sie nicht wiederfand oder wegen so etwas den Flug verpassten. Schell waren wir durch die Sicherheitskontrollen durch und mit ihrer fröhlichen und lieben Art scherzte sie mit den Menschen herum. Sie fand es unglaublich lustig, dass wir piepten und sie mit einem Detektorgerät abgescannt wurden. Ich kaufte meiner Schwester ihre Zigaretten und schrieb meinem Vater, dass ich mich freuen würde, wenn er uns abholt. Ich stand an der Tafel und suchte mein Gate, als ich neben mir Stimmen hörte. „Es nervt“, hörte ich eine tiefe und rauchige Stimme murren. „Die nehmen nicht das erste Mal Tiere mit. Jack beruhige dich. Didi geht es gut“, sagte ein anderer Mann mit genervten Unterton und ging an mir vorbei. Ich achtete nicht weiter auf sie und als Madeline an meiner Hand zog, sah ich verwirrt zu ihr hinab. „Der eine Mann Dad, der hat eine Augenklappe. Wie ein Pirat“, meinte sie, grinste mich breit an und ihre Augen glitten zu den beiden Männern. Ich folgte ihrem Blick und skeptisch zogen sich meine Augenbrauen zusammen. Die beiden Männer waren recht groß, der eine hatte ein breites Kreuz und dunkle Haare, der andere, vielleicht nur wenige Zentimeter größer, trug einen dunklen Mantel und sah fast so aus, wie ein Geschäftsmann. Der kräftige trug Tarnmuster, doch ich sah ihn nur von hinten und konnte sein Gesicht nicht sehen. „Ein Augenklappe?“, fragte ich skeptisch und Madeline nickte breit grinsend. Ich war mir unschlüssig, ob sie es sich nur eingebildet hatte. Jedoch hatte ich für so etwas eigentlich keine Zeit. „Der hat vermutlich nur eine Augenentzündung. Dann trägt man die. Das ist nichts Schlimmes“, erklärte ich und blickte wieder auf die Tafel, um zu überprüfen, wo unser Abfluggate war. Als ich es plötzlich neben mir kichern hörte, fragte ich genervt, was nun los sei und aufgeregt sagte sie: „Die beiden Männer haben sich geküsst.“ Wieder sah ich in die Richtung, doch sie waren vermutlich längst abgebogen. „Ist doch nicht schlimm“, meinte ich freundlich lächelnd und nahm Madeline auf den Arm. Endlich fand ich das Gate und folgte den Schildern in die richtige Richtung. „Wenn ich einen Freund hätte, dann würde ich ihn doch auch küssen“, meinte ich grinsend und blickte Madeline schmunzelnd an. Sie kicherte erneut und schüttelte nur albern den Kopf. „Ach komm schon Madeline, so schlimm ist ein Kuss doch nicht“, meinte ich grinsend und blickte sie liebevoll an. Sie schüttelte den Kopf und strampelt leicht. „Ich will selber laufen“, meinte sie fröhlich und artig setzte ich sie ab. Endlich waren wir am Gate und als wir endlich saßen, war Madeline ziemlich aufgeregt. Sie hatte ihren eigenen Sitz und neugierig versuchte sie aus dem Fenster zu blicken. Ich saß in der Mitte und der Platz neben uns schien nicht besetzt zu sein. Und wir hatten Glück. Niemand schien den Sitz gebucht zu haben. Ich spielte während des Fluges Memory mit Madeline und egal wie sehr ich mich auch anstrengte, gewann doch meine Tochter. Von den Flugbegleitern bekam sie Schokolade und ein Spielzeugflugzeug geschenkt. Sie freute sich darüber und ich sollte das Flugzeug gleich zusammenbauen. Erst als ich sie mit Hörspielen ablenken konnte, konnte auch ich mich mal entspannt zurücklehnen. Was Paul jetzt wohl machte? Ob er sich wirklich Gedanken machte? Er war die ganze Zeit anders gewesen, als andere Männer. Er war auf einer Farm großgeworden. Sogar in einem Mehrgenerationenhaus hatte er gewohnt. Vielleicht war für ihn Familie ja doch nichts Schlimmes und er brauchte wirklich einfach nur Zeit zum Nachdenken. Es konnte schließlich nicht jeder etwas gegen ein Kind haben. Es gab schließlich genug Regenbogenfamilien. Ich versuchte nicht so wütend auf ihn zu sein, wie auf Alex. Alex dem ich in Ruhe und vernünftig erklären wollte, dass ich ein Kind habe. Paul hatte diese Möglichkeit schließlich nicht bekommen. Ich hatte ihn vollkommen unerwartet ins kalte Wasser geworfen. Sollte ich vielleicht einfach versuchen die Freundschaft aufrecht zu erhalten? Wenn er sich keine Beziehung würde vorstellen können, könnten wir doch trotzdem Zeit miteinander verbringen, oder war dies zu viel des Guten? Ich entschloss mich, ihm nach meiner Ankunft zu schreiben. Ich war meines Glückes Schmied und wenn ich nicht selbst etwas unternahm würde ich auch nichts gewinnen. Als der Steward kam, genehmigte ich mir ein Schluck Cola und Madeline bekam ihren Orangensaft. Ich hoffte einfach, dass ich Paul nicht zu sehr vergrault hatte mit meiner Art. Möglicherweise hatte er mir bereits jetzt schon geschrieben. Schließlich war mein Handy im Flugmodus und ich bekam nicht mit, ob und wer mir geschrieben hatte. Madeline ließ es jedoch nicht zu, dass ich zu lange meinen schlechten Gedanken nachhing. Sie wollte malen und ich holte aus ihrem Rucksack ihr Malbuch und ihre Stifte heraus. Sie forderte mich auf, auch etwas zu malen und ich tat ihr den Gefallen. Nach über zweieinhalb Stunden Flug waren wir endlich in Arizona gelandet. Sofort schaltete ich mein Handy wieder in den normalen Modus, doch niemand hatte mir geschrieben. Die Enttäuschung kam mit einem Schlag zurück und traurig betrachtete ich das Gerät in meiner Hand. Ich steckte das Handy in meine Hosentasche und blickte hinaus auf das Rollfeld. „Alles okay, Daddy?“, fragte Madelines lieb, hohe Kinderstimme und ich nickte leicht. Sie beobachtete mich und wieder war ich überrascht, wie feinfühlig ihre Antennen waren „Klar. Endlich sind wir bei Opa und Oma“, meinte ich freundlich, doch ich merkte selbst, dass mein Lächeln meine Augen nicht erreichte. Unschlüssig betrachtete mich meine Tochter und nach einem Augenblick sagte sie leise: „Okay….“ Auch sie wirkte nachdenklicher, als ich es mir gewünscht hätte und ich fragte mich, ob sie an Brian dachte. Ich verließ mit ihr das Flugzeug. Plötzlich meinte Madeline, dass sie auf die Toilette musste. Genervt raunte ich ihr zu, dass ihr dies auch vorher hätte auffallen sollen. Sie selbst war nur am Kichern. Ich schnappte sie mir und brachte sie zum Männerklo. Ich hatte es einmal gewagt auf die Damentoilette mit ihr zu gehen und wurde prompt von einer älteren Dame angemacht, dass ich dort nichts zu suchen hätte. Man konnte es schließlich niemanden Recht machen und als ich mit meiner Tochter an der Hand aus der Toilette kam, blickte mich eine Frau verwirrt an. Ich ignorierte den Blick und ging mit meiner Kleinen einfach an ihr vorbei. Während wir auf unser Gepäck warteten fragte Madeline auf einmal: „Papa, bist du noch sauer wegen Brian?“ Wie feinfühlig die Antennen von Kindern sind, erschreckte mich. Doch ich wollte einfach nicht mit ihr darüber reden. „Madeline, das geht dich nichts an. Manche Sachen sind nur für Erwachsene und du bist noch ein Kind“, sagte ich streng und fischte den eingetüteten Kinderwagen vom Laufband. Ich sah, dass sie schmollte, doch es war mir gleich. Ich ließ sie schmollen und als wir unser Gepäck endlich hatten, gingen wir zum Ausgang. Ich sah meinen Vater schon vom weiten. Er war bereits vollkommen ergraut, doch er hatte noch alle Haare auf dem Kopf. Ein kleiner Bauch spannte sich über seinem Hemd und als Madeline ihn sah, lief sie fröhlich auf ihn zu und rief nach ihrem Opa. Mein Vater war unheimlich stolz und glücklich ein Enkelkind zu haben. Er hatte sich damals am schwersten getan, sich mit meinem Outing anzufreunden und erst nach einigen sehr klärenden und auch intensiven Gesprächen kam er nach und nach immer besser damit klar. Jetzt spielte es für ihn eigentlich keine Rolle mehr. Vor allem nicht, seit Madeline auf der Welt war. Feste drückte er sie und fragte sie, wie der Flug war. Sie sagte sofort, dass wir die ganze Zeit gespielt hatten und das sie für Oma ein Bild gemalt hatte. „Da wird sich Oma aber richtig freuen, Kleines“, meinte er und endlich sahen seine blauen Augen in die Meinen. „Hey Richie“, meinte er grinsend und ich verdrehte genervt die Augen. Ich wollte nicht, dass er mich so nannte! Ich wollte von niemanden so genannt werden, doch meine Familie schien das einfach nicht verstehen zu wollen. Seit ich zehn Jahre alt war protestierte ich gegen diesen Spitznamen. Geholfen hatte es nur bei meinen Freunden. „Hey Dad“, sagte ich und drückte kurz den älteren Mann. Ich fragte ihn, was es Neues bei ihm gab und zu dritt verließen wir den Flughafen. Ich lauschte den Neuigkeiten, während ich immer ein Auge auf meine Tochter hatte, welche etwas vorweg ging. Mein Vater sagte mir, dass derzeit wieder viel gebaut wird und dass er froh ist, dass Marianne ihm unter die Arme griff. Die Wirtschaft laufe gut und dies würde er an seinen Aufträgen merken. Ich lauschte seinen Worten, sagte nichts von Brian und auch nicht von Paul. Madeline wollte unbedingt, dass mein Vater sie im Kindersitz festmachte und lachend plauderte sie über ihre Einhorn- und Hundefiguren, welche sie mitgenommen hatte. Mit allem sollte mein Vater mindestens einmal gespielt haben. Mein Vater lachte und strich ihr durch die Haare, als er ihr sagte, dass er es kaum erwarten könne. Während wir nach Hause fuhren, spähte ich auf mein Handy, doch noch immer war keine neue Nachricht von Paul eingegangen. Sollte ich über meinen Schatten springen? Gerade, als ich beschloss dies zu machen, riss die Stimme meines Vaters mich aus meinen Gedanken und ich verwarf den Plan. „Heute Abend gibt es ein großes Essen. Alle sind da. Die Stones, die McGrever und auch die Tillers. Das wird sicher eine sehr nette Feier werden und Marianne hat einen neuen Freund. Der kommt auch. Ein netter Mann. Ich glaubte, du kennst ihn. Du und Phil, ihr wart mit ihm zusammen in der High School. Anthony Houver.“ Ich nickte nur. Ja, ich erinnerte mich an ihn. Ein blonder Junge mit Sommersprossen. Etwas schmächtiger, aber ansonsten eigentlich ein netter Typ. „Was macht er“, wollte ich wissen und lehnte mich in den Sitz des SUV zurück. „Er arbeitete als Maurer. Marianne hatte mich gebeten ihm einen Job zu geben und jetzt arbeitet er für mich“, erklärte mein Vater und blickte kurz zu mir hinüber. Ich nickte nur und ging nicht weiter darauf ein. Ich wusste, dass mein Vater enttäuscht war, dass ich das Familiengeschäft nicht übernehmen wollte. Immer wieder sprach er davon, als würde ich mich letztlich doch um entscheiden. Doch ich war nie der BWL’ler in unserer Familie. Dies waren mein Vater und meine Schwester. Marianne und Mathe waren immer in einem sehr positiven Zusammenhang erwähnt worden. Immer, wenn ich Studien las oder von ihnen hörte, in denen gesagt wurde, dass Frauen in Mathe schlechter seien, konnte ich nur lachen. Nie hatte ich es geschafft, in Mathe so gut zu sein, wie sie. Sie war die Richtige, wenn es darum ging, die Baufirma meines Vaters weiterzuführen. Mich störte es nicht, dass ich nichts von Mariannes neuem Freund wusste. Wir verstanden uns zwar, doch standen wir uns nie sonderlich nahe. Wenn sie Hilfe brauchte, dann war ich da. Dann ließ ich auch gerne den großen Bruder heraushängen, doch ansonsten hatten wir wenig gemeinsam. Ich liebte die Natur in meiner Freizeit, sie war eher eine Partymaus gewesen. Auch der Altersunterschied von fast sechs Jahren war immer spürbar gewesen. „Hat Oma Kuchen gebacken?“, fragte Madeline von hinten und sofort war mein Vater wieder vollkommen in seiner Oparolle gefangen. Wir fuhren die Auffahrt meines Elternhauses hinauf und ein leichtes Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Das Haus war groß. Mein Vater hatte es gebaut, als ich sieben war. Wir hatten wirklich ein gutes Leben und auch die Krise vor einigen Jahren hatte mein Vater gut überstanden. Es hatte, ebenso wie mein Haus zwei Etagen. Oben waren Badezimmer und Schlafräume. Typisch für Amerika und anders, als bei meinem Haus, bestand die Fassade aus weißen Holz. Brian und ich wollten damals ein verklinkertes Haus haben. Die Veranda meiner Eltern war überdacht und oben im Dach waren Gauben, die dafür sorgten, dass man in der oberen Etage auch Fenster hatte. An den großen Fenstern waren große Fensterläden befestigt und ließen das Haus alt und sehr traditionell wirken. Zwei kleine schmale Fenster, welche so groß waren, wie die Eingangstür, ließen Licht in den Flur. Wir betraten das Haus und sofort kam mir meine Mutter entgegen. Sie hatte hellbraune Haare und ihre grünen Augen strahlten mich glücklich an. Sie war schlank, nicht sonderlich groß und trug eine dunkelblaue Jeans mit einer gut sitzenden Bluse. Fröhlich zog sie mich in ihre Arme und leise lachend drückte ich sie an mich. „Hey Mum“, sagte ich, doch viel mit ihr sprechen konnte ich nicht. Madeline forderte ihre Aufmerksamkeit gnadenlos ein. Und gerade als ich Madeline ermahnen wollte, dass sie sich zurückhalten sollte, vibrierte mein Handy. Erneut begann ich zu hoffen. Mein Herz setzte aus, als ich sah, dass Paul mir geschrieben hatte. Es war wie ein Befreiungsschlag. Selten war ich so aufgeregt, wenn man mir schrieb. Ich ging etwas beiseite und öffnete das Chatfenster und las: „Hey, tut mir leid, wie das gestern gelaufen ist. Ich glaube wir beide haben etwas scheiße reagiert. Hast du Lust, dich am Montag zu treffen? Ich würde auch zu dir kommen.“ Ein erleichtertes und glückliches Lächeln stahl sich auf meine Lippen und die Leichtigkeit, die er sonst immer in mir ausgelöst hatte, war wieder da. Ja, gestern war ein scheiß Zeitpunkt gewesen und wir beide haben Sachen gesagt und getan welche man sicher an einem anderen Zeitpunkt hätte sagen sollen. Wieder einmal zeigte mir dieser Mann, dass er tatsächlich anders war, als die anderen Männer. Sofort tippte ich: „Nichts lieber als das. Wir sollten gegen 14 Uhr wieder Zuhause sein. Fliegen so gegen neun hier los. Danke, dass du dich gemeldet hast.“ Wie erleichtert ich mich fühlte hätte ich nicht wirklich beschreiben können und am liebsten hätte ich die Zeit einfach schneller verfliegen lassen. Kapitel 13: Familytime ---------------------- Madeline spielte gerade mit ihrem Opa im Garten, als meine Mutter mich in der großen weißen Küche beiseite nahm. Sie selbst hatte einen Caterer engagiert, welcher das Essen liefern sollte. Es würden sicher um die 40 Gäste heute Abend dabei sein und jetzt wo meine Mutter 60 wurde wollte sie sich verwöhnen lassen. Etwas was nur verständlich für mich war. Im Garten standen Pavillons und einige lange Tische, auf denen hinterher das Essen serviert werden würde. Der Garten hinter dem Haus war ebenso gepflegt, wie das Haus in dem meine Eltern wohnten. Sie hatten einen Pool, was in diesem heißen Bundesstaat nicht ungewöhnlich war und dank ihrer Wassersprinkler hatten sie einen sehr grünen gepflegten Rasen. Bei ihren Nachbarn sah dies genauso aus. An Wasser sparen dachte hier so schnell keiner. Ich war gerne hier, doch ich liebte Wälder und davon gab es in diesem Wüstenstaat keine. Natürlich gab es in Arizona Ecken die man gesehen haben sollte, wie den Grand Canyon. Doch die grüne Landschaft Oregons mochte ich lieber als die Kakteen im Wüstenstaat. Meine Mutter stellte ihr Glas Wasser, welches sie gerade getrunken hatte, auf die schwarz glänzende Steinarbeitsplatte. Ihr Blick glitt über meinen Körper und ihre grünen Augen zogen sich nachdenklich zusammen. Noch bevor ich fragen konnte, was los war öffneten sich ihre Lippen. „Richie ist alles gut bei dir? Ich sehe, dass dich irgendetwas belastet“, sagte sie und strich mir vorsichtig über den Rücken. Genervt seufzte ich auf und verdrehte meine grünen Augen, welche ich von ihr hatte. Würden meine Elternantennen auch immer so treffend sein? „Mum“, meinte ich mahnend und sie kicherte leicht. Sie wusste genau, was mich störte und es war nicht ihre Frage gewesen. „Was denn? Soll ich dich lieber Charles nennen? Oder Charlie?“, spottete sie leicht und ein tiefer Seufzer entkam meinen Lippen. Ein freches Grinsen schlich sich auf meine Lippen als ich erwiderte: „Mach dich nicht über den Namen lustig, den du selbst ausgesucht hast.“ Richie, ich hasste diesen Spitznamen und von meinem zweiten Namen ganz zu schweigen. Ich verstand bis heute nicht, wie meine Eltern auf diesen Namen gekommen sind. Doch lieber hieß ich Richard als irgendein Name auf dem bereits ein Stigma lag. Das war Brian und mir damals wichtig. Nur, weil ein Name cool klang, müsste er nicht auch noch cool klingen, wenn man älter ist. Als Brian den Namen Lilly vorschlug fand ich ihn zu Beginn schön! Lilly mochte ich sehr. Doch als ich dann sagte, dass eine Lilly vielleicht mit 30 Probleme haben würde, da der Name immer impliziert, dass jemand nur klein und süß ist, verwarfen wir den Vorschlag. Wir wussten schließlich nicht, wie sie sich entwickeln würde. Meine Eltern hatten es mit meinem und Mariannes Namen ebenso gesehen, doch ich fand, dass sie ins andere Extrem gegangen waren. „Ich wollte dir damals nicht diesen Zweitnamen geben. Ich wollte lieber Henry“, meinte sie und ich lachte leise auf. „Als ob Richard Henry besser gepasst hätte. Da finde ich klingt Charles wesentlich besser. Aber nenn mich doch einfach Rick“, meinte ich augenverdrehend, doch grinsend schüttelte meine Mum den Kopf. „Vergiss es, Richie. Rick klingt doof und du bleibst für mich Richie“, scherzte sie und keck zwinkerte sie mir zu. Doch so schnell sie am Grinsen war, genauso schnell betrachtete sie mein Gesicht wieder besorgt. „Jetzt lenk nicht ab. Ich kenn dich, was belastet dich? Du siehst total unausgeschlafen und besorgt aus“, meinte sie und strich mir leicht über den Arm. Es gab Augenblicke, da konnte mütterliche Fürsorge anstrengend sein, doch gerade, tat sie einfach gut, wenn ich ehrlich zu mir selbst war. Vermutlich war es diese Fürsorge, die ich gestern Abend von Paul haben wollte. Doch ich hätte besser darüber nachdenken müssen. Ich sah meiner Mutter ins Gesicht und ich fand es verblüffend. Da lebte ich nun seit dem College nicht mehr in dem Haus meiner Eltern und trotzdem schienen sie mich immer noch so gut zu kennen, dass es fast schon erschreckend war. Ich wollte meine Mutter nicht belasten, doch eigentlich zog sie keine schnellen Schlüsse. Ich überlegte mir eine passende Antwort. Madeline hatte mich nicht schlafen lassen oder Arbeitsstress. Ich schwieg und als ich den Mund aufmachte um etwas zu sagen meinte sie streng: „Richard, ich will eine ehrlich Antwort von dir. Was ist los?“ Ich grummelte vor mich hin. Wieso musste sie mich so gut lesen können. Immer noch war ich für meine Mum ein offenes Buch. Ich lehnte mich an den Küchentresen und betrachtete die ältere Frau. Wenn ich ihr die Wahrheit sagen würde, würde sie vermutlich mit Entsetzten und Wut reagieren. Doch ich hatte keine Lust mir eine weitere Ausrede einfallen zu lassen. „Brian ist wieder aufgetaucht“, raunte ich genervt. Sie reagierte so, wie ich es mir ausgemalt hatte. Empört sah sie mich an, als hätte ich selbst sie beleidigt. Ihre Lippen waren zu einer Linie zusammen gepresst und wütend verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Das ist doch wohl nicht…. Dieser, da fehlen mir glatt die Worte“, schimpfte sie vor sich hin und gerade, als ich etwas sagen wollte, kam Madeline in die Küche gelaufen. Meine Mutter verstummte und wir beide sahen zu meiner kleinen Tochter hinüber. Vom Toben mit meinem Vater hatte sie rote Wangen und ihre Haare klebten an ihrer Stirn. „Opa hat gesagt, ich muss dich fragen wenn ich in den Pool will. Darf ich mit Opa rein?“, fragte sie mich und strahlte über das ganze Gesicht. Kurz sah ich auf die Küchenuhr. Die Gäste würden erst in einigen Stunden auftauchen. Und da zum 60ten meiner Mutter alles organisiert wurde, hatten wir also frei. Ich nickte kurz und meinte zu meiner Mutter: „Ich ziehe Maddy eben um. Wir sprechen gleich weiter, ja?“ Sie nickte nur und wirkte immer noch neben der Spur. Ich konnte sehen, dass sie wütend und überrascht zugleich war. Verübeln konnte ich es ihr nicht. „Mach das“, meinte sie und sagte dann: „Ich brauche jetzt erstmal einen Scotch.“ Leise lachend ging ich mit Madeline hoch in mein altes Kindeszimmer. Es waren immer noch meine alten Schränke dort drinnen und ein altes Poster eines Baseballspielers hing an der Wand. Ich selbst hatte es damals dort angebracht. Jetzt wurde es nur noch als Gästezimmer benutzt. Madeline schlief im alten Zimmer meiner Schwester. Ich holte Madelines Badeanzug aus dem Koffer und half ihr beim Anziehen. Die Schwimmflügel pustete ich auf und fröhlich erzählte sie: „Der Pool ist schön warm. Hier ist es immer toll und warm. Ich will auch einen Pool!“ Ich grinste leicht, denn ja, ich hätte auch gerne einen. Doch in Oregon lohnte es sich kaum einen Pool bauen zu lassen. Dafür war das Wetter zu unbeständig. „Dafür ist es zu kalt bei uns. Aber wir sind ja oft hier und du musst erstmal richtig schwimmen lernen“, meinte ich schmunzelnd und band ihr die Haare zu einem schnellen Zopf zusammen. Sie nickte und fragte gleich, ob sie das nicht jetzt lernen könne. Ich nickte und meinte: „Klar. Frag Opa, ob er es dir zeigt.“ Eifrig nickte sie und selbst wenn sie es schaffte, selbstständig zu schwimmen, würde sie trotzdem noch einige Zeit die Schwimmflügel tragen. Wir gingen hinunter und fröhlich lief Madeline hinaus. Schmunzelnd sah ich ihr nach und hörte schon das laute Platsch als sie einfach ohne Angst ins Wasser sprang. Ich hörte meinen Vater lachen und wusste, dass ich nicht nachschauen brauchte. Ich sah meine Mutter auf der Couch sitzen und ließ mich neben ihr nieder. Sie fragte mich, ob ich einen Drink brauchte, doch ich lehnte ab. „Lass mal“, meinte ich ruhig. Ich konnte mir nicht jedes Mal, wenn ich über Brian nachdachte einen Drink nehmen. Dann hätte ich sicherlich schnell ein Problem in nächster Zeit. Als sie mich aufforderte zu sagen, was alles passiert war, folgte ich ihrer Bitte. Unser Verhältnis war gut genug, dass ich solche Probleme mit ihr und auch mit meinem Vater besprechen konnte. Doch dieser wurde gerade in Beschlag genommen. Ich berichtete, dass Brian meinte, nun das Kind retten zu müssen, da ich schwul war und Madeline allein nicht erziehen könne. Ich sei nur auf Karriere aus und würde deswegen kaum Zeit für Madeline haben. Wie alle anderen fand meine Mutter es albern. Sie regte sich wirklich sehr auf. Immer wieder sagte sie, wie dumm diese Aussage doch sei. Früher verstand sie sich unheimlich gut mit meinem Ex-Mann. Sie mochte ihn wirklich, auch wenn einige seiner Eigenschaften anstrengend waren. Doch jeder Mensch hatte auch anstrengende Seite. Mein Vater brauchte damals etwas länger um Brian zu mögen, doch nach all der Zeit hatten auch die Beiden einen Draht zueinander gefunden. Nur Marianne mochte meinen Ex-Mann nie und dies zeigte sie ihm damals schon. Immer noch hörte ich ihre Stimme, als ich ihr von der frühen Hochzeit mit ihm berichtete. Es sei überstürzt und man solle sich mehr Zeit dafür nehmen. Die Beiden kamen tatsächlich nur sehr schwer miteinander zurecht. „Er stand gestern Abend bei mir Zuhause auf der Matte“, sagte ich und blicke mich um, doch ich hörte Madeline lachen und Wasser spitzen und wusste, dass sie nicht gleich einfach reingerannt kam „Er hat sie gesehen und Madeline gleich gesagt, dass sie bei ihm wohnen werde. Ich bin dann vollkommen ausgeflippt. Habe herumgebrüllt und ihr auch etwas Angst gemacht. Man Mum, Madeline war gestern einfach komisch drauf. Sie wollte auch unbedingt in meinem Bett schlafen. Vermutlich hat er ihr einfach Angst gemacht.“ Erschrocken sah sie mich an und mitfühlend nahm sie mich in den Arm. Es tat gut, dass sie dies machte. Fest drückte ich meine Mutter an meine Seite und seufzte leise auf. „Er hat keine Chance sie zu kriegen“, sagte ich weiter und ließ es zu, dass sie mir über den Rücken strich: „Vermutlich weiß er das auch und will einfach Umgang mit ihr haben.“ Als meine Mutter mich fragte, ob ich dies verhindern könnte, zuckte ich unwissend mit den Schultern. „Das wird wohl ein Richter entscheiden. Ich hab am Dienstag einen Termin im Jugendamt. Die müssen wohl eine Stellungnahme schreiben. Dann werde ich wohl mehr drüber erfahren.“ Nachdenklich nickte meine Mum, doch als sie mir über die Wange streicheln wollte, hielt ich ihre Hand auf. Ja, es tat gut mit jemanden zu sprechen, der einen einfach nur zuhörte, doch ich wollte gerade nicht zu sehr bemuttert werden. „Mum“, meinte ich und freundlich lächelte ich sie an, „Es reicht, denke ich. Ich bin über 30. Ich schaffe das schon. Es ist nur einfach viel geworden.“ Ja, es war einfach viel und alles schien einfach gleichzeitig zu kommen. Doch ich selbst bestimmte, wann ich Hilfe brauchte und wann nicht und noch wollte ich keine. Ich wollte, dass mir jemand zuhörte und mir Rat gab und auch den Mut, nicht aufzugeben. Doch überfürsorglich sollte niemand werden, damit konnte ich sicher nichts anfangen. Langsam nickte meine Mutter und nach einem Augenblick sagte sie: „Überleg es dir, doch einmal wieder hier hin zu ziehen. Hier kannst du auch als Anwalt arbeiten und kannst neu anfangen. Ich könnte Madeline nehmen, wenn es schwer wird und du brauchst dich nicht immer so verbiegen.“ Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte einfach nicht aufgeben. Und ein Umzug nach Arizona wäre für mich genau das. Ich wollte nicht den Schwanz einziehen. „Mum, nein. Mein Leben spielt sich dort ab. Ich hab dort Freunde“, doch sie unterbrach mich. „Du hast doch nur Phil und diesen Typen mit dem du ab und zu etwas trinken gehst“, entgegnete sie strenger, als ich von ihr kannte. Überrascht sah ich sie an und sagte langsam. „Ich hab nicht nur die beiden.“ Skeptisch ließ sie meine Aussage stehen, doch ich wollte ihr noch nicht von Paul erzählen. Nach unserem Streit war es einfach zu frisch. Zwar wollten wir uns am Montag treffen und doch war der Ausgang dieses Gespräches für mich nicht abzusehen. „Trotzdem. Du kannst hier auch neu anfangen. Und Phil und Sarah könnten dich auch hier besuchen“, meinte meine Mutter und ließ einfach nicht locker. Ich war genervt, doch nicht sauer, dass sie immer wieder vorschlug, dass ich zu ihnen ziehen sollte. Wenn meine Tochter in diesem Dilemma steckte, würde ich dasselbe machen. Ich würde ihr auch immer wieder meine Hilfe anbieten und versuchen, ihr so gut es ging unter die Arme zu greifen. Dieses Wissen ließ mich nicht sauer werden, dass meine Mum das Thema immer wieder auf den Tisch brachte. „Mum, ich will es nicht. Ich bin am Überlegen meine Stunden zu reduzieren. So dass ich nur noch 30 Stunden in der Woche arbeite, aber das muss ich durchrechnen und dann mit meinem Chef sprechen“, meinte ich ehrlich. Ich hoffte, dass wenn alles klappte, ich dann mehr Zeit für meine kleine Familie hätte. Unzufrieden wirkte sie, als sie nickte und mich betrachtete. Doch dann lächelte sie leicht und meinte: „Ich bin wirklich stolz auf dich, Richard. Du machst das gut und du bist ein klasse Vater.“ Diese Worte trafen mich wie ein Faustschlag. Es war etwas, was ich einfach selten hörte. Natürlich sagte mir Madeline nie, dass sie stolz auf mich ist. Und wenn sie sagte, dass ich ein toller Dad sei, war es immer schön, doch von der eigenen Mutter war dies ein wahrlich schönes Kompliment. Betrachtete sie mich und meine Handlungsstränge doch einfach mit anderen Augen. Ich schluckte den Klos in meinem Hals hinunter und nickte leicht. Für diesen Augenblick war ich tatsächlich sprachlos. Es dauerte einen Augenblick bis mir die Worte wieder kommen wollten. Ich räusperte mich und sagte: „Danke…Mum. Wirklich. Ich…. Ich werde mal nach Dad und Maddy schauen. Vielleicht schwimme ich auch noch ein paar Bahnen. Habe ich auch schon länger nicht mehr gemacht.“ Ich erhob mich und leicht lächelte sie mich an. Sie kannte mich und meine Art einfach zu gut. „Vergiss bitte nicht, dass die Gäste so gegen sechs kommen. Aber deine Schwester kommt etwas eher mit ihrem neuen Freund. Hat Charles dir davon eigentlich erzählt?“ Ich nickte und grinste leicht, als ich sagte: „Die Neuigkeit konnte Dad natürlich nicht für sich behalten.“ Schnell ging ich nach oben und zog mir meine Badehose an. Ich blickte auf mein Handy, es waren keine neuen Nachrichten zu sehen. Doch vielleicht war es einfach besser, dass nicht geschrieben wurde. Viele konnten nicht chatten und verstanden einiges, was geschrieben wurde einfach falsch. Sicherlich gehörte ich ab und zu auch zu diesen Menschen. Und vielleicht hatte Paul auch einfach etwas zu tun. Ich ging wieder hinunter und ließ mein Handy bewusst in meinem Kinderzimmer. Meine Mutter war in der Küche und blickte nachdenklich nach draußen. Worüber sie sich Gedanken machte, konnte ich mir sehr gut vorstellen. Doch ich wollte jetzt nicht mehr darüber reden und so trat ich in die wärmende Sonne Arizonas. Ich legte mein Handtuch neben den Pool und sah meinen Vater mit Madeline in der Mitte. Tatsächlich versuchte sie gerade Schwimmbewegungen. Doch es sah eher nach Hundekraulen aus. Ich grinste und sprang ins das Becken. Leise lachend meinte Madeline, als ich wieder oben war: „Das hat total viel gespritzt. Du hast alles nass gemacht.“ Ich schwamm zu ihnen und grinste leicht. „Siehst du mal, was dein Dad so alles kann“, meinte ich lachend und als meine Kleine ihre Arme ausbreitete, nahm ich sie in den Arm. Ich schwamm einige Runden und Madeline fand es lustig, sich dabei an meinem Rücken festzuhalten. Sie hatte Spaß und schien wieder das ausgelassene und fröhliche Kind zu sein, welches sie auch sonst immer war. Ich griff unter ihre Arme und als sie rief, dass ich sie fallen lassen sollte, schmiss ich sie etwas weg von mir. Sie lachte und wollte, dass ich es wiederhole und ich tat ihr den Gefallen. Sie wollte, dass auch ich ihr zeigte, wie man richtig schwamm. Ich hielt sie unter den Armen fest und wies sie an, ihre Beine richtig zu bewegen. Sie schaffte es nach einer Weile, doch dann wollte sie mir lieber zeigen, wie toll sie in das Becken springen konnte. Ich ließ sie machen und stolz sah sie mich an, als ich ihr sagte, dass auch sie mich nass gemacht hatte. Auch mein Vater hatte Spaß und nach gut einer Stunde meinte ich, dass wir uns endlich fertig machen mussten. Ich ging duschen und meine Mutter übernahm Madeline. Ich zog mir ordentliche Klamotten an und föhnte mir die Haare trocken, als mein Handy vibrierte. Ich legte den Fön beiseite und ein breites Lächeln erschien auf meinen Lippen. Es war Paul gewesen und er schrieb: „Versuch den Tag heute zu genießen. Ich hoffe, du kannst bei dem guten Wetter was unternehmen. Ich wünsche dir viel Spaß.“ Ich grinste leicht und wieder erfüllte mich diese Leichtigkeit die immer da war, wenn er etwas machte. Es musste einfach am Montag ein gutes Gespräch werden! „Klar, war schon schwimmen. Ich hoffe, dir ist auch nicht langweilig. Genieß du auch den freien Tag“, schrieb ich ihm zurück und steckte mein Handy wieder in die Tasche. Als meine Schwester kam freute sie sich, dass ich ihr tatsächlich die Zigaretten mitgebracht hatte. Sie hatte wie ich schwarze Haare, nur hatte sie die Augen meines Vaters, blau. Auch sie war wie ich etwas größer und sehr schlank. Ihre Haare hatte sie so geflochten, wie Madeline es immer haben wollte. Ich nahm mir vor, sie einfach zu fragen, ob sie mir zeigen könne wie das geht. Sie trug ein enges rotes Cocktailkleid und ihre Lippen waren passend dazu geschminkt. Ich begrüßte ihren neuen Freund und stellte fest, dass er sich seit der High School gemacht hatte. Zwar hatte er immer noch einige Sommersprossen, doch er war trainiert und hatte breite Oberarme bekommen. Wir sprachen über die Arbeit und er erzählte mir, was einige aus unserem alten Abschlussjahrgang trieben. Ich sprach von dem, was ich erlebt hatte und ließ die traurigen Einzelheiten einfach aus. Auch, dass Phil nun Frau und bald auch ein Kind hatte, konnte ich ohne schlechtes Gewissen einfach sagen. Es waren viele Gäste und nicht alle kannte ich. Stolz überreichte meine Tochter ihrer Großmutter unser Geschenk und ihre selbst gebastelte Karte. Ich hatte meiner Mutter Karten für einen Komödianten geschenkt, den sie gerne mochte. Sie strahlte, drückte mich und gab Madeline einen Kuss. Auch mein Vater freute sich und betrachtete die Karte in den Händen meiner Mutter. „Ich trag den Termin gleich im Kalender ein“, meinte er breit grinsend. Es war viel los. Viele Kollegen und Freunde meiner Mutter waren da und das Essen des Caterers war vollkommen in Ordnung. Ich ließ Madeline an diesem Tag essen was sie wollte, auch sie durfte mal über die Stränge schlagen. Sie tobte sich am Nachtisch aus und als sie mich angrinste musste ich lachen. „Dein Mund ist voller Schokolade“, meinte ich und wischte ihr den Mund mit meiner Servierte sauber. Sie grinste nur und ließ mich machen. „Der Schokoladenkuchen ist lecker“, meinte sie grinsend und ich meinte, dass man dies sehe. Es wurde spät und abends um halb zehn brachte meine Mutter sie ins Bett. Als es endlich ruhiger wurde, saß ich draußen alleine mit meiner Schwester auf der Terrasse. Sie rauchte eine Zigarette und ohne Aufforderung erzählte ich ihr von Brian. Das er wieder da war und wie sehr es mich nervte. Sie hörte zu und pustete den Rauch ihrer Zigarette weg von mir. „Weißt du, dieser Typ ist einfach scheiße und das war er schon immer“, kommentierte sie meinen Monolog und drückte die Zigarette auf den Boden aus und hielt den Stummel weiterhin in der Hand. Ich seufzte genervt und verdrehte die Augen. Ja, ich wusste, dass Marianne ihn nicht mochte. „Jetzt verdreh bloß nicht die Augen. Ich fand ihn von Anfang an falsch. Er wollte es immer einfach haben. Weißt du noch, als ihr euch wegen der Hochzeit regelmäßig in den Haaren hattet. Du wolltest klein feiern. Er wollte groß. Er hat sich durchgesetzt. Er ist wie ein Kind, was immer alles bekommen will und wenn er es nicht bekommen hat, dann hat er geschmollt. Ihm hat es doch nicht gepasst, dass Madeline biologisch dein Kind ist. Da hat er nicht bekommen was er wollte und hat ohne sein Kind einfach die Flucht ergriffen. Ich finde er ist einfach sehr egoistisch. Ich kenne dich Ricky. Du lässt dich zu leicht überreden. Deswegen konnte ich den Typen auch nicht ab. Man muss doch Kompromisse eingehen. Aber ich misch mich nicht in deine Beziehung ein Brüderchen. Ich hoffe nur, du zeigst diesem Idioten, dass er nicht gewinnt“, beendete sie ihrem Moralpredigt und ich konnte sie nur anstarren. Perplex blinzelte ich verwirrt und wusste einen Augenblick nichts zu sagen. „Ähm“, war mein wenig intelligenter Kommentar und Marianne lachte leise. „Richard, wenn du mich brauchst bin ich da, okay? Aber ich bin ehrlich zu dir“, meinte sie und grinste mich schräg an. Ich nickte nur und schmunzelte etwas. Dass meine kleine Schwester es schaffte, mir den Kopf zu waschen hätte ich nicht erwartet. Denn nun wo ich nicht mehr verliebt war und keine rosarote Brille mehr trug, sah ich, dass Marianne einfach Recht hatte. Ja, Brian konnte sehr egoistisch sein und sehr häufig hatte er sich einfach durchgesetzt. Nachdenklich nickte ich und strich mir gedankenverloren durch die Haare. „Ich werde mal schauen, was sich noch so alles ergibt. Ich hab einen Kollegen gebeten, mir zu helfen und ich treffe mich am Montag mit einem neuen Typen“, meinte ich ruhig und sah in die Augen meiner Schwester. Interessiert betrachtete mich Marianne und fragte gleich, wer der Typ war. Ich kramte mein Handy aus der Tasche und zeigte ihr das Profilbild von Paul. „Der linke“, meinte ich grinsend und erklärte: „Haben uns in einem Café kennengelernt. Und treffen uns regelmäßig. Ich habe ihm von Madeline erzählt und nun ja, mal schauen. Er will sich jedenfalls noch mal mit mir treffen.“ Ich verschwieg den Streit und die Tatsache, dass ich ihm viel zu spät von meiner Tochter erzählt hatte. Marianne konnte und durfte alles essen, doch sie brauchte nicht alles zu wissen. „Cool“, meinte sie schmunzelnd und lächelte mich fröhlich an, „Weiß Mum schon davon?“ Ich schüttelte den Kopf und schnell erklärte ich: „Es ist ja nichts festes, da brauch ich ihr nicht davon zu erzählen. Es reicht schon, wenn sie das mit Brian weiß. Sie will auch wieder einmal, dass ich hier wieder hinziehe.“ Amüsiert lachte meine Schwester auf und schüttelte leicht den Kopf. „Oh man. Mum kann es einfach nicht lassen“, meinte sie schmunzelnd und zustimmend nickte ich. Freundlich sahen wir einander in die Augen und mein Blick glitt zu ihren Haaren. „Sag mal, Madeline möchte gerne die Haare so haben, wie du sie trägst. Glaubst du, dass du mir zeigen könntest, wie das geht? Du weißt doch, dass ich mit diesem Frauenkram eigentlich nichts am Hut habe“, meinte ich schmunzelnd und überrascht sah Marianne mich an. Leise lachte sie und nickte. „Klar. Aber nicht heute. Ich habe zu viel getrunken. Du bist ja noch bis Sonntag da.“ Ich nickte nur und wusste nicht, ob ich mich auf die Frisierstunde mit meiner Schwester freuen sollte. Freundlich klopfte sie mir auf den Oberschenkel und meinte: „Ich geh mal wieder rein. Also Ricky, wenn du Hilfe brauchst ruf mich an oder wenn du jemanden brauchst der deinem tollen Ex die Meinung geigt.“ Leise lachend nickte ich und sah meiner Schwester nach. Ja, in diesen Momenten konnten wir zusammenhalten, auch wenn wir sonst jeder eher für sich lebten. Der Rest des Wochenendes verlief ereignislos. Am Samstag fuhr ich durch die vertrauten Straßen mit meinem alten Fahrrad und konnte Madeline ganz entspannt und ohne schlechtes Gewissen bei meinen Eltern lassen. Es war sehr warm und ich schwitzte viel, doch es tat einfach gut. Der Sport klärte meine Gedanken und ich spürte, wie sehr ich es vermisst hatte. Wieder war es zu lange her, seit meiner letzten richtigen Radtour. Der Horror kam am nächsten Tag in Gestalt meiner Schwester. Oben in meinem alten Kinderzimmer versuchte sie mir zu erklären, wie man die Haare flocht, so dass sie aussahen wie Madeline es sich wünschte. Es war grauenvoll und machte noch weniger Spaß als kochen. Ich fluchte genervt und auch Mary verdrehte die Augen. „So schwer ist das nicht. Man ej“, beschwerte sie sich und verdrehte ihre blauen Augen. Ich meckerte, dass ich mich doch anstrengte, doch es klappte eigentlich so gut wie gar nicht. Es dauerte eine gute Dreiviertelstunde, bis ich den Zopf einigermaßen hinbekam. „Weißt du was. Ich schicke dir so einen blöden Barbiekopf zu. Da kannst du das dann üben“, meinte sie grinsend und als sie ihr Handy zuckte, raunte ich, dass sie bloß nicht auf die Idee kommen sollte. Doch frech streckte sie mir die Zunge raus und ging ohne einen weiteren Kommentar aus dem Zimmer. Perplex sah ich ihr nach und erst nach einigen Augenblicken folgte ich ihr meckernd: „Wenn das wirklich kommt, glaube bloß nicht, dass du das Geld wieder bekommst!“ Als sie grinsend meinte, dass ich ja auch bald Geburtstag hätte, starrte ich sie nur an. Abends gingen wir mit meiner Familie Essen. Essen gehen mit einem kleinen Kind war immer irgendwie ein Abenteuer. Man konnte nie ahnen, wie sie sich benahmen und ob alles auf dem Teller blieb. Doch außer einem Ketchupfleck überstanden Madelines Kleider den Abend nahezu unbeschadet. Ich las ihr am Abend etwas vor und als ich aufhörte zu lesen, lehnte sie sich auf ihren Ellbogen und fragte auf einmal: „Dad, wenn wir wieder zuhause sind. Kommt dann dieser Mann wieder?“ Ich brauchte nicht zu fragen, wen sie meinte. Sie hatte Brian nicht vergessen. Vermutlich hatte sich dieser Abend in ihr Gedächtnis eingebrannt. Ich setzte mich neben das Bett, sodass ich mit Madeline auf Augenhöhe war und lehnte mich an das Bettgestell. Ehrlich sagte ich zu meiner Kleinen: „Ich weiß es nicht. Aber ich verspreche dir, dass du nicht zu ihm musst, wenn du es nicht willst.“ Sie nickte leicht und drückte ihr Stofftier an sich. Wieder wirkte sie komisch und als ich sie fragte was los sei, antwortete sie leise: „Ich hatte Angst.“ Es war schrecklich so etwas zu hören. Zu hören, dass mein Kind Angst im eigenen Haus hatte. Dort, wo sie sich immer geschützt und geliebt fühlen sollte. „Vor Brian?“, fragte ich vorsichtig und sie nickte leicht und meinte ehrlich: „Aber auch vor dir. Du warst so laut.“ Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Nicht, weil ich wütend wurde, sondern weil die Worte aus dem Mund meines Kindes wehtaten. Ich wollte nicht, dass sie Angst vor mir hatte. „Madeline“, begann ich leise und sehr ehrlich. „Es tut mir leid, dass ich so laut geworden bin. Ich wollte dir keine Angst machen. Aber wenn man wütend ist, hat man sich leider nicht unter Kontrolle. Ich würde nie so böse mit dir sprechen. Dafür habe ich dich viel zu Lieb.“ Sie nickte leicht und als sie ihre Hand nach mir ausstreckte, strich sie mir über meinen Bart. Ich hielt ihre Hand fest und küsste sie liebevoll. Ich streichelte ihre kleinen Finger und rutschte vor dem Bett näher an sie heran. „Du hast keine Angst vor mir, oder?“, fragte ich leise und sie schüttelte nur den Kopf und es erleichterte mich das zu sehen. „Wieso ist Brian gegangen, wenn er doch auch mein Papa ist?“, wollte sie wissen. Schon öfter hatte sie das gefragt und doch schien sein Auftauchen viele Fragen wieder aufgeworfen zu haben. Sie kuschelte sich in die Decke und ihre grünen Augen blickten weiterhin in die Meinen. „Er ist gegangen, weil wir uns viel gestritten haben. Er wollte… Ich habe… Madeline wir haben uns einfach irgendwann nicht mehr lieb gehabt. Deswegen meinte er, es sei besser zu gehen“, antwortete ich und hoffte wieder, dass ich die richtigen Worte wählte. Unsicher nickte Madeline. Sie sah an die Decke und zog nachdenklich ihre Brauen zusammen. „Was ist?“, forderte ich sie leise auf zu sprechen. Ich wollte nicht, dass diese Sachen ihr den Schlaf raubten. „Die Eltern von Jane wohnen auch nicht zusammen. Aber Jane sieht ihren Papa. Wieso, kann ich das nicht auch?“, fragte sie und ich schluckte. Ich wusste darauf nichts zu sagen, was in irgendeiner Art und Weise angemessen für ein fast vier Jahre altes Kind sei. Ich räusperte mich und erwiderte: „Das muss Brian dir selbst sagen. Das weiß ich auch nicht. Aber ich weiß, dass wir beide immer ein Team waren und das auch immer so bleiben wird. Egal, wer oder was kommt.“ Sie hätte es nicht begriffen, wenn ich ihr erklärt hätte, dass es daran lag, dass ich ihr biologischer Vater bin und wenn sie älter war, könnte ich mir immer noch überlegen es ihr dann schonend zu erklären. „Du weißt doch sonst immer alles“, meinte sie und ich lachte leise. Dies würde nicht stimmen, erwiderte ich und fragte sie, ob sie nun schlafen könne. Unschlüssig zuckte sie mit den Schultern. „Hat dir Brian weh getan?“, wollte Madeline leise wissen und noch bevor ich darüber nachdenken konnte, hatte ich bereits genickt. „Dann will ich nicht, dass er noch mal kommt“, sagte sie und ich schmunzelte leicht, als sie das sagte. „Mach dir darüber keine Gedanken. Vielleicht solltest du einfach schlafen? Hm? Ich mach jetzt das Licht aus und wenn du wieder wach bist, können wir sicher etwas im Pool spielen und dann sind wir auch bald schon wieder zuhause“, meinte ich leicht lächelnd. Ich verließ das Zimmer, lehnte mich an die geschlossene Tür und seufzte schwer. Ich wünschte, ich hätte Madeline ihre Sorgen nehmen können. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Huhu, erstmal vielen Dank, für die neuen Favos. Hab erst am Wochenende erfahren, dass ich von Mexx empfolen wurde! Herzlichen Dank, an die Freischalter. Und auch ein großes Dankeschön, an die ganzen Leute die mir einen Kommentar hinterlassen haben. Ich war vollkommen freudig überrascht und es hat mich sehr motiviert, weiter zu schreiben. Wünsche Euch einen schönen Sonntag! Kapitel 14: Ein beginnendes Gespräch ------------------------------------ Es war ein schönes Wochenende mit meiner Familie gewesen. Zwar suchte mein Vater auch noch das Gespräch mit mir, doch es verlief genauso, wie die Gespräche mit meiner Mutter und Schwester. Auch Dad fragte mich, ob ich nicht wieder zurückziehen wollte. Ich seufzte schwer und schüttelte nur den Kopf darüber. Ich erklärte ihm, wie wichtig es mir war, es alleine zu schaffen. Doch anders als meine Mutter kam er damit mehr zurecht, wenn ich sagte, dass ich es alleine hinbekommen wollte. Auch er war so. Hilfe annehmen war auch für ihn nur in gewissem Maße annehmbar. Er verstand mich dahingehend einfach besser. Am Montag standen meine Eltern sehr früh mit mir auf. Sie hatten wie ich Urlaub und wollten den Tag gemeinsam mit mir und ihrer Enkelin ausklingen lassen. Wir saßen zu viert, mit Madeline am Tisch und es wurden noch einige Fotos geschossen. Wie eigentlich immer wieder während des Wochenendes. Marianne schrieb ich eine Nachricht und bedankte mich, dass sie mir versucht hatte beizubringen, wie man diesen blöden Zopf hinbekam. Ich hoffte, dass sie mir nicht wirklich einen Puppenkopf gekauft hatte. Doch irgendwie ahnte ich schon, dass sie damit keinen Scherz gemacht hatte. Meine Mutter hatte frische Bagles geholt und ich freute mich ungemein darüber. Ich kaute auf dem Gebäck herum und erinnerte Madeline daran, dass sie essen sollte. Zu gerne, lenkte sie sich mit anderen Sachen ab. „Ihr kommt doch zu meinen Geburtstag?“, fragte Madeline und blickte meine Eltern mit ihren großen Kinderaugen an. Sie klaute sich die Wurst von ihrem Bagel. Gerne nahm sie die Scheibe Wurst vom Brot und tat sich danach einfach eine neue Scheibe drauf. Sofort nickte meine Mutter und strahlte ihre Enkelin an. Ja, meine Mutter war einfach gerne Oma. „Natürlich meine Süße“, meinte sie gleich und versprach ihr, Kekse zu backen, wenn sie da ist. Ich könnte mir vorstellen, dass Madeline ziemlich rund wäre, wenn meine Mutter in der Nähe leben würde. Kuchen und Kekse, alles Sachen, welche sie nur zu gerne zubereitete. „Die mit Schokostückchen? Das sind die Besten“, wollte Madeline wissen und sofort nickte meine Mutter. „Ich gehe mal raus und packe etwas, ihr passt auf?“, fragte ich nach dem Frühstück und sofort nickte meine Mum. Ja, dieser Service war unheimlich angenehm. Ich packte unsere Sachen ein und bedankte mich bei meiner Mutter, dass sie gestern Abend meine und Madelines Wäsche gewaschen und in den Trockner geschmissen hatte. Ich strich die Shirts glatt und musste zuhause nur noch bügeln. Nicht, dass das Spaß machte, doch man konnte nebenbei Fernsehschauen oder ein Hörbuch hören. Was ich am meisten hasste, war einfach das Kochen. Ich hörte meine Tochter unten mit meinen Eltern rumblödeln und als mein Vater mir hinaufrief, dass wir bald los mussten, beeilte ich mich, fertig zu werden. Doch immer wieder schielte ich auf mein Handy. Ich wünschte mir eigentlich, dass ich eine Nachricht von Paul bekommen würde. Doch es kam keine und ich war zu sehr in Eile, als das ich selbst hätte schreiben können. Wir verließen das Haus und meine Eltern brachten uns zum Flughafen. Ich saß hinten neben meiner Tochter und grinsend fragte sie mich: „Glaubst du, wir sehen den Piraten wieder?“ Verwirrt zogen sich meine Augenbrauen zusammen und fragte sie, was sie damit meinte. „Na ja“, erklärte sie und drehte sich auf ihrem Kindersitz zu mir. „Der Mann mit der Augenklappe. Der, der den anderen Mann geküsst hat. Glaubst du, dass der wieder da ist?“ Es dauerte einen Moment bis ich begriff, was sie von mir wollte. „Ach“, meinte ich schmunzelnd, „Du meinst die Männer vom Flughafen. Nein, ich glaube nicht. Und das war kein Pirat Mäuschen, der Mann hatte sicher ein entzündetes Auge. Deswegen die Augenklappe“, erklärte ich ruhig, doch Madeline war überzeugt davon, dass dieser fremde Mann ein Pirat sei. Dann sollte sie es eben glauben. Ihre kindliche Fantasie lies sich kaum bremsen. Es dauerte nicht lange, bis wir am Flughafen waren. Es war zwar viel los auf den Straßen, doch gerieten wir in keinen Stau. So erreichten wir schnell und überpünktlich den Flughafen. Viele Autos standen vor dem Eingang und einige Menschen stiegen aus und winkten ihren Angehörigen zu. Sofort, als wir standen, schnallte ich Madeline ab und mein Vater hatte unseren Koffer und den Kinderwagen aus dem Kofferraum geholt. Ich betrachtete das sperrige Ding und meinte: „Kann ich das hier lassen? Madeline ist eigentlich groß genug und kann selbst laufen und eigentlich, brauche ich das nur, wenn wir hier sind.“ Skeptisch blickte meine Mutter zu dem Kinderwagen und fragte meinen Vater, ob sie dafür überhaupt Platz hätten. Lachend packte mein Vater das sperrige Teil wieder in den Kofferraum und meinte: „Ach, irgendwo passt der schon hin.“ Wir verabschiedeten uns und ich drückte meine Mutter liebevoll. „Hat Spaß gemacht, Mum“, meinte ich ehrlich und grinste sie an. Sie nickte und meinte freundlich: „Mir auch. Ich hätte euch gerne viel öfter hier. Und lass dich nicht verrückt machen Junge, okay?“ Ich nickte nur und verstand, dass sie Brian meinte. Sie gab mir einen netten und vermutlich lieb gemeinten Kuss auf die Wange und ich ließ sie einfach machen. Ich würde mich schon nicht unterkriegen lassen, meinte ich ruhig und gemeinsam mit Madeline gab ich den Koffer auf. Sie winkte ihren Großeltern glücklich zu und blickte mich munter an. Ja, ihr tat der Kurzurlaub auch gut. Die Entfernung und Distanz beruhigte meine Neven. Sie ließ mich die Dinge nicht mehr so eng sehen und das seltsame Gefühl, was das Treffen im Jugendamt anging, war nicht mehr vorhanden. Ich hatte nichts getan, was schlimm war. Ich hatte meiner Tochter ein gutes und geborgenes Heim gegeben und sie immer liebevoll versorgt. Ich brauchte mich weder zu rechtfertig, noch brauchte ich Sorgen zu haben. Doch etwas anderes ließ meine Nerven flattern. Paul. Ich war gespannt und neugierig auf das Treffen mit diesem Mann. Ich hoffte, dass er wirklich kommen würde und es nicht einfach nur so gesagt wurde. Doch wieso sollte er schreiben, dass er sich mit mir treffen möchte, um dann doch nicht zu erscheinen? Das ergab keinen Sinn. So hatte ich ihn nicht kennen gelernt. Ich beobachtete, wie Madeline auf einem Klettergerüst herumtollte und fragte mich, ob er sich darauf einlassen konnte. Jetzt wusste er ja schließlich, dass es mich nur mit Anhang gab. Pünktlich startete der Flieger und wir spielten wieder Memory. Dieses Mal war der Platz neben mir besetzt, aber der Geschäftsmann störte sich nicht an meiner Tochter. Im Gegenteil, als sie ihn aufforderte mitzuspielen, stimmte er tatsächlich zu. Er hatte Spaß daran und nach zweieinhalb Stunden waren wir endlich wieder in Portland gelandet. Aufgedreht rannte Madeline vorweg und ich schielte auf mein Handy. Doch weder Paul, noch Phil hatten geschrieben. Während wir auf die Koffer warteten, schrieb ich Paul, dass der Flieger pünktlich gelandet sei und ich mich auf ihn freute. Ich hielt meine Tochter an den Händen fest und sie ließ sich an mir hängen. Ich schaukelte sie leicht hin und her war froh, als ich endlich sah, dass das Gepäckband sich in Bewegung setzte. Nachdem wir endlich mit all unserem Gepäck im Auto saßen, meinte ich zu Madeline: „Heute Nachmittag kommt ein Bekannter von mir. Ich hoffe, dass ist für dich okay?