The Darkness Inside Me von robin-chan ================================================================================ Kapitel 9: Calma e gesso! ------------------------- Ruhig Blut! 18. Juli 2012   Flüchtend schlängelte die junge Frau durch die Masse, bog in die nächste, deutlich leerere Seitengasse. Mittag, und die Sonne brannte nieder, doch hatte die Hitze ihren Höchststand nicht erreicht. Die Touristenmasse drang unbeirrt weiter vor, schob sich schleppend durch das Viertel auf der Suche nach der nächsten Attraktion. Das Stimmengewirr war unerträglich, schon vor geraumer Zeit hatte der Rotschopf die Kopfhörer ausgepackt. Sie war gewarnt worden, Vivi sagte, dass das kein einfaches Unterfangen war an solch einem Tag ausgerechnet durchs beliebteste Viertel zu marschieren. Das Angebot sich von Lysop transportieren zu lassen, hatte sie dankend abgelehnt. Trotz der Masse fand sie irgendwann sowieso das gewünschte Ziel, da konnte sie wenigstens ein paar Eindrücke aufschnappen. Der Bass dröhnte förmlich in ihren Ohren, aber lieber das als die unzähligen Stimmen. Vor ein paar Stunden war sie aufgebrochen, hatte ihre kleine, persönliche Entdeckungstour gestartet. Erst San Marco erschwerte ihr Weiterkommen. Eine Route, die sie wissentlich wählte und obwohl sie Plätze mit dem höchsten Besucherandrang mied, war das Unterfangen anstrengend. Lieber suchte sie Schutz in engen, dunkleren Gassen. Ein kleiner Vorteil, denn boten diese Schatten und hie und da vernahm sie eine angenehme Brise. Prüfend warf sie einen Blick auf die Uhr, noch hatte sie Zeit und so blieb sie auf einer kleinen Brücke stehen, lehnte gegen das Steingeländer. Hier fand sie sich alleine, hatte somit bei der Wahl des Weges einen weiteren Glücksgriff ergattert, denn ein Blick entlang des Kanales zeigte das Chaos der Touristen. In gewisser Weise nahm sie Umwege in Kauf, aber bei dem Schauspiel kam sie dennoch rascher voran. Erst recht, als sie sah, wie vier Besucher die Karte zückten, wild miteinander sprachen, gestikulierten. Die Köpfe suchend in alle Richtungen wandten. Natürlich musste das direkt vor Ort geklärt werden, auf einer gut frequentierten Brücke. Kopfschüttelnd stieß sich Nami ab und marschierte die eingeschlagene Route weiter. Im Gegensatz zu Touristen, griff sie auf keine Karte zurück. Tat sie nie. Ging es um solche Kleinigkeiten, so hatte sie ein ausgesprochen gutes Gedächtnis, Raumverständnis. Eine kurze Recherche und irgendwie brannten sich die Wege und das Ziel in ihr ein. Und sollte tatsächlich einmal der Tag kommen, an dem sie sich verlief, so nannte sie das natürlich nicht, denn das tat sie ja nie, nannte sie das Extra. Eine Erkundungstour ohne vorher nachgesehen zu haben, die Nami Schauplätze aufzeigte, die sie auf andere Weise wohl nie passiert hätte. Gassen und Straßen waren nützlich, konnten im späteren Verlauf irgendwann als Abkürzungen dienen. Wie ihr mitgeteilt worden war, bildete sie somit den Gegenpol zu Zorro, der angeblich noch heute manchmal unpünktlich zur Arbeit erschien, weil er sich verlief. Vivi erzählte gerne von seinem schlechten Orientierungssinn, da dieser seine einzig offene Schwachstelle war. Laut ihrer Schilderung hatte sie den Handwerker zum Bahnhof begleitet, gut 300 Meter zuvor musste sie eine andere Richtung einschlagen, und obwohl sie ihm haargenau erklärt hatte, er musste nur noch geradeaus