Das Leben liebt die Unsterblichkeit von abgemeldet (~'*Legolas & Aragorn*'~) ================================================================================ Kapitel 15: *~estel~* --------------------- *~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~* ~*estel*~ - Hoffnung *~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~* Zu diesem Kapitel gibt's wieder ein Bild in der Chara-Beschreibung. ^_~ Aragorn: Ich glaube, ich wüsste nicht, was ich getan hätte, wäre er meiner Bitte nicht gefolgt, obgleich es ihm unter keinen Umständen zu verübeln war, wenn er die Einsamkeit entgegen meiner Anwesenheit vorzog. Er war im Recht, egal was er tat. Allein seine Wünsche hatten Vorrang, denn nichts anderes wollte ich bezwecken, als dass er sich erholte... doch viel lieber noch, dass er Ablenkung und vielleicht etwas Besonnenheit durch Zweisamkeit wiedererlangte. Ich tat es nicht aus Dankbarkeit. All dies schuldete ich ihm aber dennoch war dies nicht der Grund, weshalb ich ihn in aller Höflichkeit und Offenheit bat, bei mir zu verweilen. Alles was ich begehrte, war eine Regung und eine Rückkehr zu seinem alten Ich, das verborgen hinter grauen Schleiern und kalter Grausamkeit lag. Alles was ich begehrte, war eine Reaktion... und vielleicht, nach ein wenig Kraftschöpfung und Entspannung, ein warmes Leuchten in seinen starren Augen. Unabhängig davon wie schwach es sein würde. Ja.... damit das Leben in ihn zurückkehrte... Ruhig sah ich zu, wie er sich emotionslos zu mir wandte und an mir vorbeizog, das Zimmer verließ. Vielleicht war es ihm unangenehm, wenn wir an den vielen geschäftigen Menschen vorübergingen und sie ihn mit verwunderten und gar furchtsamen Blicken straften... auch ich hatte dies getan und ich hoffte inständig, dass er mir dies verzieh. Keine Strafe wollte ich ihm damit auferlegen... er war noch immer dergleiche... noch immer ein helles Wesen, das unnahbar war und trotz alledem vertraut. Genau diese Züge mochte ich so innig, schmerzten sie mir doch gleichermaßen und ließen mich erschaudern vor Glück und Leid. Leise schloss ich die Tür und blickte zu dem Elben, sah, wie er sich die Augen rieb und legte den Kopf leicht zur Seite. Gemächlich trat ich dann auf ihn zu und wartete, ehe er sich selbst in Bewegung setzte und mir nur langsam folgte. Ich passte mich seinen Schritten an, gab es weder Grund, noch Gebot zu eilen und sich den Geschäften der Anderen anzuschließen. Wir hatten Zeit... und ich würde sie nutzen. Ich bemühte mich, einen schlendernden Eindruck zu machen, nicht zu viel meiner eigenen Schwäche preiszugeben, trotz der Schmerzen und dem Stechen in der Seite. Lächelnd durchschritt ich mit Legolas nahe an der Seite den langen Gang und blickte mich um. Banner, die den weißen Baum zeigten... einen Baum, der von Blüten übersäht, in voller Pracht seines weißen Lichtes stand und Hoffnung weckte. Doch der Kampf hatte sie in Mitleidenschaft gezogen... an vielen Stellen, an denen wir stumm vorbeizogen waren keine mehr vorhanden und andere so schnellst wie möglich erneuert worden. "Weißt du...", ich begann entspannt das Wort zu fassen, die Stille zwischen uns zu vernichten, um meinen Wünschen nachzugehen. Eine Regung... egal, welche, "... im zweiten Zeitalter war Minas Tirith unter dem Namen 'Minas Anor' die Hauptstadt des zweiten Sohnes des Hochkönigs Elendil. Sein Name war Anárion, der das nach ihm benannte Anórien regierte, den Westen Gondors." Erklärend hob ich gar den Zeigefinger und spürte eine leise Melancholie in meinem Herzen aufkeimen. Doch ich erstickte sie in diesem Keim, wusste ich doch, weshalb ich diese Geschichte zu erzählen begann. "Seine Bedeutung während des Zweiten Zeitalters wurde nicht wirklich klar widergegeben. Jedoch spielte es eine recht geringe Rolle in der Politik Gondors, da Anárion und sein älterer Bruder Isildur von Osgiliath aus, zusammen das Südreich regierten, welches bis zur Verwüstung Osgiliaths durch den Sippenstreit Tradition im Dritten Zeitalter blieb." Legende und Historie... Dinge, mit denen ich mich lange Zeit keinen Moment lang und doch in jedem Augenblick beschäftigt hatte. Ich wusste, was ich war, wer meine Vorväter waren und woher ich kam... und doch sprach ich munter weiter, nickte mir selbst zu und warf flüchtig einen Blick zu Legolas. Seine Regung blieb unverändert und viel lieber beschäftigte er sich mit dem Boden, als mit den Gemäuern um ihn herum. Bisweilen verstummte ich, doch ich setzte sogleich nach, als ich mir meiner kurzen Schweigsamkeit bewusst wurde. Ich gab nicht auf. "Nach dem Fall Minas Ithil's an Saurons Streitkräfte, floh Isildur zunächst nach Minas Anor. Von dort aus koordinierte Anárion die