Ecce equus niger von AomaSade (LV x HP) ================================================================================ Kapitel 9: Begegnungen ---------------------- Voldemort stürmte in den Stall und rief nach seinem Stallmeister. Angus kam gerade mit einem grünen Stallhalfter und einem Führstrick aus der Sattelkammer. Als er seinen Herrn sah, hängte er die beiden Sachen rasch neben die Boxtür des Neuzuganges und wandte sich an den Mann vor ihm: „Mein Lord?“ Ungläubig war Voldemort stehengeblieben, starrte auf das Zaumzeug und fragte fassungslos: „Was willst du damit?“ Angus folgte verständnislos dem Blick und versuchte das eigentlich Offensichtliche zu erklären: „Für den neuen Hengst, mein Lord. Zum Führen und Anbinden, wenn ...“ Erschrocken zuckte er zusammen und hörte auf zu reden, als die roten Augen seines Herrn zornig zu glühen begannen, dieser blitzschnell seinen Zauberstab zog und damit in seine Richtung zeigte. Den Dunklen Lord beherrschte plötzlich eine unbändige Wut. Jemand wollte seinem Seelengefährten Fesseln anlegen, ihn festbinden, anketten, unterdrücken – ihm schaden. Nur mit äußerster Willensanstrengung konnte er sich davon abhalten, seinen Stallmeister, dem er von allen seinen Todessern am meisten vertraute, zu verfluchen, dieser wusste es schließlich nicht besser und machte nur seine Arbeit. Außerdem brauchte er ihn. Dafür setzte er das verdammte Halfter samt Leine in Brand. Eine tödliche Aura breitete sich um seine Gestalt und dann im ganzen Stall aus, während er mit eiskalter Stimme drohte: „Niemals, absolut niemals wird meinem Hengst ein Zaumzeug angelegt. Er kann sich frei auf der Weide oder hier im Stall bewegen. Er wird zu nichts gezwungen! Niemals! Wer ihm in irgendeiner Weise schadet, ihm auch nur ein Haar krümmt, stirbt!“ Schockiert sah Angus die verkohlten Überreste des Zaumzeuges an, welche auf dem Stallboden lagen. Er wusste, es hätte nicht viel gefehlt und er sähe jetzt genauso aus. „Natürlich, mein Lord. Bitte nehmt meine aufrichtige Entschuldigung für mein Unwissen an. Ich habe es nun verstanden“, sagte er ergeben, sich tief verbeugend, „und werde dafür sorgen, dass sich jeder im Gestüt an Eure Anweisungen hält.“ Angus hatte bis jetzt nicht begriffen wie „besonders“ das neue Lieblingspferd für seinen Herrn war. So eine Fehleinschätzung würde ihm nicht noch einmal unterlaufen. Der Hübsche hatte ab sofort oberste Priorität bei ihm. Er würde ihn mit Argusaugen bewachen, behüten und beschützen. Zwischenzeitlich hatte sich der Dunkle Lord auch soweit wieder beruhigt, dass er an sein eigentliches Hiersein denken konnte. „Ich werde bei meinem neuen Hengst völlig anders als sonst vorgehen, um ihn zu zähmen. Du wirst mich dabei unterstützen!“ Natürlich bat ein Dunkler Lord seinen engsten menschlichen Vertrauten nicht um Hilfe, sein finsteres Image musste gewahrt bleiben. Schon gar nicht, nachdem dieser ihn so verärgert hatte. „Was du heute erfährst, bleibt ein Geheimnis zwischen dir und mir, bis ich mich anders entscheide. Kein Gerede, keine Äußerungen oder Andeutungen anderen gegenüber, keine Selbstgespräche, vor allem nicht in Gegenwart der Pferde. Niemand darf davon erfahren!“, verdeutlichte Voldemort die Wichtigkeit der Angelegenheit, obwohl er sich der Verschwiegenheit und Treue seines Todessers gewiss war. „Jawohl, mein Lord. Ihr könnt Euch voll und ganz auf mich verlassen“, stimmte Angus sofort bereitwillig zu, ehe die Laune seines Herrn wieder kippte und dieser sich an seinen Fauxpas von eben erinnerte. Den ganzen Vormittag hatte der Dunkle Herrscher gegrübelt, wie er Harry von seinen partnerschaftlichen Absichten überzeugen konnte, bis er von Nagini und Draco unterbrochen wurde. Zuerst musste er seinen Lebensgefährten richtig verstehen, alles über seine Ängste, seine Träume, seine Wünsche herausfinden, ehe er die nächsten Schritte planen konnte. Nur leider würde sein Gefährte ihm nichts über sich verraten, sondern nur panisch das Weite suchen, wenn sein Todfeind sich ihm näherte. Da würde er also zu seinem Steckenpferd – der guten alten Täuschung zurückgreifen müssen. Das tat sein Seelenpartner schließlich irgendwie auch, wenn dieser sich, aus reinem Selbstschutz, als normales Pferd maskierte. Aber an erster Stelle stand von nun an der Schutz seines Liebsten. Harry Potter war für Lord Voldemort bis vor drei Tagen über Jahre hinweg sein erklärter Feind gewesen, seine Nemesis, der meistgesuchte Zauberer der Welt, auf den bei Gefangennahme unbeschreibliche Folterqualen sowie ein grausamer Tod warteten. Und seine treuen Todesser sahen das bis heute so und manche waren sehr übereifrig, ihrem Herrn zu gefallen. Sie würden den Feind Potter unerbittlich jagen, ihn dann aus Rachsucht sogar vorab foltern und mehr tot als lebendig in Riddle Manor abliefern. Jahrelang geförderter Hass verschwand nicht einfach über Nacht. Voldemort musste hier hart durchgreifen, um das zementierte Feindbild von Harry Potter aus den Köpfen seiner Anhänger zu entfernen und durch einen allumfassenden Schutzauftrag für seinen zukünftigen Gemahl zu ersetzen. Keine leichte Aufgabe! Aber für einen Dunklen Lord mit seiner Macht auch nicht schwer. Er würde in absehbarer Zeit eine Todesser-Generalversammlung einberufen, um seine Untergebenen entsprechend anzuweisen und ihnen die Konsequenzen bei Zuwiderhandlungen eindringlich vor Augen zu führen, Cruciatus-Flüche für Uneinsichtige waren dabei bestimmt eine große Hilfe. Bis dahin war sein Seelengefährte in Gefahr, obwohl er brenzlichen Situationen bis jetzt immer erfolgreich entkommen konnte. Aber es gab immer ein erstes Mal und der Dunkle Lord wollte kein Risiko eingehen, dass Harry irgendwie verletzt wurde, weshalb er seine Anwesenheit auf Riddle Manor vorläufig geheim halten würde. Außerdem hatte er seinen Gefährten gerade erst gefunden und nicht die Absicht, ihn so schnell mit anderen zu teilen. Harry war darüber hinaus derzeit überhaupt nicht in der Verfassung, um wieder ins Zentrum der britischen Zauberwelt zu treten und sich gegen alle möglichen Anfeindungen von Anhängern der weißen sowie auch der schwarzen Magie zu verteidigen, da sie ihm die Schuld an ihrem eigenen Versagen gaben. Voldemort machte sich nichts vor, auch wenn die klugen Zauberer und Todesser auf seinen Befehl hin von Vergeltungsmaßnahmen absahen, würde es doch einige Dumme geben, die seinen Seelengefährten zumindest verbal für seine „feige“ Flucht während des Krieges beschimpften beziehungsweise für die vergeblichen Verfolgungsjagden bestrafen wollten. Davor würde Voldemort seinen Partner beschützen, bis dieser sich erholt hatte und ihre Bindung vollständig war. Solange musste Harry hier bei ihm in Sicherheit bleiben, was dieser garantiert nicht einsah und kampflos hinnahm. Bestimmt geisterten schon diverse Fluchtpläne durch seine Gedanken, so intensiv wie dieser den Koppelzaun kontrolliert hatte. Voldemort würde seinen Partner nie wieder unterschätzen und rechnete deshalb mit allem. Für sämtliche auf Riddle Manor wohnenden Personen sowie Besucher hatte er den Meldezwangzauber aufgehoben, aber nicht für Zaubergroßbritannien. Falls es Harry doch wider Erwarten schaffen sollte, von hier ohne seine Erlaubnis zu verschwinden, wollte er ihn mit Hilfe der gesamten Zauberwelt schnell und unversehrt