Das Leben liebt die Unsterblichkeit von abgemeldet (~'*Legolas & Aragorn*'~) ================================================================================ Kapitel 17: *~milui~* --------------------- ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~* milui - liebenswert ~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~* Legolas: Es war, als hätte das Erscheinen der Maid das Ende eines Traumes bedeutet und die Amosphäre wirkte so anders auf mich, als wir nebeneinander saßen, schweigsam und annähernd reglos... wie zu Beginn auch. Zugegeben, tief in meinem Inneren veriet sich ein Gefühl der Erleichterung, eine Einsicht ohnegleichen, die für die Ablenkung und die Rückkehr in die Realität dankbar war. Doch nicht weniger labte ich mich am zurückbleibenden süßen Kribbeln, welches die Innigkeit, die unvermittelt aus unserer Freundschaft aufgestiegen war, zu einer Ewigkeit werden ließ und mich glauben machte, noch immer seinen Lippen zu erliegen und mich ihnen entgegenzustrecken. Doch tat ich dies nur mental und er saß still neben mir. Aus weiter Entfernung schienen die Schritte Eowyn's zu mir zu dringen und ebenso unwichtig schienen sie, keiner Beachtug wert, zu der ich in diesen Augenblicken wohl nicht imstande war. Doch waren für sie scheinbar für ihn von Wichtigkeit und der Grund, weshalb er mich verließ. Seine Regung, seine erste Bewegung, mit der er sich mir näherte, ließ mich wissen, dass dies der Abschied war und ich wusste nicht, mit welchen Gefühlen ich dem gegenüberstand. Doch rasch öffnete ich die Augen, als ich seine Hand an meinem Kinn spürte, seine Finger und denselben Druck, dem ich mich gern fügte. Ergeben hob ich den Kopf, blickte ihn an und bevor meine Augen ihn erfassen konnten, erreichte er mich. Mit derselben Intensität, mit demselben Erschaudern spürte ich, wie seine Nasenspitze meine Wange strich. Nur kitzelnd und dezent und doch so voller Auswirkung, dass ich mich zum erneuten Mal kaum bewegen konnte und den Kuss, den er auf meine Lippen hauchte, nur stockend und zu spät erwiderte. Annähernd entging mir dadurch die weitere Begegnung seiner Lippen mit meiner Haut, die sanft liebkost wurde... und dann entzog er sich mir. Es blieb mir ein kurzer Augenblick gewährt, in dem ich Zeit fand, sein Gesicht zu erblicken, seine Augen... die nicht weniger lächelten, als die Lippen. Beirrt und uneins mit mir selbst, brachte ich keine Erwiderung zustande, ließ ihn reglos und untätig ziehen und nur mein Blick verriet die Lebendigkeit meines Leibes, als er ihm aufmerksam folgte. Als ich ihn beobachtete, wie er auf die Beine kam. Keine Schwäche schien mehr auf ihm lasten, kein Schmerz, keine Verletzungen, die all dies hervorriefen. Sicher schien er auf den Beinen zu sein und ruhigen Schrittes ging er davon, zwischen den Säulen hindurch, um sich zu zeigen und dem Schicksal zu ergeben. Doch verlor ich keinen Gedanken an seine Tapferkeit, derer Last er sich mir gegenüber entledigte. Ich tat sein aufrichtiges Verhehlen unaufmerksam ab und sobald die Säulen ihm meines Blickes entzogen, wandte ich diesen ab. "Wo wart Ihr?" Vernahm ich sogleich die Stimme der besorgten jungen Frau und dies war gleichermaßen das Letzte, was zu mir drang. Deutlicher denn je, wurde ich mir meiner verkrampften Haltung bewusst und ließ die Schultern sinken, in denen sich die Muskeln verspannt hatten und nun erschlafften. Durch einen tiefen Atemzug unterstrich ich meine Ruhe, lehnte mich zurück und spürte jene Wand in meinem Rücken. Als würde ihnen mein Wille nichts bedeuten, senkten sich meine Lider und während sich Schritte erhoben und allmählich von mir entfernten, streckte ich auch die Beine von mir und faltete die Hände auf dem Bauch. Und lange Zeit konzentrierten sich meine Empfindungen und Gedanken nur auf den eigenen Leib, ohne sich dem Sinnieren hinzugeben, welches ich in diesen Momenten nicht benötigte... nicht vermisste. Längst schon, schien sich mein Körper beruhigt zu haben, doch war der äußere Anschein trügerisch und in meinen Venen pulsierte das Blut ebenso mächtig, wie meine Hände zitterten und so stark wie das Verlangen, dem ich mich immer und immer wieder ergab... die Lippen aufeinanderpresste, schmeckte, sie stumm bewegte. Eine jede Berührung seiner Hände, seines Mundes, seiner Zähne, seiner Haut... schien auf der meinen brennende Spuren zu hinterlassen, die jedoch alles andere als qualvoll waren, kitzelnd und prickelnd auf sich hinwiesen und ebenso rasch an Kraft verloren, wie sie an ihr gewannen. Längst schon, hatten sich die Liebkosungen meiner Haut entzogen und dennoch war diese noch immer geprägt von kalten Schauern, unter denen sich die Härchen aufrichteten, als gönnten sie mir solch eine ausgeprägte Erinnerung, die selbst die Vergangenheit zur Gegenwart machte. Noch immer schien mir der gesunde Verstand und die Kontrolle fern zu bleiben, doch sehnte ich mich auch nicht danach, versuchte ihre Rückkehr gar schneller herbeizuführen. Denn... ich fühlte mich... gut. Zwar auf eine undefinierbare, annähernd lähmende Art, doch auf ebenso wohlgefällige und beglückende Weise, die ich in ihrer Einzigartigkeit nicht zerstören wollte. Was sollte ich mich mit Erklärungen beschäftigen? Mit Ursachen? Was sollte ich meine Einstellung ergründen? Mein Denken und Handeln? Weshalb sollte ich die süße Erinnerung jener Geschehnisse mit unangebrachten Zweifeln trüben? Zweifel an unserem Tun und Lassen? An ihm? An mir? Ich fühlte mich gut... Und als wäre die vergangene Nacht, die mich Furcht und Verzweiflung gelehrt hatte, nicht viel mehr als ein bedeutungsloser Alptraum, schienen meine Erinnerungen an sie für kurze Zeit zu verblassen... Als wäre all dies nicht reell... Als wären in den letzten Tagen andere Dinge geschehen... Doch brachten mich diese vorfreudigen Eindrücke schneller in die alte Beklommenheit zurück, als es mir lieb war und ein Traum schien sich dem anderen zu ergeben. Als ich die Augen öffnete, sah ich weniger die Halle, in der Aragorn soeben noch neben mir gesessen hatte, als die, die sich dunkel, einsam und abgeschieden um mich auftat. Ich blickte um mich, reglos und doch aufmerksam, betrachtete mir die hohen Säulen, ihre Strukturen und die kunstvollen Sockel, den marmornen Boden und die Kerzen, die noch immer flackerten. Meine Augen schweiften zur Seite, kurz blinzelte ich und es erfüllte mich mit Furcht, dass mich der Alptraum erneut zu umfangen schien und damit drohte, sich als Realität zu enthüllen. Verwirrend schien ich von einem Gedanken in in den nächsten gerissen zu werden und wieder schloss ich die Augen, um dem zu widerstehen, bestenfalls dagegen anzukämpfen und mir selbst ein Schutz zu sein. Tief atmete ich ein, kurz regten sich meine Hände, bevor sie sich voneinander entfernten, zu den Seiten meiner Hüften auf das Polster hinabsanken und dort reglos verharrten. Durch Desinteresse schien auch jene süße Wirkung zu verebben, bis kein Kribbeln mehr auf sich aufmerksam machte, mich kein Zittern mehr befiel und ich still sitzen blieb. Doch nicht lange, denn bald hob ich den rechten Arm, zog den Ärmel hinauf und entblößte ihn. Ich wusste nicht, weshalb ich mir jenen schmerzvollen Anblick erneut aufzwang. Ich wusste nicht, weshalb es mir so danach verlangte, es erneut zu erblicken und ich starrte auf das verfluchte Siegel... das grauenvolle Gedenken an jene Kreatur, welches ich trug. Ein Bild bot sich mir... nicht entsetzlicher als zuvor... ebensowenig milder. Es war einfach da, doch während ich es mir betrachtete und den dunklen Furchen mit den Augen folgte, gab es neben alledem noch etwas anderes... Ich bettete den Arm auf meinem Schoß, lehnte den Hinterkopf