Police-Secrets von Ookami-no-Tenshi (Leben in der Zukunft) ================================================================================ Kapitel 32: Letter ------------------ „Ich, ähm... ich habe Sie gesucht“, meint Eren förmlicher, als er es gewöhnt ist. Doch Levis Aura schüchtert ihn im Moment mehr ein, als je zuvor. So kalt hat er nicht einmal seinen verbrecherischen Onkel, geschweige denn die anderen Ganoven angesehen. „Deshalb musst du auch in meinen Sachen herumwühlen, oder Balg?“, kommt die Aussage gefährlich leise von dem Schwarzhaarigen. „Nein, ich...“, fängt der Jüngere an, doch er hat abrupt keine Ausrede mehr parat. Wäre Mikasa es gewesen, die ihn erwischt hätte, könnte er alles mit einem verschmitzten Lachen einfach abtun und es wäre gut gewesen. Sie hätte ihm locker verziehen. Doch bei Levi ist das eine ganz andere Geschichte. Kalt starrt er dem Braunhaarigen in die Augen. Aber der Jüngere sieht nicht nur das in seinem Blick. Tief unter der frostigen Kälte liegt auch noch eine andere Emotion vergraben, die Eren nur zu gut kennt. Enttäuschung und noch weiter darunter sieht er gut versteckte Verletzlichkeit. Levi kann durch die Mauer um sein Herz vor allen anderen seine Gefühle verstecken, doch der Braunhaarige sieht durch sie hindurch, als wäre sie aus Glas. „Levi, es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass die Kiste dir so wichtig ist“, entschuldigt sich Eren lieber schnell. Im Geheimen weiß er nun, dass der Namen und die blutigen Abzeichen sicherlich nicht umsonst da drin liegen. Der junge Polizist kann nur erahnen, was für eine traurige Geschichte hinter den Sachen steckt. Doch der letzte Satz des Braunhaarigen scheint zumindest Levi die Nerven verlieren zu lassen. „Raus hier!“, ruft der Leiter der Spezialeinheit und verpasst seinem Gegenüber eine heftige Kopfnuss. Dieser beißt seine Zähne zusammen und hastet aus dem Raum. Als er hinter sich die Tür schnell zuknallt, atmet Eren erst einmal tief ein und aus. Danach lässt er sich gegen die Holztür sinken und sitzt schon bald am Boden, nicht ahnend, dass Levi genau das Gleiche tut. Nach seinem Wutausbruch hat der Schwarzhaarige die wenigen Schritte zur Tür noch gemacht, immer noch leicht knurrend, ehe Levi wieder Herr seiner Sinne wird. Mit einem lautlosen Seufzen lehnt er schließlich seinen Kopf gegen das kalte Holz. Was ist nur los mit ihm in letzter Zeit. Nicht nur seine Gefühle spielen verrückt, sondern er verliert nach und nach die Kontrolle über sie. Einige Sekunden lang steht er nur stumm so da, ehe er sich umdreht, die Schatulle von seinem Nachttisch nimmt und sich auf den Boden setzt, mit dem Rücken zur Tür. Vorsichtig öffnet er das quietschende Schloss und blickt gleich darauf in seine eigenen, leer scheinenden Augen. Der zerkratzte Spiegel zeigt dem Schwarzhaarigen überdeutlich, wie sehr die ganze Situation an ihm selbst nagt und Eren hat es gerade nicht unbedingt besser gemacht. Trotzdem sollte Levi nicht gleich aus der Haut fahren. Doch oft scheint genau das die einfachste Lösung zu sein. Mit den Fingerspitzen fährt der Leiter der Spezialeinheit jeden Buchstaben des Namens nach, der unter dem Glas eingraviert ist. Dabei stört er sich nicht daran, dass seine Fingerkuppen an dem splittrigen Holz aufreißen und viele der kleinen Splitter in seiner sensiblen Haut stecken bleiben. Eren hat sich in der Zwischenzeit auch nicht vom