Verteidigung des westlichen Anduinufers und Osgiliaths. Anárion musste zwei Jahre ausharren, bis Verstärkung in Form des letzten Bündnisses eintraf, das sich zunächst am Amon Sûl gesammelt und dann den Weg über den Pass des Caradhras genommen hatte." Ich blickte erneut zu ihm, nickte nach rechts und führte den Elb eine breite Treppe hinauf, die zu dem zweiten Ring führte. Er tat einen Schritt nach dem Anderen... doch täte er dies nicht, hätte man ihn mit einer Statue verwechselt, voller Hingabe und Zuneigung gemeißelt und doch unbeachtet... und ich... ja, ich sprach weiter. "Dieser Weg war nötig, um bei Lórien mit den Armeen Thranduils und Galadriels zusammenzutreffen und dann am Ostufer entlang, nach Ithilien zu marschieren, dort, wo die Armee Saurons Truppen in den Rücken fiel." Nachdenklich sah ich dann auf und blickte über die Mauern zum Horizont. Zu den Sternen, welche sich nach dieser qualvollen Schlacht umso prunkvoller zeigten und die Stadt an ihre alte Schönheit erinnerte. Ich blieb stehen und seufzte leise. "So viel Geschichte und doch ist uns das Ende bekannt. Isildur schnitt dem Dunklen Herrscher den Ring vom Finger, die Dunkelheit verschwand." Wenn auch nicht für immer... jener Fluch... Ich formte die Lippen zu einem entspannten Lächeln, lachte leise und wandte den Blick von den Sternen ab, um meinen Weg fortzusetzen. "Im zweiten Jahr des dritten Zeitalters pflanzte Isildur einen Setzling des Nimloth, als Andenken an Anárion, der im Jahre Dreitausenddreihundertvierzig im zweiten Zeitalter bei der Belagerung Bara-dûrs fiel. Ein Hoffnungsträger, doch so vieles geschah noch. Aufstände, Krankheiten..." Nein, es genügte... mehr konnte ich nicht berichten, mehr wollte ich wohl auch nicht. Die Zeiten wurden in diesem Zeitalter nicht heller und ich bezweckte nicht, eine düstere Geschichte in sein Gedächtnis zu brennen. Der folgende Durchgang wurde schmaler und ich wurde langsamer, ließ Legolas vor mir herlaufen, um nicht den Menschen, die uns entgegenkamen, den Weg zu versperren. Ich beobachte die Gangart des Elben, schleppend und träge tat er einen Schritt nach dem Anderen und ich legte die Hand auf den Bauch, verstummte und holte tief Luft. Die Schmerzen wurden nicht geringer... Sobald wir den Gang passiert hatten, hob ich die Hand zu einer Seitenstraße und lächelte. "Vor langer Zeit waren diese Straßen überfüllt mit lachenden Kindern. Obwohl aus Minas Arnor Minas Tirith wurde, nachdem Minas Ithil übernommen und Orks die Länder Gondors unsicher machten, lebten noch so viele Menschen hier." Nun entwich mir ein leises Lachen... unpassend vielleicht, doch heiter. "Zu den Zeiten meiner Kindheit hauste dort ein Bauer und lagerte seine Bestände in diesem Haus." Ich wies auf ein leeres und von der Zeit gezeichnetes Gebäude. Bröckelnde Wände und heftige Risse machten es zu einem Gemäuer, das nie mehr bewohnbar sein würde. Ungeachtet blieb, ob es Legolas überhaupt kümmerte, wo ich hinzeigte, was ich berichtete. Ich sah ihn nicht an und hielt das Lächeln aufrecht. Trödelnd trat ich zu ihm vor, beugte mich zu seinem Ohr und flüsterte. Keinem Menschen hätte wohl gefallen, was ich nun grinsend von mir gab. "Eines Nachts schlich ich mich hinein und der Herr fluchte und wütete am darauffolgenden Morgen, wer nur seine Obsbestände verringert und sein Mehl gestohlen hatte." Eine heitere Erinnerung bahnte sich da ihren Weg in mein Gedächtnis und ich beschleunigte meinen Schritt und lief mit den Armen hinter dem Rücken an Legolas vorbei, wippte ein wenig auf den Ballen und hob das Gesicht. "Es war ein vorzügliches Frühstück." Mein Lachen wurde freier und ich drehte mich schwungvoller zu dem Elben zurück... und er verblieb still. Als wäre seine Seele woanders und hatte zu einem ironischem Trost seine leere Hülle bei mir gelassen. Ich fragte mich, was ihn wohl noch zur Reaktion antreiben könnte, wenn nicht Dinge, die in wenigen, glücklichen Zeiten Freude offenbarten...? Erreichte ihn denn gar nichts...? Eine stille Enttäuschung machte sich in mir breit und ich räusperte mich und sah mich noch einmal um. Die alte Bibliothek lenkte mein Augenmerk auf sich und der Rückstoß, den ich soeben erlitten hatte, verschwand hinter der neuen, alten Zuversicht. "Komm!" Abschätzend ging ich ein wenig vor, suchend und heiter, winkte Legolas zu mir und blieb schließlich vor einer Tür stehen. Das musste sie sein. Geduldig wartete ich, bis Legolas diese erreichte. Noch einmal hob ich den Zeigefinger und richtete ihn auf das Gebäude gegenüber der Tür. "Alte Bibliothek. Lektüre, Berichte, meist gefüllt von lernenden Burschen, bestrebten Weisen... und auch rauchenden Zauberern." Im Gegensatz zu meiner letzten