Die Karten legt das Schicksal von Strichi ================================================================================ Kapitel 10: Wut verjährt nicht ------------------------------ Ich genoss es, ihn zu spüren und als sich seine Hände in meinen Haaren verfingen, konnte ich einfach nicht widerstehen. Zu sehr raubte mir sein Geruch gerade den Verstand. Begierig glitt meine Zunge in seinen Mund und sein Geschmack versetzte mich fast schon in einen Rauschzustand. Ich hatte das Gefühl, dass er mich high machte und genau davon wollte ich mehr fühlen. Es war dieser Zustand, den ich einfach nur genoss! Ich strich über seinen Rücken und meine Hand glitt unter seine Jacke und seinen Pullover. Doch als er mich leicht wegdrückte gab ich widerwillig seine Lippen frei. Paul zwinkerte mir aus seinen dunklen Augen heraus an und sagte: „Das Essen wird kalt... Lass uns lieber etwas essen.“ Ich betrachtete seinen Körper und meinte frech: „Mir würde noch was anderes einfallen, auf das ich Appetit bekommen könnte.“ Ich hörte Paul leise lachen und er schüttete nur den Kopf. Hier war er wieder zurückhaltender. Anders als bei sich zuhause. Wieso war er hier so viel zurückhaltender? Ich strich mir über mein Kinn und mein Blick glitt fast schon hungrig an seinem Körper entlang. Ich bemerkte, wie Paul sich in meinem Büro umblickte. Er betrachtete die Motivationsbilder und schmunzelte leicht. Auf einem war eine weite Landschaft. Eine grüne Wiese und der Himmel war lila verfärbt. Ein Mädchen stand auf einem Stuhl und griff nach dem Mond. Darüber stand groß und fett das Wort Inspiration und unten drunter ein Zitat Albert Einsteins, „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“. Er deutete auf das Bild und meinte: „Das passt irgendwie nicht zu einem Anwalt.“ Leise vor mich hin lachend ging ich auf ihn zu und meinte: „Kommt drauf an. Wenn ich meine Plädoyers verfasse, muss ich ab und zu sehr kreativ werden. Je nach dem, um was es sich bei dem Verfahren handelte.“ Nachdem Paul seine Jacke ausgezogen hatte, konnte ich nicht widerstehen und strich ihm über den trainierten Rücken. Der Pulli, welches er trug saß eng an dem athletischen Körper. Unsere Blicke trafen sich, doch anders als bei ihm zuhause kam er mir nicht näher. Seine Augen glommen zu einem anderen Motivationsbild ein der Wand. Dieses Bild zeigte eine große Welle und einen Surfer, welcher die Welle auf seinem Surfbrett ritt. Oben stand groß Motivation und der Spruch unter dem Bild sage: „Motivation ist das Geheimnis des Erfolges“. Er deutete darauf und meinte während er sich zu mir drehte: „Das hier passt besser zu einem Karrieremenschen.“ Ich fragte mich, ob er die Intimität nicht aufkommen lassen wollte? Ich fand fragen zu taktlos und so schlenderte ich Paul hinterher. Ich runzelte die Stirn über seine Aussage. Karrieremensch? War ich das denn? Kam ich wirklich so herüber? Ich selbst fand das nicht mehr. Doch Paul konnte meine Gedanken nicht lesen. Er sah nur das, was ich ihm zeigte. Und das war augenscheinlich ein Mensch, der fast nur für seine Arbeit am Leben war. Es machte mich nachdenklich, denn eigentlich zeigte es etwas von mir, was ich vor Jahren war, aber nicht, was ich jetzt bin. „Bin ich denn für dich ein Karrieremensch?“, wollte ich nachdenklich wissen und holte die Verpackungen mit dem chinesischen Essen heraus. Leicht nickend kam er zu dem Sofa und mit einem leisen Stöhnen setzte er sich hin. Er strich über sein Bein und ich fragte ihn, ob er Schmerzen habe. Er nickte leicht und sagte: „Der Arzt meinte, dass sich das regulieren wird.“ Ich blickte in die Schachtel und reichte Paul die Seine während ich ihn skeptisch musterte. „Was ist denn passiert?“, wollte ich wissen und aß eine Frühlingsrolle. Als ich sie ihm hinhielt lehnte er ab und erklärte: „Na ja, das ist alles noch wegen des Unfalls. Das Bein und die Rippen waren ziemlich kaputt. Das dauert einfach lange.