“ Ich blickte kurz in den Rückspiegel und sah, wie meine Tochter ihren Stoffhund streichelte. Ich sah, wie sie nach vorne zu mir schaute, doch meine Augen richteten sich wieder auf den Verkehr vor mir. „Hat der einen Hund den er mitbringt? Oder Kinder?“, fragte sie neugierig und ich schüttelte nur den Kopf. „Nein, er hat weder einen Hund noch Kinder“, antwortete ich und hörte sie tief seufzten. „Dann ist das wieder so ein langweiliges Erwachsenentreffen?“, wollte sie wissen und ich lachte leise. „Bringt der dann Kuchen mit?“, wollte Madeline neugierig wissen und ich schüttelte den Kopf. „Du hast eindeutig genug genascht am Wochenende“, meinte ich streng und sah weiterhin auf die Straße. Verteidigend hörte ich von hinten: „Ich war aber auch ganz viel schwimmen und ohne Essen wachse ich schließlich nicht.“ Ich schmunzelte leicht und sagte trotzdem mit strenger Stimme: „Vergiss es. Du hast genug gegessen. Heute gibt es keine Süßigkeiten mehr. Es reicht ein Apfel.“ Meine Kleine, dachte ich nur und fuhr uns entspannt durch die Straßen Portlands. Ich ignorierte ihr Gemecker. Ich ließ mich auf keine Diskussionen mit ihr ein. Unser Haus sah noch genauso aus, wie ich es verlassen hatte. Ich holte Madeline und das Gepäck aus dem Wagen und endlich waren wir Zuhause! Ich schmiss die bereits gewaschenen Klamotten in den Korb für die Bügelwäsche und schrieb Paul, dass ich endlich zuhause war. Meine Tochter war nach oben gelaufen um Bolt ins Bett zu legen. Ich war nervös, als es an der Tür klopfte und unschlüssig, öffnete ich meine Haustür. Paul sah gut aus, wie er da stand, in seiner dunklen Hose und dem Parker. An seinen dunklen Haaren waren Regentropfen und wie ich, lächelte er mich unsicher an. „Hey“, meinte er ruhig und fragte mich, ob ich ihn hineinließ. Ich trat beiseite und meinte: „Hi, komm rein.“ Ich war unruhig und hatte ein seltsames, komisches Gefühl in mir. Ich war aufgeregt und neugierig und gleichzeitig hatte ich Sorge, was nun alles besprochen wurde. Eine komische Amivalenz. Wir standen in meinem Flur und es schien, als wussten wir im ersten Augenblick nicht, was wir sagen sollten zu seht schien jedem das letzte Treffen noch präsent zu sein. Doch es war noch etwas anderes, was die Zeit zum Stillstand brachte. Für einen kurzen Augenblick wirkte es, als sei die Zeit zwischen uns stehen geblieben. Als seien wir wieder in unserer Blase in der es nur uns gab. Die Augen des Mannes glitten an meinem Gesicht entlang und ich sah, wie seine Lippen sich zu einem leichten Lächeln verzogen. Ich erinnerte mich an seinen Geschmack und seinen Geruch und genau in dem Augenblick in dem ich einen Schritt auf ihn zu machen wollte hörte ich ein Geräusch. Ein lautes Poltern ließ die Blase um uns zerplatzen und brachte mich und Paul zurück in die Realität. Ich hörte meine Tochter oben spielen und Pauls Blick glitt die Treppe hinauf. Vermutlich spielte sie mit irgendwelchen Figuren. Die Augen Pauls waren immer noch auf die Treppe gerichtet. Ich wünschte, ich könnte seine Gedanken lesen. Langsam zog er sich seine Jacke aus und fragte nach einem Augenblick der Stille: „Ähm… Wie war es, bei deiner Familie?“ Unschlüssig sah ich ihn an und meinte nach einem Moment: „Na ja, war gut. Eigentlich. Viel geredet, große Feier… Willst du vielleicht einen Kaffee?“ Während Paul seine Jacke an die Garderobe hing, nickte er und folgte mir in die Küche. Immer noch war es ein komisches und irgendwie ungutes Gefühl im Magen. Ich wusste nicht, warum es so war. Obwohl, eigentlich wusste ich es durchaus. Ich hatte Bedenken, was er sagen konnte und als ich ihm seinen Kaffee reichte, setzten wir uns an den Küchentisch. Ob er meinte, dass wir Freunde bleiben sollten? Waren ihm Kinder doch zu viel? Er betrachtete meine moderne Küche und erst nach einem Moment sah er mir wieder ins Gesicht. Die Sekunden schienen sich gerade anzufühlen wie Stunden. Vermutlich hatte er sich beim letzten Mal als er in meinem Haus war, nicht wirklich umgesehen. Meine Einrichtung war anders, als die Seine. Doch ich konnte an seinem Gesicht nicht entschlüsseln, ob es ihm gefiel oder nicht. Vielleicht war es einfach sinnvoll mit etwas gänzlich anderem das Gespräch zu beginnen. Ich erinnerte mich, dass er heute wieder begonnen hatte zu arbeiten. „Wie war dein erster Arbeitstag?“, wollte ich nach einem Augenblick wissen und Paul antwortete: „Ruhig.“ Wieder schwiegen wir und ich ließ meinen Daumen über die Kaffeetasse gleiten. Seine Einsilbigkeit machte es für mich gerade nicht wirklich einfacher und langsam bemerkte ich, dass ich mich ärgerte, dass er es mir so schwer machte. Schließlich hatte er sich freiwillig bei mir gemeldet. Beide seufzten wir gleichzeitig auf und wollten beginnen etwas zu sagen. Ich schmunzelte darüber und auch Paul schien dies zu amüsieren. Er forderte mich auf zu sprechen. Ich stieß kurz die Luft aus und sagte: „Also, ich weiß nicht genau, wie ich anfangen soll. Also, es tut mir Leid, dass ich dir nicht sofort von Madeline erzählt habe. Ich hätte es dir sagen müssen, aber ich finde zwei Wochen eigentlich immer noch nicht lange…“ Ich trank einen Schluck Kaffee und Paul erwiderte augenblicklich, dass wir uns in diesen zwei Wochen jedoch regelmäßig getroffen hatten. Ich hob meine Hand und fiel ihm ins Wort: „Lass uns das nicht wieder vertiefen. Es ist so, wie es jetzt ist. Es lässt sich nicht mehr ändern. Paul… Paul, ich habe ernst gemeint, was ich gesagt habe. Ich bin verknallt in dich und würde es einfach gerne versuchen. Mich gibt es aber einfach nur im Doppelpack. Damit kam bis jetzt niemand klar.“ Leicht nickte Paul und nach einem Augenblick meinte er: „Ich war auch nicht immer ehrlich…. Aber bleiben wir erstmal bei dir… Ich habe nichts gegen Kinder, wirklich nicht.“ Nachdenklich nickte ich, denn ich wartete auf sein aber. Doch er schwieg und fragend runzelte ich die Stirn. „Es klingt…“, meinte ich nach einem Moment, „… als ob da noch ein aber kommen sollte.“ Unschlüssig schien sich Paul die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Unsere Blicke trafen sich kurz und ich bemerkte, wie seine Augen an meinem Gesicht entlangglitten und endlich begann er ruhig zu sprechen: „Ich weiß nicht, wie ich mich so…verhalten soll. Klar, du suchst keinen zweiten oder dritten Vater, aber ich werde mich ja schlecht immer heraushalten können, wenn du verstehst...“ Ich glaubte, zu wissen was er meinte. Er könne nicht immer zu Madeline sagen, dass sie zu mir gehen solle. Auch er musste sich bei ihr durchsetzen. Sonst würde sie ihm nur auf der Nase herumtanzen. Natürlich musste er lernen, mit ihr auszukommen. So, wie sie dies auch lernen musste. Doch etwas anderes ließ mich nachdenklich zu ihm schauen. „Was meinst du, wenn du sagst, dass du auch nicht ehrlich warst?“ Meine grünen Augen starrten regelrecht in seine braunen. Doch auf einmal wich er meinem Blick aus. So etwas kannte ich von diesem Menschen gar nicht. Die Unsicherheit war so offensichtlich und passte eigentlich nicht zu diesem Menschen. Stirnrunzelnd betrachtete ich den Mann vor mir und fragte: „Was hast du auf einmal?“ Er strich über seinen drei Tage Bart und atmete tief durch. Nervös strich er mit den Händen über die graue Tasse in seiner Hand und wippte mit dem rechten Bein hin und her. Sein Blick glitt in meine Richtung, doch erst nach einem Augenblick schaffte er es, mir in die Augen zu schauen. „Ich war einfach auch nicht…. So ehrlich, oder offen… Such es dir aus, wie du es nennen willst. Und… vielleicht habe ich einfach auch Sorge, wie du das aufnehmen könntest. Ich hab mir da am Wochenende halt Gedanken drüber gemacht und dann gemerkt, na ja…. Das ich vielleicht einfach vorschnell gehandelt habe. Vielleicht hätte ich dir auch eher etwas sagen sollen. Du hattest mich nur einfach so überrumpelt und dann hatte ich auch noch einen scheiß Tag…“ Ich nickte leicht und ließ ihn einfach weiter sprechen, denn ich hatte keinen blassen Schimmer, wovon er redete. Ich richtete mich auf, wie ich es immer tat, wenn meine Klienten mir etwas erzählten. Wenn ich merkte, dass es wichtig war. „Na ja“, begann er ruhig weiter zu sprechen, doch ich glaubte eine Unruhe in ihm wahrzunehmen, „Ich weiß nicht… Ach schau es dir einfach an.“ Ich war überrascht, als er vom Stuhl aufstand. Leicht zitterten seine Hände, als er begann sein linkes Hosenbein hochzuschieben. Meine grünen Augen glitten hinab und perplex starrte ich auf eine Metallstange. Dort wo sein Fußgelenk hätte sein soll glänze mir silbernes Metall entgegen. Es war nicht lang, gerade einmal 10 Zentimeter, wie ich schätze, bevor ein blauschwarzer Schaft begann. Es dauerte bis es langsam zu mir hochsickerte, dass es eine Prothese war. Immer noch ratterte mein Kopf. Machte Paul nicht Sport? Hatte er mich angelogen? Nur langsam verstand ich, was er mir gerade damit zeigte. Er war behindert. Wenn man es so nennen wollte, ein Krüppel. Ich war dankbar, dass er meine Gedanken nicht lesen konnte, denn schon im nächsten Augenblick schellte ich mich selbst. Behindert klang ziemlich abwertend und Krüppel erst recht. Doch meine Gedanken waren einfach schneller als meine Erziehung. Doch so hätte ich ihn nie genannt. Er konnte schließlich normal leben. „Der Motorradunfall?“, fragte ich ruhig und schaffte es erst, nach einigen Augenblicken meinen Blick von dem Bein zu nehmen. Stumm nickte der Mann und biss sich auf die Unterlippe. Er atmete schwer durch und fragte, was ich davon halte. Immer noch wirkte er unsicher und ich sah, wie er sich nervös die Hände knetete. Langsam setzte er sich wieder, sein Hosenbein fiel über die Prothese und ließ sie unsichtbar werden. So wie er mich anblickte, erinnerte er mich an mich selbst. Unsicher und unschlüssig wirkte sein Blick. Und ich sah etwas, was ich von mir kannte. Es war Angst. Ich konnte nur mutmaßen, doch sie wie er es sagte, konnte es sein, dass er Angst hatte auf Ablehnung zu stoßen. Es fiel ihm nicht leicht mir dies zu offenbaren, das konnte man ihm deutlich ansehen. „Kannst du mit einem Krüppel leben?“, fragte er ruhig und ich wunderte mich, dass er sich selbst so nannte. War es Eigenschutz? Denn locker, schien er das Thema nicht zu nehmen, dafür sah er mich zu gequält an. „Du bist kein Krüppel!“, meinte ich ruhig und betrachtete den durchtrainierten Mann vor mir. Er blickte weg, sah hinab auf den Boden und mied meinen Blick. „Paul, schau mich an“, sagte ich ruhig und wartete darauf, dass er wieder in meine Augen sah. „Du bist kein Krüppel. Du hattest einen Unfall und dir fehlt ein Bein. Das… Andere Behinderte schaffen danach noch total viel. Ich kann ins Internet gehen und danach suchen und ich würde zig Einträge dazu finden. Es sind doch schon Menschen ohne Arme und Beine Berge hinaufgestiegen.“ Ja, es war komisch zu wissen, dass er nur ein Bein hatte, doch das änderte den Menschen vor mir nicht. Er sah immer noch gut aus und er war immer noch der Mann, den ich kennen gelernt hatte. Er war immer noch der charmante Polizist. Es änderte nicht seinen Humor oder seine Sicht auf die Dinge. Machte es mich wütend, dass er es mir erst jetzt sagte? Nein, es machte mich nicht wütend. Ich verstand ihn sogar. Ich konnte nicht wissen, ob und wie oft er bereits deswegen beleidigt wurde und wie sehr es ihn verletzt hatte. „Toll“, raunte Paul mit verbitterte Stimme, „Auf dem Rücken ihrer Freunde, um dann für die Kamera die letzten paar Meter hinauf zu kriechen. Das ist kein Bergsteigen.“ Ich verschränkte meine langen Arme vor der Brust und blickte den Mann vor mir einfach nur an. „Und wenn schon Paul. Die haben sich nicht aufgegeben. Darauf kommt es an. Schau dir die Paralympischen Spiele an“, sagte ich, doch eisern hielt Paul dagegen. Diese würde sich eh nie jemand anschauen. Ich schwieg, denn ich erkannte, dass Paul alles, was man ihm sagte nicht annehmen wollte. Vielleicht konnte er es auch einfach nicht. Er hatte mir von dem Unfall erzählt, schließlich war dies der Grund, weswegen er so lange krankgeschrieben war. „Sechs Monate ist das jetzt her?“, fragte ich ruhig und nachdenklich nickte der athletische Mann vor mir. „Ich finde das gar nicht schlimm“, meinte ich ruhig und griff nach seiner Hand. „Hey Paul“, meinte ich freundlich. „Schau dich an. Du siehst gut aus und machst Sport. Du gehst sogar in ein Fitnessstudio. Irgendwann wirst du sicher alles machen können, wie vorher. Vielleicht brauchst du einfach noch mehr Zeit und Ruhe.“ Unschlüssig zuckte der Mann vor mir mit den Schultern. Er wirkte nicht, als ob er mir glaubte. Unschlüssig schien er in die Tasse vor sich zu starren und als ich fragte, was bei dem Unfall geschehen war, sagte er: „Die Bremsen haben nicht reagiert und ich bin unter einen LKW gekommen.“ Erschrocken weiteten sich meine Augen. Entsetzt fragte ich, wie das denn geschehen könne. Er erklärte fast schon gehässig: „Irgendwer scheint an den Bremsen herumgespielt zu haben… Man konnte keine Beweise sichern. War nichts zu finden.“ Ich erschauderte, als ich dies hörte. Wer würde sowas machen? Ich fragte danach und grimmig grinste er mich an, als er sagte: „Ich bin Polizist, da gibt es sicher einige.“ Er hatte nicht Unrecht. Sein Job war gefährlich und sicherlich nicht zu unterschätzen. Er war schließlich in einer Spezialeinheit. Ich strich mir über mein Kinn, doch noch bevor ich etwas fragen konnte, hörte ich laute Schritte die Treppe hinunter kommen. „Daddy“, rief Madeline und ließ unser Gespräch verstummen. Es war einfach nicht für Kinderohren bestimmt. Fröhlich kam Madeline um die Ecke und erstarrte kurz, als sie Paul sah. Ihre grünen Augen glitten an seinem Körper entlang und musterten den Fremden mit einer gewissen Neugierde. Fragen sah Maddy zu mir und auffordernd blickte ich von ihr zu Paul. „Hallo“, sagte sie schnell und etwas leiser als gewöhnlich. Freundlich sah Paul meine Tochter an und beugte sich auf dem Stuhl etwas zu ihr hinunter. Er lächelte leicht, als er sagte: „Hallo. Ich bin Paul.“ Kurz schaute meine Tochter zu mir, bevor sie noch etwas leise sagte: „Ich heiße Madeline.“ Langsam ging sie auf uns zu und ich reichte ihr meine Hand. Sie war eigentlich nicht schüchtern, doch sie brauchte immer einen Augenblick um aufzutauen. Ich war froh, dass sie nicht gleich mit jedem Menschen gut befreundet sein wollte und strich ihr durch die Haare. „Madeline ist ein schöner Name“, meinte Paul ruhig und ich sah, wie meine Tochter anfing zu grinsen. „Wir haben einen Paul im Kindergarten und mit dem spiele ich ab und zu“, meinte sie leise und lieb strich ich ihr durch die Haare. „Was willst du?“, fragte ich sie ruhig und als sie zu mir blickte, antwortete sie: „Ich habe Durst.“ Leicht nickte ich ihr zu und erhob mich von dem Stuhl und schüttete Madeline etwas Wasser in ihren bunten Lieblingsbecher. Gierig wollt sie danach greifen, doch schnell zog ich ihn weg. „Was sagt man?“, fragte ich streng und verständnislos sah sie mich an. „Danke, vielleicht“, meinte ich und als sie leise das Wort wiederholte, reichte ich ihr lächelnd das Getränk. Ich schwieg, denn ich wusste nicht, was ich sagen sollte, während meine Tochter mit im Raum war. Irgendwie überforderte es mich sogar, denn so eine Situation war noch nie vorgekommen. Doch es war mein Tochter die begann die Situation angenehmer zu machen. Vielleicht bekam sie meine Überforderung grade auch gar nicht mit. Neugierig betrachtete sie Paul und fragte nach einem Augenblick: „Hast du einen Hund?“ Genervt verdrehte ich die Augen. Immer diese beschissenen Hunde. Ich konnte es nicht mehr hören. Immer noch lächelte Paul, doch er schüttelte leicht den Kopf. „Ich hatte mal einen, aber der war krank und ist dann… na ja der ist dann gestorben“, meinte er ehrlich und ohne großes drum herum Gerede. Ein trauriges oh, entkam Madelines Lippen und sie fragte, ob der nun im Himmel sei. Leicht nickte Paul und erklärte: „Der wartet nun brav auf mich und schaut von oben zu.“ Sie nickte und fragte gleich, ob er einen neuen Hund haben wolle. Unschlüssig schüttelte Paul den Kopf und sofort sagte Madeline: „Du musst aber! Hund sind toll und so flauschig. Ich hab oben ganz viele Hundebilder hängen. Mit flauschigen Hunden, die sind total süß. Willst du die mal sehen?“ Ich grinste leicht und als Madeline mich fragte, ob sie Paul die Hundebilder zeigen dürfe, meinte ich: „Das musst du Paul fragen.“ Breit grinste sie ihn an und er nickte leicht und stand auf. „Aber nur kurz, eigentlich muss ich noch mit deinem Vater sprechen“, meinte er sehr ruhig und ging mit meiner Tochter hinauf. Ich folgte den beiden und Madeline zeigte Paul gleich ein Poster mit einem Körbchen voll Hundewelpen. Einige hatten blaue Augen, diese fand Madeline am schönsten. „So welche“, meinte sie und streichelte eines der Hundegesichter auf dem Bild. Paul grinste leicht und blickte sich in dem Kinderzimmer meiner Tochter um, ehe er wieder zu dem Poster sah. Er beugte sich hinunter und meinte: „Du magst also Australian Shepherds?“ Sofort nickte sie und ich war erstaunt als sie sagte: „Aber Huskys sind auch schön. Doch Anna im Kindergarten meinte, dass die ganz viel Auslauf brauche. Die ziehen Schlitten, aber die sind toll, weil die so lieb sind und schlau. Wie die auf dem Bild. Die sind nämlich Hühnerhunde und deswegen schlau!“ Perplex sahen Paul und ich zu meiner Tochter. Hühnerhunde? Was sprach meine Tochter da denn? Erst als Paul lachend sagte: „Ach du meinst Hütehund! Nicht Hühnerhund“, begann ich wie der sportliche Mann neben mir zu lachen. Ich sah wie Madeline leicht rot wurde. Sie liebte diese Tiere einfach und ich konnte mir denken, dass sie nicht gerne berichtig wurde, wenn es um „ihre Tiere“ ging. Sie funkelte mich an und meckerte: „Du weißt gar nicht, was das ist, also lach nicht.“ Doch es ließ mich nur noch lauter lachen. Doch schnell beruhigten wir uns und liebevoll strich ich ihr durch die Haare. „Nicht sauer sein. Lach einfach mit. Es war doch lustig. Weißt du Maddy, wir gehen wieder runter und du spielst hier noch ein wenig“, meinte ich und lächelte. Sie nickte und meinte nur: „Ihr seid gemein. Man lacht nicht, wenn sich jemand vertut.“ Ich ließ sie schmollen und gemeinsam mit Paul ging ich wieder runter in meine Küche. „Tut mir leid, wenn es gestört hat. Sie wird bald vier und na ja…. Kinder in dem Alter stehen ab und zu gerne im Mittelpunkt“, sagte ich, doch sofort erwiderte Paul: „Das ist doch nicht schlimm. Richard, ich weiß, dass ich Donnerstag ein etwas doofes Bild hinterlassen habe. Aber ich habe nichts gegen Kinder… Der Tag war einfach anstrengend und ich dachte halt auch, dass du noch einen Freund oder Mann hast…. Dann tat mit mein Bein weh und wurde nicht besser… Ich würde es wirklich gerne versuchen. Ich mag dich. Der Donnerstag… es war einfach nicht mein Tag.“ Eine Wärme erfüllte mich und ich begann zu strahlen, als ich das hörte. Natürlich hieß es nicht, dass wir nun zusammen waren oder dass wir nun glücklich bis ans Ende unseres Lebens zusammen blieben. Doch endlich konnte ich jemandem zeigen, was für ein Mensch ich eigentlich war. Schließlich war ich nicht mehr der Karrieremensch von früher. Es war mir egal, dass Paul nur ein Bein hatte, er war einfach toll! Ich stand auf und ging zu ihm. Auch er grinste leicht und ich beugte mich hastig zu ihm runter und konnte einfach nicht wiederstehen, meine Lippen auf die Seinen zu drücken. Meine Hände strichen durch seine Haare und zerwühlten diese. Ich liebte den Geschmack von ihm und auch seine Hände waren nicht untätig. Es dauerte einen Moment, bis wir uns voneinander lösten und frech grinste ich ihn an. „Du hast die Hose absichtlich angelassen, als wir Sex hatten, oder?“, fragte ich, denn so glücklich ich auch war, Romantik lag mir nicht immer. Leise lachte der Polizist und zog verschwörerisch die Augenbrauen nach oben. Kapitel 15: Ehrliche Worte -------------------------- Immer noch beugte ich mich über diesen Mann und sein Geruch ließ mein Herz schneller schlagen. Er zog mich fast schon magisch an. Doch ich glaubte, dass es Paul nicht anders erging. Er legte einen Arm um meinen Hals und zog mich bestimmend zu sich hinunter und erneut trafen unsere Lippen aufeinander. Leidenschaftlich war der Kuss und ließ meinen Puls nach oben schnellen. Es war berauschend. Die Leichtigkeit die mich gefangen hielt, war wunderbar. Das Wissen, dass er uns eine Chance gab, war einfach ein schönes Gefühl für mich. Madeline schien ihn nicht abzuschrecken und das war wundervoll. Ich wollte, dass er mich so kennenlernte, wie ich nun mal jetzt war. Mich, gemeinsam mit meiner kleinen Familie. Paul strich mir durch die Haare und grinste mich freundlich an, als wir einander in die Augen blickten. Er streichelte über meine Wange und raunte leise und wahrscheinlich mehr zu sich selbst: „Man, hast du schöne Augen.“ Frech zwinkerte ich ihm zu und schmunzelte über diese Aussage. Denn damit hatte ich tatsächlich nicht gerechnet. Langsam richtete ich mich wieder auf und setzte mich an meinen Platz. Die ganze Zeit konnte und wollte ich ihn nicht so in Beschlag nehmen. Was, wenn meine Tochter doch hinunter kam? Ich lehnte mich etwas auf den Tisch, denn ich wollte eigentlich so viel mehr mit diesem Mann machen, doch Madeline war oben. Sie schlief nicht und ich würde jetzt nicht wieder über Paul herfallen. Doch am liebsten hätte ich wieder seine Lippen in Besitz genommen und noch einiges mehr. Auch Pauls Augen glitten an meinem Körper entlang und auch in seinem Blick konnte man erahnen, dass es nicht jugendfrei war, was er dachte. Doch als wir oben eine Tür knallen hörten, ich wusste, dass es das Badezimmer war, wich der Ausdruck in den Augen des Mannes, als schien ihm erst durch den Lärm bewusst zu werden, dass oben noch ein kleiner Mensch war. Er räusperte sich kurz und strich sich über sein Kinn, als er sich langsam aufrichtete. Es war ein kurzer Augenblick der Stille, in welcher keiner von uns wusste, was er sagen sollte. „Wie war das eigentlich mit Madeline“, wollte Paul nach einem Augenblick wissen, „Habt ihr sie adopt- Nein, sie sieht aus wie du. Sie hat deine Augen. Leihmutter?“ Ich schmunzelte leicht, als er ihre Augen erwähnte. Etwas was er vermutlich schön fand und etwas, was Brian zornig gemacht hatte. Zustimmend nickte ich sofort und erklärte: „Wir waren damals schon eine Zeit lang verheiratet und na ja. Mein Ex-Mann Brian hielt es für eine gute Idee.“ Verwirrt zogen sich seine Augenbrauen nach oben und skeptisch fragte Paul: „Fandst du nicht, dass es eine gute Idee war?“ War es so deutlich, dass ich damals nicht so davon überzeugt war? Unschlüssig sah ich den Polizisten vor mir an. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Erst nach einem Augenblick, von dem ich wusste, dass er zu lange war, erklärte ich: „Ich war mir damals nicht sicher, ob ich mich bereit dazu fühlte, aber ich…“ Doch Paul unterbrach mich und das was er sagte, hatte ich mir oft genug selber gedacht. Doch auszusprechen, dass traute ich mich eigentlich nie. „Dann hättet ihr das nicht machen sollen. Wenn er bereit war, aber du noch nicht, dann hättet ihr besser gewartet“, meinte er und ich verstand ihn so unglaublich gut. Man hätte gut zwei, drei Jahre warten können. Vielleicht noch die ein oder andere Reise unternehmen und uns viel länger mit dem Gedanken und der damit einhergehenden Veränderung beschäftigen sollen. Möglicherweise wären Brian und ich dann immer noch zusammen. Doch meine innere und leicht sarkastische Stimme flüsterte mir ins Ohr, dass er dann ja weiterhin unter Drogen stände, da er ja nicht mehr schwul ist oder es nie war. Schnell verdrängte ich die Worte dieser Stimme und wieder kamen mir Pauls Worte in den Sinn. Ich merkte, dass ich unbewusst genickt hatte und als ich das realisierte, sagte ich sofort: „Aber ich liebe Madeline. Ich liebe sie über alles und ich würde auch alles für sie machen!“ Es war mir wichtig, dass ich das sagte, denn ich wollte einfach nicht, dass man mir das so auslegte. Zu sehr belastete mich der Rechtsstreit mit Brian. „Das würde ich auch nie behaupten“, meinte Paul und betrachtete mich nachdenklich, „Meine Frau Lisa wollte damals auch Kinder und ich war mir unschlüssig. Weißt du, damals als ich mir einredete, dass ich nicht schwul sei und alles nur eine Phase wäre, hatten wir auch darüber gesprochen. Man bekommt auf dem Land schließlich eher Kinder als in der Stadt. Einige ihrer Freundinnen hatten bereits welche, aber ich wollte nicht. Es wäre mir zu viel gewesen. Es sollten einfach beide dafür bereit sein. Und ich meine, euer Kind war ja eine bewusste Entscheidung gewesen. Deswegen meinte ich das. Ich würde mir nie anmaßen zu sagen, dass du dein Kind nicht lieben würdest.“ Ich schmunzelte leicht und erstaunt betrachtete ich den Mann. Er hatte nicht unrecht, dass wusste ich im Stillen auch. Man hätte warten können und dann wäre einiges vermutlich anders gekommen. Vielleicht war es albern, doch es war für mich eine Wohltat nicht zu erklären oder mich rechtfertigen zu müssen, dass ich mein Kind liebte. Immer wieder hatte ich in diesem Zusammenhang das Gefühl, ich müsse es tun. Auch Brian hatte behauptet, dass ich Madeline nie so sehr geliebt hatte wie er und es machte mich rasend vor Wut, dass ausgerechnet dieser Mensch so etwas behauptete. Tatsächlich schien Paul einer der wenigen Menschen zu sein, von denen ich wirklich glaubte, dass sie mich verstanden. Es war so, wie es jetzt nun mal war, Madeline war auf der Welt und ich liebte sie. Was vorher war und was sein könnte, spielte eigentlich keine Rolle mehr. Doch bald würde ich gezwungen sein, alle diese Themen wieder mit Brian durchzukauen. Ich wollte darüber einfach nicht mit Paul sprechen, doch es schien auch nicht so, dass er das Gespräch darauf lenken wollte. Es war so einfach und so angenehm, sich mit ihm zu unterhalten. Durch seine offene Art wirkte er einfach sympathisch. „Na ja“, meinte ich nach einem Augenblick, „Ich würde nicht sagen, dass es unvernünftig war mit dem Kind. Wir waren jedenfalls finanziell abgesichert und steckten eigentlich in einer sicheren und stabilen Beziehung.“ Skeptisch betrachtete mich der Mann vor mir und nach einem Augenblick fragte er: „Und darf man fragen, weswegen die Beziehung dann in die Brüche ging?“ Ich stockte sichtlich, denn eigentlich war dies etwas, was ich nicht mit anderen besprach. Die einzige Person der ich so etwas noch anvertraute war Phil. Doch noch nie war ein Mann zurückgekommen und wollte mich und meine Tochter kennen lernen. Ich wünschte mir fast, er wäre vor sechs Monaten in mein Leben gestolpert. In einer Zeit, in welcher ich so einfach sagen konnte, dass Brian keine Rolle in meinem Leben spielte. Dass er sich mit diesem Menschen nicht beschäftigen müsste. Doch Paul wusste, dass Brian hier war und er wusste auch, dass wir uns um das Sorgerecht stritten. Ich wollte nicht wieder alles mit Unwahrheiten oder Halbwahrheiten beginnen. Dies hatte ihn beim letzten Mal wütend gemacht und so setzte ich einfach alles auf diese Karte. Schwer seufzte ich und erkläre ehrlich: „Na gut. Ich sag es dir. Brian wollte damals das Schicksal entscheiden lassen, wer der biologische Vater unseres Kindes werden würde. Also gaben wir beide in dieser Klinik Samenproben ab. Mir war das vollkommen egal, doch Brian nicht.“ Verstehend zogen sich die dunklen Augenbrauen des Mannes nach oben und er schüttelte fast schon entsetzt den Kopf darüber. Weswegen er so entsetzt schaute, sollte ich nach einigen Sekunden hören. „Wie dumm kann man denn sein? Da sollte ihm doch klar sein, dass du die genauso große Chance hast, wie er“, meinte er augenverdrehend und schüttelte nur den Kopf. Wie recht er hatte und wie häufig ich mir das selbst schon gesagt hatte. Ich nickte und mein Blick trübte sich. Die Gedanken und Erinnerungen, die das in mir hervorrief, waren keine schönen und eigentlich, versuchte ich sie einfach nur zu verdrängen. Ich strich mit meinen Handflächen über meine Oberschenkel und atmete schwer durch, während mein Kopf nach den richtigen Worten suchte. „Na ja, das war ja nur einer der Gründe“, meinte ich ehrlich und kratze mich an der Schläfe. Ich stockte leise und lauschte kurz, ob ich oben meine Tochter hörte. Ich wollte nicht, dass sie das jemals hörte, selbst wenn sie den ersten Teil der Erklärung gehört hatte, könnte ich mir das nur schwer verzeihen. Doch ich hörte sie oben herumlaufen, sie war vollkommen in ihrer Welt und das war gerade gut so. Paul schien zu verstehen und raunte: „Ich habe ein Ohr bei der Treppe.“ Ich nickte ihm dankbar zu und führte meine Erklärung fort: „Wir hatten so einige Differenzen. Ich hatte ihm vorher gesagt, er solle sich darüber Gedanken machen, was es bedeutet ein Kind zu bekommen. Damit meinte ich nicht nur die Tatsache, dass wir wenig Schlaf bekamen. Dazu zählte auch die Tatsache, dass wir als schwules Paar einfach auffallen würden. Klar, die Welt ist vernetzter, doch die Köpfe der Menschen sind häufig nicht so offen. Ein schwules Paar mit Kind, für viele schwer zu verstehen und für andere vermutlich noch schwerer zu akzeptieren. Wir haben zum Glück nur selten Negatives darüber gehört. Aber das ich das angesprochen hatte, hatte ihn sehr zornig gemacht und schon damals behaupten lassen, ich wolle keine Kinder. Dabei war es mir nur wichtig, dass er wusste, worauf er sich einlässt.“ Zustimmend schien mich Paul zu betrachten und ehrlich meinte er: „Ja klar. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir darüber am Wochenende auch Gedanken gemacht. Was es bedeutet. Die ganzen Menschen die meinen, dass es nicht gut sei, können anstrengend werden, ganz zu schweigen von den komischen Kirchenmenschen, die uns bekehren wollen oder so. Da kann ein Kind ein guter Zündstoff sein.“ Erleichterung schoss in meine Venen als ich dies hörte. Er schien genau überlegt zu haben, was es bedeutete mit mir anzubändeln und trotzdem saß er hier in meiner Küche. Er war nicht blindlings wieder hier aufgetaucht. Es war eine bewusste und ehrliche Entscheidung von ihm gewesen. Ein erleichtertes und fröhliches Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Wie glücklich er mich mit diesem Wissen machte, konnte er gar nicht wissen! „Ja“, sagte ich zustimmend und vielleicht klang dieses ja etwas zu euphorisch. „Genau. Das war mir auch wichtig. Mir war klar, dass nicht alle sagen würden, oh wie süß. Wobei ich das eh albern finde. Manche würden auch schimpfen und mir war klar, dass ich Madeline das irgendwann erklären müsste, dass wir nicht normal sind. Doch dazu kam es mit Brian nicht. Weißt du, er war immer recht… häuslich und damit will ich nicht sagen, dass er sich benommen hat, wie eine Frau.“ Leise lachend warf Paul ein: „Glaub mir. Dieses Klischeedenken ist für mich nicht relevant. Ich mag es zuhause auch gemütlich und bin deswegen nicht tuntig. Ich will mich zuhause einfach wohl fühlen. “ Kurz grinste ich ihn verständnisvoll an und nickte nur. „Na ja, er wollte jedenfalls von Zuhause aus arbeiten und hat freiwillig seine Stunden reduziert“, erklärte ich weiter und weiterhin erstaunlich ehrlich, doch dann stockte ich. Es war so einfach nur Paul die Schuld an allem zu geben, was geschehen war, doch es war einfach nicht so. Ich war nicht unschuldig daran. Leiser als vorher sprach ich weiter: „Und na ja. Ich war halt Vollzeit arbeiten und habe ihm wenig abgenommen. Vermutlich, habe ich ihn auch sehr häufig alleine gelassen mit allem. Ich hätte auch nie gedacht, dass es so schwer werden würde mit einem Kind. Ich dachte immer, Brian übertreibe. Ich meine Babys schlafen ja auch ne Menge. Wir haben viel gestritten und sicherlich habe ich einiges nicht ernst genug genommen. Als Madelines Augen sich veränderten und sie offensichtlich das biologische Kind von mir wurde, war es für ihn einfach viel zu viel. Sie war gerade mal fünf Monate alt, als er verschwand. Es war ihm alles über den Kopf gewachsen. Und im Nachhinein habe ich gehört, er habe sich übers Internet neu verliebt. Jemand der ihm zugehört hatte und seine Situation ernst nahm. Und na ja, dann war er weg. Er ist einfach gegangen.“ Weit weniger wortgewandt als noch zu Beginn, schloss ich meine Erzählung ab und blickte hinunter auf den Tisch. Ich sah einige Brotkrümel. Anscheinend hatte ich vergessen den Tisch abzuwischen. Wieso mir das auffiel? Vielleicht aus Selbstschutz? Ich hasste es, so genau davon zu erzählen, was geschehen war. Es hinterließ jedes Mal einen so bitteren Nachgeschmack in mir. Konnte ich Brian verstehen, dass er gegangen war? Zum Teil konnte ich das mit einem ja beantworten, doch schmiss man eine Ehe so einfach weg? Das er Madeline im Stich ließ, war etwas vollkommen anderes, das war etwas, was gar nicht in meinen Verstand hineinwollte. Dafür würde ich niemals Verständnis entwickeln. Schwer atmete ich durch und ich war dankbar, als Paul das Wort ergriff. „Das ist echt irgendwie scheiße“, raunte er und ich blickte auf in seine Augen. Sie durchbohrten mich regelrecht und ohne Wertung sah er mich an. „Ich meine“, fuhr er fort und runzelte leicht die Stirn, „Jeder Mensch macht Fehler. Aber wieso versucht man diese Fehler nicht aus dem Weg zu räumen? Ihr wart ja lange verheiratet. Und wenn ihm vorher nicht bewusst war, was es bedeutet ein Kind zu bekommen, dann tut´s mir leid, für das Kind. Es war sicher nicht toll, dass du so sehr den Karrieretypen hast raushängen lassen… Ich hätte es ja noch verstehen können, wenn er dich mit dem Kind verlässt, aber ohne…. Sorry nein, das geht gar nicht.“ Betrübt nickte ich und ich verstand immer noch nicht, weswegen ich so ehrlich war. Vermutlich lag es wirklich daran, dass er uns eine Chance gab. Er wollte, dass wir ehrlich zueinander waren und das war ich in diesem Augenblick auch. Ich hoffte, dass ich nicht zu ehrlich war und als ich leise danach fragte, schüttelte der Mann vor mir verneinend mit dem Kopf. „Ich bin dir dafür eher dankbar. Und du sagst nichts, was ich… na ja, was abschreckend wäre. Es ist nun mal so geschehen. Du hast kein Verbrechen begangen, also…“, schloss er seine Erklärung ab und grinste mich an. Ich glaubte, dass es ein aufbauendes Lächeln des Polizisten sein sollte. Auch mich ließ es schmunzeln und leise sagte ich: „Danke.“ Kurz trank ich einen Schluck des leider bereits lauwarmen Kaffees und fuhr fort: „Na ja, Brian ist dann verschwunden und war bis vor einiger Zeit nicht mehr gesehen. Jetzt will er halt plötzlich wieder Kontakt und war sogar schon bei Gericht. Er strebt das alleinige Sorgerecht an, aber ich vermute er will entweder das geteilte, oder ein Besuchsrecht. Die Chancen, dass er das alleinige bekommt, stehen nämlich sehr schlecht für ihn.“ Verstehend nickte Paul. Vermutlich war ich die erste Person, von der er so etwas bereits gehört hatte. „Hm… Und wie läuft es nun weiter?“, wollte er wissen und schulterzuckend meinte ich: „Na ja. Ein Kollege und Freund von mir übernimmt den Fall und am Dienstag habe ich einen Termin im Jugendamt. Danach bin ich schlauer. Mit Familienrecht kenne ich mich nicht so gut aus. Bin ja eher in der Wirtschaft, beziehungsweise in der Strafverfolgung tätig gewesen.“ Verstehend und erstaunlich verständnisvoll betrachtete mich Paul und sagte ruhig: „Dann wartest du am besten also diesen Termin ab. Aber lass dich nicht unterkriegen morgen.“ Ich nickte nur und irgendwie, konnte ich ein zufriedenes Lächeln nicht unterdrücken. Es war so angenehm, dass Paul so offen war. Etwas, womit ich eigentlich nicht gerechnet hätte. Wieder schwiegen wir, doch dieses Mal, war das Schweigen von angenehmer Natur. Ich machte Paul einen neuen Kaffee und betrachtete den Mann, der meinen Puls immer wieder nach oben schießen ließ. Oben war Madeline immer noch am Spielen und als ich mich setzte, fragte ich ruhig: „Was ist jetzt mit deinem Bein… Ich erinnere mich, dass du sehr viele Schmerztabletten genommen hattest, als wir mal in meinem Büro gegessen hatten.“ Gerade hatten wir so viel von mir gesprochen, dass ich ganz vergessen hatte, dass auch Paul mir ein für ihn großes Geheimnis offenbart hatte. Vermutlich fiel es ihm ebenso schwer, darüber zu sprechen, wie mir das eben bereits gesagte. Und ich glaubte, Recht zu behalten. Unruhig sah er mich an und seine Augen glitten durch meine Küche. Er seufzte schwer und strich sich die dunklen Haare aus dem Gesicht. Ob er gehofft hatte, dass ich vergessen hätte, worüber er gesprochen hatte? Natürlich hatte ich dies nicht. Ein trauriges und freudloses Lächeln zierte seine Lippen und nach einem Augenblick erklärte er: „Na ja, es ist noch nicht lange her und die Nerven tun noch weh… Ich… Phantomschmerzen halt.“ Traurig sah ich den Mann an. Es tat mir leid für ihn. Natürlich hatte ich davon schon gehört. Vielen Menschen die einen Arm oder ein Bein verloren hatten, litten darunter. Sie fühlten und spürte die Schmerzen noch. „Manchmal juckt es auch nur und…. Da ist ja nichts zum Kratzen“, meckerte er leise und betrachtete die schwarze Flüssigkeit in der Tasse. Verbittert sah er hinunter und ich fragte mich, was er gerade dachte. Ich wusste nicht, was man dazu sagen konnte. Was sagte man einem Menschen auch dazu? Sein Bein würde nicht wieder nachwachsen. Man konnte es nicht einfach vergessen. Es war etwas, woran er jeden Tag erinnert wurde. Morgens, wenn er aufstand und abends, wenn er in Bett ging. „Hm…“, meinte ich nach einem kurzen Augenblick. „Ich kann mir denken, dass das wirklich einfach doof ist. Trotzdem solltest du nicht so regelmäßig Medikamente nehmen. Ich meine, die wirken irgendwann auch nicht mehr und außerdem können die abhängig machen.“ Ich wusste, dass ich gerade sehr belehrend klang, doch zu viele Menschen in den USA nahmen starke Schmerzmittel als Ersatzdroge und viele, die diese Medikamente einnahmen, waren abhängig davon geworden. Ich konnte mir vorstellen, dass er dies als Polizist durchaus wusste. Schließlich wusste er als Polizist, was in der Stadt alles vor sich ging. „Ja ja“, raunte er abweichend und trank lieber einen Schluck Kaffee. Erneut wich er meinen Blick aus und strich sich über die Wange. „So oft nehme ich die nicht“, erklärte er leise. „Aber wenn es manchmal einfach… einfach zu viel wird… Und ich nicht schlafen kann, dann helfen sie.“ Ich spürte, dass er noch nicht bereit war, mehr zu sprechen. Vermutlich war das, was geschehen war oder die Folgen daraus etwas, was diesen Mann ziemlich zu belasten schienen. Gequält wirkte er, wie er vor mir saß und jedes seiner Worte schien ihm einfach schwer zu fallen. War es gut, nachdem ich so ehrlich zu ihm war? Doch ich konnte den Menschen durchaus ihre Geheimnisse lassen. Ich war zwar neugierig, aber wenn ich spürte, dass irgendwo zu große Grenze waren, überschritt ich sie nur ungerne. Seine Hände lagen auf dem Tisch und schienen sich ineinander zu verkrampfen. Als habe er Angst oder vielleicht auch Schmerzen. Ich griff danach und zog eine seiner Hände zu mir. Ich ließ meine Finger zwischen die Seinen gleiten und langsam sah ich von unseren Händen hinauf in sein Gesicht. Liebevoll war mein Blick und freundlich zwinkerte ich ihm zu. Es war anders als sonst, wenn wir einander in die Augen blickten. Es war auf einmal so viel vertrauter, als noch vor wenigen Momenten. Es war einfach schön, dass er hier war. Meine Lippen kräuselten sich zu einem sanften Lächeln und ohne darüber nachzudenken, fragte ich mit ruhiger Stimme: „Was hältst du davon, wenn du heute einfach zum Abendessen bleibst?“ Überrascht blickte Paul mich an und fragte, was es denn geben würde. Verwirrt blinzelte ich und runzelte leicht die Stirn. Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. „Ich kann mal schauen“, meinte ich nach einem Augenblick und stand vom Küchentisch auf. Ich öffnete den Kühlschrank. Doch nicht viel war drinnen. Einige Joghurts, zwei Päckchen Sahne und etwas Gemüse sah ich. Ich kramte etwas herum und fand noch eine eingeschweißte Putenbrust. „Ich glaube, ich kann dir Putengeschnetzeltes anbieten“, meinte ich nach einem Augenblick und suchte in der Schublade nach einem passenden Tütchen. Ich fand eines und als ich Paul fragend anblickte, nickte er langsam. „Soll ich dir eventuell helfen?“, fragte er mich skeptisch und ich schüttelte nur den Kopf. „Ich lade dich ein“, meinte ich freundlich und lächelte den Mann offen an. Er nickte nur und nach einem Moment stand er auf und setzte sich auf den Stuhl am Tresen. Natürlich schaute ich, während er aufstand und zum Küchentresen ging genauer hin. Und ich glaubte zu erkennen, dass er wirklich etwas hölzern ging. Doch eigentlich war ich mir da nicht sicher. „So können wir besser reden“, meinte er leicht lächelnd und ich nickte nur. Ich blickte auf die Uhr und sah, dass es bereits fünf Uhr war. Ich vermutete, dass Madeline gleich runterkommen würde. Ich las kurz durch, was hinten auf der Verpackung stand und begann alles nach Anleitung vorzubereiten. Ich maß gerade die Flüssigkeit ab, als mich Pauls Stimme wieder in die Realität brachte. „Dein Mann hat früher gekocht, oder?“, fragte er und als ich zu ihm blickte, sah ich ihn schmunzeln. Fragend blickte ich ihn an und rührte das Pulver unter. „Na ja“, antwortete er auf meine nonverbale Frage. „Wir haben schon einmal zusammen gekocht und jetzt hältst du dich so strickt an Anweisung. Da habe ich es einfach für mich so vermutet.“ Leicht grinsend holte ich eine Pfanne und einen Topf aus dem Schrank und setzte Wasser für den Reis auf. „Na ja“, meinte ich erklärend und zuckte mit den Schultern, „Ich konnte nie sonderlich gut kochen und dann musste ich es ja auf einmal können. Da sind Tüten sehr hilfreich. Kann ja nicht ständig Essen bestellen oder alles fertig kaufen. Nur würzen kann ich nicht. Da finde ich diese Tütchen ganz hilfreich.“ Leise hörte ich Paul hinter mir kichern und als er mich gut gelaunt fragte, ob ich auch Fertig-Pfannkuchen kaufte, schüttelte ich den Kopf und sagte: „Also nicht die ganz fertigen. Diese Flaschen, wo man Milch reinpackt, die sind echt lecker!“ Auflachend schlug er sich gegen die Stirn und erwiderte: „Oh Man Rick, Pfannkuchen sind total einfach. Kannst du überhaupt irgendetwas ohne diese Hilfsmittel?“ Pikiert sah ich zu ihm. Ich hatte mich schließlich in den letzten Jahren sehr verbessert beim Kochen. „Klar! Ich kann eine super tolle Kürbissuppe. Das Rezept habe ich von meiner Mutter. Da brauch ich keine Tüten! Und ich kann gut grillen und krieg eine gute Marinade für Steaks hin, aber Madeline mag keine Steaks“, verteidigte ich mich und schnitt die Paprika in fast gleich große Würfel. „Das ist ja dann doch mehr, als ich dachte“, meinte Paul und immer noch schwang sein Lachen in seiner Stimme mit. Es war wirklich gut, ihn einfach eingeladen zu haben. Er schien nicht mehr an das zu denken, was ihn so belastete. „Und natürlich mag eine dreijährige kein Steak“, sagte er immer noch lachend und als ich sagte, dass sie ja bald vier würde, erwiderte er: „Auch vierjährige nicht. Ich glaubte aber, dass du mir mal ein Steak braten könntest“, schlug er gut gelaunt vor und zwinkerte keck mit einem Auge. Gut gelaunt briet ich die Pute an und schmunzelte zufrieden. Es war so herrlich angenehm sich beim Kochen zu unterhalten. „Klar, wenn es wärmer wird, kann ich den Grill sicher aus dem Keller holen. Ich habe Madeline auch versprochen, dass wir dieses Jahr ein kleines Klettergerüst oder eine neue Schaukel aufstellen… Dann kann man sich auch gut draußen aufhalten“, meinte ich gut gelaunt und als Paul nickte, strahlte ich ihn glücklich an. So etwas zu planen, was noch weiter weg lag, erfreute mich, denn es war wieder ein Indiz, dass es keine leeren Worten waren, die er sprach. Ich sah wie Paul aufstand, doch ich musste mich auf das kochende Essen konzentrieren. Ich spürte, wie der Polizist hinter mich trat und seinen Körper an den Meinen drückte. Sofort stieg sein so angenehm herber Duft in meine Nase und zufrieden grinste ich. „Wie wäre es, wenn ich dich jetzt mal beim Kochen ablenke“, raunte er in mein Ohr und eine Gänsehaut überzog meinen Körper, als ich seine Lippen an meinem Hals spürte. Ja das konnte einer der besten Abende seit langem werden! „Ich hoffe mal, dass deine Kleine nicht allzu lange wach bleibt“, hörte ich ihn hinter mir süffisant flüstern und ein pervers, aber auch glückliches Grinsen erschien auf meinen Lippen. Kapitel 16: Vom Kennenlernen, Diebesgut und einem Happy End ----------------------------------------------------------- Immer wieder stichelte Paul und beklagte sich über meine wenigen Kochkenntnisse, welche ich vorweisen konnte. Wenn er wüsste, wie sehr ich mich bereits verbessert hatte. Doch ich wollte nicht, dass er mir half, denn schließlich hatte ich ihn eingeladen, bei mir zu essen. Und wieder fiel mir auf, dass er hier im Haus viel häufiger meine Nähe zu suchen schien. Immer wieder stand er hinter mir und seine Hände strichen mir über die Schulter und den Rücken. Sein Geruch stieg mir in die Nase. Mein Puls beschleunigte sich und ich schmunzelte, als ich ihn an meinem Rücken spürte. Mein Puls begann zu rasen als ich seine Hände auf meinem Oberkörper Körper spürte. „Was wird das? Ich kann mich kaum konzentrieren“, meinte ich grinsend und leise hörte ich Paul hinter mir kichern. „Was denn?“, fragte er gut gelaunt und erneut spürte ich seine Hände an meinem Rücken entlang gleiten, „Ich darf doch einem gut aussehenden Typen beim Kochen über die Schulter schauen.“ Ich konnte nur den Kopf darüber schütteln und fand es wundervoll, wie es gerade war. Ich fühlte mich erstaunlich jung. Es fühlte sich an, als sei ich in meiner alten Studentenküche und das Leben war nicht hart und anstrengend. Es war schön und leicht und ließ mir Spielraum, mich zu entfalten. „Weißt du“, meinte ich, als seine Hände erneut über meinen Arm strichen. „Ich finde, dass du hier wieder viel offener bist. Draußen hast du nie Körperkontakt gesucht. Wieso jetzt?“ Entspannt lehnte er sich an die Küchenzeile und seine warmen Augen betrachteten mich freundlich und offen. Er grinste leicht und erklärte nach einigen Augenblicken: „Na ja, das könnte daran liegen, dass ich…. Ich fühle mich nicht so wohl darin, meine Sexualität in der Öffentlichkeit zu zeigen. Einfach, weil man das bei mir, wo ich aufgewachsen bin, nicht machte.“ „Hm…“, ich nickte verstehend und konnte es auch irgendwie nachvollziehen. Ich selbst hatte damit nie Probleme. Sollte mich jemand beleidigt haben, prallte dies zumeist an mir ab. Vielleicht war es ein Vorteil, wenn man mit seinem Coming Out nicht auf Ablehnung gestoßen war. „War es schwer für dich, dich zu outen?“, fragte ich ruhig und rührte die Sauce unter. Ich beobachtete, wie Paul mit den Schultern zuckte und wage nickte. „Na ja“, meinte er mit nachdenklicher Stimme. „Es war nicht die angenehmste Zeit und ja. Kann ich…“ Doch jäh wurde Paul unterbrochen, denn Madelines laute und hohe Stimme rief von der Treppe: „Du kochst! Wann gibt es Essen?“ Eigentlich war das Essen so gut wie fertig und entschuldigend meinte ich leise zu Paul: „Sorry, lass uns später reden, okay?“ Er nickte leicht und grinste scheel, während ich Madeline hinaufrief, dass das Essen fertig sei und sie kommen könne. Ein letztes Mal strich mir der Mann über den Rücken und ich zuckte kurz zusammen, als er mir fest in den Hintern kniff. Frech zwinkerte er mir zu, während er langsam die Hände von mir nahm. Ich hörte wie Madeline hinunterkam und nach einigen Augenblicken stand sie in der Küche. „Isst du mit?“, wollte sie von Paul wissen und als er leicht nickte, grinste sie. „Gut, aber du darfst nicht von meinem Teller essen. Das macht man nämlich nicht“, meinte sie und perplex sahen wir sie an. „Was?“, fragte ich sie verwirrt und meine Augen glitten zwischen ihr und Paul hin und her. Sofort erklärte sie: „Na ja, im Kindergarten hat das der Calvin gemacht und dann gab es richtig ärgern. Der macht das nämlich ganz oft.“ Ich reichte meiner Tochter gerade ihren Kinderteller, während ich meinte: „Das macht man auch wirklich nicht. Das ist unhöflich.“ Sie nickte nur und ich schmunzelte, als ich beobachtete, wie meine Tochter fröhlich zum Esstisch ging. „Genau“, rief sie mir über die Schulter hinweg zu und schob ihren bunten Kinderteller auf den Tisch. Wir aßen alle und neugierig beobachtete meine Tochter die fremde Person am Tisch. Es fiel mir unglaublich schwer, Pauls Hand nicht einfach zu greifen, doch es hätte für Madeline nur komisch ausgesehen. Ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass Paul und ich einfach noch kein Paar waren. Ja, er war hier und gab uns eine Chance und vermutlich war auch er verknallt. Doch verknallt sein und Liebe sind so unterschiedlich. Und Madeline könnte ich es einfach nicht erklären und ich wollte es ihr auch noch nicht sagen. Ich beobachtete, wie Paul sich zu Madeline beugte und nach einem Augenblick fragte er sie freundlich: „Und, willst du mir vielleicht mal sagen, wie der Kindergarten so ist?“ Sie aß gerade etwas Reis, bevor sie sich mit ihrem Ärmel über den Mund strich, um zu antworten. Doch noch bevor sie etwas sagen konnte, fuhr ich sie genervt an: „Verdammt, muss du das immer mit dem Ärmel machen?“ Große grüne Augen blickten über den Tisch hinweg zu mir und als sie langsam zu ihrem nun verdreckten Ärmel blickte, meinte sie leise: „Tut mir leid, habe ich vergessen.“ Ich nickte genervt und stand auf, um ihre ein Stück Küchenrolle zu besorgen. Erneut forderte Paul sie auf, dass sie ihm von dem Kindergarten erzählen sollte. Leiser als sie es vermutlich gerade noch gemacht hätte, begann sie zu erzählen: „Ich war ja jetzt bei meiner Oma und Opa. Aber morgen bin ich wieder da. Dann erzähle ich jedem, dass ich schwimmen war.“ Freundlich lächelte Paul sie an und er fragte sie: „Kannst du denn schon schwimmen?“ Für mich war es toll zu hören und zu sehen, wie viel Mühe er sich mit ihr gab. Er schien wirklich nichts gegen Kinder zu haben und versuchte das Beste aus der Situation zu machen. Es schien ihn gerade wirklich nicht zu stören, dass wir keine Zweisamkeit hatten. Vermutlich mit einem seligen Lächeln, ließ ich mich wieder auf dem Stuhl nieder und hörte meiner Tochter zu, wie sie Paul versuchte zu erklären, dass sie nur mit den Beinen richtig schwimmen könne. „Aber Dad hat auch gesagt, dass ich auch dann Schwimmflügel tragen muss, wenn ich schwimmen kann“, beschwerte sie sich und ihr Blick glitt zu mir herüber. Ich schluckte das Essen hinunter und meinte gelassen: „Ja, weil du noch klein bist. Wenn du älter bist, dann brauchst du die meinetwegen auch nicht mehr.“ Amüsiert beobachtete ich, wie sie ihre Schnute verzog und mit den Augen rollte. Es war herrlich zu beobachten, wie sie sich aufregte. „Wie ist deine Arbeit jetzt eigentlich angelaufen?“, wollte ich von Paul wissen und schwer seufzend schaute Paul mir in die Augen. Er zuckte mit den Schultern und raunte: „Na ja, die Kollegen sind ganz nett. Ich muss mich trotzdem daran gewöhnen.