Was die Hitze des Sommers nicht alles bewirken kann... von Mondsicheldrache (The Vessel and the Fallen 1) ================================================================================ Kapitel 19: Nähe ----------------   *~*     * Flackernder Kerzenschein erhellte das nächtliche Zimmer. Hakuren hatte schließlich ein Licht entzündet, um Koumei am Einschlafen zu hindern. Immerhin verlockte dieses weiche Himmelbett regelrecht dazu. Die flauschige Decke sah, mit ihren edlen Blumenornamenten und den Vögeln darauf, wirklich betörend aus. Und diese herrlichen Kissen erst. Allerdings war der Ältere vorsichtshalber noch einmal aufgestanden, um die Tür zu verriegeln. Der junge Kouha kam scheinbar des Öfteren vorbei, um sich eine Gutenachtgeschichte vorlesen zu lassen, dabei war er eigentlich fast zu alt dafür. In jedem Fall war es besser, wenn die Tür verschlossen blieb. Nicht, dass noch ungebetener Besuch hereinplatzte. Einige Zeit lang verbrachten sie in einträchtigem Schweigen und blickten einander belustigt an: Hakuren, weil sein Vetter einfach zu verschlafen und seiner Meinung nach einfach herrlich aussah und Koumei, weil der Cousin schon wieder auf seine Täuschungen hereingefallen war. Der Rothaarige betrachtete die gefällige Gestalt des anderen, wohlwissend, dass er selber auf die gleiche intensive Weise gemustert wurde. Schaute fasziniert in die aufgeweckten blauen Augen und das fröhliche Gesicht. Wie man zu dieser Zeit noch so wach sein und zugleich so gut aussehen konnte, erstaunte ihn. Plötzlich klopfte Hakuren nachdenklich seine Gewänder ab. „Mist, ich hatte doch irgendwo noch was für dich, hab es ganz vergessen…“, überlegte er und zupfte überall an seinen Roben. Nach einigem Herumgesuche zog er endlich ein zerknicktes Blumenbündel aus seinem Kragen. „Oh… tut mir Leid. Es ist ganz zerquetscht, dabei habe ich es doch extra für dich gepflückt“, sagte er bedauernd. Koumei musste lächeln. Die roten Blüten einer unbekannten Blume, vielleicht Hibiskus, sowie die darum herum drapierten Ahornästchen mit roten Blättern und die kleinen Schilfgraswedel boten in der Tat einen bedauernswerten Anblick. Genaugenommen passten die beiden Rottöne ohnehin schon nicht zusammen, kein Wunder, wenn Hakuren sich selbst darum gekümmert hatte. Wie kam er nur auf die Idee, Pflanzen unter seiner Kleidung zu transportieren, stachen die spitzen Zweige nicht? Aber der Jüngere fand es trotzdem sehr aufmerksam von ihm. „Es ist doch nicht schlimm, Ren. Die Geste gefällt mir“, beteuerte er erfreut. Der Prinz strahlte erleichtert und legte das zerfledderte Sträußchen, welches wohl nicht mehr zu retten war, auf den Nachttisch. Wieder lagen sie schweigend da und starrten sich herausfordernd an. Keiner wollte der erste sein, der schwach wurde, es ähnelte einem kindischen Spiel, wer länger ohne zu lachen den Blick des anderen erwidern konnte, nur ohne Grimassen ziehen und keiner von beiden lächelte auch nur ansatzweise. Koumei seufzte entnervt. Schließlich konnte er sich nicht länger zusammenreißen und kroch zu Hakuren hinüber. Krabbelte scheinbar auf äußerst erheiternde Weise über ihn und ließ sich auf seinen Bauch fallen. Das Bett knarzte bedrohlich, woraufhin der Schwarzhaarige hörbar die Luft ausstieß und gespielt nach Luft schnappte. „Du bist ganz schön schwer! Kein Wunder nach dem heutigen Festmahl. Iss lieber nicht so viel, sonst wirst du noch fett wie ein alter Mann.“ Auf diese scherzhafte Neckerei folgte keinerlei Reaktion. Hakurens Verwirrung war ihm anzusehen. „Warum findest du mich eigentlich so interessant?“, fragte Koumei unverblümt, als hätte er die spaßige Beleidigung nie gehört. Hakuren hielt kurz inne, dann lachte er liebevoll. „Weil du der schlauste Mensch bist, den ich kenne.“ Koumei runzelte skeptisch die Stirn. „Letztes Mal hast du noch etwas anderes gesagt. Ich bin nicht schlau. Ich habe keine Ahnung von irgendetwas, außer von Büchern und Tauben. Du hingegen bist bewundernswert tapfer und folgst deinem Vater und deinem Bruder auf die Schlachtfelder, wo du nur kannst. Ich kann nicht mal ein Schwert schwingen.