“ Ich nickte und erklärte ihm, dass ich bei einem schweren Sturz mit dem Fahrrad einen Arm gebrochen hatte. Ich hatte Glück, dass es der Rechte war, als Linkshänder. Auch Paul hatte sich als Kind schon einmal den Arm gebrochen. Damals war er von einer Rutsche gefallen. Doch erst beim Schwimmunterricht sei dies aufgefallen. Ich schmunzelte, als ich das hörte und konnte nur den Kopf darüber schütteln. „Im Dienst ist mir das aber noch nie passiert“, meinte Paul gut gelaunt und aß seinen gebratenen Reis. „Hat eigentlich mal wer auf dich geschossen?“, wollte ich wissen, nachdem ich alle meine Frühlingsrollen verputzt hatte. Paul nickte und erklärte: „Ja, das war während einer Geiselnahme in einer Bank. Ich war hinten bei den Notausgängen und als die Geiselnehmer plötzlich mit den Geiseln hinausstürmten, versuchte ich sie zu stoppen. Dabei hat einer versucht mich zu erschießen. Ich hatte aber eine Schussweste an. War nur ein blauer Fleck.“ Ich blickte ihn mit großen Augen an, während ich einige gebratene Nudel aß. „Wow, klingt äußerst spannend“, sagte ich ehrfurchtsvoll und nickte leicht. Zustimmend grummelte Paul etwas, was ich nicht genau verstand. Doch gerade, vergaß ich nachzufragen, was er gesagt hatte. Ich stellte mir vor, was er getan hatte und musste ehrlich zu mir sagen, dass ich mich dies nicht getraut hätte. Erneut betrachtete ich den Mann vor mir. Er wirkte nachdenklich. Vielleicht dachte er an seinen neuen Job. Dieser würde sicher nicht so aufregend. „Ich würde sowas ja nicht machen wollen“, meinte ich während ich Gemüse auf die Gabel schob, „Ich meine, da hätte ich Angst, dass ich nicht mehr nach Hause komme.“ Er schmunzelte und nickte nur. Ich fragte mich, ob er Freunde hatte, die im Dienst ihr Leben gelassen hatte. Doch ich traute mich nicht nachzufragen. Nur, weil wir miteinander geschlafen hatten, kannten wir uns noch nicht besser. „Wieso glaubst du eigentlich, dass ich so der Karrieretyp bin? Ich meine, bist du eher so der Familientyp?“, wollte ich scherzhaft wissen und zwinkerte ihm nett gemeint zu. Doch nachdem ich die Frage gestellt hatte, merkte ich erst, was hinter der Antwort alles stecken könnte. Wenn er nun sagte, er mag Familien nicht und könne damit nichts anfangen, würde das unsere Beziehung ja beenden. Es war, als würde mir jemand mit einer kalten Faust in den Magen schlagen. Ein unangenehmes und sehr seltsames Gefühl. Von Sekunde zu Sekunde wartete ich immer verzweifelter auf die Antwort des Mannes vor mir. Ich konnte es gar nicht abwarten, bis er endlich zu Ende gegessen hatte. Paul schluckte sein Essen hinunter und nachdem er einen Schluck Wasser getrunken hatte antwortete er: „Hm… Ich weiß es gar nicht. Ich bin ja schwul. Klar, ich liebe meine Familie aber selbst eine…. Irgendwie geht das ja schlecht.“ War das eine gute oder eine schlechte Antwort? Ich wusste es nicht. Ich stocherte in dem Essen herum. Er hatte es nicht abgelehnt, jedoch hatte er auch nicht gesagt, dass er eine wollte. Wieder einmal wäre es so einfach zu sagen, dass ich eine Tochter hatte. Es war wieder ein Augenblick, indem es mir sogar auf den Silbertablett präsentiert wurde. Doch ich traute mich nicht. Alex und die ganzen anderen, die ich kennen gelernt hatte, hatten mich verunsichert. Ihre Worte hallten in meinem Kopf wieder. Zu viel Verantwortung. Oh nein, ich will nicht Vater spielen. Wie sollen andere darauf nur reagieren. Und die für mich schlimmste und beschissenste Frage in diesem Zusammenhang: Kannst du dir vorstellen, was das für eine Verantwortung ist ein Kind groß zu ziehen? Bei dieser Frage war ich regelmäßig ausgeflippt. Ich wusste einfach nicht, ob dieser Mann anders war, als die Anderen. Was wäre, wenn er darauf keine Lust hatte? Wenn er sagt, er will sich dieser Verantwortung nicht stellen? Ich war verknallt, doch verknallt sein bedeute nicht Liebe. Ich kannte mich schließlich. Verknallen konnte ich mich schnell, doch verlieben war einfach eine ganz andere Hausnummer. Ich liebte es, dass ich bei ihm Rick war. Wie häufig hatte ich schon gehört, ich melde mich bei dir. Ich muss mir erst Gedanken machen und doch hatte sich nie einer gemeldet. Alex nicht und auch die davor nicht. „Hm…“, meinte ich nachdenklich, zwang mich wieder in die Realität und sagte ruhig, „Also so ungewöhnlich ist es nicht. Ich meine, Leihmütter und Adoptionen sind nichts Neues. Man muss sich nur vorher Gedanken machen.