Platz bewegt. Noch immer denkt er über seinen Fund nach. Im Gehirn des Braunhaarigen rattert es. Diesen besonders traurigen Blick hat er schon einmal bei Levi gesehen, aber ihm will einfach nicht einfallen, wann und wo. Während dem Überlegen fängt er an, an seinen Fingern herum zu kauen, eine Angewohnheit, die er schon seit Kindertagen hat und einfach nicht mehr los wird. Plötzlich jedoch schreckt der junge Mann auf. Ihm ist auf einmal klar geworden, woher er diesen Blick kennt. Vor einiger Zeit im Krankenhaus, als Levi ihm von seinen Freunden erzählte, die er verloren hat, genau da war sein Blick der Selbe. Kalt, reserviert, doch darunter verletzlich und enttäuscht. Wobei dieses Mal hängt die Enttäuschung wohl eher mit Eren selbst zusammen. Augenblicklich verbindet der Braunhaarige die unsichtbaren Punkte miteinander. Kann es wirklich sein, ist es möglich, dass... dass diese Abzeichen, die blutigen Stofffetzen, dass sie seinen Freunden gehört haben? Es würde Levis Verhalten einigermaßen erklären, zumindest ein wenig. Dann muss er sie aber irgendwie auch von ihren Uniformen abgeschnitten haben, von Uniformen toter Menschen! Eren graust alleine der Gedanke daran, doch so langsam ergibt alles einen Sinn. Alles bis auf den Namen Kuchel, der in die Schatulle eingeritzt ist. Heißt so vielleicht einer der Beiden? Oder gehört dieser Name jemand anderen, den der Schwarzhaarige ebenfalls verloren hat? Von den ganzen neuen Eindrücken überflutet, steht der junge Mann erst einmal auf und atmet schwer aus. Er kann nicht glauben, was er soeben gesehen hat und er hat eines der Tücher sogar noch auseinander gefaltet! Eren kommt sich selbst gerade wie ein Idiot vor. Irgendwie muss er sich bei Levi entschuldigen. Es war sowieso falsch in seinen Privatsachen herumzuschnüffeln. Das wäre es auch gewesen, wenn er nur belanglose Dinge gefunden hätte. Schnell macht sich der Braunhaarige also auf den Weg in die Küche. Dort setzt er zunächst einen Tee auf, immerhin trinkt Levi diesen am Liebsten. Danach setzt er sich selbst an den Esstisch und schnappt sich Papier und einen Kugelschreiber. Auf gar keinen Fall möchte er seinem Vorgesetzten nur eine SMS, oder Mail schreiben, aber im Moment ist ein persönliches Gespräch auch nicht wirklich das, was Eren sich wünscht. Daher hat er beschlossen, Levi einen Brief zu schreiben und glücklicherweise scheint Oluo einen Brieftick zu haben. In der Küche wird man wohl immer Druckerpapier und Stifte finden, obwohl hier niemand arbeitet. Doch der Grauhaarige schreibt in diesem Raum gerne seine „speziellen“ Briefe. Jeder weiß, dass er sie niemals abschickt, meistens sitzt er sowieso nur träumend vor einem leeren, weißen Blatt. Eren würde es sowieso sehr interessieren, worum es in seinen Briefen geht. Pro Woche schreibt Oluo immerhin mindestens einen davon. Aber das hat nun Zeit. Vorrangig ist es jetzt, dass der junge Mann es schafft, ein eigenes Schreiben an Levi zusammen zu bringen und das am Besten noch mit viel Gefühl. Der Schwarzhaarige soll merken, wie leid es Eren tut und dass er ihn wirklich nicht verletzen wollte. Also vergeht knapp eine Stunde, in der der Polizist nur fluchend vor seinem Papier sitzt und es immer wieder zu einem Bällchen zusammen knüllt. Dann aber ist er mit seinem Werk halbwegs zufrieden, zumindest kann man alle seine Worte lesen. Nachdem Eren den Tee, der mittlerweile natürlich