gehen, schwört sie darauf ihn zwei Stunden später getroffen zu haben, als sie bereits den Heimweg einschlug. Solche Aussetzer waren Nami schleierhaft, aber jeder hatte eben andere Schwächen und Stärken. Nun lebte sie seit zehn Tagen offiziell in der Lagunenstadt, problemlos. Dieser Tag bildete den ersten, an dem sie tatsächlich etwas alleine unternehmen konnte. Für eine Woche war ihre Familie mitangereist, hielten sie in der Zeit stets auf Trab. Danach hieß es sich heimisch zu machen und so hatte sie die erste Möglichkeit genützt und sich für einen Erkundungstrip entschieden. Gezielt ohne Begleitung, aber das würde sich am Nachmittag wieder ändern. Während sie gemächlich voran schlenderte, dachte sie unweigerlich an die vergangenen Monaten. Erst nach und nach realisierte Nami ihren Aufenthalt. Kein Urlaub, kein Besuch, sie lebte hier. Lang war der Weg gewesen, stressig, nervenaufreibend und das hatte zunehmend an ihren Kräften gezerrt. Der Schulabschluss war das geringste Problem gewesen. Kaum hatte sie den in der Tasche, schon musste sie die ersten Vorbereitungen für den Umzug treffen. Sogar die Sprache hatte sie ernst genommen und sich intensiv damit auseinandergesetzt, nebenbei die neugewonnenen Freundschaften gepflegt, nie den Kontakt abklingen lassen. Abgesehen von Vivi fand sie in Zorro einen neugewonnen Freund, der ihr auch über die Ferne hin oftmals eine Hilfe war. Seine Freundschaft tat ihr gut, denn er hatte in manchen Belangen eine ganz andere Sichtweise, mit ihm ließen sich die einen oder anderen Themen leichter besprechen. Der Umzug hatte sie förmlich angetrieben und das resultierende Wissen, bald schon auf Abstand von der Familie, dem dortigen Umfeld zu kommen, hatte sie umdenken lassen. Ein wesentlicher Punkt, denn gänzlich in einem Streit wollte sie nicht verschwinden und das hatte sie erreicht. Zwar konnte sie das Verhältnis mit ihrem Ziehvater nie vollkommen kitten, danach strebte sie gar nicht erst, aber es war annehmbar. Seltener ging sie auf Streitereien ein und so verstand sie sich mit allen besser, immerhin standen ihre Mutter und Schwester nicht länger zwischen den Stühlen und mussten als Vermittler agieren. Das Thema Beziehung kam nie auf, kein Wunder, wenn schon, dann pflegte Nami in den vergangenen Monaten die eine oder andere Affäre, mehr nicht. Einzig ein Problem blieb offen und das war Law. Aufgeben gehörte weiterhin nicht in sein Spektrum, und über die Monate hinweg hegte Nami sogar die dumpfe Vermutung, dass da weitaus mehr dahinter steckte als eine einfache Eroberung. Niemand den sie kannte, war so verbissen. Rau lachte sie bei dem Gedanken. Sie sprach weiterhin von Law, einem Aufreißer, der das Abenteuer suchte, dem nichts mehr gefiel und befriedigte als den gesamten Tag im Operationssaal vor offenen Herzen zu verbringen. Womöglich zermürbte sich ihr Gehirn schon so sehr deswegen, dass sie sogar ernsthafte Gefühle seitens des Chirurgen in Erwägung zog. Dennoch, seine Art lud förmlich für Vermutungen ein, erst recht nachdem er bereits ihre neue Nummer ergattert hatte. Nur wenige kannten sie, Familie und die engsten Freunde. Sei’s drum, dachte Nami, wenigstens konnte er ihr nicht mehr ständig über den Weg laufen. Wieder hielt sie inne, direkt an einer Haltestelle für die Vaporettos. Rasch überflog Nami den Plan, sie hatte das Ziel erreicht, früher als erwartet, und noch sieben Minuten übrig. Bevor sie noch länger in diesem Viertel marschierte und sich der Masse auslieferte, nahm sie lieber ein früheres Boot. Ein tiefer Atemzug folgte und entspannt sank sie auf einen Pfeiler. Die Hitze war erdrückend. Während sie in ihre Umhängetasche nach der Wasserflasche griff, ließ sie den Blick ein wenig über die Umgebung streifen. Kaum jemand verweilte, allesamt schritten sie weiter. Hie und da nahm sie Gespräche auf. Warten war angesagt.   × ×   Brummend warf Vivi den Kopf in den Nacken. Im Gegensatz zu ihren Freunden liebte sie diese Jahreszeit, da sie mit den hohen Graden und der Schwüle umzugehen wusste. In diesem Moment jedoch war ihre Laune leicht gereizt, sie wartete. Da Nami eine Tour auf eigene Faust unternahm, und doch ein wenig geheimnisvoll gewirkt hatte, nahm sie ein Treffen mit Ruffy, Bonney und Lysop war, der heute mal einen freien Tag hatte. In den Sommerferien arbeitete dieser durchgehend, hatte selten frei, aber diese Freizeit wusste er oftmals mit Ruffy zu nutzen. Ein wahrlich ulkiger Typ, der manchmal dieselben schwachsinnigen Ideen hatte, wie der Straßenkünstler, aber weitaus ängstlicher war. Für Ruffy schien kein Hindernis zu groß, kein Abenteuer zu gefährlich, Lysop war anders aber er hielt stand, bewies Mut auf seine eigene Weise. Auch er hatte das Herz am richtigen Fleck und das war weiterhin vergeben. Vermutlich würde er wieder Neuigkeiten erhoffen, aber Kaya selbst hatte Vivi schon länger nicht gesehen, unter anderem weil diese gerade auf Urlaub war. Wieder glitt ihr Blick auf die Uhr. Bald ist die halbe Stunde rum und Vivi fragte sich, was der Grund für die Unpünktlichkeit war. Ungeduldig wippte ihr linker Fuß. „'Tschuldige“, vernahm sie schließlich eine nach Luft ringende Stimme. Ein Zucken durchfuhr ihren Körper, leise drehte sie sich um. Lysop stand da, die Arme an den Knien abgestützt und durchatmend. Neben ihm war Ruffy, normal wie eh und je, als hätte er gerade keine Anstrengung hinter sich. Von Bonny allerdings fehlte jede Spur. „Alles in Ordnung?“, fragte sie stutzend, suchte die Umgebung nach der Gestalt ihrer Freundin ab, die Vivi nirgends erblickte. „Wo ist Bonney?“ Lysop richtete sie gemächlich auf, atmete weiterhin durch, jedoch wieder ein wenig gefasster. „Das ist es ja. Wissen wir nicht. Dachten, sie ist bei dir“, erklärte er nervös. Ruffy schwieg noch, doch sah er, zu Vivis Überraschung, nachdenklich aus. „Wie soll ich das denn verstehen?“ Zwar wusste Vivi über Bonneys merkwürdigen Angewohnheiten Bescheid, auch ihren kleinen Verfolgungswahn, aber direkt mitbekommen hatte sie das nie. „Wie waren unterwegs, eine kleine Runde. Haben für die kurze Zeit gar nicht mal schlecht verdient“, meinte Ruffy mit einem anfänglichen Grinsen, das recht schnell erstarb, „und kurz bevor Lysop hinzu stieß, wurde sie merkwürdig. Meinte, sie müsse schnell los. Sie komme hierher, aber du bist alleine.“ Selten hatte er Bonneys Beweggründe hinterfragt, immerhin wusste sie, dass er da war, sobald sie Hilfe benötigte, aber in letzter Zeit verschwand sie öfter, tauchte ein paar Stunden später wieder auf. Der Unterschied dieses Mal jedoch war, dass sie sichtlich Angst hatte und das verstand er nicht. Kaum hatte er den Blick angewandt und nach dem Grund Ausschau gehalten, war seine Freundin bereits in der Menge untergetaucht. „Ruffy… ist tatsächlich jemand hinter ihr her?