“ Paul nickte und als er mich fragte, ob ich mir dazu je Gedanken gemacht hatte nickte ich nur. Es war nicht gelogen. Gut, es war auch nicht die ganze Wahrheit, aber ich hatte mir damals natürlich Gedanken gemacht. Für mich war Madeline keine spontane Entscheidung gewesen. „Und Haustiere?“, fragte mich Paul, zwinkerte mir zu und ich stöhnte genervt auf. Nicht auch noch mit ihm! Ich sagte ihm sofort, dass ich mir keinen Hund anschaffen würde. Ich wollte nicht bei Wind und Wetter das Haus verlassen müssen und so eine Trethupe würde ich nicht haben wollen. Paul lachte nur und erklärte: „Auf der Farm wo ich groß wurde, hatten wir immer ein paar Tiere. Das ist gar nicht schlimm. Ich hatte mal einen Hund, der musste leider eingeschläfert werden. Krebs. Katzen sind zwar süß, ich bin aber eher der Hundetyp.“ Stirnrunzelnd nickte ich und beobachtete, wie sich Paul erneut über seine Beine strich und das Gesicht verzog. Ich blickte ihn fragend an. „Wirklich alles gut?“, wollte ich wissen. Er nickte nur und kramte aus seiner Hosentasche eine Packung Medikamente. „Gib mir mal bitte das Wasser“, bat er mich und als ich es ihm reichte, spülte er gleich zwei Tabletten hinunter. Ich kannte die Marke. Schmerztabletten. „Ich hoffe, dass du die nicht immer nehmen musst“, meinte ich und fügte hinzu, „Laut Verpackungsanweisungen sollst du die nicht über 25 Grad lagern. Und du bist eindeutig heißer als 25 Grad.“ Ich zwinkerte ihm frech zu und ich hörte ihn kurz auflachen. „Jetzt versucht du auch noch perverse Andeutungen zu machen, wenn du mich belehren willst“, erwiderte er und schmunzelte leicht. Ich schob den Rest des Essens weg von mir. Es war viel zu viel. Doch vielleicht konnte ich es heute Abend für Madeline aufwärmen. Ich könnte ein Ei drüber machen. Ihr würde es sicher schmecken. „Morgen wieder hier?“, wollte Paul wissen und lehnte sich entspannt auf der Couch zurück. Sofort stimmte ich zu. Ich wollte ihn natürlich wieder sehen! „Dann besorg ich morgen Essen“, meinte ich schmunzelnd und zufrieden nickte der athletische Mann vor mir. Wieder einmal war die Stunde viel zur kurz gewesen und als ich meinte, dass ich weiter arbeiten müsse, wirkte auch er etwas enttäuscht. „Ja, ich hab heute Abend leider keine Zeit“, meinte Paul und strich sich kurz durch die braunen Haare, „Ich bin mit meinem besten Freund verabredet. Wir gehen ins Kino und danach zum Sport.“ Ich beneidete ihn. Ich war schon länger nicht mehr im Kino gewesen. Klar, für so etwas konnte man sicherlich einen Babysitter engagieren, doch ich wollte einfach nicht, dass Madeline glaubte, ich wolle sie nicht haben. Sie musste schon so häufig auf mich verzichten. „Dann viel Spaß“, meinte ich freundlich und Paul sagte mir, dass er sich sehr auf das Treffen mit seinem besten Freunde freue. Er drückte mich als er ging und ich konnte einfach nicht widerstehen, ihn noch einmal zu küssen. Zu verführerisch waren seine Lippen einfach. Wieder trafen wir uns jeden Tag und immer noch konnte man sich wundervoll mit ihm unterhalten. Die Freude, die er in mir auslöste ließen mich meinen stressigen Alltag vergessen. Er half mir diese Tage einfacher zu überstehen. Der Film, den er sich angeschaut hatte, war lustig gewesen und auch ich schmunzelte über die Szenen, welche er mir beschrieb. Er fragte mich, ob ich gerne Komödien sah und ich bejahte. Ich sagte ihm, dass ich ein neues Hörbuch gekauft hatte. Einen Krimi von einer Reihe welche ich bis jetzt durchaus empfehlen konnte. Ich merkte immer deutlicher, wie verknallt ich war, doch ich merkte noch etwas anderes. Mit jedem