wiederfinden. Da die Seelenbindung noch nicht geschlossen war, erschwerten große Entfernungen leider das Aufspüren mittels Gefährtenmagie, diese zeigte Voldemort nur die grobe Richtung, wo sich sein Gesuchter aufhielt, erst beim Näherkommen würde sich der genaue Aufenthaltsort offenbaren. Dann musste er seinen Gefährten rasch einfangen, am besten vorher noch einen Apparier-Schutz über den Ort legen, damit Harry nicht ans andere Ende der Welt entkam. Noch einmal zehn Jahre Versteckspielen würde es nicht geben. Harry war da, wo er hingehörte und da würde er auch für den Rest seines Lebens bleiben – bei ihm. Mit der Überzeugungsarbeit würde er heute beginnen und das brachte ihn zu Angus zurück, der ihn erwartungsvoll anblickte. „Gut! Ich bin vor kurzem auf einen alten komplizierten Zauber gestoßen, der es mir erlaubt, mich wie ein Pferdeanimagus zu wandeln und dessen Eigenschaften anzunehmen. Das schließt vor allem die Pferdesprache mit ein. Ich kann also jetzt mit meinen Pferden reden. Vielleicht bekomme ich als Pferd heraus, wovor sich mein neuer Hengst so sehr fürchtet, wenn er mich sieht und kann dann die Ursachen abstellen, die seine Angst auslösen. Ich werde mich dafür in Dark verwandeln, einen großen schwarzen Hengst, der hier im Gestüt lebt. Problematisch ist nur, dass Pferde keine dummen Tiere sind und scheinbar die menschliche Sprache verstehen. Daher wäre es sehr kontraproduktiv, wenn mein neuer Liebling durch irgendwelche Gesprächsfetzen mitbekommt, dass ich eigentlich sein Herr bin, vor dem er sich fürchtet. Deine Aufgabe wird es daher sein, meine zweite Identität als Pferd glaubhaft zu machen, damit keiner eine Verbindung zwischen Lord Voldemort und seinem Alter Ego Dark herstellt.“ „Mein Lord, ich bin begeistert von Eurer Idee“, erwiderte Angus. Sein Herr konnte mit Pferden kommunizieren! Vor seinen Augen eröffneten sich unglaubliche Möglichkeiten zur Verbesserung der Pferdehaltung und -zucht auf Riddle Manor. „Dann wäre alles geklärt. Ich habe heute noch eine Verabredung zum Tee. Du wirst Dark kurz vorher von der Koppel rufen, weil der Tierarzt ihn abschließend untersuchen will. Ach ja“, Voldemort hob seinen Zauberstab erneut und auf dem Namensschild an der Boxtür erschien in schöner Zierschrift „ARIS“. Der Name erfüllte Voldemort mit Zufriedenheit. 'Passend, äußerst passend!', frohlockte er gedanklich. „Mein Wildfang braucht einen Namen. Seinen richtigen kann ich schließlich nicht verwenden, auch wenn Dark ihn erfahren sollte. So misstrauisch wie Aris ist, würde er stutzig werden und seinen Pferdekameraden verdächtigen oder im schlimmsten Fall ablehnen.“ Voldemort steckte seinen Zauberstab weg, entfernte sich ein paar Schritte, drehte sich wieder zu seinem Stallmeister um und gab eine letzte Anweisung: „Das Zaumzeug-Tabu gilt übrigens auch für Dark.“ Angus schluckte, sein Herr vergaß absolut keine Verfehlungen. Einen Augenblick später stand ein großer schwarzer Hengst an der Stelle, wo sich eben noch der Dunkle Lord befunden hatte. Seine Faszination kaum verbergend eilte Angus zur nächsten Pferdebox, öffnete die Innen- und Außentür während der Hengst ihm folgte und auf die Koppel trat.   ~•~•~•~•~•~ Harry stürmte auf die Weide. Bloß weg von Voldemort, seinem Stallmeister und dieser Gefängniszelle namens Pferdebox. Er hatte sich eben so eingeengt und hilflos gefühlt wie schon lange nicht mehr. Überwältigende Angst hatte ihn fest in ihren Klauen gehabt. Hier draußen konnte er zumindest wieder frei atmen, obwohl er immer noch ein Gefangener war. Aber Gefangene konnten fliehen. Richtig! Von seinem Entkommen hing sein Leben ab, wenn er erkannt wurde, war es aus. Also je eher er einen Ausweg fand, desto schneller war er hier weg. Und dann würde er bis ans andere Ende der Welt laufen, um so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Voldemort zu bringen. Überlegend sah er sich um. Zuerst würde er den Koppelzaun am Verbotenen Wald auf Schwachstellen untersuchen, dann die anderen drei Seiten. Gesagt, getan. Nach der Hälfte seiner „Zaunkontrolle“ am Waldrand stöhnte er enttäuscht auf. Da war jemand sehr auf die Sicherheit seiner Pferde bedacht. Normalerweise waren Weidezäune so hoch wie die Widerristhöhe der gehaltenen Pferde. Aber hier hatten sie „Kopfhöhe“. Überspringen oder gar Überfliegen fiel also schon mal aus. Harrys Animagusgestalt war leider kein Pegasus oder Thestral. Durchsteigen ging auch nicht, denn statt der üblichen zwei oder drei Zaunreihen bestand der Zaun hier aus sechs. Unzerbrechlich konnte er den Eigenschaften der Umzäunung auch noch hinzufügen. Selbst nach mehrmaligem starken Gegentreten konnte er nicht einmal eine kleine Delle auf dem Holz entdecken. Das Wegschaben der Erde, um darunter durchzukriechen würde auch nichts bringen, da die gesamte Einfriedung auf Fundament gebaut war. Gegen Zauber aller Art schien die Umzäunung auch gefeit zu sein. Seine Illusions-, Verteidigungs-, Schutz- und sonstigen Hilfszauber waren absolut wirkungslos. Als wenn das nicht alles schon schlimm genug wäre, spürte er außerhalb der Koppel zwischen Zaun und Wald noch etwas Magisches, das dort lauerte. Er kannte diese Art der Einschüchterung von früher, hörte das drohende Raunen und Wispern. Es sagte eindeutig: „Komm mir zu nahe und dein Leben sowie deine Gesundheit sind in tödlicher Gefahr!“ Es gab dort einen Bannkreis. Und dieser musste sehr, sehr mächtig und groß sein, wenn er dessen Magie sogar auf der Weide fühlen konnte. Wahrscheinlich beschützte er die gesamten Ländereien von Riddle Manor. So ein starker Bannkreis würde jeden in seiner unmittelbaren Nähe überwältigen. Nur der Hauptweg schien davon ausgenommen zu sein, damit Besucher, Gäste oder Todesser ungehindert vorsprechen konnten, sonst hätte er vorgestern nicht die verletzte Nagini ungehindert bis vor das Eingangsportal tragen können. Blieb die Frage offen: Schützte der Bannkreis Riddle Manor nur nach außen oder auch von innen? Der innere Schutz würde ein Verlassen zusätzlich erschweren, beinahe unmöglich machen. Bei seiner derzeitigen Pechsträhne tippte er auf Doppelschutz mit beiden Varianten. Das war nicht gut. Das war gar nicht gut. Das war zum … Der schwarze Hengst schnaubte frustriert und kontrollierte verbissen den Rest dieses Zaunabschnittes, um ja nichts zu übersehen. Leider wies die Einzäunung an dieser Seite keine einzige Schwäche auf, die er für seine Flucht hätte nutzen können. Erschöpft und verdrossen blickte er zu den drei anderen Zaunseiten der Koppel. Die würde er später checken. Jetzt brauchte er eine Pause. Er war total verschwitzt. Sonne und schwarzes Fell im Hochsommer waren keine gute Kombination. Zum Glück standen auf der Weide vereinzelte Baumgruppen als Schattenspender. Auf die nächste lief Harry zu, er musste unbedingt aus der Sonne. Durch sein langes Leben im Wald war er verwöhnt, dort gab es fast nur Schattenplätze. Beim Hinlaufen irritierte ihn etwas. Wieso sah der eine Baum so komisch aus? Als wenn dieser mit Girlanden geschmückt wäre. Schlangenartige Girlanden wie er beim genaueren Hinsehen feststellte. Da hing eine riesige Schlange bequem drapiert auf dem unteren Ast und döste vor sich hin. Obwohl er die Schlange seines Erzfeindes bisher nur als schemenhafte Gestalt in der Nacht und in Miniausführung mit Bisswunden am Tag seines letzten Geburtstages sowie vor über zehn Jahren während des Krieges manchmal bei Kampfhandlungen gesehen hatte, war er sich doch fast sicher, dass Nagini, Voldemorts Haustierschlange, vor ihm im Baum hing. Staunend trat der schwarze Hengst noch näher. Die Schlange war ein Prachtexemplar, jetzt im Tageslicht konnte er ausgiebig ihre Größe und die schönen Grünschattierungen ihres Rautenmusters bewundern. „Nagini?