“ Hakuren schüttelte den Kopf. „Es mag sein, dass ich ein recht guter Kämpfer bin, aber in den Krieg zu ziehen ist nichts, worauf man stolz sein sollte. Wenn ich nicht fest daran glauben würde, dass die Armee meines Vaters für eine gerechte Sache kämpft und er die Welt auf diese Weise verbessern will, würde ich ihm nicht folgen. Versprich mir eins, Koumei: Du darfst nie in die Schlacht ziehen. Es ist furchtbar, wir alle träumen nachts von dem ganzen Blut, Leid und Tod. Schlimm genug, dass Kouen unwiderruflich mit darin verwickelt ist. Dabei ist es richtig, diesen Krieg zu führen, uns bleibt nichts anderes übrig. Aber du… dir darf das auf keinen Fall ebenfalls passieren. Du bist viel zu gutherzig für den Krieg. Du würdest ein Gefecht nicht überstehen und das könnte ich nicht ertragen, weil ich für immer mir die Schuld dafür geben würde“, erklärte er ernsthaft. Schweigen. Koumei fand es schön, dass sich Hakuren so sehr um sein Wohlergehen kümmerte, doch selbst das konnte ihn nicht aufheitern. Er hatte das Gefühl, wertlos zu sein. Vielleicht, weil sein Vater heute Nachmittag so grob mit ihm umgesprungen war. Irgendetwas an diesem Tag hatte ihm jegliches Selbstbewusstsein ausgesogen und nun fühlte er sich wirklich seltsam. Offenbar trieb ihn das zu ebenso merkwürdigem Benehmen, wie sein vorgetäuschter Vergiftungsanfall bestätigte. Er murmelte leise: „Keine Sorge, das werde ich ohnehin nie schaffen. Es ist mir viel zu anstrengend. Ich bin einfach zu nichts nütze…“ Der Kaiserssohn schnaubte vor Lachen: „Ja ja, Mei. Rede dir das nur ein. Oder willst du etwa, dass ich dir ellenlang vorbete, was für ein großartiger Mensch du bist? Aber es beruhigt mich ungemein, dass du so friedliebend bist, so kann ich dich nicht so einfach auf dem Schlachtfeld verlieren.“ „Nein, ich meine das ernst. Ich kann nichts! Außerdem finde ich es seltsam, dass du jedes Mal andere Gründe aufzählst, warum du mich magst“, protestierte der Jüngere eingeschnappt. Hakuren konnte so schrecklich oberflächlich sein. „Ich weiß, es gibt einfach zu viel, was ich an dir sehr mag. Oh doch du kannst viel, du bist intelligent, listig, manipulativ und dabei doch immer zurückhaltend, was eine Kunst für sich darstellt. Wenn mein Vater dich bereits seit Kindertagen zu sich ruft und dich an seinen Forschungen teilhaben lässt, muss da etwas dran sein! Und du verabscheust Gewalt. Zumindest unnötige. Bestimmt wirst du ein hohes Alter erreichen, so ruhig und friedlich wie du bist. Soll ich noch mehr erwähnen?“, fragte Hakuren begeistert und funkelte ihn neckisch an. Koumei fühlte sich hingegen ernüchtert. Wie konnte man nur solch gute Laune haben? Jetzt, nach diesem Tag? Musste man dafür einfach endlos optimistisch oder schlicht und ergreifend strohdumm sein? Und wie konnte man derartigen Quatsch aussprechen? „Das meiste klingt nicht sonderlich positiv“, bemängelte er. Hakuren rang die Hände. „Mei! Natürlich ist das positiv! Du könntest mit diesen Eigenschaften einmal ein sehr guter Kaiser werden. Deine Untertanen würden freudig zu dir aufschauen und du könntest lange regieren, da du nicht in einer sinnlosen Schlacht fallen würdest.“ Nie im Leben. Diese haltlosen Lobpreisungen. Das traurige war, dass Hakuren diese furchtbaren Worte mit vollem Ernst aussprach. Diese Seite hasste Koumei an ihm. So kindisch, dabei war Hakuren drei Jahre älter als er. So ein naiver Trottel. Der Rothaarige murmelte verunsichert: „Ich werde nie Kaiser. Vor mir kommen dein Bruder Hakuyuu, du, Hakuryuu, vielleicht sogar noch Hakuei, mein Vater, Kouen und dann erst ich. Das hieße, dass ihr alle sterben müsstet bevor ich es tue. Und das ist mehr als unwahrscheinlich.“  Sein Cousin zögerte kurz und rieb sich nachdenklich das Kinn. „Na ja… es könnte trotzdem passieren. Wer weiß, was die Zukunft noch für dich bereithält. Sicher eine große Aufgabe, so schlau wie du bist.“ Koumei zitterte schon bei dem bloßen Gedanken daran. Kalte Furcht erfasste ihn. Er protestierte verstört: „Das will ich aber nicht! Ihr sollt nicht sterben! Du darfst nicht sterben. Besonders du nicht, hörst du?“ Der Schwarzhaarige nickte verständnisvoll. Dann blickte er ihm tief in die Augen. „Natürlich möchtest du das nicht. Aber manchmal können wir das Schicksal eben nicht vorausahnen. Wer weiß, vielleicht überlassen wir dir ja einfach den Vortritt? Ach übrigens, was ich letztens zu deinem Aussehen gesagt habe, ich finde dich immer noch wunderschön.“ Koumei verschränkte unwillig die Arme vor der Brust. So ein erbärmliches Ablenkungsmanöver! Hakuren wusste doch, dass er das abgrundtief hasste. „Ich bin nicht schön, bist du eigentlich blind? Sag so etwas nicht mehr, es ist eine einzige Lüge!