“, fragte Vivi vorsichtig, leise. Normal war das nicht und von irgendwo musste ihre Angst kommen. „Wer weiß, vielleicht hat sie geklaut und sie wurde erkannt“, kam es Lysop schneller über die Lippen als er nachdachte. Sofort verfinsterte sich Ruffys Miene. Wütend baute er sich vor der Langnase auf. „Bonney ist keine Diebin!“, verteidigte er seine untergetauchte Freundin und jegliche Farbe wich aus Lysops Gesicht. Niemand, egal wie er hieß oder wer er war, durfte schlechtes über seine Freunde sagen. Ging es darum, so hatte Ruffy einen äußerst ausgereiften Beschützerinstinkt im Lauf der Jahre entwickelt. Freunde waren Familie, über die er nichts kommen ließ. „War … nur ein … Gedanke“, stammelte die Langnase und schluckte schwer. „Jungs!“, mischte sich Vivi schließlich ein, drängte sich zwischen sie. „Warten wir ein paar Minuten, vielleicht taucht sie auf und hat eine Erklärung parat.“   × ×   Die Stunden strichen dahin und entspannt betrat Nami den Vorplatz, als Schlusslicht der Gruppe und das Tor hinter ihr schloss sich geräuschvoll. San Lazzaro degli Armeni, eine Klosterinsel, die kaum ein Dutzend Mönche beherbergte. Jeden Tag öffnete die Pforte für eine einzige Führung, die Einblick in das dortige Leben, in eine andere Welt gewährt und die dort enthaltenen Schätze offenbart. Der Grund für ihr Kommen war in erster Linie ein anderer gewesen, doch hatte sie nicht anders können und am Rundgang teilgenommen. Zeit hatte sie gehabt und die Gunst der Stunde genützt, ihr Wissen ein wenig aufgestockt. Interessant war das Gesehene und Gehörte allemal gewesen. Die anderen Besucher schnatterten ausgiebig, suchten eilig die Anlegestelle auf und warteten dort ungeduldig auf das Vaporetto, das sie schleunigst in die Realität Venedigs brachte. Nami hingegen hatte anderes vor. Lächelnd machte sie kehrt, spazierte das Außengelände entlang, betrachtete die Vielzahl an exotischen Pflanzen. Nach und nach entfloh sie den Stimmen und spätestens nachdem das Vaporetto angelegt hatte, dürfte das Eiland neuerlich in gänzliche Stille verfallen. Diese hatte sie bereits vor der Führung ein wenig genossen und es entsprach tatsächlich der Erzählung. Ein Ort, der zum Nachdenken, zur Rast einlud. Schließlich fand sie sich am anderen Ende der Insel, ließ sich auf einer Bank im Schatten nieder und schloss entspannt die Augen. Während die restliche Besucherschar eilig im Vaporetto Platz nahm, stieg eine einzige Person aus, die von manchen registriert und verwundert angesehen wurde. Ihnen war schleierhaft was die Frau hier wollte, immerhin hatte die Führung geendet und abgesehen davon, gab es hier doch nichts zu sehen. Gekonnt ignorierte sie die stummen Blicke und sah sich einen Augenblick lang um. Sofort entlud sich die Spannung, das hektische Treiben der Stadt. In der Vergangenheit war sie oft genug hier gewesen, beruflich, aber sehr gerne für private Zwecke. Nirgends sonst in unmittelbarer Nähe fand sie einen Ort, der ihr die Möglichkeit auf die ersehnte Entspannung bot, die selbst die Schatten ihres Daseins auf Abstand brachten. Ein Lächeln ruhte auf ihren Lippen und bevor sie den angepeilten Platz aufsuchte, trat sie an das Tor, klopfte und wartete. Ein Mönch, der einige Jahre jünger war als der Rest der dort lebenden, öffnete und ein sanftmütiger Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Sie war eben keine Unbekannte. Ohne viele Worte miteinander zu sprechen, drückte er ihr zwei Gegenstände in die Hand, um die sie gestern als sie zum Lesen hier war, gebeten hatte. Dankend verlor sie keine Zeit mehr und schritt weiter. Weit musste sie nicht gehen, denn schon bald erblickte sie die gesuchte Person. Bevor sie auf sich aufmerksam machte, hielt sie inne, neigte den Kopf leicht und musterte sie. „Habe ich dir zu viel versprochen?