Treffen merkte ich, wie Paul auch immer mehr ein Freund wurde. Ich liebte es ihn zu küssen und ich liebte es genau so sehr mit ihm zu sprechen. Fast schon fand ich es schade, dass ich am Wochenende nach Arizona musste. Es war Donnerstagabend. Morgen und am Montag hatte ich Urlaub, Paul wusste davon. Er hatte mir bereits einen guten Flug gewünscht und gefragt, ob ich Dienstag um 15 Uhr Zeit zum Lunch hätte. Er würde Montag schließlich seine neue Arbeit beginnen. Natürlich stimmte ich ihm sofort zu und drückte ihm die Daumen, dass er einen guten Einstieg haben würde. Schmunzelnd betrachtete ich das Profilbild, eher ich das Handy wieder wegsteckte. Ich freute mich zwar auf meine Eltern und meine Schwester und trotzdem wäre ich dieses Wochenende lieber hier geblieben. Das Geschenk für meine Mutter war verstaut und auch einige Spielsachen meiner Tochter waren in dem Koffer. Ich hatte einige Kleidungsstücke von mir und Madeline eingepackt und schaute überrascht auf, als es an der Tür klingelte. Es war halb acht? Wer konnte das denn sein? Langsam ging ich hinunter und öffnete die Haustür. Ich erstarrte, als ich Brian vor der Tür sah. Es war wie ein Schlag mitten in mein Gesicht. Ich hatte das eröffnete Verfahren nicht vergessen. Doch irgendwie, war es dank Paul nicht so schlimm gewesen. Benjamin hatte begonnen sich darum zu kümmern und ich glaubte am Montag würde er eine Stellungnahme verfassen. Ich hatte mich beruhigt und die Wut, die dieses Schreiben ausgelöst hatte, hinunterschlucken können. Doch alles änderte sich, als ich in diese braunen Augen sah. Diesem immer noch so gut aussehenden blonden Mann. Hinter ihm stand die blonde Frau, welche auch dabei war, als sie in meinem Büro erschienen sind. Die Wut kam mit einem Faustschlag zurück und schien lichterloh in mir zu lodern. „Was zum Teufel willst du hier?“, fuhr ich ihn wütend an und krallte meine linke Hand an der Tür fest. Eine vernünftige Begrüßung wollte nicht über meine Lippen kommen. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen, als ich den Mann vor mir betrachtete. Er hatte eine dunkle Jacke und eine helle Hose an. Wie immer war er glatt rasiert. Ich hatte es ihm damals geraten, es stand ihm besser fand ich. Er schien es bis heute auch noch so zu sehen. Die Frau hinter ihm trug einen roten Mantel und eine dunkelblaue Jeans. Eine bunte Handtasche lag um ihren Hals und baumelte an ihrer Hüfte. Warum war sie auch da? Doch etwas anderes fokussierten meine Augen. Ein großes Päckchen in den Armen des Mannes vor mir ließ mich fragen: „Was ist das?“ Unbeeindruckt blickte Brian mich an und meinte: „Dir auch einen schönen Tag. Das ist für meine Tochter. Das ist eine Puppe.“ Genervt schüttelte ich den Kopf. Das durfte einfach nicht wahr sein! Wieso musste er einfach hier auftauchen? Selbst seine Eltern wollte nichts von Madeline wissen, wieso meinte er nun das ändern zu wollen? „Du hast ihr die ganzen Jahre nichts geschenkt, das braucht sie jetzt auch nicht“, raunte ich ihm wütend zu und wollte ihm die Tür vor der Nase zuknallen. Doch schneller als erwartet hielt Brian dagegen. „Ich habe ein Recht, meine Tochter zu sehen!“, meinte er kühler als ich zugetraut hätte. Ich biss wütend die Zähne aufeinander. Mich interessierte es nicht. Kein Stückchen! Dass er nun auch noch die Tür festhielt ließ mich vor Wut erzittern. Er stocherte in dieser alten Wunde herum und riss sie einfach auf! Es interessierte ihn nicht einmal, so jedenfalls kam es mir vor. „Ganz ehrlich Brian, dich hat es jahrelang nicht gekümmert! Die ganzen Jahre war es dir vollkommen egal. Nie eine Karte zu Weihnachten, nie ein Anruf zum Geburtstag und jetzt stehst du hier und bringst unserer Leben vollkommen aus dem Gleichgewicht? Warum? Du bist doch gerade hetero, mach ein Kind mit der Frau und lass uns in Ruhe“, raunte ich zornig und drückte Brian bestimmend aus der Tür. Der einzige Grund, warum ich ihn nicht lauthals anschrie war, dass Madeline oben in ihrem Zimmer war. Ich wollte nicht, dass sie Brian kennen lernte. Ich wollte nicht, dass er ihr so wehtat, wie er mir wehgetan hatte. Wenn ich jetzt schrie hätte es sie nur dazu gebracht, hinunter zu kommen und zu schauen, was hier los sei. „Richard“, meinte Brian und ich hörte die Eindringlichkeit in seiner Stimme deutlich heraus. „Ich habe einen Fehler gemacht, trotzdem bin auch ich ihr Vater! Und ich will mich um meine Tochter kümmern! Also lass mich ihr das geben verdammt!