“, brauste er ungewohnt heftig auf. Der andere hatte seine Freude daran, ihn aus der Reserve zu locken. Koumei so empört zu sehen, kam einem kleinen Wunder gleich. „Oho, nur weil da jemand nicht in den Spiegel schaut und das Selbstwertgefühl einer Maus besitzt. Oder habt ihr keine Spiegel? Glaub mir, was ich sage stimmt, ich muss es wissen, wenn ich dich jeden Tag anschauen darf. Besonders dein Haar ist noch schöner als von deinen Geschwistern. Es lodert wie ein Sonnenuntergang.“ Koumei verzog angewidert das Gesicht. Schmeicheleien waren jämmerlich, lächerlich und schrecklich unwahr. Sein Haar mochte keine übermäßig hässliche Farbe besitzen, jedoch konnte er diesen ungepflegten Zotteln rein gar nichts abgewinnen. Mit diesem Haarnest auf dem Kopf wirkte er manchmal regelrecht beängstigend, wie ein Dämon, was sollte daran schön sein? Irgendwie freute ihn dieses Kompliment allerdings doch. „Wie kannst du so etwas sagen… ohne rot zu werden oder zu lachen?“, nuschelte er in seine Zotteln hinein und errötete selber. Der Ältere erwiderte hartnäckig: „Weil ich es ernst meine?“ Es war hoffnungslos. Koumei ging nicht länger auf Hakuren ein, sondern stützte seine Hände auf dessen Brust ab. Diese sinnlose Diskussion! Dieser dumme Kerl würde niemals zugeben, dass seine Äußerungen grauenerregend falsch waren. „Willst du mich jetzt aus Wut ersticken, Mei?“, neckte er.  „Vielleicht…“, entgegnete Koumei leise. Heute hatte Hakuren es möglicherweise sogar verdient. Er führte sich auf wie ein Irrer. „Das kann ich nicht zulassen!“, beschloss der Prinz plötzlich. Eine kräftige Hand drückte den Kleineren zur Seite und eine andere umschloss fest sein Handgelenk. Ehe Koumei blinzeln konnte, rutschte er von ihm herunter und fand sich dicht an Hakuren geschmiegt wieder. Gemütlich. Sofort umhüllte ihn der Geruch nach Leder und Heidelbeeren. Es würde ihn nicht wundern, wenn er im Garten eben unauffällig ein paar von den wild wachsenden Sträuchern genascht hätte. Ein Arm schlang sich um seinen Rücken und zog ihn noch näher, bis er sich kaum noch bewegen konnte. Dafür spürte er Hakurens stetigen Herzschlag durch ihre schweren Gewänder hindurch. Dieses wunderbare Gefühl… Wenn ihm diese Nähe nicht das Atmen erschweren würde, hätte er nichts dagegen gehabt, die ganze Nacht so zu verbringen und sogleich einzuschlafen. Wieder gähnte er und vergrub sein Gesicht an Hakurens Brust. Sein vertrauter Duft umfing ihn mit aller Macht. Ließ ihn versonnen blinzeln. Er fühlte sich angenehm sicher und geborgen.   Irgendwann begann Hakuren, sanft über seinen Rücken zu streichen. Koumei seufzte behaglich. Unverzüglich richteten sich die winzigen Härchen an seinem Körper auf. Noch immer hatte er sich nicht vollends an solche Zärtlichkeiten gewöhnt, auch wenn er sie genoss. Verträumt schloss er die Augen und spürte einzig und allein den liebevollen Berührungen nach. Hakurens Hände in seinem Haar, an seinem Hals, seiner Wange, seinen Lippen. Jeder Kontakt mit seiner bloßen Haut verstärkte seine Gänsehaut. Koumei versuchte seine Arme zu befreien, aber der andere hielt sie immer noch fest. Als der Rothaarige sich jedoch mehr und mehr dagegen sträubte, gab er sie endlich frei. Koumei spürte mit einem Mal einen seltsamen Groll in sich aufsteigen. Gegen seine boshafte Tante Gyokuen, weil sie seinen geliebten Hakuren zu sich gerufen hatte und gegen seinen dummen Cousin, weil er ohne Widerspruch gehorcht hatte und ihn allzu bald verlassen würde. Dabei gehörte er doch ihm! Ohne ihn konnte er sich ein Leben nicht mehr vorstellen. Unsanft umschlang er Hakurens Nacken und zog seinen Kopf zu sich hinunter, in einen begehrlichen Kuss. Seine Augen loderten seltsam zornig, als sich ihre Lippen vereinten und für einander öffneten. Gieriger als sonst, fast ein Kampf. Hakuren wirkte überrascht von Koumeis plötzlicher Initiative, schien allerdings nicht bereit, ihm die Führung zu überlassen. Seine Hände packten ihn beinahe grob und hielten ihn unerbittlich fest. Auch er war wegen dem, was ihm bald bevorstehen würde, frustriert. Er benimmt sich, wie ein kleines Kind, das immer gewinnen muss! Der Rothaarige hingegen wirkte regelrecht verbittert. Brach den Kuss und schnappte wütend nach Hakuren. Zornig trat er nach ihm, aber der andere keilte ihn als Antwort lediglich unter sich ein. Verdammt! Gegen dieses Gewicht konnte Koumei nichts ausrichten. Knurrend grub er seine Fingernägel in den Rücken des Schwarzhaarigen. „Du willst es heute aber wissen! Willst du kämpfen?