“ Kaum merklich zuckte die Angesprochene. In Gedanken versunken, hatte sie tatsächlich die Umgebung ausgeblendet gehabt. „Deine Schilderung ist im Nachhinein eine Untertreibung gewesen“, gab Nami grinsend zurück, öffnete die Augen und erkannte die Frau, auf die sie hier gewartet hatte. Der Grund, warum sie alleine los gezogen war und Vivi ohne konkrete Antwort abspeiste. Nur einem Menschen hatte sie im Vorfeld davon erzählt, Zorro. Wie erwartet hielt er dicht, gab zwar den ein oder anderen neckenden Kommentar ab, aber machte kein großes Tamtam daraus, wie sie es von Vivi kannte. Robin hatte sich mittlerweile neben sie gesetzt und für ein paar Minuten herrschte ein angenehmes Schweigen. Bei ihrem dritten Wiedersehen, das erst ein paar Tage zurück lag und das sie dieses Mal tatsächlich ihrem Ziehvater verdankte, fanden sie die Gelegenheit für eine Unterhaltung. Bei dieser hatte Nami angedeutet, dass sie wahrlich eine kleine Auszeit benötigte, ein paar Stunden der Einsamkeit. Irgendwie ergab das eine das andere. Ein merkwürdiger Wink des Schicksals. „Dann ist die Familie abgereist und hat dir endlich Freizeit beschert?“, durchbrach Robin das Schweigen, den Blick unverändert auf das Meer gerichtet. „Schon vor drei Tagen, aber Vivi hat mich auf Trab gehalten, wie auch die Umzugskarton. Dachte schon, ich müsste noch länger warten.“ Natürlich meinte Nami die Worte nicht böse, sie mochte durchaus Gesellschaft, aber irgendwann erreichte auch sie den Punkt, an dem es ihr zu viel wurde. Die letzten Stunden, die sie alleine unterwegs war, hatte sie durchaus genossen, obgleich sie bereits an dieses Treffen gedacht hatte. „Hab mir die Führung angesehen und nicht auf die Rosenmarmelade vergessen.“ Lächelnd klopfte sie auf die Umhängetasche. „Einzig enttäuschend ist jedoch die Tatsache, dass du mir noch einen Kaffee schuldest“, fügte sie gespielt eingeschnappt hinzu. In der Heimat hatte Nami noch öfters über diese zwei Begegnungen nachgedacht, aber mit der Zeit war es weniger geworden, zumal sie sich Verbot länger Gedanken zu machen, immerhin fand sie das allmählich selbst lächerlich. Dann, aus heiterem Himmel, kam das dritte Wiedersehen. Ob Robin überrascht schien, wusste sie nicht, denn diese Frau hatte die magische Begabung ihre Gesichtszüge zu kontrollieren, wie niemand anderes. Selbst ein Blick in die Augen gab keinerlei Informationen preis. Einerseits beängstigend, andererseits weckte es in Nami eine gewisse Faszination. „Denkst du, ich halte mich nicht daran?“, entgegnete Robin spitzbübisch, wartete ab und zum ersten Mal, seit sie gemeinsam auf der Bank saßen, drehte sie den Kopf, sah die jüngere Frau direkt an. Verwirrt blinzelte Nami. „Hier existiert kein Café oder meine Aufmerksamkeit spielt mir einen Streich.