“, fragte Harry vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken und aus Versehen gebissen zu werden. Aber die Schlange hatte ihn schon bemerkt und nickte als Antwort. „Du bist wirklich riesengroß! Die Gerüchte stimmen also.“ So groß hatte er sie nicht in Erinnerung, sie musste in den letzten Jahren noch gewachsen sein. Warum stolperte er eigentlich schon wieder sie? Eine Begegnung war Zufall. Ein zweites Treffen war Glück. Aber drei? Das war volle Absicht. Harry traute ihr auf einmal alles Mögliche zu. Die Augen argwöhnisch zusammenkneifend fragte er kühl: „Was machst du hier? Verfolgst du mich? Oder ist es tatsächlich Zufall, dass wir uns in den letzten Tagen ständig über den Weg laufen?“ Die Schlange antwortete mit Bedacht: „Ob unsere Begegnungen Zufall waren? Die ersten beiden Male war ich auf der Jagd und heute habe ich dich hier gesehen und wollte dir für deine Hilfe danken.“ Kurz schien sie über die richtigen Worte nachzudenken, um es besser zu erklären. „Danke für die Rettung meines Lebens. Einer Schlange zu helfen ist nicht selbstverständlich. Mein Meister ist dir sehr dankbar, weil du mich vor der Werhyäne gerettet und nach Hause gebracht hast, damit er mich heilen konnte“, zischelte Nagini erfreut. Harrys Freude hielt sich dagegen in Grenzen. Da rettete er das Leben von Voldemorts Lieblingskriechtier und zum Dank sperrten sie ihn in einen Stall mit umzäuntem Frischluftauslauf. Wütend erwiderte er: „Ja, seine Dankbarkeit kennt keine Grenzen. Darum wurde ich auch betäubt, verschleppt und hier in diesem Gestüt eingesperrt.“ Die Schlange schien eingesehen zu haben, dass Harrys derzeitig unfreiwilliger Aufenthaltsort ein recht brisantes Thema war, welches seine Emotionen hochkochen lies, denn sie versuchte das Gespräch in gemäßigtere Bahnen zu lenken. „Wie heißt du eigentlich? Diese Frage konnte ich vorgestern nicht mehr stellen, weil du es auf einmal sehr eilig hattest, wieder zu verschwinden, nachdem du mich heimgetragen hast und ich herunterfiel. Nicht einmal danken konnte ich dir. Das war nicht sehr nett.“ Da hatte sie recht. Aber seinen Erzfeind Voldemort plötzlich leibhaftig vor sich zu sehen, hatte ihn dermaßen geschockt, dass er in Todesangst panisch das Weite gesucht hatte. Und dabei war jemand zu Schaden gekommen. Durch seine überstürzte Flucht hatte er Nagini ungewollt wehgetan. Es tat ihm leid. Schuldbewusst senkte der schwarze Hengst den Kopf. Um die Schlange versöhnlich zu stimmen, ging er auf ihren Themenwechsel ein. Trotzdem lies Harry seine jahrelang bewährte Vorsicht nicht außer Acht. Nagini war schlau und ihr seinen richtigen Namen zu nennen, könnte seine Tarnung auffliegen lassen und ihn in Gefahr bringen. „Har ... Hadrian. Ich heiße Hadrian.“ „Haa...drii...aan?“, stotterte sie seinen Tarnnamen. „Viel zu langer Name, den kann ich kaum aussprechen, da gefällt mir die Abkürzung wesentlich besser“, verkündete Nagini bestimmend. „Abkürzung? Welche Abkürzung?“ Harry war verwirrt. „Harry. Ich werde dich Harry nennen. Ja, der Kurzname passt viel besser zu dir.“ Mit einem dominanten Nicken unterstrich sie ihre Festlegung. Der Pferdeanimagus war sprachlos. Er hatte der Schlange seinen richtigen Namen verschwiegen und einen falschen genannt. Und Nagini wandelte den falschen Namen unabsichtlich in seinen richtigen um. Musste er Schlangenlogik verstehen? Nein. Würde Protestieren helfen? Nein! Wenn er sich zu sehr sträubte und widersprach, würde sie über seinem Vornamen nur länger nachdenken, irgendwann bei Harry Potter landen und die vielen Gemeinsamkeiten entdecken. Also fügte er sich widerwillig: „Na gut, nenn mich eben Harry.“ Schmollend sah er von der Schlange weg. Sein Blick fiel dabei auf die Sonnenterrasse von Riddle Manor. Ein Schaudern durchfuhr ihn. Voldemort war dort und sprach gerade mit … war das Malfoy, Draco Malfoy? Nun sah er ganz genau hin. Tatsächlich! Draco Malfoy, sein blasierter Mitschüler aus dem Haus Slytherin. Die weißblonden Haare würde er überall wiedererkennen. Das Frettchen war allem Anschein nach ein Todesser geworden und diente ergeben seinem Herrn. Er hatte immer gewusst, dass es mit Draco einmal so enden würde. Aber jeder war seines eigenen Glückes Schmied. Und wenn Malfoy Junior sich gern lebenslang von einem Dunklen Lord herumkommandieren lassen wollte, bitte schön, seine Sache. Sein Blick wanderte von Draco zurück zu der anderen Person auf der Terrasse. Voldemort und seine Todesser – Harry war hier von Feinden umzingelt. Wenn Voldemort herausfand, wer der schwarze Hengst in Wirklichkeit war ... Sein Magen verkrampfte sich schon allein bei der bloßen Vorstellung. Plötzlich schoss ihm ein beunruhigender Gedanke durch den Kopf. Was hatte Nagini vorhin gesagt, ihr Meister wäre ihm dankbar wegen … Harrys Kopf fuhr herum und anklagend schaute er die Schlange an: „Woher wusste dein Meister von dem Angriff der Werhyäne? Du hast ihm davon berichtet, stimmt's! Er kann die Schlangensprache, sagen die Gerüchte. Hast du ihm erzählt, dass ich auch Parsel kann?“ Schreckliche Angst machte sich in ihm breit. Hatte Voldemort ihn schon erkannt und war auf dem Weg zu ihm? Nein, seine Nemesis saß immer noch ganz gelassen auf der Terrasse. Oder hatte er seine Schergen losgeschickt? Ängstlich blickte sich der schwarze Hengst nach allen Seiten um. Nein, alles war ruhig. Er war nicht aufgeflogen. Noch nicht! Glücklicherweise war der „Schlangenbaum“ von Riddle Manor aus schlecht zu sehen, weil die anderen Bäume ihn verdeckten. Harry musste aufpassen, dass er sich nicht durch unbedachte Handlungen verriet. Voldemort durfte ihn auf gar keinen Fall zusammen mit einer Schlange sehen oder mit ihr sprechen hören. Pferde hatten Angst vor Schlangen und hielten sich nicht freiwillig in ihrer Nähe auf. Wenn der Dunkle Lord dann noch erfuhr, dass er Parsel konnte, würde dieser sofort eins und eins zusammenzählen und Harry wäre tot. „Nein, das habe ich, glaube ich, nicht erwähnt“, antwortete Nagini und dachte weiter angestrengt darüber nach. „Nein, ich glaube nicht.“ Erleichtert atmete Harry auf. Der Dunkle Lord hatte keine Ahnung von seinen Parselkenntnissen und so sollte es auch bleiben. Ihm entging dabei völlig Naginis verräterisches Zögern bei der Beantwortung seiner Frage. Die Furcht vor Entdeckung und den schrecklichen Folgen saß sehr tief und so flehte er die Schlange an: „Bitte Nagini, erzähle niemanden davon. Vor allem nicht deinem Herrn.“ Da die Schlange ihn nur ausdruckslos anschaute und versuchte er seine Bitte zu erklären: „Tiere mit außergewöhnlichen Fähigkeiten sind in vielen Augen Raritäten, werden gejagt, gefangen und in Käfigen zur Schau gestellt. Meine Freiheit habe ich schon verloren, ich will nicht auch noch wie ein seltenes Objekt unter strengster Bewachung in einem Hochsicherheitstrakt verwahrt werden. Bitte, behalte dein Wissen für dich.