Erzählung war dies eine oberfläche Erklärung zu einem wichtigen Gebäude in dieser Stadt. Denn, wenn ich den einen nicht durch wissenswerte Dinge wecken konnte, mussten es andere sein, die ihn aufmerksam werden ließen. Seien sie noch so nebensächlich. "Und hier...", ich legte die Hand an den Knauf und schob die Tür bedächtig auf, "... einer der Gründe, weswegen du hier bist." ~*~ Legolas: Zugegeben, all das waren keine Annehmlichkeiten für mich, sondern vielmehr etwas, zu dem ich mich zwang. Niemandes Schuld lastete auf mir, nichts drängte mich zu diesem Schritt und die Suche nach Gründen offenbarte mir von vornherein eine solche Hoffnungslosigkeit, dass ich mich erst gar nicht mit ihr befasste. In meinem Kopf pochte ein Gewirr aus undefinierbaren Arbeiten und ich stellte mich taub, um all dem zu entgehen. Nicht weniger wollte ich meine Augen davor schützen, weitere Bilder in sich aufzunehmen, umherbzublicken und sich an Eindrücken zu bereichern, die nur eine noch größere Belastung dargestellt hätten. So hielt ich den Kopf gesenkt, die Augen niedergeschlagen und ich zeigte mich verschlossen und abwesend, was ich wohl auch war. Aragorns Schweigen hingegen, fasste ich mit leisem Wohlwollen auf. Die Worte, die ausblieben, verhinderten, dass ich mich mit Zuständen befasste und mich aus meiner Verschlossenheit herausbewegte, um die Welt deutlich wahrzunehmen. Ich war nicht bereit dazu und noch weniger schien es in meinen jetzigen Fähigkeiten zu liegen, dies zu tun. Ich selbst konnte ihm jetzt mit demselben Schweigen begegnen und es fiel nicht auf. "Weißt du..." Aragorns Stimme, so leise und entspannt sie auch zu mir drang, ließ die Befürchtung in mir aufleben, dazu gedrängt zu werden, aufzugeben, was mir in diesen Augenblicken so wichtig war und was ich mit so viel Anstrengung auf den Beinen hielt. Ehrlich, es verlangte mir nicht danach, Worte zu wechseln... weder mit ihm, noch mit anderen. Und erneut wurde ich mir des Fehlers bewusst, ihm gefolgt zu sein. Sicher würde seine Sorge ihn dazu drängen, mich um Offenbarung meiner Gefühle zu bitten. Beharrlich würde er darauf bestehen, dass ich von dem Vergangenen berichtete, das so grausam gewesen war... ... welch eine Ironie, dass sein Streben sich auf das richtete, was ich unsicher und hadernd umging. Ich schluckte und versuchte Kraft für die nötige Gegenwehr zu sammeln. Es irritierte mich. Stets hatte er durch meine äußere Hülle auf das geblickt, was sich hinter ihr abspielte und nahezu absurd war der Gedanke, dass er meinen Eindrücken nun widersprach und übersah, was mir angenehm wäre. "... im Zweiten Zeitalter war Minas Tirith unter dem Namen Minas Anor die Hauptstadt des zweiten Sohns des Hochkönigs Elendil." Beinahe ließ sich mein Körper dazu verleiten stehenzubleiben. Nieder und kraftlos wirkte meine vorherige Irritation gegenüber dieser, die erschreckend über mich kam und mich in meinem Inneren zerwühlte. Keinerlei Zusammenhänge fanden Existenz in seinen Worten. Als wären wir aus einer völlig anderen Lage in diese getreten, als würde er durch diese Erklärung Fragen beantworten. Doch Fragen waren nie gestellt worden...? Ich öffnete leicht den Mund, konzentrierte mich jedoch eher darauf, dem Ärmel Halt zu geben, indem ich mich noch immer in ihn klammerte. Er war von solch einer Wichtigkeit, dass alles andere zu einer Belanglosigkeit wurde. So lenkte ich meine doch eher geringe Aufmerksamkeit auf das Verbergen meiner Schande und nur undeutlich erreichten mich seine nächsten Worte, während meine Augen noch immer den Boden abtasten, sich nicht weniger vor der Realität flüchteten, wie ich es gern täte. "Sein Name war Anárion, der das nach ihm benannte Anórien regierte, den Westen Gondors." Ich weiß nicht, ob mich irgendeine Begebenheit wacher werden ließ, doch erhob sich in meinem Arm ein langanhaltender brennender Schmerz, der spürbar auf meiner Haut lastete und mich meiner letzten Sinne beraubte. Ich verfolgte das kurze Aufbäumen des Schmerzes und die darauffolgende Linderung, die mir ebenso wenig Befriedigung verschaffte, wie die jetzige Situation. Erneut verfing ich mich in einem stummen, unauffälligen Kampf und dass mein Blick stur und unbeugsam auf dem Boden haftete, verblasste zu einer Nebensächligkeit. "Seine Bedeutung während des Zweiten Zeitalters wurde nicht wirklich klar widergegeben. Jedoch spielte es eine recht geringe Rolle in der Politik Gondors, da Anárion und sein älterer..." Sprach er noch immer? Nur flüchtige und unverständliche Wortfetzen drangen zu mir und kurz bewerkstelligte ich es, mich mit seinem Verhalten zu beschäftigen und die Schmerzen meines Armes, die nur einen geringen Teil des Kampfes