gegen das Gestein und verengte grüblerisch die Augen. Ja... da gab es noch etwas... Ich glaubte, den Hauch eines Lächelns auf meiner Miene zu spüren. Ein Lächeln, welches mir nicht weniger Wärme schenkte, als ein anderer. Ich zwinkerte, wurde mir der unverhofften Gestik bewusst und senkte die Lider. Nähme ich lieber einen Fluch auf mich, als Aragorns Tod? Kämpfte ich lieber mit einem Schandfleck, als den Rest des immerwährenden Lebens mit der Sehnsucht? Die Ewigkeit, erfüllt mit belastender Verwünschung... Die Ewigkeit, ohne den liebsten Gefährten... Seine Anwesenheit, hier... nein überall... sie war es, die selbst die Pein des Schattens linderte und aus einer Wahl, bei der man nur verlieren konnte, einen Erfolg und einen Sieg von unermesslichem Wert machte. Wie könnte ich nur über jene Narben klagen, wenn er gleichsam bei mir war und die Realität wie Träume erschienen ließ, die in ihrer Friedlichkeit und zugleich seiner wunderbaren Nähe unmöglich der Wahrheit entsprechen konnten? Wie tief sollte ich mich noch fallen lassen? Und ich wusste die Antwort. Weshalb fallen, wenn der Sinn des Sturzes ausblieb? Seine Hand erreichte mich... ganz gleich, wie tief ich sank. Bald erhob ich mich, den Weg zu meiner Kammer zu finden und dort zur Ruhe. Nur nachlässig streifte ich den Ärmel hinab, als auch ich zwischen den Säulen hervortrat, hinaus in die Halle, in der ich nun alleine war. Mit ruhigen Händen streifte ich den Umhang zurück, zog den Kragen näher zum Hals und schloss den wärmenden Stoff um meinen Körper. Und ich begann zu spazieren, entspannt meinen Weg suchend und mir zum ersten Mal der Schönheit der Nacht bewusst werdend. Viele Durchgänge verlockten durch frische Brisen dazu, hinauszutreten und von hohen Plateaus die Gegend zu überlicken. Oft tat ich dies und verharrte lange an besonderen Stellen, während mein Mantel im Wind tanzte und ich in seinen trockenen Böen blinzelte. Weit blickte ich gen Horizont, doch drangen meine Augen nicht weit genug und für kurze Zeit fühlte ich mich verunsichert, gar angespannt und ich hoffte, dass mir die alten und wichtigen Fähigkeiten alsbald wieder anvertraut wurden. Doch war es in dieser Nacht wohl auch die Schwäche, die meine Sicht hemmte und meine Gedanken rasch dazu bewegte, in pessimistische und erdrückende Richtungen zu driften. So entsagte ich bald den Ausblicken und der erfrischenden Nacht, kehrte zurück in die könglichen Säle und Gänge und ich benötigte keine lange Zeit, um den vertrauten Flur wiederzuerkennen, durch den mich Aragorn geführt hatte. Ja, die stolzen Banner erweckten Erinnungen... ich hatte ihnen keine Beachtung geschenkt und doch erkannte ich sie wieder und sendete ihnen nachdenkliche Blicke, als ich an ihnen vorüberzog. Was nur, fragte ich mich, musste Aragorn fühlen, wenn er sie erblickte? Die Wahrzeichen seiner Bestimmung, der er den Rücken gekehrt hatte und die nun doch wieder nach ihm griff? Ich holte tief Luft und beinahe verschluckte ich mich vor Schreck an ihr, als eine Tür aufsprang, nicht weit von mir entfernt. Laute Schritte drangen an meine Ohren, übertönt von einer energischen rauen Stimme. "Soll das heißen, niemand trägt Verantwortung für diese Stadt?!", grollte sie und ich hielt inne, blieb stehen und erkannte den Zwerg, der in den Gang hinaustrat, wild mit den Händen gestikulierend und scheinbar tief in ein Gespräch vertieft. "Wenn der Truchsess wirklich den Tod fand, dann... ah!" Auch ich wurde erspäht und während Gimli stehen blieb, erschien Gandalf bei uns, mit dem er diskutiert haben musste. Ausdrucksstark waren ihre Augen, als sie sich auf mich richteten, erfüllt von Fragen und anderweitig... von merkwürdiger Gewissheit. Entspannt hielt seine Hand den weißen Stab und er stützte ihn neben sich, als er dort stand und mir ein Lächeln schenkte, als wäre dies unsere erste Begegnung nach einer langen Zeit der Trennung. Murmelnd und raunend trat Gimli auf mich zu und ich selbst suchte in Gandalfs Gesicht die Antwort... das Wissen, welches er besaß und die Gedanken, die er nun hegen musste. Nicht alle Erinnerungen waren verblasst. Auch ihm schuldete ich meinen Dank, vielleicht sogar mein Leben... Tiefgründig und und scheinbar mit nicht weniger Gedanken kämpfend, erwiderte er meinen Blick und Gimli erreichte mich. "Was ist?!" Er trat so nahe an mich heran, dass er seinen Kopf in den Nacken legen musste, um zu mir aufzublicken. Mit verschränkten Armen baute er sich vor mir auf. "Bist du so blind, wie du aussiehst?! Ich stehe vor dir, erst das zweite Mal seit drei Tagen und dennoch könntest du dich, wenn auch nur kurz, mit der Realität beschäftigen und mir Beachtung schenken!" Ein unauffälliges Zucken durchfuhr Gandalfs Miene und seine Auge waren es, die sich zuerst und durchaus mahnend auf den Zwergen richteten. Auch seine Lippen wollten das Wort sogleich erheben. "Was stellst du dergleichen Fragen?", erwiderte ich und kam ihm somit zuvor. "Für wahr, es wäre schwer, dich zu übersehen, mehr noch, dich zu überhören. Du stampfst und schreist, dass es nahe des Unmöglichen liegt." "Oahr." Verblüffung spiegelte sich in den Augen des Zwergen wider und stockend ließ er die Arme sinken, bevor er sich zu Gandalf umdrehte. "Hast du das gehört?! Der Elb treibt einen schlechten Scherz mit mir!" "Einen schlechten Scherz?" Die Stimme, die sich erhob, widersprach der Anspannung, die soeben noch in seiner Miene aufgeblitzt war. Annähernd wirkte er zufrieden und erleichtert, als sich das alte Lächeln auf seinen Lippen entfaltete und er in ruhigen Schritten zu uns trat. "Oder spricht er nur die Wahrheit?" "Die Wahrheit?!", stieß Gimli erschüttert aus und wandte sich von einem zum anderen, als fühle er sich bedrängt und von beiden Seiten angegriffen. "Trage ich etwa die Schuld an seiner unscheinbaren Gestalt und seiner leisen Stimme?!" Und er schlug mir gegen den Arm, allein zur Untermauerung seiner Worte, denn beinahe brachte mich er mich aus dem Gleichgewicht und Gandalf legte die Hand auf seiner Schulter ab, ihn zurückzuhalten in seiner direkten Art, in der er gern gewisse Dinge übersah. "Der morgige Tag wird euch noch genug Möglichkeiten bieten, über all das zu debattieren", meinte er beschwichtigend und der Zwerg brummte. "Soeben waren wir auf dem Weg zu unseren Unterkünften und es ist an der Zeit, ihn nun fortzusetzen." "Nun gut." Mürrisch schabte Gimli mit dem Fuß über den Boden und schickte mir einen strengen Blick, bevor er an mir vorbeistampfte. "Wie haben morgen ein bedeutsames Gespräch zu führen!", erinnerte er mich und ich sah ihm nach, bis auch Gandalf an mir vorbeiging. Langsamer als der Zwerg, ruhiger und beiweitem aufmerksamer. "Versuch Ruhe zu finden." Sachte legte sich seine Hand auf meine Schulter und knapp begegneten sich unsere Augen. "Der morgige Tag wird lang und schwer... so wie alle, die folgen werden." Ein vergängliches, undefinierbares Lächeln, dann ging er fort und ich drehte mich ihm nach. Jedoch nicht lange, bis sie ruhigen Schrittes und das alte Gespräch aufnehmend, in einen Quergang einbogen und somit verschwanden. Und auch ich setzte meinen Weg fort, nun vielmehr über andere Dinge sinnierend, die mir der Zwerg unwillkürlich in das Gedächtnis gerufen hatten. Trotz all diese Momente, die in ihrer Art so niederdrückend und quälend waren... Trotz der Augenblicke, in denen allein die Angst herrschte... Noch weiteres stand uns bevor und auch Gandalf hatte dies gesagt. Viel, viel mehr noch, als das Erlebte, gar grausamer und tückischer, als das, was die Vergangenheit beinhaltete. In Gedanken versunken, öffnete ich hölzerne Tür und trat in meine Kammer. Annähernd entgingen mir die