“ Beschwörend sah er seine Gesprächspartnerin an. „Mach dir keine Sorgen. Ich werde nichts verraten, was dir schaden könnte. Versprochen!“, beruhigte Nagini den schwarzen Hengst. Seine ängstliche Anspannung lies etwas nach. Ein grummelndes Geräusch durchbrach die Stille. Verdutzt schauten sich Hengst und Schlange an. Gleich darauf knurrte der Pferdemagen erneut. Peinlich! Aber wenigstens lockerte Harrys lauter Magen die vorher verkrampfte Stimmung auf. „Du solltest vielleicht etwas von diesem köstlichen Weidegras naschen?“, neckte Nagini ihr Gegenüber. Harry verspürte tatsächlich einen Riesenhunger, schließlich hatte er seit gestern Nachmittag nichts mehr zu sich genommen. Sein leerer Magen schrie grollend nach Nahrung. Hungrig sah der schwarze Hengst auf das saftige Grün zu seinen Hufen. „Das ist eine sehr gute Idee. Mein Bauch könnte wirklich eine Kleinigkeit vertragen“, gab Harry ohne Umschweife zu und begann zu grasen, während Nagini ihn schweigend beobachtete. Das Gras schmeckte wirklich so gut wie es aussah. Genüsslich haschte er nach jedem leckeren Grashalm, wobei er die Zeit und seine stille Beobachterin völlig vergas.   Plötzlich zuckten beide Tiere erschrocken zusammen als jemand entsetzt schrie: #Pass auf, vor dir hängt eine riesige Schlange im Baum!# Unisono drehten Nagini und Harry ihre Köpfe zum Neuankömmling. Dark, der große schwarze Hengst, welchen er verletzt im Verbotenen Wald getroffen und sicher nach Hause geleitet hatte, stand auf der Weide mit nach hinten angelegten Ohren und aufgeregt mit dem Schweif schlagend. Er war sichtlich nervös und fixierte die Schlange böse. #Bring dich in Sicherheit, Harry! Das ist die Monsterschlange, die mich gestern auf der hinteren Koppel angegriffen hat#, rief er verzweifelt, weil er den kleineren Hengst in großer Gefahr wähnte. Unentschlossen sah Harry zwischen Dark und Nagini hin und her. Sie würde ihm nichts tun, das wusste er ganz bestimmt. Auf seine Intuition konnte er sich in dieser Hinsicht verlassen. Aber um den großen Hengst zu beruhigen, entfernte er sich ein paar Meter von der „Baumschlange“. „Wirst du mir untreu, Harry?“, kommentierte Nagini seinen Rückzug. „Sehr witzig. Er fürchtet sich vor Schlangen und hat Angst, dass du mich angreifst. Mein Zurücktreten wird seine Befürchtungen verringern“, rechtfertigte der kleinere Hengst seine Hilfeleistung. Dann drangen gurgelnde Geräusche von beiden an sein Ohr. Fast so, als amüsierten sie sich gleichzeitig über etwas, dass er gesagt hatte. Aber er hatte nichts Komisches gesagt! Seine Gedanken drifteten ab als Erinnerungen auf ihn einstürmten. Ron und Hermine im Lesesaal von Hogwarts, auf dem Schlosshof, im Gemeinschaftsraum, in Hogsmeade – wie sich wieder einig waren und gemeinsam über Harrys totale Unkenntnis der Zauberwelt witzelten. Damals, als seine Welt noch in Ordnung war. Und nun waren sie tot. Tot und begraben wie alle seine Freunde und Bekannten. Sinnlos gestorben, in einem Krieg, der nicht ihrer war, den sie weder begonnen noch gewollt hatten. Bis heute spürte er die Wut und den Schmerz über ihren Verlust, suchte die Schuld bei sich, obwohl niemand sie hätte retten können. Er war soweit in die Vergangenheit abgetaucht, dass er nicht bemerkte wie Nagini ihren erhöhten Ruheplatz verlies und sich bedrohlich Dark näherte. Während sie aggressiv zischte, begann dieser zu steigen und mit den Hufen zu stampfen. Harrys Fokus schnappte zurück in die Gegenwart und immer noch furchtbar wütend über die unsinnigen Tode fuhr die Schlange regelrecht an: „Nagini, hör sofort auf damit! Er ist nur ein harmloses Pferd und hat dir nichts getan. Gewalt, egal gegen wen, ist verabscheuungswürdig! Es werden immer die Unschuldigen verletzt und getötet!“ Keuchend holte er Luft. „Lass ihn in Ruhe! Wehe, du tust ihm etwas! Ich warne dich!“ Der kleinere schwarze Hengst drehte sich abrupt um und galoppierte weg zum anderen Ende der Koppel. Erschüttert blieben Nagini und Dark zurück, denn sie hatten während Harrys Wutausbruch den Schmerz in seinen Augen gesehen. Sie kommunizierten ohne Worte, Dark wies mit seinem Kopf Richtung Manor und lief dann dem geflohenen Pferd hinterher. Die Schlange verlies die Weide.   'Einatmen! Ausatmen! Einatmen! Ausatmen!' Harry stand stocksteif da. Langsam legte sich die Wut. Er hatte gehofft, seine emotionalen Gefühlsausbrüche inzwischen hinter sich gelassen zu haben, denn seit er im Verbotenen Wald lebte, ging es ihm wesentlich besser, bis auf die schrecklichen Albträume, welche ihn immer noch heimsuchten. Wut, Zorn, Angst, Schmerz und Verzweiflung waren mit der Zeit leiser geworden, er hatte seine Gefühle im Griff gehabt. Aber ein einziges Wiedersehen mit seinem Todfeind genügte und alles kam wieder hoch. Er konnte die Flut seiner Emotionen nicht abstellen, sie brachen unkontrollierbar hervor, heute morgen panische Angst, eben Wut und Schmerz. Er fühlte sich so verloren und allein. Warum traf es immer ihn? Konnte das Schicksal nicht wenigstens einmal einen Bogen um ihn machen und ihn für den Rest seines Lebens links liegen lassen? Nein, natürlich nicht! Ganz im Gegenteil, es schickte ihn auf direktem Weg in Voldemorts mörderische Arme. Sein Blick wanderte besorgt zur Terrasse. Leer! Voldemort und Malfoy waren nicht mehr da! Hektisch sah Harry sich um. Er war weg! Voldemort war weg! Wo war er? War er hierher unterwegs? Holte Malfoy die anderen Todesser? Würden sie ihn erst umzingeln und dann ... #Was war eben los? Erst zischelst du wild herum und dann läufst du wütend weg? Was hat dich so aufgeregt? Bist du böse auf mich, weil du wegen mir im Gestüt gelandet bist?#, fragte Dark und trat näher. Der kleinere Hengst reagierte nicht, war in seinen trostlosen Überlegungen gefangen. #Warum hast du wie eine Schlange gezischt? Kannst du mit Schlangen reden?#, versuchte der Größere es diesmal mit banaleren Fragen. Harry sah Dark zuerst nur verständnislos an, ehe er sich auf die Fragen konzentrierte. #Äh … nein, ich kann kein Parsel ... äh … keine Schlangensprache! So was können Pferde doch nicht, oder? Ich habe sie nur giftig angezischt, damit sie Angst bekommt und dich in Ruhe lässt. … Und … nein, ich bin dir nicht böse, du kannst ja nichts dafür, dass die Pferdefänger uns aufgelauert haben.# Dark traf keine Schuld. Harry hatte seine bewährte Wachsamkeit aus Sorge um seinen Pferdekumpel vernachlässigt und war deshalb in eine Falle geraten. Er hatte seine Gefangenschaft ganz allein zu verantworten. Dark oder Nagini konnten nichts dafür. Betroffen schaute er vor sich hin. Er hatte seine Wut über den Tod von Hermine und Ron an Nagini ausgelassen und sie angeschrien. Sie war sicher kein Unschuldslamm, aber für den Tod seiner beiden Freunde nicht verantwortlich. Ob sie ihm sehr böse war? Würde sie ihn jetzt doch verraten? War er schon entdeckt worden? Seine Gedanken wirbelten völlig durcheinander. Prüfend schaute sich der schwarze Hengst um – niemand, weder Voldemort noch seine Todesser, marschierte auf ihn zu, er spürte auch keine unmittelbare Gefahr. Aufatmen! Er konnte erst einmal aufatmen. Dark sah das andere Pferd aufmunternd an: #Die Monsterschlange hast du jedenfalls mit deinem Auftritt verjagt und mich vor ihr gerettet. Dankeschön, Harry.# Seine Augen funkelten fröhlich. #Ich freue mich, dich wiederzusehen.