ungenießbar geworden ist, ebenfalls neu gemacht hat, geht er mit einem Silbertablett zu Levis Zimmer. Dort angekommen schlägt ihm das Herz bis zum Hals, als er das Tablet vorsichtig auf den Boden abstellt, den Brief dazu legt und schnell klopft. Gleich darauf verschwindet der Braunhaarige hinter der nächsten Ecke. Wenn Levi ihm verzeiht, weiß er, wo er ihn findet. Der Schwarzhaarige sitzt in der Zwischenzeit immer noch unbewegt auf dem gleichen Fleck. Er weiß auch nicht, wie viel Zeit vergangen ist, als er das vibrierende Klopfen an der Tür gegen seinen Rücken spürt, nur ganz kurz, fragend, fast schon bittend. Augenblicklich strafft der Leiter der Spezialeinheit seine Schultern und steht auf. Wenn ihn so jemand aus seinem Team, oder noch schlimmer Erwin sehen würde, wäre der ganze Respekt, den er sich über Jahre hinweg verdient hat, dahin. Doch als Levi schließlich seine Tür harsch öffnet, findet er keine Menschenseele davor. Fast schon wütend wegen dem Streich, wandert seine Augenbraue jedoch plötzlich nach oben, als sein Blick auf den Boden fällt. Schön aufbereitet steht dort ein Tablet mit seiner Lieblingstasse und einer Kanne frischem Tee daneben. Zusätzlich dazu liegt ein gefalteter Zettel neben dem Silberlöffel, der perfekt gerade neben seiner Tasse platziert wurde. Leicht verwundert nimmt der Schwarzhaarige die Sachen hoch und trägt sie zu seinem Schreibtisch. Nachdem er sich einen Schluck der dampfenden Flüssigkeit gegönnt hat, holt er auch das Papier vom Tablet und faltet es auseinander. Als er das tut, zucken seine Mundwinkel kurz. In recht krakeliger Schrift steht dort nur ein Satz. Darunter sind kleine Blümchen und ein niedliches Abbild von Levi selbst, welches gerade zu putzen scheint, mit Kugelschreiber gezeichnet worden. Bewundernd mustert der Schwarzhaarige erst die Zeichnung, die überraschend gut aussieht, ehe seine Augen über die wenigen Worte fliegen, die sich über dem Bild befinden. Nachdem das getan ist, schüttelt der Leiter der Spezialeinheit seinen Kopf und trinkt seine Tasse leer. Den restlichen Tee in der Kanne lässt er unberührt. Dazu bleibt später noch genug Zeit. Zuerst muss er nun nämlich Eren finden und wie er diesen kennt, sitzt er entweder irgendwo mit seinen Freunden zusammen, oder er unterhält sich mit seiner Einheit. Ganz im Gegenteil zu Levi muss der Jüngere nämlich immer jemanden um sich herum haben und ist sehr schnell von gemütlicher Stille gelangweilt. Wie er es sich schon gedacht hat, findet der Schwarzhaarige seinen Rekruten auch sogleich in der Kantine, wo schon für das Abendessen vorgekocht wird. Dabei meldet sich Levis Magen leise zu Wort und dem Leiter der Spezialeinheit wird bewusst, dass er heute seit dem Morgen nichts mehr zu sich genommen hat, was aber im Moment nicht wichtig ist. Je näher Levi zum Tisch kommt, an dem der Braunhaarige mit seinen Freunden sitzt, desto lauter wird auch Erens Streitgespräch und mit wem führt er dieses? Natürlich wieder mit Jean. Der Schwarzhaarige fragt sich ganz ehrlich, wie ihre Lehrer es ausgehalten haben, dass die Beiden sich nahezu immer, wenn sie sich über den Weg laufen, streiten müssen. Innerlich die Augen verdrehend bleibt Levi kurz darauf mit ein wenig Abstand zu der Gruppe stehen und hört kurz zu. „Gar nicht wahr!“, ruft Jean gerade aus, woraufhin Eren erwidert. „Doch wahr! Mach dich nicht immer an sie heran!“ „Das habe ich doch gar nicht!