eigenen Bewegungen und meine Aufmerksamkeit lenkte sich erst wieder auf das Hier und Jetzt, als ich in dem Raum stand und die Tür hinter mir geschlossen war. Schweigsam besah ich mir das Bett, auf dem sich die Laken überlappten und unordentlich waren... die steinernen Wände, der kalte Boden und das Fenster, auf das sich ein imenser Teil meiner Beachtung legte. Einst hatte hellichter Tag dahinter gelegen, die Strahlen der Sonne, die meine Dunkelheit nicht zu durchdringen vermochten... und nun war es dieselbe Finsternis, in die ich hinausblicken konnte. Sterne leuchteten am annähernd schwarzen Nachthimmel und intensiv war der Schein des Mondes, gar so gleißend, dass diese Nacht heller wirkte, als der Tag, auf den sie folgte. In meinen Augen schien dies so und es erfüllte mich beinahe mit Verwirrung, als ich mich drehte, mir die Wände zum erneuten Mal betrachtete. Sie, die mich gespenstisch umgeben hatten. Der Boden, auf dem ich kauerte... Ich erkannte all das in den unauffälligen Eigenschaften wieder und dennoch meinte ich, mich in einem anderen Raum zu befinden. Nicht in dem Zimmer, in dem ich der Verkümmerung gefährlich nahe gekommen war. Vielmehr war es nun der Ort des Friedens, an dem ich Ruhe und Erholung finden konnte, in dem ungestört blieb. Diese plötzliche Wahrnehmung, die sich von der alten so unterschied, bereitete mir irritierte Grübelei, als ich langsamen Schrittes zu jenem Bett ging, mich drehte und behutsam auf der Kante niederließ. Was nur, rief all dies in mir hervor? Die Aufopferung eines mir teuren Menschens? Seine Bemühungen, die anfänglich so hoffnungslos schienen und dennoch ungeahnte Auswirkung hatten... Ich spürte, wie sich meine Miene zaghaft verzog und ertappte ein Lächeln, welches sich sanft auf meine Lippen geschlichen hatte. Lange dachte ich an den einen... lange grübelte ich über ihn und gleichsam über das, was zwischen uns geschehen war. Unter einem tiefen Atemzug legte ich mich nieder, bettete den Kopf weich auf den Kissen und faltete die Hände auf der Brust, um mir entspannt die Strukturen der steinernen Decke zu betrachten. Viel hatte sich in der heutigen Nacht zugetragen. So viel... Fremdes, Unbekanntes... Verwirrendes, das mich jedoch nicht mit Furcht oder Unsicherheit belud. Vielmehr nahmen diese Dinge die Plätze der Tatsachen ein, die bereits hinter mir... hinter uns lagen und an deren Anlässe man nicht zweifeln musste. Nun... ich fand mich überfordert in diesem Gewirr aus Berührungen, Gefühlen, Emotionen und Empfindungen. Eine jede Begebenheit ludt dazu ein, ergründet zu werden und annähernd sträubten sich meine Gedanken dagegen, sich nun damit auseinanderzusetzen. Sie sehnten sich nach Erholung und das nicht weniger als ich selbst. Längst schon, schienen sie erlahmt zu sein, um die geruhsame Meditation zu empfangen. Sie waren mir nicht mehr von Diensten und ich wollte sie nicht dazu zwingen, es zu sein. So ergab ich mich bald meiner selbst und schloss die Augen, um ihn mich zu gehen und der Realität zu entsagen. Weitere Tage würden kommen, weitere Momente, in denen mein Geist klarer war und sich Gedanken leichter führen ließen. Augenblicke, in denen ich mich der Herausforderung gewachsen sah... Und ich konnte beruhigt sein, denn nichts in mir verriet Beklommenheit, nichts wies auf Anspannung hin und während ich hinabdriftete, war mein Herz befreit von etwaiger Last und ich zufrieden. ~*~ Aragorn: Ich wollte noch immer versteckt in dieser Nische hocken, meinen Schmerzen entsagen und in vollendeter Trance die Lippen des Einen küssen, der sich mir entgegenneigte... Mein Arm offenbarte mir stärker die Schmerzen des Aufpralls. Ebenso die Seite, die mit einer dunkelroten Abschürfung und vielerlei blauen Flecken an den harten Fall erinnerte und mich in die Realität zurückholen wollte, während ich mich nach dem heißen Atem des Elben sehnte. Das Geschehnis verbarg sich jedoch allmählich hinter nebligen Erinnerungen und ich wollte sie wachrütteln, um mich an die Wärme und Hingabe zu klammern. An die zarte Haut und die weichen Lippen... an den berückende Hals, der zu meiner absoluten Zuneigung einlud. Vorsichtig tasteten sich die Finger der blonden Maid über die Wunden, testeten wie weit sich der Schmerz ausbreitete und reinigte sie dann. Und sie sprach noch immer. Leise und geruhsam, gleichsam warf sie mir Blicke zu und ich war erleichtert, als ich ihr schließlich mit dem Rücken zugewandt saß und sie nicht bemerken konnte, wie sehr ich mich abschottete und träumte. So lange war es her, dass ich mich mit meinem ganzen freien Willen an vergangene Ereignisse erinnerte. Wie weit wären wir wohl gegangen...? Ich war mir sicher, dass ich mir selbst keinen Einhalt geboten hätte. Weshalb sich Legolas mir so derart näherte... weshalb er all dies zuließ. Dies waren Fragen, denen ich mich in aller Ehrlichkeit nicht stellen wollte. Er hatte es getan und ich hatte es genutzt. Langsam schloss ich die Augen, legte den Kopf in den Nacken und rief mir seine schöne Stimme durch all sein Keuchen in mein Gedächtnis zurück. Ich atmete tief ein und bemerkte, wie meine Lippen bebten, als mir seine zitternde Stimme in den Ohren widerklang. Mein Körper erschauderte unwillkürlich und ich öffnete die Augen, um mich den reellen Schmerzen zu ergeben und für meine Reaktion ein leises "Verzeiht" zu erhalten. Welchen Frevel tat ich eigentlich an ihr? Das Schamgefühl holte mich geschwind ein und ich ließ den Kopf wieder sinken und neigte ihn zur Seite, als Éowyn meine Schulter begutachtete. Sie wirkte konzentriert, doch ich war mir bewusst, dass sie meinen Blick spürte. Und sie schwieg. Sie schwieg fortan und tastete die Haut mit dem feuchten Tuch ab. Es war eine angenehme Behandlung und ich spürte ihre Zärtlichkeit in diesen Bewegungen. Eine Zärtlichkeit, der ich nichts zu erwidern hatte. "Éowyn." Zurückhaltend war bereits der Ton in meiner Stimme und vielleicht schon schuldbewusst. Sie hielt abrupt inne und schaute auf. Ihre Miene zeigte Wehmut und Sorge. Ja, und erst jetzt wurde ich mir ihrer Blässe bewusst. Sorgte sie sich wirklich so sehr um mich? Einige Zeit verstrich, ohne dass ich die Stille brach, ehe mich direkt zu ihr wandte. Stockend hob ich die rechte Hand zu meiner Brust und verneigte mich in aller Mühe und mit jedem Schmerz, der daraufhin aufkam. Ich wusste, dass ich es ihr schuldig war und mich mein Gewissen zu lange davor bewahrt hatte. "Verzeiht mir, dass ich Euch so viel Kummer und Sorge bereite. Verzeiht, dass ich Euch anlog, um mir einen Vorteil zu erhoffen." Sie blieb völlig regungslos und ich richtete mich wieder auf, um ihr in die Augen sehen zu können. "Ich bitte Euch, einem Tölpel seiner Halsstarrigkeit wegen zu vergeben, der Euch eigentlich zu großem Dank verpflichtet ist." Völlige Verwunderung traf auf meine Bitte und sie öffnete den Mund, ohne auch nur einen Ton von sich zu geben. Als hätte sie vergessen, was ich ihr angetan hatte. Und dann trat ein Lächeln auf ihre Lippen. Froh und erleichtert wirkte sie nun und sie senkte den Blick, ehe sie erneut aufsah. Vorsichtig legte sie das Tuch wieder auf meine Schulter und führte ihre Arbeit fort, während ich sie weiter beobachtete. "Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen." Nun war ich der Verwunderte und runzelte die Stirn. "Ich bin mir sicher, Euer Vorhaben war von Wichtigkeit." Sie nickte zaghaft und ihr Lächeln verblieb. "Ja, denn Ihr brachtet uns damit den Sieg." Ruhig ließ sie das Tuch zurück in die Schale wandern und ging zu einem Stuhl, auf dem weitere lagen. Ich verstand nicht, weshalb sie mir so leichtfertig vergab und konnte es auch nicht in ihrer Handlung begreifen. "Eure