# Die Wiedersehensfreude beruhte auf Gegenseitigkeit und Harry fiel ein Stein vom Herzen, als er sich selbst überzeugen konnte, dass der Größere gesund und munter war. #Wow, du bist vollkommen geheilt#, staunte er. #Ja, finde ich auch sehr seltsam. Beim Tierarzt war ein fremder Mann, der mit einem kleinen, dünnen Stock auf mich gezeigt hat und komische Worte murmelte. Kurz darauf war ich geheilt.# #Wo bist du gewesen? Warum warst du nicht schon früher auf der Koppel? Geht es dir wirklich gut?# Geduldig erläuterte Dark: #Harry, dass ist ein Gestüt. Hier werden Pferde gezüchtet und ausgebildet. Dazu gehört vor allem Putzen, Striegeln, Füttern, Tierarzt, Reiten, Training.# #Rei-Reiten? Wie ein Reiter auf dem Rücken?#, stotterte Harry. #Natürlich, die Reitpferde tragen Reiter, werden geritten. Dann gibt es Kutschpferde, Rennpferde oder Zuchtpferde und die Ausnahme.# Der kleinere Hengst war ratlos: #Ausnahme?# #Die berühmte Ausnahme: Ein Pferd, das seinem Herrn besonders am Herzen liegt, welches er liebt und pflegt – so ein Pferd wie du?# #Was? Warum bin ich ein besonderes Pferd? An mir ist überhaupt nichts Besonderes! Ich bin totaler Durchschnitt.# #Doch, es stimmt#, sagte Dark überzeugt. #Es wird überall gemunkelt. Die anderen Pferde haben es gehört, die Stallburschen reden darüber. Der Stallmeister hat es dem Tierarzt und dem Mann mit dem Stöckchen während meiner Behandlung erzählt, dass der herrenlose Wildfang der neue Liebling von Lord Voldemort ist und ihm kein Leid zugefügt werden darf. Harry, weist du überhaupt, was das bedeutet. Du bist ein richtiges Glückspferd. Dir wird es an nichts fehlen. Du erhältst nur das Beste – den besten Stall, das beste Futter, die beste Koppel, die beste Pflege und Aufmerksamkeit. Und niemand außer unserem Herrn darf dich anfassen.# Hurra, lebenslange Gefangenschaft als Lieblingspferd im goldenen Stall oder Folter und Tod als geouteter Harry Potter Ihm wurde ganz schlecht, er wollte nicht auffallen, wollte es nie, doch heute wie damals wurde er gegen seinen Willen, selbst als Pferd, ins Rampenlicht gezerrt und hatte nun wieder die volle Aufmerksamkeit von Voldemort. Er schluckte krampfhaft und starrte ängstlich zur verlassenen Terrasse. Fliehen! Flucht! Er musste hier weg! Und er hatte auch schon eine erste Idee: #Dark, wie bist du eigentlich ausgebrochen, ich meine, wie bist du über den Koppelzaun gekommen?# Der große Hengst stutzte bei der Frage und antwortete nachdenklich: #Ich weiß nicht genau. Ich war auf einer der hinteren Weiden, als diese Monsterschlange mich angriff. Ich wehrte mich, bockte, schlug aus und rammte schließlich irgendwie den Zaun, der durch die Wucht des Aufpralls unter mir zusammenbrach. Dann weiß ich nur noch, dass ich blutend durch den Wald lief. Schwache Zäune sind sehr gefährlich. Die zersplitterten Holzbalken hätten mich auch aufspießen können. Aber sei unbesorgt, Harry. Auf den vorderen Weiden wurden die Umzäunungen alle schon erneuert. Sie sind jetzt höher und verstärkt, können nicht mehr zerbrechen. Wegen meiner unglücklichen Zaunkollision werden jetzt alle älteren Koppelzäune durch neue ersetzt. Unser Herr ist wirklich sehr auf das Wohlergehen und die Sicherheit seiner Pferde bedacht.# Toll! Für seine Pferdchen mutierte Voldemort zum Wohltäter und Sicherheitsfreak. Harry musste erst einmal die ganzen negativen Informationen verarbeiten, die sich wie ein gigantischer Berg vor ihm auftürmten. Sein Gesprächsbedarf war vorerst gedeckt und er schwieg. Knurrend erinnerte ihn sein Magen an eine andere wichtige Sache. Er hatte immer noch Hunger und fühlte sich ausgelaugt. So entkräftet war eine Flucht gleich aussichtslos. Wenig später grasten beide Pferde in trauter Zweisamkeit auf der Weide. Wobei eigentlich nur Harry sich das saftige Gras schmecken lies. Wenn man jahrelang in seiner Pferdeanimagusgestalt feststeckte, stellte man keine hohen Ansprüche mehr an seine Nahrung. Aber er konnte mit Sicherheit beurteilen: Gras war nicht gleich Gras. Und dieses saftige Grün hier auf Riddle Manor war ein Hochgenuss. Voldemorts Pferde lebten wirklich im Pferdeparadies. Aber er war kein richtiges Pferd, dachte er wehmütig. Würde er jemals irgendwo richtig hingehören? Eigentlich hatte er die Hoffnung doch schon längst aufgegeben. Deprimiert kaute er auf ein paar Grashalmen herum und blinzelte zu dem anderen Hengst hinüber. Sein Pferdekamerad schien nicht sehr hungrig zu sein, verschmähte die köstlichen Gräser. Genauso wie Nagini schien Dark ihn lieber zu beobachteten und alle seine Bewegungen zu verfolgen. Eigenartig! #Bist du nicht hungrig?#, fragte Harry über seine Gedanken verwundert. Fast entsetzt blickte Dark auf das Gras: #Nein, ich bin satt. Mein Frühstück war sehr reichhaltig. Aber lass es dir ruhig schmecken.# Ein richtiges Gespräch kam nicht mehr zustande, auf Darks Fragen gab Harry nur einsilbige Antworten, er war zu sehr damit beschäftigt, seine gesamte Situation zu überdenken und seine Möglichkeiten abzuwägen. Kurze Zeit später rief auch schon der Stallmeister nach Dark, weil der Tierarzt ihn abschließend untersuchen wollte. Harry blieb aber nicht lange allein, denn eine gute Bekannte schlängelte auf ihn zu.   ~•~•~•~•~•~ Verträumt saß der Herrscher über Zaubergroßbritannien im Grünen Salon und dachte über sein erstes richtiges „Date“ mit Harry nach. Die Nähe seines Seelenpartners war berauschend gewesen und er war immer noch von den Glücksgefühlen überwältigt. Einziger Wermutstropfen bei ihrem Treffen: Der schwarze Hengst hatte absolut nichts Persönliches von sich Preis gegeben. Harry war extrem vorsichtig gewesen, sah sich auch oft um und horchte in alle Richtungen, als wenn er jeden Moment mit einen Überfall rechnete. Sein kleines Schauspiel – Naginis Angriff auf ihn – sollte ein eventuelles Misstrauen gegenüber Dark zerstreuen, aber Harrys wütender Ausbruch hatte alle erschreckt, dahinter steckten bittere Erinnerungen. Er hatte den unsäglichen Schmerz in seinen Augen gesehen und ihn auch selbst gefühlt. Das Schattenpferd in seinem Geist lief fast Amok, die Nebelbarriere war vorübergehend undurchdringlich geworden. Zum Glück konnte er seinen aufgebrachten Gefährten durch ein ablenkendes Gespräch auf andere Gedanken bringen und beruhigen. Leider war auch die Gefangennahme nicht spurlos an Harry vorübergegangen, obwohl er als Pferd überhaupt nichts zu befürchteten hatte. Aber die Angst war immer da und er misstraute darum jedem. Wie gern hätte Dark alias Tom ihn angefasst und getröstet. Nur hätte der kleinere Hengst dann wegen seiner Berührungsphobie wahrscheinlich im Galopp das Weite gesucht und nie mehr mit Dark gesprochen. Voldemort wollte jetzt immer noch über das weiche schwarze Fell streichen, seine Finger in die seidige Mähne vergraben. Trotzdem erfüllte ihn eine Zufriedenheit, die er bis jetzt nicht gekannt hatte. Harrys Anwesenheit, egal in welcher Gestalt, tat ihm gut.   Seine Tagträumerei wurde durch das leise Klopfen an der Tür unterbrochen, gleichzeitig erschien eine Hauselfe mit einem Silbertablett und stellte ein Teeservice mit frisch gebrühtem Schwarztee sowie einige Snacks auf den Tisch. Nach einem gerufenen „Herein!“ öffnete sich die Tür geräuschlos und Dracos Mutter betrat den Raum. „Narzissa, schön, dass du es einrichten konntest.