darstellten, zu minderen Eindrücken zu degradieren. Gerne entließ ich die Sorge, bezugnehmenden Fragen widerstehen zu müssen, aus meiner Obhut. Doch war diese Erleichterung von geringerer Wichtigkeit, denn zurück blieb eine nicht mindere Herausforderung, die mich ganz in ihren mächtigen Bann zog, ohne dass ich mich zu wehren versuchte. Ich musste ihm nicht zuhören... belanglose Dinge waren es, von denen er sprach und beiweitem keine Neuigkeiten. Viel hatte ich erlebt, was ihm nur durch Erzählungen nahe gekommen war. Und er musste es wissen. Er musste es wissen, so wie er um die Ewigkeit wusste, deren wir Elben Zeugen wurden. Die hinter und gleichermaßen vor uns lag und uns mit Erfahrungen bereicherte, denen die Menschen nimmer habhaft werden konnten. Die lange Reihe seiner Vorväter hatte ich überlebt, viele Vorfahren und Nachkommen seines königlichen Blutes und doch war er es, der mir von allen am nähesten stand. "Nach dem Fall Minas Ithils an Saurons Streitkräfte, floh Isildur zunächst..." Wie sehr widersprach er doch seinem Wissen mit seinen Worten, die er entspannt und aus einer Selbstverständlichkeit heraus, an mich richtete, als würde er mich lehren, was die Vergangenheit beinhaltete. Wie sehr musste er sich dieser Sinnlosigkeit bewusst sein und wie sehr musste ihm dagegen entgehen, wie sinnlos diese Momente an uns vorbeistrichen... Er war doch stets der Aufmerksame, der Durchschauende, der Wissende... und nun zweifelte ich an seiner Wahrnehmung. Er versuchte nichts damit zu bezwecken, er tat es einfach und ich es desinteressiert ab. Mechanisch und versunken in jener alten Absenz folgte ich ihm und schritt eine Treppe hinauf, nicht darauf aus, unser Ziel zu erfahren oder gar einen Blick darauf zu werfen. Dennoch war ich mir meines baldigen Standpunktes bewusst und über unseren Köpfen neigte sich schwer die düstre Nacht, die dieselbe Dunkelheit offenbarte, wie die Träume, mit denen wir lange gefochten hatten. Kein Licht... keine Veränderung. Finster war es und finster würde es noch lange bleiben... "Dieser Weg war nötig, um bei Lórien mit den Armeen Thranduils und Galadriels zusammenzutreffen und dann... " Ich erwischte meine Augen bei einer kurzen Regung. Doch fehlte es auch dieser an Interesse und trübe blickte ich zu der steinernen Mauer, die sich neben mir erhob und sich nicht viel deutlicher präsentierte, als alles andere. Noch weitere Worte kamen über Aragorns Lippen und vorsichtig löste ich den klammernden Griff um meinen Ärmel, um mich kurz darauf dazu gezwungen zu sehen, ihn wieder aufzunehmen. So brach eine kurze Stille über uns herein und ein leises Seufzen ließ sie feinfühlig enden. "So viel Geschichte und doch ist uns das Ende bekannt", fuhr er leise fort, als schwelge er selbst in Erinnerungen und Eindrücken, als sei er selbst so in seine Erzählung vertieft, die doch so sinnlos in jeder Einzelheit war. Ich starrte auf das Gestein, vertiefte mich in die dunklen Strukturen. "Isildur schnitt dem Dunklen Herrscher den Ring vom Finger, die Dunkelheit verschwand." Wahrlich... so war es gewesen und jeder wusste es. Trotz seiner Worte, die auf jene grausame Zeit hinwiesen, vernahm ich ein leises Lachen. Sein Lachen, ganz ohne Zweifel... und nur flüchtig nahm ich es wahr, als ich die Sterne in ihrer Seltenheit mit Nichtbeachtung strafte, die Stille der Nacht überhörte und meine Aufmerksamkeit an keinem einzigen Geräusch verschwendete. Ergeben setzte sich mein Körper in Bewegung, als er erneut zu schlendern begann und seinen Spaziergang fortführte. Ich schritt in übertriebener Distanz zu ihm und nichts von alledem wollte mich berühren. "Im Zweiten Jahr des Dritten Zeitalters pflanzte Isildur einen Setzling des Nimloth als Andenken an an Anárion, der im Jahre..." Zugegeben, seine Erzählungen waren belastend. Noch belastender wären sie gewesen, würden sie sich um andere Dinge drehen und mich zum Zuhören zwingen, gar dazu, selbst zu sprechen. All das war mir dennoch zu viel und ich verfluchte meinen Mund, dass er sich nicht öffnete, um es enden zu lassen. Ich verfluchte meinen Körper, dass er nicht einmal mit Regungslosigkeit einen Widerstand offenbarte und ich verfluchte auch meine Beine, dass sie ihm auf Schritt und Tritt folgten und mich boshaft dem aussetzten, was mir missfiel. Ich war ein Gefangener in einer Hülle, die durch Leid und Angst erstarrt zu schein schien und sich mit Verbitterung allem erwehrte, das durch sie nach außen dringen wollte. Und wenn es auch nur ein Widerspruch war... "... doch so vieles geschah noch. Aufstände, Krankheiten..." Und daraufhin verstummte er. Zurück blieben unsere stillen Schritte und die Dunkelheit der Nacht. Ich weiß nicht, ob