In an other world von Miko_Milano (my little paradise) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Freitag, der zwanzigste Januar Zweitausendsechs und ich wünschte dieser Tag wäre aus dem Kalender gestrichen worden. Ein Tag wie jeder andere, doch für mich einer der schrecklichsten meines Lebens, der so viel neues brachte, so viel veränderte und doch, er hat so wenig für mich getan, mir so wenig Glück gebracht. Er hat mir nur weh getan. So wie jedes Jahr. Immer wieder. Der zwanzigste Januar. Mein Geburtstag! Am Morgen sah alles noch so schön aus, meine Eltern, Kevin und Kaya, Sarah, sie haben mir gratuliert. Ich habe Geschenke bekommen, schöne Geschenke, ich habe mich seit langem wieder über meine Geschenke gefreut. Nicht nur ein wenig, oder nur gespielt. Ich hab mich gefreut. Da war die Welt noch in Ordnung. Hätte ich gewusst, was der Tag noch bringen würde, ich wäre nie aus dem Haus gegangen, wäre nicht hoch gekommen, als mein Besuch kam, ich hätte den Tag an mir vorbei ziehen lassen, bis er in unendlicher Ferne gewesen wäre, solange bis niemand mehr daran gedacht hätte. Vielleicht wäre das nicht einmal solange gewesen. Vielleicht hätte es nur einen Tag gebraucht. In der Schule fing es an. Nicht mit Absicht, nicht böse gemeint, aber schmerzend, verletzend, nicht begreifbar für das kleine Ding in meiner Brust, das sich mein Herz nennt. Als ich in der Schule ankam war das erste was ich hörte "Jenny hat heute Geburtstag!" und sie strahlte mich an, Nicole, eine Klassenkameradin. Ich lächelte und sagte nur "Ich weiß!", dann sah sie mich an, überlegte, bis ihr einfiel, dass heute auch mein Geburtstag war. Ein "Herzlichen Glückwunsch!" dann war ich wieder uninteressant. Ich stand nur daneben und lächelte. Doch tief in mir schrie mein Herz sie an. Ich konnte nicht hinsehen, schaute weg. Ich schluckte meinen Frust hinunter und sah auf. Lächelnd, damit niemand etwas bemerkte, damit niemand fragte. Doch ob sie gefragt hätten, da bin ich mir nicht einmal so sicher. Wenige Minuten später kam Katrin dazu, und Gordy, ein Mädchen aus der Nachbarklasse. Wieder Glückwünsche. Dann ein erneuter Schlag ins Gesicht, als Katrin mir sagte, dass sie an diesem Tag nicht zu meiner "kleinen" Feier kommen könne. Ich lächelte und schluckte, dann sagte ich, es wäre okay. Wir redeten belangloses Zeugs, ich stand nur da, ich sah durch alles und jeden hindurch, merkte nichts mehr. Das Lächeln auf meinem Gesicht wurde zur Gewohnheit an diesem Tag. Eine Gewohnheit, die wie eine Maske mein Gesicht versteckte, die Tränen verbarg, die ungeweint zu Boden stürzten, um ungesehen zu zerspringen, zu sterben. Wir gingen hoch, Unterricht, von hier und da ein paar herzlose Glückwünsche, immer wieder ein Danke, ein lächeln, ein kleiner Stich mehr, doch ich bemerkte es nicht. Wollte es nicht bemerken. Wollte nur noch weg, fort von hier. Mir ging es schon seit drei Tagen nicht gut, hatte Schwindelanfälle, bekam Kopfschmerzen und spürte die Übelkeit in mir aufkommen. Und dann, wieder ein kräftiger Schlag ins Gesicht. Hatte ich vorher noch Jenny gratuliert und sie mir, so saß ich nun in der Klasse auf meinem Platz und sah zu, wie Jenny die Kerzen auf dem Kuchen ausblies, alle sie umjubelten und sie strahlte und lachte, während ich hart schlucken musste, um nicht weinend raus zu rennen, mein Lächeln aufsetzte und ihr