“ Der Dunkle Lord wies mit der Hand einladend auf den Sessel ihm gegenüber. Lady Malfoy knickste anmutig. „Mein Lord, Danke für Eure Einladung.“ Dann nahm sie wie angewiesen Platz. Wenn Lord Voldemort seine Todesser ohne Angabe von Gründen zu sich befahl, machte sich erst einmal Angst breit, denn der Ausgang dieser Treffen war immer ungewiss und meistens ungesund für die Untergebenen. Das traf aber nicht auf Narzissa Malfoy zu. Sie trank fast jeden Freitag mit ihrem Herrn allein oder in Gesellschaft Tee im Grünen Salon, da Lord Voldemort sie respektierte und zu bestimmten Themen ihre Meinung hören wollte. Und eine Sache war dabei sehr positiv: Während dieser Teezeiten zogen Widerworte keine Cruciatus-Flüche nach sich. Als Draco also seiner Mutter mitteilte, dass ihr Herr sie heute, außerhalb ihrer üblichen Tee-Zeit, zum Nachmittagstee zu sehen wünschte, war sie nicht etwa verängstigt sondern viel mehr aufgeregt. Eine Extra-Einladung zum Tee gab es nur, wenn es sich um eine äußerst delikate Angelegenheit handelte, die dem Lord sehr wichtig wahr, unaufschiebbar und ihr Wissen sowie ihr Fingerspitzengefühl erforderte. Ihr Sohn war auch irgendwie in die Sache involviert, so durcheinander, fast aus dem Häuschen, hatte sie ihn lange nicht mehr erlebt. Darum war sie in der Tat sehr neugierig über das Anliegen ihres Herrn, lies sich aber natürlich nichts anmerken. „Darf ich den Tee einschenken, mein Lord?“, fragte sie gefasst. Dieser gab mit einem Nicken sein Einverständnis. In aller Ruhe schenkte Narzissa den Tee ein, goss ungefragt die richtige Menge Milch dazu und reichte die Tasse ihrem Herrn. Still genossen beide ihren Tee sowie einige Sandwiches und hingen ihren eigenen Gedanken nach. „Wie geht es deinem Ehemann?“, begann der Dunkle Lord das Gespräch mit einer kleinen Stichelei. Lady Malfoy, hochrangige Todesserin, war ein weiterer Grund gewesen, warum er Lucius Malfoy damals am Leben gelassen hatte. Leider mochte sie ihren Ehemann, sehr zu seinem Bedauern. Seine weiblichen Todesser waren meist viel effizienter und hinterlistiger als ihre männlichen Entsprechungen. Und Narzissa Malfoy war die Beste von ihnen, Voldemort schätzte sie sehr, was sie selbst auch wusste. Der Tod ihres Ehemannes hätte sich garantiert negativ auf ihre Arbeitsweise und ihre Loyalität für den Dunklen Lord ausgewirkt, vielleicht sogar zu Verrat geführt, was dann ihren Tod sowie den Tod ihres Sohnes und dessen Frau nach sich gezogen hätte, denn Familienbande waren bekanntlich schon immer sehr stark ausgeprägt bei den Malfoys und sie waren vor allem extrem rachsüchtig, wenn ihre Lieben in Gefahr waren, geschweige denn diesen etwas passierte. In den lenkenden Händen des Dunklen Lords war diese nützliche aggressive Eigenschaft viel effektiver einsetzbar, sehr wirkungsvoll bei Strafaktionen gegen seine Feinde. Voldemort hatte noch nie gutes Todesser-Potenzial verschwendet und das Leben von Malfoy Senior zu verschonen, hatte ihm zwei absolut treue Silberschlangen eingebracht, auch wenn die eine ihren Rang noch nicht offiziell angenommen hatte. Zudem war Lucius Malfoy zehn Jahre lang zu triezen wesentlich befriedigender als ihn in einer einzigen Nacht zu Tode zu foltern. Also sogar „drei Fliegen“ mit einer Klappe, sozusagen ein Schnäppchen. „Nun, mein Gemahl ist wie immer mit einigen Eurer weniger anspruchsvollen Aufgaben beschäftigt. Der Türsteher-Job beim Treffen der Botschafter war gut gewählt und hat Lucius ... ganz in Eurem Sinne ... frustriert." Anerkennend hob sie elegant eine ihrer Augenbrauen. „Euer Geschick, meinen Mann mit den wahrlich belanglosesten Aufgaben zu betrauen, ist wirklich bemerkenswert. Wie lange wollt Ihr meinen guten Lucius eigentlich noch bestrafen? Ich weiß, Ihr seid sehr nachtragend. Aber über zehn Jahre? Er hat seinen damaligen Fehler bitter bereut und hat nie geschwankt in seiner Treue zu Euch.“ Narzissa war ihrem Lord unendlich dankbar, dass er das Leben ihres Ehemann nach Harry Potters Flucht verschont hatte. Lucius erhielt im Zuge der Blutnacht seine gerechte Strafe, humpelte bis heute. Aber sein Herr hatte ihm noch nicht verziehen und piesackte ihn deshalb immer noch, obwohl Lucius Malfoy seitdem keine Fehler mehr machte. Auch wenn ihr Gemahl manchmal ein eingebildeter arroganter Reinblüter-Apostel war, so liebte sie ihn trotzdem, wollte mit ihm alt werden und Enkelkinder hüten, wenn denn ihr Sohn sich endlich befleißigen würde, welche in die Welt zu setzen. Der Lord schmunzelte hinter seiner Teetasse. „Direkt wie immer, meine Liebe. Aber ein Dunkler Lord braucht ab und zu ein wenig Abwechslung von seiner harten Regierungsarbeit und ich habe mich so sehr an Lucius' säuerliches Gesicht gewöhnt, wenn er gefrustet die ihm zugewiesenen Aufgaben erfüllt. Eine Weile werde ich es wohl noch genießen.“ Hatte ihr Herr gerade gescherzt? Lucius Malfoy war seit langem eine Persona non grata und niemand erwähnte absichtlich seinen Namen in Gegenwart des Dunklen Lords, denn dann sank dessen Laune rapide. Aber heute hatte dieser das Thema Malfoy Senior selbst angeschnitten und schien nicht verstimmt darüber zu sein. Trotzdem war sie vorsichtig und wählte ihre Worte mit Bedacht: „Nun, Ihr habt auf alle Fälle seinem Standesdünkel einen gehörigen Dämpfer verpasst. Als Ehefrau stehe ich selbstverständlich hinter meinem Mann, obwohl ich zugeben muss, dass Eure Sanktionen meinem Familienleben gut getan haben. Draco wäre sonst nie aus dem Schatten seines Vaters getreten und so ein vorbildlicher Todesser geworden.“ „Ach Narzissa! Schmeicheleien mit Wahrheit verpackt. Aber du hast recht, dein Sohn hat sich den Rang einer Silberschlange redlich verdient. Ich finde es immer noch schade, dass du selbst damals abgelehnt hast, diesen Rang in meinem inneren Kreis zu bekleiden und lieber im Hintergrund bleiben wolltest, um besser agieren zu können. Wobei ich denke, dass du vor allem wegen Lucius nein gesagt hast. Zwei Silberschlangen in der eigenen Familie hätten ihm doch arge Minderwertigkeitskomplexe beschert, oder? Mein Angebot steht nach wie vor, solltest du deine Meinung ändern“, erklärte Voldemort offen. Ihr Herr war heute wirklich in guter Stimmung, Draco hatte so etwas auch schon erwähnt. Das war sehr ungewöhnlich. Etwas war passiert. Aber ob es gut oder schlecht war, konnte sie noch nicht einschätzen. „Danke, mein Lord. Eure Worte bedeuten mir sehr viel. Ich werde darüber nachdenken.“ „Gut.“ Der Dunkle Herrscher stellte seine leere Teetasse ab und lehnte sich gemütlich zurück, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Hände darüber. „Und nun zu dem eigentlichen Anlass deines Kommens. Ich habe einen Auftrag für dich, Narzissa, der deinen berühmten modebewussten Fähigkeiten entspricht.“ Kurz pausierte Voldemort, aber Lady Malfoy hing an seinen Lippen. „Ich erwarte einen Gast, der bald eintrifft und länger bleiben wird. Leider reist er mit sehr leichtem Gepäck und die Menge seiner Wechselkleidung tendiert gegen Null. Deshalb wünsche ich, dass du eine komplette Garderobe für meinen Besucher zusammenstellst. Kosten spielen keine Rolle, nur beste Qualität, feinste Stoffe, modern aber nicht extravagant, vorrangig Grün, Schwarz, Silber, Weiß, aber auch warme Farben wie Rot und Gold. Hier sind die Maße des jungen Mannes.