“ Zornig verengten sich die Brauen des Mannes und er schob wütend seine schwarze Brille ein Stück höher. Doch eisern schüttelte ich den Kopf. Manche Fehler konnte man in meinen Augen nicht mit einer blöden Puppe wieder gut machen! „Vergiss es. Du willst mir das Sorgerecht wegnehmen. Ich lasse dich hier nicht rein! Ich lasse nicht zu, dass du Madeline wehtust!“ Ich war erstaunt, als er plötzlich anfing zu brüllen, doch ich zuckte nicht zusammen. Was ihn so aus der Ruhe brachte verstand ich nicht. „Du hast sie nie gewollt! Hätte ich dich damals nicht überredet, gäbe es sie nie!“ Gehässig begann ich zu grinsen. Ja, ich war ehrlich, ich fand es klasse, dass ich die Karte die ich auf der Hand hatte gegen ihn ausspielen konnte. Ich liebte dieses Machtgefühl, welches ich über ihn hatte. Ich ließ mich von diesem Mann nicht beeindrucken. Nein, der Zug war längst abgefahren. Vielleicht war er auch sauer, weil ich im Recht war. „Und? Mir egal, was damals wie abgelaufen ist. Wie haben wir es alle im Kindergarten gelernt. Weggegangen, Platz vergangen! Oder in deinem Fall einfach, Pech gehabt. Und tu nicht so, als hätte ich mich damals nicht gefreut! Ich wollte Kinder, ich fand es nur damals einfach noch zu früh“, verteidigte ich mich, denn ich wollte mir von ihm so etwas einfach nicht sagen lassen! Ich wollte mir von niemanden vorwerfen lassen, ich hätte mein Kind nicht gewollt. Ja ich war ein Karrieremensch, doch eine Familie, dagegen hatte ich nie etwas! Und ich hatte mich in den letzten Jahren durchaus bewiesen. Bewiesen als Vater! Ich hatte meine beruflichen Wünsche hinter die meines Kindes gestellt und alles versucht, um uns ein angenehmes und schönes Leben zu ermöglichen! Ich war sicher nicht mehr der Mensch, den Brian vor vier Jahren verlassen hatte. Ich verwies ihn erneut des Hauses als ich plötzlich hinter mir etwas hörte. „Dad“, hörte ich von oben Madelines piepsige Kinderstimme und verzweifelt schloss ich kurz die Augen. „Verschwindet beide“, meinte ich dann noch. Aber bevor ich Brian zur Tür schubsen konnte rief er: „Madeline. Dein Vater will mich nicht reinlassen, aber ich will dich so gerne sehen!“ Erschrocken starrte ich ihn an. Das konnte und das durfte nicht sein Ernst sein! Das hatte er gerade nicht wirklich gesagt! „Verpiss dich!“, forderte ich ihn wütend auf. Die Wut leckte an meinen Nerven und es war nicht nur Wut. Es war auch Hass. Ich hasste diesen Menschen, den ich so sehr geliebt hatte, einfach. Ich könnte ihm niemals verzeihen, nicht wenn er sich so hier einmischte! Nicht, wenn er mich so einfach überging. Ich hörte, wie Madeline unsicher die Treppe hinunterkam. Sie war neugierig, dass wusste ich und ich wollte ihr keine Angst machen, indem ich sie wieder nach oben schickte. Ich wusste einfach nicht, was in diesem Augenblick das Richtige war! Doch sie gehörte hier nicht hin! Das war ein Streit unter uns beiden. Sie brauchte nicht der Puffer sein! „Madeline, das ist ein Erwachsenengespräch“, meinte ich noch, doch ich spürte schon ihre Hände an meiner Hose. Brians Augen weiteten sich und es schien, als habe er gerade nur noch Augen für das eingeschüchterte Kind hinter mir. Ich merkte, wie sie sich an mir festhielt. Auch die Frau blickte neugierig zu meiner Tochter. Sie starrten das Kind an, als sei es eine Zirkusattraktion. Wieso diese Frau immer mitkam wusste ich nicht, noch verstand ich, was Brian von ihr wollte! Doch das musste ich auch nicht und als ich merkte wie Brian wieder versuchte mein Haus zu betreten, schubste ich ihn weg. Weg von mir und weg von meiner Tochter. „Ich will nicht, dass du mein Haus betrittst!