Blässe...", begann ich zögerlich und sie kehrte wieder zurück und faltete die langen, weißen Tücher auseinander. Bereitwillig hob ich die Arme und sie begann sie stützend um meinen Bauch zu legen. "Es gab so vieles zu tun. So viele Verletzte und ich selbst gehörte anfangs zu ihnen. Sorgt Euch nicht, wegen solcher Dinge." Behäbig beugte sie sich zu mir und festigte den Verband, ehe sie ihn schloss. Danach griff sie achtsam nach meinem rechten Arm und winkelte ihn an. "Das Volk der Weißen Stadt verlor seinen Truchsess und bangte um ihren Heerführer. Es war verletzt und ich konnte ihm eine Unterstützung sein." Ihr Lächeln vertiefte sich und ich spürte eine gewisse Wärme in diesem Lächeln, das sie einst mir schenkte und nun in Gedanken vertieft, erschuf. "Ich habe mir diese Blässe für ihren Dank gern erkauft." Ich nickte leicht und versuchte mir dabei ihre Worte bewusst zu machen. Der Truchsess war gefallen... dies war eine Tatsache, der ich keiner Beachtung geschenkt hatte. Er war Boromir's Vater und mir war es nicht möglich gewesen, ihm von dem Fall seines Sohnes zu berichten... "Der Heerführer Gondors ist ein gutherziger Mann." Sie führte ihre Erzählung fort und ich sah zu ihr auf, musterte sie und erkannte mehr und mehr dieses Glücksgefühl, das sie verspürte. "Sogleich, als er wieder festen Fuß fassen konnte, half er all jenen, denen es schlecht ging, ohne auf sich selbst Rücksicht zu nehmen." Ihre Mimik änderte sich stetig und immer mehr schien sie in ihre Erinnerungen vertieft, bis ihr Lächeln an Ausdruckslosigkeit verebbte. "Obwohl er den Vater verlor..." Leise fügte sie dies noch hinzu und beendete zeitgleich ihre Arbeit. Fest und sicher lag mein Arm nun in der Schlinge und sie richtete sich wieder auf, räusperte sich und atmete tief durch. "Es erfreut mich, dass er nicht der Einzige ist, der sich schnell erholt." Sie lächelte mich aufmunternd an und erst dann bemerkte ich, dass meine eigene Miene emotionslos geworden war und erwiderte das Lächeln schwach und nickte erneut. "Nun geht schlafen, Herr Aragorn. Ihr seht müde aus und solltet die letzten Stunden der Nacht in der Erholsamkeit verbringen." Ich fühlte mich seltsam und wusste nicht warum. In mir baute sich ein rätselhaftes Gefühl auf, dass ich nicht zu beschreiben wusste und so konnte ich wieder nichts anderes tun, als zu nicken und lediglich ein leises "Danke" zu hauchen. Sie verneigte sich leicht und ging zur Tür. Als wäre sie ein anderer Mensch, öffnete sie die Tür, wünschte mir eine geruhsame Nacht und verschwand. Ich blickte tatenlos und ohne jeglichen Gedanken zu der geschlossenen Tür und fühlte mich mit einem Schlag in eine Trostlosigkeit versetzt, die mir völlig unbekannt war. Dieses Lächeln galt nicht mir. Und ich sollte mich glücklich schätzen und auch ihr das neues Glück gönnen. Ja, geradezu Freude sollte ich empfinden und hoffen, dass ihre Zuneigung erwidert werden würde. Doch... es war die reinste Melancholie, die mich erfasste und mir Gedanken offenbarte, die ich in meiner Euphorie gänzlich übersehen hatte. Vergänglichkeit... wie beklemmend hatte ich das Gefühl empfunden, als ich um Éowyn's Sorge und Herzlichkeit für mich wusste. Ich hegte die rege Furcht, ihr Schmerz zuzufügen, würde ich ihr meine Ansicht mitteilen und nun war all dies entschwunden, als hätte es nie existiert. Ihre Blässe, die nicht meinetwegen auf ihrem Gesicht lag. Wie sehr war ich der Auffassung gewesen, es wären ihre endlosen Sorgen um mich gewesen, die dies herbeiführten. Vergänglichkeit... Ich seufzte schwer auf, ließ den Kopf tief sinken und rieb mir das Gesicht. Die Zweisamkeit, die ich vor Augenblicken noch so intensiv genossen und nach der ich mich ewiglich verzehrt hatte, verbarg sich hinter zweifelhaften Schleiern. War es nur Neugier gewesen? Waren dies die Gründe, die Legolas dazu verleiteten, mir das zu geben, was ich begehrte? In der Voraussicht, dass er mich damit beschenken könnte, ohne dass ich dieses Geschenk jemals ablehnen würde? Düster erstreckte sich der Boden zu meinen Füßen, graue Wände zeigten mir erneut, wie es in meinem Inneren aussah. Ich glaubte mich fast schon in Gewissheit, dass ich das Glück zu früh ergriff und es mir durch die Finger rann, ehe es überhaupt fest in meinen Armen lag. Ich war so viel närrischer, als ich es mir selbst zugetraut hatte. Das Kribbeln war entwichen, als wäre dies nur einer meiner wilden Träume gewesen. Fantastereien, die sich mein Verstand ausdachte, um mich nicht endlos wahnsinnig werden zu lassen. Welchen Grund besäße mein wichtigster Gefährte, deshalb eine Freundschaft auf's Spiel zu setzen? Es war Neugier und ich entdeckte darin meinen eigenen Egoismus, aus dem ich meine Hoffnung zog... Irritierende Führung, die mich in Versuchung geraten ließ. Der ich nicht widerstand, obwohl es aufrichtiger gewesen wäre, hätte ich es geschafft. Ungläubig schüttelte ich den Kopf, setzte mich wieder auf und machte mich daran, in meinem Bett zu einem Schlaf zu finden, der mich in die Schwerelosigkeit verbannte und sobald nicht losließ. Alsbald lag ich auf dem Rücken, starrte die Decke an und hatte dennoch das Gefühl, als würde ich mich im Kreis drehen. Ein Schwindelgefühl, das mich regelrecht zwang, die Augen zu schließen und mir der Dunkelheit bewusst zu werden. Der Schwärze meines Herzens, in der ich mir einbildete, einen Wunschtraum in Erfüllung gehen zu sehen... Am nächsten Morgen erwachte ich in aller Frühe, als ob die Sonne erst vor wenigen Stunden ihren Weg zur Erweckung begonnen hatte. Eine seltene Müdigkeit veranlasste mich beinahe dazu, ihr den Rücken zuzukehren und weiter zu schlummern, auf dass ich diesen Tag verschlief und für mich sein konnte. Doch ebenso selten wie merkwürdig fand ich nicht zu meiner Ruhe zurück und setzte mich schließlich seufzend auf. Ich hatte schlecht geschlafen, fühlte mich ermattet und schwach, stand aber trotz alledem auf und streckte mich. Keinen Moment lang musste ich mich im Schlafe bewegt haben, denn mein Arm lag immer noch in der Schlinge und auch keiner der Verbände war verrutscht. Leise knirschten die Knochen bei der Streckung, doch der Schmerz verschonte mich weitestgehend. So zog ich mich an und verließ matt den Raum. Ich wusste nicht, was ich in meiner Kammer tun sollte, außer zu sinnieren und über die Fragen der letzten Nacht zu grübeln. Schon beständig genug blieb der Eindruck meiner Stumpfsinnigkeit und umso bemerkenswerter das Lächeln auf meinen Lippen, wenn Jemand meinen Weg kreuzte. Leise entrann mir ein Seufzen, als ich Blicke durch die Gassen und Durchgänge der Stadt warf und sie in Gleichgültigkeit musterte. Ich betrat den zweiten Ring, sah mich weiter um und blieb dann nach einer unerklärlichen Aufmerksamkeit stehen. Zwar war es noch früher Tag aber dennoch war Minas Tirith eine Stadt der Beschäftigten. Tatkräftige Menschen verblieben in diesen Gemäuern... und wider dieses Leitspruches herrschte annähernde Stille. Zu wenige waren unterwegs, zu wenige kreuzten mein Umherschweifen. Ich beschleunigte meine Schritte, tat den Schmerz im rechten Bein ab und lauschte. Rasch verließ ich die Straße, durchschritt einen Durchgang und fand mich an einer offenen Ebene ein. Frei war die Aussicht über das Land, das sich vor der Weißen Stadt auftat und ebenso Osgiliath, der zerstörte Hauptsitz Gondors. Dunkel lag der Schatten Minas Morguls über ihm, doch nicht weniger düster waren die Gesichter der Menschen, die ich in der Tatkräftigkeit vermisst hatte. Raunend saßen sie alle hier; Verwundete in ihren Verbänden, jung wie alt und alle offenbarten mir ohne Rücksicht ihr Wehklagen durch ihre Gebärden. Zusammengesunken kauerten