“, grinste dieser verdorben. Koumei wollte etwas Beleidigendes entgegnen, aber er brachte kein Wort heraus. Diese Nähe war mehr, als er ertragen konnte. Hitze schoss durch seine Adern und ließ ihn erbeben, als er grollend vor Verzweiflung nach Luft schnappte. „Mei, alles in Ordnung?“, fragte Hakuren erstaunt und rollte von ihm herunter. Ja so einen Ausbruch war er von dem einst so schüchternen, kleinen Jungen, der sein bester Freund gewesen war, nicht gewohnt. Noch immer gab es Dinge, die sie aneinander entdecken mussten. Ihr keuchender Atem schien in dem düsteren Raum widerzuhallen. „Ren…“, flüsterte Koumei kleinlaut, weil er sich bereits für diesen unkontrollierten Ausbruch schämte, „…es tut mir Leid…“ Doch dieser schnaubte nur wegwerfend: „Das muss es doch nicht!“ Koumei nahm dies argwöhnisch zur Kenntnis, entspannte sich jedoch wieder. Es war falsch, Hakuren die Schuld für ihre baldige Trennung zu geben, redete er sich ein, auch wenn es nicht gelingen wollte. Er sollte nicht so überreagieren, sicherlich würden sie sich auch nach der Heirat noch oft genug zu Gesicht bekommen, versuchte er sich selbst zu beruhigen. Allerdings war er sich nicht sicher, ob sein Aufbegehren Hakuren nicht ziemlich gefallen hatte, so wie er gegrinst hatte. Egal, er musste diese Verbitterung hinunterschlucken, der Prinz hatte sie nicht verdient. Entschuldigend schmiegte er sich wieder an ihn und ließ zu, dass der andere ihm die störenden Armbänder abnahm, bevor er sie auf den Nachttisch neben die flackernde Kerze legte. Die klappernden Perlen und klirrenden Anhänger erleichterten ihn. Ein gutes Gefühl, ihr Gewicht los zu sein. Eine regelrechte Befreiung. Vertrauensvoll strich er mit den Fingerspitzen über Hakurens Wangen und spielte mit dem Muttermal an seinem Kinn, bis der andere dies unterband. „Pass auf, das ist empfindlich, es kann schnell anfangen zu bluten wie ein geschlachtetes Schwein und das möchtest du jetzt nicht sehen“, begründete er seine Handlung lachend. Koumei gehorchte natürlich, schließlich wollte er ihm keine Schmerzen bereiten; zumindest jetzt nicht mehr. Stattdessen tat Hakuren nun dasselbe mit seinem Gesicht. Er küsste seine narbigen Wangen und zum ersten Mal empfand er die Furchen in seiner Haut nicht als unansehnlich. Der Jüngere genoss diese angenehme Zuwendung, musste er selbst doch nichts weiter tun, als sich zu entspannen, was genau nach seinem Geschmack war. Gähnend schob er die Füße unter die warme Decke und starrte an den mit Schnitzereien verzierten Himmel des Bettes. Auf einmal machten sich Hakurens Finger an seinem breiten Gürtel zu schaffen. Erschrocken zuckte Koumei zurück. Was hatte er vor? Die blau glänzenden Stoffbänder glitten schneller auseinander, als erwartet. „Hakuren?“, fragte er warnend.  „Du willst doch nicht in diesen teuren Kleidern schlafen, Mei? Seide ist empfindlich!“, tadelte der Prinz und brachte ihn mit einem süßen Kuss zum Schweigen. Koumei spürte, wie seine Gewänder schlagartig verrutschten und seinen Oberkörper entblößten, sobald sie nichts mehr zusammenhielt. Eigentlich schlief er immer in Seidenstoffen, meist in seinen gewöhnlichen Anziehsachen, weil er zu faul zum Umziehen war. Aber wenn Hakuren das missfiel… Jedenfalls fuhren dessen Hände bereits unter die losen Gewänder und hinterließen brennende Spuren auf seiner Haut. Berührten seine Schultern, seine Brust, den Bauch. Bestimmt und ruhig. Natürlich, der ach so rechtschaffene Prinz wollte nur die kostbaren Seidengewänder vor Schaden schützen. Koumei fiel nicht darauf hinein. Wenn dieser Idiot etwas wollte, konnte er plötzlich überaus charmant und listig werden. Trotzdem ließ er sich die Berührungen gefallen. Er mochte sie, auch wenn sie ihn hier ein wenig verunsicherten. Obwohl er dieses Gefühl bereits kannte, war es merkwürdigerweise etwas völlig anderes, es hier in seinen Gemächern zu erleben, als im Schatten der Brombeerbüsche. Scheinbar weniger riskant und viel intensiver. Auch wenn ersteres ein gefährlicher Trugschluss war. Jeder Zeit konnte jemand an der