“ Wissend nickte Robin. Ein wenig ließ sie die andere zappeln, erkannte wie diese darüber nachdachte. Robin hatte nicht vor zurück in die Lagunenstadt zu fahren, dort ein Café aufzusuchen. Da sie direkt aus ihrem Büro kam, hatte sie ihre Arbeitstasche mit all den Unterlagen dabei und eine Kleinigkeit, die sie oftmals, insbesondere in den Wintermonaten bei sich trug. Neugierig lugte Nami zur Seite und staunte nicht schlecht. Robin hielt eine Thermoskanne, stellte zwei Tassen ab, die die ihr der Mönch gab. „Ernsthaft?“, lachte sie nun, nachdem das anfängliche Staunen verebbt war. „Ehrlich gesagt, bin ich von Cafés, wie soll ich sagen, geschädigt. Ein Freund hatte die letzten Monate über die lästige Angewohnheit, alle auszuprobieren. Da trinke ich lieber die, die ich mag und ich dachte, bei dem Trubel der heute herrscht, ist die Klosterinsel die angenehmste Variante.“ Leicht zuckten Robins Schultern. Franky hatte diesen Tick wirklich lange ausgelebt, bis sie eine Einigung fanden. Zwar nickte Nami auf die Erklärung hin, doch vollkommen überzeugt schien sie nicht, der Blick blieb nicht ungesehen. „Ja, ich gebe zu, bei Kaffee bin ich sehr eigen.“ Eigen erschien Robin als die passendste Formulierung, zumal ihr das bereits von ihren Freunden gesagt wurde. Jeder hatte eben seine Macke, sie bildete keine Ausnahme. „Verstehe“, erwiderte Nami knapp, grinste breit.   × ×   „Calma e gesso! Ruhig Blut, Bonney!“ Panisch rannte die Frau durch die engen Gassen, verschwand neuerlich in der Menge. Sie musste nach Hause, der einzige Ort, an dem sie Sicherheit empfand. Ihre Augen hatten sie nicht getrübt, die Männer, sie waren tatsächlich dort gewesen, hatten sie unmittelbar angestarrt. So schnell ihre Beine sie trugen und der Besucherstrom es zuließ, war sie abgetaucht. Für solche Fälle zog sie mehrere Verstecke in Betracht. Ein paar Stunden abwarten und dann erst, dann ging sie nach draußen, suchte den schnellsten, günstigsten Weg in die Wohnung, die sie sich mit ihren Freunden teilte. Immer und immer wieder kam es ihr vor als würde sie beobachtet. Nicht von Zuschauern, die ihre kleine Show ansahen, nein. Sie erkannte sehr gut den feinen Unterschied, das Gefühl, wenn sie anders angesehen wurde. Bisher war sie oftmals zum Entschluss gekommen, dass das bloß Einbildung war. In den letzten Wochen allerdings, da häufte sich das Gefühl und an diesem Tag hatte sie die Gesichter gesehen. Gesichter, die sie aus der Vergangenheit sehr gut kannte, die sie nie wieder sehen erhoffte. Nun wusste sie, sie war hier, in Venedig. Konnte sie bleiben oder glaubte sie, Bonney würde untertauchen, in die nächste Stadt weiterziehen, wie sie es anfangs tat? Ruffy war immerhin der einzige Grund, warum sie die Lagunenstadt seither nie verlassen hatte. In ihm hatte sie einen Freund gefunden, einen Menschen, dem sie vertraute. Und ausgerechnet diesem Menschen musste sie eine Erklärung abgeben, hatte sie doch sein Gesicht gesehen bevor sie verschwand. Den Schwur, den sie sich einst gab, niemanden zu sehr in ihre Probleme einzubinden, den durfte sie nicht brechen. Vielleicht, wie sie ihn kannte, machte sie sich viel zu viele Sorgen. Eine einfache, stumpfsinnige Erklärung und die Sache war gegessen. Vielleicht nahm sie unterwegs eine Pizza mit, das half bekanntlich. Essen und die Probleme waren unwichtig. So tickte Ruffy, so tickte sie. Ein eigentlich beruhigender Gedanke, doch dieses Mal, da wusste sie, würde das alleine nicht ausreichend sein.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)