“ Wütend und voller Zorn war Brians Stimme als er mich anfuhr: „Ich habe hier auch gewohnt und Madeline ist auch ein Teil meines Leben. Ich bin dein Vater Madeline und ich wette, dein Vater hat nur ganz schlimme Dinge über mich gesagt! Aber wenn du erstmal wieder bei mir und deiner neuen Mutter wohnst, wirst d-.“ Ich ließ ihn nicht weiter sprechen. Es war, als würde ein Vulkan ausbrechen und ich vergaß mich, als ich ihn anschrie: „Raus hier! Madeline wird nicht bei dir wohnen, noch wird diese blöde Schlampe ihre Mutter spielen.“ Ich hätte weiter gebrüllt, doch ich spürte an meinem Bein, wie mein Kind erschrocken, vermutlich auch ziemlich verängstig zusammenzuckte. Sie erinnerte mich wieder daran, dass sie da war. So schrecklich es war, dass sie das mitbekam, so dankbar war ich ihr auch. Hätte sie mich nicht daran erinnert, dass sie da war, hätte ich Brian vielleicht die Nase gebrochen. Ich schluckte alles, was ich ihm noch entgegen brüllen wollte hinunter und meinte: „Wenn du nicht freiwillig gehst, rufe ich die Polizei. Verschwinde“, forderte ich ihn auf und zwang mich ruhiger zu sprechen und was dies für eine Überwindung war, konnte ich kaum in Worte fassen. Bestürzt sahen Brian und seine Freundin zu mir und Brian nickte langsam und sah zu Madeline. War ich wirklich so laut gewesen? Ich spürte, dass Madeline ihr Gesicht an meinen Oberschenkel drückte. Ich legte ihr beruhigend eine Hand auf die Haare und als ich sie endlich anblickte sah ich, dass sie erschrocken zu mir auf sah. Ja, so hatte sie mich noch nie schreien gehört. „Du machst ihr Angst“, meinte Brian und als sich unsere Blicke trafen musste ich mich erneut dazu zwingen, ruhig zu bleiben. „Raus hier. Wenn du hier noch mal hinkommst, werde ich eine einstweilige Anordnung erwirken lassen“, zischte ich ihm zu. Ich wusste, dass ich damit sicher keinen Erfolg haben würde, doch es war mir in diesem Augenblick vollkommen egal! Wir blickten einander in die Augen. Brian hatte die Lippen fest aufeinander gepresst und ich sah, wie die blonde Frau nach seinem Arm griff. „Lass uns gehen. Denk wenigstens du an das Kind. Die Kleine hat Angst.“ Denk wenigstens du an das Kind?! War sie wirklich so blond? Hatte sie nicht verstanden, dass Brian es war, der uns verlassen hatte? Das es Brian war, der sein Kind im Stich gelassen hatte? Da hatte er nicht an seine Tochter gedacht! „Ja, Hannah. Du hast Recht. Madeline, hier ist ein Geschenk für dich und wenn du bei mir bist, dann kriegst du davon noch ganz viel“, meinte er und stellte diese beschissene Schachtel auf den Boden. Ich blickte hinab zu meiner Tochter und sie war wie erstarrt. Blickte starr den Mann vor ihr an. Ich ertrug es nicht mehr sie so zu sehen und hob sie hoch. Drückte sie an meine Brust und strich ihr beruhigend über den Rücken. Brians und mein Blicke trafen sich und wir starrten einander einfach an. Was hatte ich je an diesem Menschen geliebt? Ich beobachtete, wie seine Freundin ihn an der Hand griff und mit sich zog. War ich ihr dankbar, dass sie ihn wegbrachte? Keine Ahnung. Ich blickte auf das Paket hinunter und schob es einfach ins Haus und schloss die Tür hinter mir zu. Madeline weinte nicht, doch sie klammerte sich an meinem Hals fest und nach einem Augenblick ging ich mit ihr ins Wohnzimmer. Selten hatte sie sich so an mich geklammert. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und so drückte ich sie einfach an mich und streichelte ihr sanft über den Rücken. Es dauerte eine Weile, bis sie sich aus der Starre löste. Ihr kleiner Körper erzitterte und ich drückte sie fester an mich. „Wer war das?