Tür lauschen und sie reden hören, was sicherlich Grund zur Sorge bot. Hakuren schob den schweren Stoff zurück, zog ihn an Koumeis Schultern beiseite, küsste die dünne Haut und streifte ihn von seinen blassen Armen. Seine Hände glitten tiefer, drehten ihn auf den Rücken. Koumei schloss die Augen. Es fühlte sich so gut an. Warme Lippen berührten seinen Bauch. Bedeckten ihn mit zahllosen Küssen und ließen ihm ein unterschwelliges Stöhnen entweichen. Er konnte Hakurens Zähne spüren, die ab und an leicht an seiner Haut zupften und ein anregendes Kribbeln verursachten. Die Hitze in seinem Körper verstärkte sich blitzartig. Er riss die Augen auf, packte den Ärmel des anderen und vergrub die Finger krampfhaft darin. Hakuren stieß einen seltsamen Laut aus, halb Schnurren, halb Lachen, fuhr aber fort. Sein Blick trug etwas Zärtliches und zugleich Schalkhaftes in sich. Wie immer seltsam übermütig, obwohl er doch bereits lange erwachsen war, anscheinend verzögerte sich dieser Prozess bei ihm noch ziemlich. Wenngleich dieser funkelnde Blick bei Hakuren immer unüberlegte Taten ankündigte, entspannte sich Koumei nach ein paar Augenblicken und ließ die Lider wieder sinken. Es gab keinerlei Grund, aufgeregt zu sein, schließlich hatte er an diesem Tag bereits genug Aufregung gehabt, weitaus schlimmer als das hier. Hakuren war derjenige, bei dem er sich geschützt fühlen konnte. Der Prinz musterte ihn einen Augenblick lang erwartungsvoll, als erwartete er irgendeine Gegenwehr, die nicht kam. Seine vom Schwertkampf gezeichneten Hände zogen den offenen Gürtel fort und schlugen den feinen Stoff seiner Kleidung vollends zur Seite. Die lauwarme Luft kroch unverzüglich herbei und kühlte Koumeis erhitzte Haut. Wie angenehm… Hakuren streichelte seinen Bauch an immer tieferen Stellen, aber Koumei registrierte es kaum, glitt in einen nebligen Wachtraum. Sein Atem ging tiefer und langsamer. Müde… Gähnend rückte er näher zu Hakuren, der mittlerweile deutlich mehr Kleidung am Leib trug, als er. Wäre es nicht besser, für einen Ausgleich zu sorgen?, dachte er schläfrig, wohlwissend, dass daraus so schnell nichts werden würde. Diese Berührungen lullten ihn regelrecht ein. Plötzlich schob sich eine kräftige Hand zwischen seine Beine. Erschrocken riss er die Augen auf. Seine Muskeln verkrampften sich sofort in Panik, die Entspannung wie weggeblasen. „H-Hakuren! Lass das!“ Die Hitze kehrte unverzüglich zurück, dieses Mal pulsierte sie in seinem ganzen Körper, aber besonders unter Hakurens Hand. Verdammt, das war so falsch! „Hakuren! Hör auf!“, stieß er noch einmal hervor. Warmer Atem streifte seinen Hals. „Mei? Magst du das nicht? Tut mir Leid, ich dachte es wäre in Ordnung…“ Koumei fühlte sich zu geschockt und gleichzeitig zu überwältigt, um irgendetwas zu erwidern. Weshalb sollte das in Ordnung sein? Hakuren hatte ihn nicht einmal gefragt. Ohne sein Zutun schoss sein Bein nach vorne und dieses Mal traf er. Obwohl er nicht sonderlich hart zugetreten hatte, heulte Hakuren erschrocken auf. Es geschah ihm vollkommen recht. „Lass mich los!“, wiederholte er scharf. Endlich befolgte der Prinz den Befehl. Er rieb sich das Schienbein und wirkte seltsam vor den Kopf gestoßen. Warum, war es nicht nachvollziehbar, dass er mit dieser groben Art auf Widerstand stieß? Koumei hasste es, auf diese Weise berührt zu werden. Egal von wem. Wieso kam Hakuren auch grade jetzt, wo es so schön gewesen war, auf eine derart dämliche Idee? Keuchend wich er zurück. „Koumei?“, fragte Hakuren besorgt. Doch der andere schüttelte nur verspannt den Kopf. Seine Haare standen wie wild in alle Richtungen ab. „Was ist denn?“, hakte Hakuren behutsam nach. „Bilde dir nicht ein, dass du mit mir machen kannst, was du willst!“, zischte er zitternd. Der andere legte den Kopf schief. Sein Bein schien immer noch zu schmerzen. „Na ja…ich dachte es würde dir gefallen…“, meinte er und sah bedeutsam herab.  