mir dies angenehmer war, doch stellte sich diese Frage nicht einmal... ihre Antwort entlockte mir keine Neugierde und ich nahm es, wie es kam, ging meinen bisherigen Tätigkeiten nach und tat also nichts. Den Blick noch immer auf den Boden gerichtet, schritt ich weiter, spürte zu allem Überfluss nun auch noch die zunehmende Trägheit meiner Glieder und die Lustlosigkeit der Beine, mit der sie sich in Bewegung hielten. Er fiel um ein Stück zurück, ging hinter mir und deutlich vernahm ich seine Schritten, als wir scheinbar einen Durchgang passierten. Menschen kamen uns entgegen. Nicht viele waren es und doch ging ich einjedem widerwillig aus dem Weg, sah mich dazu gezwungen, meine Konzentration auf sie zu richten und mich somit nur noch weiter zu entkräften. Alsbald traten wir auf eine Straße hinaus und Aragorn schlenderte wieder neben mir. Seine kurze Schweigsamkeit war mir durchaus aufgefallen. Undeutlich und in einem unwichtigen Licht erstrahlend, doch hatte sie kurz eingesetzt und noch immer hielt ich mich von der Suche nach seinen ehrlichen Beweggründen fern. Dieser Spaziergang allein, verlangte mir schon genug ab. Ich nahm eine flüchtige Bewegung neben mir war und studierte die Anordnung der geschliffenen Steine zu meinen Füßen. "Vor langer Zeit waren diese Straßen überfüllt mir lachenden Kindern. Obwohl aus Minas Arnor, Minas Tirith wurde, nachdem Minas Ithil übernommen und Orks die Länder Gondors unsicher machten, lebten noch so viele Menschen hier." Wie schön, dass er in herrlichen Erinnerungen schwelgte... Tief zog ich die kühle Luft in meine Lunge, meine Schultern hoben und senkten sich, als ich sie lautlos in die Freiheit entließ und kein Interesse brachte mich dazu, hellhörig zu werden, als er erneut die Hand zu heben schien und auf etwas wies. Mein Blick folgte ihr nicht. "Zu den Zeiten meiner Kindheit hauste dort ein Bauer und lagerte seine Bestände in diesem Haus." Ich schluckte und meine Lippen fühlten sich trocken an. Es verlangte mir danach, die Geborgenheit zu ersuchen, fern zu bleiben von all dieser Öffentlichkeit und von Spaziergängen, derer einziger Zweck darin lag, mir die Kraft zu rauben. Stetig umspielten uns die sanften Züge der Luft. Sie brachten keine sonderliche Kälte mit sich und dennoch herrschte stetiges Frösteln in meinem Leib. Ich zupfte an dem Ärmel und ein Hauch anderer Natur erfasste mich. Er war warm und drang zielstrebig an mein Ohr. "Eines Nachts schlich ich mich hinein und der Herr fluchte und wütete am darauffolgenden Morgen, wer nur seine Obstbestände verringert und sein Mehl gestohlen hatte." Ich blinzelte in der nächtlichen Frische, bearbeitete den Ärmel abwesend mit den Fingernägeln und wurde auf die Kontraste des Gestein aufmerksam. Sie nahmen unauffällige Veränderungen an. Und Aragorn war noch immer an meiner Seite. Was hatte er gesagt? Eine Bewegung zog an mir vorbei, er schritt schneller und mein Blick blieb an einem Stein haften, der sich auf der ebenmäßigen Straße auffällig hervorhob. "Es war ein vorzügliches Frühstück." Mm... ja... der Stein war wahrlich fehl am Platz und ich akzeptierte seine Anwesenheit dennoch und konzentrierte mich auf den nun wieder ebenen Weg. Erneutes Schweigen brach über ihn herein und kurz meinte ich, sein Blick würde mich treffen. Doch war ich mir dessen nicht sicher und wenn man es recht bedachte, war auch diese scheinbare Tatsache nur ein Teil der umfassenden Belanglosigkeiten. "Komm!" Eine merkwürdige Entschlossenheit offenbarte sich in seiner Stimme, doch war sie nur eine unter vielen und ebenso versprach sie nicht viel mehr. Ich war nicht offen für eine Veränderung meines Zustandes, alles in mir blieb unbeugsam und hart und widersprach meinen eigenen Bedürfnissen. Er ging voran und wie ein untertäniger Diener folgte ich ihm. Nicht weniger lustlos und interessiert, als jemand, der fest in Diensten stand, die ihm missfielen. Ich ließ mir Zeit, ging träge und schleppend und befasste mich noch immer mit dem Boden. Seine Betrachtung brachte mir nichts und dennoch hielt mich sein Anblick im Bann. Ich erreichte ihn. "Alte Bibliothek. Lektüre, Berichte, meist gefüllt von lernenden Burschen, bestrebten Weisen... und auch rauchenden Zauberern." Nun machten seine eiligen Worte auf eine gewisse Hast aufmerksam und beinahe gleichsam öffnete sich die Tür, zu der wir gelangt waren. "Und hier", sagte er, "einer der Gründe, weswegen du hier bist." Ich bewegte die Lippen aufeinander, zog an ihm vorbei und durchschritt den Türrahmen, wie er es wohl von mir erwartete. Von da an spürte ich eine gewisse Wärme, die in dem Raum zu herrschen schien. Nur undeutlich legte sie sich auf mich und es fehlte ihr