fröhliche Dinge zurief, ihr Mut machte, sie anfeuerte und dabei mein Herz immer mehr verlor. Stückchen für Stückchen, bis nur noch ein leerer Fleck in mir herrschte, der mich zu verschlingen drohte. Ein kleines Stückchen Eis, das härter als Stein war, mich frieren ließ, doch mich nicht daran hinderte, das kleine Spielchen, dass man Leben nennt, fortzusetzen. Mir wurde immer schlechter, alles drehte sich erneut, wieder wurde mir schummrig und ich hielt es letztendlich nicht mehr aus, ließ mich entlassen, wollte für diesen Tag nur noch weg, weg von all den Leuten, die mir unbewusst so weh taten, dass ich mich selbst nicht mehr aushielt, mich zerreißen wollte, mich betäuben wollte, mich und diesen Schmerz, der mich lähmte, bis ich keine Kraft mehr hatte, das lächeln zu erhalten und den Tag zu überstehen. Es wurde besser, für kurze Zeit. Wieder zum Arzt, untersuchen lassen. Nichts feststellen können. Nach Hause, dort wartete der erste Besuch. Oma und Opa, die Eltern meiner Mutter, sie waren bereits da, ich wurde begrüßt, ich dachte, es könne nur besser werden. Dann endlich, das Kaffee trinken, welches ich eigentlich nicht leiden kann. Ich bemühte mich, doch irgendwann war dann Schluss mit meinem Verstand. Ich verweigerte Sarah ein Stückchen von dem Kuchen, den meine Mutter für mich gebacken hatte. Ich blieb hart, erst bemerkten es meine Eltern und Omas und Opas nicht. Ich hatte nicht die Absicht, nach zu geben. Ich weigerte mich, ihr ein Stück zu gönnen. Schließlich rannte Sarah heulend hinaus und hoch. Ich lachte sie aus, ich hatte nicht das geringste Anzeichen von Reue oder schlechtem Gewissen. Die Erwachsenen meinten mich dafür verachten zu müssen. Doch in mir drin spürte ich Genugtuung. Ich war stolz auf mich. Stolz darauf nicht nach gegen zu haben. Stolz darauf, ihr ein wenig von dem gegeben zu haben, was sie mir angetan hatte. Wieder einmal sahen die Erwachsenen nur das arme, kleine Mädchen und das böse, verzogene Gör. Wieder hatte sie es geschafft. Tränen wollten sich ihren Weg bahnen, als man mir sagte, wie verabscheuungswürdig mich das machen würde. Ich schluckte, ich lachte, dann schob ich es in meine hinterste Gedankenwelt, nahm um mich herum nichts mehr davon wahr. Wieder einmal war Sarah der Mittelpunkt, das Mädchen, dass alle mochten, alle liebten. Und ich stand daneben und lächelte. Lächelte für die Tränen, die in meiner Seele zu Boden fielen, um auf dem kalten Grund zu sterben, so wie ich es in diesem Moment ebenfalls tat... Weinend sitze ich jetzt hier, schreibe über das was an meinem Geburtstag, der nun genau seit 48 Minuten vorbei ist, geschah und versuche fest zu halten, was ich fühle, was ich denke, versuche das aufzuschreiben, was mich so beschäftigt. Doch ich kann nicht alles so aufschreiben, wie ich es in mir drinnen fühle, kann nicht alles erzählen, was ich erlebt und gesehen habe. Und doch schreibe ich weiter. Schließe den Schlaf aus meinem Herzen aus, will nur noch aufschreiben, um was es mir geht. Kann nicht schlafen, kann nicht trinken, kann nicht reden, kann nur weinen. Weinen über mich und mein Leben. Kann mich nur selbst bemitleiden. Kann nur das tun, was die anderen nicht tun werden. Will mich selbst trösten. Doch wenn ich weine und mein Herz nach Hilfe schreit, kann ich nichts tun, nichts sagen, damit meine Seele Frieden findet. Denn dazu reicht meine