“ Neugierig fragte Madeline nach, was Paul den arbeite. „Ich bin Polizist“, meinte er und beugte sich leicht zu meiner Tochter hinüber. Sie bekam große Augen und meinte gleich: „Das ist cool. Kannst du dann nicht mal Jane mitnehmen. Die klaut immer die Buntstifte und immer die, mit den schönen Farben.“ Genervt verdrehte ich die Augen. Jane, wenn ich diesen Namen schon hörte. Ja, Madeline würde sie sicher nie mögen, doch manchmal nervte es, wenn sie zu viel über dieses Mädchen meckerte. „Wirklich?“, wollte Paul gespielt geschockt wissen, „Das ist ja ungeheuerlich… Aber woher willst du wissen, dass sie das war und nicht wer anders?“ Ich schaffte es, ein Lachen zu unterdrücken, als ich sah, wie meiner Tochter die Worte fehlten. Immer wieder öffnete sich ihr Mund, bevor sie ihn wieder schloss. Sie schluckte und zuckte nach einem Augenblick mit den Schultern. „Weiß nicht“, nuschelte sie leise, doch schneller als erwartet, hatte sie ihre Selbstsicherheit wiedergefunden, „Ich weiß es einfach. Sie hat nämlich immer die schönen Stifte und die schönen Farben auf ihrem Bild!“ Es war herrlich zu beobachten, wie Paul vernünftig, aber auch auf Augenhöhe mit meiner Tochter sprach. Ja, vielleicht freute ich mich gerade zu sehr, doch nach all der Ablehnung war es ein wahres Highlight zu sehen, wie der Mann, der mir immer wichtiger wurde, sich versuchte mit dem Menschen zu verstehen, der das Wichtigste in meinem Leben war. „Oh, das geht ja mal gar nicht! Meinst du ich soll ihre Sachen kontrollieren und nach dem Diebesgut suchen?“ Verwirrt sahen ihn die großen grünen Augen meines Kindes an, als sie kopfschüttelnd erklärte: „Nein. Nicht nach Divesgut suchen. Sondern nach den Stiften!“ Als ich leise kicherte, sah Madeline mich fragend an und nach einem Moment erklärte ich: „Zunächst mal, Diebesgut. Nicht Dives und zum anderen, bedeutet das Wort, dass Paul nach den Sachen sucht, die gestohlen wurden.“ Verwirrt sah meine Kleine zwischen uns Erwachsenen hin und her und meinte frech: „Das ist doch dämlich. Wenn man Stifte klaut dann sucht man nach Stiften. Wenn Jane eine Puppe klaut, dann nach Puppen. Wieso nennt man das dann so komisch?“ Ein Laut des Entsetzens drang an meine Ohren und als ich mich umwandt, sah ich wie Paul entsetzt mit dem Kopf schüttelte. „Auch noch Puppen. Nein, das ist böse. Und wir Polizisten nennen das halt Diebesgut.“ Leise kichernd schob sich Madeline Essen in den Mund. Erst nachdem sie es hinuntergeschluckt hatte, meinte sie: „Voll kompliziert…. Nimmst du sie jetzt fest?“ Leicht schüttelte Paul den Kopf. „Nein“, meinte er und erklärte: „Du muss das den Erziehern sagen. Dann schauen die nach. Die Jane ist doch auch noch ein kleines Mädchen. Der muss man ja keine Angst machen. Wenn sie klaut, muss das mit den Eltern besprochen werden.“ Schmollend betrachtete Madeline uns und als ich sagte, dass Paul da wohl Recht hatte, stocherte sie etwas in ihrem Essen herum. „Darf ich gleich eigentlich einen Nachtisch haben?“, wollte sie wissen und ich schüttelte nur den Kopf. „Nein, du hast ganz viel Süßes bei Oma und Opa gegessen. Es reicht langsam“, meinte ich streng und erneut schaute sie schmollend in das Essen. Das Essen verlief wohl nicht so, wie meine Tochter es sich gerade vorstellte. Endlich war das Essen zu Ende und sofort wollte Madeline wieder rauf. Ich ließ sie einfach und als ich den Tisch und den Topf gesäubert hatte, setzte ich mich zu Paul auf das Sofa. „Und war das Essen nun so schlimm, wie befürchtet?“, fragte ich schmunzelnd und leicht schüttelte Paul den Kopf. „Nein, aber so schwer ist es nicht, dass selber zu machen“, meinte er grinsend. Ich verdrehte nur die Augen und als ich einen Schlag auf meinem Oberarm spürte, sah ich ihn erschrocken an. „Hast du mich gerade geschlagen?“, war meine fast schon dämliche Frage. „Nein“, log er grinsend und noch bevor ich etwas erwidern konnte, drückte er plötzlich seine Lippen auf die Meinen. Ich liebte es, dass sein Bart mich kitzelte und meine Hand zog ihn näher an meine Seite heran. Sofort begann mein Puls schneller zu schlagen und ich hörte ihn in meinen Ohren wiederhallen. Immer noch verblüffte es mich, wie offen er hier war und draußen ging er fast schon auf Abstand. Gierig drang seine Zunge in meinen Mund ein und ich liebte seinen Geschmack einfach. Paul drückte mich hinunter und ich verlor das Gleichgewicht und landete mit dem Rücken auf der Couch. Es ging alles gerade viel zu schnell, als das ich reagieren konnte. Sofort war er über mir und strich mit seiner Hand über meine Seite. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper und es war so leicht, sich hier und jetzt einfach zu verlieren. Doch ein Poltern auf der Treppe brachte mich zurück in die Realität und bestimmend drückte ich den Mann weg von mir. Hastig setzte ich mich auf, genau in dem Augenblick, als Madeline ins Wohnzimmer kam. Verwirrt und überrascht sah Paul Madeline an und leicht grinsend betrachtete er mich. „Dad“, begann Madeline und kam langsam auf das Sofa zu, „Denkst du daran, dass gleich meine Serie kommt?“ Die Serie? Wie konnte ich die nur vergessen? Ich sah zu Paul und entschuldigend war mein Blick. „Tut mir leid. Aber… das schauen wir eigentlich immer zusammen“, meinte ich und hoffte, dass er nicht gleich genervt die Augen verdrehte. „Dann lass sie uns doch schauen“, meinte Paul und rückte etwas weg von mir. Doch er schien es nicht lassen zu können und strich unauffällig mein Bein entlang. Leicht grinsend rückte ich zur Seite und machte meiner Tochter platz. Sie kuschelte sich an meine Seite und wie immer legte ich meinen Arm um ihren kleinen Körper. Sie wollte von Paul wissen, ob er die Serie kennen würde. Leicht den Kopf schüttelnd meinte Paul: „Nein, aber ich bin gespannt. Vielleicht ist die ja richtig spannend.“ Eifrig nickte sie und erklärte Paul gleich, worum die Serie handelte. Madeline war jedoch so aufgeregt, dass sie es nicht schaffte, etwas flüssig und chronologisch zu erzählen. „Schatz, das wirkt alles durcheinander. Lass ihn doch einfach sehen, dann versteht er sie schon“, meinte ich und strich ihr eine braune Strähne aus dem Gesicht. Vermutlich wollte sie gerade meckern, doch die Melodie ihrer Serie ließ sie verstummen und ihre Augen blickten neugierig auf die Mattscheibe. Ich merkte, dass meine Tochter müde war. Schließlich war der Tag mit dem Flug auch für sie sehr anstrengend gewesen. Immer wieder rieb sie sich über die Augen und gähnte hinter vorgehaltener Hand. Ihr Kopf ruhte schwer auf meinem Schoß und ich war mir nicht sicher, wie viel sie von der Serie eigentlich mitbekam. Ich blickte zur Seite und bei einem Blick auf Pauls Gesicht war deutlich, was er von der Kinderserie hielt. Eine Augenbraue war hochgezogen und skeptisch betrachtete er die bunten Figuren auf dem Fernseher. Sein Blick suchte den Meinen und fragend sah er mich an. Ich glaubte zu verstehen, was er mir nonverbal mitteilen wollte. Er fand die Serie einfach schrecklich. Ich zuckte leicht mit den Schultern, während ich hinunter zu meiner Tochter sah. Sie liebte diese Serie einfach und fand, dass sie sehr lehrreich war. Madeline war es wichtig, dass wir gemeinsam diese Serie schauten und so nervig und albern ich diese Serie auch fand, ich fand es trotzdem schön. Schön, dass sie sich jeden Abend an meine Seite kuschelte, schön, dass sie wollte, dass wir sie zusammen schauten. Es war einfach unsere ruhige Vater-Tochter Zeit. Die Serie dauerte nie lange und nachdem der Abspann lief, gähnte meine Kleine erneut hinter vorgehaltener Hand. „Da muss wohl wer ins Bett, habe ich Recht?“, fragte ich sie leise und als sie leicht den Kopf schüttelte lachte ich auf. „Doch, ich glaubte schon Madeline“, sagte ich und griff ihr unter die Arme und zog sie auf meinen Schoß, „Du bist heute schon ganz lange geflogen und dann warst du noch bis 20 nach sieben auf. Ich glaube die kleine Weltenbummlerin musst ins Bett.“ Sie drückte ihr Gesicht an meinen Hals und schüttelte erneut wild den Kopf. „Dann musst der große Weltenbummler das auch!“, meckerte sie und ich hörte Paul verhalten lachen. Unsere Blicke trafen sich und schmunzelnd betrachtete er mich und meine Kleine. „Ich warte hier unten“, meinte er und mit einem zufriedenen Lächeln ging ich mit Madeline auf dem Arm hinauf. Ich verschwand mit ihr im Badezimmer und putzte ihr die Zähne, bevor ich ihr half einen frischen Schlafanzug anzuziehen. Ich reichte ihr Bolt und meckernd meinte sie, als ich sie ins Bett legte: „Ich will noch nicht schlafen. Ich bin noch gar nicht müde. Nur ein bisschen.“ Ich setzte mich auf ihr Bett und grinste sie an, als ich mit einem Lachen in der Stimme fragte: „Oh, echt nur ein bisschen müde?“ Sie nickte leicht, drehte sich auf die Seite und betrachtete mich. „Woher kennst du diesen Paul?“, wollte sie wissen und ehrlich sagte ich ihr, dass ich ihn beim Mittagessen kennen gelernt hatte. „Glaubst du, der mag meine Serie?“, wollte sie wissen und ich zuckte mit den Schultern, während ich antwortete: „Weiß ich nicht, dass kannst du ihn fragen, wenn du ihn noch mal siehst.“ Sie nickte nur und als ich ihr einen Kuss gab, wünschte auch sie mir eine gute Nacht. Ich schaltete das Nachtlicht ein und machte ihr ein Hörspiel an, bevor ich das Zimmer verließ. Als ich ins Wohnzimmer trat, sah ich Paul bei meinem Bildern stehen. Neugierig betrachtete er die Aufnahmen. „Deine Tochter ist echt süß und für ihr Alter nicht auf den Mund gefallen“, meinte er grinsend und betrachtete mich. Ich schmunzelte leicht und nickte nur. „Ja, ich habe etwas Sorgen, wie das so wird, wenn sie älter ist. Dann wird es für mich wahrscheinlich noch anstrengend werden. Manchmal erwische ich mich auch dabei, dass ich anfange mit ihr zu diskutieren“, meinte ich und trat neben den Mann. „Muss ich mich daran gewöhnen, dass sie ab und zu in, sagen wir, etwas ungünstigen Situationen stört?“, fragte er und langsam drehte er sich zu mir um. Ich bemerkte, wie sein Blick zu meinen Lippen wanderte und leicht biss ich mir auf die Unterlippe. Zu verführerisch war das Wissen, wie er schmeckte. Leise lachend meinte ich zu ihm: „Ich kann sie ja schlecht oben einsperren und na ja, sie muss uns bei sowas schließlich nicht sehen“, meinte ich achselzuckend. Als Paul mich fragte, ob sie uns nicht beim Küssen sehen sollte, nickte ich und erklärte gleich: „Ja. Wir sind… na ja nicht zusammen. Wir wollen es nur versuchen und schauen. Ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn sie jeden der Männer kennengelernt hätte. Ich hab gelesen, dass Kinder Kontinuität brauchen und da muss ich mir einfach selbst sicher sein. Aber hey, bevor du dich aufregst, du bist der erste… Mann von all denen, den ich ihr vorgestellt habe.“ Während ich sprach, legte ich einen Arm um seinen Oberkörper und zog den athletischen Mann an meine Seite. Sein Geruch, der sich langsam in meiner Nase ausbreitete, war einfach zu anziehend. „Na ja, wenn du das für Richtig hältst“, meinte er und ein leichtes Lächeln zierte seine Lippen und es war zu verführerisch, sie nicht zu küssen. Ich beuge mich zu ihm und nahm seine Lippen einfach in Besitz. Liebevoll umspielten unsere Zungen einander. Es war nicht der wilde Kampf, den sie sonst fochten. Meine Hände krallten sich in die dunklen Haare Pauls und zufrieden schloss ich die Augen. Sein Geschmack und sein Geruch benebelten meinen Verstand. Paul drückte seinen Körper an den Meinen und seine Hand wanderte tiefer und er drückte meine Mitte an die Seine. Leise keuchte ich auf und betrachtete ihn lüstern. „Willst du das intensiveren?“, fragte ich und konnte nicht widerstehen, meine Mitte an der Seinen zu reiben. Gleichzeitig öffneten wir die Augen und blickten uns stumm an. Es war ein intimer und schöner Augenblick mit diesem Mann. „Meinst du…. Wir können jetzt, wo deine Tochter im Bett ist, leise nach oben schleichen?“, fragte Paul süffisant und erneut strich er mit seiner Hand über mein Gesäß. Zufrieden grinste ich und zuckte gelassen mit den Schultern. „Ich denke, wenn wir leise sind, sollte das kein Problem sein“, meinte ich gelassen und genoss seine fordernden Berührungen auf meinem Körper. Gemeinsam gingen wir nach oben und zum ersten Mal, nahm ich bewusst wahr, dass Paul sehr hölzern die Treppe hinaufging. Er zog sich mit der linken Hand das Geländer hinauf und doch wirkte es so, als würde er dies regelmäßig machen. War es unerotisch, dass ich wusste, dass er nur noch ein Bein hatte? Kurz dachte ich darüber nach und ja, es war komisch und doch wieder nicht. Denn es veränderte ihn als Menschen nicht. Er war immer der gleiche Mann in den ich mich verguckt hatte. Der gleiche Mann, der seit ich ihn kannte, mein Herz schneller schlagen ließ. Und wieso sollte ein fehlendes Bein unattraktiv sein? Seit wann brauchte man denn die Beine so sehr dafür? Meine kurzen Gedankensprünge waren einfach albern, doch ich konnte sie nicht verhindern. Leise schlichen wir durch den Flur und ich war froh, dass das Badezimmer das Schlafzimmer und das Kinderzimmer trennten. Ich merkte, dass Pauls Blick durch den Flur wanderte und es war vermutlich einfach schon automatisch in ihm drinnen, dass er sich ein Bild des Hauses machte. Ich nahm seine Hand und zog ihn sanft Richtung Schlafzimmer. Artig schloss er die Tür hinter sich, denn ich wollte unter keinen Umständen, das Madeline genau jetzt hineinplatze. Als wir vor dem Bett standen, drückte ich ihn hinab. Ich vermutete, dass er sich vielleicht sorgte, dass ich ihn wegen des Beines unattraktiv fand. Doch es war nicht so. Ohne widerstreben ließ Paul es geschehen. Einen Arm um mich legend, zog er mich mit. Erneut lagen seine Lippen auf den Meinen und ich spürte seine Hand, die unter mein Shirt glitt und mich sanft streichelte. Ich genoss den Kuss und spürte, wie eine Gänsehaut über meinen Körper kroch. Er streichelte sanft über meinen Rücken und kitzelte mich fast ein wenig. Auch meine Hände schoben sich unter seinen Pullover und ich genoss es diesen trainierten Körper zu spüren. Mich leicht aufsetzend zog ich an dem Stoff und ich brauchte nichts weiter zu sagen. Er setzte sich auf, ich zog ihm dem Pullover einfach aus und ließ ihn neben dem Bett zu Boden gleiten, bevor Paul sich wieder bequem hinlegen konnte. Ein zufriedenes Lächeln umspielte die Lippen des Mannes unter mir und erneut musste ich dem inneren Drang folgen und küsste die warmen und einladenden Lippen. Seine kräftige Hand verkrallte sich in meinen Haaren und erst als ich dringend Atmen musste, löste ich mich von ihm. Rittlings auf seiner Hüfte sitzend, richtete ich mich auf und sah hinunter zu Paul. Auch ich zog mir mein Oberteil aus und ließ es neben Pauls auf dem Boden fallen. Er grinste leicht und schien, wie ich, nichts sagen zu wollen, als habe er Angst, dass die Stimmung zerstört würde. Sein Blick wanderte an meinem Körper hinunter, als nahm er sich gerade die ersehnte Zeit, diesen zu bewundern. Die Straßenlaternen ließen gelbliches Licht in das Schlafzimmer dringen und ließen mich die Narbe auf seiner Brust deutlich erkennen. Sie störte nicht und ich beugte mich hinunter und strich seine Seite hinauf, während ich mit federnden Lippen über seinen Bauch glitt. Leise keuchte er auf und ich hörte ihn genussvoll seufzten. Ich strich über seine Hüfte und sein Geruch, die Geräusche und vor allem das Wissen, was wir noch tun würden, erregte mich langsam immer mehr. Ich öffnete die Jeans und leider musste ich vom Bett aufstehen, um sie auszuziehen. Unsicher griff Paul nach der Hose und hielt mich auf und überrascht sah ich ihn an. Ich sah die Unsicherheit in seinem Blick und tatsächlich hatte ich vollkommen vergessen, dass er eine Prothese trug. „Kann die nicht… ich weiß nicht…. Irgendwie an bleiben?“, fragte er und wirkte tatsächlich ziemlich angreifbar. Etwas, was ich von diesem Mann eigentlich nicht kannte. Ich ließ mich wieder auf das Bett nieder und beugte mich über ihn. Ich konnte sehen, dass er unschlüssig war und vermutlich auch verunsichert. Ich strich beruhigend über seine Wange und hauchte: „Du brauchst dich dafür nicht schämen. Paul, ich finde dich attraktiv, ob mit einem, oder zwei Beinen. Du bist doch trotzdem der gleiche Mann.“ Unschlüssig zuckte er mit den Schultern und sah weg von mir. Doch er hielt mich nicht auf, als ich erneut seine Hose Stück für Stück von seinem Körper entfernte. Der Einfachheit halber mitsamt der Unterwäsche. Obwohl er mir die Prothese bereits gezeigt hatte, sah es trotzdem befremdlich aus, im ersten Augenblick. Unsicher sahen meine grünen Augen hinauf in die Seinen und ich fragte: „Willst du… ich weiß nicht, die ablegen? Ist das dann nicht bequemer?“ Ich sah den inneren Kampf. Kurz blickten seine Augen hinab und dann wieder hinauf in mein Gesicht. Unschlüssig wirkte er und erst nach einigen Augenblicken zog er die Prothese aus. Ich wollte nicht gaffen wie ein Idiot und so beugte ich mich lieber zu meinem Nachttisch und holte Gleitgel und ein Kondom heraus. Ich drehte mich wieder zu ihm um und obwohl ich es nicht wollte, glitten meine Augen zu seinem Unterschenkel. Er wirkte sehr viel dünner, als der des anderen Beines und da ich es noch nie live gesehen hatte, wirkte es im ersten Augenblick grotesker, als ich es mir gewünscht hätte. Doch zugegeben hätte ich dies vor ihm niemals. „Ist komisch mit einem Krüppel, oder?“, brachte mich seine Stimme wieder in die Realität zurück und meine Augen glitten wieder zu ihm. Ich schüttelte den Kopf und ein, wie ich hoffte, aufbauendes Lächeln lag auf meinen Lippen. „Ich sehe vor mir keinen Krüppel. Ich sehe einen gut aussehenden, athletischen Mann vor mir liegen“, meinte ich grinsend und strich mit den Händen über seinen Bauch. Als ich sah, wie sich seine Lippen erneut öffneten, legte ich einfach die Meinen darauf und erstickte alle Wiederworte im Keim. Sanft und vielleicht auch ein wenig ehrfürchtig war der Kuss. Denn es hatte ihn sicherlich viel Überwindung gekostet, sich so vor mir zu zeigen. Ich stahl mich frech zwischen seine Beine und ohne widerstreben ließ er es geschehen. Ich löste mich von seinen Lippen und begann an seinem Hals zu knabbern. Ich wollte, dass er vergaß und einfach nur genoss. Während ich mir leicht auf die Lippen biss, beugte ich mich hinunter und nahm sein Glied in den Mund. Er sollte endlich den Verstand verlieren und ich hoffte, dass ich das so schaffte. Kurz stöhnte er lauter auf und ich spürte, wie sich seine Hände in meinen Schopf krallten. Ich grinste zufrieden, als ich ihm diese Töne entlockte und wollte noch mehr davon hören. Das Stöhnen wurde lauter und so intensivierte ich meine Arbeit mit der Zunge. Fuhr die Länge seines Schaftes nach und leckte die ersten Lusttropfen an seiner Spitze weg, was ihn erzittern ließ. Das Blut schoss in seine Lenden und ich spürte, wie sein Glied sich unter meiner Zunge weiter aufrichtete. Ich merkte, wie er zuckte und es steigerte meine Lust! Es war toll, dass ich Paul um den Verstand brachte. Doch ich war auch dankbar, dass er nicht wie ein Irrer seine Lust hinausschrie. Ihn wahnsinnig zu machen, erfreute und erregte mich gleichermaßen! Anders als das Mal zuvor, war ich froh heute aktiver zu sein und ihm zu zeigen, wie begehrenswert ich ihn fand. Ob ein Bein, oder zwei, es war mir vollkommen egal! Auch ich wurde immer härter und als ich merkte, wie sehr Paul sich fallen ließ, ließ ich von seinem Glied ab. Ich blickte zu ihm hinauf und stellte fest, dass seine Augen geschlossen waren. Entspannt und erregt lag er vor mir. Zufrieden lächelte ich und küsste seinen Bauch, während ich mich über ihn beugte. Als ich seinen Hals küsste, merkte ich, wie sich eine Gänsehaut bildete und er leicht zuckte, während ich ihn streichelte. „Du kleiner Genießer“, säuselte ich in sein Ohr und wieder küsste ich seine Lippen und bekam einfach nicht genug davon. Paul öffnete seine Augen und ein süffisantes Grinsen lag auf seinen Lippen. Ohne ein weiteres Wort öffnete er seine Beine ein wenig mehr für mich. Ich griff nach dem Kondom und dem Gleitgel und war überrascht, als Paul mir das Kondom aus der Hand nahm. Er öffnete es, mit einem zufriedenen Lächeln setzte er sich auf und strich mit seiner Hand über mein erregtes Glied. Wohlig keuchte ich auf und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Ein paar Mal, wiederholte er sein Tun, bevor er mir das Gummi überzog. Ich verteilte das Gleitgel an seinem Eingang und da ich nicht wusste, wann er das letzte Mal einen Mann so an sich herangelassen hatte, versenkte ich erst einen Finger in ihm. Denn das Letzte, was ich wollte, war ihm wehzutun. Ein Zittern erfasste den Körper des Mannes und ich glaubte, mich richtig entschieden zu haben. Doch ich konnte es nicht lassen und schob leicht einen zweiten hinzu, denn die Lust übermannte mich. Leise keuchte der Mann unter mir auf und ich sah, wie sich eine Gänsehaut über seinen Körper ausbreitete. „Schon länger her“, fragte ich leise und bewegte rhythmisch die Finger in der Enge des Mannes vor mir. Er nickte nur und seine Augen fingen meinen Blick ein. „Ich mach das meistens“, keuchte er und drückte seine Hüfte meinen Finger entgegen. Ich glaubte ihn zu verstehen. Er selbst ließ sich wohl nicht so häufig die Führung abgeben, doch davon hatte ich gerade nichts gemerkt. Ich spürte die kleine Erhebung in seinem Inneren und drückte leicht gegen die Prostata. Lauter als vorher keuchte er auf und zuckte merklich zusammen. Seine Hände krallten sich in meinem Arm. Doch ich selbst spürte, dass ich mehr wollte und so zog ich die Finger zurück und griff erneut nach dem Gleitgel. Endlich konnte ich in seine Enge eindringen und dank des Gleitgels war es für ihn und für mich unglaublich erregend und kein bisschen schmerzvoll. Leise stöhnte ich auf und auch Paul keuchte erregt unter mir und seine Hände krallten sich an meinem Rücken fest. Über die Schulter bis hinunter zur Brust kratze er mich leicht und eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper. Mein Puls überschlug sich und leise stöhnte ich auf. Unsere Blicke trafen sich und intensiv schien der Augenkontakt zu sein. Intensiver als ich selbst annahm. Ich konnte nicht wieder stehen und beugte mich hinunter und küsste die leicht geöffneten Lippen des Mannes. Wie gut er schmeckte! Ich stieß rhythmisch, aber nicht wie ein Berserker zu. Meine Atmung beschleunigte sich und ich spürte die ersten Schweißtropfen auf meiner Haut. Immer wieder erzitterte Paul und drückte sich gegen mich. „Oh ja“, murmelte er leise und legte seine kräftige Hand auf mein Gesäß. Er drückte zu und ließ mich lustvoll aufstöhnen. Erneut beugte ich mich zu ihm und küsste ihn leidenschaftlich, während ich in ihn stieß. Pauls Hände krallten sich fast schon ein wenig schmerzhaft in mein Gesäß und verstärkte so den Rhythmus den ich vorgab. Etwas härter begann ich in den Körper zu stoßen und ich genoss es, ihn unter mir stöhnen zu hören. Sein Geruch in meiner Nase ließ mich weiter in den Rauch der Lust fallen. Es war gerade wie eine Droge! Immer wieder erbebte sein Körper unter mir. Meinen Lippen entwichen immer wieder Laute der Lust. Ich keuchte und mein Puls begann in meinen Ohren zu rauschen. Auch ich fing an zu zittern und auf meinem Körper bildete sich ein Schweißfilm. Je nachdem, wie ich zustieß schien ich seine Prostata besser oder schlechter zu stimulieren. Als ich merkte, wie er bei einer Position immer wieder zuckte, versuchte ich genau diesen Punkt immer und immer wieder zu treffen. Ich spürte, dass ich nicht mehr lange durchhielt und nach zwei, drei kräftigen Stößen ergoss sich mein Sperma in das Kondom. Meine Hand glitt zu seinem Glied und strich über das harte Fleisch. Ich glitt mit der Hand daran entlang und strich mit der Fingerspitze über die empfindliche Spitze. Erneut stöhnte der trainierte Mann unter mir auf und drückte sich mir entgegen. Es dauerte keine 10 Sekunden, bis er kam und sein Sperma auf meiner Hand verteilte. Lustvoll sahen wir einander in die Augen und zufrieden war sein Blick. Wir lagen nebeneinander und unser beider Atmung ging sehr schwer. Ich strich über seine Brust und blickte hinunter zu der Prothese. Sie störte mich nicht. Ja, es war für den Anfang komisch zu sehen, doch ich glaubte, dass ich mich schnell daran gewöhnen könnte. Ich blickte auf meinen Wecker und sah, dass es bereits halb zehn war. Ich war froh, dass Madeline wohl friedlich am Schlafen war, denn gerade irgendwo aufzuhören, weil sie kam, wäre mir schwer gefallen. „Paul, nimm das nicht böse“, begann ich leise und lehnte mich auf meinen Arm, „Ich glaube, es wäre besser, wenn du gleich gehen würdest. Und das hat nichts damit zu tun, dass ich dich nicht gerne hier habe. Ich will es für Madeline einfach nicht überstürzen. Ihr Vater stand schon vor der Tür und hat ihr beschissene Sachen gesagt, da will ich ihr nicht noch mehr zum Nachdenken geben.“ Unschlüssig sah Paul mich an und tatsächlich wirkte er wenig zufrieden. „Aber ich kann doch einfach als Freund hier gepennt haben“, meinte er und verführerisch streichelte seine Hand über meinen Rücken. Genießerisch schloss ich die Augen und genoss es, die warme Hand auf meinem Körper zu spüren. Ich hätte so einfach und so schnell einschlafen können, doch ich schüttelte den Kopf. „Nein, wirklich Paul. Sie ist nicht dumm und es wäre einfach besser“, erwiderte ich schwerfällig und stemmte mich mit den Armen auf. Ich grinste ihn an und drückte meine Lippen fest auf die Seinen. Wieder stieg mein Puls an und als ich mich von ihm löste, grinste ich ihn scheel an. „Du machst mich wahnsinnig“, raunte ich und strich durch seine dunklen Haare. „Ich will dich morgen gerne wieder sehen“, meinte ich schmunzelnd und sofort nickte Paul. Gelöst sah er mich an und ich merkte, dass es ihm gut tat, dass alle Geheimnisse auf den Tisch gekommen waren. Er strich mir über die Wange und leicht lächelnd meinte er: „Okay. Ich koch dann. Kann ja nicht nur Tütenessen geben… Hey Richie, ich bin froh, dass wir es versuchen, wirklich.“ Ich drückte ihn weg von mir und gespielt empört sagte ich: „Das kann sich schnell ändern, wenn du mich weiter Richie nennst.“ Leise lachend strich er mir einige der schwarzen Strähnen aus dem Gesicht. Frech grinste mich Paul an und meinte: „Ich finde, dass klingt besser, wie Rick. Vielleicht wird das ja mein Spitzname für dich.“ Ich verdrehte grummelnd die Augen, drückte ihn einfach weg von mir und meinte mit gespielt kühler Stimme: „Du wolltest gehen, habe ich dich richtig verstanden?“ Leise lachend drehte sich Paul auf die Seite und griff nach seinen Klamotten. „Wann soll ich morgen eigentlich wieder da sein?“, fragte er schmunzelnd und ich beobachtete, wie er die Hose über seine Prothese zog. Auch ich erhob mich langsam und zog mir eine Boxer über. „Ich habe morgen den Termin im Jugendamt…“, begann ich zu erklären und klang wenig begeistert, „Ich weiß nicht. Vielleicht so gegen halb fünf? Der Termin ist, glaub ich, um zwei oder drei und danach mache ich auf jeden fall Feierabend. Wie Paul erhob ich mich von dem Bett und streckte meine Glieder. Es knackte leicht und ich spürte deutlich, dass der komplette Tag sehr anstrengend war. „Okay. Vielleicht komme ich auch erst gegen fünf. Morgen mache ich mal Pause mit meinem besten Kumpel. Und mach dich nicht verrückt wegen des Termins morgen. Dass wird sicher nur halb so schlimm, wie du befürchtest“, versuchte er mir Mut zu machen. Ich schmunzelte leicht und nickte, während wir, nachdem Paul sich gänzlich angezogen hatte, nach unten gingen. Ich drückte den Mann wieder an mich und er stahl sich frech einen Kuss von mir. „Bis morgen… Und hey, ich find es toll, dass wir es versuchen“, meinte er leise und ich konnte nur strahlend nicken. Kapitel 17: Beim Jugendamt -------------------------- Ungeduldig tippte ich mit den Fuß auf den Boden und verschränkte die Arme vor der Brust. Pünktlich war ich von der Arbeit aufgebrochen und war nun endlich im Jugendamt angekommen. Phil hatte mir geschrieben, dass ich mich dringend bei ihm melden sollte. Er mache sich Sorgen um mich, schließlich hatte ich ihn vor meiner Reise nach Arizona angerufen und mich danach nicht weiter bei ihm gemeldet. Auch wusste er nicht, dass ich heute den Termin hier hatte, noch wusste er von Brian. Jedoch hatte Paul sich gemeldet und mir gesagt, ich sollte ruhig und besonnen bleiben. Ich hatte geschmunzelt als ich die Nachricht gelesen hatte. Er hatte sich tatsächlich die Zeit genommen um daran zu denken. Etwas, was mich wirklich sehr freute und den Knoten in meiner Brust zu lockern schien. Kurz betrachtete ich das Bild des Mannes um mich abzulenken, doch gerade wollte es nicht so richtig funktionieren und obwohl seine Worte mich erfreuten, wirklich Einfluss auf meine Gefühlslage hatten sie nicht. Ruhig und besonnen, wenn er wüsste. Ich war alles, aber sicher nicht ruhig und besonnen. Hier ging es schließlich um mein Kind. Doch ich wusste, dass er auch Recht hatte. Nun in Panik zu verfallen wäre schließlich auch nicht schlau. Wie man Vernünftig reagieren sollte in so einer Situation, dass wusste ich selbst nicht genau. Meinen Blick schweifen lassend, sah ich mich auf dem Flur um. Überall an den Wänden hingen Bilder oder Poster. Ein schwarz weißes Poster zeigte ein Kind, welches traurig in die Kamera blickte, während ihre Mutter es auf dem Arm hielt. Ein roter Schriftzug zierte das Bild und darauf stand: „Auf der Straße, haben sie Angst um ihr Kind. Zuhause haben ihre Kinder Angst um sie.“ Darunter war das bekannte Zeichen einer christlichen Hilfsorganisation. Ich blickte weg von diesem Bild und sah eine Spieleecke für kleine Kinder und einige Malbücher. Meine Augen wanderten auf meine Armbanduhr. Eigentlich hätte ich bereits vor fünf Minuten meinen Termin gehabt und endlich wurde die Tür geöffnet. Eine Frau, ich vermutete ungefähr in meinem Alter, ließ mich eintreten. Sie war nicht schlank und auch nicht dick. Sie trug die blonden Haare zusammengebunden und eine moderne Brille auf der Nase. „Mr. Prescot“, grüßte sie mich höflich und reichte mir die Hand. Wir schüttelten einander die Hände und auch ich grüßte die Sozialarbeiterin. Es war nicht dieselbe, welche mir damals vor drei Jahren geholfen hatte. Diese war deutlich älter gewesen. Wir setzten uns an einen Tisch und ich ließ meinen Blick durch das Büro gleiten. Es hingen einige Spruchkarten herum. Einige zum Motivieren und einige sicherlich aus humorösen Gründen. Hinter ihrem Schreibtisch sah ich einen Aktenschrank. Er war ziemlich voll und einige Akten lagen auf ihrem Schreibtisch. Einige waren sehr dick, doch alle lagen so, dass ich den Namen nicht erkennen konnte. Freundlich lächelnd setzte sich Mrs. Brown mir gegenüber und legte einen Block zwischen uns auf den Tisch. „Wir hatten ja schon am Telefon besprochen, weswegen Sie zu mir kommen sollten“, begann sie das Gespräch und ich sah, wie sie oben das Datum eintrug, „Ich werde mir nur Notizen zu dem Gespräch machen, damit ich nichts wichtiges vergesse.“ Ich nickte nur, dass kannte ich selbst von meiner Arbeit, nur war es ein seltsames Gefühl, dass ich nicht aufschrieb was gesagt wurde, sondern ich rezitiert wurde. „Okay“, meinte ich und nervös wippte mit dem Fuß auf den Boden herum. Ich kramte kurz in meiner Aktentasche herum und holte das Schreiben des Gerichtes heraus, welches ich in der Post hatte. Zu dem Papier blickend sprach Mrs. Brown: „Ich habe das gleiche Anschreiben erhalten wie Sie. Sind ihnen meine Aufgaben und meine Funktion vertraut? Ich weiß ja, dass sie Rechtsanwalt sind.“ Ich nickte wage und erklärte sofort: „Jein. Ein wenig weiß ich, aber ich bin nicht als Familienanwalt tätig. Deswegen wäre es wirklich nett, wenn Sie mir erklären, warum das Jugendamt sich jetzt einmischt.“ Höflich nickte Mrs. Brown und freundlich, aber auch geschäftig erklärte sie: „Na klar. Ich bin ihre Bezirkssozialarbeiterin und deswegen sitzen wir hier in meinem Büro. Neben dem Wächteramt, werden wir eingeschaltet, wenn es zu familiengerichtlichen Angelegenheiten kommt. Dazu zählen Umgangsangelegenheiten, Sorgerechtstreitigkeiten oder auch Umgangsvereinbarungen.“ Ich nickte und aufmerksam hörte ich ihr zu. Ich strich mir leicht über das Kinn und richtete mich gerade auf. Wie immer, wenn es um ernste Angelegenheiten ging. „Sie sagten ja schon, dass mein Ex-Mann bei ihnen war“, sagte ich mit gerunzelter Stirn und blickte Mrs. Brown in die Augen. Sie nickte nur und meinte dann erklärend: „Ihr Mann, Entschuldigung, Ex-Mann, hat über seinen Anwalt beantragt, dass er das alleinige Sorgerecht für Madeline haben möchte. Ich hatte mich mit ihm und seiner Lebensgefährtin gestern getroffen. Jetzt treffe ich mich mit Ihnen und wenn es möglich wäre, würde ich gerne das nächste Treffen gemeinsam organisieren.“ Ich biss die Zähne wütend zusammen. Ich wollte mich nicht mit ihm treffen. Auch nicht hier. Könnte er nicht einfach wieder verschwinden?! Das war doch das, was er offensichtlich am besten konnte! „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, meinte ich ausweichend. Mrs. Brown nickte leicht und schob eine grüne Akte zu sich. Ich sah in der Ecke den Namen meiner Tochter geschrieben. Es war keine dicke Akte, doch natürlich war damals eine angelegt worden. „Ich habe mir ihre Akte durchgelesen, Mr. Prescot“, erklärte sie und blätterte zu einem verfassten, kurzen Bericht, „Sie haben damals unsere Hilfe aufgesucht und ich weiß aus den Berichten, dass die Trennung zwischen ihnen Beiden alles andere als harmonisch über die Bühne gegangen ist. Das hat auch ihr Ex-Partner bestätigt.“ Zornig blickte ich die Frau an. Sie kannte mich nicht, sie kannte Madeline nicht und sie kannte die verdammte Situation von damals nicht, also brauchte sie auch nicht so zu tun, als sei es ihr geläufig. „Ich werde mir mein Kind nicht wegnehmen lassen“, fuhr ich sie gereizter an, als ich es eigentlich wollte. Doch ich schaffte es kaum, Professionalität zu wahren. „Weder von Ihnen noch von meinem Ex!“ Sie schrieb etwas auf den Zettel, was genau, konnte ich nicht lesen. Höflich sah sie mir ins Gesicht und beschwichtigend hob sie die Hände: „Mr. Prescot, ich versichere Ihnen, das werde ich nicht machen. Ja, ich soll eine Stellungnahme schreiben und diese dem Gericht zukommen lassen. Doch ich kann Ihnen sagen, dass ich keine Veranlassung sehe, warum Madeline ihren Lebensmittelpunkt wechseln soll. Sie leben schon immer mit ihr zusammen und sind ihre Bezugsperson. Sie aus ihrem Haushalt in den Haushalt einer ihrer unbekannten Person wechseln zu lassen, wäre dem Kindeswohl nicht dienlich. Es gibt keine negativen Bemerkungen von Seiten des Kindergartens und Sie haben sich bereits Hilfe gesucht, als es Probleme gab. Ich sehe Madeline, obwohl ich sie nicht kenne, bei Ihnen gut aufgehoben. Das werde ich dem Gericht auch so mitteilen und das habe ich ihrem Ex-Mann auch so gesagt. Für mich geht es hier um eine Umgangseinigung.“ Während ich der Sozialarbeiterin lauschte beruhigte es mich und machte mich zugleich wütend. Mir war bewusst, dass Brian keine Chance hatte, das alleinige Sorgerecht zu bekommen, doch ich war mir sicher, dass es ihm nur darum ging Madeline wieder zu sehen. „Ich will nicht, dass Madeline ihn kennen lernt. Sie hat einen Vater“, raunte ich und merkte selbst, dass ich gerade pampig klang. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und blickte stur auf die Sozialarbeiterin, welche sich erneut Notizen machte. „Mr. Prescot“, begann sie und ich war fast erstaunt, wie ruhig sie blieb, „Sie sind beide Eltern. Sie und Mr. Nolan. Ja, es ist ungewöhnlich, auch für mich, dass es sich in diesem Fall um zwei Väter handelt. Allerdings, kann ich Sie deswegen nicht anders behandeln, als andere Eltern. Sie haben sich gemeinsam entschieden, eine Familie zu gründen und im Falle einer Scheidung haben alle Eltern dieselben Rechte. Egal, ob es sich dabei um zwei Mütter, oder zwei Väter oder eine Mutter und einen Vater handelt. Mr. Nolan hat das Recht, Besuchskontakt zu seiner Tochter zu haben, auch wenn er kein Sorgerecht innehat.“ Wütend biss ich mir auf die Lippe. Sie hatte Recht damit, dass ich wegen meiner Homosexualität keine Sonderstellung bekommen sollte, aber ich wollte eine, in diesem Augenblick. Doch wenn dies so gesetzlich war, dann war es so. Doch es machte mich wütend. Ich wollte einfach nicht, dass Madeline ihn kennen lernte. „Ich würde diese Angelegenheit gerne in einem gemeinsamen Termin besprechen und schauen, ob wir eine Übereinkunft treffen können“, sagte Mrs. Brown weiter. Ich konnte mir nicht vorstellen, mit Brian in einem Raum zu sitzen. Und wenn ich mir vorstellte, dass es dann darum ging, dass besprochen werden sollte, wann er Madeline sehen kann, hätte ich kotzen können. „Ich kann es mir ja mal überlegen“, raunte ich zornig und presste die Lippen aufeinander, „Hat Ihnen Bri- Mr. Nolan eigentlich gesagt, dass er der Meinung sei, dass ich wegen meiner Homosexualität kein Kind erziehen sollte?“ Wieder notierte sich die Frau etwas auf ihrem Block und nach einem Augenblick sagte sie: „Das hat er. Und ich sage Ihnen das gleiche, was ich Mr. Nolan auch gesagt habe. Ich sehe darin keine Kindeswohlgefährdung, oder etwas was rechtfertigt, dass dies ein Garant für eine schlechte Erziehung ist. Ich meine, schauen sie sich den Aktenberg hinter mir an. Ich kann Ihnen versichern, da sind glaube ich keine einzigen Homosexuellen dabei.“ Ich wusste nicht, ob mir Mrs. Brown sympathisch war oder nicht. Doch sie schien wirklich objektiv an die Angelegenheit heranzugehen, etwas, worüber ich ziemlich froh war und auch ein wenig verblüfft. Sie blickte mir in die Augen und schien zu sehen, dass ich verwundert schien. Sie grinste kurz und sagte: „Mr. Prescot… Ich bin auf keiner Seite. Ich bin kein Rechtsanwalt. Mich interessiert nur, dass es Ihrer Tochter gut geht. Ich werde, wenn Sie oder Mr. Nolan mich fragen, immer auf der Seite ihres Kindes sein. Darf ich fragen, was Madeline alles über Mr. Nolan weiß?“, wollte sie wissen und ich blieb einen Augenblick lang stumm. Nachdenklich kratze ich mir an der Stirn und meinte nach einigen Augenblicken: „Sie kennt ihn von zwei Bildern und sie weiß, dass er uns verlassen hat, als sie klein war.“ Wieder notierte sich Mrs. Brown meine Worte und als sie mich fragte, wie ich ihr das erklärt habe antwortete ich: „Ich… Ich habe es ihr gar nicht erklärt. Als sie mich mal fragte, habe ich immer gesagt, dass ich dies auch nicht wisse. Das ist noch nicht so lange her. Ich wollte nicht, dass sie glaubte, sie sei Schuld daran.“ Freundlich lächelte mich die Sozialarbeiterin an und schrieb eifrig meine Sätze, stichpunktartig mit. „Das ist sehr gut. Das ist ja fast schon vorbildlich“, meinte sie fast schon eine Spur zu fröhlich. Doch vermutlich hatte sie hier ständig Paare sitzen, welche ihren Streit über ihre Kinder austrugen. „Hat er Ihnen auch gesagt, dass er letztens vor unserer Tür stand und Madeline gesagt hat, dass er sie mitnehmen möchte“, meinte ich mit ruhiger und doch grimmiger Stimme. Leicht nickte sie und notierte sich wieder etwas, bevor sie auf das Gesagte einging. „Ja“, meinte sie ruhig, „Dass hat Mr. Nolan. Darf ich fragen, wie dies abgelaufen ist?“ Sofort berichtete ich der Frau, wie Brian plötzlich und für mich vollkommen unerwartet vor der Tür stand. Ich schilderte, wie grauenvoll ich dies fand und das er Madeline ziemliche Angst gemacht hatte. Zustimmend nicke Mrs. Brown und sagte: „Sowas kann ich auch nicht gut heißen. Das habe ich Mr. Nolan und seiner Lebensgefährtin auch so gesagt. Wie hat Ihre Tochter das eigentlich verkraftet?“ Sofort berichtete ich ihr, wie ängstlich und eingeschüchtert meine Tochter war. Ich erzählte, wie sie in meinem Bett schlafen wollte und auch am Wochenende sich immer wieder darüber Gedanken gemacht hatte. All dies schien sich Mrs. Brown zu notieren und leicht nickte sie, während meiner Erzählung. Ich glaubte zu sehen, dass sie nicht besonders zufrieden damit war, was ich ihr erzählte und ja, dieses Wissen erfreute mich! Denn für mich hieß es, Brian hatte Scheiße gebaut! Ich konnte mir einen weiteren Seitenhieb auf Brian einfach nicht verkneifen. „Er hat die Familie damals verlassen, weil er enttäuscht war, dass ich Madelines biologischer Vater bin“, sagte ich und verblüfft blickte mich Mrs. Brown an. Also hatte Brian diese Kleinigkeit unter den Tisch fallen gelassen. Ich konnte mich selbst nicht anlügen, ich fand es klasse, dass ich einen weiteren Joker ausgelegt hatte. „Aha“, kam es von ihr und erneut schrieb sie meine Sätze auf. „Und ich will auch nicht, dass man Madeline eintrichtert, das es unnormal sei, wie ich, wie wir leben“, meinte ich und dachte kurz an Paul. Sollte es wirklich ernst werden, würde sie schließlich bald wissen, dass er nicht nur ein Freund war. Erneut nickte sie und fragte nach: „Wie kommen Sie darauf?“ „Mr. Nolan war vor wenigen Wochen in meinem Büro mit seiner neuen Freundin. Er meinte, dass es nicht normal sei und dass er Madeline nun zeigen wolle, was eine richtige Familie sei. Auch scheint er total christlich geworden zu sein. Als ich ihn rausschmiss, sagte er, dass Pastor Keine Ahnung und Gott auf seiner Seite ständen“, sagte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust. Erneut schrieb Mrs. Brown meine Aussagen mit. „Es ist aber nicht verwerflich, oder gefährdend, einem Kind den christlichen Glauben zu zeigen“, meinte sie und ernster, als ich dachte sah sie mich an. Doch ich kannte diese Frau nicht und wusste schließlich nicht, wie sie zum Glauben stand. „Das meinte ich damit auch nicht“, raunte ich und erklärte: „Ich will einfach nicht, dass er über diesen Weg versucht Madeline zu sagen, dass es falsch sei, dass ich schwul bin. Ich finde es persönlich auch einfach nur heuchlerisch so etwas zu sagen. Wir waren schließlich fast zehn Jahre zusammen gewesen.“ Sie nickte nur, doch sagte sie nichts zu meiner Aussage. Natürlich nicht. Sie musste schließlich neutral bleiben. „Könnten sie sich vorstellen…“, begann sie nach einem Augenblick zu fragen, „…gemeinsam mit ihrem Ex-Mann eine Familientherapie aufzusuchen?“ Familientherapie? Davon hatte ich noch nie gehört. Als ich ihr dies sagte, erklärte Frau Brown: „In der Familientherapie werden positive Veränderungen der Beziehungen zwischen allen Beteiligen angestrebt. Also Sie, ihr Ex-Mann und Madeline. Dabei werden Themen wie Kommunikation und Familiendynamiken besprochen. Man soll lernen, Empathie füreinander zu gewinnen und auch Verständnis. Man kann während dieser Therapie vergangenes aufarbeiten und unter fachlicher Führung diese Gespräche angehen. Auch, wenn es Familientherapie heißt, kann es auch bereits getrennt lebenden Eltern helfen.“ Unschlüssig sah ich sie an und runzelte die Stirn. Ich wollte gar nicht so viel mit Brian machen! „Wir sind aber keine Familie“, meinte ich und erneut stellte ich fest, dass ich äußerst pampig klang, „Also ist das ja nicht nötig.“ Höflich lächelte mich Mrs. Brown an und sagte jedoch: „Sie und Mr. Nolan haben eine gemeinsame Tochter. Egal, ob er da war oder nicht, er ist ein Elternteil ihres Kindes und dementsprechend ein Teil der Familie ihrer Tochter.“ Natürlich, hatte diese Frau Recht, doch ich wollte nicht, dass sie Recht hatte. Als sie mich erneut fragte, ob ich mir so eine dämliche Therapie vorstellen könnte, zuckte ich unwissend mit den Schultern. „Weiß ich nicht“, sagte ich ehrlich und fügte hinzu, „Das kann ich nicht einfach so entscheiden.“ Sie nickte und schrieb sich erneut meine Antwort auf. „Wie wäre es, wenn wir uns einfach zu dritt treffen. Nur ich, ihr Ex-Mann und Sie und dann besprechen wir hier gemeinsam, wie es weiter gehen kann. Außerdem, würde ich Sie gerne mal Zuhause besuchen, um ihre Tochter kennen zu lernen.“ Ich wusste, dass ich eigentlich eh keine andere Wahl hatte und so nickte ich wiederwillig. „Meine Tochter ist zwar bald vier aber sie kann ihnen noch keine vernünftigen Antworten sagen“, meinte ich ruhig und sofort nickte Mrs. Brown. „Dessen bin ich mir auch bewusst“, meinte sie ruhig und erklärte, „Es gehört trotzdem dazu, sie und ihre Tochter einmal zu besuchen, für meinen Bericht.“ Ruckartig nickte ich, wenn sie es musste, sollte sie es machen, schließlich hatte ich nichts zu verheimlichen. Sie holte einen Kalender aus der Tasche und ich öffnete im Handy den meinen. Schließlich sollte ein Termin gemeinsam mit Brian gefunden werden. Ich war fast schon erleichtert, dass ich erst in zwei Wochen wieder hier hin sollte. Doch es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass ich dann Brian gegenüber sitzen würde. Es war gerade mal halb fünf, als ich im Kindergarten ankam. Seit dem Gespräch im Jugendamt hatte ich ein komisches Gefühl im Magen. Was es war, konnte ich nicht beschreiben. Schwer atmete ich durch, drückte die Klinke hinunter und betrat die Einrichtung. Ich sah einige Kinder und Eltern im Flur stehen. Viele kannte ich kaum oder nur von diesen komischen Elternabenden. Ich nickte ihnen höflich zu und ging in den Gruppenraum. Ich sah Madeline am Maltisch sitzen, alleine und auf ihr Bild konzentriert. Ihre Haare waren, anders wie noch am Morgen, zu einem schönen und gleichmäßigen Zopf geflochten. Anna kam auf mich zu und begrüßte mich höflich. „Haben Sie noch einen Moment?“, wollte sie ruhig wissen und da Madeline mich noch nicht bemerkt hatte, nickte ich. Ich folgte der Kindergärtnerin wieder in den Flur und etwas abseits fragte sie: „Ist Zuhause irgendetwas passiert? Madeline erzählte irgendetwas mit ausziehen und sie weiß nicht, ob Sie mitkommen oder nicht. Keiner hat es wirklich verstanden.“ Ein tiefes und ein wenig frustriertes Seufzen entkam meinen Lippen. Ich schüttelte leicht den Kopf und ruhig aber auch ehrlich sagte ich: „Ihr Vater war da und hat ihr gesagt, dass sie vielleicht bei ihm wohnen solle. Wir haben da gerade ein wenig Probleme. Ich werde aber mit ihr sprechen. Natürlich wird sie bei mir wohnen bleiben. Es gibt keinen Grund, warum sie zu meinem Ex-Mann ziehen sollte.“ Anna nickte leicht und mitleidig sah sie mich an. Sie kannte meine Geschichte und vermutlich fand sie es genauso schlimm wie ich, nun einfach wieder bei dem Kind aufzutauchen Sie schüttelte den Kopf und meinte: „Na gut, dann weiß ich Bescheid. Ich hoffe, Sie haben jetzt nicht noch mehr Stress. Wenn sie hier noch mal so etwas sagt, werden wir einfach sagen, dass sich für sie nichts ändert.“ Freundlich nickte ich der Erzieherin zu und bedankte mich höflich bei ihr. „Ja, dass wäre wirklich gut. Für Madeline wird sich auch nichts ändern und wenn, nicht von jetzt auf gleich.“ Verstehend nickte mir Anna zu und entließ mich aus diesem kurzen Gespräch. Erneut betrat ich den Raum und sah meine Tochter genau dort, wo ich sie zuletzt gesehen hatte. Immer noch zeichnete sie und langsam und leise ging ich zu ihr. Als ich mich neben ihr nieder ließ, blickte sie mich mit große Augen an. Ein Lächeln glitt über ihr hübsches Gesicht und fröhlich rief sie: „Du hast dich angeschlichen!“ Leise lachte ich nur und nickte. Ich blickte auf ihr Bild und sah viele Farben auf dem oberen Ende des Blattes, vermutlich ein Regenbogen. „Schön“, meinte ich und gab ihr einen Kuss auf die Wange, „Und? Sollen wir langsam nach Hause? Und wer hat dir die Haare so schön gemacht?“ Ich strich ihr über den geflochtenen Zopf und sofort erklärte Madeline: „Niki, die arbeitet hier für ein wenig.“ Skeptisch überlegte ich, was Madeline damit meinte. „Aha“, meinte ich ruhig und entschied mich, nicht weiter nachzufragen. Wenn ich die neue Mitarbeiterin kennen lernte, dann würde ich sie sicherlich zu Gesicht bekommen. Ich nahm das unfertige Bild mit und zog Madeline Schuhe und Jacke an, bevor wir nach draußen gingen. Ich ließ sie ihren Rucksack tragen und endlich fuhren wir nach Hause. Müde strich ich mir über meine Augen und atmete schwer durch. Meine Gedanken flogen dahin und automatisch gab ich Gas, kuppelte und bremste. Immer noch war ich bei dem Gespräch mit der Frau vom Jugendamt. Wenn Brian Besuchskontakte bekommen würde, wie würde dies ablaufen? Würde sie dann nicht irgendwann dort übernachten? Könnte ich mir das überhaupt vorstellen? „Bist du traurig“, hörte ich plötzlich hinter mir die Stimme meiner Tochter. Verwirrt blickte ich in den Rückspiegel und bemerkte, dass ihre grünen Augen mich besorgt musterten. Ich wollte unter keinen Umständen, dass sie sich Sorgen um mich machte! Das war nicht ihre Aufgabe und das sollte es auch nie werden! Ich schüttelte den Kopf und erklärte: „Der Tag war einfach etwas stressig. Ich hätte einfach viel lieber noch frei gehabt.“ Tatsächlich war es mir heute Morgen schwer gefallen aufzustehen. Ich war sehr müde und wäre sehr gerne weiter liegen geblieben. Unsicher nickte Madeline und ich war mir unschlüssig, ob sie mir glaubte oder nicht. Ich versuchte abzulenken und meinte: „Paul kommt heute und will kochen. Mal schauen wie es so schmeckt.“ Sie nickte und fragte, was er kochen wollte. Unwissen zuckte ich mit den Schultern und erklärte, dass ich das nicht wisse. Der Verkehr zog sich, doch eigentlich achtete ich kaum darauf. „So viele Autos“, meinte ich ruhig und seufzte genervt auf. Zustimmend nickte Madeline und immer noch wirkte sie nachdenklich. Ich hasste es, dass sie sich so viele Gedanken machte. Ich hasste es, dass sie von Brian mitbekommen hatte, dass er wieder aufgetaucht war und ich hasste es, dass ich unsicher war, wie ich mit ihr umgehen sollte. Endlich bogen wir in die Straße ein, in der wir wohnten und als ich mit Madeline unserer Haus betrat, verließ ein erleichtertes Seufzen meine Lippen. Madeline setzte sich auf die unterste Treppenstufe und zog gerade ihre Schuhe aus. Ich hängte den Schlüssel an mein Schlüsselbrett und setzte mich neben meine Tochter. „Hey, Madeline…. Anna hat mir gerade gesagt, dass du im Kindergarten gesagt hast, dass du Sorge hast, dass du ausziehen musst. Stimmt das?“, fragte ich vorsichtig und legte meinen langen Arm um ihren Körper. Ich zog sie an meine Seite und ich hoffte, dass mein Lächeln sie ermutigen würde zu sprechen. Unsicher sah sie mich und ich streichelte über ihren Arm, während ich sie lieb an mich drückte. Sie schwieg und ich glaubte, dass ihr die Worte einfach fehlten. Sie sah hinunter auf ihre Hände und erneut überkam mich eine riesen Wut auf Brian. „Hey Mäuschen“, sagte ich leise, „Schau mich an.“ Langsam hob sich der Blick meiner Tochter und unsicher sahen ihre grünen Augen in die Meinen. „Niemals, werde ich hier wegziehen und schon gar nicht ohne dich. Glaub mir Madeline. Du bist das Wichtigste in meinem Leben. Dich würde ich niemals hergeben“, sagte ich aufrichtig und sehr ehrlich zu ihr und konnte nur hoffen, dass sie mir das auch glaubte. „Nicht mal deine Arbeit?