Der Rothaarige folgte seinem Blick und errötete verschämt. Wie peinlich, warum musste sein Körper sich auch noch gegen ihn wenden? Er wollte seine Gewänder zurück. Sofort. Hektisch griff er nach den zerknitterten Stoffen, hielt aber inne, als er eine beruhigende Stimme vernahm. „Mei, du musst dich nicht dafür schämen, das ist doch völlig normal“, sagte Hakuren schnell und ergriff ihn sachter als zuvor beim Arm. Koumeis erster Impuls war, die Finger fort zu schlagen. Er war sauer, aber noch mehr schämte er sich. In der Vergangenheit hatte er bereits ein paar Mal versucht, ihn dort zu berühren, doch Koumei hatte es bis jetzt immer geschafft, die Hände unauffällig abzuwehren. Jetzt hatte er zu spät reagiert. Eigentlich konnte Hakuren ja nicht ahnen, dass er das nicht mochte. Trotzdem, er hätte ihn wenigstens vorwarnen sollen und vielleicht hätte er es mittlerweile auch selbst merken können, dass derartige Berührungen vollkommen unerwünscht waren. Koumei kratzte sich nervös am Hinterkopf. Andererseits hätte er selbst auch einfach abwarten können, vielleicht wäre es nicht so schlimm, wie er sich das vorstellte, schließlich war Hakuren immer vorsichtig mit ihm gewesen. Langsam, aber mit einigem Misstrauen, ließ er sich wieder auf das weiche Laken zurück sinken und behielt den anderen immer im Blick. Hakuren beobachtete ihn ratlos. „Verzeih mir, keine Ahnung, was da mit mir durchgegangen ist“, murmelte er besänftigend und knautschte unbehaglich die beiseite geschlagene Bettdecke zusammen. Was mochte er wohl denken? Verfluchte er sich für diese unbedachte Handlung? Offenbar wusste er nicht, wie er sich nun am besten verhalten sollte, was Koumei ein wenig erleichterter stimmte. „Ist schon in Ordnung. Ich mag das einfach nicht, konntest du ja nicht ahnen“, sagte er leise. „Nein, daran habe ich wirklich nicht gedacht. Ich wollte nur… Ach, eigentlich habe ich gar nichts gedacht“, gestand Hakuren betreten. Er wirkte fast wie ein geprügelter Hund. Jetzt waren sie beide rot und schämten sich, wie erbärmlich. Dabei kannten sie sich schon so lange, weshalb gab es zwischen ihnen immer noch unüberwindbare Hindernisse? Koumei nickte angespannt. Eigentlich fühlte er sich immer noch nicht sicher, aber Hakuren wäre sicher nicht so dumm, ihn noch einmal dort zu berühren und er tat ihm irgendwie leid, wie er so kleinlaut auf ihn herab sah, als hätte er Angst, ihn verletzt zu haben. Also log er: „Es ist gut. Schon vergessen. Du brauchst dich jetzt nicht von mir fernzuhalten, Hakuren.“ „Mh…ja. Wenn du meinst. Wegen mir musst du das nicht sagen, denk lieber daran, was du gerne möchtest. Wenn du mich jetzt nicht mehr hier haben willst, dann verschwinde ich einfach wieder. Schließlich bin ich noch jung und agil! Deine Tritte würden wohl jeden in die Flucht schlagen“, murmelte er, schon wieder zu Scherzen aufgelegt. Ein schlechter Scherz, aber was wollte man von ihm erwarten. Ein Prinz, der vergnügte Witze riss, oder es zumindest versuchte, konnte  nicht allzu schlimm beleidigt sein. „Es ist in Ordnung“, beharrte Koumei und rückte vorsichtig wieder näher an Hakuren heran, wofür er ein erleichtertes Seufzen erhielt: „Mein Koumei, du bist das schönste Etwas, das mir je begegnet ist“, erklärte er überzeugt. Für einen Moment blickten sie sich tief in die Augen. Wie sehr er dieses herrliche Blau, welches nun von einem fiebrigen Schimmer durchzogen war, liebte. Doch dann fiel ihm auf, dass er von Hakurens blumigen Worten nicht angetan war. „Lass endlich diese erbärmlichen Schmeicheleien, oder du kannst dich von deinem Bein verabschieden“, knurrte er und zog  grob an den weichen, schwarzen Haaren des anderen, sodass sich der Haarknoten am Hinterkopf löste. Die beiden dünnen Strähnen, die viel länger gewachsen waren, als der Rest, konnten äußerst praktisch sein. „Au! Jetzt nicht auch noch mein Kopf! Du bist doch nicht Kouha! Warum so gewalttätig heute Nacht, Mei?“ Hakuren kniff vor Schmerz die Augen zusammen. Der Jüngere hatte wirklich mit aller Macht an den Strähnen gerissen. „Du sollst nicht immer so beschämend daherreden!“, verlangte Koumei verstimmt und ignorierte das Jammern gekonnt. Wer in einer Schlacht kämpfen konnte, würde mit einem blauen Schienbein und ein paar ausgerissenen Haaren schon fertig werden. Koumei mochte es einfach nicht, wenn Hakuren ihn so sehr lobte. Er war doch kein kleines Prinzesschen, das man mit lieblichen Komplimenten umschmeicheln und so sein Herz gewinnen konnte. Wenn Hakuren das versuchte, kam er ihm so blind und dumm vor. So, als wollte er um jeden Preis Koumeis Selbstwertgefühl steigern. Dabei erreichte er damit genau das Gegenteil: Niemand würde Koumeis knochigen, übermüdeten, vernarbten Anblick als sehenswert oder gar schön betiteln. „Aber es ist doch wahr!