sie da, gesenkte Schultern, verzogene Gesichter, die Pein und Angst zugleich bekannt gaben. Sogleich strafften sich meine Schultern und mein Gang war bekräftigt und ohne Schwäche, als ich aus dem Schatten zu ihnen hinaustrat. Einige Köpfe hoben sich, skeptische Blicke richteten sich auf mich und auch hilfesuchende. Ich sah sie mir an und wusste sofort, was sie dachten. Ihre Kräfte hatten nachgelassen und waren der Hoffnungslosigkeit gewichen. In ihrer Mitte blieb ich stehen und drehte mich, um einen nach dem anderen einen Blick zuwerfen zu können. Es war meine Eigenschaft geworden und gleichsam eine Stärke, auf die ich nicht stolz war, in der ich durchdringend und fragend dreinblickte, gleichsam mitleidig und verständnisvoll. Es war meine Fassade, die mir mein Name einbrachte. "Habt ihr Schmerzen?" Ruhig stellte ich diese Frage an die Menge und während einige unbeholfen nickten, wurde die Skepsis der anderen größer und das Flüstern und Raunen bestärkt. Ich holte tief Luft und ging einige Schritte, gab meinem Bein etwas Nachsicht und hielt dann wieder inne. "Fürchtet ihr euch?" Die Reaktion blieb diegleiche und ich nickte. "Ich auch." Offen tat ich dies kund und alles andere wäre eine Lüge gewesen. Ich sah zu den Hängen Mordors und dem roten Schleier, der den Tod prophezeite. Kurz schwieg ich noch und ergab mich den lauteren Worten der Menschen. "Was sollen wir schon tun können?" Abwartend biss ich mir auf die Unterlippe und schlenderte weiter. Ihre Blicke folgten mir, als erwarteten sie eine Antwort. "Was dachte sich dieser Mithrandir in seiner Tollkühnheit?!", rief ein Anderer und ich blieb stehen. "Sollen wir, die wir Söhne und Väter verloren haben, etwa noch unser eigenes Leben wegwerfen?!" "Also gebt ihr lieber auf und fügt euch?", warf ich zugleich ein, schneidend und mit einem Schlag knisterte die Luft um mich herum vor Anspannung. Die Mienen der einen trübten sich, andere dagegen zeigten sich erbost. "Wir sind am Ende! Was sollen wir uns noch kümmern, wenn der Tod vor unseren Türen steht?!" Abwartend sah ich sie an und ihre Blicke wurden finsterer. Aus dem ehrfürchtigen Geflüster entstanden von einem zum nächsten Moment hörbare Meinungen, erboste Zurufe und ich ergab mich diesen Worten, gab kein Zeichen eines Ärgernisses von mir und doch war mir der Sinn danach. "So ist es also euer Wunsch, den Tod eurer Liebsten ungesühnt zu lassen?" Noch einmal durchschnitt ich ihre Zweifel mit meinen Worten und es wurde still. "Habt ihr dafür gekämpft? Habt ihr dafür überlebt?" Ich legte die Hand an die Seite und blieb dennoch eisern. "Ich kenne eure Angst, Zweifel... ich kenne diese Hilflosigkeit." Noch einmal nickte ich mir selbst zu, schloss dabei die Augen und versuchte mir den Mut einzuverleiben, den ich ihnen schenken wollte. "Doch ich gebe nicht auf." Verwunderung zeigte sich in den jungen Gesichtern und die Älteren wandten ihren Blick ab. "Wir sind sterblich...", fuhr ich fort und begann wieder zu laufen, trat jedoch nicht zu sehr auf dem rechten Bein auf. "... kein Panzer kann uns vor geschickten Treffern schützen, keine Medizin kann unsere seelischen Leiden, unsere Zweifel lindern. Doch wofür kämpfen wir? Wofür habt ihr gekämpft und euch gegen eine Macht bewährt, die eurer oblag?" Es folgte keine Antwort und so gab ich sie ihnen. "Für euren Glauben. Für euer Land und eure Zukunft. Für die Zukunft eurer Kinder. Ihr habt gekämpft... um zu existieren." Einjeder wagte es nun, sich wieder an mich zu wenden. Ich spürte ihre Blicke auf meinen Rücken... und mein Blick wurde weicher, denn mit aller Macht wollte ich ihre Hoffnung sein. "Unser Volk ist stark. Unser Volk ist vollkommen in seiner Beständigkeit. Wir machen Fehler und lernen aus ihnen. Wir sind Menschen, die aus ihren Schwächen Stärken erschaffen." Schließlich wandte ich mich erneut um und trat zu einem hockenden Burschen, dessen Arm fest bandagiert und augenscheinlich gebrochen war. Vorsichtig hockte ich mich zu ihm und besah ihn mir genau. Er erwiderte dieses Mustern gezeichnet von Trauer und Zweifel. Und ich lächelte. "Wir sind zäh und widerstandsfähig." Seine Augen richteten sich auf die meinen, ehe ich aufstand und meine Worte wieder an die Masse richtete. "Die dunkle Macht hat uns unterschätzt, denn wir haben überlebt! Und ich sage, wir werden ihr widerstehen und sie besiegen!" Noch einmal festigte ich meine Schultern. Ich bewies, woran ich glaubte... ich bewies meinen letzten Halt und es wirkte. "Das Volk der Menschen wird bestehen bleiben. Und wir werden Mittelerde retten und mit ihr alle Völker." Ich spürte, wie ihre Dämmernis wich, wie sie nickten, während sich meine Schritte beschleunigten, als ich auf einen älteren Mann zuging, der ebenso am Boden hockte und dessen Blick mir weiterhin kein Vertrauen schenken wollte. "Man wird sich an euch erinnern, wenn ihr eure Hoffnung nicht aufgebt und niemals vergesst, weswegen wir kämpfen und immer wieder aufstehen." Zustimmende Rufe ertönten und wenn es noch wenige waren, fühlte ich mich bestärkt in meinem Handeln. Unbedacht auf meine eigenen Leiden zog ich meinen Arm aus der sicheren Schlinge und streckte ihn dem Mann entgegen. "Merkt euch meine Worte!" Der Mann zögerte, sah zu meiner Hand, die in Verbänden lag und geschwächt sein musste und ich nickte ihm zu, damit er nach ihr griff. "Unser Volk wird in die Geschichte eingehen, als die...", zaudernd griff er meine Hand und ich schluckte das quälende Zerren in den Muskeln gekonnt hinunter, als ich ihn mit einem Ruck auf die Beine zog und einen festen Händedruck vermittelte, "... glorreichen Vertreter aller freien Völker!" Sie nickten! Sie lächelten und regten sich. Bestärkt durch wenige Worte standen sie auf, halfen geschwind denen, die verletzt waren und selbst in deren Augen erkannte ich das angefochtene Feuer neuer Tatenkraft. Ich sah mich um und lächelte. Mein Vorhaben nahm einen Weg ein, den ich beabsichtigte und ich hob die Hände und stützte sie anerkennend in die Seiten. "Und ihr werdet diese Geschichte erzählen." Mit diesen Worten erwachten ihre Geister und sie jubelten, sprachen sich gegenseitig zu und klopften sich auf die Schultern. Ich sah den Glauben an meine Worte in ihre Gesichter geschrieben und sie waren gestärkt in ihrer Zuversicht. Und dann... zerstreute sich die Masse. Sie wussten, was sie zu tun hatten und gingen ihrer Wege, als wäre Hoffnungslosigkeit ein Wort, das sie nicht gekannt und niemals verspürt hatten. Ich sah ihnen nach, lächelte und wartete, bis ihr Augenmerk sich einzig und allein auf ihre Aufgaben konzentrierte. Dann schwand dieses Lächeln... Ja, ich war mir bewusst, was ich ihnen sagte und teilte in jeglicher Hinsicht die Einsichten meiner Worte. Aber ich stellte mir die Frage, was mir blieb, wenn der Kampf begann und ich mir selbst Hoffnung zusprechen musste. War das alles...? Meine eigene Zuversicht, in der ich mir selbst Mut machen musste? War das wirklich alles... was ich war? ~*~ Legolas: Faszinierend... Wie die Strahlen der Sonne bis in jeden Winkel drangen und zum Trotze der Finsternis, die sich schwer und erdrückend über Mittelerde senkte, eine solche Helligkeit mit sich brachten... Wie die feinen Staubpartikel im Licht tanzten, sich kreisend umspielten und sich von einjedem Lufthauch mittragen ließen... Wie reglos und doch lebendig die Wärme des Tages durch das Fenster strömte, sich auf meine Brust legte und selbst diese mit munterem Leben zu durchströmen schien. Der Atem, der lautlos und behäbig über meine Lippen kam, verblasste zu einem unbedeutenden Symbol dieses Daseins, nicht minder die Laute, die von Arbeiten und Gesprächen zeugten, verloren an