an jeglicher Kraft, das Frösteln aus meinem Leib zu verbannen. Ein leises Geräusch ertönte, als sich die Tür hinter mir schloss ich fand einen angenehmen Unterschied zur Gestaltung des anderen Bodens. Dieser war glatt und hell, gar an manchen Stellen verziert und sicher bot mir seine Betrachtung eine gewisse Abwechslung, bei dem, was mir Aragorn zeigen, geschweigedenn, sagen wollte. "Aragorn, Legolas!" Unerwartet erhob sich eine Stimme, die mir bekannt vorkam und mechanisch blickte ich auf, als ich meinen Namen hörte. Das erste mal seit langem löste ich den Blick vom Boden und zuerst noch recht unbeteiligt und abgegrenzt erblickte ich Gestalten im gräulichen Nebel. Vier waren es an der Zahl und alle verharrten reglos, als ich sie mir abwesend betrachtete. Beim besten Willen fiel mir nicht ein, wer mich gerufen haben könnte und rasch näherte sich mir eine der Gestalten, bis ich die Strukturen wahrnehmen und sie erkennen konnte. Pippin war es, der vor mir stand und ich starrte ihn an, als müsse ich nach Erinnerungen suchen, die ihn mit mir verbanden, die mir unsere Bekanntschaft bewiesen, derer ich mir annähernd sicher war. Zu sehr befasste ich mich mit jener Suche und sein Zögern entging mir vollkommen. Als läge dazwischen keine Pause, fuhr er fort. "Was für eine Freude, euch wiederzusehen! Die Grausamkeit des Krieges zerstörte jegliche Hoffnung und doch finden wir wieder zueinander." Ein Lachen folgte. So unpassend und verwirrend war es in meinen Augen und ich wusste nichts dergleichen zu erwidern. Schweigend wandte ich den Blick ab, sah hinüber zu den anderen und regte mich nicht, obgleich mir geringere Nähe eine bessere Sicht gewährt hätte. Ich blinzelte, hob träge die Hand und rieb meine Augen, worauf der Nebel kurz an Dichte zu verlieren schien und ich erspähte auch Gandalf, der entspannt auf einem Schemel Platz genommen hatte, zurückgelehnt auf ihm saß und ruhig an seiner Pfeife zog. Unsere Blicke trafen sich und gleichsam war er es, mit dem ich offene Erinnerungen verband. Seine Stimme, die ich erst vor kurzem wahrgenommen hatte, inmitten des grausamen Kampfes, der kein Ende nehmen wollte. Ich hatte seine Anwesenheit gespürt und dennoch entsann ich mich nur verblasst und verworren an den Moment, in dem all dies geschehen sein musste. Er schien mich zu studieren und neben mir ertönten wieder die heiteren und schnellen Worte des Hobbits, die mir restlos entgingen und nur leise zu mir drangen, als würde sich seine Stimme nur flüsternd erheben und sich mit dem Rauschen eines aufgewühlten Gewässers vermischen. Lange hielt ich mich bei Gandalf auf, wurde dann auf den Hobbit aufmerksam, der aufrecht in einem Bett saß und einen Becher in den Händen hielt. Pippin schwatzte noch immer, schien sich noch immer an mich zu wenden und ein Lächeln verlieh Merrys Lippen Ausdruck, nachdem sie sich lautlos und zaudernd geöffnet hatten. "Sie sich das einer an!" Beinahe ließ mich das annähernde Brüllen zusammenzucken und mit einem Schlag drang die rauhe Stimme bis tief in mein Inneres. Ich schnappte nach Luft, blinzelte irritiert und meine Augen schweiften zur Seite. Schneller und zielstrebiger als zuvor. In dumpfen Schritten näherte sich mir ein weiterer der Gefährten und beinahe entsetzte mich, dass ich sofort und genau wusste, wer es war. Meine Lippen bewegten sich stumm und unentschlossen und er erreichte mich. Ohne jegliche Zurückhaltung berührte eine Hand plumb meinen linken Arm und ein schallendes Lachen ertönte. "Was sind wir nur für eine Gruppe! Widerstehen allem, überleben einen jeden Krieg! Wir sind wahre Kämpfer, mein Freund! Harrharr!" Ich befeuchtete meine Lippen kurz mit der Zunge, löste den Blick von ihm und ließ ihn suchend umherschweifen. Und endlich schien Pippin verstummt zu sein. "Legolas, Aragorn!", fuhr der Zwerg feierlich fort und streckte die kurzen Arme von sich. "Ich befürchte beinahe, wir werden noch viel überleben und dem Feind die größte Plage sein! Gut so!" Ich nahm ein leichtes Kitzeln wahr und ohne zu zögern hob ich die Hand, tastete nach oben und fühlte eine Strähne, die provokant meine Wange neckte, als wolle sie mich wachrütteln. Beiläufig strich ich sie hinter das Ohr und unerklärlich war mir das Ziel, das meine Augen zu suchen schienen. Als wäre ein Teil der Reglosigkeit von ihnen gefallen, blickten sie um sich und kurz verstummte der Zwerg in seiner wohl verfrühten Siegesrede. "Uns alle hat es scheinbar getroffen", murmelte er und ich wurde mir der erneuten Musterung bewusst, der man mich unterzog. "Der Halbling schlug sich wacker und liegt nun darnieder, was man von unserem Herrn Aragorn allerdings nicht behaupten kann. Nun, er besitzt wohl die