“, fragte sie und was genau sie damit meinte, wusste ich nicht. Doch ich glaubte zu verstehen. Ich schüttelte den Kopf und erklärte weiterhin mit ruhiger Stimme: „Nicht einmal meine Arbeit ist mir so wichtig, wie du. Und wenn Brian hier wieder ist und so einen Blödsinn redet, brauchst du wirklich keine Angst zu haben. Wir sind doch ein Team.“ Aufmunternd schaute ich sie an und erneut blickte meine Tochter hinunter auf den Boden. „Ich finde es einfach gemein, dass er so etwas sagt“, meinte sie leise und ich sah, wie sie sich leicht auf die Lippen biss. Ich strich ihr über den Kopf und meinte leicht lächelnd: „Das ist auch nicht nett und das gehört sich auch gar nicht, da hast du Recht.“ Erneut schwieg Madeline, doch was erwartete ich auch von einem kleinen Kind? Sie konnte gut sprechen, doch es brauchte noch einige Zeit, bis sie für alle ihre Gefühle die passenden Worte finden konnte. „Vielleicht kannst du ja dein Bild weiter malen“, schlug ich vor und lächelte sie leicht an. Langsam stand ich von der Treppe auf und holte das Bild hervor, welches sie im Kindergarten begonnen hatte. Stumm nahm sie es entgegen und fragte: „Darf ich das in der Küche zu Ende malen?“ Ich zog mir gerade meine Schuhe aus und nickte Maddy zu und fügte der nonverbalen Aussage hinzu: „Aber hol bitte eine deiner Unterlagen von oben, ja?“ Endlich schlich sich wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht und fröhlich lief sie nach oben. Betrübt blickte ich ihr nach, ich hätte nie gedacht, was das alles anrichten würde, bei meiner Tochter. Kapitel 18: Die Karten die das Schicksal uns zuschob ---------------------------------------------------- Madeline malte ihr Bild am Küchentisch zu Ende und ich rief in dieser Zeit Phil an. Ich wollte schließlich nicht, dass er sich Sorgen machte. Und so, wie er am Telefon klang, hatte er sich diese durchaus gemacht. Während wir redeten, verließ ich das Zimmer und verschwand in mein Schlafzimmer. Madeline selbst schien viel zu vertieft in ihr Bild zu sein. Ehrlich berichtete ich in kurzen und knappen Sätzen was geschehen war. Zu lange wollte ich mich auch nicht hier oben im Schlafzimmer verschanzen. Ich erzählte von Brian und wie er Madeline Angst gemacht hatte und ich erzählte von meinem Fehler mit Paul. Phil war sehr sauer darauf, was Brian gemacht hatte. Dies könne man schließlich nicht machen. Sofort fragte er nach Maddy und ich sagte ihm, dass ich nicht genau abzuschätzen wusste, wie sie diese beängstigende Situation verkraftet hatte. „Ich muss schauen, immer wenn ich glaube, dass sie das vergessen hat kommt wieder was. Heute auch schon wieder. Sie hat ihm Kindergarten davon gesprochen, dass sie ohne mich umzieht“, erklärte ich genervt und setzte mich auf das Bett. Mein Blick glitt über die Tür zum Badezimmer und blieb an meinen Schränken hängen. Etwas Wäsche lag herum, doch ich hatte gerade keine Lust diese wegzuräumen. Ich merkte, dass ich mich selbst ablenkte und schnell fokussierte ich mich wieder auf das Gespräch mit meinem besten Freund. Ich wollte nicht mehr über belastendes Reden und so sprach ich einfach weiter und berichtete von Paul. „Aber weißt du was! Gestern war tatsächlich Paul hier“, sagte ich schnell und blickte auf die Uhr, denn jeden Augenblick konnte es schon an der Tür klingeln, „Und er will es wirklich versuchen. Kannst du dir das vorstellen? Ich meine, er hat gestern auch schon Madeline kennen gelernt und will heute für uns kochen! Er scheint wirklich vernünftig zu sein.“ Überrascht klang Phil und meinte ehrlich: „Ich hoffe wirklich, dass du Glück hast und dir das Schicksal nicht wieder so böse in die Karten spielt. Aber wenn er sich mit den Gedanken anfreunden kann, dann ist das doch ein gutes Zeichen!“ Zustimmend grummelte ich und als ich es an der Tür klingeln hörte, meinte ich: „Paul ist jetzt gekommen. Ich leg mal auf. Du brauchst dir also keine Sorgen mehr zu machen. Sag mir nur noch schnell, wie geht es Sarah und dem Baby?“ Ich verließ das Schlafzimmer, denn Madeline hatte ich verboten die Tür zu öffnen, wenn es klingelte. Neugierig stand sie bereits im Flur und rief mir zu, dass es geklingelt habe. Schnell nickte ich ihr zu, doch ich wollte hören, was Phil sagte. „Gut. Das Baby ist jetzt schon 45 Zentimeter groß. Jetzt kann soweit nichts mehr passieren“, meinte Phil und der Stolz klang aus seiner Stimme deutlich mit. Ich öffnete die Tür, winkte Paul und wedelte kurz mit dem Handy am Ohr. Natürlich verstand er sofort. Leicht nickend kam er rein und hob die Beutel hoch, um mir zu zeigen, dass er an den Einkauf gedacht hatte. Zufrieden grinste ich und ließ ihn zur Seite treten. Ich schloss die Tür hinter ihm und deutete Paul an, dass er die Einkäufe reinbringen sollte. „Das ist klasse Phil. Dann kann ja nichts mehr schief gehen. Wenn sich was tut, dann sag Bescheid, okay? Und wenn es drei Uhr morgens ist.“ In Ruhe verabschiedete ich mich von Phil und legte auf. Ich folgte den Stimmen und fand Paul gemeinsam mit Madeline in der Küche wieder. „Paul sagt, dass sein Postbote ihm keine Lebensmittel bringt“, meinte sie und grinste mich fröhlich an. Leise lachte ich und zuckte mit den Schultern, als ich zu Maddy sagte: „Siehst du mal, unser schon.“ Überrascht sah mich der Polizist an und fragte: „Wie kann man nur Lebensmittel über das Internet bestellen?“ Wie häufig hatte ich zu Beginn schon diese Frage beantworten müssen? Wissen tat ich es längst nicht mehr. Ich grinste leicht, während ich antwortete: „Na ja, das liegt daran, dass ich so etwas Zeit sparen kann. Aber alles bestell ich darüber auch nicht. Frisches Fleisch schaue ich mir schon gerne vorher an. Hab du mal ein Kind, dann weißt du, wie kostbar Zeit ist.“ Grinsend betrachtete mich Paul und zuckte gelassen mit den Schultern. „Möglich“, sinnierte er gelassen und schmunzelte mich freundlich an. Neugierig betrachtete Madeline die Einkaufstaschen und fragte neugierig: „Was willst du heute kochen?“ Ich sah wie er frisches Gemüse rausholte und er erklärte gut gelaunt: „Ich mache eine Gemüsesuppe.“ Madeline verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf über das was Paul sagte. „Das mag ich nicht“, meinte sie und schüttelte erneut ihren brauen Schopf. Eine Hand auf ihren Kopf legend strich ich ihr sanft durch die braunen Haare, während ich wiedersprach: „Das weißt du doch gar nicht. Du wirst sie auf jeden Fall probieren.“ Unglücklich schauten mich die grünen Augen meiner Tochter an. „Ich will aber nicht“, meinte sie und zog eine Schnute, die mich grinsen ließ. Gelassen zuckte ich mit den Schultern und sagte ruhig: „Du wirst aber. Oder du gehst mal hungrig ins Bett.“ Böse funkelte sie mich an und schaute dann hinauf zu Paul. „Das darf Papa doch gar nicht. Das ist verboten!“, beschwerte sie sich und grummelte vor sich hin. Innerlich lachte ich laut auf, als Paul ihr einfach sagte, dass ich dies als Vater dürfte. Entsetzten zeichnete sich auf dem Gesicht meiner Tochter ab, als sie zwischen uns hin und her blickte. „Eigentlich wollte ich dir ja das Bild schenken, was ich gerade male, aber das bekommst du jetzt doch nicht!“, meinte sie und nahm ihr Bild vom Tisch und rannte, so schnell es ihre Beine erlaubten hinauf. Leise vor mich hin kichernd meinte ich zu Paul: „Oh. Das tut mir aber Leid für dich.... Muss ich dir eigentlich helfen?“ Grinsend nickte Paul und reichte mir etwas Gemüse, welches ich putzen sollte. Unzufrieden seufzte ich und bereitete mit ihm das Essen zu. Ich selbst war auch nicht gerade begeistert von dem was er auftischen wollte. So viel Gemüse war nun auch nicht meins, doch ich wollte Madeline nicht noch einen Grund geben, das Essen nicht zu probieren. Es war eine angenehme Stille, welche sich zwischen uns ausbreitete. Ich war froh, dass er wirklich hier war und ich einen erwachsenen Gesprächspartner hatte, der mich einfach verstehen konnte. Meine Gedanken kreisten und landeten bei dem, was ich heute erleben durfte. Auf das Gemüse blickend, begann ich nach einem Moment zu sprechen: „Das Gespräch heute im Jugendamt war irgendwie… Ich weiß auch nicht. Sie will, dass ich mich mit Brian zusammensetze und das mit ihr zusammen bespreche. Ich habe darauf aber eigentlich keine Lust. Sie will das Madeline hier bleibt, aber Brian Umgang bekommt. So habe ich es jedenfalls verstanden. Und irgendwas mit einer Therapie.“ Ich schaute nicht auf, doch ich wusste, dass Paul mich betrachtete. Den Blick auf meinem Körper konnte ich deutlich spüren. „Hm“, kam es von Paul nachdenklich und nach einem Augenblick sagte er: „Vielleicht ist es auch gar nicht so verkehrt. Ich meine, auch andere Väter hauen mal ab. Versteh mich nicht falsch, das ist einfach Scheiße, aber auch bei denen gibt es dann welche, die es ernst meinen, wenn sie wieder auftauchen. Vielleicht gehört Brian ja dazu.“ Das Gesicht verziehend blickte ich von dem Gemüse hinauf in sein Gesicht. Ich wollte so etwas nicht hören und besonders nicht von diesen Menschen. Er sollte auf meiner Seite sein und nicht rational denken. Mir war bewusst, dass er dies aus einem gänzlich anderen Blickwinkel betrachtete als ich. Doch ich wollte nicht reflektiert darauf schauen, dazu war ich auch einfach nicht in der Lage. „Er ist einfach verschwunden und sie hat einen Vater“, meinte ich ausweichen und verzog meine Lippen, vermutlich sah ich aus wie meine Tochter wenn sie schmollte. „Ach Richie“, meinte Paul und ich war überrascht als ich plötzlich seine Hand auf meinem Rücken spürte. Mir war gar nicht aufgefallen, dass er auf mich zugegangen war, zu sehr war ich mit meinen Gedanken ganz woanders. „Du wirst immer etwas mit diesem Menschen zu tun haben, ob du es willst oder nicht. Nur, weil du schwul bist ist er immer noch der Vater deiner Tochter. Ihr seid beide gleichermaßen Eltern“, sagte er ziemlich ruhig und ich hasste es fast schon, dass er so besonnen an die Sache heranging. Ob ich das irgendwann auch könnte, bezweifelte ich stark. Ich spürte, dass mein Verstand ihm zustimmte, doch mein Herz war gänzlich anderer Meinung. Ich hasste diesen Zwiespalt in mir und mir war bewusst, dass ich diesen so schnell nicht ablegen würde und auch nicht konnte. „Nenn mich nicht Richie“, raunte ich stattdessen und schnitt das Gemüse in Stücken. Immer noch spürte ich seine Hand auf meinem Rücken und ich zuckte zusammen, als er mich plötzlich in die Seite piekste. „Richard“, raunte er in mein Ohr und gab mir einen kratzigen Kuss auf die Wange. „Komm schon, was wäre so schlimm? Du hättest dann vielleicht auch mehr Freizeit und ist es nicht gut, dass er Interesse hat? Meine Physiotherapeutin hat mir erzählt, dass ihr Verlobter ein Kind hat, welches er nicht sehen darf. So, wie ich es verstanden habe, erlaubt die Mutter nicht, dass er das Kind sieht. Da sieht man mal, dass es auch andersrum so sein kann. Ich bin der Meinung, dass Kinder beide Elternteile brauchen, auch wenn es zwei Väter sind.“ Ich konnte einfach nicht wiederstehen und lehnte mich an den Mann, sein Geruch zog in meine Nase und zufrieden seufzte ich auf. Wie sehr es mich doch beruhigte, dass er da war. Es tat einfach gut, dass er gerade bei mir war und auch wenn ich es eigentlich nicht wollte, zwang er mich dazu die Angelegenheit rationaler zu betrachten. Es war schwer, denn zu sehr schrie der gekränkte Teil in meinem Inneren. „Ich bin einfach noch sehr verletzt“, sagte ich ehrlicher als ich es eigentlich wollte. Ich spürte unbarmherzig, dass ich die Trennung und den Schmerz den Brian hinterlassen hatte nicht einfach so verdrängen konnte, wie ich es mir gewünscht hatte. Ich wünschte, ich würde damit „cooler“ umgehen, gelassener und mir nicht vorkommen wie ein aggressives Tier. Doch genau das war ich gerade. Ein aggressives und verletztes Tier und die waren bekannter weise sehr gefährlich, wenn man sie in eine Ecke drängte. Doch Paul brachte mich dazu eine andere Perspektive einzunehmen. Zwang mich reflektierter zu sein. Ob Madeline davon profitieren konnten, dass wusste ich selbst nicht einzuschätzen. Tief durchatmend zwang ich meinen Kopf zu einem Nicken. „Ja. Ich versuche es“, meinte ich und schnitt weiter das dämliche Gemüse. „Ich will es einfach nur richtig machen“, raunte ich und seufzte schwer. Was Richtig in diesem Augenblick bedeutete, hätte ich selbst nicht definieren können. „Das ist total albern, Richard“, hörte ich den Polizisten hinter mir sprechen und als ich mich umdrehte, sah ich, wie er sich am Küchentresen anlehnte und seine Gesichtszüge sich leicht verzogen hatten. Noch bevor ich fragen konnte, was er hatte, sprach er weiter mit seiner angenehmen Stimme: „Niemand kann alles richtig machen, auch du nicht. Woher willst du wissen, dass du das richtige tust, wenn du sie nicht zu ihrem Vater gehen lassen würdest? Du glaubst jetzt das Richtige zu tun und was ist, wenn sie in… sagen wir mal 10 oder 20 Jahren deswegen sehr sauer auf dich ist? Wenn sie dir dann vorwirft, sie hätte gerne beide kennen gelernt? Dann hast du heute den Fehler gemacht. Wenn du sie nun zu ihm lässt und er verschwindet wieder, ist das natürlich auch scheiße, aber du kannst hinterher immer sagen, ich wollte dir immer ermöglichen beide Väter kennen zu lernen. Du warst dann immer da und hast dich als Konstante gezeigt. Natürlich kann das auch nach hinten losgehen, aber wirklich Richard, das Leben ist keine Glaskugel wo man reinschauen kann. Schau dir mich an, dass Schicksal kann dir immer wieder scheiß Karten zu spielen. Ich verstehe, dass du sauer bist auf deinen Ex, aber lass das nicht dein Kind ausbaden. Und das Argument, dass deine Tochter bereits einen Vater hat, ist in deinem Fall hinfällig. Ihr habt euch als schwules Paar für eine Familie entschieden. Dann müsstet du ja auch irgendwann der Meinung sein, dass Madeline eine Mutter braucht.“ Überrascht sah ich ihn an und wusste im ersten Augenblick nichts zu sagen. Nie hatte jemand so etwas zu mir gesagt. Immer waren die Menschen auf meiner Seite gewesen und haben verstanden, weswegen ich es nicht wollte, dass Madeline Kontakt zu Brian hatte. So anders hatte es mir noch nie jemand vor dem Kopf geknallt. Ich schluckte und war tatsächlich im ersten Augenblick sauer auf Paul. Zornig presste ich meine Lippen aufeinander und meine Augen verengten sich zu Schlitzen. Als Paul erneut auf mich zukam war ich überrascht, als mich der Mann einfach in seine Arme zog. Fest war die Umarmung und beruhigend sprach er weiter: „Ich bin nicht auf der Seite deines Ex-Mannes. Den kenne ich nicht mal, ich habe nur Sorgen, dass du in all deiner Wut doch Madeline aus den Augen verlierst.“ Ich schluckte, denn auch wenn ich es nicht zugeben wollte, waren seine Worte nicht falsch. Er hatte Recht, leider. Ich lehnte meinen Kopf auf seiner Schulter und als ich gerade etwas sagen wollte, hörten wir auf der Treppe wieder Madeline. Schweren Herzens drückte ich Paul weg von mir und ein leichtes und vielleicht auch wehmütiges Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. „Danke“, sagte ich nur und ich war wahrlich dankbar, dass er mir gerade den Kopf zurecht gerückt hatte. Hart hatte er mich aus meinen immer währenden kreisenden Gedanken gerissen und nie hatte ich das Gefühl gehabt, dass meine Wahrnehmung auch falsch sein könne. Doch ich musste eine Nacht darüber schlafen, auch wenn Pauls Worte nicht verkehrt klangen, wollte ich dennoch etwas über sie nachdenken. Wir sahen Madeline in die Küchenzeile kommen und immer noch sah sie uns mürrisch an. „Mir ist langweilig“, meckerte sie und blickte mich erwartungsvoll an. Unschlüssig sah ich sie an und nach einem Augenblick fragte ich: „Willst du mithelfen beim Schneiden? Aber nur wenn du aufpasst.“ Überrascht sah sie mich an, denn eigentlich hatte ich ihr dies noch nie erlaubt. Sie nickte leicht und ich meinte zu ihr, dass sie sich an den Tisch setzen solle. „Ich bin dann mal bei ihr“, sagte ich zu Paul und er grinste mich freundlich an. „Mach das… schneidet doch schon mal den Speck. Möhren und Kohlrabi sind so hart. Nachher verletzt sie sich“, meinte er und schmiss mir die Packung entgegen. Gekonnt fing ich sie auf und ein dankbares und ehrliches Lächeln erschien auf meinem Gesicht, als wir einander anblickten. Ein warmes Lächeln zierte das Gesicht des Mannes und ließ mein Herz kurz höher schlagen. Er schaffte es, dass ich mich wieder sehr jung fühlte. Frech zwinkerte ich ihm zu und wandte mich zu meiner Tochter. Ich setzte mich zu Maddy an den Küchentisch und gab ihr ein kleines scharfes Messer. „Pass auf, sonst schneidest du dich“, meinte ich und war überrascht, wie achtsam sie mit dem Schneidemesser umging. Ihr Ärger schien vergessen und sie nickte mir nur leicht zu. Vorsichtig versuchte sie den Speck zu schneiden. Ich setzte mich neben sie und blickte ihr dabei zu. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, hatte ich schon Angst um ihre Finger. „Das geht total schwer wegen der Fäden“, beschwerte sie sich, da Fettfäden die Stücke immer wieder zusammen hielten, „Warte, Ich hab ne Idee“, meinte sie und sprang vom Stuhl auf und lief in die Küche. Ich war neugierig und sagte nichts dazu, denn ich wollte wissen, was meine Tochter holte. Mit der Küchenschere in der Hand kam sie wieder und ein breites Grinsen erschien auf meinem Gesicht. „Damit kann man die Fäden zerschneiden“, sagte sie und akribisch begann sie die Speckstückchen auseinander zu schneiden. Ich lachte auf und grinste sie breit an und meinte, dass sie sehr kreativ sei. Auch Paul kam zum Küchentisch und lachte leise, als er Madeline beobachtete. Ich bemerkte, wie Stolz meine Tochter wurde und sich auch auf dem Stuhl gerade hinsetzte. „Seht ihr. So macht man das“, sagte sie und klang unheimlich zufrieden. „Gut gemacht, Mäuschen“, meinte ich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Auch Paul sagte, dass er selbst nicht auf die Idee gekommen wäre. Wie stolz Madeline war, ließ sich kaum in Worte fassen und nach dem Speck wollte sie weitere Sachen schneiden. Sie gab die Küchenschere nicht mehr her und versuchte bereits geviertelte Kartoffeln in gleichgroße Stücke zu schneiden. Was nicht so gut funktionierte. Als Madeline dann noch das Gemüse in den Topf werfen durfte, freute sie sich ungemein darüber. Das Essen köchelte vor sich und gut gelaunt spielte Madeline etwas mit dem Stoffpferd auf dem Sofa herum. Ich räumte gerade die Spülmaschine ein, als mir erneut auffiel, dass Paul schmerzvoll das Gesicht verzog. „Was ist los?“, fragte ich leise und als er leise „Bein“, murmelte verstand ich. Man konnte es so leicht vergessen, dass er diese Behinderung hatte. Man sah sie ihm schließlich nicht an. Betrübt blickte ich ihn an und fragte: „Willst du vielleicht die Prothese ausziehen?“ Immer noch verzog er leicht das Gesicht und sein Blick huschte zu meiner Tochter. Sie redete gerade mit dem Pony und schien vollkommen in ihrer Fantasiewelt abzutauchen. „Ich will ihr keine Angst machen“, nuschelte er und strich sich über seinen Oberschenkel, „Ich nehme einfach ein paar Schmerzmittel.“ Schon häufiger war mir aufgefallen, dass er diese regelmäßiger nahm. Gut war das sicher nicht, doch ich war kein Arzt. „So toll ist das aber nicht“, meinte ich langsam und ging besorgt etwas auf ihn zu. Gereizter als ich annahm fuhr er mich leise an: „Was soll ich sonst machen? Die Schmerzen gehen nicht einfach weg!“ Sofort blickte er mich entschuldigend an und raunte: „Tut mir leid… Es ist nur einfach so frustrierend, ständig Schmerzen zu haben und nichts dagegen tun zu können.“ Kurz blickte ich zu Madeline, doch noch immer schien sie in ihrer Welt zu sein und ich griff leicht nach Pauls Hand, denn er war nicht alleine und das sollte er verstehen. Seine Hand war kühler als ich annahm und kalter Schweiß war auf seinen Handflächen. Ich glaubte, dass er gerade unheimlich Schmerzen hatte. Doch sicher konnte ich mir nicht sein. Ich strich über seinen Handrücken und drückte die kalte Hand. „Setzt dich auf die Couch. Entlaste das Bein und ich steh hier weiter rum… Im Topf herumrühren bekomme ich noch hin. Nimm einfach nicht so viele Schmerzmittel und wenn du Madeline erklärst was los ist, wird sie sich davor auch nicht erschrecken“, flüsterte ich ihm leise zu und konnte nicht wiederstehen leicht über seine Wange zu streichen. Sein Bart kitzelte leicht und ich mochte dieses angenehme Gefühl sehr gerne unter meinen Händen. Unsere Blicke trafen sich und ich sah, wie sich der verhärtete Zug um seine Augen löste. Seine Augenglitt über mein Gesicht und ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Der harte und verkrampfte Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht und sehr ehrlich und offen schienen die dunklen Augen in die Meinen zu blicken. „Du sorgst dich wirklich, hm?“, fragte er leise und mit erstaunlich sanfter Stimme. Schmunzelnd nickte ich und blickte den Mann mit liebevollen Blick an. Stärker als ich annahm kam das Gefühl der Zuneigung und ließ meinen Blick weich werden. „Natürlich…. Und jetzt setz dich endlich hin“, hauchte ich leise aber auch bestimmend. Er nickte nur, während er mich erneut kurz anlächelte und geschlagen ging er zur Couch. Er ließ sich schwerfällig auf diese nieder und stöhnte auf als er endlich saß. Phantomschmerzen mussten wahrlich schrecklich sein. Ich hörte wie Madeline Paul fragte, ob er nicht auch einen Kaffee wolle und sie reichte ihm eine imaginäre Tasse. Ich rührte weiter in den Topf herum und mit einem Stabmixer pürierte ich die Sachen zu einer sämigen Suppe. Ich war skeptisch als ich die Suppe betrachtete. Trotz des Specks war sie mir eigentlich noch zu vegetarisch. Ich deckte den Tisch und als wir zusammen dort saßen, wirkte es gleich viel vertrauter, als es sicherlich war. Ich mahnte meine Tochter vorsichtig zu essen und stellte ihr gleich einen Becher Eistee hin. Anders als ich selbst es erwartet hatte, schmeckte die Suppe erstaunlich gut und auch Madeline protestierte nicht mehr gegen das, was aufgetischt wurde. Doch noch immer wirkte Paul angeschlagen. Ich sah wie er sich erneut über den Oberschenkel strich und auf seiner Stirn glitzerten Schweißperlen. Ich strich mir über das Kinn und betrachtete den Mann vor mir. Natürlich hatte ich schon von Phantomschmerzen gehört, doch ich hatte mich noch nie intensiver mit diesem Phänomen beschäftigt. Vermutlich konnte auch eine Prothese irgendwann schmerzen, schließlich war es ein Fremdkörper der auf dem Stumpf drückte. Verlegen kratzte ich mir die Stirn und fragte Paul: „Wie war dein Tag denn so?“ Vielleicht half Ablenkung ja. Zu mir blickend erklärte er: „Ach, war alles ruhig… Viele Akten gewälzt und ja…. War jetzt nicht so spannend. Ich werde wohl eine Fortbildung belegen wegen Verhörführung… Verhören musste ich ja nicht so, in meinem alten Beruf.“ Ich nickte und noch bevor ich etwas fragen konnte wollte Madeline wissen: „Was heißt das?“ Wir blickten zu ihr und neugierig sahen ihre grünen Augen Paul an und sie lächelte leicht, als sie ihn betrachtete. Wir schwiegen einen Augenblick und ich konnte mir denken, dass er gerade die richtigen Worte suchte, um es Kinderfreundlich zu erklären, was er gerade mache. „Hm“, begann er zu sagen und kratze sich leicht am Kopf, „Ich muss lernen die richtigen Fragen zu stellen, damit ich weiß, wann mich jemand anlügt. Und ich muss lernen zu sehen, wann wer flunkert.“ Entsetzen spiegelte sich auf dem Gesicht meines Kindes wieder. „Soll das heißen“, begann sie entgeistert zu fragen, „Dass ich dann nie lügen kann bei dir?“ Verhalten lachte ich auf. Natürlich log mich meine Tochter an, vermutlich tat dies jedes Kind, doch ich erkannte es so gut wie immer, wenn sie es tat. Lügen musste sie einfach noch lernen. Auch Paul schmunzelte amüsiert und meinte: „Ja, genau das soll das heißen. Aber eigentlich soll man doch gar nicht lügen.“ Leicht nickte Maddy und aß lieber einen Löffel ihrer Suppe. Endlich war Madeline im Bett und als ich wieder runter in die Wohnstube trat sah ich gerade, wie sich Paul mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Prothese auszog. Er stellte das Bein neben die Couch und kramte nach etwas in seiner Hosentasche. Als ich mich neben ihn nieder ließ sah ich, wie er eine Tablettenpackung hervorhob. Das Papier war bereits abgenutzt und plattgedrückt. Ich erkannte den Namen auf der Verpackung. Es waren rezeptfreie Schmerzmittel. „Zu viele sind nicht gut“, meinte ich und beobachtete wie er zwei Tabletten aus der Verpackung drückte. Wirsch nickte er und meinte nur, dass ich aber nicht wissen könne wie schmerzvoll es gerade sei. Er hatte Recht und jegliches Argument verpuffte in diesem Augenblick aus meinen Gedanken. Schon häufiger hatte ich gehört, dass Schmerzmittel so abhängig machen konnten wie es Drogen taten. Ich fragte ihn ob er Wasser brauche und holte ihm ein Glas als er nickte. Ich hoffe nicht, dass er mit den Schmerzmitteln zu viele Probleme hatte. Wir schwiegen beide und jeder hing seinen Gedanken nach. „Ich mag meine neue Arbeit nicht“, sagte Paul plötzlich in die aufkommende Stille hinein. Fragend sah ich ihn an und runzelte die Stirn. Es reichte aus um ihn zum Sprechen zu animieren. „Ich wollte immer zur Swat-Einheit gehören. Ich wollte immer handeln und nie ermitteln. Das sieht im Fernsehen immer so spannend aus, aber die richtige Aktion ist eben woanders.“ Meine grünen Augen betrachteten den Mann vor mir und schwer seufzte ich, während ich leicht nickte. Ich konnte verstehen was er meinte, auch wenn ich seine Arbeit die er ausführte ziemlich spannend fand. Wenn es nicht das war, was er eigentlich machen wollte, dann war dies einfach nur doof. „Glaubst du denn“, begann ich nach einem Augenblick zu fragen, „Dass du dich gar nicht mit der gegebenen Situation anfreunden kannst?“ Unschlüssig zuckte er mit den Schultern und blickte frustriert in mein Gesicht. „Es bleibt mir ja nichts anderes übrig. Ein Krüppel kann nicht im Swat-Team agieren. Da muss man einfach vollkommen einsatzfähig sein und das werde ich nicht mehr“, raunte er betrübt und ich beobachtete, wie sich seine Gesichtszüge verhärteten. Vorsichtig griff ich nach seiner Hand und drückte seine Finger. „Sag nicht Krüppel, Paul“, sagte ich eindringlich zu ihm. Laut ausschnaubend blickte er weg von mir, doch ich ließ nicht locker. „Arbeit ist nicht alles im Leben“, meinte ich ehrlich zu ihm und mir war selbst bewusst, wie surreal es klang dies von einem Menschen zu hören, dem die Karriere einst so wichtig war. „Früher war es mein Ziel Staatsanwalt zu werden. Mein Plan war, vorher etwas als Anwalt zu arbeiten und dann die Prüfung zum Staatsanwalt abzulegen. Mein Ex-Mann wusste das ganz genau und so war auch der Plan. Wenn Madeline in den Kindergarten sollte, wollte er wieder mehr Arbeiten und ich hätte etwas kürzer treten können. Ich werde wohl nie als Staatsanwalt tätig werden, weil das Leben mir die Karten so zugeschoben hat, aber deswegen ist es nicht schlecht. Und dein Leben ist auch nicht schlecht. Du scheinst gute Freunde zu haben und verdammt noch mal, du hast einen total schweren Unfall überlebt! Dein Leben ist so viel mehr Wert als dein Job. Wenn du den Kick brauchst, schauen wir eben nach einem Hobby oder sonst was.“ Die dunklen Augen des Mannes glitten an mir hinunter und ein leichtes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. „Du kannst immer noch Staatsanwalt werden“, meinte Paul ruhig und abwehrend hob ich eine Hand. „Ach, ich muss es realistisch sehen. Ich bin eh am überlegen Stunden zu reduzieren. Doch eigentlich nur um für Madeline mehr Zeit zu haben. Aber es geht gerade nicht um mich, es geht um dich“, meinte ich schmunzelnd und betrachtete den athletischen Mann vor mir. Er grummelte etwas, was ich nicht verstand und kratze sich leicht am Kopf. „Paul“, mahnte ich ihn mit strenger Stimme, „Versuch dich wenigstens auf den Beruf einzulassen. Cold Cases sind spannend und vor allem, gibst du den Menschen Hoffnung. Den Opfern und Angehörigen. Es ist vielleicht nicht der adrenalinreichste Job, aber es ist ein sinnvoller Beruf.“ Überrascht sahen mich die braunen Augen an und die Verblüffung spiegelte sich in seiner Stimme, als er erwidert: „So habe ich das noch nie gesehen…. Ich versuche es Richie, aber es ist eben schwer manches so zu akzeptieren, wie es nun mal ist.“ Ernst nickte ich, denn ich wusste, wie Recht er hatte. „Und du lässt dich nicht von deinem Ex verrückt machen. Du siehst meine Probleme von einem anderen Sichtpunkt aus und ich deine…“, meinte Paul und legte einen Arm um meine Schultern und rückte mich zu sich heran. „Vielleicht tut es uns ja gut“, meinte er und als ich ihm grinsend in die Augen blickte drückte er mir seine Lippen auf den Mund. Schnell löste ich den Kuss und drückte ihn weg von mir und schmunzelnd meinte ich: „Nenn mich nicht Richie. Ich mag das nicht!“ Leise lachend zerwuschelte Paul meine Haare und meinte frech: „Ich finde Richie aber schöner als Rick und du hast keine Ahnung, wie süß ich dich finde.“ Kapitel 19: Ein Gutachten? -------------------------- Unzufrieden verließ mich Paul an diesem Abend. Wäre es nach ihm gegangen hätte er nur zu gerne bei mir geschlafen. Doch ich wollte es nicht. Ich wollte immer noch schauen wie es sich entwickelte, ohne meine Tochter zu überfordern. Wenn morgens der Fremde vom Abend am Küchentisch saß, hätte ich es nicht vernünftig erklären können. Madeline hatte schon einmal erwähnt, dass sie mich nicht teilen wollte, also konnte ich auch erst schauen, ob die Beiden sich anfreunden könnten. Ich hatte genug Zeit, sie lief uns nicht weg. Wenn wir uns öfter trafen, war das sicherlich der bessere Weg. Dann, so glaubte ich, würden die Beiden sich sicherlich gut verstehen. Ich war wirklich froh, dass sie mit Paul gut zu Recht kam. Wenn sie von Beginn an eine Antipartie gegen ihn gehabt hätte, würde es sicherlich schwerer werden. Doch sie schien ihn nicht zu nerven und auch ihre etwas überdrehte Art war für ihn in Ordnung. Ich konnte nur hoffen, dass es so blieb, wenn sie wusste, dass ich für Paul mehr empfand als Freundschaft. Schließlich wäre dies für sie auch eine neue und ungewohnte Situation. Doch Paul mochte Hunde, eindeutig ein Pluspunkt für ihn. Was man an diesen Tieren nur mögen konnte? Sie brauchten ständig Zuwendung und was noch schlimmer war, sie mussten jeden Tag raus, egal wie beschissen das Wetter war. Irgendwie glaubte ich, dass ich früher oder später dann auch mit ihm eine Diskussion über Hunde führen würde. Ich würde mich weiter weigern, denn ich sah es schon kommen, dass ich derjenige war, an den das Tier dann abgegeben wurde. Jedoch blieb ich auch wegen Pauls Handicap davon verschont. Doch diesen Gedanken verdrängte ich weit in meinem Kopf. Es wird in der nächsten Zeit sicher keinen Hund geben. Ich beobachtete, wie sich Paul seinen Parka überzog und ein letztes Mal drückte ich den kräftigen Mann an mich. Automatisch glitt meine Hand tiefer und kniff in das feste Gesäß des Mannes vor mir. Frech schmunzelnd betrachtete ich ihn und klaute mir noch einen letzten Kuss. „Nun geh besser, bevor ich es gar nicht mehr schaffe…“, meinte ich leise. Überrascht sahen mich die so geliebten dunklen Augen an. „Du willst, dass ich gehe“, entgegnete er frech und löste sich langsam von mir. Kurz fuhr er mir durch die schwarzen Haare und ich spürte meinen Puls deutlicher Schlagen als sonst. „Träum was Schönes“, meinte Paul süffisant und langsam ging er zu seinem Wagen. Ich erwischte mich dabei, wie ich ihm nachsah als er ging und mein Blick glitt zu seinem Hintern. Der gefiel mir tatsächlich einfach ziemlich gut, doch ich wollte nicht, dass jedes Treffen in Sex endete. Wobei es natürlich nicht schlimm wäre. Ich hatte mir diesbezüglich nie selbst Regeln gestellt und damit würde ich jetzt auch nicht anfangen. Schnell schlich ich hinauf in mein Schlafzimmer. Ich war zufrieden und doch spürte ich, dass der lange Tag seinen Tribut zollte. Schnell fand ich in einen tiefen und traumlosen Schlaf und erst das schrille Piepen des Weckers riss mich aus dessen Fängen. Wir schrieben immer wieder während des Tages. Leider schaffte es Paul am nächsten Tag nicht zu mir. Er hatte einen Physiotermin und natürlich war dies wichtiger. Zudem war mir bewusst, dass er sicher auch Freunde und Familie hatte, ich konnte ihn nicht jeden Tag bei mir haben. Auch wenn ich das gerne gewollt hätte. Er schickte mir ein Selfie von sich im Fitnessstudio und ich schmunzelte, als ich es betrachtete. Doch ich verstand nicht, weswegen er sich selbst so schlecht annehmen konnte. Er war schließlich ein trainierter Mann. Ob mit einem oder zwei Beinen, war eigentlich vollkommen egal. Ich selbst hatte zwei gesunde Beine und war nicht halb so sportlich wie Paul. Immer wieder, wenn ich einen ruhigen Augenblick hatte, drang das Wort Krüppel in meinen Kopf. Er selbst hatte ich so bezeichnet. Ich verstand einfach nicht, weswegen er dies tat. Er stand schließlich seinen Mann. Besser als manch anderer. Er war nicht nur sportlich, er war auch witzig, er war charismatisch, das einzige was anders war, war das fehlende Bein. Nachdenklich strich ich mir über das Kinn und blickte an meinen Schreibtisch sitzend runter zu meinen Füßen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es aufnehmen würde. Wie es mir gehen würde, wenn ich nur noch ein Bein hätte. Vermutlich sah er nicht, was er noch alles konnte und was nicht. Er war für sich selbst ein Krüppel geworden. Wenn er sich selbst so nannte, war ich mir sicher, dass er sich tatsächlich so sah. Es war sicherlich kein Scherz von ihm gewesen. Tief atmete ich durch und dachte darüber nach, wie man ihm diesen so schrecklichen Gedanken austreiben konnte. Doch vielleicht konnte ich es auch nicht. Vermutlich schaffte er es nur selbst, sich aus dieser Situation zu befreien. Ich konnte ihm einzig die Hand reichen. Wenn er jedoch wieder aufstehen wollte, musste er sie freiwillig ergreifen. Vermutlich war er einfach noch nicht so weit. Ich hoffte, dass es ihm gut tat, dass wir es mit einander versuchten. Wenn er genauso verknallt oder verliebt war wie ich, musste es ihn schließlich auch beflügeln. Das Klingeln des Telefons riss mich aus meinen Gedanken und brachte mich zurück in die Realität. Schnell griff ich nach dem Hörer und war wieder in der Arbeitswelt angekommen. Später am Nachmittag schaffte ich es wieder zu spät am Kindergarten zu sein. Wieder war Madeline die Letzte und wieder einmal meckerte sie darüber. Doch schnell konnte ich sie ablenken und nachdem sie mir zeigte, wie toll sie bereits zählen konnte, war das Meckern vergessen. Schnell briet ich etwas Hähnchenbrust und wärmte TK-Gemüse auf. Madeline beschwerte sich nicht über das Essen, denn sie kannte schließlich nur meine Kochkünste. Ich badete Maddy und spielte etwas in der Badewanne. Sie wollte diskutieren, dass sie heute länger wachbleiben dürfe, doch ich hatte keine Lust darauf und schüttelte nur den Kopf. Ich brauchte Zeit für mich. Ohne ein klingelndes Telefon, nervige Klienten und auch mal Zeit ohne meine Tochter. Sie meckerte leise und beschwerte sich, doch ich blieb eisern. Zudem brauchte eine fast vierjährige nicht bis neun unter der Woche wachbleiben. Schmollend lehnte sie sich an mich. Es war lustig zu sehen, dass sie trotz ihres Meckerns nicht von meiner Seite weichen wollte. „Maddy“, flüsterte ich ihr leise zu und rieb meinen kratzigen Bart an ihrer Wange, „Du gehörst einfach in dein Bett. Und ich muss auch gleich ins Bett. Am Wochenende kannst du gerne länger wach bleiben.“ „Du kratzt“, beschwerte sie sich und drückte mein Gesicht von ihrem weg. Doch ich konnte das Schmunzeln auf ihrem Gesicht deutlich sehen. Leise lachend drückte ich sie an meine Seite und gerade als ich etwas sagen wollte, klingelte es an der Tür. Mit Entsetzen stellte ich an diesem Tag fest, dass meine Schwester es ernst gemeint hatte mit ihrem Geschenk. Ich war dankbar, dass ich ihren Namen las, denn so konnte ich das braune Packet in eine Ecke stellen, unbeachtet von meiner Tochter. Als Madeline endlich im Bett war ging ich runter und betrachtete das Geschenk. Marieanne konnte es nicht ernst gemeint haben?! Doch leider hatte sie es ernst gemeint. Als ich das Packet öffnete sah ich einen Barbie Schmink und Frisurenkopf. Wütend schickte ich ihr eine Nachricht und musste dennoch darüber lachen. Als ob ich jetzt üben würde diesen dämlichen Zopf zu flechten. Stillschweigend verschwand er im Schlafzimmerschrank und tatsächlich übte ich an dem Abend diese dämlichen Flechtfrisuren, obwohl ich es eigentlich nicht wollte. Was man nicht alles für sein Kind tat. Tatsächlich schaffte ich es bei dieser hässlichen Puppe auch mehr schlecht als Recht. Es würde noch dauern, bis ich meiner kleinen die Haare so flechten konnte. Es war ruhig im Büro und als ich wieder im Kindergarten war, war Madeline erneut das letzte Kind dort. Sie meckerte und beschwerte sich darüber und unzufrieden ließ ich mich am Küchentisch nieder. Wieder sagte sie, dass ich keine Zeit für sie habe. Ich holte mein Handy aus der Hosentasche und öffnete den Taschenrechner. Ich schrieb die laufenden Kosten auf und verglich sie mit meinem Einkommen. Ich wollte auf 30 Stunden in der Woche runter und hoffe, dass mein Chef da mitspielte. Doch ich wollte mir nicht anhören, dass ich nie Zeit für mein Kind hatte und wenn dies bedeutete einmal weniger im Jahr zu meinen Eltern zu fliegen, dann sollte es so sein! Als ein Windstoß mich erfasste blickte ich überrascht auf und bemerkte, dass die Terrassentür angelehnt war. Ich konnte mich nicht entsinnen, dass ich sie aufgemacht hatte. Mir gerunzelter Stirn erhob ich mich und rief nach Madeline. War ich so in Gedanken versunken, dass ich nicht gemerkt, hatte wie sie in den Garten gelaufen war? Unschlüssig ging ich ins Wohnzimmer. Nichts fehlte und nichts schien durcheinander. Ich trat auf die Terrasse und blickte mich unschlüssig um, doch niemand war im Garten zu sehen. Es war kein großer Garten. Eine Schaukel stand dort und ein kleiner Sandkasten, welcher aufgrund des Wetters abgedeckt war. Zwei drei Sträucher standen in einer Ecke und ein Grill war neben die Treppe geschoben worden. Alles wie immer. Etwas schlammig war der Boden und aufgeweicht von dem vielen Regen der letzten Tage. Stirnrunzelnd betrachtete ich die Tür. Vermutlich hatte Madeline sie bereits gestern Abend aufgemacht und ich hatte es nicht mitbekommen, dachte ich und zog die Tür hinter mir zu. Ich blickte mich um, denn ich hatte Sorge, dass ein Tier sich jetzt in unserem Haus wohl fühlte. Einen Waschbären bekam man nämlich kaum noch aus dem Haus raus. Ich hörte hastige Schritte die Treppe hinunterpoltern und Madeline erschien im Wohnzimmer. „Hast du mich gerufen?“, wollte sie ungeduldig wissen, als störe ich sie bei etwas wichtigem. Ich schüttelte nur den Kopf und meinte streng: „Die Terrassentür war auf. Du weißt doch, dass du Bescheid sagen sollst, wenn du in den Garten gehst. Jetzt war die Tür vermutlich die ganze Nacht offen.“ Entsetzt blickte sie zu mir und schüttelte den Kopf. „Ich war nicht im Garten“, plapperte sie und ein wenig zickig verzog sich ihr Mund. „Ja, der schwarze Mann hat sie wieder aufgelassen“, meinte ich sarkastisch und verdrehte die Augen. Ich hatte einfach keine Lust auf eine Diskussion. Schließlich war ich eigentlich mit meinen Zahlen beschäftigt. „Das ist unfair“, beschwerte sie sich lauter als ich es gewohnt war. „Ich war das nicht!“, rief sie und stemmte ihre kleinen Hände in ihre Hüfte. Lust auf Streit hatte ich nicht und so meinte ich ruhiger: „Ist ja nichts passiert. Du weißt ja jetzt, dass du mir Bescheid sagen sollst. Nachher haben wir eine Maus oder einen Waschbären im Haus.“ Immer noch schmollte sie und ich war tatsächlich überrascht. Vielleicht lag es auch daran, dass sie wieder die Letzte im Kindergarten war. Ich konnte schließlich nicht jede Gefühlregung meiner Tochter richtig deuten oder gar verstehen. „Darf ich jetzt wieder rauf“, wollte sie mürrisch wissen und als ich leicht nickte verschwand Madeline aus dem Wohnzimmer. Überrascht sah ich ihr nach. Sie stellte sich sonst auch nicht so an. Ich verdrehte die Augen und schüttelte nur den Kopf darüber und wandte mich wieder meinen Berechnungen zu. Wieder war Paul an diesem Abend meine kleine Flucht aus dem Alltag. Wir telefonierten und es tat gut seine Stimme zu hören, auch wenn mir lieber gewesen wäre, dass er hier war. Genervt trat ich aus dem Gerichtsgebäude. Wieso musste der Richter nun auch noch ein Gutachten anfordern. Ich fand es bei meinen Klienten klar, was geschehen war, da brauchte man kein Gutachten, dachte ich genervt und verabschiedete mich höflich von meinem Mandanten. Ich trat über die Straße und blickte gerade von meinem Handy auf als ich Paul hinter einer Scheibe erblickte. Ich wusste, dass er bereits frei hatte, denn er war schließlich immer noch in der Wiedereingliederung und es war viertel nach drei am Nachmittag. Entspannt saß er neben einem Mann und unterhielt sich mit diesem. Ich kannte diesen Menschen nicht. Sie lachten und ich sah wie der Fremde gerade dem Mann etwas auf seinem Handy zeigte. Ein zufriedenes Schmunzeln glitt über meine Lippen als ich Paul sah und sofort war mir leichter ums Herz. Ja, vielleicht klang das kitschig doch genauso fühlte ich mich. So musste es sich anfühlen, wenn man Drogen nahm. Zwar hatte ich mal einen Joint probiert, doch das war Jahre her. Entspannt saß der trainierte Polizist auf seinem Stuhl und lehnte sich gelöst zu dem anderen Mann. Er lachte auf und nickte, während er auf das Smartphone schaute. Sofort schienen meine schlechten Gedanken aus meinem Kopf zu verschwinden. So präsent das Gefühl der Verliebtheit war musste ich mir langsam immer mehr eingestehen, dass ich nicht mehr nur verknallt war in diesen sportlichen Mann. Ich betrat das Café und entspannt ging ich zu den Beiden. „Hey“, rief ich freundlich und überrascht weiteten sich die Augen des Polizisten. Auch der Fremde wandte sich zu mir. Er hatte dunkelblonde Haare und sehr helle graue Augen. Taxierend war sein Blick und abschätzend betrachtete er mich. Seine Kleidung war gepflegt und er trug ein dunkelblaues Poloshirt. Eine strenge Linie war auf dem Gesicht des Mannes und er blickte zwischen Paul und mir hin und her. Er schien nicht gut drauf zu sein. Paul schob mir einen Stuhl hin und als ich mich setzte, wollte der Mann von Paul wissen, wer ich sei. Noch bevor Paul etwas sagen konnte hielt ich ihm meine Hand entgegen und sagte: „Ich bin Richard Prescot. Paul und ich treffen uns nun schon seit einer Weile.“ Ungerührt sah er mich an und skeptisch blickte er von meiner Hand über mein Gesicht. Zu lange dauerte es, bis er nach meiner Hand griff und diese schüttelte. Was ist denn mit dem los, schoss mir durch den Kopf und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. „Michael Anderson. Ich hab bereits von Ihnen gehört“, raunte er und drückte fest meine Hand, vielleicht etwas zu fest. „Ich bin ein Arbeitskollege von Paul und ein guter Freund. Woher wusste Sie, dass wir hier sind?“ Überrascht sah ich ihn an und erklärte: „Ich komme aus dem Gericht. Hab Paul durch das Fenster erkannt. Wenn ich störe, dann sagt das, ja?“ Sofort schüttelte Paul den Kopf doch Michael schaute mich weiterhin ungerührt aus seinen eisgrauen Augen an. „Du störst nicht. Michael komm schon… Er arbeitet hier, da kann das passieren“, mahnte Paul ihn, doch weswegen er dies tat, das wusste ich nicht. Skeptisch sahen wir einander an und ich bekam den Eindruck hier ziemlich fehl am Platz zu sein. „Wenn ich störe dann kann ich auch wieder gehen. Wir sehen uns ja eh sicher die Woche noch, oder?“, fragte ich Paul und er seufzte schwer und nickte. Sofort verstand ich, dass der genervte Unterton nicht mir galt, sondern den Mann neben mir. „Du störst nicht. Michael hat Mittagspause und wir haben uns hier getroffen“, meinte Paul freundlich und gerade als ich sagen wollte, dass dies schön sei, fiel mir Michael ins Wort: „Ja haben wir und ich hoffe, dass ist jetzt kein Drama für dich?!“ Überrascht sah ich ihn an und runzelte verwirrt die Stirn. Langsam schüttelte ich den Kopf und fragte: „Nein? Aber für dich anscheinend?“ Energischer als ich dachte sagte Paul: „Es reicht Michael! Hör auf so verdammt unhöflich zu sein!“ Ich hörte wie er vor sich hin grummelte und glaubte so etwas wie eine Entschuldigung herauszuhören. Überrascht sah ich Michael an und nickte leicht. Was ich davon halten sollte, dass wusste ich selbst noch nicht. Ich schwieg darauf und beließ es dabei. Vermutlich hatte er nur einen schlechten Tag, hoffte ich zumindest. „Na gut, wisst ihr was, ich verschwinde. Ich kann Madeline dann vielleicht heute pünktlich abholen. Telefonieren wir später?“, wollte ich wissen und Paul nickte leicht und schaute erneut zwischen mir und seinem Freund hin und her. Ich erhob mich und nickte Michael kurz zu, bevor ich mich auf dem Weg zum Ausgang machte. Überrascht blickte ich mich um, als jemand leicht nach meinem Arm griff. Die braunen Augen Pauls blickten mit entschuldigend an und leise raunte er: „Tut mir echt leid wegen Michael, er ist etwas schwierig geworden. Nimm das nicht persönlich, ja?“ Leicht grinsend schüttelte ich den Kopf und fragte spöttisch: „Vielleicht ist er ja eifersüchtig.“ Auf Pauls zuvor noch zusammengepressten Lippen erschien ein gut gelauntes Grinsen und er schüttelte gelassen den Kopf. „Nein“, erwiderte er schmunzelnd, „Der ist nicht schwul… Er ist manchmal… nennen wir es kompliziert. Soll ich heute Abend vorbei kommen?“ Sofort wurde meine Laune schlagartig besser und natürlich nickte ich. „Geht klar. Ich plane dich zum Essen ein!“, meinte ich mit guter Laune, doch der Ausdruck auf Pauls Gesicht ließ mein Grinsen stocken. Unbegeistert blickten mich die warmen, braunen Augen des Polizisten an. Doch weswegen er so dreinblickte sollte mir sofort erläutert werden. „Wirklich, du willst kochen?“, fragte er mich skeptisch und betrachtete mich argwöhnisch. Tatsächlich ärgerte ich mich darüber, denn so schlecht kochte ich nun auch nicht! Vielleicht sollte ich wirklich mal meine Kürbissuppe kochen! Die Arme vor der Brust verschränkend meinte ich: „Wenn es dir nicht passt, dann…. Weiß nicht, koch doch du?“ Sofort stimmte Paul zu und irgendwie wusste ich nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder beleidigt war. Doch er ließ mir keine Zeit darüber nachzudenken. Denn er nickte zu seinem Freund und ich folgte seinem Blick. Immer noch musterte mich der blonde Polizist und als sich unsere Blicke trafen, verengten sich seine Augen tatsächlich zu Schlitzen. Was war mit dem denn los?! Doch schnell hatte Paul meine Aufmerksamkeit wieder. „Ich komm dann später gegen halb sechs zu dir.“ Spielerisch genervt, verdrehte ich meine grünen Augen und grummelte ein „Okay, aber denk dann ans Einkaufen.“ bevor ich das Café verließ. Ich wünschte Paul noch viel Spaß mit seinem Freund und freute mich mit jedem Schritt mehr den ich tat schon auf den heutigen Abend! Sollte ich es Madeline sagen? Paul bedeutete mir etwas, das wusste ich nicht erst seit jetzt. War es der richtige Augenblick es ihr nun schon zu sagen? Doch wie ich darüber nachdachte, während ich zur Kanzlei fuhr, wurde mir bewusst, dass es vermutlich nie einen passenden Augenblick geben würde. Vermutlich war es einfach nur viel wichtiger, dass Paul und ich uns einig waren. Denn dann konnten wir Madeline alles erklären und vermutlich würde sie uns dann auch verstehen. Erneut erwischte ich mich dabei wie ich zufrieden lächelte als ich an den Polizisten dachte. Ja, ich war sehr verliebt! Als ich in der Kanzlei war sah ich wie Ben sofort zu mir trat und ich ahnte was es bedeutete und so verschwand das gute Gefühl genauso so schnell wie es gekommen war. Wieso musste die Realität so grausam sein und konnte sich nicht bessere Augenblicke aussuchen. So wie er mich anschaute, wollte er sicherlich nicht privat mit mir sprechen. „Hat der Anwalt wieder geschrieben?“, fragte ich und sofort nickte Benjamin. Genervt stöhnte ich auf und strich mir durch meine schwarzen Haare. Ich folgte ihm in sein Büro und schloss die Tür hinter uns. „Was will der denn?“, wolle ich nachdenklich wissen und setzte mich auf den Stuhl gegenüber seines Schreibtisches. Genervt seufzte Ben und meinte: „Er will, dass ein Gutachten erstellt wird. Aber das muss der Richter entscheiden, aber so was ist langwierig und kann sich ziehen.“ Dieser Anwalt, dieser Mensch, ich kannte ihn nicht und doch hegte ich einen wirklich Groll gegen diese Person. „Okay“, meinte ich langgezogen und verschränkte die Arme vor der Brust, „Das ist nervig, aber irgendwie habe ich damit schon gerechnet. Ich glaube kaum, dass Brian so einfach aufgibt, wenn er was will, dann ist er ziemlich… nervig.“ Achselzuckend betrachtete mich mein Kollege und kopfschüttelnd meinte er: „Ja, so etwas habe ich mir auch gedacht. Aber ich möchte erstmal das Gespräch im Jugendamt abwarten und wie ihr euch da einigt. Du solltest dir echt überlegen, wie und ob du Besuchskontakte zulässt. Wenn du natürlich so etwas anbietest und dich kooperativ zeigst, ist der Richter gewillt mehr auf deiner Seite zu sein. Außerdem umgehst du so vielleicht die Begutachtung.“ Fahrig strich ich mir durch das Gesicht. Es war das gleiche, was Paul mir bereits gesagt hatte, nur das Ben andere Argumente lieferte. Ich soll zulassen, dass Brian Madeline sehen darf. Das dieser Mensch Kontakt zu meinem Kind hat. Der Mensch, der sie einfach im Stich gelassen hatte. „Was genau ist so eine Begutachtung eigentlich? Ich meine eine Begutachtung bezüglich eines Unfallherganges kenne ich, aber ein Familiengutachten, da sagt mir nur das Wort etwas“, wollte ich wissen und gerade bereute ich es, dass ich mich nicht auf Familienrecht spezialisiert hatte. „Familiengutachten sind… na ja wie der Name sagt Gutachten über eine Familie“, begann Ben langsam zu erklären, „Das sind Menschen…. Meistens Pädagogen oder Psychologen mit einer Zusatzqualifikation die diese Gutachten erstellen. Im klassischen Fall, wie er oft in den Lehrbüchern steht, ist es immer die Frage der Erziehungsfähigkeit. Aber der Richter gibt die Frage vor… In deinem Fall zum Beispiel: In welchem Haushalt ist Madeline am besten aufgehoben. Dann werden die Personen aufgesucht und interviewt. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube die kommen ein oder zweimal… Da werden dann oft autobiographische Fragen gestellt und auch Fragen des Alltages. Es werden auch andere Instanzen aufgesucht wie zum Beispiel Jugendamt und Kindergarten und, weswegen ich das vermeiden möchte, auch Madeline.