Intensität... hatten in diesen Augenblicken gar noch nie viel von ihr besessen. Stimmen, Schritte, Rufe, Geräusche... und doch existierten sie nur in der Welt, in der mein Leib ruhte. Keine Verbindungen zu meinen Sinnen, die weit schweiften, abwesend und doch aufmerksam waren. Ich wusste nicht, wann ich die Augen aufgeschlagen und mich von der Meditation gelöst hatte... seit wann ich den Anschein erweckte, munter zu sein und es doch nicht war. Regungslos blickten meine Augen in das feine Gewirr des feingliedrigen Staubes, der den Strahlen Gestalt verlieh und mich lockte, ihrem Spiel zu folgen. Allein zu diesem Punkt fühlte sich meine Konzentration hingezogen und mein Körper schwelgte in solch einer Ruhe, dass es die Starrheit eines Toten hätte sein können. Meine Lider blinzelten nicht, meine Lippen sprache keine Worte, wären sie auch nur stumm. Ebenso meine Augen wandelten sich in Schweigen und reglos labten sich meine gefalteten Hände an der Helligkeit, die doch so viel mehr war, als nur das. Wie lange hatte ich der Dunkelheit Achtung geschenkt, ohne das Licht zu berücksichtigen? Wie oft nur, hatte ich mich in unergründlicher Finsternis wiedergefunden, war es doch Tag, der schon längst angebrochen war. Wie sehr war es mir verwehrt geblieben, die Nichtigkeiten zu schätzen, hinter deren Fassade sich doch viel mehr verbarg, als bloße Lappalien? Und wie sehr nur... erfüllte es mich mit süßem Genuss, darniederzuliegen und die Absenz sanft ausklingen zu lassen... mit Bildern vor Augen, die diese Augenblicke zu einem unvergleichlichen Erlebnis machten. Nachhaltig sehnten sich meine Lungen nach der reinen Luft, meine Brust hob sich unter einem tiefen Atemzug und ein Blinzeln nahm dem Traum einen Teil seiner Realität und zog mich hinein in eine andere, in der das Stampfen von Schritten und die Laute aus einjeder Richtung an meine Ohren drangen, die Ruhe vertrieben und mir die Wirklichkeit vor Augen führten. Die Wirklichkeit, in der ich lebte. Behäbig wandte ich den Blick von jenem gleißenden Licht ab und ließ ihn schweifen. Meine Finger spreizten sich, fanden zur Beweglichkeit und lösten sich alsbald voneinander, um auf das Laken hinabzusinken und darüber hinwegzutasten. Meine Pupillen hielten inne, blieben auf die steinerne Wand gerichtet und doch war es etwas anderes, was sie sich betrachten. Oh, wie sehr sehnte ich mich nach den unwirklichen Träumen. Allein mir gehörten sie und kein grauer Nebel vermochte in sie einzudringen. Anders als hier in der Realität, in der sie mir nun wieder erschienen und sich in Form von gespenstischen Fetzen vor meinem Blick wölbten. Ich schluckte und wehmütig wurde ich mir der Flüche bewusst, die so niederträchtig in ihrer Stärke und schonungslos in ihrer Grausamkeit waren. Langsam setzte ich mich auf, tastete mich über die Kante des Bettes und zog die Beine über sie. Ziellos suchten meine Augen und bald schloss ich sie, um sie mit den Fingerkuppen zu betasten, sie vorsichtig zu reiben und das unangenehme Gefühl zu vertreiben, welches auf ihn lastete. Doch hielt ich auch inne in diesen Bewegungen, als ich den erhobenen Arm vor mir erblickte, den hinabgerutschten Ärmel und... Ich erhob mich, fühlte mich dabei sicher und kraftvoll, senkte den Arm und schritt zur Tür. Die Einsamkeit, die ich gestern noch als liebsten Freund gewählt hätte, wurde durch Erinnerungen zu meinem Feind und ich entfloh ihm, bevor er sich mir krauchend näherte und meine Gedanken zu anderen machte. Vielleicht... verlangte es mir einiges ab, so zu handeln, doch klammerte ich mich an den teuren Rat eines Freundes, der mich stumm und unausgesprochen erreicht, und sich tief in mein Inneres geprägt hatte. Entschlossen und doch nicht zielgerichtet trat ich hinaus in den Gang, schloss die Türe hinter mir und fühlte mich annähernd verwundert, als ich den verlassenen Flur erblickte, den kaum jemand durchschritt. Nur ein Mann in schwarzer Robe verschwand am hintersten Ende, in der Ferne klackte eine Tür und all die Laute stammten von anderen Orten. Ich drehte mich zur Seite, verzog die Brauen und streifte den Umhang höher. War es eine Sinnestäuschung, der ich unterlag? Deutlich hatten sich Laute erhoben, intensiv waren sie in meine Wahrnehmung gedrungen und... Ich stockte. Die Hand, die soeben noch nach dem Saum des Gewandes getastet hatte, ließ ab von ihrem Vorhaben und sank hinunter. Oder waren es Fähigkeiten, die frühzeitiger zu mir zu mir zurückfanden, als es meinen Erwartungen entsprach... Abermals drehte ich mich, diesmal durchaus langsamer und zögernd. Wieder hörte ich, wie sich eine Tür schloss. Und Schritte... die so laut erschallten, als zöge der Verursacher geradewegs an mir vorbei. Doch stand ich alleine hier und ließ ein Lächeln gewähren, nach dem mir tatsächlich war. Flüchtig setzten sich meine Fingerkuppen auf meine Wange, strichen zurück und versanken in dem Haar, welches ich hinter das Ohr streifte und gleichsam meiner Wege zu gehen begann. Musternd und studierend besah ich mir die Ornamente, die selbst den Boden zu einer Augenweide machten. So simpel und dezent und doch mit Freuden zu begutachten. Den Kopf gesenkt und in stille Beobachtungen vertieft, ließ ich eine Frau an mir vorbeieilen, ohne sie mit Aufmerksamkeit zu würdigen. Leise raschelte ihr langes Kleid, als sie ging und schwelgend hob ich den Arm, streckte ihn zur Seite und ertastete die Wand, an der ich mit den Fingerkuppen entlangglitt, einjede Unebenheit wahrnehmend und ihrer nicht viele. Meine Lider sanken hinab, vertieft in diese Empfindungen tat ich die nächsten Schritte mit geschlossenen Augen, atmete tief und genießerisch und fand großen Gefallen an diesem bedächtigen Spaziergang. Ein Luftzug durchstreifte den Flur, erfasste mich und offenbarte den Geruch von Speise und Trank, der auf so manchen äußerst verlockend wirken musste. Ich jedoch, tat ihn als weitere Empfindung ab und meine Finger lösten sich von jener Fläche, als ich schlendernden Ganges einen Flur betrat, der mich näher zu den Innenhöfen führen würde. Geräuschvoll entließ ich den Atem, hob den Kopf, blickte empor zur Decke und nahm mir einen Augenblick, mir jenes Banner zu betrachten, welches mir so oft erschienen war... in Bildern, wie auch in der Realität, die es darstellen und auf ewig erhalten sollte. Der weiße Baum... Studierend verengte ich die Augen, als ich stehen blieb und kurz darauf mit schiefgelegtem Kopf nähertrat. Wahrlich... königlich. Doch verziert von weißen Blüten, die in ihrer Vielzahl eine Macht darstellten, die gegenwärtig nicht existierte. Ich blinzelte, senkte nachdenklich den Kopf und umfasste das Handgelenk auf dem Steiß. Durchaus ein verlockender Anblick, der Zuversicht brachte und Wirklichkeitssinn nahm. Ich lächelte matt, spreizte die Finger und wurde hellhörig. Undefinierbare Klänge waren es, die mich erreichten und lange Zeit blickte ich in die Richtung, aus der sie zu mir drangen, bevor ich ihnen folgte. Durchaus neugierig und doch gemächlich schritt ich den Gang hinab, hielt die Hände noch immer entspannt auf dem Rücken und blinzelte genießerisch unter den Sonnenstrahlen, die durch ein Fenster fielen und spielerisch mein Gesicht streiften. Nicht weit führte mich der Weg, bis sich der Flur zu einer Seite öffnete und durch kunstvolle Arkaden den Blick in einen Hof gewährte. Frische Brisen des Windes fanden in diesem Bogengang den Einlass, auf dass sie die Korridore und Säle durchstreiften und die königliche Feste zum Leben erweckten. Friedlich warf die Sonne dort Muster auf den ebenen Boden und unterwarf sich dabei der kunstvollen Bauweise, durch die sie annähernd unnatürliche Formen bildete und meine