Größe, sich der Menschen zu erwehren und entgegen ihrer Befehle zu handeln." Ich vernahm ein leises Glucksen aus der Richtung des Bettes und der Zwerg räusperte sich leise. "Und du stehst recht sicher auf den Beinen, doch sieht man auch dir Strapazen an. Unbekannte Strapazen... was ist mit deinen Augen passiert?" Meine Augen...? Ein unsicheres Schweigen brach aus und nun schien es intensiver auf mich einzuwirken, als die Stille, die auf Aragorn und mir gelastet hatte. Ich fühlte die Beklemmung und wahrlich fand ich mich auch dadurch irritiert. Es war mit durchaus bewusst, dass mit meinen Augen etwas nicht stimmte, doch... Ich wandte mich um, wollte mich zu Aragorn drehen und hielt in meinem Vorhaben inne, als sich Gandalfs Stimme erhob. "So trübe die Wiedersehensfreude doch nicht gleich mit belastenden Fragen", meinte er mit seiner ruhigen und entspannten Art und klemmte sich die Pfeife zwischen die Lippen. "Wir alle benötigen Ruhe." Er nickte in die Runde und seine Worte schienen einen unbekannten und gar versteckten Hintergrund zu enthalten. So kehrte ich Aragorn wieder den Rücken und ertappte die Hand dabei, wie sie erneut meine Augen rieb. ~*~ Aragorn: Immer mehr wurde ich bestärkt in der Annahme, dass ich zu leichtfertig war. Ich fragte mich, ob es Sinn machte, den Elb durch Minas Tirith zu führen, obgleich er nur auf den Boden starrte und so weit weg mit den Sinnen war, dass ich gar schweigen könnte, ohne dass er dieses Schweigen bemerkte. Doch ich wehrte mich dagegen, dies zu glauben und jene Sache zu unterbrechen. Und wenn er missfallende Worte an mich richtete, selbst wenn ich seinen Zorn auf mich lenkte, wusste ich doch, dass er wieder zu mir zurückkehrte. Ganz gleich wie und mit welchen Gestiken und Mimiken. All seinen Hass würde ich auf mich nehmen, wenn er nur wieder bei mir wäre. Stumm trat ich hinter ihm in den Raum und lächelte fortan all die Gefährten an, die ich in genau diesem Raum erwartet hatte. Gandalf, Merry, Pippin und auch Gimli... versammelt und beisammen und ich wünschte mir, dass Legolas diese Nähe erkannte und der Wärme folgte. "Aragorn, Legolas!" Pippin trat eilig auf uns zu und ich nickte grüßend. Mir selbst war es eine unbeschreibliche Freude, sie wiederzusehen. Merry, der im Bett saß, Gimli strotzend vor Energie, so wie man ihn kannte und Gandalf. Ich sah ihn lange an und er erwiderte meinen Blick mit einem geruhsamen Lächeln. Ohne Umschweife erwiderte ich es und neigte leicht das Haupt. Éowyn berichtete es und obwohl meine Aufmerksamkeit zu dieser Zeit sofort auf Legolas gerichtet war, hatte ich die Worte deutlich vernommen. Gandalf war bei ihm gewesen und ich war mir sicher, dass er es war, der diesem Wesen wieder Kraft gegeben hatte. Hier war er nun, wenn auch nur sein Leib. Nachdem ich allen zugenickt hatte, verstärkte sich mein Augenmerk erneut auf Legolas, der vor mir stand und seine Gefährten scheinbar regungslos ansah. Fühlte er denn gar nichts? Ich sog die Luft tief in die Lunge und stieß sie in einem lautlosen Seufzen wieder aus. Ganz gleich, welches Lachen nun den Raum erfüllte, durch Freude und Herzlichkeit, so benötigte ich wahrhaftig nur einen Blick auf den Elben zu werfen, um zur Ernüchterung zurückzufinden. War dies alles, was ich vollbringen konnte? "Sie sich das einer an!" Schwer und bebend durchdrang die Stimme des Zwergen meine Grübelei und ich blickte auf, hob die Brauen und fand zu meinem Grinsen zurück. Doch zugleich, wie ich diese Bewegung tat, bemerkte ich auch die Regung in Legolas' Körper. Ich spürte regelrecht, wie er zu Gimli blickte, reaktionsfähig und aufmerksam. Meine Hände ballten sich bestärkt in meinem Vorhaben zu lockeren Fäusten und ich behielt meine Beobachtung bei. Gimli ging auf Legolas zu und ich verblieb abwartend. "Was sind wir nur für eine Gruppe! Widerstehen allem, überleben einen jeden Krieg! Wir sind wahre Kämpfer, mein Freund! Harrharr!" Der Zwerg schlug ohne Zurückhaltung gegen den linken Arm des Blonden und ich schnalzte leise mit der Zunge und verschränkte die Arme vor dem Bauch. Da sah man die Kraft der Zwerge! Sie würden Tote wecken können, wenn sie es nur versuchten! "Legolas, Aragorn! Ich befürchte beinahe, wir werden noch viel überleben und dem Feind die größte Plage sein! Gut so!" Mein Grinsen wurde breiter und ich hob die Hand zum Kinn, konnte es nicht einmal unterbinden, leise zu lachen. Was für eine unverhoffte Hilfe war mir dieser Zwerg und welchen Dank schuldete ich ihm nur für seine unverfälschte Art! Ich fühlte es nahezu, wie das Blut des Elben zu seiner bekannten Wärme zurückkehrte, wie es dessen Glieder zu Bewegungen antrieb. Eine unbedeutende Bewegung, in der er sich