“, protestierte der Prinz vehement. „Sei leise…!“, zischte Koumei erschrocken über die Lautstärke dieser Worte. Draußen patrouillierten Wachen und Bedienstete umher, sicher konnten sie Hakurens laute Stimme von dort hören. Die Diener durften keinerlei Verdacht schöpfen, ansonsten würden sie beide in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Angespannt horchte er auf mögliche Schritte, die herbeigeeilt kommen könnten, doch vor der Tür blieb es still. Also entgegnete er wieder verärgert: „Du bist ein lausiger Lügner, Ren! Du solltest selbst einmal hören, was für einen lächerlichen Quatsch du erz- mh!“ Hakuren erstickte die wütenden Worte mit seinen Lippen. Dieser Mistkerl! Koumeis Blut brodelte gefährlich, aber nicht nur vor Zorn, den er ungewöhnlicher Weise verspürte. Nein, Hakurens Gegenwart ließ ihn sich halb wahnsinnig fühlen und trieb ihm kalten Schweiß auf die Stirn. Wieso gewöhnte er sich einfach nicht an diese Nähe, er hatte doch schon Monate, vielleicht sein ganzes Leben dazu Zeit gehabt? Alles war so schwierig, seit sie ihre Freundschaft hinter sich gelassen hatten. Andererseits mochte er es nicht mehr missen. Die letzten Wochen waren so unsagbar herrlich gewesen, dass er sie gegen nichts auf der Welt eintauschen würde. Er konnte sich nicht vorstellen jemals jemand anderem so nahe zu kommen. Wollte es nicht. Eigentlich brauchte er auch keine derartige Nähe von Hakuren, reines Beisammensein wäre bereits mehr, als er sich nach ihrer Bekanntschaft damals je erhofft hätte, selbst nachdem der Prinz vor ihm sein Geständnis abgelegt hatte. Aber Hakuren schien nicht mehr viel von bloßem Beisammensein zu halten. Seine kräftige Hand legte sich bestimmend auf Koumeis Hüfte. Sein Kuss war vorsichtig, aber gleichzeitig drängend, sein Mund so unerträglich warm. Eine schlecht verhohlene Gier lag darin. Koumei seufzte schwer, konnte kaum noch denken. Es schmeckte so angenehm, dass es ihn fast vergessen ließ, was er vorher hatte sagen wollen. Also drehte er den Kopf zur Seite, um Hakuren auszuweichen. Mit Erfolg. „Heuchler“, keuchte Koumei erschöpft, was ihm nur mühsam über die Lippen kam. Diese Küsse brachten ihn um den Verstand. Der Ältere ließ von ihm ab und schnaubte entrüstet: „Ich bin realistisch!“ „Bist du nicht“, gab der andere zurück und krallte seine Finger in den Gürtel, der Hakurens Gewänder beisammenhielt. Warum sah er immer noch so ordentlich aus, das konnte doch nicht angehen?! „Oh doch, das bin ich. Aber wenn ich dir mal die Gegenfrage zu eben stellen dürfte, was magst du an mir?“, hakte Hakuren nach, während auch seine schlichten schwarz-weißen Roben verrutschten. Koumei lief wieder rot an. Zögerte. Überlegte. Die Wut verflog schlagartig. Es fiel ihm nie leicht, Gefühle zu Worten werden zu lassen. Seine Gedanken schienen sich dieser Aufgabe zu widersetzen. „Dein Wesen?“, versuchte er es zaghaft. „Das ist sehr aussagekräftig“, neckte der Prinz und kniff ihn spielerisch in die Wange. Wie ein unartiges Kind… das war so unangemessen. Koumei errötete immer mehr. „Ach, du weißt schon. Du bist so anders als ich. So aufgeschlossen und voller Tatendrang“, murmelte er matt, immer noch das prickelnde Gefühl auf den Lippen. Es benebelte seinen Geist. Sorgte dafür, dass er sich so unendlich dumm vorkam. Hakuren nickte zufrieden. „Das hört man gerne. Aber liebst du das auch an mir?“ „Idiot“, maulte Koumei, der andere wusste doch genau, wie ungern er über Gefühle oder generell sprach. Er hatte gute Lust, Hakuren dieses Mal mit einem Schlag in die Magengrube zu drohen, auch wenn er Gewalt eigentlich nicht mochte, manchmal konnte sie bei dem Prinzen nützlich sein, wie er eben gemerkt hatte. Aber dieser ließ sich nicht erweichen, stattdessen ergriff er seine Schreibhand und küsste die kleinen Schwielen, die die Feder darauf hinterlassen hatte. Das einzige an seinem Körper, das von Arbeit zeugte. „Stimmt doch, Mei, mögen und lieben ist nicht dasselbe!“, behauptete der Ältere felsenfest. „Ach ich weiß doch gar nicht was das ist... ich kann das mit nichts anderem vergleichen. Ich habe keine Erfahrung was das angeht...“, verteidigte sich der Rothaarige, dessen Gesichtsfarbe sich mittlerweile kaum mehr von seinen Zotteln abhob. Hakuren schnalzte tadelnd mit der Zunge: „Nun ja, so viel mehr als du weiß ich auch wieder nicht. Du musst es auch nicht mit irgendetwas vergleichen. Ich kann zwar nicht in dich hineinschauen, aber ich denke das, was du fühlst, kommt Liebe zumindest ziemlich nahe.