Aufmerksamkeit langanhaltend auf sich zog. Gebannt trat ich über die Muster hinweg, während sich neben mir der freie Himmel offenbarte und gegenüber die Mauern, die den Innenhof umschlossen. Erneut ertastete meine Hand eine der Säulen und behäbig folgte ich ihr, bis ich sie erreichte. Das leise Säuseln einer bekannten Stimme drang an meine Ohren und mehr noch ließ ich mich von ihr locken und trat herum, mich stets auf dem rauen Gestein entlangtastend, bis meine Hände reglos verblieben und auf der glatten Oberfläche verharrten. Still blickte ich hinunter in den Hof... und dort stand er. Aufrecht und erhoben in einer Menge, die sich dort versammelt haben musste. Menschen kauerten auf dem Boden, auf den Stufen der Treppen und in Nischen. Ihr Kleidung wirkte abgenutzt, in den Händen hielten manche von ihnen ihre letzten Habseligkeiten und stumm schrie die Verzweiflung in ihren Augen, während Angst und Sorge über ihre Lippen kam. Ein wirsches Geraune erhob sich, unauffällige, doch vielsagende Blicke wurde gewechselt und soeben noch ein Unbeteiligter, konnte ich gleichwohl in ihren Mimiken lesen, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Begutachtend besah ich mir ihre Reihen, hinterfragte Gestiken und setzte mich mit dem Schmerz auseinander, den diese Menschen wahrlich spüren mussten. Und mehr noch in ihren Herzen als ihren Körpern, die von Wunden geplagt wurden. Diese Menschen... sie zeigten wohl das, was wir alle fühlten. Wie das Ende eines jeden Krieges, der mit dieser Schlacht dennoch nicht versiegte. Weitere würden folgen... so viele, wie das Schicksal uns zumutete, sofern es ihm wirklich von Belang war, uns ein Gönner zu sein. In stummer Anteilnahme schloss ich für einen Augenblick die Augen, stützte die Schulter gegen die Säule und neigte auch den Kopf, bis ich ihn seitwärts an dem Gestein bettete und eine entspannte Haltung fand, in der ich der Gegebenheit entspannt beiwohnen konnte. Dies lag wahrlich in meinem Interesse und nur mein Mitgefühl mit all denen, die wohl Opfer des Krieges waren, mahnte mich, das Lächeln, welches in mir aufkeimen wollte, in genau diesem Keim zu ersticken. Es erfüllte mich mit Wohlgefallen, Aragorn bereits in dieser frühen Stunde zu begegnen und verborgen unter den Neigungen der Arkaden, folgten meine Augen ihm wachsam. "Habt ihr Schmerzen?" In ziellosen Schritten zog er durch die Schar, blickte umher, schien ebenso in den Mimiken zu lesen, wie ich. Seine Stimme erhob sich gedämpft und warmherzig, als er eine Anteilnahme und ein Interesse zeigte, zu dem ihn niemand zwang. Entspannt verschränkte ich die Arme vor der Brust, tief atmete ich durch und blinzelte im Sonnenlicht, welchem das Elend gänzlich zu entgehen schien. Gleich eines unbarmherzigen Kontrastes drang es nur an die höchsten Mauern und überließ den Innenhof der schattigen Düsternis, als wolle es seine Existenz verleugnen. Schmerzen... Hatte ER Schmerzen? Schweigend bewegte ich die Lippen, studierte ihn mit verengten Augen und sah ihn innehalten. Längst schon, hatte sich das undefinierbare Murmeln erhoben und er drehte sich, wandte sich in die andere Richtung, stand in einem Meer aus Kummer und wirkte dabei so unfassbar robust und stark. Und doch... "Fürchtet ihr euch?" ... er hatte Schmerzen. Sein Leib schien einem Teil seiner Freiheit beraubt, die für einen Kämpfer wie ihn eine lebensnotwendige Grundlage darstellte. Ich verzog die Brauen, vertiefte mich so ausgeprägt in sein Aussehen, dass mir etwaige Einflüsse der Umwelt gänzlich entronnen wären. "Ich auch." Langsam löste ich den Kopf von der Säule und trat zögernd zur steinernen Brüstung, als würde es mir einen großen Gewinn bringen, die Distanz um solch ein geringes Stück zu verringern. Als hätte eine mildtätige Macht die Kontrolle meiner Hände übernommen, sanken diese hinab auf die Balustrade, in der ich eine weitere Stütze fand. Ich benötigte sie nicht und dennoch war ich zu ihr getreten. Es war mir ein schweres, es selbst zu begreifen... Gedanken zu finden, die mir meine Gefühle offen mitteilten. Unverkennbar spielte sich all das vor meinen Augen ab und mein Körper harrte reglos aus. Welch eine Stärke... die Schwäche so unverhüllt zu offenbaren... Welch ein Trost... die Wahrheit zu erkennen, sei die noch so schmerzlich in ihrer Wirklichkeit. "Was sollen wir schon tun können?", erhoben sich klagende Rufe und erneut begann er seinen Spaziergang... durch die Reihen und selbst sinnierend. "Was dachte sich dieser Mithrandir in seiner Tollkühnheit?!" Der fühlbare Protest verlor für mich an Realität, denn bloße Irritierung herrschte über mich... über meinen Leib, bis hin in mein tiefstes Ich. Keine Ausdrücke schenkten meiner Miene Regung, wenngleich mich Gedanken und Eindrücke beherrschten, die so verschiedener Art waren. Es... es verblüffte mich... Er... verblüffte mich. Hatte ich ein bedeutungsloses Ereignis erwartet, traf nun etwas vollkommen anderes ein. "Sollen wir, die wir Söhne und Väter verloren haben, etwa noch unser eigenes Leben wegwerfen?!" Nur gedämpft, annähernd lautlos, vernahm ich den zornigen Ruf eines alten Mannes und war vielmehr damit beschäftigt, meinen Beobachtungen zu folgen. Er humpelte noch immer... setzte sein Bein keiner großen Belastung aus... Seine Hände versuchten ruhig zu bleiben... hoben sich jedoch ziellos und unentschlossen und offenbarten den Kampf, der in seinem Inneren toben musste... Ja, seine Gestiken verrieten ihn und dennoch nicht vor jedem Auge. Wie stellte er sich auf einmal dar? Stets hatte er Stärke gezeigt und Bedenken gespürt... alles hatte er daran gesetzt, den Anschein zu bieten, nach dem er sich sehnte... und das vielmehr im Interesse der anderen, nicht für sich... Wie bemerkenswert war sein Wissen, dass Menschen nicht immer einem vollkommenen Beispiel folgen wollten... in gewissen Momenten vielmehr in einem Mitfühlenden einen Trost sahen... Wie eindrucksvoll gab er die schützende Hülle auf und wagte sich heraus, um den Verzweifelten das zu geben, was sie benötigten... Wie schmerzhaft musste es für ihn sein... und er tat es für die anderen. "Also gebt ihr lieber auf und fügt euch?" Laut rief er dies, energisch und mit einer Entschiedenheit, die meiner Wahrnehmung eine schwache Wut preigab. ... auf wen oder was sie sich lenkte, vermochte ich nicht zu sagen. Und verbittert erhielt er Antwort. "Wir sind am Ende! Was sollen wir uns noch kümmern, wenn der Tod vor unseren Türen steht?!" Weitere Zurufe folgten, verworren erhoben sich die Stimmen und es verband sich zu einem einzigen Geschrei, welches Aragorn schweigend und reglos über sich ergehen ließ. Still stand er in ihrer Mitte und ich schöpfte Atem, den ich wahrlich brauchte. "So ist es also euer Wunsch, den Tod eurer Liebsten ungesühnt zu lassen?!" Seine Starrheit hatte es selbst meinem Auge verwehrt, seine Empfindungen zu erspüren. Nun jedoch, zeigte er sie für jeden sichtbar und dies mit Nachtdruck. In seiner Erregung ging er weiter und unerklärlich war mir sein Können, zu beschwörenden und zugleich einfühlsamen Worten zurückzufinden. "Habt ihr dafür gekämpft? Habt ihr dafür überlebt? Ich kenne eure Angst, Zweifel... ich kenne diese Hilflosigkeit." Eine beiläufige Handbewegung erinnerte an jenen inneren Kampf, doch fühlte ich mich, als hielte mich ein Bann gefangen. Hilflosigkeit... dachte ich mir und schwer wurde mir das Herz, als ich den Kopf in einem stummen Atem sinken ließ und andächtig die Augen schloss. Ich kannte die seine... Er kannte die meine. "Doch ich gebe nicht auf." Ich öffnete die Augen und beiweitem war ich nicht der einzige, der frappiert war über das, was er sprach... nun, es war die Wahrheit, doch