“ Entsetzt sah ich Ben an und als ich sagte, dass sie dann erst vier sein wird, zuckte Ben mit den Schultern. „Trotzdem wird sie „Begutachtet“. Das ist bei kleinen Kindern nicht so schlimm. Ihr werdet dann beim gemeinsam Spielen beobachtet und sowas… Trotzdem ist es halt eine unangenehme Situation. Das Problem was ich hier einfach sehe ist, dass der Anwalt schon so konservativ ist, wenn dann noch der Gutachter so eine Einstellung hat, na ja, dann muss man das Gutachten anzweifeln und dann wird ein neues geschrieben…. Das kann ein endloser Kreislauf sein. Als ich noch als Familienanwalt tätig war, habe ich in einem Fall vier Gutachten lesen müssen und verdammt Rick ich sag dir eins, die sind lang! Die werden nach Seiten bezahlt… Aber darum geht es ja nicht… Ich will dir nur raten, vermeide es. Das habe ich bei meiner Ex-Frau auch gemacht und ich weiß selbst, dass es verdammt hart ist.“ Wieder verschränkte ich meine Arme vor der Brust und kniff wütend die Augen zusammen. Ich war nicht begeistert, überhaupt nicht. „Ja… Mein…. Ein Freund hat mir das gleiche geraten… Ich treffe mich nächste Woche mit meinem Ex-Mann im Jugendamt… Ich werde…. mir Gedanken machen“, zwang ich mich zu sagen. Und es war unglaublich schwer, hatte ich doch das Gefühl ich würde aufgeben, noch bevor ich zu kämpfen begann. Ich konnte es nicht mehr rückgängig machen, dass Brian mir geschrieben hatte. Es war schwer die Situation so anzunehmen, wie sie jetzt war. Doch das musste ich akzeptieren und als ich mich auf den Weg machte meine Tochter abzuholen, zwang ich mich darüber nachzudenken, wie es sein könnte, wenn Madeline bei Brian war. Es war ein schmerzvoller Gedanke und doch musste ich diesen wohl zulassen, wenn ich nicht wollte, dass meine Tochter zum Spielball wurde. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Hi, tut mir leid, dass es länger gedauert hat. Ab September hab ich zwei Wochen frei. ich hoffe ich komme in der Zeit dazu in Ruhe weiter zu schreiben. Hab dennoch versucht fleißig zu sein. Könnt mir ja schreiben was ihr so davon haltet. ;) LG ;) Kapitel 20: Eine Familie bekommen... ------------------------------------ Nach dem ich endlich Feierabend hatte, war ich gerade auf dem Weg zum Kindergarten, als ich im Rückspiegel plötzlich etwas aufblitzen sah, was meine Aufmerksamkeit verlangte. Ich erkannte einen Streifenwagen hinter mir, welcher gerade das Blaulicht anmachte. Verwirrt fuhr ich auf den Seitenstreiten und fragte mich gerade, ob ich zu schnell unterwegs gewesen war. Oder hatte ich ein Stoppschild nicht beachtet? Ich ließ das Fenster herunter und kramte im Handschuhfach schon mal nach meinen Papieren. Als ich mich umwandte blickte ich in zwei graue bekannte Augen. Überraschung zeichnete sich auf meinem Gesicht ab. Es war der Freund von Paul. Michael. Die Verwirrung war mir ins Gesicht geschrieben, während ich ihn anblickte und fragte: „Ist das jetzt ein Zufall, oder ist das Absicht?“ Erstaunlich distanziert betrachtete mich der Polizist und ließ seinen Blick über mein Gesicht gleiten. Seine Augen wanderten durch das Auto und blieben an dem Kindersitz hinten hängen. Was schaute der bitte? Hatte Paul ihm nichts von mir erzählt? Oder nicht alles? Diese Situation war mir unangenehm und meine Hände verkrampften sich leicht, während ich das Lenkrad festhielt. Irgendwie wusste ich die Situation einfach nicht einzuschätzen. „Kann sein, kann nicht sein. Führerschein und Fahrzeugpapiere“, meinte er und hielt mir seine Hand entgegen. Kein „Bitte“ verließ seine Lippen, noch zeichnete irgendein netter Zug sich auf dem strengen Gesicht ab. Skeptisch betrachtete ich ihn aus meinen dunklen Augen und langsam reichte ich ihm die geforderten Unterlagen. Schließlich wollte ich mich beeilen und schnell zum Kindergarten zu kommen. Madeline wartete schließlich auf mich. Wenn er eine Verkehrskontrolle durchführen wollte, dann bitte. Zu verbergen hatte ich schließlich nichts. Genau wanderten seine Augen über die Dokumente. Was war sein Problem? Mit den Papieren in der Hand ging er zu seinem Fahrzeug und ich konnte durch den Rückspiegel sehen, dass er per Funk mit jemanden sprach. Ließ er mich gerade durch das System jagen? Das ergab für mich einfach überhaupt keinen Sinn. Doch die Frage konnte ich mir selbst beantworten. Ja, genau das tat dieser Mann. Verwirrt zogen sich meine Augenbrauen zusammen und irgendwie verstand ich nicht, was das alles sollte. Ich wusste, dass Paul mir gesagt hatte, dass sein bester Freund nicht schwul war, sonst hätte ich die Vermutung gehabt, dass er eifersüchtig war. Ich war schon häufiger in Verkehrskontrollen gekommen, doch noch nie war sie so abgelaufen. Oder war das nicht der beste Freund von dem er erzählt hatte? Normalerweise schauten sie auf die Sachen und nach einem kurzen Gespräch mit mir waren sie wieder verschwunden. Gemächlich kam Michael auf mich zu und gab mir die Dokumente wieder. „Alles okay“, meinte er und blickte mich immer noch distanziert an. Ich nahm sie entgegen und konnte nicht anders als zu fragen „Was sollte das? Ich habe doch nichts getan.“ Immer noch ließ sich auf dem Gesicht des Mannes nicht abschätzen, was er dachte oder meinte. Neutral sah er mich an, fast schon distanziert. Ein wenig bekam ich den Eindruck, dass sich der Mann hinter seiner Marke versteckte. Einen Grund dafür konnte ich jedoch nicht verstehen. „Ich wollte mal schauen, was der tolle Herr Anwalt noch alles zu verbergen hat. Ich bin nicht Paul und lass mich nicht so leicht blenden“, erklärte er und ich war überrascht, dass ich tatsächlich eine ehrliche Antwort von ihm bekam. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass er sagte, es sei ein Zufall, dass er mich gerade kontrollierte. Jedoch begriff ich nicht wieso er das machte. „Wieso blenden? Ich habe nichts getan. Ich habe Paul in keine unangenehme Situation gebracht“, erwiderte ich und konnte den genervten Unterton aus meiner Stimme nicht verbannen. Es war mir zu unlogisch um das Verhalten des Mannes zu verstehen. „Ich werde dich trotzdem im Auge behalten. Paul und ich kennen uns schon sehr lange und ich weiß wie er ist, wenn er verliebt ist“, meinte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Fassungslos sah ich ihn an. „Was?“, entfuhr es mir entsetzt. Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein, zweifelte ich. „Wie wäre es,“, schlug ich in einem gereizten Ton vor, „wenn du mich einfach kennen lernst. So ganz normal meine ich. Beim Essen vielleicht oder bei einem netten Abend in einer Bar. Dann brauchst du auch nicht deine Kollegen bei der Polizei zu nerven und die nach mir suchen lassen. Ich bin Anwalt und außer ein paar Strafzetteln kam ich mit dem Gesetzt sicher noch nie in Konflikt!“ Normalerweise sprach ich nicht so mit Polizisten oder anderen Menschen, doch er nervte mich gerade. Ich hatte verdammt noch mal nichts gemacht. Nur, weil ich sie bei der Mittagspause überrascht hatte, machte es mich jetzt nicht zu einem schlechten oder gar schlimmen Menschen. „Meine Tochter wartet auf mich. Also, darf ich jetzt weiterfahren?“, fragte ich den Polizisten und verblüfft sah er mich an. Doch ich hatte ihn weder beleidigt, noch hatte ich sonst etwas gemacht, was verboten war. Michael presste die Lippen aufeinander und betrachtete mich. Erneut wanderten seine grauen Augen durch das Auto und irgendwie schwang ein Hauch des Spottes in seiner Stimmte mit als er sprach, so jedenfalls interpretierte ich seine Worte. „Du kannst eigentlich froh sein, dass ich mit Paul gesprochen habe. Nachdem du ihm nichts von deinem Kind erzählt hattest, war er erst einmal bei mir“, meinte er mit kühler Stimme, „Ich habe ihm gesagt, dass er sich das besser noch mal durch den Kopf gehen lassen sollte und nicht sofort nein sagen soll. Also ein bisschen mehr Dankbarkeit könntest du ja doch an den Tag legen…“ Das war doch jetzt nicht sein ernst. In Gedanken stöhnte ich laut und genervt auf und konnte nicht verhindern, dass ich die Augen verdrehte. „Schreib es dir das nächste mal irgendwo hin, damit ich das auch weiß“, schlug ich vor. Woher sollte ich denn bitte wissen, was er mit Paul alles besprach? Schließlich war der Mann mir keine Rechenschaft schuldig. „Ich würde aufpassen, wie du mit mir sprichst“, meinte Michael und stellte sich gerade hin. Den Kopf schüttelnd meinte ich: „Ich will gar keinen Streit. Aber ich verstehe das hier alles nicht. Wieso machst du sowas? Ich meine… Ich habe weder dir, noch Paul etwas getan. Ich bin in deinen besten Freund verknallt und er wohl auch in mich. Lass uns doch einfach schauen, was sich darauf ergibt und lerne mich einfach kennen“, schlug ich versöhnlich vor. Denn ich hatte keinen Bock wegen so etwas einen Strafzettel zu bekommen. Es dauerte einen Augenblick und vermutlich musste er sich meine Worte erst durch den Kopf gehen lassen. Wieso musste ich nicht verstehen. Doch endlich nickte er und gab mir meine Sachen wieder. „Ich will nur nicht, dass er sich einen Freak raussucht“, meinte Michael und meinte dann, dass ich weiter fahren dürfte. Da mir nichts einfallen wollte, was man darauf erwidern konnte, fuhr ich einfach weiter. Doch ich fragte mich, was das alles sollte. Leise murmelte ich vor mich hin: „Den Freak scheint er ja schon als besten Freund zu haben…“ Ich war froh, dass dieser Michael mich nicht hören konnte, denn das hätte mir sicherlich eine saftige Geldstrafe eingehandelt. Während ich auf Grün wartete schüttelte ich den Kopf über das was geschehen war. Doch auf einmal fiel mir etwas ein, was Michael gesagt hatte. Paul war verliebt… Er schien es seinem besten Freud gesagt zu haben. Ich spürte deutlich, dass Freude in mir wuchs und der Ärger über Michaels Verhalten wich der Freude. Wenn er gegenüber anderen sagte, dass er sich in mich verliebt hatte, war das einfach nur ein wundervolles Gefühl. Doch natürlich musste und wollte ich Paul darauf ansprechen, dass sein Freund irgendwie ein Problem mit mir zu haben schien. Welches das war konnte er mir vielleicht besser sagen. Zum Glück erreichte ich schnell mein Ziel und sammelte meine Tochter ein. Ich schrieb Paul, während ich darauf wartete, dass Madeline sich endlich angezogen hatte, dass sein Freund mich gerade angehalten habe. Ich bat ihn darum mir gleich in Ruhe zu erklären, was dessen Problem sei. Ein genervter Smiley kam zurück und er schrieb, dass es ihm Leid täte. Später wollte er mit mir darüber sprechen. Ich musste etwas schmunzeln als ich diese Nachricht las. Er schien es also auch schrecklich zu finden, dass er sich so in unsere Beziehung einmischte. Als ich mit Madeline zuhause war, steckte ich sie gleich in die Badewanne. Sie hatte vom Spielen im Kindergarten Dreck im Gesicht. Augenscheinlich hatten sie heute viel Zeit im Freien verbracht. Etwas, das ich gut fand. Ich ärgerte meine Tochter in der Badewanne, doch als sie mich fragte, ob ich nicht mit reinkommen wollte, schüttelte ich den Kopf. Dafür war mir die Zeit heute zu knapp. „Nein“, sagte ich gut gelaunt und meinte mit erstaunlich sanfter Stimme: „Außerdem kommt Paul gleich. Der wollte sich noch mal mit uns treffen.“ Neugierig sah mich Madeline an, doch sie sagte nichts dazu. Sie grinste mich breit an. „Darf ich gleich schon meinen Schlafanzug anziehen?“, wollte sie wissen und während ich nickte, zog ich den Stöpsel aus der Badewanne. „Klar, wir müssen dir auch bald mal neue holen. Du bist gewachsen“, meinte ich grinsend und wickelte Madeline in ein großes Handtuch. Ich ließ sie sich selbst abtrocknen und verschwand in ihrem Kinderzimmer. Während ich nach frischen Klamotten suchte hörte ich sie hinter mir in ihr Zimmer tapsen. „Richtig abgetrocknet hast du dich aber nicht“, meinte ich schmunzelnd als ich sah, dass sie das Handtuch einfach im Badezimmer hatte liegen lassen. Sie grinste nur breit und ich reichte ihr die frischen Klamotten. Ich ließ sie sich anziehen und hoffte einfach, dass sie heute alles alleine schaffte, aber ich konnte ihr schließlich auch nicht alles abnehmen… Als es an der Tür klingelte rief ich Madeline mit glücklicher Stimme zu: „Ich mache Paul mal auf.“ Sie sagte etwas, was ich nicht verstand, denn ich machte mich sofort auf den Weg nach unten. Als ich die Tür öffnete strahlte ich den Mann vor mir an und mein Herz begann höher zu schlagen. „Hey“, sagte ich und merkte wie zufrieden ich war. Vergessen war das komische Aufeinandertreffen mit Michael. Liebevoll zog ich den Mann vor mir in eine Umarmung und wie ich seine Wärme spürte und sein Geruch in meine Nase zog, konnte ich nicht anders als zufrieden zu seufzen. „Lass uns später wegen Michael sprechen“, hörte ich Pauls Stimme an meinem Ohr flüstern und ich konnte nur nicken. Liebevoll strich er mir kurz über den Rücken und ich hätte mich am liebsten einfach so mit ihm auf die Couch gelegt. Doch leider hatten wir beide dafür keine Zeit. Denn laut hörte ich von oben ein fröhliches ‚Hallo Paul‘ rufen. Nach dem Essen das Paul gekocht hatte, setzten wir uns zu dritt auf die Couch. Madeline hatte sich gefreut das er wieder da war. Sie erzählte ihm gerade wieder darüber, dass die Jane aus dem Kindergarten „doof“ sei. Er solle als Polizist endlich etwas gegen das Mädchen unternehmen. Genau hörte ich nicht zu. Ich war froh nicht immer alles mit anhören zu müssen. Entspannt ging ich in die Küche und machte gerade meiner Tochter einen Kakao, als ich ihre leise Stimme hörte: „Paul… Wieso schaust du Dad so komisch nach? Der hat heute auch so komisch geschaut als er sagte du kommst.“ Perplex erstarrte ich. Was meinte sie damit? Ich hörte auf in dem Becher zu rühren und wartete gespannt auf Pauls Reaktion. „Ich schau deinen Dad doch gar nicht komisch an“, erwiderte Paul und ich hörte die Verwirrtheit deutlich in seiner Stimme heraus. Wieder verblüffte mich Maddy, wie fein ihre Antennen doch waren. Anscheinend konnte ich vor meiner Tochter einfach nichts verborgen halten, so wie sie vor mir. Die hohe Stimme meiner Tochter drang an mein Ohr und leiser, aber für mich deutlich hörbar sagte sie: „Doch. Du hast ihm gerade nachgeschaut und gelächelt.“ Ach, dachte ich mir und meine Laune steigerte sich, hat er das wirklich? Schließlich war es mir gar nicht aufgefallen. Ich hörte wie Paul begann nach und nach etwas sagen zu wollen, doch wirklich verstand ich das Gestammel nicht. „Ja gut“, meinte er nach einem Augenblick, „Ich hab deinem Dad nachgeschaut…. Ich mag ihn.“ Die Stille die auf diese Aussage folgte, ließ mich schwer seufzen. Ich hoffte, dass Madeline nun nicht wieder meckern würde. Ich wollte nicht noch mehr Stress haben. „Magst du ihn so… wie manche Mamas und Papas sich gerne haben? Oder Papas und Papas?“ Innerlich lachte ich über diese Aussage, zeigte sie doch auch, wie liberal ich meine Tochter erzog und wie normal sie meine Homosexualität nahm. Ein Lächeln glitt auf mein Gesicht während ich die Beiden immer noch belauschte. Bestimmt war Paul bewusst, dass ich jedes ihrer Wörter verstand. „Ein wenig vielleicht“, kam es nach einem kurzen Moment von Paul und selbst aus der Distanz heraus hörte ich, wie sanft er sprach. Liebevoll lächelte ich und eine angenehme Wärme breitete sich in mir aus. Sie war so viel stärker, als ich es geahnt hatte. „Hm“, kam es von meiner Tochter und brachte mich wieder zurück in die Realität, „Ich will nicht, dass du ihn mir wegnimmst.“ Die Unsicherheit schwang deutlich in ihrer Stimme mit und gerade als ich etwas sagen wollte, erhob Paul die Stimme: „Das schaffe ich doch gar nicht. Du wirst immer die wichtigste Person für deinen Papa sein, aber glaubst du nicht, dass der nicht ab und zu jemanden braucht der ihn glücklich macht?“ „Ich mache Dad doch auch glücklich“, meinte sie lauter und ich hörte deutlich die Entrüstung in der Stimme meines Kindes heraus. Langsam ging ich mit dem Kakao zurück ins Wohnzimmer und noch bevor einer der Beiden etwas sagen konnte, meinte ich: „Du machst mich auch glücklich, Mäuschen. Aber Paul macht mich… auf seine Art und Weise glücklich…“ Ich wusste nicht, ob es der richtige Zeitpunkt war, um darüber mit meiner Tochter zu sprechen, doch wenn sie schon selbst darauf kam, wollte ich es nicht verheimlichen. Ich reichte ihr den Kakao und unsicher sah sie mich an. Sie nahm den Becher entgegen und blickte zwischen Paul und mir hin und her. Erneut wünschte ich mir, dass ich ihre Gedanken lesen könnte. „Aber du…. Paul ist jetzt wichtiger?“, wollte sie unruhig wissen und ich schüttelte energisch den Kopf. „Nein“, meinte ich mit strenger Stimme zu ihr, „Du wirst mir immer wichtiger sein. Klar? Ich mag Paul und bin froh ihn getroffen zu haben…. Aber du wirst ja immer mein Mädchen sein.“ Die grünen Augen meiner Tochter glitten von mir zu Paul und wieder zurück. Nachdenklich betrachtete sie uns und auf einmal meinte sie: „Also liebt ihr euch?“ Unschlüssig sah ich hinauf in das Gesicht des Polizisten und wusste tatsächlich nichts zu sagen und so wie Paul schaute, er auch nicht. Doch als ich ihm in die Augen blickte spürte ich, wie mich die warmen Augen des Mannes beruhigten. Ein Gefühl der Wärme breitete ich unnachgiebig in mir aus und als ich bemerkte wie ein leichtes und irgendwie auch unsicheres Lächeln seine Lippen zierten, sprudelte es einfach aus mir heraus: „Doch ich glaube ich liebe diesen Mann.“ Es gab sicher bessere Augenblicke um sich das erste Mal die Liebe zu gestehen, doch wer sagte denn welcher Augenblick der Richtige war. Wenn dies unser Augenblick war, dann war er es. Und wenn ich ihn schon nicht alleine genießen durfte, dann war es doch umso schöner, dass meine kleine Tochter dabei war. Die zwei Menschen, welche mir gerade in diesem Augenblick die wichtigsten auf der Welt waren. Unschlüssig betrachtete Madeline Paul, doch nur kurz achtete ich auf sie, denn meine eigentliche Aufmerksamkeit galt dem Mann vor mir. Überrascht weiteten sich seine Augen und ein glücklicher und zufriedener Ausdruck erschien in ihnen. Es war ein Lächeln, das alles sagte, was er für mich empfand. Micheal hatte Recht. Denn so kitschig es vielleicht klang, die Liebe war deutlich in seinem Gesicht zu erkennen. „Bevor du fragst Maddy“, meinte Paul mit sanfter und weicher Stimme, „Ich liebe deinen Vater auch.“ Es schien als könne Paul nur schwer die Augen von mir nehmen und immer wieder, nachdem er meine Tochter anschaute, suchten seine Augen die meinen. „Ich hoffe, dass das für dich okay ist. Ich will ihn dir nicht wegnehmen. Ich hoffe, dass auch wir Freunde werden“, sagte Paul mit ruhigen und liebevollen Ton zu meine Tochter. Unschlüssig sah sie uns an und mein Herz hätte nicht leichter sein sollen. Das Lächeln auf meinem Gesicht war nicht mehr wegzudenken und seit langem war ich glücklich. Es war für diesen Augenblick, als sei alle Last von meinen Schultern genommen worden und wäre Madeline nicht hier gewesen, hätte ich ihn sicher nicht mehr hergegeben. Statt Paul zog ich Madeline auf meinen Schoß und meinte: „Ich liebe dich auch mein Mäuschen und trotzdem brauch ich auch mal einen Erwachsenen, dem ich das sagen kann. Glaubst du, du kannst damit leben?“ Unschlüssig betrachtete mich Madeline und als sie von meinem freudestrahlenden Gesicht zu Pauls blickte, nickte sie nur. „Na gut“, meinte sie nach einem Augenblick, „Aber nur, wenn Paul sich einen Hund kauft.“ Leise lachte ich auf und drückte meine Kleine fest an mich. „Das kannst du nicht bestimmen“, meinte ich schmunzelnd und leise hörte ich Paul lachen. Ich sah, wie er sich über sein Bein strich und ich vermutete, dass er wieder einmal an seine Prothese dachte. Doch darauf ansprechen konnte ich ihn gerade nicht. „Ich glaub ein Hund fällt erstmal raus, aber man soll ja nie, nie sagen“, meinte er gelassen und als Madeline todernst meinte, dass ich nie einen Hund kaufen würde, hatte sie eigentlich Recht damit. Endlich hatte ich Madeline hingelegt und als ich wieder runter kam, ging ich ohne Umwege einfach auf Paul zu. Fest drückte ich meine Lippen auf die Seinen und ein zufriedener Seufzer entkam meinen Lippen. „Weißt du eigentlich, wie glücklich ich gerade bin?“, fragte ich leise und noch bevor er etwas sagen konnte, drückte ich erneut meine Lippen auf die Seinen. Einen Arm um mich legend drückte Paul mich an ihn und erst nach einigen Augenblicken löste er den Kuss. „Und ich erst… Und lass dich nicht von Micheal nerven… Der ist etwas komisch, aber eigentlich ein netter Kerl, sonst wäre er ja nicht mein bester Freund… Lass dich einfach nicht ärgern“, meinte Paul und drückte mich an seine Seite. Kraftvoll drückte ich ihn auf das Sofa und blickte hinab in die dunklen Augen des Mannes. „Weißt du… dein Freund ist mir gerade irgendwie egal… Ich bin gerade viel zu glücklich darüber, was jetzt ist. Der wird sich schon an mich gewöhnen…“, meinte ich grinsend und langsam wanderte meine Hand unter sein Oberteil. „Stört es dich… dass es jetzt nicht der romantischte Augenblick war, in dem ich es dir gesagt habe?“, fragte ich Paul, denn ich könnte verstehen, dass er den Satz, ich liebe dich, gerne romantischer gesagt bekommen hätte. Zu zweit, ohne neugierige Kinderohren. Während meine Finger über seinen Rücken strichen, zuckte er leicht mit den Schultern. „Es ist vollkommen okay Richie. Wir werden noch genug Möglichkeiten bekommen, in dem die Kleine nicht dabei ist… Für mich war gerade alles richtig“, erklärte er leise und strich mir durch die schwarzen Haare. Unsere Blicke begegneten sich und leise hauchte Paul: „Ich liebe deine Augen…“ Sich zu mir beugend, fing er meine Lippen in einem liebevollen Kuss ein. Mein Puls setzte aus um danach nur doppelt so schnell weiter zu schlagen. Der Geschmack des Mannes war wunderbar und seine offene Einstellung war einfach herrlich. Sie gab mir Sicherheit. Und ich brauchte dieses Gefühl mehr als ich je zugeben würde. Es dauerte, bis wir uns voneinander lösen konnten und ich strich mit meiner Hand über seine Wange. Langsam glitten Pauls Hände unter mein Shirt und sofort strichen seine Hand über meinen Rücken während er meinte: „Aber weißt du… ich glaube, ich habe deine Maddy auch irgendwie lieb gewonnen…. Irgendwie… gefällt mir der Gedanken eine Familie zu bekommen…“ Liebevoll lächelte ich ihn an und beugte mich zu ihm runter und fing seine Lippen erneut in einen Kuss ein. Ich hätte keine Worte gehabt, welche meine Gefühle Ausdruck verliehen hätten und so konnte ich nur hoffen, dass dieser Kuss mehr sagte, als es Worte konnten. Kapitel 21: Einladung zum Geburtstag ------------------------------------ Es war eine tolle Zeit mit Paul gewesen und auch Madeline konnte mit dem Gedanken Leben, dass wir beide einander gern hatten. Ich war wirklich dankbar darüber. Doch wie so oft waren schöne Momente rar gesät und wie ich das Gebäude des Jugendamtes betrat merkte ich, wie nervös ich wieder wurde. Unruhig knetete ich meine Hände ineinander und starrte auf den Boden zu meinen Füßen. Ich war unruhig und schloss kurz die Augen um mich zu beruhigen. Immer wieder begann mein Puls zu rasen und nur durch ruhiges ein- und ausatmen schaffte ich es, ihn wieder unter Kontrolle zu bekommen. Schon in der Nacht hatte ich nicht gut geschlafen und immer wieder gingen mir Varianten durch den Kopf, wie dieses Gespräch heute im Jugendamt ablaufen könnte. Die größte Sorge die ich hatte war, dass ich vollkommen ausflippte. Wenn Brian und ich uns anschrieen, wie vor meiner Haustür, warf das sicher kein gutes Bild auf uns. Ich war froh, dass ich es dennoch schaffte mein Arbeitspensum zu schaffen. Würde das noch einknicken, bekäme ich sicherlich noch Probleme mit meinem Chef. Noch bevor ich mich auf den Weg hier her gemacht hatte, hatte Benjamin mir noch ins Gewissen geredet. Ich sollte den Kopf nicht verlieren und mir die Vorschläge durch den Kopf gehen lassen. Doch es war so verdammt schwer nachzugeben, wenn man eigentlich vollkommen davon überzeugt war, dass man Recht hatte. Erneut drangen mir Pauls Worte in den Kopf. Was würde Madeline wollen und was würde sie enttäuschen. Vielleicht nicht jetzt, aber in vielleicht 10 oder 15 Jahren. Unsicher biss ich mir auf die Lippen. Wie sollte ich das Gespräch führen? Was war richtig und was war falsch? Sollte ich Kompromisse vorschlagen? Und wenn ja, wollte ich das überhaupt? Kurz strich ich mir mit beiden Händen übers Gesicht und setzte mich langsam auf. Der Verkehr war besser gewesen als ich dachte und so kam es, dass ich 10 Minuten zu früh im Jugendamt eingetroffen war. Tief ein- und ausatmend versuchte ich erneut meine Gefühle und Gedanken zu ordnen. Auch versuchte ich angestrengt meine Gefühle nicht in meine Entscheidungen einfließen zu lassen, etwas was mir derzeit einfach nicht gelingen wollte und etwas, was sich einfach unglaublich schwer anfühlte. Ich betrachtete die Bilder an der Wand. Es waren dieselben, die auch bei meinem letzten Besuch hier hingen. Niemand sonst saß hier im Flur und wartete. Doch ich hörte Stimmen hinter einer anderen verschlossenen Tür. Ich hörte, wie eine Tür geöffnet wurde und als ich automatisch in die Richtung blickte, sah ich Brian. Die Haare waren ordentlich gekämmt. Auch er wirkte angespannt und ich war wahnsinnig froh, ihn ohne diese Frau zu sehen. Sie war ein Störfaktor in meinen Augen und doch sollte es mir eigentlich egal sein. Doch immer war sie da gewesen und immer hatte sie sich eingemischt. Die Höflichkeit gebot mir ihm zuzunicken, doch etwas anderes wollte mir nicht über die Lippen gehen. Auch Brian nickte und über seine Brille hinweg betrachtete er mich. Ich versuchte es zu ignorieren und tat lieber so, als sei ich mit meinem Handy beschäftigt. Tief durchatmend meinte ich nach einem Augenblick: „Dir ist bewusst, dass die eine Situation letzten bei mir Zuhause einfach scheiße war, oder?“ Stille breitete sich zwischen uns aus und erst nach einem Augenblick nickte Brian und murmelte: „Ich weiß…“ Er wich meinen Blick aus und ich war mir sicher, dass es ihm unangenehm war, dass ich Recht hatte. Entschuldigungen lagen ihm noch nie. Selbst als wir noch verheiratet waren, war es immer etwas, was ihm einfach schwer fiel. Gerade, als ich etwas sagen wollte, öffnete sich die Tür und Mrs. Brown stand in der Tür. Ihr Blick glitt von mir zu meinem Ex-Mann, freundlich nickte sie uns zu und bat uns in ihr Büro. Sie trug eine blaue Bluse mit modernem Blumenmuster und eine dunkelblaue, enge Jeans. Einige Ketten und Armbänder waren zu sehen und freundlich blickte sie von mir zu meinem Ex-Mann. Ich setzte mich Brian gegenüber und wie beim Gespräch zuvor sagte die Sozialarbeiterin, dass sie sich Notizen machen wolle. Unschlüssig nickten wir und ich sah wie sie oben Namen und Daten eintrug. Nachdem sie alles fertig geschrieben hatte, blickte sie zu uns auf. „Zunächst einmal“, meinte sie mit einem freundlichen und doch recht bestimmenden Ton, „möchte ich Ihnen Mr. Nolan sagen, dass ich es für nicht gut erachtete, wenn sie vor der Tür ihres Ex-Mannes stehen und das auch noch unangemeldet. Im Gespräch mit Mr. Prescot habe ich gehört, dass Madeline diese laute und augenscheinlich für sie, beängstigende Situation nicht gut verkraftet hat!“ Zufrieden blickte ich hinauf und sah in die so bekannten braunen Augen Brians. Doch sein Blick galt der Sozialarbeiterin. Er nickte nur und meinte, dass er dies verstanden habe. „Aber verstehen Sie“, meinte er mit eindringlicher Stimme, „Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten und war… vielleicht etwas überstürzt, als ich zu Rick gefahren bin. Ich wollte meiner Tochter keine Angst machen, dass war nie mein Ziel.“ Unschlüssig biss ich mir auf die Lippen und hätte am liebsten gelacht. Doch ich hielt mich zurück, jetzt einfach zu lachen sähe aus, als sei ich ein Psycho. Und wieso nannte er mich wieder Rick… Ich dachte, dieses Thema hätten wir gehabt. „Ich kann nachvollziehen, dass Sie ihre Tochter sehen möchten und doch muss ich sagen, dass so etwas das nur erschweren wird“, sagte sie mit zwar immer noch freundlicher Stimme, jedoch war ein Unterton vorhanden, der eigentlich keine Widerworte zuließ. Brian nickte nur und das nächste was Mrs Brown sagte überraschte mich. „Das Gericht hat mir im Übrigen den Termin zugefaxt. Die normale Post dauert sicher noch etwas. Der Termin wird am 03.05. stattfinden, um 11.45 Uhr.“ Sofort fragte ich, ob sie mir den Zettel kopieren würde. „Das kann ich später machen“, meinte sie höflich und sprach weiter, „Ich werde jetzt mit Ihnen eine Umgangsvereinbarung erarbeiten. Ich habe bereits unabhängig voneinander erklärt, dass ich dies machen werde und befürworte.“ Alle Augen richteten sich auf mich und ich wusste, dass sie alle auf einen Einwand von mir warteten. Fest biss ich die Lippen aufeinander und starrte Brian zornig an. Ich konnte es nicht verhindern und musste einfach fragen: „Wieso, wieso tauchst du einfach auf und was passiert, wenn du plötzlich wieder einfach verschwindest? Wie soll ich das Madeline erklären?“ Den eigenen Schatten zu überspringen und etwas zu machen was so gegen die Gefühle ging, war unglaublich schwer, denn immer noch war ich mir unschlüssig, ob ich das Richtige mache. „Rick, es tut mir leid“, meinte er ruhig und strich sich kurz durch das Gesicht, „Es war damals halt alles zu viel und dann musste ich einfach ausbrechen. Es war dumm und ich bereue es, wirklich. Ich werde so etwas nicht noch mal machen! Pastor Graham meinte auch, dass ich mich wieder einkriegen sollte und das habe ich geschafft.“ Noch bevor ich dazu kam etwas zu sagen, fiel mir Mrs. Brown ins Wort. „Ich verstehe, dass hier viele Gefühle verletzt wurden und bevor wir zu der genauen Umgangsvereinbarung kommen, würde ich selbst noch zwei Themen ansprechen“, meinte sie und blickte von mir zu meinem Ex-Mann. „Mir ist es eigentlich egal welche Haltungen und Meinungen Menschen vertreten. Wie offen und aufgeschlossen wer ist, oder welche Kirche wer besucht. Doch ich möchte Ihnen etwas ans Herz legen. Sie haben sich damals mit ihrem Mann dazu entschlossen, ein Kind zu bekommen und lebten damals in einer homosexuellen Beziehung. Auch wenn sie jetzt nicht mehr in so einer Beziehung sind, heiße ich es nicht gut, dass sie es jetzt vertreten lassen, dass ihr Kind bei einem Homosexuellen nicht gut aufgehoben sei. Ich werde das auch in meinem Bericht so schreiben. Sie haben sich vor Jahren dazu entschlossen und nun so zu argumentieren finde ich fragwürdig. Wie ich bereits Mr. Prescot mitgeteilt hatte, werde ich es nicht gut heißen, dass Madeline ihren Lebensmittelpunkt wechselt und wenn sie Kontakt haben, sollten sie diesen nutzen um ihr Kind kennen zu lernen und nicht, um ihr zu erklären, dass ihr Vater nicht normal sei oder ihr zu sagen, sie bräuchte dringend eine Mutter.“ Überrascht sah ich sie an. Ich hätte erwartet, dass dieses Gespräch anders abläuft. „Meine Freundin hat mir auch schon gesagt, ich soll das sein lassen“, murmelte er genervt und blickte von Mrs. Brown zu mir, „Und ich weiß ja auch, dass es schwierig ist. Ich bin bereit zu tun, was ich tun muss, um mit meiner Tochter in Kontakt zu kommen.“ Innerlich lachte ich auf. Ich hatte vollkommen Recht gehabt. Es ging nie um das Sorgerecht, es ging einzig um Kontakte. Wie ich vermutet hatte und nun wurde ich gezwungen darüber zu verhandeln. Ich erinnerte mich an Pauls Worte, was ich tat wenn ich Madeline ihrem Vater vorenthielt. Ob sie wirklich hinterher sauer sein würde? Ich wusste es nicht, aber ich wünschte, ich hätte es gewusst. Doch es gab keine Glaskugel und ich konnte nirgends reinblicken. Tief durchatmend strich ich mir über mein Kinn und war erleichtert, dass Mrs. Brown das Gespräch führte, ich selbst wäre schon längst wieder ausgeflippt. „Ja“, meinte Mrs. Brown und ich musste mich wieder in das hier und jetzt katapultieren, denn genau jetzt begann es um das zu gehen, was wichtig war. „Wie würden Sie sich denn den Umgang vorstellen“, meinte Mrs. Brown und blickte von Brian zu mir. Mit großen Augen betrachtete ich die Sozialarbeiterin vor mir. Am liebsten hätte ich gesagt: Gar nicht. Doch diese Worte wollten glücklicherweise nicht so unbedacht über meine Lippen kommen. Ich war dankbar, dass ich mich zurückhalten konnte und nachdenklich strich ich mir durch die schwarzen Haare und blickte von der Sozialpädagogin zu meinem Ex-Mann. Unsere Blicke trafen sich und immer noch waren seine Augen unheimlich vertraut. Doch anders als früher war da dieser harte Zug um seine Lippen und ich konnte nur mutmaßen, dass um meine Lippen der gleiche Ausdruck lag. „Ich glaube, wenn es nach meinem Ex-Mann geht, dann gar nicht“, stichelte Brian und blickte mich provozierend an. Mit verengten Augen betrachtete ich den Mann vor mir. Nur am Rande bekam ich mit, wie Mrs. Brown sich Notizen machte, wann sie es davor getan hatte wusste ich gar nicht. Ich hatte nicht darauf geachtet. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass sie auf der Seite von Brian sei. Weswegen genau, hätte ich nie erklären können. Tief atmete ich durch, denn zu lange durfte und wollte ich jetzt auch nicht schweigen. „Ja, ich habe mir Gedanken gemacht. Gedanken ob es gut ist oder nicht. Und… ich weiß nicht was Richtig oder Falsch ist. Doch ich möchte mir… glaube ich, hinterher nicht anhören, dass ich etwas verhindert habe, was meine Tochter vielleicht wollte…. Wenn du sie wieder im Stich lässt… ach, ich weiß auch nicht“, meinte ich genervt und verschränkte die Arme vor der Brust und ließ meinen Blick durch das Büro schweifen. Ich betrachtete eine Karte der Stadt Portland und fragte mich, was diese Frau wohl alles in ihrem Job sah. Selbst machen würde ich ihn freiwillig nicht! Ich bemerkte selbst, dass ich mich extra ablenkte und zwang meine Gedanken wieder zu dem Gespräch zurückzufinden und meine grünen Augen suchten die des Mannes vor mir. „Ich verstehe ihre Sorge“, meinte Mrs. Brown freundlich und lächelte mich an. Ich nickte leicht und konnte mir denken, dass hier schon öfter Ex-Paare wie wir gesessen hatten. Vielleicht auch welche, welche noch mehr Streit hatten. Erneut legte sich Schweigen über uns und als ich zu der Sozialarbeiterin schaute, sah ich wie sie einen Zettel zur Hand nahm. „Wir haben dafür etwas, was wir begleiteten Umgang nennen. Diese begleiteten Umgänge finden um die zehn Mal statt und werden von einem Pädagogen begleitet. Sie würden Madeline zum Beispiel hier her bringen. Wir haben hier für so etwas einen extra Raum, in dem wir Spiele und eine Couch haben. Dort bringen sie ihre Tochter eine viertel Stunde vorher hin. Sie wird dann mit der Pädagogin auf Mr. Nolan warten und nach circa einer Stunde können sie ihre Tochter wieder hier abholen. Sie brauchen sich dann keine Sorgen zu machen, dass Madeline irgendetwas passiert und ich bekomme später einen Bericht, den ich zu meiner Stellungnahme hinzufügen kann.“ Unschlüssig nickte ich und dachte über diesen Vorschlag nach. Ich wollte nicht, dass Madeline Kontakt zu ihm hatte. „Sollen wir dann nicht die Gerichtsverhandlung abwarten“, meinte ich und versuchte einfach Zeit zu schinden. Ich bemerkte, wie Brian die Lippen aufeinander presste und mich missmutig betrachtete. Auch Mrs. Brown blickte mich unschlüssig an und meinte: „Können wir auch. Doch ich vermute, dass es eh darauf hinausläuft. Wir können auch jetzt etwas fest machen und schauen, wie es sich entwickelt“, schlug sie in einem neutralen und sachlichen Ton vor, den ich nicht einzuschätzen vermochte. „Madeline hat aber in eineinhalb Wochen Geburtstag“, meinte ich ausweichend, „Und ich würde sagen, wir können danach starten. Brian hatte ihr schon Angst gemacht.“ Ich hörte ein genervtes Stöhnen und Brian polterte genervt: „Man Rick, ist doch egal! Dann lass mich doch mit unserer Tochter den Geburtstag nachfeiern. Hast du nicht gehört, dass der Richter vermutlich eh so etwas einleiten wird?“ Ich spürte wie etwas in mir implodierte und ich konnte nicht verhindern, es nach außen zu zeigen! „Es ist deine Schuld, dass du nie einen Geburtstag deiner Tochter mitbekommen hast!“, fuhr ich ihn wütend an und schlug mit der Hand tatsächlich auf den Tisch. Dieser Mann brachte mich zur Weißglut! Ein kleiner Funke genügte und ich konnte hochgehen wie eine Bombe. „Mr. Prescot!“, fuhr mich die Sozialarbeiterin an, „Ich möchte, dass dieses Gespräch weiterhin ruhig und konstruktiv verläuft, dasselbe gilt für sie, Mr. Nolan.“ Wütend funkelten wir einander an und ich schluckte meine Wut hinunter. Ich biss mir leicht auf die Lippen und als sich Brian und ich uns in die Augen sahen, verengten sich unsere Augen. „Bis zum Gerichtstermin sind noch gut drei Wochen“, meinte Mrs. Brown, „Und bis dahin könnten wir den begleiteten Umgang vorbereiten. Bis dahin muss ich eh jemanden finden, der dafür Kapazitäten hat und das mit meinem Chef abklären. Dennoch sollten wir wenigstens einen ersten Termin festlegen.“ Stur meinte ich genervt, dass dieser Termin nicht vor ihrem Geburtstag sein sollte. „Wie wäre es mit dem Montag nach ihrem Geburtstag“, schlug Mrs. Brown vor und Brian und ich blickten einander stur in die Augen. In meinen Kopf ratterte es. Wenn ich nicht auf den Kompromiss einging, würde das Gericht vermutlich bestimmen, dass genau das umgesetzt würde und so war Madeline wenigstens nicht alleine mit Brian. Langsam nickte ich und schloss verzweifelt die Augen „Okay“, raunte ich und zwang mich nachzugeben. Ob es richtig war oder nicht, dass wusste ich nicht und ich vermutete, dass ich es auch in den nächsten Tagen nicht wissen würde. „Ich schaue, dass ich es montags schaffe sie hier her zu bringen. Aber es wird sicher nicht vor 16.30 sein“, meinte ich genervt und holte mein Handy aus der Tasche. Endlich war ich am Kindergarten und holte meine Tochter ab. Sie saß mit einem anderen Kind am Maltisch und unterhielt sich. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich, dass es Candy war. Sie reichte meine Tochter gerade einen Stift und sie schienen die einzigen Kinder hier zu sein. Anna, die Kindergärtnerin nahm mich kurz beiseite und berichtete mir kurz von Madelines Tag. Doch anders als meine Prognosen, war dieser ruhig und ohne Zwischenfälle verlaufen. Nur das Madeline beim Toben hingefallen sei und eine Schramme am Knie hatte. Ich winkte ab und sagte, dass das immer mal passieren könne. „Stimme es eigentlich“, fragte Anna mit freundlicher Stimme, „Dass sie einen neuen Partner haben? Madeline erwähnte da etwas.“ Leicht lächelte mich Anna an und grinsend und gleichzeitig augenverdrehend sah ich zu meine Tochter. „Ja, aber es ist noch nicht… also ja schon und Madeline hat ihn auch schon kennen gelernt“, meinte ich grinsend und konnte das Strahlen nicht aus meinem Gesicht verbannen. Dieses Gespräch tat gut, denn es lenkte von dem ab, welches ich vor einer Stunde geführt hatte. Anna kannte mich und ich sah deutlich in dem Gesicht der jungen Frau, dass sie sich wirklich freute für mich. „Madeline hatte schon gesagt, dass er auch zu ihrem Geburtstag kommt“, meinte sie und perplex blickte ich sie an. „Ach?“, meinte ich verwirrt, „Hat sie das? Gut das ich davon noch nichts weiß und er auch nicht. Dann sollte ich ihm das gleich mal sagen.“ Beide lachten wir auf und ich hörte hinter uns meine Tochter nach mir rufen. „Du bist ja da“, rief sie und ich sah, dass sie im Gesicht und auf den Händen bemalt war. „Ja bin ich“, meinte ich schmunzelnd und sah, dass auf ihrem Knie ein Pflaster klebte. „Da ist das Wetter einen Tag mal richtig gut, du ziehst eine kurze Hose an und kommst gleich mit einem Tiger auf den Knie nach Hause“, meinte ich und hockte mich hinunter zu meinem Kind. Grinsend tippte sie auf das Pflaster und sagte: „Ich bin ausgerutscht. Als Taylor mich fangen wollte“, erklärte sie und in mein Gesicht. „Und?“, fragte ich grinsend, „Hast du geweint?“ Mit großen grünen Augen blickte sie von mir zu Anna und leise murmelte sie: „Nur ein bisschen.“ Leise lachend erhob ich mich wieder und wuschelte ihr durch die Haare. „Komm zieh deine Sachen an“, meinte ich grinsend und verabschiedete mich von Anna. Gemeinsam mit Madeline saß ich im Auto und lauschte ihren Berichten und erst als sie aufhörte zu erzählen fragte ich sie: „Stimmt es, dass du Paul zu deinem Geburtstag einladen möchtest?“ Als ich in den Rückspiegel blickte sah ich, dass sie nickte und fröhlich meinte sie: „Ja. Ich finde ihn nett. Wenn er kommt, ist das okay“, meinte sie und als ich ihr sagte, dass sie ihn aber einladen müsse, murmelte sie ein okay. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf meinem Gesicht, denn sie zeigte mir, dass sie mir und Paul wirklich eine Chance gab. Sie schien keine Angst zu haben, dass er mir wichtiger werden könnte. „Darf ich ihn anrufen“, fragte sie auf einmal und verwirrt sagte ich ohne groß darüber nachzudenken „Okay“. Als wir Zuhause waren, verlangte Madeline tatsächlich, dass ich Pauls Nummer wählte und schmunzelnd setzte ich mich mit ihr auf unsere Treppe. Sie schien Nägel mit Köpfe machen zu wollen. Schell wurde abgenommen und die entspannte Stimme von Paul drang an meine Ohren: „Na, hat da wer Sehnsucht?“ Leise und frech erwiderte ich: „Nur nach bestimmten Teilen von dir. Nein Spaß. Madeline will mit dir sprechen.“ Sie konnte mit diesem Humor eh nichts anfangen und verstand ihn nicht. Zum Glück. Ein verwirrter Laut drang an meine Ohren. Natürlich war er verwirrt, denn wann wollte schon eine fast vierjährige mit einem telefonieren. „Okay“, meinte er und klang immer noch verwundert. Ich reichte meiner Tochter mein Handy und etwas ungeschickt hielt sie es sich an ihr Ohr. Stolz sah sie aus mit dem Handy in der Hand und ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Zu gerne hätte ich davon ein Foto gemacht. „Hallo, Paul“, sagte und obwohl sie gerade so stolz wirkte, da sie mit meinem Handy telefonieren durfte, sprach sie dennoch sehr leise und piepsig. „Bei mir ist alles gut. Und Jane war nicht im Kindergarten…. Ja, finde ich auch. Ich will, dass du zu meinem Geburtstag kommst“, sagte sie und nach einem Augenblick hörte ich, dass Paul etwas sagte. Doch genau konnte ich es nicht entschlüsseln. Doch als Madeline antwortete, wusste ich, was er gefragt hatte. „Ich weiß nicht genau wann. Aber bald“, erklärte sie und ich half ihr das große Handy am Ohr zu halten. Ich hatte keine Lust, dass es auf den Boden fiel. „Das ist toll“, meinte sie leise und als erneut etwas gesagt wurde, verstand ich das Wort „Geschenk.“ „Ich mag Puppen und Einhörner und Frozen“, sagte sie und als erneut Paul etwas sagte, reichte sie mir das Handy wieder. „Er kommt“, meinte sie zufrieden und ich nahm mein Smartphone entgegen. „Ich spiel jetzt oben“, meinte sie grinsend und zufrieden ging sie rauf. Das Handy ans Ohr nehmend, meinte ich: „Ich bin da. Also du kommst zum Geburtstag?“ Lachend meinte Paul: „Nach der süßen Einladung auf jeden Fall. Sag mir nur, wann er ist.“ Sofort sagte ich ihm das Datum und meinte: „Sie hat Glück und ich auch. Sie hat an einem Freitag Geburtstag. Meine Familie kommt auch… die würdest du auch kennen lernen und Taylor aus dem Kindergarten.“ Kurz war Stille am Ende der Leitung zu hören und nach einem Augenblick fragte Paul: „Und du willst mich dann deinen Eltern vorstellen?“ Sofort sagte ich ja. Mich störte es nicht und wenn sie ihn kannten, waren sie sicher froh, dass ich endlich die Chance auf eine vernünftige Beziehung hatte. „Okay…. Ja, ich komme. Du musst mir nur sagen, was ich besorgen soll. Oder besorg du was und ich gebe dir das Geld wieder. „In Ordnung“, meinte ich und ging in das Wohnzimmer. Schwer seufzte ich auf und ohne, dass Paul nachfragte, begann ich einfach von meinem Tag zu erzählen. Ich berichtete von dem Gespräch im Jugendamt und von dem Vorschlag des begleiteten Umganges. Ich musste es einfach los werden und dieser Mann betrachtete die Situation immer aus einem anderen Blickwinkel. Einem klareren, wenn ich ehrlich war. „Hm“, meinte Paul, nachdem ich ihm das Konzept vorgestellt hatte, „das klingt doch gar nicht verkehrt. Du weißt, dass Madeline nicht mit ihm alleine ist und du entzieht ihr nicht ihren Vater… Richie, ich weiß, dass es schwer für dich ist, aber ich denke wirklich, dass es der richtige Weg ist. Auch wenn du es scheiße findest, das kann ich verstehen.“ Genervt seufzte ich auf und meinte: „Nenne mich nicht Richie.“ Ich wollte ablenken und ich mochte den Namen einfach nicht. Das Lachen am anderen Ende der Leitung ließ mich kalt und Paul erwiderte: „Ich finde Richie besser als Rick und lenk nicht immer ab. Ich meine es wirklich ernst. Hab mich sogar für dich im Internet schlau gemacht. Aber wesentlich schlauer als vorher bin ich auch nicht. Versuch es für Madeline. Sie kann so etwas noch nicht selbst entscheiden und so hast du immer das Argument, ich wollte dir nie ein Elternteil vorenthalten.“ Fast schon genervt raunte ich ihm zu, dass ich das wisse. „Ist trotzdem irgendwie doof. Ich soll ihr auch noch Lust auf das Treffen machen hat die Sozialarbeiterin gesagt. Ich hab keine Ahnung, wie ich das machen soll. Vor allem nicht nach der Aktion, wo er vor der Tür stand mit dieser Hannah. Ich war ja schon froh, dass er die nicht mitgebracht hat.“ Ich hörte ihn tief ein und ausatmen am Telefon. „Du hast ja noch etwas Zeit bis dahin. Also komm schon. Das schaffst du auch. Brauchst du mich heute, sonst würde ich mich nämlich zum Sport auf machen.“ Nachdenklich meinte ich: „Kannst ja mit dem Fahrrad vorbei kommen. Dann können wir zu dritt eine Runde fahren.“ Es wurde still am Ende der Leitung und als ich verwirrt nachfragte, ob er noch dran sei, raunte er leise ein ja, in den Hörer. Weswegen verstand ich erst, als er wieder begann zu sprechen. „Ich kann kein Fahrrad mehr fahren“, meinte er leise und als ich wiedersprach sagte er erneut, dass er es nicht mehr könne. Ich merkte, dass ich gerade gegen eine Wand sprach und schlug vor: „Was hältst du davon, wenn wir das am Wochenende einfach ausprobieren?“ Er schien immer noch zu große Sorge zu haben. Wie man ihm diese nehmen könnte, wusste ich selbst nicht. Der simpelste Spruch der mir durch den Kopf schwirrte war, dass er sich einfach auf seinen Drahtesel setzten sollte, um es zu versuchen. Doch vermutlich war es für ihn genauso schwer, wie mich davon zu überzeugen, dass es gut war, dass Madeline sich mit Brian trifft. „Ich weiß nicht…. Können wir ja dann schauen. Madeline weiß schließlich auch noch nichts von dem Bein“, meinte er und sagte, dass er dann gerne zum Sport aufbrechen würde. Ich ließ ihn, denn ich wusste nicht, ob er gerade wieder Schmerzen hatte oder nicht. Ich wusste, dass er noch Fahrradfahren konnte, doch vermutlich traute er es sich nicht mehr. Kapitel 22: Wie Pech und Schwefel --------------------------------- Anstrengend war der Morgen gewesen. Madeline wollte sich nicht anziehen lassen und meckerte über die Klamotten die ich ihr raussuchte. Es flossen Tränen und als sie wegrennen wollte hielt sich sie am Arm feste. Ich hatte keine Lust auf ein Drama. Ernst sagte ich ihr, dass es keinen Grund zum Weinen gäbe und als sie laut jammernd, „doch“, schrie war meine Geduld aufgebraucht. Lauter als es vermutlich notwendig gewesen wäre, meckerte ich sie an. Wiederwillig zog sie die Kleidung an und ich war erleichtert, als sie nach dem Essen wieder bessere Laune hatte. Mich beruhigend atmete ich durch. Wir teilten uns ein Brot und schnell schmierte ich ihr das Essen für den Kindergarten. Dennoch, es sollte nicht mein Morgen werden. Endlich, nachdem alles fertig war, die Brote geschmiert, die Jacken angezogen und wir das Haus verließen, weiteten sich meine Augen als ich mein Auto sah. Schräg stand es in der Einfahrt und als ich um den Wagen herumging bemerkte ich, dass er einen Platten hatte. Der hintere rechte Reifen war leer. Perplex sah ich meinen Wagen an. Das durfte jetzt nicht wahr sein. Einzig meine Tochter neben mir ließ mich jede noch so schlimme Beleidigung im Keim ersticken. Wieso musste ausgerechnet mir so etwas passieren. Langsam beugte ich mich hinunter und betrachtete den Reifen. Es durfte einfach nicht wahr sein! Nachdem ich genauer geschaute hatte, bemerkte ich, dass die Verschlusskappe des Ventils fehlte. Seit wann gingen Reifen denn so die Luft aus? Vermutlich hatte er vorher schon einen Schaden gehabt. Toll! Ich war mir im dämmrigen Licht nicht sicher, ob da noch ein Loch war. Wütend blickte ich mich um. War das ein schlechter Scherz der Nachbarskinder gewesen? Doch irgendwer musste es gewesen sein! Die Dinger verschwanden schließlich nicht einfach! Ich drehte das Teil ja nicht selbst von meinem Reifen. Der Zorn kratzte an meinen Nerven und einige Male atmete ich tief ein und aus und kratzte mich an der Schläfe. Wenn ich denjenigen erwische, wird er sich warm anziehen müssen, schoss es mir durch den Kopf und als ich es in meinem Kopf unangenehm Knirschen hörte merkte ich erst, wie feste ich die Zähne aufeinander gebissen hatte. „Komme ich jetzt nicht zum Kindergarten?“, fragte Madeline sehr leise. Sie kannte mich und vermutlich war sie deswegen so vorsichtig, was sie sagen sollte. Sie musste sehen, dass ich gerade vor Wut in die Luft gehen könnte. Erneut strich ich mir durch die Haare, atmete tief durch und versuchte meine Nerven zu beruhigen. Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern und schien tatsächlich nicht zu wissen, wie es weiter gehen könnte. Tatsächlich war ich in diesem Augenblick vollkommen überfordert. Sollte ich mit dem Rad fahren? Dann bräuchte ich auf der Arbeit erstmal eine Dusche. „Frag doch Onkel Phil“, schlug Madeline vor und sofort sagte ich ihr, dass dies eine gute Idee sei. Tatsächlich hatte ich an ihn gar nicht gedacht. Ich strich ihr durch die Haare und holte mein Smartphone aus der Tasche. Ich rief meinen besten Freund an und als er von meinem Problem hörte, meinte er lachend: „Ach okay, ich hol dich ab. Hab eh genug Überstunden. Wartet draußen. Aber heute Nachmittag kann ich dich nicht abholen, Sarah und ich müssen zum Arzt.“ Ich war dankbar, dass Phil so spontan war und irgendwie freute ich mich auch ziemlich, ihn wieder zusehen. Viel zu lange war unser letztes Treffen her und ich musste ihn und Sarah bald wieder besuchen. Eine viertel Stunde später hielt Phil mit seinem Auto vor dem Haus. Missmutig betrachtete er meinen Wagen und fragte sofort: „Hast du eine Idee, wer das war?“ Ich schüttelte den Kopf und verstaute Madeline mit ihrem Kindersitz bei meinem besten Freund im Auto. Sie war ruhig, denn vermutlich ahnte sie, dass sie immer noch vorsichtig sein musste. Schließlich war meine Laune noch nicht besser geworden. Trotz der schlechten Laune, ich zwang mich dazu, mich nicht weiter über das Auto aufzuregen. „Weiß nicht. Vielleicht ein Scherz von Jugendlichen. Ich finde den jedenfalls nicht lustig“, meckerte ich und ließ mich neben Phil auf dem Beifahrersitz nieder. „Wenn ich die sehen würde, würde ich die ja sowas von anschwärzen bei ihren Eltern“, meinte Phil kopfschüttelnd und mit ernster Stimme. Er trug eine teure Regenjacke und schaltete gerade seine Scheibenwischer ein. „Wie läuft es eigentlich bei dir so?“, fragte ich und leise lachend erzählte Paul, dass Sarah sich andauernd wegen dicker Füße beschwerte. „Sie sagte letztens, dass sie nicht mehr schwanger sein möchte“, grinste er gut gelaunt und blickte mich grinsend an. „Ich kann es verstehen“, erwiderte ich grinsend, „Es ist schließlich nicht angenehm, glaube ich zumindest. Immer so dick zu sein und sich kaum bewegen zu können.