Kraft nicht mehr. Ich verbrauchte sie. Habe schon zu lange gekämpft, ohne zu bemerken, dass es sinnlos ist, es keinen Zweck hat und ich längst verloren habe. Sarah. Wenn sie sich mit ihrer schleimigen, piepsigen, Kleinkindstimme bei den Erwachsenen einschleimt, wenn sie mir weg nimmt, was mir so wichtig ist, dann ist alles was mir bleibt, die Eifersucht, der Hass, die Wut und die Trauer, die mich langsam aber sicher in Stücke reißen, mich zerfleischen, mich qualvoll töten, während sie mit großen Augen daneben steht und die Frau, die mich geboren hat, Mama nennt. Ein fremdes Mädchen, ein Kind, welches für mich niemals eine Familie sein kann, ein fremdes Mädchen, dass in meiner Familie lebt, welches mir nimmt, was mir gehört. Und doch gibt sie mir etwas, worum ich nie gebeten habe. Doch diesen Schmerz will ich nicht. Diese Qual ertrage ich nicht. Diese Wunde wird nie wieder heilen. Nicht ganz. Sie wird für immer in meinem Herzen bleiben, meine Seele vernarben. Doch die Erwachsenenwelt hat ihre eigenen Regeln. Sie sehen nur das, was sie sehen wollen. Sie bemerken nur das, was sie bemerken wollen. Sie hören nur das, was sie hören wollen. Und nichts und niemand kann ihnen die Wahrheit zeigen, wenn sie an die Lüge glauben wollen, die ihr Herz erblindet und ihre Seele taub macht. Es war mein Geburtstag. Sie hat geweint. Papa war sauer, er hat sich betrunken, hat mich ignoriert. Mama hat mir Vorwürfe gemacht. Oma und Opa haben mich beschimpft. Sie hat geweint. Nun weine ich. Die Tränen sterben, leben nur für kurze Augenblicke. Sie haben mir weh getan, doch sie haben es nicht gemerkt. Sie sehen nicht mit meine Augen, fühlen nicht, mit meinem Herzen. Sie kennen nicht, was ich kenne, wissen nicht, was ich weiß. Meine Geburtstagsfeier war ein Kinobesuch, den ich selbst finanzierte. Zu meiner "kleinen" Feier kamen letztendlich nur zwei Leute, darunter meine Schwester Kaya. Was mir von Freundschaft bleibt ist nicht mal eine kleine Feier zu meinem Sechszehnten Geburtstag. Und so sitze ich alleine hier auf meinem Bett. Alleine mitten in der Nacht. Fühl mich einsam und quäle mich von Tag zu Tag, immer weiter. Hoffe, dass es irgendwann aufhören wird. Bete, dass es bald vorbei sein wird. Was mir bleibt, ist nichts als Leere, die mir schmerzlich bewusst macht, wie weit ich es im Leben gebracht habe. Und ich frage mich wieder einmal, was ich falsch gemacht habe, dass ich so einsam bin, einsam, obwohl ich glücklich sein sollte. Kälte macht sich in mir breit, ein dichter Nebelschleier umhüllt mich und lässt mich sinken, in diese andere Welt, die mir ganz allein gehört. Keine Freunde, die mich im Stich lassen. Keine Sarah, die mir meine Familie weg nimmt. Keine Familie, die mich verachtet und beschimpft. Langsam versiegen die Tränen, ich kann nicht mehr weinen, nicht mehr fühlen, welcher Schmerz noch immer, tief in mir verankert, mein Herz durchbohrt. In mir macht sich langsam eine Wärme breit, eine Wärme, die mich schläfrig macht. Müde schreibe ich die letzten Sätze auf meinem PC. Gleich werde ich schlafen. Dann werde ich wieder in einen traumlosen Schlaf verfallen. Morgen früh wird die Sonne wieder aufgehen. Doch in mir wird die Nacht niemals enden. Ich habe geweint. Sie haben mir weh getan. Immer wieder. Ich habe geweint. Es war mein Geburtstag.... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)