“ „Und ob, wir haben es doch alle gesehen! Nicht wahr Armin?“, fragt Eren in diesem Moment, doch sein blonder Freund hat seinen Kopf schon lange zuvor auf den Tisch gelegt und versucht die Streithähne einfach zu ignorieren. „Halt endlich deinen Mund, du Verrückter!“, kommt es hingegen sogleich von Jean zurück. „Ich und verrückt? Schau dich erst einmal selbst an Pferdefresse!“ Da es wahrscheinlich noch Stunden so weiter ginge, wenn nichts passiert wäre, entscheidet Levi sich kurzerhand dazu, mit einem Räuspern auf sich aufmerksam zu machen. Mit seiner üblich kalten Maske blickt er in die Runde, als sich im selben Moment alle Blicke auf ihn legen. Danach folgt ein kurzes Nicken und Eren weiß sofort, dass er mitkommen soll. Mit einem entschuldigenden Lächeln blickt er zu Mikasa und Armin. Sein bester Freund erwidert die Geste und als der Braunhaarige schlussendlich weg ist, wirkt Jean fast so, als würde er schmollen. Kaum zu glauben, aber für Armins geübtes Auge schaut es wirklich so aus, als würde das Pferdegesicht sich nun von Eren versetzt fühlen. Eine wirklich komische Beziehung, die die Beiden da haben. Das muss man wohl oder übel sagen. Währenddessen folgt Eren brav seinem Vorgesetzten, unsicher, ob er etwas sagen soll. Doch das wird ihm gleich abgenommen, als Levi sich plötzlich seinen Arm schnappt und den Jüngeren in ein kleines Nebenzimmer zieht. Dort wird der überraschte Braunhaarige erst einmal fest gegen die Wand gedrückt, während Levi sich so knapp vor ihn stellt, dass ihre Nasenspitzen sich fast schon berühren. „Du idiotisches Balg“, flüstert der Ältere als nächstes, ehe er ihre Lippen miteinander verschließt. Als Eren das spürt, fängt er an zu grinsen, in den Kuss hinein. Es fällt ihm wahrlich ein zentnerschwerer Stein vom Herzen. Also hat Levi ihm wohl vergeben. Glücklich erwidert er die Berührung sofort, was schließlich in einem heißen Gefecht ihrer Zungen endet. Dieses Mal jedoch gehen sie beide nicht weiter, sondern tun etwas anderes. Eren hat es sich im Schneidersitz bequem gemacht, mit dem Älteren auf seinem Schoß, während dieser sich genießerisch an die gemütliche Brust des Braunhaarigen lehnt. Nach einigen Minuten der Stille kommt es plötzlich von Levi: „Deine Zeichnung war überraschend gut.“ „Danke, eigentlich wollte ich auch Künstler werden. Zumindest bevor das mit Mutter passiert ist“, antwortet der Braunhaarige ehrlich froh, während seine langen Finger mit Levis mattem Haar spielen. „Wie bist du eigentlich auf die selten dämliche Idee gekommen, einen Brief zu schreiben?“, fragt der Kleinere als Nächstes, doch Eren hat sogleich eine passende Antwort darauf. „Sie kann gar nicht so dämlich gewesen sein. Immerhin bist du nun bei mir.“ Daraufhin kommt kein Kommentar mehr von dem Schwarzhaarigen. Er boxt seinem lachenden Freund nur kurz in die Seite, was dieser ihm nicht übel nimmt. Nach ein paar weiteren Minuten erhebt Levi aber noch einmal seine Stimme. „Ich gehe übrigens davon aus, dass du auch tust, was du versprochen hast.“ Immer noch grinsend denkt Eren an die Worte zurück, die er Levi geschrieben hat. Einfache, spaßig gemeinte Worte, die aber genau die Richtigen waren. ~ Ich putze dein Zimmer das ganze nächste Monat lang und ich werde alles tun, was du mir sagst! ~ Nicht mehr und nicht weniger. Nichts Ernstes und doch gut überlegt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)