“ Wir sprachen viel und nach einigen Minuten, nachdem wir Madeline im Kindergarten abgesetzt hatten, meinte ich: „Ich glaube, irgendwie bin ich nicht mehr Single. Das mit Paul hat sich geklärt und er hat sogar schon Madeline kennen gelernt. Sie hat ihn zu ihrem Geburtstag eingeladen. Sie mag ihn.“ Überrascht sahen mich Phils hellbraunen Augen an. Ein Lächeln schlich auf sein Gesicht und zufrieden sagte er: „Siehst du mal, es gibt doch nicht nur Idioten.“ Ich konnte nicht verhindern, dass sich ein zufriedenes Grinsen auf meine Lippen legte. Über Paul zu sprechen ließ mich das blöde Auto vergessen. „Na ja, nein, ein Idiot scheint er nicht zu sein“, meinte ich grinsend und leise lachend nickte Phil. Er sei gespannt, wann er ihn endlich kennen lerne, sagte er noch und fragte mich, wie genau Paul reagiert habe. Ich schilderte es ihm und ehrlich sagte er auch, dass ich wirklich einen falschen Zeitpunkt ausgewählt hatte. „Außerdem sind zwei Wochen gar nichts“, sagte Phil und schüttelte den Kopf als wir vor der Kanzlei hielten. „Bei dem was du alles schon gehört hast, ist es sogar noch recht früh. Wenn er sich noch mal darüber beschwert, dass du Madeline nicht erwähnt hast, kannst du ihm sagen, dass dein bester Freund das auch so getan hätte.“ Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern und sagte: „Er würde jetzt etwas anderes sagen. Er scheint da eben eine andere Meinung zu haben. Na gut, danke für´s Fahren. Melde dich, wenn es was Neues gibt, okay?“ Er nickte und freundlich und sehr dankbar verabschiedete ich mich von meinem besten Freund. Doch gleich im Büro sollte der eh schon stressige Morgen noch stressiger werden. Ich war natürlich zu spät und natürlich fiel es sofort auf. Es wunderte mich eigentlich nicht, denn dank der ganzen Termine im Jugendamt und meinem Urlaub war ich derzeit nicht so häufig in der Kanzlei, wie es sich mein Chef wünschte. Sofort wurde ich in sein Büro zitiert und missmutig hielt er mir eine Rede über Pflichtbewusstsein. Ich zwang mich, nicht die Augen zu verdrehen. Doch am liebsten hätte ich es gemacht. „Es tut mir leid, aber ich habe derzeit einfach viele private Probleme und die lassen sich leider nicht so schnell klären, wie ich es gerne hätte“, erklärte ich höflich und schaute meinem Boss dabei direkt in die Augen. Unzufrieden blickte er mich an und runzelte die Stirn. Was genau er grummelte, verstand ich nicht. War es besser ehrlich bei der Arbeit zu sein? Er wusste, dass ich gerade einen Sorgerechtsstreit am Hals hatte. Schließlich hatte Ben den Fall übernommen. „Ich würde gerne perspektivisch nur noch 30 Stunden die Woche arbeiten… Ich werde zuhause gebraucht und habe so einfach mehr Zeit, um mich auf die Arbeit und auf die Probleme Zuhause zu konzentrieren“, sagte ich ruhig und blickte meinen Chef an. Tief atmete er aus und lehnte sich auf seinem schwarzen, ledernen Bürostuhl nach hinten und betrachtete mich. Nachdenklich bildeten sich tiefe Falten auf seiner Stirn und ich merkte, wie unsicher ich langsam wurde. Skeptisch blickte ich ihn an. „Wissen Sie Mr. Prescot“, meinte mein Chef plötzlich, beugte sich etwas zu mir vor und betrachtete mich, „Ich finde es wirklich beeindruckend, wie sie das alles meistern. Und trotzdem… und trotzdem muss ich Ihnen sagen, dass ich davon nicht begeistert bin… Ach… Ich werde das unserer Personalabteilung mitteilen und die sollen schauen, was sich machen lässt. Aber wenn sie wirklich auf 30 Stunden reduzieren bleibt das erstmal so. Das hier ist schließlich kein Wunschkonzert! Reduzieren geht immer, aber aufstocken nicht.“ Mit einem Kopfnicken zur Tür verstand ich, dass ich das Büro verlassen sollte. Langsam nickte ich und erhob mich von meinem Platz. Nachdem ich die Tür leise hinter mir zugezogen hatte, war ein komisches und nicht zu erklärendes Gefühl in meinem Inneren. War das jetzt ein gutes Gespräch? Oder war es total schlecht? Ich wusste es nicht. Ich wusste es tatsächlich nicht und konnte es einfach nicht abschätzen, was mein Chef mir damit sagen wollte. Er war einer der Menschen die ich einfach nie einschätzen konnte. Unschlüssig ging ich meiner Arbeit nach und meldete mich in der Mittagspause bei Paul. Ich berichtete von meinem Auto und fragte ihn, ob es für ihn möglich sei mich und Madeline nach der Arbeit nach Hause zu fahren. Als ich ihm den Grund erklärte, stimmte er gleich zu und meinte, dass er mir gerne beim Wechseln des Reifens helfen würde. Natürlich nahm ich das Angebot gleich an und freute mich darüber. Ich telefonierte mit meinen Klienten, machte Termine aus und unterhielt mich später in der Mittagspause mit Benjamin. Es war nun ein ruhiger, angenehmer Tag und als ich aus der Kanzlei trat, wartete Paul bereits auf mich. Er lehnte an seinem Wagen und trug eine Jacke und eine dunkle Jeans. Entspannt ging ich auf ihn zu und wollte ihn küssen. Überraschenderweise zog er seinen Kopf zur Seite und drückte mich etwas unbeholfen an sich. „Was sollte das denn?“, fragte ich scherzhaft und sah ihn verwirrt an. „Du kannst mich doch nicht in aller Öffentlichkeit küssen wollen“, meinte er entsetzt und sah sich um. Doch keiner der Passanten schien gerade auf uns zu achten. Alle sahen auf ihre Handys oder unterhielten sich. Seine Aufregung verstand ich nicht. Tatsächlich hatte ich es vollkommen verdrängt, dass er damit in der Öffentlich Probleme hatte. „Wieso nicht“, meinte ich gelassen und machte den Kindersitz hinten im Wagen fest. Ich war verwundert, dass keine Antwort kam und als ich seinen Blick suchte, meinte er leise: „Na ja, dann sehen die ja, dass wir schwul sind…“ Überrascht weiteten sich meine grünen Augen. „Ja und?“, fragte ich verwirrt. Doch sofort schüttelte er den Kopf und schnell setzte er sich hinter das Lenkrad seines Wagens. „Nein, ich möchte nicht, dass das andere sehen“, meinte er hastig und startete den Motor, sobald ich saß. Schweigend fuhr er los und nachdenklich blickte ich hinaus auf die Straße. Konnte das der Grund sein, weswegen er Zuhause hinter verschlossenen Türen so viel mehr und schneller meine Nähe suchte? Es war mir bereits bei unserem ersten Treffen bei ihm Zuhause aufgefallen. Damals hatte er sich ganz anders benommen. „Paul“, meinte ich leise nach einem Augenblick, „was ist denn das Problem, wenn andere sehen, dass du schwul bist. Es wirkte bis jetzt nie so, als ob du wirklich Probleme damit hast.“ Schließlich konnte er es mir damals einfach sagen und es war ja nie ein Geheimnis gewesen. Unschlüssig betrachtete er mich mit seinen braunen Augen. „Habe ich auch eigentlich nicht, aber trotzdem muss ich es ja nicht einfach so zeigen…“, meinte er ausweichend und ich bemerkte, wie er sich kurz durch die Haare strich. „Hm“, meinte ich leise und nickte nur. Ich konnte ihn nicht dazu zwingen und ich wusste auch nicht, was er für Erfahrungen gemacht hatte. Paul ist auf dem Land groß geworden und ich wusste, dass es dort anders war, als in einer Großstadt. Zudem hatte ich einfach keine großen Probleme bekommen wegen meines Outings. Doch natürlich hatte ich im Laufe meines Lebens immer wieder Menschen getroffen, die nicht so offen mit ihrer Sexualität leben konnten. Häufig hatten sie Sorge stigmatisiert zu werden. „Dir ist schon bewusst, dass man dir deine Sexualität nicht ansieht oder?“, fragte ich ruhig und lehnte mich in seinem Sitz zurück und betrachtete den Mann. Unschlüssig nickte er und erklärte: „Ich brauch es ja trotzdem nicht einfach so jedem zu zeigen. Das geht ja auch nicht jeden etwas an.“ Ich verstand, was er meinte und doch war es irgendwie albern. Es konnte ihm egal sein, was andere sagten und dachten. Wir taten nichts Verbotenes und doch wusste ich einfach, dass es für ihn wohl anders war. Ich musste es einfach akzeptieren, ob ich wollte oder nicht. „Hm… Ich finde, ich muss mich wegen anderer nicht zurückhalten. Wenn ich meine dich küssen zu wollen, dann kann ich das machen. Ich muss dich ja nicht gleich auffressen? Oder hast du schlechte Erfahrungen gemacht?“, wollte ich ruhig von ihm wissen und betrachtete den sportlichen Mann neben mir. Ich beobachtete, wie er langsam ein und ausatmete und unschlüssig mit den Schultern zuckte. „Ich weiß nicht. Ich glaube nur das, was andere auch erlebt haben. Bei uns auf dem Land war es eben so verpönt und…. Die Menschen, die sich geoutet haben, wurden eben gemieden. So etwas prägt einen irgendwie“, antwortete er leise und seufzte schwer. Ich konnte mir vorstellen, dass es für ihn oft schwer war. Sich zurückzuhalten, weil die eigenen Werte und Normen es einem sagten, war sicherlich nicht immer einfach. Langsam legte ich meine Hand auf seinen Oberschenkel und streichelte sanft über den rauen Stoff seiner Hose. Da Paul nicht schalten musste, griff er schon automatisch zu meiner Hand und drückte sie sanft. „Ich versuch das immer wieder anzugehen, wenn ich eine Beziehung habe, aber irgendwie ist es einfach schwer für mich“, murmelte er ehrlich und griff langsam wieder mit der Hand an das Lenkrad. „Hm“, meinte ich nach einem Augenblick der Stille und fuhr langsam fort, „Vielleicht fällt es dir ja irgendwann leichter. Ich bin da nämlich nicht so zurückhaltend. Aber ich werde versuchen, dich nicht mehr in eine unangenehme Situation zu bringen. Wir finden da sicher einen Mittelweg.“ Leicht schmunzelnd betrachtete er mich und zwinkerte mir freundlich zu. „In Ordnung“, meinte er und ich dirigierte ihn auf direkten Weg zum Kindergarten. Doch leider wusste meine Tochter nichts von dem, was ich Paul gerade versprochen hatte. Als er mich in das Gebäude begleitete rief sie fröhlich: „Da schaut mal! Das ist der neue Freund von meinem Dad und der ist Polizist. Die küssen sich auch.“ Alle Augen der noch anwesenden Betreuer und Kinder glitten zu Paul. Sprachlos stieß ich die Luft aus den Lungen und wusste nicht, ob ich wütend oder amüsiert sein sollte. Trocken lachte ich kurz auf und meinte zu Paul: „Also ich hab dich nicht in die Situation gebracht.“ Ein Grummeln drang aus dem Körper des Mannes vor mir und entsetzt strich er sich über die Stirn. Dass es ihm unangenehm war, war deutlich zu erkennen. Gut gelaunt kam meine Tochter in Begleitung von Taylor und einer Freundin auf mich zu. Fröhlich winkte mir der Junge zu, doch noch bevor er irgendetwas sagen konnte, meinte Madeline: „Paul, Jane hat schon wieder Stifte geklaut.“ Immer noch sah Paul betreten drein und schien unschlüssig, was er von der jetzigen Situation halten sollte. Ich bemerkte, wie er sich kurz auf die Lippen biss und nach einem Moment der Stille räusperte er sich kurz und sagte: „Ähm, Madeline… Ich habe gerade gar keine Uniform an und dann darf ich gar nicht als Polizist arbeiten. Sonst könnte das ja jeder behaupten…“ Mit einem schrägen Grinsen sah ich ihn an. Als ob er während seiner Dienstzeit eine Uniform trug, als Detective… Ich kannte es aus dem Fernseher nur, dass sie Zivile Kleidung trugen. Dennoch fand ich es schön zu sehen, wie Paul mit Madeline umging. Er versuchte ihr die Dinge immer irgendwie auf Augenhöhe zu erklären. Schmollend betrachtete sie Paul und seufzte schwer. „Okay, dann kommst du beim nächsten Mal als Polizist“, meinte sie und ging mit ihren Freunden zu den Jacken. Was Paul sagte, bekam ich nicht mit. Kurz unterhielt ich mich mit Anna und einer anderen Erzieherin und gemeinsam mit Madeline machten wir uns auf den Weg nach Hause. Doch ich bemerkte, wie Paul versuchte den Blicken der Erzieher aus dem Weg zu gehen. Es war ihm wirklich sehr unangenehm, doch ich wusste auch nicht, wie ich Madeline erklären soll, dass sie so etwas nicht machen sollte. Schließlich hatte ich sie so erzogen, dass sie es als komplett normal empfand, dass ich schwul war. Ihr nun zu sagen, dass andere das nicht wollten, oder so offen damit umgehen könnten, war für eine fast vierjährige sicher schwer zu verstehen. Doch Madeline schien das Verhalten von Paul nicht komisch zu finden. Vermutlich lag es daran, dass sie ihn noch nicht so gut kannte. Ich schnallte sie in ihrem Kindersitz fest und nahm selbst vorne Platz. Fröhlich berichtete sie von ihrem Tag und sang uns ein Kinderlied vor. Als wir an einem McDonalds vorbeifuhren rief Madeline von hinten: „Oh, lass uns da essen gehen! Bitte! Ich will einen Hamburger!“ Gleichzeitig blickten Paul und ich einander in die Augen. „Nein“, meinte Paul und auch ich schüttelte den Kopf. Zu häufig konnten wir dort nicht essen gehen und zu sehr mochte ich es, wenn Paul kochte. Er konnte es einfach wirklich gut. „Aber ich will!“, meckerte sie laut und fuchtelte mit ihren Händen in der Luft herum. Gelassen zuckte ich mit den Schultern und meinte: „Ist mir egal. Keine Burger heute. Es gibt was Richtiges zu essen.“ Entschuldigend sah ich zu Paul, als Madeline hinten im Wagen anfing zu meckern und zu weinen. „Schon okay“, meinte er ruhig und ich war froh, dass er es so entspannt sah. Irgendwie erfüllte mich diese eigentlich so unbedeutende und kleine Geste mit einem warmen Gefühl. Es war erleichternd zu wissen, dass ich nicht alleine mit Madeline diskutieren muss und es war erleichternd zu wissen, dass Paul nicht so schnell die Nerven verlor. „Ich wünschte, dass wären meine Probleme“, sagte Paul zu mir und grinste breit. „Wenn die Welt für mich untergeht, wegen eines nicht bekommenen Hamburgers ist es doch klasse. Die Probleme will man haben.“ Wie Madeline seine Worte hörte meckerte sie, dass wir sie nicht verstehen würden. Madeline schimpfte immer wieder und als ich laut und streng sagte, dass es reichen würde, wenn sie heute nicht direkt nach dem Abendessen ins Bett wollte, liefen ihr immer noch Tränen über ihre Wange. Doch es war mir gleich. Sie durfte und sollte nicht gewinnen. Sie hatte so etwas schließlich nicht zu bestimmen. Ich blieb eisern und wütend ging Madeline gleich hinauf in ihr Zimmer und ließ uns unten alleine. „Tut mir leid“, meinte ich leise doch Paul hob die Hand und machte eine leicht wegwerfende Bewegung. „Alles gut“, meinte er grinsend und sagte gelassen. „Sie ist ja erst fast vier. Was willst du da erwarten, wenn du Kinderträume platzen lässt?“ Er lachte leise und nach einem Augenblick entwich auch mir ein leises Lachen. Es waren diese Momente die mir gut taten, die mir zeigten, dass es schön war, nicht alleine zu sein. Er legte einen Arm um meinen Körper und zog mich liebevoll an sich. „Na komm“, meinte er gelassen. „Lass uns endlich mal anfangen zu kochen, damit Madame sich wieder abregt. Und wir müssen noch dein Auto machen…“ Kurz lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter und genoss es, seinen herben und für mich so wohltuenden Geruch zu riechen. Der neue Alltag der einkehrte, war wundervoll. Mit Paul konnte ich mich so leicht und schnell an die Situation gewöhnen. Häufig kam er vorbei und verbrachte immer mehr Zeit bei uns. Und was noch wichtiger war, mit uns. Wir hatten viel Spaß und sowohl Madeleine, als auch ich gewöhnten uns immer mehr an den Mann, der in mein Leben gestolpert war. Doch leider geschahen auch Sachen, die mich immer wieder daran erinnerten, dass gerade nicht alles so lief, wie ich es gerne hätte. Ein Termin von Mrs. Brown war angesetzt worden, bei dem sie mich und Madeline gemeinsam kennen lernen wollte. Es war ein komischer Termin. Auf der einen Seite wusste ich, weswegen sie da war und doch saß sie in meinem Wohnzimmer und spielte mit mir und Madeline Memory. Irgendwie war es eine komische Situation. Doch Madeline freute sich über die Aufmerksamkeit. Nachdem Mrs. Brown weg war, wusste ich nicht, was ich von dem Besuch halten sollte. Sie hatte sich Madelines Kinderzimmer zeigen lassen und meinte, dass es sehr schön und liebevoll eingerichtet sei. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was sie für Kinderzimmer kannte. Als ich abends mit Paul drüber sprach, sagte er, dass er während seines Streifendienstes viele Häuser und Wohnungen betreten hatte, in welchen es desaströs aussah und in denen Kinder lebten. Eine Vorstellung, welche ich einfach schrecklich fand. Einige Zeit später bekam ich mitten in der Nacht einen Anruf und als ich sah, dass es Phil war, konnte ich mir denken, was er wollte. Freudig sagte er mir, dass er und Sarah gerade Eltern geworden seien. Alles sei gut und sein Sohn sei wohl auf. Bereits am nächsten Tag besuchte ich gemeinsam mit Madeline meinen besten Freund und glücklich hielt ich den Jungen in den Armen. Das letzte Mal, dass ich so ein kleines Kind auf dem Arm hatte, war als Madeline geboren wurde und dies war bereits lange her. „Wie klein er ist… Maddy, kannst du dir vorstellen, dass du auch mal so klein warst?“, fragte ich mein Mädchen und neugierig sah sie das Baby auf meinem Arm an. Sie schüttelte den Kopf und meinte nur „Nein“. Neugierig streichelte sie den kleinen Jungen und war erstaunlich vorsichtig. Liebevoll strich ich ihr die Haare aus dem Gesicht und schmunzelte, als ich meine Kleine betrachtete. Als ich sie fragte, weswegen sie flüstern würde erklärte sie, dass das Baby ja schlafen würde. Sarah und Jonathan mussten noch im Krankenhaus bleiben und ich lud Phil ein, den Abend bei mir und Paul zu verbringen. Es war das erste Mal, dass die beiden Männer aufeinander trafen und doch wurde viel geredet und auch viel gelacht. Die Ankunft von Jonathan ließ Phil locker und glücklich sein und scherzhaft meinte er, dass er die Tage, wo der kleine noch im Krankenhaus sei genießen sollte. Schließlich würde der Schlaf in den nächsten Monaten sehr wenig werden. Er würde sich noch wundern, dachte ich grinsend und klopfte ihm nur grinsend auf die Schulter. Den Abend vor Madelines Geburtstag stand ich mit Paul in der Küche. Er wollte ihr eine Freude machen und ihr morgen Cupcakes in den Kindergarten mitgeben. Ich war dafür zuständig den Teig zu rühren und heimlich zu naschen. Als ich erneut meinen Finger im Teig hatte, hielt ihn Paul fest. „Jetzt hör auf, ständig den Teig zu klauen“, meinte er mit strenger Stimme und doch sah ich den Schalk in seinen Augen. Er nahm meinen Finger in den Mund und leckte den Teig von meinem Finger. Ein Kribbeln erfasste meinen Körper und ich konnte nicht anders, als mir einen Kuss von ihm zu klauen. Ich drückte den Mann an mich heran und strich ihm über den Rücken und konnte nicht widerstehen, mit der Hand über seinen Hintern zu streichen. „Hm…“, murmelte ich grinsend, „Lecker.“ Lüstern betrachtete mich mein Freund und meinte scherzhaft. „Du kannst gleich an etwas anderem naschen… Aber jetzt machen wir das erstmal zu Ende.“ Es dauerte noch gut eine Stunde bis die Törtchen fertig waren und ich packte gekauften Zuckerkram, dessen Namen ich nicht kannte, mit Frozen Motiven oben drauf. „Sie wird sich sicher freuen“, meinte ich grinsend und betrachtete mein Werk. Ich war stolz auf uns. Doch als ich mich mit Paul auf die Couch setzte, meinte dieser grinsend, dass ich noch etwas vergessen habe und als er mich zu sich zog, wusste ich, dass der Abend noch angenehm werden würde. Madeline freute sich riesig über ihr Geschenk und die Törtchen. Leider hatte Paul den Abend nicht bei uns verbracht. Doch er konnte ja schlecht jede Nacht mit und bei mir verbringen. So schmerzlich es für mich auch war. Denn ich wollte ihn so oft es ging bei mir haben. Doch der Morgen gehörte Madeline und mir. Schließlich war es ihr großer Tag. Und sie freute sich sehr darauf. Fröhlich und hibbelig betrachtete sie die bunten kleinen Kuchen und war ganz traurig, als ich ihr sagte, dass sie keinen zum Frühstück essen dürfe. Doch schnell war die schlechte Laune vergessen. Denn stolz sagte ich ihr, dass ich ihr endlich die Haare flechten konnte, wie sie es sich schon so lange gewünscht hatte. Artig saß sie vor mir und wie ich es an dem dämlichen Barbiekopf gelernt hatte, begann ich ihre längeren, braunen Haare zu dieser Flechtfrisur zu flechten. Sie zog sich ein blaues Kleid an und ich erlaubte es ihr, denn schließlich es war ihr großer Tag. „Bekomme ich jetzt meine Geschenke?“, wollte sie glücklich wissen, doch ich schüttelte den Kopf. „Nein, erst heute Mittag, wenn alle da sind. Oma, Opa, Taylor, Phil, Sarah und Paul“, meinte ich und drückte ihr einen lieben und gleichzeitig kratzigen Kuss auf die Wange, „Die wollen doch alle dein strahlendes Gesicht sehen.“ Ich war froh, dass sie damit leben konnte und noch glücklicher war, dass ich mir bereits am Anfang des Jahres an diesem Tag Urlaub genommen hatte. Auch Paul wollte heute eher Feierabend machen, wobei es bei ihm aufgrund der Wiedereingliederung nicht sonderlich auffiel. Nachdem ich Madeline zum Kindergarten gebracht hatte, holte ich schon meine Eltern vom Flughafen ab. Während der Fahrt nach Hause berichtete ich ehrlich davon, dass ich einen neuen Mann kennen gelernt hatte. Sofort wollte meine Mutter alles wissen und fragte mir Löcher in den Bauch. Wo hast du ihn kennen gelernt? Was arbeitet er? Wie alt ist er? Sie klang nicht wie eine Mutter deren Sohn die 30 überschritten hatte. Erst mein Vater bremste sie in ihrer Inquisition und lachend sagte ich: „Man Mum, das klingt ja als würde ich dir meinen ersten Freund vorstellen. Frag ihn bloß nicht aus.“ Doch natürlich bekam sie ehrlich Antworten auf ihre Fragen, denn schließlich hatten weder Paul noch ich etwas zu verheimlichen. Auf den Rückweg holte ich vom Konditor einen Kuchen, den hatte ich bereits vor Wochen in Auftrag gegeben. Denn alles, was mit der Küche zu tun hatte, lag mir nicht. Und auch gestern war es mehr Paul gewesen welcher den Kochlöffel geschwungen hatte. Gegen 14.00 Uhr holte ich Madeline aus dem Kindergarten ab und sie freute sich und schien aufgeregt. Auch Taylor durfte ich mitnehmen und hoffte, dass er ebenso Spaß haben würde. Seine Mutter hatte mitgedacht und den Kindersitz ihres Sohnes in der Kita zurückgelassen. Sie wollte ihn abends bei mir zuhause abholen. Stolz präsentierte Madeline, was sie vom Kindergarten bekommen hatte und meinte, dass alle die Törtchen gemocht hätten. Sie selbst hatte wohl zwei Stück gegessen. Der Kuchen stand bereits auf dem Tisch, sowie die Geschenke und gleich lief meine Tochter dorthin und strahlte über ihr ganzes Gesicht. Paul kam pünktlich zum Kuchen. Nervös stand er in der Tür als ich ihm öffnete. Er wusste schließlich, dass meine Eltern heute hier waren und er sie kennen lernen würde. Ich wollte daraus keine große Sache machen, denn schließlich waren wir beide erwachsen. Doch als ich ihn beobachtete, merkte ich, dass es für ihn eine größere Angelegenheit zu sein schien, als für mich. Er hatte ein gutes Hemd an, noch nie hatte er so eins getragen. Scheinbar wollte er einen guten Eindruck machen. Ich fand das irgendwie süß von ihm. Ich konnte einfach nicht widerstehen und drückte den Mann an mich und legte kurz und sanft meine Lippen auf die seinen. „Hübsch“, murmelte ich leise und strich ihm über den Rücken. Als ich Paul zu den anderen Gästen führte, war meine Mutter sofort bei uns. Sie freute sich wahnsinnig ihn kennen zu lernen und nahm ihn gleich in Beschlag. Madeline selbst spielte gerade mit einem Teeservice, welches sie geschenkt bekommen hatte. Das Plastikschwert, welches daneben lag ließ die Teestunde selbst für kleine Kinder surreal aussehen. Aber ich wusste auch nicht in welcher Fantasiewelt sie gerade mit Taylor gewesen war. Doch nach einem kurzen Gespräch wandte sich Pauls Aufmerksamkeit zu Madeline. Als Maddy Pauls Stimme hörte sprang sie ihm gleich in die Arme und er musste aufpassen ihr Geschenk nicht zu verlieren. Laut lachte ich auf, als ich die Szene sah. Madeline hatte Paul wirklich lieb gewonnen, dass konnte man deutlich sehen! Doch natürlich war es auch für sie ein aufregender Tag! Sie war heute ziemlich aufgekratzt. Ich hatte das Geschenk für Madeline rausgesucht welches Paul ihr schenken sollte und als sie aufgeregt zu mir meinte, dass Paul ja super ihre Gedanken lesen könne, musste ich aufpassen nicht zu laut zu lachen. Nachdem ich ihn endlich wieder zurück hatte, stellte ich Paul meinen Eltern richtig vor. Ich beugte mich zu meinen Eltern und flüsterte: „Seht ihr, Paul ist echt nett.“ Gut gelaunt erwiderte meine Mutter, dass sie auch nichts anderes gedacht hätte. Es war schön zu sehen, wie offen sie ihn aufnahmen und deutlich sah man dem Mann, den ich liebte an, dass er sich mit jeder Minute immer mehr zu entspannen schien und gegen Ende des Abends unterhielt er sich angeregt mit einem Vater über das letzte Footballspiel. Während ich mich an die Tür des Wohnzimmers lehnte, betrachtete ich meine Familie. Taylor war bereits von seiner Mutter abgeholt worden. Alle die, die ich liebte und die mir wichtig waren, waren gerade hier. Außer meine Schwester. Sie konnte sich leider nicht freinehmen. Doch es war mir gerade gleichgültig. Hier zwischen all den Menschen die ich liebte und die mich liebten, fühlte ich mich geborgen, einfach geliebt. Vier Jahre war dieser quirlige Mensch schon in meinem Leben und wie ich meine Tochter betrachtete, kam es mir irgendwie gar nicht so lange vor. Ich hoffe, dass wir den nächsten Geburtstag wieder genauso verbringen würden. Mein Blick wanderte zu Paul, doch er achtete nicht auf mich. Entspannt saß er mit meinem Vater dort und es freute mich ungemein, ihn hier zu haben. Ich musterte Paul und ein liebevolles und erstaunlich sanftes Lächeln umspielte meine Lippen. Für mich war Paul bereits jetzt ein Mitglied meiner Familie. Er gehörte für mich schon einfach dazu. Für mich persönlich war der vierte Geburtstag meiner Tochter, der Schönste, den ich bis jetzt mit ihr erleben durfte. Denn ich war nicht mehr alleine und alle der Anwesenden waren in diesem Augenblick einfach glücklich, egal aus welchen Grund. Kapitel 23: Elternauszeit ------------------------- Soooo heute an meinem Geburtstag kriegt ihr auch was :D Leider wird es erstmal das letzte Kapitel in nächster Zeit sein, da ich nächste Woche umziehe und dann erstmal kein Internet haben werde. Ich weiß leider nicht wie lange. ... -.- aber so ist es ja meistens nach einem Umzug... Na ja ^^ Ich hoffem ihr hattet Spaß am lesen. Ich werd jetzt noch den Abend ausklingen lassen :) Schönen Abend noch ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Es waren gute und erholsame Tage gewesen. Meine Eltern mochten Paul und fanden, dass er ein höflicher Mann sei. Sie hatten sich wirklich gut mit ihm unterhalten und auch Paul kam gut mit meinen Eltern klar. Auch heute, am Sonntag, war er hier gewesen und hatte noch Zeit mit meiner Familie verbracht. Wir waren im Zoo und hatten uns danach noch einmal Kuchen geholt. Ich konnte zwar keinen Kuchen mehr sehen, aber Madeline und die anderen wollten welchen. Ich war froh, als mir Paul anbot auf Madeline aufzupassen, während ich meine Eltern zum Flughafen brachte. Tatsächlich ließ ich ihn alleine mit meiner Tochter. Schließlich vertraute ich ihm. Meine Mum war darüber ziemlich überrascht doch ich sagte zu ihr, dass ich einfach irgendwann beginnen müsse Paul auch in dieser Sache zu vertrauen. Zudem glaubte ich einfach nicht, dass es Madeline unter Pauls Obhut schlecht ging. „Guten Flug“, meinte ich nachdem ich meinen Vater los gelassen hatte und sah ihm in sein für mich freundliches Gesicht. Auch meine Mutter nahm mich in den Arm und sagte mit freundlicher Stimme: „Dieser Paul ist wirklich nett. Und es freut mich, dass du jemanden gefunden hast. Ich hoffe, dass das mal etwas Festeres wird…“ Bei ihren Worten nickte ich leicht und erklärte: „Das wird sich alles zeigen, aber ich bin guter Dinge.“ Mit weiteren freundlichen Worten verließen sie mich und ich fuhr endlich wieder nach Hause. Endlich waren alle weg. Meine Eltern waren wieder zu Hause und das Haus war wieder aufgeräumt. Es hatte Paul ziemlich überrascht, wie er mir sagte, dass meine Eltern ihn mit so offenen Armen empfangen haben. Warum es ihn verwunderte, sagte er nicht. Doch vielleicht hatte er selbst schlechte Erfahrungen sammeln dürfen. Schließlich kannte ich noch nicht jedes Detail aus seiner Vergangenheit. Doch Paul freute sich und das war das was zählte. Als ich vor einer Ampel auf Grün wartete fiel mir auf, dass ich, seitdem ich mich regelmäßig mit Paul traf meine Babysitterin nicht mehr gebraucht hatte. War es mir doch früher so wichtig gewesen, wenigstens einmal im Monat nicht nur Daddy zu sein. Ein zufriedenes Lächeln zierte meine Lippen und ich strich mir über den Bart. Seit Paul da war, war ich sehr oft nicht nur Vater gewesen. Es dauerte länger als ich annahm nach Hause zu kommen, denn ein Unfall auf der Interstate ließ den Verkehr für einige Zeit zum Erliegen kommen. Als ich endlich zur Haustür hineinkam, hörte ich außer dem Fernseher nichts. Ein sehr gutes Zeichen. Ich freute mich, dass es nun wieder ruhiger werden würde. Madeline hatte oben lange mit den neuen Spielsachen gespielt und war nach einem langen Tag endlich eingeschlafen. Vermutlich könnte sie jedes Wochenende Geburtstag feiern. Ich freute mich auf einen ruhigen Abend gemeinsam mit Paul. Als ich jedoch wieder ins Wohnzimmer kam, trübte sich mein Blick. Sein Bein stand neben der Couch, denn erneut schien er Schmerzen zu haben. Die Packung Schmerztabletten lag zerknüllt auf den Wohnzimmertisch. Es passte mir nicht, dass er sie so regelmäßig nahm und doch traute ich mich auch nicht, ihm da hineinzureden. Schließlich war er erwachsen. Er wusste was er tat. Er hatte meinen Eltern nichts von seinem Unfall erzählt. Natürlich hatte auch ich geschwiegen, denn es stand mir nicht zu, dieses Geheimnis einfach zu offenbaren. Wenn ich doch wusste, dass er selbst so sehr darunter litt. Ich seufzte schwer, als ich ihn betrachtete. „Tut weh, hm?“, meinte ich und ließ mich neben dem Mann nieder. Ich verschwieg, dass ich nicht wollte, dass er diese Scheiße in sich reinkippte, als seien es Bonbons. Doch vermutlich kannte er mich langsam gut genug. Mit schmerzverzerrtem Gesicht betrachtete er mich und nickte nur. Doch er legte einen Arm um mich und zog mich liebevoll an seine Seite. „Das ist leider total beschissen. Ich meine, da ist nichts und trotzdem sind da… diese Schmerzen“, raunte er augenverdrehend und strich sich durch die dunklen Haare. Er wollte sich erklären und ich konnte nur zuhören und nicken, denn natürlich hatte ich keine Ahnung wie es sich anfühlen musste. Phantomschmerzen ließen einen sicherlich wahnsinnig werden. Denn schließlich war dort nichts und doch tat es weh, so wie Paul eben sagte. Ich drückte Paul an meine Seite und gab ihm einen liebevollen und sicherlich auch kratzigen Kuss auf die Wange. Ich wünschte, dass ich ihm die Schmerzen nehmen könnte, doch leider war mir dies nicht vergönnt. Und dennoch konnte ich es nicht sein lassen. „Paul… versuch trotzdem nicht immer die Schmerzmittel zu nehmen, bitte“, meinte ich ruhig und zuckte erschrocken zusammen, als plötzlich etwas Dumpfes gegen die Hauswand hämmerte. Erschrocken fuhr ich zusammen und starrte auf die Hauswand. Auch Paul schien für wenige Sekunden erstarrt. Doch schneller als ich reagierte er und griff nach seiner Prothese. Mit sicheren Handgriffen hatte er die Prothese schnell festgeschnallt. Doch gerade, als wir uns erheben wollten, hörten wir quietschende Reifen wegfahren. Mit schnellen Schritten war ich an der Tür und konnte nur noch zwei rote Lichter in der Dunkelheit erkennen. „Geh doch nicht an die Tür!“, fuhr mich Paul an und ruckartig zog er mich in das Innere des Hauses. Ein erstickter Laut drang aus meiner Kehle. „Was ist wenn man dich erschießen wollte! Dann wärst du jetzt tot gewesen. Weißt du schon, wie viele Erschossene ich vor ihrer Haustür gefunden habe?“, fragte er mit ernster und professioneller Stimme. Ich war mir sicher, dass er darauf keine Antwort hören wollte. Missmutig blickte er sich um und hielt mich mit einer Hand hinter sich. Gerade als ich etwas sagen wollte hörte ich die Tür von Madelines Kinderzimmer aufgehen. Mich umdrehend sah ich meine Tochter mit müden Augen auf der Treppe stehen. Sie rieb sich durch die Augen und fragte mit belegter Stimme: „Was war das? Es hat laut Bumm gemacht.“ Noch bevor ich etwas sagen konnte, schob Paul mich zur Treppe und meinte: „Geh zu ihr.“ Ich bemerkte, wie er nach seiner Jacke griff. Doch er wollte sie nicht anziehen. Er griff nach etwas in der Innentasche und als ich sah, nach was er griff, stellte ich mich direkt vor ihn. Schwarz und schlicht erschien eine Pistole in der Hand des Mannes den ich liebte. Doch noch bevor ich etwas sagen konnte, war er schon zur Tür hinaus und ich hörte wie er die Pistole entsicherte. „Was hatte Paul da?“, wollte Maddy wissen und ich hörte wie sie begann die Treppe hinunter zu gehen. Ich versuchte das, was ich gesehen hatte, gerade zu verdrängen und ging schnell die Treppe hinauf und hob Madeline auf meine Arme. „Alles gut, Mäuschen“, meinte ich ruhig und betrachtete das verschlafene Gesicht meines Kindes. „Das war sicher nur ein Auto was zu schnell losgefahren ist und einige Steine an die Hauswand geworfen hat…“ Ich strich ihr durch die Haare und müde nickte meine Kleine. Sie drückte ihren Kopf an meine Schulter, während sie sich erneut über die Augen wischte. „Was hatte Paul in der Hand?“, wollte sie noch einmal wissen, während ich sie langsam in ihr Zimmer brachte. Kurz biss ich mir auf die Lippen und meinte nach wenigen Sekunden. „Das war nur eine Taschenlampe. Der schaut, ob etwas kaputt ist“, log ich und legte Maddy wieder ins Bett. „Das klang unheimlich“, meinte sie leise und blickte mich aus ihren grünen Augen verunsichert an. Tief und schwer atmete ich durch. „Ach. Alles klingt in der Nacht viel unheimlicher als am Tag“, meinte ich lächelnd und streichelte ihr durch die Haare. Sie nickte nur und gähnte. Doch noch immer schien sie etwas aufgewühlt zu sein. Natürlich machten solche Geräusche meiner Kleinen Angst, hätten sie mir in dem Alter sicher auch gemacht. Ich setzte mich auf ihr Bett, strich ihr durch die braunen Haare und kraulte sanft ihren Nacken. Ich wusste, dass sie solche Sachen beruhigten. Doch gerade schien es nicht so zu fruchten, wie ich es mir gewünscht hätte. „Wenn ich nicht schlafen kann, kann ich dann zu euch?“, wollte sie wissen und als ich ihr etwas unsicher sagte, dass Paul aber heute hier schlafen würde, meinte sie: „Ist nicht schlimm, aber du liegst in der Mitte.“ Ich grinste leicht und war irgendwie froh, dass ich sie so gut ablenken konnte. Auch war ich froh, dass sie Paul zwar mochte, aber nicht gleich neben einem noch etwas fremden Mann schlafen wollte. „Na gut, aber versuch es erstmal hier, Mäuschen“, meinte ich leise und lächelte sie leicht an. Ich hörte Schritte unten und war erleichtert, als ich Pauls Stimme hörte: „Ich bin es nur.“ Ich rief ihm ein „Gut“ runter und betrachtete Madeline. „Ich mach dir ein Hörspiel an“, schlug ich vor und meinte nach einem Augenblick, „Und wenn du wirklich noch hörst, das wir ins Bett gehen, dann kannst du kommen, okay?“ Unschlüssig nickte sie und nachdem ich ihr einen Kuss auf die Stirn gegeben hatte, verließ ich, nachdem ich eine CD angemacht hatte, das Kinderzimmer. Ich traf Paul im Wohnzimmer an. Wieder hatte er seine Prothese ausgezogen und schmerzvoll strich er sich über den Stumpf. „Jemand hat Eier an die Hauswand geworfen. Aber es war niemand mehr da. Waren nur Spuren von einer Person“, sagte er schnell geschäftig, sodass ich einen Augenblick brauchte, um das alles zu verarbeiten. Die schwarze, schlichte Pistole lag auf dem Couchtisch und ich erkannte, dass es seine Dienstwaffe sein musste. Ohne mein Wissen hatte er hier einfach eine Waffe mit in mein Haus gebracht. Ich wusste, dass viele Menschen in den Vereinigten Staaten Waffen besaßen. Schließlich wurde man eher erschossen, als das man im Lotto gewann. Und wieso zum Teufel warf jemand Eier gegen mein Haus? Das machte für mich absolut keinen Sinn. Wir hatten schließlich noch kein Halloween. Doch gerade, war dies nicht das einzige Problem, welches ich hatte. „Ja, toll“, raunte ich und verdrehte die Augen. „Das bekommt man echt Scheiße runter… Aber würdest du mir bitte sagen, warum du eine Waffe in mein Haus mit nimmst? Ich habe hier schließlich ein kleines Kind rumlaufen.“ Tatsächlich war mir der Streich gerade nicht so wichtig, als Paul zurecht zuweisen, wie ich feststellte. „Hast du keine Waffen?“, wollte er überrascht von mir wissen und ich schüttelte nach einem Augenblick den Kopf. „Nein, hatte ich früher, aber ich fand, dass Waffen und Kinder sich nicht so gut vertragen. Ich bin jetzt nicht gegen Waffen, aber ich brauch derzeit keine Zuhause. Ich habe meine abgegeben, als die Leihmutter schwanger wurde und auch Brian wollte keine Waffen im Haus haben“, meinte ich und setzte mich langsam neben den Mann. „Hm… okay. Für mich ist das normal und was sollte deine Tochter an meiner Jacke suchen?“, fragte er und schien immer noch sehr in Gedanken versunken zu sein. Weswegen wusste ich nicht. Leicht strich er sich über das Kinn, welches er heute frisch rasiert hatte und es schien als interessierte ihn seine Dienstwaffe gerade kein bisschen. „Mir egal, wenn sie die findet… nein. Lass sie in deinem Auto oder Zuhause…“, meinte ich und als Paul die Augen verdrehte, spürte ich Zorn in mir aufwallen. Ich wollte, dass er mich ernst nahm und zudem war es mein Haus und nicht seins. Wenn er in seinem Haus mit Waffen behangen rumlaufen wollte, dann sollte er es dort machen. „Ich meine es ernst“, sagte ich streng und betrachtete den Mann vor mir, „Ich hab genug Zeitungsberichte gelesen, in denen sich Kinder selbst erschossen haben, oder ihre Eltern. Wenn Madeline älter ist, kann man ihr das erklären, aber sicher nicht mit gerade mal vier Jahren. Das solltest du doch auch verstehen.“ Stumm sahen wir einander an. Vermutlich hatte er eine gänzlich andere Haltung zu Waffen wie ich. Zumal er auch auf dem Land groß geworden war. Da besaß so gut wie jeder eine Handfeuerwaffe oder sogar noch schwerere Geschütze. Viele gingen in diesen Regionen schließlich auch dem Hobby der Jagd nach. Kopfschüttelnd erwiderte Paul: „Es ist mir aber auch egal, was du davon hältst, dass ich bewaffnet bin. Man hat schon mal versucht mich umzubringen. Ich will mich verteidigen können, wenn es darauf ankommt. Und die Waffe ist gesichert. Ich kann sie ja oben auf die Garderobe legen, da kommt sie nicht dran. Glaub mir, ich kenne mich mit Waffen aus.“ Ich hatte keine Lust mit ihm zu diskutieren und entschied mich, dieses Gespräch zu verschieben. Zudem hatte er nicht Unrecht. Jemand hatte die Kabel seines Motorrades durchtrennt und natürlich war dies ein versuchter Mord. So etwas ging an keinem Menschen spurlos vorbei. Es war komisch die Ambivalenz in mir zu spüren. Ich verstand, weswegen es ihm wichtig war die Waffe bei sich zu tragen und doch fand ich es schrecklich zu wissen, dass eine in meinem Haus war, wenn Madeline noch so klein ist. Ich wollte keinen Streit vom Zaun brechen und musste mir erstmal selbst Gedanken dazu machen. Vielleicht kam man auf einen Kompromiss mit dem alle zufrieden waren. Schließlich war ich ja nicht gegen Waffen. Mein eigener Vater hatte mehrere in unserem Haus gehabt, als wir klein waren, doch immer verschlossen in einem Waffenschrank. Ich zwang mich meine Gedanken abzuschalten und auf die anderen Dinge die geschehen waren zu fokussieren. Schließlich war es schon spät und bald müssten wir ins Bett. Also fragte ich, ob viel versaut wurde. Unwissend zuckte der Polizist mit den Schultern und erklärte: „Kann man im Dunklen nicht genau sehen. Müssen wir morgen früh schauen. Sind in die Nachbarschaft eigentlich neue Nachbarn eingezogen? Oder ist jemand doch etwas Homophob? Ich meine, erst dein Auto, jetzt das… Das ist schon irgendwie komisch, findest du nicht?“ Genervt nickte ich und sagte: „Ich weiß es selbst nicht. Ich persönlich habe noch nichts mitbekomme. Aber ja, das ist schon recht komisch…. Ich höre mich mal um. Mit einigen Nachbarn komme ich ja recht gut klar. Ach kann sein, dass Maddy gleich zu uns ins Bett kommt. Sie hat sich wohl erschrocken. Aber vielleicht schläft sie schon wieder.“ Ich hoffte, dass sie schlief, denn sonst war sie morgen nur wieder zickig und darauf hatte ich keine Lust. „Hm… Schade“, meinte Paul und zog mich leicht an sich ran. „Eigentlich wollte ich dich noch vernaschen… Das sollte ich dann jetzt besser nicht machen.“ Während er sprach fing er meine Lippen mit den Seinen ein und während des leichten Kusses biss er mir auf die Lippen. Bestimmend drückte ich ihn weg und meinte: „Ist das jetzt dein Ernst? Hast du gerade keine anderen Sorgen?“ Gelassen winkte Paul ab und erwiderte: „Irgendein Idiot hat Eier an die Hauswand geworfen. Sowas ist scheiße, aber ein Jungenstreich. Das habe ich auch gemacht. Und meine Waffe ist meine Selbstverteidigung. Komm schon Richie, lass dir davon doch nicht den Abend versauen. Hey, ich liebe dich und die Eier mache ich mit dir auch noch weg.“ Erneut küsste er meine Lippen, drückte mich auf die Couch und ich konnte nicht verhindern, dass ich es genoss, dass er mich küsste. Schließlich war ich immer noch sehr verliebt und der Hormoncocktail berauschte mich. Sein Geschmack benebelte meinen Verstand und obwohl ich es nicht wollte, schaffte ich es nicht ihm zu widerstehen. Ob er versuchte mich abzulenken? Doch so schnell dieser Gedanke kam, genauso schnell war er wieder verschwunden. Ich liebte es, wie er mich küsste und meine Hände krallten sich in seinen dunklen Haarschopf. Alle Gedanken verschwanden wieder in meinen Hinterkopf. Der kurze Schmerz, der durch meinen Körper floss, erregte mich, denn er machte mir Lust auf mehr. Vergessen waren die Eier an der Wand. Die konnte ich heute eh nicht mehr entfernen. Und vielleicht war ja wirklich ein Trottel in der Nachbarschaft der nicht wusste, dass ich schwul bin und es nun wegen Paul mitbekommen hat. Ich erwiderte den Kuss und spielte leidenschaftlich mit seiner Zunge. Ich konnte nicht widerstehen und zog den Mann zu mir. Ich ließ meine Hände unter sein Gesäß gleiten und schob ihn auf meinen Schoß. Leise keuchte Paul auf, als er sich an meine Mitte drückte und konnte nicht anders als den Kuss zu unterbrechen. Ich schloss die Augen, genoss es, dass sein Geruch an mir zu kleben schien. „Oh ja“, nuschelte ich und drückte seine Hüfte erneut an die meine. Ich genoss es! Genau das tat mir gerade gut und deutlich spürte ich die aufkommende Lust. Schnell war seine Hand unter meinem Oberteil verschwunden und seine warmen Hände strichen über meinen Bauch. Unbewusst drückte ich mich näher an ihn heran und murmelte leise: „Du lenkst ab…“ Ich konnte einfach nicht so schnell vergessen was passiert war und als sich Pauls Lippen auf die Meinen legten, konnte ich doch nicht wieder stehen, den Kuss zu genießen und zu erwidern. Zu sehr benebelte sein Geschmack gerade meinen Verstand. Viel Zeit für sowas hatten wir schließlich in den letzten Tagen nicht gehabt. Ich genoss seine Berührungen und zog ihm schnell sein Oberteil aus. Eigentlich sah er viel zu breit aus um einfach so auf meinem Schoß zu sitzen. Aber genau so wollte ich ihn grade. Ich war immer wieder beeindruckt von seinem trainierten Körper. Er sagte nichts zu meinen Worten und ohne genau darüber nachzudenken strichen meine Hände über seinen Bauch, hinauf über seine Brust und kamen erst in seinem Nacken zum Stillstand. Ihn runterziehend fing ich seine Lippen in einen leidenschaftlichen Kuss ein und löste mich erst, als ich keine Luft mehr bekam. Auch seine Hände strichen über meinen Körper und seine Hände blieben wieder an meinem Bauch hängen. Wir sahen einander in die Augen und ein zufriedener und glücklicher Ausdruck war in seinen warmen braunen Augen zu erkennen. Erneut legten sich seine Lippen auf meine. Sein herber männlicher Geruch, der mir so gefiel, schoss mir in die Nase. Fast schon begierig erwiderte ich diesen Kuss. Es fühlte sich besser, richtiger an, als ich dachte und ich wollte mehr! Vergessen war der Jungenstreich und vergessen war die Pistole. Es war alles etwas, was wir auch morgen machen könnte. Mein Puls beschleunigte sich und ich hörte ihn in meinen Ohren widerhallen. Das kratzen seines gestutzten Bartes erregte mich. Seine Zunge schob sich erneut in meinen Mund. Meine Hand krallte sich in seine Haare, wie ein Ertrinkender. Ich brachte definitiv seine Frisur durcheinander. Als ich mich von seinen Lippen lösen wollte, zog er mich erneut zu sich und küsste mich weiter innig. Ich genoss dieses Gefühl und biss ihm leicht in die Unterlippe, was ihn aufstöhnen ließ. Es dauerte, bis wir uns voneinander lösten und schwer ging unser beider Atmung, während wir uns betrachteten. Ich malte die Konturen seiner Muskeln mit dem Finger nach und wanderte langsam runter zu seinem Hosenbund. Ich musste einfach sein Glied in den Händen halten. Es war ein innerer Drang, dem ich einfach nachkommen musste! Paul drückte sich an mich heran und ich merkte, wie unruhig er war. Er drückte seine Mitte an die Meine und deutlich spürte ich, dass der Kuss, die Berührungen und alles andere ihn nicht kalt gelassen hatte. Erneut bewegte er seine Hüfte und ließ mich aufstöhnen. Ich spürte wie das Blut sich in meiner Mitte sammelte und sich mein Penis immer mehr erhärtete. „Wir müssen aber leise sein“, murmelte ich ihm zu. Ich wollte nicht, dass meine Tochter wach wurde. Dabei wollte ich unter keinen Umständen von ihr beobachtet werden! Langsam öffnete ich seine Hose und sofort glitt ich mit meiner Hand in seine Shorts. Meine Hand umschlang das harte Glied und rieb es hart. Pauls Hände stützen sich auf meiner Schulter ab und ich hörte ihn über mir aufstöhnen. Er drückte sich meiner Hand entgegen und wie ich merkte, dass er in meiner Hand noch härter wurde, war einfach ein geiles Gefühl. Die Lust zeichnete sich auf Pauls Gesicht ab, während er mich betrachtete. Natürlich bemerkte er, dass auch ich ihn wollte! Es war ja nicht zu übersehen. Er konnte es wohl nicht abwarten, genau wie ich. Langsam rutschte Paul von mir und legte sich auf das Sofa. Er öffnete meine Hose während ich mich auf das Sofa kniete, denn ich wollte einfach keinen Platz zwischen uns lassen. Paul leckte sich lüstern über die Lippen als er mein Glied von der Hose befreite. Doch ich wollte ihm nicht einfach die Führung geben, nicht heute! Ich zog ihm die störenden Sachen aus und betrachtete den Mann vor mir. Den offensichtlichen Makel nahm ich gar nicht wahr. Gerade war er für mich einfach nur der Mann, den ich liebte. Eine Hand wanderte zu seinem Glied und fuhr die Länge seines Schaftes nach. Wir sahen einander in die Augen und zufrieden lächelte ich ihn an. Ich verrieb die Feuchtigkeit an der Spitze mit den Fingern und sah wie er leicht zuckte. Ein glückliches Lächeln legte sich auf meine Lippen. Ja, dass gefiel ihm! Ich musste ihn einfach schmecken und so beugte ich mich runter und nahm das harte Glied in den Mund. Ich wollte, dass er sich vor Lust unter mir wandte und die Beherrschung verlor. Sofort umschlang meine Zunge sein Glied und sein herber, etwas säuerlicher Geschmack war auf meiner Zunge zu schmecken. Seine kräftige Hand krallte sich in meine Haare und dadurch drang sein Penis noch tiefer in meinen Mund. Es störte mich jedoch nicht und als ich nach oben schielte, sah ich, wie Paul zufrieden die Augen geschlossen hatte und sein Mund sich zu einem lautlosen Stöhnen geöffnet hatte. Es war als habe er meinen Blick gespürt und öffnete seine Lieder. Unsere Blickte begegneten sich, doch nur kurz war der Augenkontakt, denn schließlich wollte ich ihm weiterhin Lust bescheren. Pauls kräftige Hände zogen an meinem Oberteil und nur widerwillig ließ ich ihn gewähren, denn so musste ich sein Glied hergeben. Ich setzte mich auf und schmiss das Shirt achtlos auf den Boden und betrachtete den Mann vor mir. Erregt und mit gierigem Blick betrachtete dieser mich. Ich war froh, wie gut wir miteinander harmonierten und leicht strich ich über seine Seite. Ich beugte mich noch einmal zu ihm runter und küsste seinen Bauch bis runter zu seinem Glied und konnte nicht widerstehen, ihn noch einmal zu kosten. Er zuckte zusammen als meine Lippen ihn berührten und eine Gänsehaut überzog seinen Körper. Es war als sei er Wachs in meinen Händen. Jedoch gönnte ich mir und ihm nur einen kurzen Moment der Lust. Nur einen kurzen Augenblick leckte ich über sein hartes Glied ehe ich aufstand und in einer kleinen Abstellkammer nach Gleitgel suchte. Ich ärgerte mich, dass ich es nicht dabei hatte. Aber natürlich konnte ich nicht mit Gleitgel in den Taschen herumlaufen! Doch ich wusste, dass ich beim letzten Einkauf welches besorgt hatte. Etwas verwirrt fragte Paul, was ich den suche würde. Gerade als er dies fragte, drehte ich mich mit der Tube in der Hand zu ihm und grinste ihn stillschweigend an. Das war schließlich Antwort genug. So schnell wie ich verschwunden war, war ich auch wieder bei ihm. Meine Hose hatte ich schon auf dem Weg zum Schrank gänzlich abgestreift. Ich schämte mich vor ihm natürlich nicht. Ja, er war trainierter wie ich. Doch die Wärme mit welcher er mich anblickte, zeigte mir deutlich, wie sehr ich ihm gefiel. Gerade, als ich das Gleitgel geöffnet hatte, nahm es mir Paul aus der Hand. Leise stöhnte ich auf, als ich seine warmen und wegen des Gels feuchten Finger auf meinem Schwanz spürte. Ich lehnte meinen Kopf an den seinen und genoss diese sanften und doch so erregenden Berührungen. Kurz schenkte er mir einen Kuss und legte sich fast schon artig wieder hin. Ich biss mir leicht auf die Lippen als ich ihn betrachtete. Wie er erregt vor mir lag gefiel mir! Paul legte sein gesundes Bein über meine Schulter und ich zog ihn eng an mich heran. Ich wollte ihm in die Augen schauen, während ich ihm Lust schenkte. Mit Gleitgel an den Fingern drang ich mit diesen in seine Enge ein. So ganz ohne Vorbereitung war zumeist nicht gut. Sofort klammerte sich der Polizist an mich und leise hörte ich ihn keuchen. Ich bewegte meine Finger, allerdings wollte ich nicht allzu lange warten. Vorsichtig drang ich in ihn ein und entlockte ihm so ein leises Stöhnen. Er zuckte leicht als ich mich in ihm versenkt hatte. Ich hörte ihn leise aufstöhnen und auch mir entwich ein Keuchen, als ich seine Enge um mein Glied spürte. Ich wollte ihn ansehen während ich langsam anfing mich in ihm zu bewegen. Ich musste es einfach! Es war mir so wichtig genau zu sehen, wie sehr es ihm gefiel! Harte Stöße waren nicht nötig um ihm ein Stöhnen zu entlocken. Ich wollte ihn langsam in den Wahnsinn treiben. Es dauerte nicht lange, bis er leicht bei jeder meiner Bewegungen zuckte. Offenbar hatte ich den Punkt gefunden, der ihn richtig an machte. Doch ich war nicht minder erregt und immer wieder entkam auch meinen Lippen ein leises und tiefes Stöhnen! Ich achtete auf ihn, nicht auf meine Lust und als ich merkte, wie Paul an einer Stelle immer wieder zuckte, versuchte ich diese immer wieder zu treffen. Zwar gelang es nicht jedes Mal, doch Pauls Stöhnen wurde lauter, seine Atmung unruhiger und Schweiß bildete sich auf seinem Körper Paul klammerte sich geradezu an mich und bewegte sich mir entgegen. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht und fing seine Lippen zu einem kurzen und harten Kuss ein. Doch ich selbst musste ihn beenden, denn ein Stöhnen drang auf meinem Mund. Lust verzerrte das Gesicht vor mir, als auch er leise keuchte und deutlich spürte ich, dass ich nicht mehr lange durchhalten würde. Fahriger wurden meine Bewegungen und auch härter. Ich merkte, dass mein Orgasmus mich bald überrollen würde. Meine Hände drückte seine Hüfte näher an meine und hart stieß ich zu. Die aufkommende Leidenschaft sorgte dafür, dass sich Paul fast schon an mich klammerte. Ich wollte mich aus ihm zurückziehen doch Paul hielt meine Hüfte fest und keuchte ein: „Nicht rausgehen. Ich will es spüren!“ Doch ich spürte, dass es ihm genauso ging, denn ich merkte, wie Paul anfing zu zittern. Erneut zog er mich zu sich herunter und keuchte in den leidenschaftlichen Kuss. Immer wieder stieß ich zu und merkte, dass auch ich zitterte und viel zu plötzlich für meinen Geschmack überrollte mich mein Orgasmus. Ein kehliger, erstickender Laut drang aus meiner Kehle, als ich mein Sperma in ihm verteilte! Es fühlte sich so intensiv an, dass ich auf ihm zusammensackte. Paul streichelte mir durch die Haare und wartete bis ich mich etwas beruhigt hatte, ehe er mich sanft nach unten drückte. Es brauchte nicht zu sagen was er wollte. Ich spürte sein hartes Glied an meinem Körper. Er war noch nicht gekommen und immer noch sah er mich aus lustvollen Augen an. Ich schenkte ihm ein Lächeln und ohne, dass er etwas sagen musste, kam ich seiner nonverbalen Aufforderung einfach nach! Leidenschaftlich nahm ich sein Glied in den Mund und fuhr gierig mit der Zunge daran auf und ab. Ich liebte seinen Geschmack und konnte gerade nicht genug davon kriegen. Es war nicht schlimm, dass er gerade nicht gekommen war. Meine Zunge schlang sich gleich um seinen Schaft und ich hörte Paul zufrieden aufstöhnen. Er griff runter in meine Haare und zerwühlte diese, brachte meine Frisur durcheinander. Aus Lust stieß er in meinen Rachen und ich war ein wenig überrascht. Auch er war kurz vor seinem Höhepunkt, denn deutlich spürte ich das Zucken, welches durch seinen Körper drang. Langsam wanderte ich mit der Zunge weiter nach unten und liebkoste damit seine Hoden während ich mit der Hand über sein Glied fuhr. Ich nahm sein Glied wieder in den Mund und wie sich meine Zunge erneut um das harte Stück Fleisch schlängelte, schmeckte ich den säuerlichen Geschmack seines Spermas auf der Zunge und ein Zucken ging durch den Körper des Mannes. Ich schluckte, denn ich hätte eh nicht gewusst, wohin damit und als ich mich langsam wieder an ihn kuschelte, nahm mich der Polizist in den Arm und drückte mich an seine Seite. „Ich liebe dich“, hörte ich ihn sagen und leise hauchte ich: „Ich dich auch.“ Immer noch hielten wir uns an den Händen, während wir die Treppe hinaufgingen. Immer noch war mein Puls am rasen und schien Purzelbäume zu schlagen. Als wir die Tür vom Schlafzimmer standen drückte ich ihn erneut einen Kuss auf die Lippen bevor ich die Tür öffnete. Sofort sah ich, dass Madeline in meinem Bett lag. „Oh“, meinten Paul und ich gleichzeitig. Leise schloss der Mann hinter mir die Tür und ich schmunzelte leicht, als ich das kleine Mädchen im Bett liegen sah. Wir schlichen beide mit unseren Klamotten ins Badezimmer und zogen uns schnell um. „Stört es dich?“, wollte ich leise von Paul wissen, nachdem wir uns die Zähne geputzt hatten. Er schüttelte den Kopf und grinste mich leicht an. „Nein, überhaupt nicht… Komm dann lass uns mal zu dritt kuscheln“, raunte er und zog mich in eine leichte Umarmung. Sanft strichen seine Finger über meinen Rücken und liebevoll drückte er seine Lippen an meinen Hals. Leicht grinsend wandte ich mich aus seiner Umarmung und schüttelte leicht den Kopf. „Doch nicht wenn Madeline neben an im Bett liegt“, murmelte ich zufrieden und konnte doch nicht widerstehen ihn erneut liebevoll zu küssen. Sanft strichen die kräftigen Hände Pauls durch meinen Bart und er betrachtete mich mit einem warmen und sanften Ausdruck. „Komm wir sollten ins Bett…“, flüsterte Paul sanft. Ich nickte leicht und blickte ihn zwinkernd an, als ich seine Hand auf meinem Hintern spürte, nachdem ich mich umgedreht hatte. Verschwörerisch grinste er mich an und erst, als wir ins dunkle Schlafzimmer traten ließ er seine Hände von mir. Leise und vorsichtig legte ich mich in die Mitte des Bettes und rückte vorsichtig zu meiner Tochter. Sie schlief tief und fest und ich glaubte kaum, dass sie bis zum Ende des Hörspieles in ihrem Zimmer geblieben war. Ihr Stofftier lag neben ihr im Bett und sanft strich ich ihr kurz durch die braunen Haare. Das Bett neben mir senkte sich und ich spürte, dass Paul hinter mich rückte. Sanft legte er einen Arm um meinen Körper und lehnte seinen Kopf auf meine Schulter. Ich spürte seinen Atmen in meinem Nacken und er hinterließ eine Gänsehaut auf meinem Körper. „Weißt du… am Anfang dachte ich, dass es schwerer sein wird, sich auf Madeline einzulassen, aber jetzt… ich weiß nicht... Ich bin irgendwie froh, dass ich euch im Doppelpack bekommen habe. Ist irgendwie… ein schönes Gefühl“, flüsterte er mir ins Ohr und sanft glitten seine Lippen darüber. Tief und zufrieden atmete ich durch und das Gefühl von Zufriedenheit und Wärme breitete sich in mir aus. „Ich liebe dich“, hauchte ich leise und lehnte mich an den kräftigen Körper hinter mir. „Und ich dich“, murmelte er und streichelte erneut durch meine schwarzen Haare. Es war ein liebevolles und wunderbares Gefühl so mit ihm einzuschlafen. Die Eier an meiner Hauswand fielen mir erst wieder ein, als ich kurz vor dem Einschlafen war. Kapitel 24: Nächtliche Überraschung ----------------------------------- So schön die Zeit um Madelines vierten Geburtstag auch war, so war es doch auch die Deadline gewesen, bis Brian das erste Mal auf Madeline treffen sollte. Etwas, das ich so gerne noch viel länger hinausgezögert hätte. Allerdings ging dies nicht mehr. Als ich die Zeit, beziehungsweise den Zeitpunkt ausdiskutiert hatte, schien es noch so lang, obwohl es sich nur um drei Wochen gehandelt hatte und nun war es morgen so weit. Wo war die Zeit denn geblieben? So häufig hatte man das Gefühl, dass die Zeit nicht weiter gehen wollte, dass sie nahezu stillstand. Allerdings schien diese Rechnung nicht aufzugehen, wenn man sich auf ein Ereignis nicht freute. Dann, so hatte ich jedenfalls das Gefühl, flog die Zeit nur so an einem vorbei und schien einen frech grinsend anzublicken wenn das Ereignis vor der Tür stand. Und jetzt war es so weit. Morgen um genau zu sein. Ich wusste, dass ich Madeline erklären musste, dass sie morgen auf Brian treffen würde. Vielleicht hätte ich es ihr früher sagen sollen, doch eigentlich wollte ich mir auch nicht die ganzen Tage davor kaputt machen und ich war wieder in einem Zwiespalt was besser war. Es ihr so knapp wie möglich sagen, so dass sie sich keine Gedanken machen und sich nicht selber verrückt machen konnte, oder es ihr früher sagen, damit sie sich emotional darauf einlassen kann. Ich hatte mich für die erste Variante entschieden. Maddy hatte sich so häufig schon Sorgen gemacht, da musste ich ihr nicht noch mehr Gründe liefern. Es war ein ruhiger Abend geworden. Die Sonne war schon untergegangen und wir würden wieder zu dritt zu Abend essen. Paul war wieder da und mir die Haare raufend, saß ich frustriert in der Wohnstube. Dankbar war ich, dass er angeboten hatte zu kochen. Ich hätte heute vermutlich nur wieder irgendwelchen Fertigkram serviert. So etwas kam Paul eher selten auf den Tisch. Doch heute, bei meinen so kreisenden Gedanken hätte ich keine Lust auf kochen gehabt. Wie sollte ich morgen vorgehen? Sollte ich einfach so tun als sei das alles normal? Als habe ich mir die Situation immer so vorgestellt? Wie lief so etwas eigentlich wirklich ab, wenn man einen begleiteten Umgang hatte? Ich ermahnte mich selbst in Gedanken, dass es albern war. Denn schließlich würde ich in nicht einmal 24 Stunden genaueres wissen. Ich musste wieder zurück in die Realität, denn es brachte niemandem etwas, wenn ich mich in meinen Gedanken verkroch. Tief atmete ich durch, strich mir mit den Fingern durch die Augen und murmelte zu Paul: „Ich habe ja mal so was von keinen Plan, wie ich das Madeline beibringen soll. Ich meine, sie hat Angst vor ihm, wie soll ich das anstellen?“ Natürlich wusste Paul, wen ich mit ihm meinte. Brian. Paul ließ sich neben mir auf die Couch nieder und seine warme Hand strich mir über den Rücken. Sie kraulte mich regelrecht und so konnten sich meine verspannten Muskeln wenigstens ein wenig lösen. „Hm… Erzähl ihr doch, dass sie morgen mit ihm spielen wird… und ja, dass sie was malen kann? Ich weiß auch nicht…. Aber versuch ihr klar zu machen, dass es für dich okay ist… Mach es nur nicht heute Abend, sonst kann sie sicher nicht schlafen“, sagte er ruhig und sehr einfühlsam. Doch seine Worte ließen mich nur verhalten lachen. Er dachte tatsächlich ähnlich wie ich selbst. „Klar… Aber nichts ist okay. Ich will das einfach nicht… Ich bring sie einfach nicht dahin!“, meinte ich ernster als ich es beabsichtigt hatte. Doch eigentlich war mir klar, dass es nur eine leere Drohung meinerseits war. Ich wollte Madeline nicht in unseren Elternkonflikt einbeziehen. Kopfschüttelnd betrachtete mich der Polizist und erwiderte: „Nein, wirst du nicht. Ich hab dir schon mal erklärt, dass muss alles Madeline ausbaden. Sie wird den Stress mitbekommen und dann? Dann hast du später ein verstörtes Kind hier sitzen und ihr beide seid Schuld daran… Kämpfe immer so, dass du auf der sicheren Seite stehst.“ So mahnend und ehrlich seine Worte auch waren, so schmerzvoll waren sie. Es tat weh zu wissen, dass er Recht hatte und gleichzeitig schmerzte es so sehr zu wissen, dass ich meine Tochter mit meinem Ex-Mann alleine lassen musste. Ja, ich wusste, dass der Umgang begleitet war und doch fand ich es einfach nur schrecklich. Schließlich hatte er uns beide im Stich gelassen. „Ja ja“, murmelte ich und verschränkte wie ein patziges Kind die Arme vor der Brust. Tief atmete ich durch und langsam lösten sich meine Arme wieder. Die Sorge, dass ich mich auch noch mit Paul stritt wuchs in mir und eigentlich wollte ich das auch gar nicht. „Ich werde es schon nicht so weit kommen lassen. Trotzdem täte mir Ablenkung einfach gut und sei es ein Boxsack mit seinem Gesicht darauf…“, murmelte ich mehr zu mir selbst als zu Paul. Doch anders als noch vor einigen Sekunden, Minuten meinte ich entschieden: „Ich sag es ihr doch heute… Vielleicht wäre morgen wirklich etwas knapp und außerdem habe ich morgens eh nicht viel Zeit. Das käme sicher nicht gut… sie ist ja nicht dumm… Ich werde es ihr in Ruhe erklären.“ Wieso konnte mir nicht jemand sagen, was jetzt richtig wäre? Nach dem Aufstehen blieb uns schließlich nicht viel Zeit und zwischen Tür und Angel wollte ich es Madeline auch nicht erklären müssen. „Na ja“, begann Paul zu sagen und klopfte mir auf die Schulter. „Vielleicht hast du nicht unrecht… Außerdem müssen wir ja beide morgen arbeiten…. Dann solltest du jetzt raufgehen und mit Madeline sprechen und ich werde mal anfangen zu kochen. Was meinst du, hm?“ Erneut seufzte ich schwer und nach einem Augenblick nickte ich ergeben. Langsam erhob ich mich und ging langsam hinauf zum Zimmer meiner Tochter. Ich klopfte leise, bevor ich hineinging und sah wie sie mit ihrer Puppe spielte. Sie schien mich kaum zu beachten, so sehr war sie in ihr Spiel vertieft. Erst als ich mich neben ihr auf dem Boden nieder ließ, sah sie mich mit großen Augen an. „Daddy, warum schleichst du so?“, wollte sie wissen und sie ließ sich nicht davon überzeugen, dass ich gar nicht geschlichen sei und geklopft hätte ich erst Recht nicht. „Madeline“, meinte ich ernster als beabsichtig und als sie vorsichtig fragte, ob sie was Schlimmes getan hätte, schüttelte ich sofort den Kopf. „Nein“, meinte ich sofort und erst nach einem Augenblick begann ich langsam weiter zu sprechen: „Es geht um… Brian. Du weißt ja, dass wir uns gestritten haben und… Wir haben uns noch mal getroffen und irgendwie… na ja, war es ja schon doof gelaufen. Und da… da dachte ich, dass es vielleicht…ganz gut wäre, wenn du Brian einfach mal kennen lernst.“ Ich presste die Worte aus meine Lunge und selten war etwas so schwer zu sagen, wie in diesem Augenblick. Ich schluckte meine Gefühle hinunter und als Madeline leise meinte, dass ich lügen würde, war ich wieder so überrascht, wie feinfühlig sie sein konnte. „Nein Madeline… Brian ist kein schlechter Mensch… er war an diesem Abend… Er war einfach zu aufgeregt. Ja. Und jetzt spielt ihr morgen oder malt und nach einer Stunde, da hole ich dich schon ab. Und du bist auch nicht alleine“, sagte ich langsam und strich ihr durch die braunen Haare. Unschlüssig blickten ihre grünen Augen in die Meinen und nach einem Augenblick sagte sie: „Ich will das aber nicht. Ich will auch nicht bei ihm wohnen!“ Genervt seufzte ich innerlich auf. Immer noch hatte sie das Treffen vor der Tür nicht vergessen und ich vermutete, dass sie dies auch nicht mehr würde. „Madeline, bitte. Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du nicht zu Brian ziehen wirst. Hör auf, dass zu glauben. Wir sind und bleiben ein Team, egal was passiert. Du sollst nur etwas mit Brian spielen und vielleicht habt ihr ja einfach eine schöne Zeit…“, meinte ich und unschlüssig blickten die Augen des Kindes mich an. Ich drückte sie an meine Seite und schmunzelte, als ich sie betrachtete. „Komm schon Madeline. Paul hat dich auch viel zu gerne und würde nicht wollen, dass du gehst“, redete ich beruhigend auf sie ein. Ich bemerkte wie sie sich leicht auf die Lippen biss und fand es erstaunlich niedlich, denn auch das erinnerte mich an mich selbst. „Muss ich dahin?“, wollte sie wissen und leicht nickte ich. „Ja. Ich werde dich hinbringen und wieder abholen und dann kannst du mir erzählen, was du alles gemacht hast.“ Unschlüssig nickte meine Tochter und da ich nichts mehr zu sagen hatte, stand ich nach einem Augenblick auf. Ich hatte, wenn ich ehrlich war, mit einer gänzlich anderen Reaktion gerechnet, oder gar erwartet, dass ich viel mehr erklären musste. Doch anscheinend reichte es für sie aus. „Darf ich unten spielen?“, fragte sie noch bevor ich mich gänzlich erhoben hatte. Mir war klar, dass sie in meiner Nähe sein wollte und so nickte ich langsam und half ihr die Spielsachen nach unten zu bringen. Während wir auf der Treppe waren, zog der Geruch von Gebratenem in meine Nase und zu Madeline schauend meinte ich: „Das riecht lecker, oder?“ fragte ich ruhig und fügte hinzu. „Wir können echt froh sein, dass Paul immer so lecker kocht.“ Leicht nickend blickte mich Maddy an. „Er kann besser kochen als du“, erwiderte sie sehr ehrlich und ließ mich leise auflachen. Ich meinte zu ihr, dass sie Recht habe und ließ sie ihre Sachen im Wohnzimmer hinstellen. Als ich hinter die Küchenzeile trat blickte mich Paul mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich brauchte nicht fragen, was er wollte. Er wollte wissen, wie es mit Madeline gelaufen war. Unschlüssig hob ich meine Schultern und erklärte: „Sie hat weniger gefragt als ich dachte. Ich glaub allerdings nicht, dass sie das so wirklich versteht. Sie spricht immer wieder davon, dass sie umziehen muss… Ich denke nicht, dass wir heute zu zweit in meinem Bett schlafen werden, wenn du denn überhaupt hier bleiben möchtest…“ Gelassen schien Paul die Neuigkeit aufzunehmen und mit einer wegwerfenden Handbewegung meinte er: „Ach egal. Und ja… wieso nicht… hier ist es… viel schöner als bei mir. Nicht so ruhig… Aber hey, wenn ihr wollt könnt ihr ja mal zu mir kommen.“ Während ich in die Töpfe blickte, nickte ich leicht. Ja, weswegen eigentlich nicht. „Klar. Wie wäre es am Wochenende?“, schlug ich vor und probierte die Sauce, welche er gekocht hatte. Während ich mir leicht über die Lippen leckte, blickte ich hinauf zu Paul und schmunzelnd stimmte er zu. „Okay, hast du eine Idee, was wir machen können?“, fragte er und nach einem Augenblick meinte ich: „Wir könnten Fahrradfahren. Du hast es doch auch gerne gemacht und irgendwann solltest du vielleicht wieder anfangen.“ Die Freude in Pauls Gesicht schwand und die Unsicherheit nahm seinen Platz ein. Wie so häufig wenn ich das Thema ansprach. Er wich meinem Blick aus und rührte lieber in dem Nudeltopf herum. Sich leicht auf die Lippen beißend murmelte er leise: „Nein, lass mal. Das kann ich nicht. Das habe ich dir oft genug gesagt.“ Ich brauchte nicht zu fragen, was er meinte. Er sprach von seinem Bein. Er sprach selten davon, wie schwer es für ihn war. Doch natürlich merkte ich, dass er noch lange nicht so weit war, um sein neues Ich zu akzeptieren. Einen richtigen Zeitpunkt um Madeline zu erklären, dass Paul nur noch ein Bein hatte, hatte es noch nicht gegeben. Doch ich glaubte kaum, dass es für sie schwer werden würde dies zu akzeptieren. Näher trat ich an den großen Mann heran und strich ihm liebevoll über dessen Rücken. Er brauchte sich nicht schlecht zu fühlen. Es war nichts Schlimmes. Es war schließlich nichts Verbotenes. Ich drückte mich an den kräftigen Rücken und presste meine Lippen auf seine Schulter. „Paul“, meinte ich mit ruhiger und hoffentlich einfühlsamer Stimme. „Es ist alles okay. Du brauchst doch keinen Geschwindigkeitsrekord aufstellen… Wenn ich Madeline hinten drauf habe sind wir eh langsamer. Willst du wirklich nie wieder Rad fahren? Ich weiß doch, dass das ein Hobby von dir war. Und ich mag es auch.“ Genießerisch schien er sich an mich zu lehnen, ob er den Halt brauchte, den ich ihm gerade gab, konnte ich nicht abschätzen. Selbst wenn ich es hätte wissen wollen, ich hätte nicht gefragt. Ich bemerkte, wie er sich kurz in meinen schützenden Armen zu entspannen schien. Er schloss seine Augen, während ein leises und zufriedenes Seufzen seine Lippen verließ. Vermutlich brauchte er so etwas mehr als er sich selbst eingestehen mochte und erst nach wenigen Augenblicken schüttelte er kurz den Kopf. „Nein… Habe ich nicht… Ich… vielleicht habe ich einfach Angst, dass ich das auch nicht mehr kann…“, murmelte er leise und drehte seinen Kopf etwas nach hinten. Als suchte er meinen Blick. Ob er Sorge hatte, dass ich deswegen lachen würde? Doch natürlich verzogen sich meine Lippen nicht zu einem Lachen, denn schließlich war daran nichts Lustiges. Mitfühlend, so hätte ich selbst vermutlich meinen Gesichtsausdruck beschrieben. „Ich hasse es“, begann er leise zu sprechen. „Dass ich so vieles nicht mehr schaffe. Weißt du eigentlich, wie peinlich es war, wieder laufen lernen zu müssen…? Laufen, Rick… Wie ein kleines Kind.“ Nein, das wusste ich nicht. Und ich hoffe, wenn ich ehrlich war, dass ich das niemals herausfinden müsste. Langsam schüttelte ich den Kopf und mit sanfter und sehr ruhiger Stimme erwiderte ich: „Aber, wenn du es nie versuchst, wirst du doch nie wissen, ob du es kannst oder nicht. Wir müssen es ja nicht da versuchen, wo viel los ist… Etwas außerhalb der Stadt vielleicht auf einer ruhigen Landstraße beziehungsweise im Wald. Nicht Querfeldein.“ Erneut zuckte er mit den Schultern und drehte sich langsam wieder zu mir. Deutlich sah ich die Unsicherheit in seinen Augen und fast schon verlegen kratzte er sich an der Schläfe. Er rang regelrecht nach Worten. „Ich weiß einfach nicht mehr ob ich Fahrrad fahren kann. Also…“ Wir zuckten zusammen, als wir auf einmal Madelines Stimme hörte, welche Paul einfach so ins Wort fiel: „Ist doch nicht schlimm. Dann lernen wir das zusammen“, meinte sie und blickte zu uns rauf. Ich hatte vollkommen vergessen, dass sie auch im Raum war. Perplex sahen wir zu dem Kind hinunter. „Ähm“, war mein wenig schlauer Kommentar, doch es schien Madeline vollkommen egal zu sein. Sie sah Paul an und mit erstaunlich ernster, aber immer noch hoher Kinderstimme, meinte sie: „Dad sagt, dass man das nicht verlernt. Sonst gebe ich dir meine Stützräder.“ Sie schien nicht alles von dem Gespräch mitbekommen zu haben, denn sonst hätte sie Paul auch auf sein Bein angesprochen. Gemächlich trat ich einen Schritt weg von Paul und trat auf meine Tochter zu. Ich blickte hinunter in ihr Gesicht. Neugierig sah sie uns an und leicht lächelnd meinte sie: „Ich will auch fahren können. Wie Dad. Und mit Stützrädern geht es sicher.“ Langsam blickten ihre grünen Augen von Paul zu mir und ich konnte nicht anders als über ihre Aussage zu schmunzeln. Grinsend suchte mein Blick den Seinen und als wir einander in die Augen blickten, meinte ich gelassen: „Siehst du. Selbst Maddy meint, dass du noch Rad fahren kannst… Paul, du hast ein Handicap… Das ist nichts Schlimmes. Komm, lass es uns versuchen. Das Schlimmste was passieren kann ist, dass du Spaß hast…“ Ein undefinierbarer Laut entkam seiner Kehle und als er von mir zu meiner Tochter blickte, schien er tatsächlich unsicher zu sein, was er sagen sollte. Ergeben nickte er und meinte: „Ich üb’ vorher ein wenig… Und nein danke, ich brauch keine Stützräder…“ Freundlich und offenherzig nickte meine Tochter ihm zu und fragte: „Können wir vielleicht heute etwas länger fernsehen?“ Unschlüssig betrachtete ich mein Kind. Es war sicher nicht die beste Methode sie von morgen abzulenken und doch war es gerade auch so praktisch. Der Schweinehund gewann und nach dem Essen sahen wir uns das Kinderprogramm an. Doch nach einer Weile bemerkte ich erneut, dass Madeline anscheinend mehr meine Nähe zu suchen schien, als sich für das laufende Programm zu interessieren. Ich kraulte sie liebevoll und nahm sie auf den Arm. Ich fragte nicht, weswegen sie so verschmust war, der Grund dafür lag schließlich auf der Hand. Ich las ihr am diesem Abend etwas vor und machte ihr ihr Nachtlicht an, bevor ich wieder hinunter zu Paul ging. Ich schlief schlecht in dieser Nacht, auch wenn Paul an meiner Seite war und mich immer wieder versuchte abzulenken. Wir sprachen das Thema des Fahrradfahrens nicht erneut an. Langsam kannte ich ihn gut genug. Er brauchte einfach Zeit und musste sich selbst etwas überlegen. Ich war froh, dass er mich versuchte abzulenken. Doch er schaffte es nicht. Immer wieder schlichen Szenarien in meinen Kopf, was morgen alles passieren könnte und diese Gedanken ließen sich immer nur kurz abstellen. Sobald ich seine tiefen und gleichmäßigen Atemzüge hörte, kreisten meine Gedanken um das morgige Treffen. Ein Drang mich zu bewegen war in meinem Inneren und langsam erhob ich mich aus dem Bett. Tief atmete ich durch und lauschte der Stille im Haus. Alles schien wie immer, alles hörte sich so vertraut und normal an. Langsam zwang ich mich, mich wieder hinzulegen und schloss meine Augen. Doch auf einmal merkte ich, dass doch etwas anders war als sonst. Plötzlich bemerkte ich etwas, was nicht dort sein sollte! Leise und doch deutlich hörbar waren Schritte zu vernehmen. Plötzlich war ich hellwach und ruckartig stand ich vom Bett auf. Sofort wusste ich, dass es nicht Madeline war. Ihre Schritte klangen anders. „Paul“, sagte ich leise in sehr scharfem Ton: „Steh auf, da ist jemand im Haus!“ Langsam drehte sich der Mann zu mir um und betrachtete mich mit trägen Augen. „Was?“, wollte er nach einem Augenblick wissen und erneut sagte ich ihm leise, dass ich Schritte gehört habe. Sofort schien er wacher zu sein und setzte sich schnell auf. Ebenso wie ich. Gerade als ich das Schlafzimmer verlassen wollte, wehte Pauls Stimme an meine Ohren: „Bleibst du wohl hier? Du hast keine Waffe und keine Ausbildung für den Nahkampf. Ich hab keinen Bock, dass der dich noch erschießt!“ Perplex sah ich ihn an. Tatsächlich hatte ich darüber noch gar nicht nachgedacht. Ich hätte fast einen Einbrecher schutzlos gestellt! „Soll ich die Polizei rufen?“, fragte ich flüsternd und sah zu, wie er sich schnell seine Prothese überzog. Tief atmete er durch und schüttelte nach einem Augenblick den Kopf. „Ich schaffe das schon“, erwiderte er und ich war mir unschlüssig, was ich davon halten sollte. Er war alleine und ich wusste nicht, wie viele Personen sich im Haus aufhalten. Doch langsam wusste ich auch wie stur er war. Doch noch bevor ich etwas dagegen sagten konnte, ging er bereits leise an mir vorbei. Ruhig und doch war er nicht ganz leise, denn seine Prothese konnte sein Gewicht nicht so sanft auffangen wie ein richtiges Bein. Der Dielenboden im Flur war zu laut. Beide hörten wir unten hastige Schritte und die Haustür fiel ins Schloss. „Verdammte…“, rief ich laut und ging zügig mit Paul hinunter. Doch alles schien vollkommen normal! Vielleicht hatte der Einbrecher geglaubt er sei alleine im Haus. Ich ging durch das Wohnzimmer und ich sah sofort, dass jemand an den Bildern war. Wieso war jemand an den Bildern auf der Kommode gewesen? „Schau mal, die Bilder stehen anders. Vielleicht war es Brian….“ Natürlich kam er mir sofort in den Sinn. Wer sollte es sonst sein? Unschlüssig betrachtete mich Paul und langsam schüttelte er den Kopf. „Wieso sollte er das machen? Das ergibt keinen Sinn… Er sieht Madeline doch eh morgen. Er würde doch wissen, dass wir ihn sofort verdächtigen“, murmelte er und unschlüssig begutachtete er die Räumlichkeiten. Unsicherheit machte sich in mir breit und als ich gerade fragte, ob wir nicht Pauls Kollegen rufen wollten, nickte er leicht: „Ich ruf die aber über mein privates Handy an… Habe keine Lust, dass die noch mit Blaulicht und allem kommen.“ Ich war ihm dankbar dafür, denn Madeline schlief oben und ich hatte keine Lust, dass sie eine ganze Armada von Polizisten antraf. Es war nichts aufgebrochen und ein ungutes Gefühl bereitete sich in mir aus. Ich beobachtete, wie Paul die Terrassentür in Augenschein nahm, sowie die Haustür. Auch die Fenster im Erdgeschoss betrachtete er. Doch nichts Außergewöhnliches war zu finden. Nichts war aufgebrochen oder deutete auf einen Einbruch hin. Mit stummen Alarm kamen seine Kollegen in unsere Wohnung. Es dauerte lange, bis Fingerabdrücke genommen hatte und wir befragt wurden. Zum Glück weckten sie jedoch nicht meine Tochter. Es war kurz nach eins als sie das Haus verließen und mir graute es vor dem nächsten Morgen, wenn ich mich so früh aus dem Bett quälen musste. Tatsächlich beruhigte es mich irgendwie zu sehen, wie Paul mit seiner Dienstwaffe in den Händen gemeinsam mit mir wieder in das Schlafzimmer ging. Er legte die Pistole in die Nachttischschublade und ich beobachtete, wie er sie sicherte. Dauerhaft würde ich diese Lösung mit einem Kind jedoch nicht haben wollen. Doch für heute Nacht sollte es mir genügen. Ich war unruhig und an Schlaf war kaum noch zu denken. Immer wieder rollte ich mich in meinem Bett hin und her. Und erst als Paul mich in seine Arme zog, beruhigte ich mich langsam. „Soll ich Madeline hier her holen?“, fragte ich leise und wacher als ich dachte murmelte er: „Wenn du dann besser schlafen kannst…“ Ich erhob mich sofort. Es war irgendjemand im Haus! Ich musste einfach meine Tochter bei mir haben! Es ging gar nicht anders. Der Drang sie zu beschützen war selten so groß gewesen, wie in diesem Augenblick. Wieso kam eigentlich irgendwer in mein Haus? Und wenn ja, wie? Paul hatte Recht, für Brian ergab dies einfach keinen Sinn. Er war kein Einbrecher und er würde sich seine Chancen auf einen regelmäßigen Umgang mit Madeline zunichtemachen. Während ich leise in das Zimmer meiner Tochter schlich, biss ich mir auf die Lippen. Erst das Auto und jetzt so etwas. Wieso passierten diese Sachen zur Zeit. Ich verstand einfach nicht, was hier los war und es ergab für mich keinen Sinn. Ich trug Madeline vorsichtig zu uns ins Schlafzimmer und kurz erwachte sie. Vorsichtig rückte ich in die Mitte und zog meine Tochter liebevoll an meine Seite. Schnell schlief sie wieder ein und was sie murmelte, verstand ich nicht. Ich verschloss die Schlafzimmertür und hatte dennoch das Gefühl, dass ich mich kaum beruhigen konnte. Paul legte sanft einen Arm um mich und endlich, als ich meine Tochter neben mir spürte und Paul an meinem Rücken, schaffte ich es einzuschlafen. Doch immer wieder wachte ich auf und ich glaubte kaum, dass der Mann hinter mir ruhig schlafen konnte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Wow endlich wieder Interenet. Sooo ich hoffe, dass Euch das Kapitel gefallen hat. Wünsch Euch ein schönes Wochenende ;) Ganz liebe Grüße Kapitel 25: Aufeinandertreffen ------------------------------ Ich schlief schlecht in der Nacht und auch Paul war nicht ausgeschlafen, als der Wecker um 05.30 Uhr klingelte. Beide zuckten wir zusammen und müde strichen wir uns durch die Augen. Keiner von uns schien richtig zur Ruhe gekommen zu sein. Natürlich nicht, nachdem was in der letzten Nacht passierte war. Normalerweise kamen in der Nacht keine Polizisten und niemand brach bei mir Zuhause ein. Immer noch fragte ich mich, wer das gemacht hatte und warum. Doch vielleicht war der Gedanke hinfällig. Leute brachen in Häuser ein und wenn sie merkten, dass jemand Zuhause war, ergriffen die Meisten die Flucht. Möglicherweise war dies ebenfalls geschehen und doch spürte ich, dass ich immer noch nervös war. Die Matratze neben mir bewegte sich und ein gequältes Stöhnen drang vom anderen Ende des Bettes. Auch Paul schien es viel zu früh zu sein. Wie zur Bestätigung meiner Gedanken, begann er vor sich hin zu murren. „Borr, Richie“, murmelte er verschlafen, „Muss du wirklich immer so früh aufstehen? Das ist ja…“ Ich strich mir erschöpft durch die Augen. Ja, die Nacht war wirklich sehr kurz. Es war als würden wir nach einer durchzechten Nacht aus dem Bett steigen. „Ich muss Madeline zum Kindergarten bringen“, erklärte ich murmelnd und spürte wie sich meine Tochter müde im Bett herumdrehte. Auch sie hatte der Wecker geweckt. „Kann ich sie nicht mal da absetzten?“, fragte Paul und ich spürte, wie er sich zu mir drehte. Seine Hand griff nach mir und er zog mich an seine Seite. Sofort war dort diese Wärme, diese allumfassende Wärme, die er absonderte, die mich aufbaute und hielt. Eine Wärme die mir einfach gut tat. Fast wäre ich wieder eingeschlafen, doch als meine Atemzüge länger wurden, rüttelte Paul mich und hielt mich fern von der Dunkelheit, die mich in ihren Bann ziehen wollte. Ich war mir sicher, dass er meine Tochter vergessen hatte. Ich spürte, wie er mich an seine Brust drückte. Seine Hände strichen mir über meinen Bauch und ich konnte nicht verhindern, dass ich zufrieden aufseufzte. Schlaff lehnte ich mich an den warmen Körper hinter mir und schloss entspannt die Augen. Ich spürte wie mein Körper schwerer wurde und erst als Madeline mich fragte, ob ich nicht aufstehen wolle, schreckte ich aus meinem Halbschlaf hoch. Nach Pauls erstem Versuch mich wach zu halten, musste auch er weggedämmert sein. Müde blickte sie mich an und ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es kurz nach 6 war. „Scheiße“, sagte ich entsetzt und Madeline kicherte. „Das sagt man nicht“, meinte sie und sprang gut gelaunt auf dem Bett. Sie war eindeutig die fitteste von uns und wie sie aus dem Bett sprang, hörte ich Paul hinter mir etwas murmeln, das klang wie ‚ach ja, Maddy‘. Ich packte mir Madeline und nahm sie mit ins Badezimmer, Paul sollte sich in Ruhe sein Bein anziehen. Jetzt brauchte ich nicht noch eine Madeline, der man Pauls Handicap erklären musste. Ich wusch ihr Gesicht und putze ihr die Zähne. Nachdem ich ihre Haare zu einem schnellen Pferdeschwanz zusammen gebunden hatte ließ ich sie aus dem Badezimmer treten. Paul und ich lächelten einander an. Es schien als verstand er, weswegen ich Madeline mitgenommen hatte und seine Lippen formten ein stummes, Danke. Schnell machte ich mich jetzt selbst im Badezimmer frisch. Ich erschauderte als ich in den Spiegel sah. Die Augenringe waren nicht zu verbergen und hätte ich Schminke im Haus gehabt, hätte ich mir die Augenringe heute tatsächlich weggeschminkt. Ich streckte meine müden Glieder und als ich wieder raus kam und in Eile zu Madeline ging, damit sie sich keine Sachen raussuchte, die dem Wetter nicht angepasst waren, traf ich Paul bei ihr im Zimmer. Es dauerte einen Augenblick bis ich begriff, was er gemacht hatte. Fertig angezogen stand mein Mädchen vor mir und ich bemerkte den Schlafanzug in Pauls Händen. Ein Pulli mit Blumen und eine Jeans kleideten mein Mädchen, welche sich gerade Socken anzog. Ein flüchtiges Lächeln schlich über meine Lippen als ich Paul betrachtete. Er selbst schien dies alles als vollkommene Selbstverständlichkeit zu sehen. Er schmiss den Pyjama auf Madelines Bett und auch er streckte seine Arme von sich, während er herzhaft gähnte. „Macht ihr mal Frühstück, ich komm gleich nach“, meinte er und strich mir beim Hinausgehen leicht über den Rücken. Ich teilte mir mit meiner Tochter gerade eine Schnitte Brot, als sie mich leise fragte: „Muss ich heute wirklich dahin?“ Meine Gedanken waren noch ganz woanders. Schließlich war gestern hier in dem Haus ein Einbrecher gewesen und so kam es, dass ich im ersten Augenblick nicht verstand, was Madeline von mir wollte. Es dauerte einen Moment, bis es in meinem Kopf Klickte. Sie sprach von dem Treffen mit Brian. Das hatte ich vollkommen vergessen, bis Madeline mich darauf aufmerksam gemacht hatte. Leicht nickte ich und wiederholte meine Worte von gestern. „Madeline, du triffst ihn und ihr spielt und du wirst immer mit mir nach Hause kommen, okay? Du brauchst keine Angst zu haben meine Süße.“ Unschlüssig blickte sie mich an und anders als sonst war sie heute Morgen sehr ruhig. Mir war bewusst das sie sich Gedanken wegen des Treffens machte. Doch nach dieser kurzen Nacht war ich darüber auch nicht traurig. Ich hörte das unverkennbare Geräusch von Pauls Prothese auf der Treppe und auch Madeline blickte mit nachdenklichem Blick auf. Er ging sofort zum Kaffeeautomaten und als er den ersten Schluck Kaffee trank, stöhnte er zufrieden auf. „Man tut das gut“, nuschelte er und betrachtete uns beide mit müden Blick. „Alles gut?“, fragte er und betrachtete mich und meine Tochter. Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern und nachdenklich blickte Paul in den Kaffee. Auch er dachte über gestern Nacht nach und als ich mit Madeline frühstückte, sah ich wie er alle Fenster und Türen im unten Stockwerk kontrollierte, doch wie gestern fand er natürlich nichts. Ich war mir sicher, dass auch er weit weg war mit den Gedanken und ich vermutete, dass sie nichts mit Brian zu tun hatte. Auch er fragte sich, was der Einbrecher wohl wollte. Seine Augen glitten über meine Möbel, als suche er nach irgendetwas wertvollem, doch natürlich fand er nichts. Ich beobachtete wie er an der Terrassentür rüttelte, doch sie ging nicht auf. „Sprichst du heute noch mit deinen Kollegen?“, fragte ich offen und hoffentlich unauffällig, damit Madeline das Gespräch einfach ignorierte. Doch Paul schien genau zu verstehen. Ernst nickte er und trank noch einen Schluck der schwarzen Flüssigkeit. „Ja, das werde ich. Wenn ich was weiß, dann melde ich mich“, versprach er mir und betrachtete das Wohnzimmerfenster. „Gut…“, meinte ich und auch ich musste dringend einen Kaffee trinken. Während ich mir gerade einen Kaffee machte, hörte ich wie Paul Madeline leise fragte, was bei ihr los sei. Auch ihm schien es nicht entgangen zu sein, dass sie nachdenklich auf ihrem Stuhl saß und unzufrieden wirkte. „Ich will mich heute nicht mit dem Mann treffen. Er hat Daddy weh getan. Der ist scheiße“, meinte sie und streng meinte ich, dass man scheiße nicht sagen soll. „Hast du doch gerade selber“, meinte sie und sprachlos sah ich das kleine Mädchen an. Ich räusperte mich und meinte: „Das…. Ja … aber sag das nicht so oft.“ Sie nickte nur und wie sie sich Paul wieder zu wandte, musste ich grinsen. Das war sicher nicht pädagogisch wertvoll gewesen. „Madeline…. Du hast mit dem Streit aber nichts zu tun“, meinte Paul ruhig und überging das Gespräch von eben vollkommen. „Wenn sich im Kindergarten dein Freund mit einer anderen Freundin streitet, kannst du doch auch mit ihr spielen. Also darfst du das auch. Wenn dein Dad sich mit Brian streitet, darfst du trotzdem mal schauen, wie du ihn findest.“ Ich war dankbar, als ich Pauls Worten lauschte. Er schaffte es, es so einfach und kindgerecht meiner Tochter zu erklären, dass es nicht schlimm war, wenn sie sich mit Brian traf. Ich war dankbar dafür und mischte mich nicht in das Gespräch ein. Denn ich fand, dass Paul es klasse machte. Vielleicht sogar gerade besser, wie ich es konnte. „Aber Daddy habe ich doch lieb… und so“, stammelte sie etwas unbeholfen und es schien als fehlten ihr schlichtweg die richtigen Worte. Sie suchte meinen Blick und sofort war ich an ihrer Seite und strich ihr durch die Haare. „Das weiß ich doch alles, Maddy. Ich weiß, dass du mich lieb hast und das weißt du auch. Hab einfach keine Angst vor heute, okay? Ich bringe dich hin und ich hole dich auch wieder ab. Und vielleicht hast du auch Spaß.“ Es war erstaunlich. Gestern noch gingen mir diese Worte so schwer über die Lippen und jetzt war es so einfach. Ich hatte sie so häufig gesagt, dass es gar nicht mehr schwer war, darüber so zu sprechen. Unschlüssig betrachteten mich die großen Kinderaugen und ich verlangte auch keine Reaktion oder Antwort von ihr. „Los komm wir machen jetzt dein Brot für den Kindergarten und fahren dann auch gleich los“, versuchte ich Madeline zu helfen um aus dieser Situation herauszukommen. Sofort nickte sie und aß den letzten Rest des halben Brotes und stand auf. Ich bereitete alles vor und so normal es eigentlich war, so unnormal fühlte es sich an. Der komische Einbruch gestern und die Gespräche ließen diesen Morgen surreal und komisch wirken. Irgendwie fühlte ich mich unsicher. Ich erlaubte Madeline heute ein Spielzeug mitzunehmen und als sie oben etwas raussuchte, betrachtete ich Paul. Ohne etwas zu sagen drückte ich ihn an mich und meinte ehrlich: „Danke. Du hast auch das Zeug zum Vater. Und es beruhigt mich, dass du hier bist.“ Scheel grinste er mich an und klaute sich einen Kuss von mir. Sanft wurde der Ausdruck in seinem Gesicht und liebevoll strich er kurz über meine Hand. Ich liebte es, wenn er mich so ansah, es war immer so, als würden diese kleinen Augenblicke mich aus meinen Alltag reißen. Mein Herz begann schneller zu schlagen und ich spürte wie meine Gesichtszüge sich langsam entspannten. Wie froh ich war, dass ich diesen Mann getroffen hatte, konnte ich gerade nicht in Worte packen. „Ach, das kommt dir nur so vor. Und… und du hast gewonnen… Ich versuch es am Wochenende mit dem Radfahren…“, meinte er und verblüffte mich damit total. Schließlich waren meine Gedanken heute anscheinend nur bei dem Einbruch. Überrascht sah ich ihn an und ein Strahlen glitt über mein Gesicht. Er wollte es versuchen, für mich! „Wirklich?“, diese Kleinigkeit überraschte mich in diesem Augenblick so sehr, dass ich tatsächlich für kurze Zeit sogar meine Sorgen vergaß. Fest drückte ich Paul an mich und leise hörte ich ihn lachen. Frech kniff er mir in den Hintern, während meine Arme um ihn lagen und breit grinsend sah ich ihn an. „Ja, wenn du schon mal was vorschlägst... und… aber wenn ich es nicht kann…. dann kann ich es eben nicht mehr“, stammelte er etwas unbeholfen, während er sich tatsächlich etwas räusperte und liebevoll nahm ich kurz sein Gesicht in meine Hände. Ich strich über den etwas dichter werdenden Bart und lächelte ihn glücklich an. „Paul… Danke! Das freut mich wirklich total“, flüsterte ich leise und drückte meine Lippen auf die Seinen. Ich wusste, dass es eine große Überwindung für ihn war und das er es nur für mich tat. Jedoch glaubte ich einfach, dass es ihm Freude machen würde und das er dann endlich sehen würde, dass er doch noch alles irgendwie machen kann, was er geliebt hatte. „Weißt du… komm doch mit zum Kindergarten und ich stellte dich vor, damit du Madeline wirklich mal abholen kannst“, meinte ich leicht grinsend und sofort nickte Paul. „Ja, je nachdem muss sie ja nicht über die Hälfte des Tages dann immer da sein“, meinte er und drückte mich kurz, aber kräftig an seine Seite. Die Wärme durchflutete meinen Körper und es tat so unglaublich gut. So hatte ich es mir immer vorgestellt, wenn man nicht Alleinerziehend war und es war so viel einfacher, entspannter. Nochmals drückte ich meine Lippen auf die Seinen und strich mit meinen Händen durch seine Haare. Das Gefühl des kratzenden Bartes ließ eine Gänsehaut über meinen Körper fahren und als ich mit sanfter Stimme nach dem Kuss meinte, dass er sich rasieren müsste, küsste er meine Hand welche gerade sanft über seine Wange strichen. Ein Geräusch auf der Treppe ließ uns zurück in die Realität kommen und Madeline kam mit zwei Barbiepuppen hinunter. Sie hatte uns nicht wirklich bemerkt, zu sehr war ihre Aufmerksamkeit auf das Spielzeug gerichtet. „Hatte ich nicht gesagt ein Spielzeug“, meinte ich schmunzelnd und sah Madeline mit hochgezogenen Augenbrauen an. Sie sah zu die beiden Puppen in ihren Händen hinunter und erklärte: „Aber ich kann doch nicht alleine mit der Puppe spielen. Und teilen kann man die nicht. Und außerdem wollen beide mit in den Kindergarten. Das sind Freundinnen.“ Ich schmunzelte leicht und grinste etwas, als ich ihre Erklärung hörte. Noch einmal vier sein, schoss es mir durch den Kopf und ich erlaubte ihr beide Puppen mitzunehmen. Fröhlich saß sie im Auto und ich sagte zu Paul, dass ich ihn in die Stadt fahren werde. Aufgeregt zeigte Madeline Paul den Kindergarten und ich erklärte einer Erzieherin, Anna war noch nicht da, dass Paul mein neuer Freund sei und Madeline abholen dürfe. Es dauerte, bis wir den Kindergarten verlassen konnten und als wir endlich zu zweit im Auto saßen, genossen wir für einen kurzen Augenblick die Stille um uns herum. „Wenn du irgendwelche Neuigkeiten weißt wegen gestern, melde dich. Ich habe ein total schlechtes Gefühl gerade jetzt mein Haus alleine zu lassen… Glaubst du, dass du nach der Arbeit mal vorbei schauen kannst?“, fragte ich unschlüssig und konnte endlich ehrlich meine Sorgen mitteilen. Mit Madeline im Auto wollte ich dies unter keinen Umständen ansprechen. Weder das Treffen am Nachmittag, noch das was in der Nacht geschehen war. „Wenn ich den Schlüssel von dir bekomme“, meinte Paul und sofort nickte ich. „Klar, ich mache ihn gleich ab… Nimmst du dir ein Taxi dahin? Du kriegst das Geld natürlich wieder“, erklärte ich sofort doch Paul schüttelte verneinend den Kopf. „Nein, lass mal“, meinte er lächelnd. „Davon komme ich auch nicht um…“ Liebevoll blickte ich ihn an und merkte selbst wie weich mein Gesicht wurde. „Danke“, flüsterte ich leise als er zu mir blickte. Mit Paul im Auto war der morgendliche Stau weit weniger stressig. Tatsächlich fand ich es sogar schade, dass wir so schnell durchzukommen schienen. Allerdings verriet ein Blick auf die Uhr, dass wir genauso schnell voran kamen wie sonst auch. Wir redeten einfach und als er mich fragte, ob er zum Fahrradausflug seine Kamera mitbringen könnte, fiel mir sein neues Hobby ein. „Willst du Actionfotos mit meiner Tochter machen“, scherzte ich herum und der Druck auf meinen Schultern war gerade leichter zu tragen. Grinsend meinte der Mann neben mir: „Ja klar, Querfeld ein mit einer Vierjährigen. Dann hast du gleich noch mehr Probleme.“ Leise lachend nickte ich und zwinkerte ihm liebevoll zu. Viel zu schnell für meinen Geschmack waren wir durch den Verkehr gekommen und vor dem Polizeipräsidium ließ ich Paul aus meinen Wagen steigen. Ich löste meinen Schlüssel, warf ihn Paul zu und grinste ihn an. „Wir sehen uns dann später?“, fragte ich und fügte gut gelaunt hinzu, „Ohne dich komme ich ja sonst eh nicht in mein Haus.“ Paul nickte und betrachtete den Schlüssel in seiner Hand. „Ich versuch es, ansonsten bring ich den Schlüssel zu deinen Nachbarn… Und du schaffst das heute schon mit deinem Ex-Mann. Ich werde mich melden, wenn ich etwas Neues weiß.“ Langsam nickte ich, erneut kam diese Aussage so plötzlich und brachte mich wieder in die Realität. Zu sehr liebte ich diese rosarote Brille und dieses Gefühl, welches Paul mir bescherte. Dieses Gefühl der Leichtigkeit war wundervoll. Es war als würde ich so vieles nicht mehr richtig wahrnehmen. Und vermutlich war es auch genau so. Schräg grinste ich ihn an und nickte nur. „Vermutlich werden wir uns vorher eh noch hören. Ich habe heute einen Gerichtstermin. Der zweite wurde verschoben… Aber wenn du was hörst von deinen Kollegen gestern, dann sag bitte wirklich Bescheid.“ Ernst nickte Paul, drehte sich um und ging langsam die Stufen des Gebäudes hinauf. Kurz sah ich ihm nach, ehe ich mich besann und mich auf den Weg ins Büro machte. Doch leider meldete sich Paul nicht und das schlechte Gefühl blieb. Gegen halb vier am Nachmittag war ich wieder beim Kindergarten. Ich wusste nicht, wie ich mich fühlte, während ich meiner Tochter dabei zusah, wie sie ihre Jacke anzog. Jetzt brachte ich sie tatsächlich zu einem Treffen mit Brian. Einem Treffen, welches ich gar nicht wollte und von dem ich dachte, dass es nie im Leben stattfinden würde. Doch jetzt war es so weit und ich konnte es nicht mehr ändern. Ich schnallte Madeline auf ihrem Kindersitz fest und fragte sie, wie der Kindergarten war. Sie erzählte, dass sie neue Lieder lernen würde. Welche für den kommenden Sommer. Diese könnte sie jedoch nicht. Ich war froh, dass sie diese nicht kannte, denn ansonsten hätte sie vermutlich noch begonnen im Auto zu singen. Ich hielt sie an der Hand als wir den Raum betraten in dem die Treffen stattfinden sollten. Ein Sofa stand herum und viele Spielzeuge waren in einer Ecke verteilt. Anders als in den anderen Räumen waren die Wände nicht weiß gestrichen, sondern waren in einem sanften Orange gestrichen worden. An den Wänden hingen Bilder von Cartoonfiguren aus meiner Kindheit. Madeline selbst kannte sie nicht. Sie waren derzeit nicht mehr gefragt. Erst im zweiten Augenblick sah ich, dass zwei Frauen dort standen und auf uns warteten. Die eine erkannte ich sofort. Es war Mrs. Brown die andere war eine junge blonde Frau mit einem runden Gesicht und einem modernen Bobschnitt. „Guten Tag Mr. Prescot“, meinte Mrs. Brown freundlich und ging auf mich zu. Wir schüttelte einander die Hände und ich begrüßte sie höflich. Ich nickte zu Madeline und sah sie auffordernd an. Sie suchte meinen Blick und nach einem sehr leisen „Hallo“, trat sie einen Schritt hinter mich. Sie schien von den vielen Augen etwas überfordert zu sein. Ich legte ihr beruhigend eine Hand auf den Kopf, wegen meiner Größe kam ich nicht an ihre Schultern. Freundlich lächelten die Anwesenden Personen sie an und die blonde junge Frau meinte: „Guten Tag, ich bin Lydia Green. Ich begleitete das Treffen gleich mit ihrer Tochter“, stellte sie sich mir gegenüber vor und freundlich lächelte ich sie an. Fröhlich blickte die junge Dame meine Tochter an und hockte sich zu ihr runter. „Und du bist also Madeline, das ist ja eine coole Farbe die dein Anorak da hat. Soll ich dir verraten, dass ich Pink auch toll finde.“ Mit ruhiger und einfühlsamer Stimme sprach sie mit meiner Tochter. Doch Madeline schien zu nervös. Immer noch stand sie hinter mir und ihre Hand suchte die Meine. „Madeline mag die Farben auch“, versuchte ich ihr zu helfen und auch ich beugte mich zu ihr runter und öffnete ihre Jacke. „Dad… ich will nicht hier sein“, sagte sie und Tränen sammelten sich in ihren grünen Augen. Schwer wurde mein Herz und vorsichtig strich ich ihr über die Wange. „Maddy, Mäuschen, dass hier ist nichts Schlimmes. Du wirst jetzt mit Miss…“, ich blickte sie dabei fragend an und sie nickte nur, „Miss Green etwas spielen und wenn Brian dazu kommt, dann ist es wie im Kindergarten. Da spielst du ja auch mit mehreren. Und dann komme ich auch schon wieder und hole dich ab.“ „Ich will aber nicht“, wiederholte sie und dicke Tränen flossen aus ihren Augen und jede einzelne tat in diesem Augenblick unglaublich weh. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich sie sofort wieder mitgenommen! Sie nicht alleine mit meinem Ex-Mann gelassen, doch wie sähe das jetzt aus? Es wäre nur eine Flucht. Vermutlich konnten die zwei Pädagogen meine Mimik deutlich entschlüsseln, denn Miss Green meinte auf einmal: „Schau mal Madeline, wir schauen erstmal und es muss ja auch nicht eine ganze Stunde sein. Wir versuchen es erstmal und wenn es nur 30 Minuten sind, dann sind es nur 30 Minuten und dann kommt dein Dad ja auch schon wieder. Dann rufen wir ihn an und schwups bist du auch schon wieder Zuhause.“ Mit Tränen in den Augen betrachtete sie die Frau und ich wusste gerade nicht ob es nicht unpädagogisch war meine Tochter dazu zu drängen. Doch sie war erst vier und ich zwang mich mir in Erinnerung zu rufen, dass Madeline nicht abschätzen konnte, was sie wollte und was nicht. Sie hatte mitbekommen wie ich mich mit Brian gestritten hatte und diese Situation konnte sie einfach nicht vergessen. Ich sah mich in dem Raum um und bemerkte ein Spiel, welches meine Tochter auch zuhause hatte. „Schau mal, Madeline“, meinte ich und deutete auf das Gesellschaftsspiel, „Das hast du auch zuhause. Sollen wir es mal aufbauen?“ Langsam stand ich auf und ging mit Madeline zu dem Tisch. Auch Mrs. Brown setzte sich und zu viert bauten wir das Spiel auf. „Können wir uns gleich noch unterhalten?“, fragte sie mich nebenbei und ich nickte nur. Ich wollte in Hörweite meiner Tochter nicht nach dem Grund fragen. Als alles aufgebaut war meinte ich zu Madeline: „Ich muss jetzt etwas besprechen, du spielst etwas mit Miss Green und es dauert auch nicht lange und dann ich bin schon wieder da.“ Ich musste ihrem Blick einfach ausweichen, als ich bemerkte wie ängstlich mich Madeline ansah. Doch sie brauchte keine Angst zu haben. Ihr würde hier keiner etwas tun. Ich drückte ihr einen Kuss auf den Kopf und verließ mit Mrs. Brown das Zimmer. Doch noch in der Tür hörte ich Madeline fragen: „Kommst du wirklich schnell wieder?“ Sie war mir einige Schritte gefolgt, als ich durch den Raum gegangen war und verloren sah mein kleines Mädchen aus. Es schnürte mir fast die Kehle zu, als ich sie so sah. Ich nickte nur und räusperte mich, eher ich zu sprechen begann: „Natürlich. Wer soll dich denn sonst heute Abend ins Bett bringen?