“ Voldemort lies ein Pergamentblatt vor Narzissa neben ihrem Teegeschirr auftauchen, worauf er Harrys Konfektionsgröße mit sämtlichen Maßen nach seinem Traumbild vermerkt hatte. Dank der Gefährtenmagie waren Träume über den Seelenpartner sehr real, was Aussehen, Statur und Größe betraf. Und wenn er sämtliche Maße notiert hatte, dann war das auch so: von der Slip- über Ring- bis zur Schuhgröße. Lady Malfoy überflog die Notizen. Mit so einer ungewöhnlichen Aufgabe hatte sie nicht gerechnet. Nie und nimmer. Ihr Herr kümmerte sich nie um jemanden. Jedenfalls nicht so. Natürlich lobte er ab und an seine Todesser, wenn sie einen Befehl zu seiner Zufriedenheit ausgeführt hatten und sehr, wirklich sehr selten gab es für herausragende Verdienste auch Belohnungen wie das Leben ihres Ehemannes zu schonen, Angus McLachlan das Beenden seiner Todesser-Karriere zu gestatten, um seinen Lebensabend als Stallmeister in Riddle Manor bei seinen geliebten Pferden zu verbringen, Severus als Schulleiter von Hogwarts zu ernennen und ihm gleichzeitig das gewünschte Fortsetzen seiner Lehrerkarriere im neuen Pflichtfach „Anwendung der dunklen Künste“ zu ermöglichen, Regulus nach erfolgreichem Abschluss seiner geheimen Auslandstätigkeit als neues Oberhaupt des Hauses Black zu bestätigen oder Draco in den Rang einer „Silberschlange“ zu erheben und ihn damit über alle Todesser zu stellen. Ja, Lady Malfoy konnte die tatsächlich belohnten Todesser an einer Hand abzählen. Was hatte es also mit diesem mysteriösen Besucher auf sich? Nach dem Namen brauchte sie gar nicht erst zu fragen, sonst hätte ihr Herr ihn schon erwähnt. Diskretion war also erwünscht. Wer war der rätselhafte Unbekannte? „Ich bin sicher, dass in zwei Wochen alles erledigt sein wird; ebenso wie der Auftrag deines Sohnes! Deine Modeskizzen und Stoffproben sowie Dracos Entwürfe der Innenarchitekten möchte vorher sehen und autorisieren.“ Überrascht schaute sie auf. Innenarchitekten? Was für eine besondere Aufgabe hatte Draco erhalten, die über seine normalen Tätigkeiten hinaus ging und unter seine Schweigepflicht fiel? Sonst hätte er ihr längst davon erzählt. Darum war er vorhin auch so aufgedreht gewesen, weil bei seiner neuen Aufgabe das Know-how seiner Mutter hilfreich wäre, er sie aber nicht fragen durfte. Der Dunkle Lord fing plötzlich an zu lachen. „Du hättest das Gesicht deines Sohnes sehen sollen, als ich ihn mit der Einrichtung der zu meinen Räumlichkeiten gehörenden zweiten Suite beauftragt habe. Ich glaube, er hat da etwas vollkommen missverstanden hinsichtlich des Geschlechts der Person, welche die Räume später bewohnen wird und der Gründe ihrer Anwesenheit.“ Lachend schüttelte er den Kopf. „An Draco ist scheinbar ein kleiner Romantiker verloren gegangen. Er denkt tatsächlich, dass Lord Voldemort auf Freiersfüßen wandelt und deshalb für seine zukünftige Braut die Ehefrauen-Suite gryffindorlight einrichten lässt.“ Immer noch belustigt fuhr er lächelnd fort: „Ich verlasse mich darauf, dass du seine abwegigen Gedankengänge wieder in die richtigen Bahnen lenkst, Narzissa. Und natürlich darfst du deinen Sohn bei der Ausstattung der Räumlichkeiten beraten, du kennst meinen erlesenen Geschmack. Ich habe meinen überkorrekten Sekretär heute Vormittag bewusst nicht berichtigt und ihn als Strafe unter seinem Verschwiegenheitsbann zappeln lassen, weil er sich in diese absurde Braut-Theorie verrannt hatte. Und die Bestrafung ist noch viel nachhaltiger, wenn er von seiner eigenen Mutter in ihrer unvergleichlichen Art auf seine Fehler aufmerksam gemacht wird. Draco tut mir jetzt fast ein wenig Leid.“ Lady Malfoys Augen funkelten mutwillig. „Es wird mir eine Freude sein, meinen Sohn entsprechend 'aufzuklären' und ihm 'helfend' unter die Arme zu greifen.“ Oh ja, Draco würde aus allen Wolken fallen und sich wegen der falschen Vermutungen die Haare raufen. Das würde ihm auch eine Lehre sein, sich zu schnellen Mutmaßungen hinreißen zu lassen, anstatt erst einmal nachzudenken. Aber wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. So kam sie immerhin in den Genuss, ihren Sohn wieder einmal ordentlich aufzuziehen. Weil er dem Dunklen Lord eine Ehefrau in spe zugedacht hatte, konnte sie ihren Sohnemann dank seines witzigen Missverständnisses nun wochenlang necken. In diesem Zusammenhang fiel ihr wieder der eigentliche Grund ihres Hierseins ein. Der unbekannte Besucher! Nachdenklich runzelte sie die Stirn. Eine komplette Garderobe und die exklusive Neugestaltung einer ganzen Suite für einen „normalen“ Gast – und ihr Herr kümmerte sich um alles höchstpersönlich? Ihr war stets bewusst gewesen, dass der Dunkle Lord nur für eine einzige Person eine Schwäche hatte. Sie schaute wieder auf das Pergament: Schwarz, Grün, Weiß, Rot, Gold. Lady Malfoy würde ihr Manor darauf verpfänden, dass der junge Mann grüne Augen und schwarze Haare hatte, sowie eine Narbe auf der Stirn in Form eines Blitzes. Aber sie hütete sich, diese Gedanken laut auszusprechen. Dafür liebte sie ihr Leben und das ihrer Familie viel zu sehr. Und so bald die Räume bezogen wurden, würde die Identität des geheimnisvollen Besuchers sowieso gelüftet werden. Wissend schaute sie zu ihrem Herrn, der die ganze Zeit schon äußerst zufrieden wirkte. Nun relativ sicher und erleichtert lehnte sie sich zurück. Das Ende von Lucius' Martyrium war in greifbare Nähe gerückt, weil die Ursache seiner jahrelangen Bestrafung schon bald wie ein Phönix aus der Asche wieder auftauchen würde. Und diesmal nicht als Feind. Nein, ganz sicher nicht als Feind, sondern als ... Vielleicht lag Draco doch nicht ganz so falsch bei seinen Unterstellungen. „Ich erwarte konkrete Vorschläge von dir und Draco bis spätestens Mittwoch!“, beendete der Dunkle Lord ihr aufschlussreiches Treffen und erhob sich. Eilig stand sie ebenfalls auf. Sie hatte viel zu tun. „Sämtliche Unterlagen werden pünktlich auf Eurem Schreibtisch liegen, mein Lord.“ Mit einem Knicks verabschiedete sich Lady Malfoy.   Eigentlich hatte Lord Voldemort dem schwarzen Hengst heute morgen im Stall versprochen nachmittags noch einmal vorbeizuschauen. Aber darauf verzichtete er lieber, sein Seelengefährte war heute schon verstört genug gewesen. Und seinen Todfeind, welchen Harry für das meiste Elend in seinem Leben verantwortlich machte, wobei er leider gar nicht so unrecht hatte, zweimal am Tag zu sehen, wollte Voldemort ihm nicht zumuten. Harry musste sich erholen und das konnte er – ärgerlicherweise – besser ohne ihn. Zum Glück mochte er Nagini und duldete sie in seiner Nähe. Sie würde in seiner Abwesenheit aufpassen und seinen Gefährten von Dummheiten abhalten. Da der geplante Besuch nun also ausfiel, könnte er doch eigentlich jemand anderen besuchen. Ja, das war eine gute Idee. Voldemort begab sich in sein Arbeitszimmer während er über ihr Dunkles Mal einige Todesser zu sich befahl. Regulus Black kannte Spanien wie seine eigene Westentasche und würde als Fremdenführer dienen, wenn Lord Voldemort heute Abend zu einer kleinen Strafexpedition aufbrach, um dem Zauberer, welcher ihn öffentlich verunglimpft hatte, Respekt beizubringen. Er würde ihn nicht gleich umbringen, die Zeiten waren vorbei, aber viel Spaß dabei haben, ihm ordentlich auf die Finger zu klopfen. Voller Vorfreude schritt er zu seinem Schreibtisch und blieb verdutzt mitten im Zimmer stehen. Wann hatte er das letzte Mal soviel Vergnügen an der Planung und Durchführung eines Ausfluges gehabt? Wann war er das letzte Mal so voller Tatendrang und Euphorie gewesen? Die Antwort war einfach: Vor über zehn Jahren, bevor Harry Potter verschwand. Und jetzt war er wieder da.   ~•~•~•~•~•~ „Komm, Hübscher. Es ist Abend, da gehören brave Pferde in den Stall. Komm, Aris!“ Wie erwartet, reagierte der schwarze Hengst überhaupt nicht auf seine Worte oder seinen neuen Namen. Anfangs mussten neue Pferde häufig mit sanften Nachdruck an den Stallalltag herangeführt werden, bis sie die Regeln gelernt hatten. Und der Neuzugang schien noch eigensinniger zu sein als alle anderen davor. Also würde Angus wohl in den nächsten Tagen jeden Abend über die große Weide laufen müssen, um den hübschen Schwarzen in seine Box zu locken oder zu treiben. Gemächlich näherte er sich dem Tier, um es nicht zu erschrecken und redete, damit er sich an seine Stimme gewöhnte und wusste, wo er war. „Weißt du, nachts kriecht und fleucht hier allerhand Getier aus dem dunklen Wald herum. Richtig gruselige Kreaturen. Du willst doch sicher keiner Schlange oder bösen Wölfen begegnen. Die verirren sich nämlich manchmal hierher und fressen ungehorsame Pferde, die nicht in den Stall wollten“, spann er sein Ammenmärchen fort, um den Redefluss am Laufen zu halten. Der Dunkle Lord hatte natürlich seine gesamten Ländereien vor den gefährlichen Waldbewohnern geschützt. Dann stockte sein Schritt. Wenn man vom Teufel sprach! Nagini hatte sich vermutlich aus Neugier bis auf ein paar Meter an den schwarzen Hengst herangeschlichen. Angus befürchtete schon das Schlimmste, wenn der Hübsche die Schlange entdeckte. Aber dieser tat etwas völlig Unerwartetes: Er wich vor dem Stallmeister zurück und näherte sich fast schutzsuchend der riesigen Schlange. Verrückt! Mit dem Pferd stimmte definitiv etwas nicht, die Jahre in Freiheit hatten ihre Spuren hinterlassen. Ob er sich jemals hier richtig einfügte war fraglich. Aber nun gehörte der schwarze Hengst in den Stall. Vorsichtig umrundete er ihn und versuchte ihn von der Schlange weg in Richtung Stallgebäude zu treiben. Nur spielte dieser leider nicht mit. Erst mit Verstärkung in Form von mehreren Pferdepflegern stand der Hengst sehr viel später wutschnaubend in seiner Pferdebox. Besser Wut als Angst, dachte Angus und verabschiedete sich mit: „Schlaf gut, Hübscher.“ Beim Hinausgehen schaltete er noch die Nachtbeleuchtung ein, der gesamte Stall wurde dunkel, nur ein paar Notlichter erhellten schwach den hinteren Stallbereich. Der Stallmeister von Riddle Manor liebte seine Arbeit mit den Pferden über alles und das Gestüt war nach dem Krieg sein zweites Zuhause geworden. Er lebte quasi hier, fühlte sich für alle Pferde verantwortlich und da er wenig Schlaf brauchte, waren mitternächtliche Kontrollgänge über die Jahre hinweg zur Gewohnheit geworden. Deshalb stand er jetzt auch im Mondlicht vor der Boxtür des Hübschen und überwachte seit geraumer Zeit nachdenklich seinen Schlaf. Der Hengst hatte sich hingelegt und regelrecht in das weiche Stroh gekuschelt, schlief tief und fest, aber auch sehr unruhig. Angus war besorgt. Ausgewachsene Pferde erholten sich nachts in mehreren kurzen Tiefschlafphasen, wozu sie sich in Seitenlage ausstrecken und sich nach fünfzehn bis fünfundzwanzig Minuten erheben müssen, da sonst ihre Lungenfunktion beeinträchtigt wird. Der neue Hengst dagegen schlief schon über drei Stunden durch und schien keine Schwierigkeiten mit der Atmung zu haben. Das war nicht normal! Oder hatte den Hengst die ganze Aufregung der letzten zwei Tage so erschöpft, dass er in einen langen komatösen Schlaf fiel? Quatsch! Da mussten Pferde schon todkrank sein und der Hübsche war heute den ganzen Tag putzmunter auf der Weide, spielte sogar Schlangenbeschwörer mit Nagini. Nein, hier stimmte irgendetwas nicht. Etwas war falsch, er kam nur nicht darauf. Sicherheitshalber würde er trotzdem bis zum Aufwachen bei seinem neuen Schützling bleiben und seinen Gesundheitszustand überwachen. „Was machst du hier um drei Uhr morgens, Angus?“, fragte eine tiefe Stimme unheilvoll in die Stille hinein. Gleich darauf trat sein Herr aus der Dunkelheit des Stallganges ins schwache Licht und blickte kontrollierend auf den schlafenden Hengst. „Mein Lord, der Hübsche, ich meine Aris, schläft schon mehrere Stunden und ist zwischendurch nicht einmal aufgewacht, wobei seine Atmung völlig normal geblieben ist. Ich habe mir Sorgen gemacht und wollte ihn nicht allein lassen. Zur Sicherheit will ich morgen nochmal den Tierarzt rufen.“ Voldemort schaute sein neues Lieblingspferd prüfend an. „Du hast mir selbst bestätigt, dass er lange in Freiheit gelebt hat. Ich vermute, dass er tagsüber sehr wachsam sein musste, während er nachts einen sicheren Platz zum Schlafen hatte, deshalb hat sich sein Schlaf-Rhythmus an die besonderen Gegebenheiten angepasst“, beruhigte ihn sein Lord und lenkte ihn gekonnt vom Offensichtlichen ab: Der schwarze Hengst hatte die Schlafgewohnheiten eines Menschen! Denn Animagi blieben trotz ihrer Tiergestalt im Innern menschlich. „Gute Nacht, Angus!“, verabschiedete der Dunkle Lord seinen Stallmeister. Als dieser zögerte, den Stall zu verlassen, setze er noch hinzu: „Ich bleibe hier und passe auf.“ Merklich erleichtert verlies Angus den Stall. Endlich allein öffnete Voldemort leise die Boxtür, ging zu seinem Seelenpartner und kniete sich neben ihn. Sanft streichelte er den Hengst, lies die Gefährtenmagie vorsichtig fließen, um ihn zu beruhigen und die Albträume zu vertreiben. Harry sah schlafend auch in seiner Pferdegestalt wirklich süß aus wie er so dalag. „Fehlt nur noch ein Kuscheltier“, witzelte Voldemort schelmisch und beugte sich näher zu den weichen Pferdeohren. „Aber keine Sorge, mein Liebling, in absehbarer Zeit werde ich diesen Part übernehmen.“ Voldemort machte es sich bequem, er war noch nicht müde und ließ seine Gedanken treiben. Sein erfolgreicher Kurz-Trip nach Spanien, von dem er eben erst zurückgekehrt war, hatte ihn sehr belustigt. Der jämmerliche Zauberer war ziemlich schnell, kaum dass er mit seinen „harmlosen“ Folterspielen begonnen hatte, zusammengebrochen und jetzt als neuester Todesser lebenslang unter seiner Kontrolle. Mit frischem Dunklen Mal begann dieser augenblicklich mit seiner ersten Aufgabe, nämlich alle spanischen Zauberer vor der Rache eines Dunklen Lords zu warnen und selbst als mahnendes Beispiel zu dienen, nur um dessen bedrohlicher Gegenwart schnellstens zu entkommen. Tom kicherte, seine Wirkung war immer noch furchteinflößend, wenn er wollte. Aus Spanien jedenfalls würden sich so bald keine kritischen Stimmen mehr zu Wort melden. Doch so unterhaltsam der Ausflug auch war, befriedigender war die Heimkehr nach Riddle Manor gewesen – vorher nur ein einsamer Ort, an dem er wohnte, ab jetzt ein Zuhause, wo jemand auf ihn wartete. Liebevoll blickte Tom auf seinen Seelengefährten und flüsterte glücklich: „Mein 'Aris'!“, wobei er leise vor sich hin lachte. Harry würde ausflippen, wenn er die wahre Bedeutung seines Pferdenamens erfahren sollte. Aber so schlief der schwarze Hengst völlig ahnungslos unter sanften Streicheleinheiten entspannt weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)