“, fragte sie ängstlich und ich seufzte schwer auf. Ihre grünen Augen waren vor Schreck oder Angst geweitet und blickten mich verständnislos an. Es war schlimm, mein Kind in diesem Zustand zu sehen. Ich biss mir auf die Lippen und stand, mit ihr auf den Arm, auf. Sie hätte mich vermutlich eh nicht los gelassen. Ich öffnete die Schublade einer Kommode und fand schnell wonach ich suchte. Es war ein Bild von einem Fotografen. Wir hatten es machen lassen, nachdem Madeline auf der Welt war. Es war ein klassisches Bild. Es zeigte Brian und mich. Er hatte das Baby im Arm und wir grinsten beide nach oben in die Kamera. Madeline selbst schlummerte friedlich in Brians Armen. Kurz betrachtete ich die Aufnahme. Die Aufnahme aus glücklichen Tagen, als ich nie davon ausging, dass sich etwas ändern würde. Als ich nie damit gerechnet hatte, diesem Mann mit Hass zu begegnen. Wieder setzten wir uns auf die Couch und ich schob Maddy neben mich. Als ich ihr in die Augen blickte sah ich Tränen in ihnen schimmern. Sanft wischte ich sie weg und fragte: „Warum weinst du, Mäuschen?“ Sie stammelte etwas, was ich nicht verstand und als ich sie aufforderte, noch einmal zu sagen, was sie belastete, sagte sie mit brüchiger Stimme: „Ich will nicht weg. Muss ich zu dem fremden Mann?“ Energisch schüttelte ich den Kopf und nahm meine Tochter erneut beruhigend in den Arm und wog sie sanft hin und her. Wie sehr ich Brian für seine Worte gerade hasste! Konnte er sich nicht denken, dass er Madeline so Angst machte? „Nein mein Schatz. Wir bleiben immer zusammen. Wir sind doch ein Team. Niemand wird dich dazu zwingen, okay? Hier ist dein Zuhause“, meinte ich mit sanfter und liebevoller Stimme und unschlüssig schien sie zu nicken. Erneut strich ich ihr sanft über die Wange und gab ihr einen lieben Kuss auf die Wange. Ich wollte sie so nicht sehen. So verunsichert und verängstigt. „Madeline, wirklich. Du musst nirgendwohin, wo du nicht hinmöchtest. Ich beschützte dich, dass weißt du“, redete ich weiter auf sie ein und wog sie erneut hin und her. Sie nickte nur und gerade wünschte ich mir, ihre Gedanken lesen zu können. Ihr Kopf ruhte an meiner Schulter und sie blickte starr auf den Wohnzimmertisch. Dort, wo ich das alte Bild angelegt hatte. „War das der Dad der gegangen war?“, wollte sie leise wissen und ich nickte nur. Natürlich hatte ich ihr gesagt, dass wir früher zu dritt waren. Doch das wir, anders als ihre Freunde, keine Mum hatten. Sie wusste, dass es Brian gab. Ich hatte ihr auch, wenn sie gefragt hatte, ein paar Bilder von ihm gezeigt. Warum er uns allerdings verlassen hatte, hatte ich ihr nie gesagt. Sie brauchte das nicht zu wissen, wenn es nach mir ging. Ich hatte zu große Angst, dass sie sich noch die Schuld an dieser so verzwickten Situation gab. Und sie hatte einfach keine Schuld an irgendetwas. „Ja, das war er“, meinte ich und zeigte ihr das Bild. Ich deutete auf Brian und erklärte: „Das- das ist Brian. Dein... Ja das ist Brian“ Ich war sprachlos, denn ich wusste nicht, wie ich ihn vor ihr nennen sollte. Brian? Dad? Papa Brian? Was war richtig und was verunsicherte sie noch mehr? „Brian“, wiederholte sie und betrachtete das Foto ganz genau. Sie wusste, dass sie eine Leihmutter hatte. Damals, als ich das erste Mal beim Jugendamt war, hatte ich gefragt, wie ich es meiner Tochter erklären sollte. Ich hatte ein Kinderbuch besorgt. Sie wusste, dass es eine Frau gab, die uns geholfen hatte sie zu bekommen. Ich wollte damit von Anfang an offen umgehen. Nur so, war es für sie normal. Und je älter sie wird, desto einfacher versteht sie es. „Wieso sagt er, dass ich bei ihm wohnen soll?“, wollte sie wissen und erneut klammerte sich ihre Hand an meinem Shirt fest. Ich atmete schwer durch. Ich wollte nicht noch mehr Beleidigungen vor ihr aussprechen und so zwang ich mich zu einer freundlichen Erklärung. „Er hat dich wohl vermisst und ist nun so froh gewesen, dass er nicht darüber nachgedacht hat, dass du gerne hier wohnst“, zwang ich mich zu sagen und als Madeline meinte, dass ich lügen würde, hatte sie nur bedingt unrecht. „Nein Madeline“, sagte ich und wiederholte das von mir gesagte. Sie nickte und erneut blickte sie auf das Gesicht ihres anderen Vaters. Sie sah zu mir und fragte mich: „Du willst auch, dass ich hier bin, oder?