“ „Meinst du wirklich?“, nuschelte er kleinlaut. Der andere tätschelte ihm lediglich bekräftigend den zotteligen Kopf. „Ich merke doch, wie du mich ansiehst.“ Koumei seufzte schwer. Scheinbar konnte er keine Argumente hervorbringen, die gegen die seines Cousins bestanden. So spielte er verlegen mit Hakurens Robe herum. „Was wird das?“, schmunzelte dieser mit hochgezogenen Augenbrauen. „Ich verstehe diese Schnürung nicht“, gestand Koumei peinlich berührt, dass er anscheinend sogar zu dumm war, jemandem seine einfachen Gewänder auszuziehen. „Zupf einmal hier dran“, schlug Hakuren vor und hielt ihm das Ende eines vorwitzigen Bandes unter die Nase. Kaum befolgte er diesen Ratschlag, rutschten die Kleidungsschichten auseinander. „Na toll“, brummte er missmutig. Ungeschickt und zu nichts zu gebrauchen, wie wahr. „Du denkst zu viel, außerdem hast du es nie selbst gemacht“, besänftigte ihn der andere und wand sich aus den lockeren Ärmeln, sowie den darunterliegenden Stoffschichten. Doch seine aufmunternden Worte wurden nicht länger beachtet. Koumei hörte nicht, sondern musterte ihn fasziniert. Wie gebannt starrte er den Prinzen an, unfähig, den Blick abzuwenden. Hakuren erschien ihm ohne die störenden Kleider noch viel verlockender, als gedacht. Im Gegensatz zu dem Rothaarigen schien er in bester körperlicher Verfassung zu sein. Er wirkte nicht ganz so kräftig wie Kouen, aber dennoch deutlich muskulöser als Koumei. Sein Bauch fühlte sich erstaunlich hart an, als er zaghaft über die glatte Haut strich. Nicht, dass er ihn niemals zuvor dort berührt oder nackt gesehen hätte aber, wenn man mit ihm alleine war und ungehinderte Sicht hatte, wirkte alles noch ein wenig anders. Der Ältere stieß einen betörten Laut aus. Schien sich seinen Berührungen regelrecht entgegen zu drängen. Er liebte solche Zuwendungen ganz besonders. Koumei musste widerwillig schmunzeln. Plötzlich bemerkte er, wie viel Macht er über ihn besaß. Über diesen naiven, wunderbaren, aufopferungsvollen, tapferen Prinzen. Ja, man sah dem anderen seine Tätigkeit als wichtiger Soldat und Unterstützer seines Vaters schon auf den ersten Blick an, auch an den kleinen Narben, die er sich wohl größtenteils auf dem Schlachtfeld zugezogen hatte. Sie waren so herrlich rau. Interessant, dieser Kontrast. Die wulstige, neue Haut schimmerte beinahe silbrig. Immerhin dabei konnte Koumei mithalten, auch wenn seine Narbe eher ein Zeugnis seiner Schwäche, als seines Mutes darstellte. Hakuren schien seine aufkeimenden Selbstzweifel zu bemerken, denn er nahm ihn fest in die Arme. Seine Haut war so warm, dass sie ihn zittern ließ, wie auch immer Wärme einen zittern lassen konnte. Sein Körper benahm sich heute wirklich komisch, angefangen bei der heftigen Reaktion gegen Kali und dieser beschämenden Erregung, die ihn eben durchströmt hatte. Trotzdem… eigentlich fühlte es sich gut an, Hakuren so direkt zu spüren. Er liebte die Stärke, die in dieser Umarmung lag, ebenso wie den kräftigen Rücken, über den er viel zu gerne streichelte. Aber die Situation war ungewohnt, im Garten hatten sie nie gewagt, die Kleider vollends abzustreifen. Zu groß die Angst entdeckt zu werden. Und die Dornen… die Dornen waren hinterhältig gewesen. Trotzdem, es gefiel ihnen beiden. Koumei seufzte gelöst. Hakuren kraulte zufrieden seinen Nacken. „Weißt du was, mein Schatz? Sei nicht immer so negativ.“ Diese viel zu euphorische, immer gut gelaunte Stimme! Sie klang bewundernswert. Wo nahm sie nur die nötige Energie dafür her, so aufgeweckt zu klingen? „Mmh...“ Koumei fühlte sich nicht in der Lage, positiver zu denken, als er es tat. Aber ihm blieb auch keinerlei Zeit, es zu versuchen, denn Hakuren wechselte schlagartig das Thema: „Mei?“ „Ja?“, fragte er verhalten. „Vertraust du mir?“ Koumei zögerte und rückte ein wenig von ihm ab. Etwas an Hakurens Stimme gefiel ihm nicht und ließ ihn plötzlich eigentümlich vorsichtig werden. „Ich denke...“, erwiderte er nach kurzem Stocken. Sein Prinz lächelte erfreut und streichelte seine Wange. „Sag mein Liebster, hast du zufällig etwas Öl da?“     *     *~*   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)