“ Unschlüssig nickte meine Tochter und als sich die Tür hinter uns schloss, atmete ich tief durch. Tat ich wirklich das Richtige? Doch noch bevor ich meinen Gedanken weiter spinnen konnte, holte mich die Stimme von Mrs. Brown aus meiner Starre. „Das haben Sie gut gemacht“, meinte sie höflich und ein leichtes Lächeln zierte ihre Lippen. Ich war mir immer noch unschlüssig, wie gut ich das gemacht habe. Unsicher schien mein Blick zu sein, als ich Mrs. Brown anblickte. Ich folgte der Sozialarbeiterin und als wir in einem Büro waren, meinte sie erklärend: „Ich würde mich gerne bei Ihnen zuhause treffen, damit ich Madeline und Sie zuhause sehen kann für meinen Bericht. Der ist zwar schon so gut wie fertig, aber das gehört dazu. Wann haben Sie Zeit?“ Perplex sah ich die Frau nach ihrem Monolog an. Ich hatte schließlich so gut wie nie Zeit. „Ähm“, entfuhr es mir und ich zuckte unschlüssig mit den Schultern. „Ich schau mal… eher nur Freitagnachmittag. Ich muss schließlich arbeiten. Ich habe mir bis jetzt immer frei nehmen können, aber das geht leider nicht immer so, wie ich es gerne hätte“, meinte ich, während ich mich an der Schläfe kratze. Etwas unzufrieden sah sie mich an und seufzte dann schwer. „Na gut, wenn es sein muss, dann muss ich halt mal länger arbeiten…“, sagte sie und wirkte alles andere als zufrieden. Ich konnte sie verstehen, denn auch ich machte ungerne Überstunden. Wir vereinbarten einen Termin und als ich fertig war, fragte ich: „Woher weiß ich, dass das Treffen zu Ende ist…“ Wir waren einen anderen Weg nach draußen gegangen und ich war nicht noch einmal an der Tür vorbeigegangen hinter der Madeline gerade mit Brian war. Erneut kam der Gedanke plötzlich wieder und es war wie ein Schlag in den Magen. Mrs. Brown sortierte gerade ihre Sachen und meinte: „Ich habe der Fachleiterin ihre Nummer gegeben. Sie wird sich bei Ihnen melden.“ Ich nickte und höflich verabschiedete sie sich von mir. Unschlüssig sah ich der Dame nach und fühlte mich auf einmal wie verloren. Was machte ich jetzt? Zögerlich ging ich einige Schritte und nach wenigen Meter sah ich ein Café. Schnell setzte ich mich rein und bestellte mir ein Getränk. Am liebsten hätte ich etwas mit Alkohol bestellt. Doch ich musste fahren und Madeline war noch nicht im Bett. Noch lange nicht. Doch während ich darüber nachdachte, kam mir der Gedanke, dass ich mit Paul mal ausgehen sollte. Ich schrieb über mein Handy E-Mails und tätigte kurze, geschäftliche Anrufe, doch schnell war alles abgearbeitet und nachdenklich sah ich in meinen Kaffeebecher. Bevor ich Paul kennen gelernt hatte, hatte ich versucht wenigstens einmal im Monat auszugehen und hatte dafür sogar eine Babysitterin. Es war ein Mädchen aus der Nachbarschaft und sie verdiente sich so etwas Taschengeld hinzu. Ich musste einfach an etwas anderes denken, denn sonst würde ich durchdrehen, da ich nicht wusste, wie es Madeline gerade ging. Ob sie noch lange geweint hatte? Ignorierte sie Brian? Oder hatten sie etwa Spaß zusammen? Keiner der Gedanken ließ mich froh werden und so schrieb ich Paul lieber: „Lust irgendwann am Wochenende mal was ohne Kind zu unternehmen?“ Er wusste natürlich, dass gerade das Treffen mit Brian war und erstaunlich schnell kam eine Antwort zurück. „Klar, wann und wo? Und was machen wir mit Maddy?“ Ein leichtes Schmunzeln erschien auf meinen Lippen und während ich einen Schluck Kaffee trank, strich ich mir über das Kinn. „Wir könnten vorher was mit Madeline machen. Mit dem Fahrrad zum Zoo oder in dem Wald zu einem Spielplatz und abends kommt die Babysitterin und wir gehen in eine Bar“, schlug ich vor. Erneut setzte ich die Tasse an meine Lippen und trank einen Schluck des bitteren Getränkes. „Klar. Ich bin dabei“, schrieb mir Paul und ich freute mich darüber. Ich tippte auf meinem Handy: „Okay, einfach auf den Spielplatz… Hast du was wegen gestern Nacht herausgefunden?“, wollte ich wissen. Erneut kam schneller eine Antwort, wie ich dachte. „Nein, Auswertung der Spuren dauert bei Einbrüchen… Gibt so viele. War gerade noch mal bei dir, aber es ist alles ruhig. Dein Haustürschlüssel liegt jetzt bei den Nachbarn. Ich habe gleich doch noch einen Termin. Mein Bein tut wieder weh. Ich geh jetzt zum Arzt“, stand dort und ich war froh, dass er gerade nach dem Rechten gesehen hatte. Es war kein schönes Gefühl zu wissen, dass die Auswertung der Spuren immer noch andauerte. Und was sollte ich vom zweiten Teil der Nachricht halten? Sein Bein konnte nicht wehtun, allerdings konnte ich ihm das so auch nicht schreiben. Ich biss mir auf die Lippen und merkte erneut, dass es mir Leid tat, dass ihm anscheinend niemand helfen konnte. Phantomschmerzen mussten einfach schrecklich sein. Nahm ein Arzt so etwas überhaupt ernst? Ich hoffte, dass er einen Arzt hatte, der ihn ernst nahm und nicht einfach sagte, dass er weiterhin so viele Schmerztabletten einnehmen sollte. Es missfiel mir sehr. Doch war sollte ich ihm sonst sagen? Er solle die Schmerzen einfach aushalten? Mit gerunzelter Stirn sah ich die Nachricht an und entschied mich etwas zu machen, was ich ansonsten sehr selten tat. Ich begann nach Phantomschmerzen zu googeln. Kapitel 26: Ein Roboterbein --------------------------- Endlich konnte ich wieder zu Madeline und gleich wollte sie, dass ich sie auf den Arm nahm. Natürlich kam ich ihrem Wunsch nach und hob mein Mädchen hoch. Ich drückte ihren kleinen Körper an mich und strich ihr über den Rücken. Schweren Herzens fragte ich sie, ob sie Spaß hatte. Unschlüssig zuckte sie mit den Schultern. Ob sie wohl auch jetzt nicht wusste, was sie sagen sollte? Miss Green erklärte mir, dass sie gespielt haben und Madeline etwas vom Kindergarten berichtet hätte. Brian wäre vorsichtig und auch sehr achtsam gewesen und auch Madeline wäre nach einiger Zeit etwas aufgetaut. Es sei ein ruhiges Treffen gewesen und Brian habe sich gut benommen. Er habe ihr zudem keine Angst gemacht und das Thema, dass er vor meiner Haustür stand nicht noch einmal angesprochen. Zum Glück für ihn. Es war erleichternd für mich zu wissen, denn die Angst, dass er Madeline wieder verrückt machte war während der Stunde allgegenwärtig gewesen. Ich wollte nicht, dass Madeline sich wieder so große Sorgen machte, dass sollte sie schließlich einfach nicht. Das brauchte sie nicht, in ihren jungen Jahren. Leise meinte Madeline, dass sie noch etwas zum Geburtstag bekommen habe. Ich folgte ihrem Fingern und sah dort eine Puppe. Eine Barbiepuppe mit einem Meerjungfrauenschwanz. Ich betrachtete die schrillen Farben und fand, dass diese Dinger grauenvoll aussahen. Doch natürlich konnte ich das meiner Tochter schlecht sagen. „Wie schön, dann war dein Geburtstag ja sehr erfolgreich“, meinte ich und setze sie wieder auf den Boden ab. Sie nickte nur und erneut fand ich, dass sie zu schweigsam war. Sie zog sich ihre Jacke an und ich verabschiedete mich von Miss Green. Madeline nahm die Puppe und betrachtete sie genau. Tatsächlich erhaschte ich sogar den Anflug eines Lächelns auf ihrem pausbäckigen Gesicht. Miss Green reichte mir die Hand und freundlich verabschiedete sie sich von mir. In zwei Wochen würden ich sie wieder sehen. Vielleicht war es dann für alle beteiligten einfacher. Wie sich mein Ex-Mann wohl gefühlt hatte? Ich glaubte, dass ich mehr wie aufgeregt gewesen wäre. Mit Madeline an der Hand ging ich zu meinem Auto und setze sie auf ihren Sitz. Immer noch war sie still und als ich losfuhr sah ich, wie sie immer noch die Puppe in den Händen hielt. „Glaubst du, du wirst mit ihr Spielen?“, fragte ich in diese unerträgliche Stille hinein. Sie sah zu mir, doch ich musste mich auch wieder auf den Verkehr vor mir konzentrieren. „Ja“, erklärte sie leise, „Ich glaube schon. Darf ich doch oder?“ Sofort bestätigte ich sie und erklärte ihr, dass nichts dagegen sprechen würde. Ich fuhr mit Madeline nach Hause und wie ich das Haus betrat, merkte ich, wie unwohl ich mich fühlte. Zwar wusste ich, da ich den Schlüssel ja bei meinen Nachbarn abholen musste, dass Paul hier drinnen gewesen war und doch war es einfach ein seltsames Gefühl. An der Haustür waren noch die Spuren von den Polizisten zu sehen, welche versucht hatten Fingerabdrücke zu sichern. Sofort merkte ich, dass noch jemand außer mir hier drinnen war. Doch es war Paul gewesen. Schließlich hatte ich ihn selbst darum gebeten nach dem Rechten zu sehen. Unschlüssig biss ich mir auf die Lippe und merkte, dass dieses ungute Gefühl einfach nicht weichen wollte. Unschlüssig ließ ich meine Augen durch das Haus gleiten und meinte plötzlich: „Madeline, was würdest du davon halten, wenn wir bei Paul schlafen würden? Er war so oft bei uns, wir sollten ihn auch mal besuchen!“ Fröhlich funkelten Madelines grüne Augen und sie antwortete schnell: „Oh ja! Lass uns ihn besuchen! Dann freut er sich!“ Glücklich strich ich meiner Tochter durch die Haare und begann schnell einige Sachen von uns einzupacken. Ich fühlte mich gerade wirklich nicht mehr sehr wohl in meinen eigenen vier Wänden. Heute brauchte ich einfach Abstand. Jetzt erst verstand ich die Menschen die sich schwer taten wieder in ihre Wohnungen zurückzukommen nachdem dort etwas passiert war. Früher fand ich es albern, doch nach der letzten Nacht hatten sich diesbezüglich meine Ansichten geändert. Das Auto war noch warm als ich unsere Taschen in den Kofferraum legte und ich glaubte, dass Madeline diese Ablenkung gerade gut tat. Dennoch fiel mir auf, dass sie ihre neue Puppe mitnahm. Doch vielleicht bildete ich mir dabei nur zu viel ein. Vielleicht hatte das gar nichts mit meinem Ex-Mann zu tun, sondern einfach nur etwas damit, dass Maddy die Puppe schön fand. Vielleicht hatte sie diese auch in einer Werbung gesehen und sie sich gewünscht. Auf dem Weg zu Paul war die Stimmung im Auto eine gänzlich andere. Madeline fing an zu erzählen und berichtete, dass Taylor gerade nervte, da er ständig irgendwelche Spiele spielen wollte, die sie nicht mochte. Während ich versuchte meiner Tochter zu erklären, dass es nicht immer nach ihrem Willen gehen konnte, fuhr ich wieder hinein in die Stadt. Wir erreichten das Haus Pauls. Seine Adresse hatte ich noch im Navi gespeichert und ich sah, dass das Licht brannte. Zum Glück. Erst als ich darauf achtete, fiel mir ein, dass Paul eigentlich einen Termin hatte. Zwar wusste ich nicht genau wann der war, allerdings hätte ich jetzt auch vor verschlossenen Türen stehen können. Ich parkte meinen Wagen hinter seinem und es war sehr ruhig, lag das Haus schließlich in einer Sackgasse. Auch in vielen anderen holzvertäfelten Häusern brannte noch etwas Licht. Heute war es ein sehr grauer und regnerischer Tag gewesen, natürlich waren an so einem Tag viele Menschen in ihren Häusern geblieben. Kaum einer schien sich nach der Arbeit aus dem Haus zu wagen. Nur ein Mensch war gerade auf dem Weg nach draußen und an einer Leine war ein kleiner Hund zu sehen. Noch ein triftiger Grund sich keinen Hund anzuschaffen! Bei dem Wetter wäre sicher ich derjenige der mit dem Tier raus musste. Nein, das wollte ich nicht! Ich schulterte den Rucksack und nahm meine Tochter an die Hand, während ich die Stufen zu Pauls Haus hochging. Irgendwie hatte ich ihn viel zu wenig besucht! Ich klingelte und wartete darauf, dass er die Tür öffnete. Es dauerte einen Augenblick bis Paul die Tür aufmachte und ich war erstaunt, dass er mich erschrocken ansah. War es wirklich so schlimm, dass ich mich nicht angemeldet hatte? Ich selbst hätte mich vermutlich gefreut ihn zu sehen. Demzufolge verstand ich die Aufregung in seinem Gesicht einfach nicht. Jedoch, bevor ich etwas sagen konnte, zerrte Madeline aufgeregt an meinem Arm und wie ich zu ihr runter sah, deutete sie mit ihrer Hand auf Paul und plapperte sofort drauf los: „Schau mal! Sein Bein ist weg!“ Ich folgte ihrem Blick und bemerkte erst dann, dass Paul Krücken bei sich hatte und sein Hosenbein schlaff an ihm herunter hing. Natürlich lief er Zuhause nicht immer auf seinen Prothesen, dafür tat es sicher irgendwann zu weh! Sprachlos sah ich von dem fehlenden Bein zu ihm und sofort verstand ich den Ausdruck auf seinem Gesicht. Ich blinzelte überrascht und entschuldigend begann ich zu erklären: „Ich wollte nicht alleine zuhause sein. Du weißt ja weswegen… Und… Ich habe vergessen mich anzumelden. Das tut mir leid.“ Natürlich hatte ich nicht an so etwas gedacht. Niemals wollte ich ihn in eine unangenehme Situation bringen und verlegen biss ich mir auf die Lippen. Sprachlos starrte mich mein Freund an und seine Augen glitten hinunter zu Madeline. Immer noch war sie aufgeregt und fragte: „Wo ist dein Bein?“ Immer noch sagte keiner von uns ein Wort. Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte. Madeline zerrte weiter an meiner Hand und fragte erneut, wo sein Bein denn sei. Ich räusperte mich und murmelte nach einem Augenblick: „Ähm… erkläre ich dir später, Mäuschen.“ Immer wieder sah Paul zu Madeline und ich bemerkte, wie unangenehm es war. Er hatte alles versucht, damit Maddy nichts von dem fehlenden Bein bemerkt hatte. Er hatte mir erklärt, dass er dafür noch nach den richtigen Worten suchen musste. Allerdings vermutete ich, dass er einfach nur Angst hatte. Vielleicht Angst, dass sie lachte, oder das sie es eklig fand. „Wieso ist das Bein weg?“, wollte sie wissen und noch bevor ich etwas sagen konnte durchdrang Pauls Stimme die Stille. „Ich hatte mal einen Unfall“, begann er zu erklären und ließ uns tatsächlich eintreten. Vielleicht lag es an meinem Kind, denn seine Lippen waren eine einzige Linie und waren sogar etwas blass. „Und dabei hab ich mir das Bein so sehr verletzt, dass es weg musste.“ Entsetzt sah Madeline ihn an und ihre grünen Augen suchten meinen Blick. Was erhoffte sie sich zu sehen? Wollte sie wissen wie ich auf diese Geschichte reagierte? Suchte sie in meinem Verhalten Antworten, wie sie sich verhalten sollte? „Passiert das auch, wenn man von der Rutschte oder der Schaukel fällt?“, wollte sie sofort wissen und ich schüttelte verneinend den Kopf. Allerdings kam ich erneut nicht dazu zu sprechen und ich stellte lieber meinen Rucksack in den Flur. „Nein, das war ein…. Ein Autounfall“, meinte Paul und ein verbitterter Zug schlich sich auf sein Gesicht. Er hasste es darüber zu sprechen und vermutlich war er nicht zufrieden, dass er es meiner Tochter so erklären musste. Natürlich verstand ich ihn und doch dachte ich mir, dass es Zeit wurde. Schließlich hatte er mir versprochen, dass wir am Samstag Fahrrad fahren wollten. Spätestens dabei hätte man es Maddy erklären müssen. Und manchmal war es auch besser, wenn man in das kalte Wasser geworfen wurde. „Oh… Ist es deswegen so wichtig, dass man immer schaut ob ein Auto kommt? Oder das Grün ist?“, wollte Madeline mit trauriger Stimme wissen und sah hinauf in das Gesicht meines Geliebten. Er biss sich kurz auf die Lippen und nickte leicht. „Ja. Also pass auf…“, nuschelte er leise und verschränkte die Arme vor der Brust. Wäre die Situation nicht so angespannt, hätte ich über die Frage meiner Tochter schmunzeln können. „Dürfen wir denn hier bleiben?“, fragte ich Paul und sah ihn unsicher an. Irgendwie hatte ich das Gefühl nun in sein Leben eingedrungen zu sein. Ihn bei etwas zu stören, was er nicht wollte und zum ersten Mal sah ich mich als ein Eindringling in einem Leben an. Schließlich wollte ich ihn nicht in eine unangenehme Situation bringen. Ging es mir doch nur darum, dass ich mich in meinen eigenen vier Wänden nicht mehr wohlgefühlt hatte. Vermutlich wäre alles sehr viel entspannter, wenn ich daran gedacht hätte, ihn einfach anzurufen. Doch das hatte ich vollkommen vergessen. Ich hätte es vollkommen nachvollziehen können, wenn er nein gesagt hätte. Unsere Blicke trafen sich und entschuldigend sah ich ihn in seine dunklen Augen. Ein zorniger Zug umspielte sie und mit verengten Lieder betrachtete er mich. Kurz senkten sich meine Augen und es war mir wirklich unangenehm. Mir leicht auf die Lippen beißend sah ich ihn immer noch entschuldigend an und etwas wandelte sich plötzlich. Der harte Ausdruck verschwand und ein weicherer Ausdruck schlich sich auf sein Gesicht. Während wir einander stumm ansahen bemerkte ich, dass er sich rasiert hatte und seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. „Ja ja…“, meinte er und langsam zog ich meine Jacke aus. Doch gerade als ich etwas sagen wollte hörte ich eine Stimme aus dem Wohnzimmer. Er war nicht alleine?! „Soll ich dann verschwinden, Paul?“, rief der Mann und trat vom Wohnzimmer in den Flur. Es war Michael und unsere Augen begegneten sich. Seine blonden Haare waren etwas kürzer als bei unserem letzten Treffen und immer noch betrachtete er mich mit einem strengen Blick aus seinen hellgrünen Augen. Stur sah ich ihn an und senkte nicht den Blick. Wieso dieser Mann ein Problem mit mir hatte verstand ich immer noch nicht. Laut Pauls Aussagen war er nicht schwul, also konnte es keine Eifersucht sein und doch wirkte er unzufrieden. Unschlüssig schien er mich zu betrachten und ich konnte diesen Gesichtsausdruck einfach nicht zuordnen. Seine Augen glitten durch den Flur und blieben an meiner Tochter hängen. Als sie den fremden Mann sah ging sie zu mir und murmelte leise „Hallo.“ Sie schien überrascht von dem Auftauchen des Fremden zu sein und liebevoll legte ich ihr eine Hand auf den Kopf. Doch anders als bei mir lächelte der Mann Madeline sehr freundlich an. Seine Augen hatten nicht mehr diesen strengen Ausdruck und seine sonst zu schmal und streng erscheinenden Lippen hatten sich zu einem freundlichen Lächeln verzogen. „Na da habe ich ja jemanden verschreckt“, sagte er mit freundlicher Stimme und als er sich kurz hinhockte war ich überrascht. „Ich bin ein Freund von Paul… Ich heiße Michael und du musst Madeline sein. Paul hat mir von dir erzählt. Ganz viel sogar“, sprach er erstaunlich freundlich mit meiner Tochter. Was ich davon halten sollte, wusste ich selbst nicht so genau. Irgendwie erfreute es mich zu sehen, dass er wenigstens gegenüber meiner Tochter Anstand zeigen konnte. Allerdings ließ es ihn nicht per se sympathischer werden für mich. Kurz sah Madeline hoch zu mir und ich selbst sah Michael nur stumm an. Ich wusste einfach nicht, was ich von diesem Menschen halten sollte. „Hi, Michael“, brachte ich schließlich raus und der Mann vor mir erhob sich wieder. Er nickte mir leicht zu und meinte zu Paul: „Ich habe dir alles gesagt, was ich rausbekommen konnte. Vielleicht weihst du ja endlich mal deinen Liebsten ein…“, sagte er für mich vollkommen zusammenhangslos und griff nach seiner Jacke. Was meinte er damit? Fragend sah ich zu Paul hinüber, doch er sah seinen Freund mit einem wütenden und strengen Blick an. Hatte er etwas gesagt, was ich nicht hören sollte? Was auch immer Michael gerade gemeint hatte, es passte Paul nicht, dass er es mir so locker mitgeteilt hatte. Kurz winkte der Mann und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Die Stille die folgte war komisch und unschlüssig betrachtete ich Paul. Was meinte er damit? Doch als ich versuchte Pauls Blick einzufangen, wandte er sich ab und ging ins Wohnzimmer. Ich kam nicht dazu etwas zu fragen, denn Madeline zog an meiner Hand: „Ist er jetzt sauer, weil ich das mit dem Bein weiß?“ Langsam schüttelte ich den Kopf. Vermutlich war er mehr sauer auf mich. Sie konnte schließlich nichts dafür. Neugierig sah Madeline sich um, schließlich war sie noch nie hier gewesen und ich war auch erst einmal in diesem Haus gewesen. Irgendwie hatte sich alles bei mir abgespielt. Doch es wunderte mich auch nicht. Denn schließlich nahm Paul sehr viel Rücksicht auf mich und meine Tochter. Wir folgten Paul durch den Flur, vorbei an dem selbst fotografierten Bild der Kreuzung aus der Stadt und betraten das Wohnzimmer. Die gleichen dunklen und hellen Möbel standen herum und immer noch fand ich, dass es ein wenig zusammengewürfelt aussah. Ein leicht süffisantes Grinsen erschien auf meinen Lippen als ich zur der Couch sah und daran dachte, wie ich Pauls Kissen versaut hatte. Doch natürlich war der Flecks längst rausgewaschen worden. Neugierig sah sich meine Tochter um und fragte Paul: „Wieso hast du nur einen so kleinen Fernseher?“ Erinnerungen kamen wieder in mir hoch und ich erinnerte mich, wie Paul sagte, dass er gar nicht so gerne fernsah. „Ich mach den hier eigentlich nie an. Ich schau nur bei euch. Ich bastele viel lieber“, erklärte er ruhig und ging durch eine verglaste Doppeltür in die Küche. Madeline folgte ihm und schien sich immer noch umzuschauen. „Was bastelst du?“, fragte sie und blieb an der Tür zur Küche stehen. Mir fiel auf, dass sie immer noch die Puppe in den Händen hielt, welche Brian ihr geschenkt hatte. Paul kam mit zwei Gläsern und einer Flasche Wasser zurück ins Wohnzimmer und deutete auf den auffälligen Wohnzimmertisch welche auf einem blauen Teppich stand. „So etwas“, erklärte er und Maddy sah zu dem Tisch. „Ach so… so etwas kann ich nicht“, meinte sie und unschlüssig sah sie zu seinem fehlenden Bein. „Hast du dein Bein mit dem du sonst gehst dann auch selbst gebaut?“, wollte sie neugierig wissen und lief etwas aufgedreht hinter Paul her, als er die Gläser und die Flasche auf dem Wohnzimmertisch abstellte. Etwas in dieser Frage ließ mich schmunzeln und ich ließ mich auf dem Sofa nieder. Ich schüttete Wasser in die Gläser, während Paul erklärte: „Nein, das kann ich nicht. Das machen Profis. Ich mache nur Tische und sowas.“ Ich bemerkte seine Prothese, welche neben der Couch stand und neugierig sah Madeline sich das Hilfsmittel an. „Wenn du das trägst, spürst du dann, wenn ich dir auf den Fuß trete?“, wollte sie neugierig wissen und als sie die Prothese ungefragt anfasste, ermahnte ich sie vorsichtig zu sein. Natürlich wusste ich, dass diese Hilfsmittel nicht so schnell kaputt gingen, dennoch war es kein Spielzeug und so sollte sie das auch erst gar nicht sehen! Mit großen Augen betrachtete Madeline mich und sah dann zu Paul, welcher sich neben mir niedergelassen hatte. „Nein, das spüre ich nicht. Aber dein Dad hat recht, pass auf…“ Sie ließ die Hände von der Prothese und sah fasziniert auf den Stumpf welcher deutlich zu sehen war, nachdem Paul sich gesetzt hatte. „Kannst du jetzt ganz lange auf einem Bein hüpfen?“, fragte sie und perplex sah ich sie an. Die Gedankengänge von Kindern muss erstmal einer verstehen. Ein leichtes Kichern entwich meiner Kehle und entrüstet sah Maddy mich an. „Das ist nicht lustig.“ Doch, ich fand es lustig, allerdings schielte ich kurz zu Paul. Meine Sorge, dass er das alles andere als lustig fand, war schließlich nicht einfach verschwunden. Er konnte sich selbst nur schwer akzeptieren so wie er jetzt war. Wie würde er dann die Fragen meiner Tochter aufnehmen? Erleichtert war ich, als ich sah, dass auch er amüsiert drein sah. Er schüttelte den Kopf und erklärte, dass er dies genauso wenig könnte wie davor. Vermutlich fand er diese Fragen viel besser, als etwas, was ihn wirklich in Verlegenheit brachte. Doch was genau ihn in Verlegenheit bringen konnte, dass wusste ich selbst nicht. Vielleicht war es gut, dass Madeline mit einer Offenheit an das Handicap ging, wie es nur Kinder konnten. Diese Frage schien ihr sehr viel wichtiger zu sein als die Frage, ob er noch normal Leben könnte. Ob er noch viele Schmerzen hatten. All diese Fragen kamen meiner kleinen Tochter gar nicht in den Sinn. Natürlich nicht. Und doch vermutete ich, dass Paul damit gerechnet hatte. Ruhig erklärte ich ihr, dass Paul eigentlich alles konnte, was ein Mensch mit zwei Beinen auch kann und aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Paul das Gesicht verzog. Allerdings schwieg er darauf und sagte nichts. Natürlich nicht. Er schwieg dieses Thema immer tot. Sagte nichts dazu. Es war so typisch für ihn. „Also können wir am Wochenende Fahrrad fahren?“, wollte Madeline wissen und ich nickte leicht. Paul hatte zugestimmt und ein Blick in seine Richtung verriet mir, dass er gerade nicht vorhatte dagegen zu argumentieren. Tatsächlich freute ich mich sehr auf diesen Ausflug. „Was hast du da eigentlich für eine Puppe?“, warf Paul ein und blickte auf die neue Barbie in Madelines Händen. Unsicher sah sie auf einmal auf und betrachtete das Stück Plastik in ihrer Hand. Sie schien nicht zu wissen, was man antworten sollte und ich mochte es nicht, wenn sie in so einer Situation war, also half ich ihr. „Das ist ein Geschenk von Brian. Das hat er ihr heute mitgebracht, wegen ihres Geburtstages. Ist das nicht nett?“, wollte ich von Paul wissen und als ich sah, dass Madeline mich dankbar ansah, spürte ich eine große Woge der Erleichterung und Zuneigung für mein kleines Mädchen. Sofort stimmte mir Paul zu und sagte: „Ja, das ist ja klasse. Dann hast du ja doch mehr Spaß gehabt, als du dachtest. Das freut mich für dich, Maddy.“ Sie lächelte leicht und legte die Puppe auf das Sofa und ging schweigend um sein Bein herum. Es faszinierte sie, dass konnte man deutlich sehen. Doch was hatte ich anderes erwartet? „Das ist ein Roboterbein… Kann das noch was Cooles?“, wollte sie wissen, hockte sich vor dem Bein hin und betrachtete den Schuh genau. Doch es war ein ganz normaler Turnschuh, nichts Besonderes. Als Paul „Nein“ sagte, blickte sie erneut zu dem Bein und sagte: „Vielleicht kannst du damit ja mal fliegen irgendwann.“ Ich bemerkte, wie sich in Pauls Blick etwas wandelte. Was genau hätte ich nicht beschreiben können und auch nicht, wie er sich fühlte. Doch ein glücklicher Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Vielleicht war es auch nur ein belustigter Ausdruck. Doch es war mir egal. Paul blickte nicht mehr verkniffen und er tat etwas, was ich ihm nicht zugetraut hatte. Er zog sein Bein zu sich heran und legte es über seinen Schoß. „Wo meinst du, sollen denn die Raketen angebracht werden?“, fragte er gut gelaunt meine Tochter und sofort zeigte sie auf eine Stelle und plapperte drauf los. Breit grinsend lauschte ich dem, was sie von sich gab und doch klingelte etwas in meinem Kopf. Michaels Worte hatte ich nicht vergessen. Was sollte mir Paul sagen? Ein etwas ernster Ausdruck erschien auf meinem Gesicht. Er musste mir sagen was er wusste und doch wollte und konnte ich das nicht vor meiner Tochter ansprechen. Das ging einfach nicht. Ich schien mich gedulden zu müssen. Kapitel 27: Beim Wort nehmen ---------------------------- Es hatte sehr lange gedauert Madeline hier in Pauls Haus ins Bett zu bekommen. Sie war zu aufgeregt und sprach mit Paul noch lange über sein „Roboterbein“. Es faszinierte sie sehr und nicht einmal schien sie angewidert zu sein oder fand es gruselig. Dafür war ich ihr sehr dankbar. Auch wuselte sie herum und schien das fremde Haus so interessant zu finden, dass sie sogar vergaß ihre Fernsehserie zu schauen. Sie war gerade wirklich ein kleiner Wirbelwind und mehr als einmal musste ich sie ermahnen vorsichtig zu sein. Während Paul sich mit Maddy unterhielt machte ich in der Küche Sandwiches für uns. Paul erlaubte es, dass wir in der Küche aßen und endlich, nachdem der Hunger meiner Tochter gestillt war, wurde sie ruhiger. Wir waren wieder hinüber ins Wohnzimmer gegangen und Madeline beachtete die Prothese nicht mehr. Sie gähnte leicht und wollte auf meinen Schoß, was ich ihr erlaubte. Während ich ihr sanft über den Rücken streichelte, fragte ich Paul, wo sie schlafen könnte. „Bring sie ins Gästezimmer“, meinte Paul und erklärte mir, dass es sich dabei um die Tür halte, die ich sofort sehe, wenn ich die Treppe raufging. Nachdem ich Madeline im Badezimmer für die Nacht fertig gemacht hatte, ging ich die Treppe rauf. Hier oben war ich bei meinem einzigen Besuch nicht gewesen. Ein gräulicher Teppich war verlegt worden und an den Wänden hingen Bilder. Das Gästezimmer war nichts Besonderes. Ein Bett stand herum und ein Kleiderschrank stand an der anderen Ecke. Doch der Raum bot auch nicht viel mehr Platz. Ein kleines Fenster ließ den Blick frei auf die Häuser der Nachbarn. Ich zog die Vorhänge zu und legte Madeline ins Bett. Doch es dauerte lange bis sie endlich zur Ruhe kam, natürlich. Es war schließlich ein aufregender Tag für sie gewesen. Als ich endlich den Raum verlassen konnte, seufzte ich schwer auf. Hoffentlich schlief sie wirklich durch. Doch eigentlich war der Tag auf für diesen kleinen Wirbelwind zu viel gewesen. Tatsächlich war ich, wenn ich ehrlich war, sehr dankbar, dass sie endlich schlief. Ich hatte einfach keine Lust mehr gehabt und wollte endlich mit Paul sprechen. Schließlich wollte ich wissen, was dieser Michael meinte. Meine Augen glitten durch den Flur und langsam entkrampften meine Muskeln. Hier konnte ich mich gerade entspannen und was mein Herz schneller schlagen ließ, war, dass alles nach Paul roch. Mein Blick glitt durch den Flur, noch zwei weitere Türen gingen von diesem ab und ich vermutet, dass sie zum Badezimmer und Schlafzimmer gehörten. Der Flur war schmal, somit stand nichts wirklich herum, nur die Bilder an der Wand ließen ihn wohnlich wirken und an eben diesen Bildern blieb mein Blick hängen. Während ich mich müde streckte sah ich, dass es vermutlich ein Familienbild war. Ein älterer Mann, mit tiefen Falten stand neben Paul. Er sah etwas jünger aus. Daneben saß auf einen Stuhl eine ebenfalls sehr alte Frau. Vermutlich handelte es sich dabei um seine Großeltern. Ich wusste, dass er seinem Großvater sehr nahestand. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Ich selbst hätte keine Großeltern mehr, sie waren noch vor Madelines Geburt gestorben. Neben diesem Bild hing ein Bild von zwei anderen, mir fremden Menschen, doch es konnte sich nur um seine Eltern handeln. Ich schmunzelte leicht und dachte mir, dass er eine sehr gute Mischung von beiden war. Er hatte die dunklen Haare seines Vaters geerbt, doch seine Gesichtszüge ähnelten mehr seiner Mutter. Von wem er seine braunen Augen hatte, konnte ich nicht sagen. Doch allzu lange wollte ich Paul nicht mehr warten lassen und da ich Madeline nicht mehr hörte, ging ich langsam wieder nach unten in den Wohnraum. Paul saß immer noch im Wohnzimmer und betrachtete stirnrunzelnd seine Prothese. Was er sich dachte, blieb in seinem untergründlichen Blick verloren. Nachdem er meine Schritte hörte, sah er sich um und betrachtete mich. Unschlüssig sagte ich zu ihm, dass ich mir nicht sicher sei, dass Madeline es schaffte die ganze Nacht im fremden Bett zu schlafen. Zum Glück hatte ich daran gedacht ihr Stofftier mitzunehmen, ansonsten wäre es noch stressiger geworden als es eh schon der Fall war. „Ist doch verständlich, Zuhause schläft es sich am besten“, murmelte der Mann neben mir und ich konnte mir vorstellen, dass er immer noch etwas sauer auf mich war. Vielleicht auch nicht nur ein bisschen. Ich ließ mich auf Pauls Sofa nieder und unsicher betrachtete ich ihn. Natürlich wollte ich nicht, dass er sauer auf mich war! Seine Prothese lag auf den Wohnzimmertisch und mit unergründlicher Miene sah er mich an. Natürlich war er sauer, etwas anderes wäre wahrscheinlich auch gar nicht möglich. Schließlich war ich in seine Privatsphäre eingedrungen und hatte etwas gemacht, was er so nicht gemacht hätte. Ich weiß nicht, wie er es sich vorgestellt hatte, es Madeline zu sagen. Ob er sich darüber schon Gedanken gemacht hatte, das wusste ich nicht. Doch er hätte es ihr früher oder später sagen müssen! Unsere Blicke trafen sich und immer noch schaffte ich es nicht zu entschlüsseln, was der Ausdruck auf dem geliebten Gesicht bedeuten möge. „Sei nicht so sauer… Es wäre doch früher oder später eh dazu gekommen, dass die Kleine das mitbekommt. Wie hättest du das am Wochenende mit dem Fahrrad erklären sollen? Spätestens da hätte sie es doch eh bemerkt. Außerdem hat sie sich doch sehr gut geschlagen, du Cyborg“, scherzte ich, denn ich wollte einfach nicht, dass wegen so etwas schlechte Laune aufkam. Denn schließlich war nichts Schlimmes passiert und es schien ein weitaus wichtigeres Thema zu geben, worüber wir sprechen mussten. Er sollte sich lieber freuen, dass meine Tochter so „locker“ damit umging und ihn nicht als komisch, oder ekelig titulierte. Ob Paul hoffte, dass ich es vergessen hatte, dass mit dem Rad fahren? Doch Michaels Worte waren immer noch in meinem Kopf. Ich wollte jetzt nur ungerne darüber sprechen, wie ärgerlich er es fand, dass ich mit Madeline unangemeldet bei ihm aufgeschlagen war. „Ja ja“, beschwerte sich der Dunkelhaarige während er die Prothese neben sich auf den Boden stellte, „Ich hätte mir dennoch nicht so einen Überfall gewünscht.“ Seine Augen verengten sich und die Lippen verzogen sich zu einer strengen Linie. Vielleicht mochte er auch einfach keine Spontanität. Er verschränkte die langen Arme vor der Brust und lehnte sich auf seinen Sitz zurück. So sah er immer aus, wenn ihm etwas nicht passte und das ich diese Kleinigkeit von ihm wusste, ließ mich schmunzeln. Unsere Blicke trafen sich und ein sanftes und liebevolles Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich sah, wie der harte Zug um seine Augen weicher wurde. Tatsächlich schien ich wohl etwas an mir zu haben, was ihn weich werden ließ. Es war mir auch egal, was das war, ich war nur dankbar um das sanfte Lächeln auf den Lippen des Mannes den ich liebte. Paul nickte leicht und ich war froh über die Worte die seine Lippen verließen: „Aber ja, Madeline hat besser darauf reagiert, wie ich dachte… zum Glück.“ Leise atmete ich aus als ich seine Wort hörte und dachte mir im Stillen, dass er wirklich lernen musste sich einfach so zu akzeptieren, wie er nun einmal war. Es war nichts Schlimmes, dass er das Bein verloren hatte. Er war für mich perfekt, so wie er war! Aber dies schaffte er nicht zu akzeptieren. Doch darauf wollte ich gerade nicht herumreiten. Nicht jetzt. Ich trank einen Schluck Wasser, welches ich mir vor einiger Zeit selbst aus der Küche genommen hatte und fragte: „Was meinte Michael eigentlich vorhin? Was sollst du mir sagen?“ Sofort verhärteten sich die Gesichtszüge meines Freundes und die dunklen Augen sahen mich ernster an als zuvor. Oder war er etwas sauer? Verärgert schien Paul die Luft aus der Lunge zu drücken und mit ernster Stimme meinte er: „Das… Ich will es dir eigentlich nicht sagen. Wenn ich dir das sage, nimmst du dein Kind und verschwindest!“ Verblüfft von seiner Aussage zogen sich meine Augenbrauen zusammen. Diese Aussage kam für mich vollkommen zusammenhangslos und ergab für mich keinen Sinn. Fragend blickte ich ihn an und es reichte dennoch nicht aus um ihn zum Sprechen zu bewegen. Etwas sehr untypisches für ihn. „Was meinst du damit?“, wollte ich mit ernster Stimme von ihm wissen. Das was sein Freund sagte ging mich schließlich auch etwas an. Pauls Aussage machte in meinen Ohren einfach keinen Sinn und ich verstand keinen kausalen Zusammenhang. Wieso sollte ich Madeline nehmen und verschwinden? Ich war ja schließlich nicht mein Ex-Mann. Ich war kein Arschloch und für mich gäbe es keinen Grund Paul einfach so zu verlassen! „Weil was jeder gute Vater tun würde“, erklärte Paul und wurde beim Sprechen sehr leise. Er wich meinem Blick aus, sah auf dem Boden und dann langsam zu seinem eigenen verschränkten Hände. Ich verstand einfach nicht, was hier los war und runzelte leicht die Stirn. Ich mochte es nie, wenn Menschen um den heißen Brei drum herum sprachen. Auch auf der Arbeit sagte ich meinen Klienten immer, sie sollen gleich zum Punkt kommen. Unruhig knetete er weiterhin seine Hände und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. Ein fast schon gequälter Ausdruck erschien auf Pauls, für mich so schönem Gesicht und ich wollte diesen Ausdruck nicht auf ihm sehen. Zaghaft griff ich nach den verschränkten Händen und zog leicht an diesen. Auch hoffte ich, dass er sich so endlich trauen würde mit der gesamten Wahrheit herauszurücken. Während ich auf der Couch zu ihm rüber rückte, ließ er es zu, dass ich seine Finger mit den meinem verschränken konnte. Wenn er mich so ansah, beziehungsweise mich nicht ansah, konnte es nur etwas ernstes sein. Dann musste es etwas sein, was ihn sehr belastete. Denn ansonsten hätte er mit mir gesprochen. Dafür kannte ich Paul langsam zu gut. „Hey", murmelte ich, wie ich hoffte, mit sanfter und einfühlsamer Stimme, „Versuch mit mir zu sprechen. Wie oft habe ich dir schon mein Herz ausgeschüttet und dir meine Sorgen anvertraut? Auch wenn ich manchmal wusste, dass ich nicht recht hatte. Ich werde schon nicht meine Koffer packen und gehen. Das verspreche ich dir. Nicht nur für jetzt.“ Im Nachhinein war ich mir nicht sicher, ob das Versprechen vernünftig war. Denn schließlich wusste ich nicht, was er mir zu sagen hatte. Langsam sahen seine Augen in meine grünen, als suche er etwas darin und auf einmal wurde mir bewusst, wie verletzt er mich betrachtete. So verletzt, dass ich nicht wusste, wie frisch die mit fremden Wunden waren. Seine Hand begann in der meinen zu zittern und ich verstärkte den Druck und hielt sie fest umschlossen. Doch es schien ihn zu beruhigen und ich spürte, wie sich der kräftige Mann an mich lehnte und ich legte meinen Arm schützend um seine Schulter. Wie schwach dieser sonst so toughe Mann gerade war, überraschte mich, doch ich wollte nicht so unempatisch sein und ihn darauf einfach ansprechen. Vermutlich hätte ihn das nur gehemmt. Langsam hob ich meine Hand und strich ihm sanft über die Wange, den leichten Bart und ich fühlte, wie er tatsächlich immer kleiner zu werden schien. Es schien als falle er gerade in sich zusammen. Noch immer schaffte es Paul nicht mich anzusehen. Immer noch hielt seine Hand die meine fest im Klammergriff. Irgendetwas war anders, irgendetwas stimmte hier nicht, ganz und gar nicht. Er war nicht mehr der mutige Polizist, Paul war gerade vollkommen neben der Spur und schien mit etwas in seinem Inneren zu ringen. Wie ich ihm helfen konnte, dass wusste ich nicht. Jetzt, da ich selbst nicht wusste was los war, konnte ich einfach nur für ihn da sein. Und das war ich. Ich saß stumm neben ihm, gab ihm halt, obwohl ich nicht wusste weswegen. Doch es war ihm wichtig, also ließ ich ihn! „Ich nehme dich beim Wort", flüsterte Paul und schaffte es endlich seinen Blick zu heben. Seine dunklen Augen trafen auf die meinen und es wirkte, als seien wir stillschweigend übereingekommen, dass ich ihm Zeit ließ. Zeit um sich zu sammeln, Zeit um die richtigen Worte zu finden. Manchmal, das wusste ich selbst, bestimmte man einfach das Tempo der Unterhaltung. Drängen oder unruhig werden hätte wahrscheinlich immer das Gegenteil verursacht. Nämlich, dass ich geschwiegen hätte und genau derselbe Ausdruck sah mich aus Pauls Gesicht an. Ein falsches Wort und er hätte nichts mehr gesagt. „Ich weiß jetzt“, begann er leise zu sprechen und nur mit Mühe verstand ich ihn, „ wer in dein Haus eingebrochen ist. Und ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll. Denn irgendwie… Na ja… bin ich vielleicht Mitschuld daran.“ Verwirrt über diese Aussage zogen sich meine Brauen zusammen und ein Ausdruck der Verwirrung erschienen auf meinem Gesicht. Er hatte schließlich neben mir friedlich im Bett geschlafen, wieso sollte er dann Schuld sein. Das ergab für mich einfach keinen Sinn und ich war mir sicher, dass sich diese Verwirrtheit auf meinem Gesicht wiederspiegelte. „Das verstehe ich nicht, das musst du mir erklären“, forderte ich ihn auf weiter zu sprechen. Ich wollte nicht, dass Paul solch kryptische und unverständliche Antworten gehabt. Sie hinterließen mehr Fragen als Antworten und das machte mich etwas zornig. Wenn er wusste was geschehen war, dann sollte er sofort mit der Sprache herausrücken und nicht um die Antwort herumscharwenzeln. Madeline war schließlich auch in dem Haus gewesen. „Naja Richard, jeder hat doch so seine Vergangenheit, oder? Und meine habe ich auch. Ich hatte mal einen Freund, Liam, wir waren lange zusammen. Wir hatten uns auch was aufgebaut…. dieses Haus hier und noch ein paar andere Sachen… allerdings gab es auch nicht so schöne Momente. Vor allem, weil Liam eifersüchtig war. Am Anfang fand ich es ja noch total niedlich, wenn er sich darüber aufregte, dass ich zu viel mit meinen Freunden unternahm, oder zu viel mit ihm schrieb. Aber irgendwann hat es einfach Überhand genommen und wir stritten uns häufiger darüber. Da war es dann einfach scheiße und nicht niedlich…“ Noch nie hatte mir Paul etwas über seine Ex-Freunde erzählt. Tatsächlich hatte es mich auch nie wirklich interessiert. Die Vergangenheit seiner Partner interessierte mich nur so insoweit, dass sie nicht kriminell waren. Über frühere Partner fragte ich meine Freunde eigentlich nie aus. Jeder hat eine Vergangenheit und natürlich hatte auch jeder Ex-Freunde. Ich hatte sogar einen Ex-Mann. Normalerweise wollte ich auch nie etwas über die Ex Partner wissen. Außer jemand erzählte mir freiwillig irgendetwas. Allerdings fragte ich mich nach dieser Erklärung doch, wieso er mir nie etwas erzählt hatte. Dieser Mensch muss schließlich anstrengend gewesen sein. Vermutlich war es Liam der Eingebrochen war, diesen Zusammenhang hatte ich, so vermutete ich, sofort verstanden. Ich wollte mehr erklärt haben und nicht mit Vermutungen abgespeist werden. Doch mit der Tür ins Haus fallen wollte ich ebenso wenig. Wenn ich mehr wissen wollte, musste ich einfach taktisch vorgehen und so fragte ich einfach: „Hast du dich deswegen von Liam getrennt? Weil er zu eifersüchtig wurde?“, wollte ich wissen, denn schon wieder begann Paul zu schweigen. Er sollte jetzt nicht schweigen, denn schließlich musste er mir irgendetwas erzählen, was mit diesem Einbruch zu tun hatte. Und ich wollte jetzt Antworten. Tatsächlich war mir bis zu diesem Zeitpunkt nie aufgefallen, dass Paul verschwiegener war als ich dachte. Denn tatsächlich hatte er nie viel von diesem Teil seiner Vergangenheit gesprochen und das war mir bis jetzt nie aufgefallen. Paul hob seinen Blick und sah mir ins Gesicht. Erneut forderte ich meinen Freund auf zu sprechen und langsam nickte er leicht zur Bestätigung und fügte hinzu: „Liam hat es nie eingesehen, dass er Schuld daran war und seine Eifersucht. Er hat immer geglaubt ich habe ihn für einen anderen verlassen und hätte ihn betrogen und dann na ja… War er auf einmal überall… Und ständig bekam ich Nachrichten, E-Mails, sogar Briefe. Kannst du dir vorstellen wie nervig es war? Er fing an mich… Naja zu stalken und bis dahin konnte ich mir nie vorstellen… wie beängstigend das ist.“ Natürlich hatte ich schon einmal von Stalking gehört. Wer nicht? Doch meistens waren das Frauen und ich hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, dass einer den ich kannte von so etwas betroffen war. Für mich war es meistens etwas, was Prominente oder Frauen betraf, wie falsch ich damit lag, wurde mir erst jetzt wirklich bewusst. „Oh", meinte ich wenig intelligent und wusste nicht genau, wie ich auf diese Aussage reagieren sollte. Mitfühlend? Wütend auf den Mann? Wollte Paul überhaupt Mitleid? Doch ein Blick in das Gesicht meines Freundes zeigte mir, dass er dies auf keinen Fall wollte. Mitleid wollte dieser sonst so toughe Mann nicht. Auch damals wollte er keines, nachdem er mir von seinem Unfall berichtet hatte. Doch nach und nach drängte sich ein Gedanke in meinen Kopf. War dieser Mann, der Mensch, welcher in mein Haus eingebrochen war, gefährlich? Wollte mir Paul das damit sagen? Obwohl ich wusste, dass er kein Mitleid haben wollte, legte ich dennoch einen Arm um seine Schulter, als sich das Schweigen über uns ausbreitete. Natürlich hatte er nun Sorge, wie ich reagieren würde und ich konnte es verstehen. Doch so verletzt und, mir fiel kein besseres Wort ein, ängstlich, wie er mich gerade musterte, musste ich ihm einfach zeigen, dass er nicht alleine war. Ich drückte meine Lippen kurz an seine Schläfe und sein geliebter Geruch zog sich in meine Lunge. Sichtlich entspannter legte er auch kurz einen Arm um meinen Körper und drückte mich an sich heran. Es schien als brauchten wir kurz diese Stille und erst nach einigen Augenblicken schaffte ich es die Stille zu durchbrechen. „Ist der immer noch am stalken?“, wollte ich mit langgezogener Stimme von ihm wissen und meine Brauen zogen sich zusammen. Deutlich bemerkte ich die Unruhe, welche vom Paul auszugehen schien. Es schien, dass ein kurzes Zittern ihn erfasste und ich verstärkte den Halt um seinen Körper. Diese Unruhe sagte mir, dass ich auf dem richtigen Weg war. Und dieser Weg gefiel mir gar nicht. Sofort bekam ich Sorge um meine Tochter und mich und natürlich um Paul. Ihnen durfte und sollte nie etwas zustoßen! Es schien als würde er mich besser kennen als ich dachte. Er betrachtete mich und ein trauriges Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Du kannst uns nicht immer beschützen… Auch ich kann euch beide nicht immer beschützen… Ich will nur nicht, dass du Angst hast. Angst um deine kleine Tochter und ich könnte es so verstehen, dass du deswegen Abstand haben willst…“ Perplex sah ich ihn an. Abstand von ihm nehmen? Darüber hatte ich nicht wirklich nachgedacht. Doch natürlich… Hätte ich das von Anfang an gewusst, wäre ich vermutlich nicht so überschwänglich in die Beziehung mit ihm gegangen. Doch eigentlich war es egal. Langsam schüttelte ich den Kopf und sagte: „Vergiss es, ich trenne mich so schnell nicht von dir. Nicht wegen irgend so einem Vollidioten, dass will der doch eh nur“, sagte ich mit einer Stimme die viel kämpferischer klang, als ich mich fühlte. „Dann ist der eben eingebrochen… Er hat ja nichts gemacht…“ Doch die Stille die folgte verwunderte mich und etwas beklommen fragte ich: „Hat er doch nicht… oder?“ Ein gequälter Ausdruck erschien auf Pauls Gesicht und ließ ihn viel älter Aussehen, als er eigentlich war. „Wegen Liam hatte ich den Unfall… wir konnten es nie beweisen, aber ich weiß es", erklärte Paul mit einem bitteren Zug um seinen Mund. Dieses mal reichte ein fragender Blick von mir aus, um ihn zum Sprechen zu bringen. „Er ist Automechaniker. Natürlich hat er deswegen oft meine Karre repariert… Nachdem wir uns, beziehungsweise ich mich von ihm getrennt hatte, war er ja immer da. Er terrorisierte mich über mein Telefon, war auf einmal da, wo ich war. Hat mich und Michael beim Essen gestört. Es waren immer nur Zufälle, weswegen er da auftauchte, wo wir waren. Klar….und er hat jedem Menschen mit dem ich mich länger unterhalten hatte das Leben zur Hölle gemacht. Es war einfach ätzend. Am Anfang habe ich versucht es einfach zu ignorieren und hatte gehofft, dass er irgendwann die Lust verliert oder vielleicht jemand neuen kennenlernt. Aber irgendwie wurde es immer mehr und aus seinen anfänglichen, vielleicht nett gemeinten Gesten … ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber sie wurden halt immer beschissener. Irgendwann war er dann der Meinung, dass wenn er mich nicht haben könnte, mich gar keiner bekommen sollte. Keine zwei Tage später sitze ich auf meinem Motorrad und die Bremsen funktionieren nicht… Soweit ich weiß wurde er irgendwann von seinem Psychiater oder Psychologen eingewiesen. Aber jetzt kam raus, dass er gar nicht mehr in der Klinik ist. Wenn ich das gewusst hätte… Michael hatte irgendwann Fingerabdrücke von Liam besorgt, natürlich nicht auf dem legalsten Wege. Er hat die Fingerabdrücke mit denen verglichen, die wir bei dir gefunden haben. Liam ist nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, also ist er natürlich auch nicht in der Datenbank. Das heißt einfach, dass mein Ex Freund immer noch… wie kann man das ausdrücken, hinter mir her ist? Auf jeden Fall lässt er mich immer noch nicht in Ruhe. Und ich vermute, dass er auch an deinen Reifen war.“ Sprachlos starrte ich meinen Freund an. Wie sollte ich auf so etwas reagieren? Wollte dieser Mensch, dass ich einen Unfall hatte? Plötzliche erinnerte ich mich an die offene Gartentür. Ich hatte Madline dafür verantwortlich gemacht. Sie hatte abgestritten, dass sie die Tür geöffnet hatte und ich hatte ihr nicht geglaubt. Natürlich nicht. Ein unruhiges Kribbeln breitete sich in mir aus, als mir bewusst wurde wie gefährlich ich in den letzten Wochen gelebt hatte. Ohne es wirklich mitzubekommen. Auch meine Bremsen hätten nicht mehr funktionieren können, nur das ich vielleicht nicht alleine in dem Wagen gesessen hätte. Wenn dieser Mensch seinen Freund so sehr in Gefahr bringen würde, ihn fast umbringen würde, wieso sollte er dann Rücksicht auf mich nehmen? Ich konnte wohl froh sein, dass er mein Haus nicht angezündet hatte als ich mit meiner Tochter dort geschlafen hatte! Sofort flammte Angst durch meinen Körper und ich war froh, dass Paul meine Gedanken nicht hören könnte. Denn diese sagten mir, ich solle umgehend Abstand von ihm nehmen, Madeline dürfe nichts passieren. Doch so schnell dieser Gedanke kam, so schnell war er wieder verschwunden. Ich erinnerte mich an mein Versprechen, dass ich nicht verschwinde. Natürlich verstand ich Paul. Jetzt nach meinem neuesten Wissensstand warum er glaubte, dass ich jetzt gehen würde. Jeder vernünftige Mensch würde diesen Gedanken haben. Doch ich liebte Paul und ich konnte und wollte ihn nicht im Stich lassen! Das ging einfach nicht. Aber ich musste auch an meine Tochter denken. Es war eine beschissene Zwickmühle in der ich mich befand. Doch ich wollte Paul einfach nicht alleine lassen. Mir war durchaus bewusst, dass er verstehen würde, weswegen ich dies tat, doch nein! Ich wollte mich nicht von ihm trennen. Ich müsste einfach einen Weg finden, wie wir alle in Sicherheit sind. Doch ich würde Paul nicht einfach im Stich lassen. Schwer nur konnte ich diese Gedanken hinunter schlucken und zögernd griff ich nach seiner Hand. Ich wusste, dass es ihm schwer gefallen war mir diese Geschichte zu erzählen und irgendwie merkte ich, dass ich mehr als unempathisch war. Natürlich hatte ich im ersten Augenblick nur an Madline und mich gedacht. Wie schrecklich es für Paul sein musste, wollte ich mir nicht ausmalen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es sein musste, dass jemand anderes so viel Einfluss in meinem Leben spielte. Natürlich machte mein Ex das auch, aber anders als es diese Liam tat. Ich lebte jedenfalls nicht in Angst. Und auf einmal konnte ich auch das unfreundliche Auftreten Michaels verstehen, als wir uns kennen gelernt hatten. Schließlich hatte ich Paul tatsächlich spontan getroffen und die beiden beim Essen gestört. Michael schien vermutlich einfach nur Sorge gehabt zu haben, dass auch ich so verrückt und krank bin wie Pauls Ex-Freund. „Wir schaffen das gemeinsam und wenn wir einfach warten, bis wir diesen Irren auf frischer Tat ertappen… Das bekommen wir hin, Paul“, murmelte ich kämpferischer als ich mich fühlte. „Das kann ich dir zwar leider nicht versprechen, aber wir schaffen das schon!“ Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf Pauls Lippen als er mich betrachtete. Vermutlich hatte er nicht mit so einer Aussage von mir gerechnet. Liebevoll legte er seine Lippen auf die meinen und hauchte mir einen sanften Kuss auf die Lippen. „Ich liebe dich, Richie“, flüsterte er und ich war erstaunt, wie dankbar seine Stimme klang. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)