“ Ich nickte sofort und nahm sie erneut in den Arm. „Natürlich. Wir beide gehören zusammen.“ Ich hielt ihr meine Handfläche hin und sie schlug leicht lächelnd mit ihrer Hand auf meine ein. „Okay“, sagte sie und immer noch wirkte meine Tochter komisch. Immer wieder krallten sich ihre Hände in mein Oberteil und sie drückte ihren Kopf an meine Brust. Ja, sie hatte wirklich Angst. Ich schwieg und streichelte ihr einfach sanft über den Rücken und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. „Dann muss du Brian das sagen. Dass ich hier wohne“, meinte sie nach einem Augenblick und ich schmunzelte leicht. „Oh ja, Maddy, das werde ich machen“, meinte ich und hart wurde mein Blick, als ich zur Wand sah. Und wie ich ihm deutlich machen würde, dass du hier wohnst, dachte ich still und streichelte ihr durch die längeren braunen Haare. „Darf ich das Geschenk eigentlich haben?“, wollte sie wissen und schweren Herzens nickte ich. Doch anders als ich dachte, sprang sie nicht gleich auf. Weiterhin saß sie bei mir und schien sich nicht wegbewegen zu wollen. Sie beruhigte mich und meine Wut auf ihren Vater ließ langsam aber sicher nach. Madeline brauchte mich gerade als emphatischen und liebevollen Vater. „Wieso hat er gesagt, ich bekomme eine Mama, wenn ich bei ihm wohne?“, wollte sie wissen und erneut schluckte ich die sarkastische Antwort hinunter. „Ich weiß es nicht. Er hat sich wohl in eine Frau verliebt. Und das war dumm, was er gesagt hat. Wie ich dir auch oft sage, erst denken dann sprechen“, meinte ich harscher, als vielleicht gut war. Doch es schien Madeline nicht zu verunsichern. Sie nickte nur und meinte mit ihrer hohen Stimme: „Ja, ich brauch keine Mama.“ Ich schmunzelte leicht, als sie das sagte und strich ihr erneut durch die weichen Haare. Ich hoffe, dass sie dies auch noch sagte, wenn sie in der Pubertät steckte. „So lange er glücklich ist, soll er eine Frau haben“, sagte ich und lächelte sie liebevoll an. „Vielleicht verliebe ich mich ja auch in einen neuen Mann. Hm? Wie fändest du das?“, wollte ich wissen und stupste sie freundlich an. „Ich finde das doof“, sagte sie plötzlich und ich erstarrte. Was? Seit wann sagte sie das? Doch noch bevor ich fragen konnte, erhielt ich eine Erklärung von ihr. „Ich will dich nicht teilen. Außer der Mann hat einen Hund. Dann ist er okay.“ Ich war froh, dass wir endlich über etwas anderes redeten. Ich schmunzelte und fröhlich lachte ich leise, als ich meinte, dass ich mal schaue, ob ich jemanden mit einem Hund kennen lernte. Ich schmunzelte leicht und schwieg. Ich streichelte ihr durch die Haare und erneut schwieg meine Tochter. „Madeline?“, fragte ich sie und als ihre grünen Augen in die Meinen blickten, fragte ich sie mit sanfter Stimme, „Ist jetzt wieder alles okay?“ Sie nickte leicht und trotzdem wollte sie nicht hinunter von meinem Arm. Es dauerte, bis ich sie wieder ganz normal war. Und erst sehr spät brachte ich sie an diesem Abend zu Bett. Sie wollte unbedingt bei mir im Bett schlafen und nach einigem hin und her legte ich sie mit Bolt in mein Bett. Ich versprach ihr zu warten, bis sie eingeschlafen war. Länger als sonst dauerte es, bis meine Tochter endlich zur Ruhe fand. Ich wollte mit jemanden sprechen und als bei Phil niemand abnahm blickte ich unschlüssig auf Pauls Nummer. Es waren erst zwei Wochen die wir einander kannten und trotzdem hatte ich ihn so viel häufiger gesehen, als alle anderen Typen davor. Ich mochte ihn, ich war verknallt in ihn, er war aber auch ein Freund und ich musste mit jemanden sprechen! Und ich musste endlich ehrlich zu ihm sein! Ich nahm mein Handy aus der Tasche und wählte seine Nummer. Schon nach wenigen Augenblicken nahm er ab und noch bevor er irgendetwas sagen konnte, bat ich leise: „Paul, kannst du vorbeikommen? Bitte? Ich muss mit dir sprechen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)