hätte ich nimmer erwartet, es mir gar erhofft oder von ihm verlangt, all das auf diesem Weg an das Licht des Tages, und gleichsam an das der Realität zu bringen. Meine Fingerkuppen schabten über das Gestein und ich schluckte, als ich mich aufrichtete und den alten Halt an der Säule fand, gegen die ich mich nun durchaus etwas matt lehnte. "Wir sind sterblich... kein Panzer kann uns vor geschickten Treffern schützen, keine Medizin kann unsere seelischen Leiden, unsere Zweifel lindern." Und ich hörte ihm zu, als wären seine Worte allein an mich gerichtet, als würde man nur mir Aufmerksamkeit abverlangen... als müsse diese dadurch umso größer sein. "Doch wofür kämpfen wir? Wofür habt ihr gekämpft und euch gegen eine Macht bewährt, die eurer oblag?" Stille folgte und auch ich schwieg. Starr kauerten die Menschen bei ihm, reglos hockten sie dort und einjeder Kopf war zu ihm erhoben, als er in die Menge sah... ihre Gedanken gewähren ließ und dennoch keine Antwort zu erwarten schien. Ich sah ihn an. "Für euren Glauben. Für euer Land und eure Zukunft. Für die Zukunft eurer Kinder." Er hob die Hände, wandte sich an einjeden von ihnen, schwörte auf das, was er fühlte und zeigte trotz seiner Wunden eine Festigkeit, der ich mit großer Anerkennung begegnete. "Ihr habt gekämpft... um zu existieren." Mit einem stummen Nicken gab ich meine Zustimmung, nickte weiter und bald nur für mich. Lautlosigkeit begann zu herrschen... keine zornigen Rufe, keine Widersprüche. Ich befeuchtete meine Lippen mit der Zunge, presste sie aufeinander und fühlte mich merkwürdig wehmütig. "Unser Volk ist stark. Unser Volk ist vollkommen in seiner Beständigkeit. Wir machen Fehler und lernen aus ihnen. Wir sind Menschen, die aus ihren Schwächen Stärken erschaffen." Erneute Ruhe. "Wir sind zäh und widerstandsfähig. Die dunkle Macht hat uns unterschätzt, denn wir haben überlebt! Und ich sage, wir werden ihr widerstehen und sie besiegen!" Ich löste meine Augen von dem Gestein der Brüstung und als hätte sich seine heroische Stimme zu einem Schlachtruf erhoben, durchfuhr mich ein Schauer prickelnder Verzückung. Was besaß er nur für eine Kraft? Selbst in Momenten, in denen sie sich nicht offen zeigte? Was besaß er nur für eine Fähigkeit, Gehöre zu gewinnen, Augen auf sich zu ziehen... Aus einer Situation, die so angespannt und unsicher gewesen war... "Das Volk der Menschen wird bestehen bleiben. Und wir werden Mittelerde retten und mit ihr, alle Völker." ... schaffte er mit grandioser Entschlossenheit eine Atmosphäre, in der Zuversicht existierte und alte Kräfte zu neuem Leben fanden. Reglos blieb ich lehnen, umso unruhiger bearbeiteten meine Finger den Saum des Umhangs und ich vergaß mein Atmen, als er nach zielstrebigen Schritten vor einem Greis stehenblieb. Um ihn herum wurde die Menge von Bewegung erfasst und als wären es nicht mehr die Menschen, die der Verzweilfung vor kurzem noch so nahe waren, strotzten ihre Augen vor Tatendrang und anstatt der Widersprüche erhoben sich Zustimmungen. "Man wird sich an euch erinnern, wenn ihr eure Hoffnung nicht aufgebt und niemals vergesst, weswegen wir kämpfen und immer wieder aufstehen..." Ich spürte eine unbestimmte Regung in meiner Miene und nur kurz holte ich Atem, als sein Ausbleiben meine Aufmerksamkeit errang. Doch ließ ich ihn gleichwohl wieder stocken, als Aragorn dem Greis die Hand reichte. Die Verletzte... die ihm so viele Qualen bereitete... "Merkt euch meine Worte!" Und er spreizte dem Alten die Finger entgegen, worauf dieser nur zögernd zugriff und ich bemerkte kaum, wie ich mich erneut von meiner Stütze entfernte und an die Balustrade herantrat. "Unser Volk wird in die Geschichte eingehen, als die...", eine rasche und kraftvolle Bewegung und ein stich in meiner Herzgegend, als er den Menschen auf die Beine zog, "... glorreichen Vertreter aller freien Völker!" Ich war fassungslos... fassungslos... und anders konnte man es nicht nennen. Die rege Menge entging meiner Aufmerksamkeit gänzlich, die Entschlossenheit, ihre Bereitschaft zu neuen Taten, ihre Bewegungen, in denen sie sich erhoben... die mutigen Blicke, mit denen sie einander unterstützten. Und Aragorn stemmte die Hände in die Hüften... die Menschen erhoben sich, Köpfe neigten hinauf bis in seine Höhe und doch blieb er der unzerstörbare Mittelpunkt... etwas Außergewöhnliches. "Und ihr werdet diese Geschichte erzählen." Jubeln, Rufe, Klatschen... und ich wandte den Blick ab, weit fort, bis er zu einem der Banner fand. Ich achtete nicht mehr auf das Treiben im Hof, sah den dunklen Stoff, die Riemen, die den Banner hielten. Schritte ertönten... viele waren es an der Zahl. Die Menschen verließen den Hof und stockend hob ich die Hand, mir dem Mund zu reiben und meine trockenen Lippen unter den Fingerkuppen zu spüren. Wenn man es recht bedachte... Aragorn opferte sich... er opferte sich immer und für jeden... er half, tröstete, nahm Anteil und sorgte sich. Wie einzigartig diese Eigenschaften in solchen Zeiten waren... wie wenig sie besaßen und wie viele an ihnen zugrunde gingen. Die Menschen waren verängstigt und ihre Angewiesenheit auf Führer so groß wie noch nie zuvor. Ihr sehnen nach einem Herrscher, der sie stützte, wo sie es selbst nicht konnten... der ihnen Mut zusprach, den sie selbst nicht besaßen. Ich atmete geräuschvoll aus, ziellos schweiften meine Augen umher und letztendlich blieben sie dennoch nur am Boden hängen. Menschen... So bestrebt darauf, Hilfe zu empfangen. Und so nahmen sie sie und vergaßen, wer sie ihnen gegeben hatte... So hilfebedürfte und in ihrer Art doch so egoistisch... nie würde ich sie begreifen. Immer wieder meinte ich, dem näherzukommen, doch zerstörten Handlungen diesen Glauben und das viel zu oft. Nur einer war anders... Behäbig wandte ich mich um; meine Schulter streifte jene Säule und ich sah ihn dort unten stehen. Soeben noch, als ein Mittelpunkt, der Kraft und Überwindung von ihm forderte... soeben noch der, auf den einjeder Angewiesenheit. ... und nun war er der Einsame, zu dem er sich so lange Zeit gemacht hatte. Er stand dort, weder kräftig noch entschlossen... vielmehr verloren und nichts hatte das Lächeln auf seinem Gesicht hinterlassen, als es verblasst war. Kein Hauch der Zufriedenheit... nichts. Die Menschen waren fort... und er würde sich für sie freuen, sich daran beglücken, dass sie jene Entschlossenheit zurückerlangt hatten und sich nun besser fühlten. Es schien ihm zu reichen. Er würde ihr Glück teilen... doch war es das Falsche. Es gab nicht viel Glück auf dieser Welt und doch hatte einjeder das Recht, ein eigenes zu besitzen, ein persönliches, welches man nur schwerlich mit anderen zu teilen vermochte. Die Bewegungen meines Körpers waren mir entgangen. Annähernd irritiert war ich über die Schritte, die ich tat. Ich näherte mich einer geschwungenen Treppe, die in jenen Hof hinabführte... doch gab ich meinem Körper Recht und pflichtete ihm bei. Glück konnte man teilen, wenn man jenes freudige Gefühl selbst kannte... ... wenn man genug davon besaß, um großzügig etwas davon abzugeben, weiterzugeben... Doch wer nie in diesen Genuss gekommen war... Wer es sich auch sonst so verdient gemacht hatte... ... und dem es dennoch nicht zuteil wurde. Der hatte ebenso wenig das Recht, es sich zu verdienen! Ich trat die Treppe hinab, erreichte den düstren Innenhof und meine Augen richteten sich auf die einsame Gestalt, sobald ich den Fuß auf den hellen Kies setzte. Schweigend kam ich ihm entgegen, besah ihn mir ausdruckslos und hielt vor ihm inne. Das einzige Recht war... es geschenkt zu bekommen. ~*~ ~*tbc*~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)