eine Strähne aus dem Blickfeld strich und wie sein Blick umherwanderte. Mein Vorhaben war nicht vergebens, gleichgültig, wer Legolas wachrüttelte. Wichtig war nur, dass es einer vollbrachte. "Uns alle hat es scheinbar getroffen. Der Halbling schlug sich wacker und liegt nun darnieder..." Ich richtete meine Augen auf Merry, der noch immer dasaß und ich sah dieses muntere Lächeln auf seinen Lippen. Wie es mein Herz erleichterte. Gimli sprach Rechtes. "... was man von unserem Herrn Aragorn allerdings nicht behaupten kann." Zumeist nur, stellte ich fest. Etwas irritiert sah ich den Zwergenherr an und das kecke Grinsen in seinem Gesicht sprach Bände. "Nun, er besitzt wohl die Größe, sich der Menschen zu erwehren und entgegen ihrer Befehle zu handeln." Meine Brauen hoben sich abschätzend und dennoch verblieb ich still. Was sollte ich dazu sagen? Eine Rechtfertigung war nicht nötig und einzig und allein ein spielerisch mahnender Blick sollte Gimli Strafe genug sein. Doch dann ertönte diese Glucksen, das mir die Haltung nahm und überrumpelt stellte ich fest, dass Merry an dieser Äußerung Schadenfreude empfand. Ich schüttelt den Kopf und war nah davor, zu dem Hobbit zu gehen und ihm dreist und voller Freude durch den Schopf zu fahren, auf dass er wegen seiner zerstruppelten Haare klagte. Einen Schritt tat ich bereits, doch dann hielt ich erschrocken inne, als der Zwerg erneut das Wort erhob. "Und du stehst recht sicher auf den Beinen, doch sieht man auch dir Strapazen an. Unbekannte Strapazen... was ist mit deinen Augen passiert?" Sogleich spürte man das Aufsteigen einer beklemmenden Atmosphäre, die alle in ihre Schweigsamkeit zurückdrängte. Der Neugierde der Zwerge sollte man Einhalt gebieten, weitaus eher, als er zu Wort kommen konnte. Hatte seine lockernde Weise die Absenz des Elben einen kleinen Schritt zurückgedrängt, war die Perplexität hervorgetreten und machte sich bereit. Und mir wuchs die Nervosität. Nicht zuletzt, weil mir die Worte fehlten und zu Beginn, als ich die erneute Bewegung bei Legolas erkannte. War er im Begriff, sich an mich zu wenden, mir einen fragenden Blick aufzulasten, zu dem ich noch keine Antwort wusste? Ich schluckte schwer und wartete. Aber ich stellte erneut fest, dass es zu keiner heiklen Situation kommen konnte, wenn der weiße Zauberer im selben Zimmer war. "So trübe die Wiedersehensfreude doch nicht gleich mit belastenden Fragen. Wir alle benötigen Ruhe." Erleichtert darüber, dass Legolas sein Vorhaben nicht fortführte, schluckte ich schwer und räusperte mich schließlich leise. "Wohl wahr", erwiderte ich nach kurzer Stille, lächelte wieder und ging an Legolas vorbei, direkt zu Merry. Ihn selbst begutachtete ich noch einmal intensiv, sah zu, wie er Pippin zulächelte und ganz ohne Worte diese Schadenfreude vermittelte. Ich verzog den Mund, nahm dem Hobbit dann den Becher aus der Hand. "Also schlaf noch ein wenig, Merry." Er sah dem Becher beinahe empört nach und ich erwiderte dies mit einem schadenfreudigen Lächeln. "Dies spricht der rechte Mann!" Gimli stemmte trotzig die Hände in die Hüften und sah mich abmessend an. Unüberhörbar war diese Ironie, die er in seine Worte legte und doch läuteten sie wieder eine angenehmere und amüsantere Situation ein, der ich entspannt engegensah. Ich nickte und kehrte zur Tür zurück, nachdem ich Gimli in aller Stärke auf den Rücken klopfte. "Auch ich werde dies tun, Herr Zwerg." Eine Braue hielt ich erhoben, abschätzend erwiderte ich den Blick Gimlis und öffnete die Tür, ehe ich einen Schritt zur Seite tat. "Begleite mich noch ein Stück, Legolas." Bevor man mich zurück zur Ruhe drängte und Legolas gar mit wirren Fragen den Kopf vernebelte, zog ich es vor, die Gefährten bisweilen wieder zu verlassen und ich bemerkte ein wissendes Lächeln auf Gandalfs Gesicht. Still und doch ohne Zögern wandte sich Legolas zu mir, trat langsam zur Tür und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich sah ihm nur stumm nach, ehe ich den Blick erneut auf die Gefährten lenkte. "Meinst du, du findest dein Zimmer und in diesem auch zu deinem Bett, Aragorn?!" Gimli verschränkte die Arme vor der Brust und tippte ungläubig mit dem Fuß auf den Boden. Mein Lächeln wurde intensiver und ich nickte erneut. "Natürlich." Seine Haltung gewann an Entspannung und er erwiderte das Nicken gewissenhaft und gläubig. Und ich trat ebenfalls aus dem Zimmer und zog die Tür mit mir. "Später", führte ich meine Antwort zuende und ehe ich die Tür schloss, ertönte ein mürrisches Knurren und mein Name in fahrigem Erzürnen. Belächelnd schüttelte ich den Kopf und wandte mich wieder an Legolas, den ich mit einem weiteren Nicken bat, mir zu folgen. So ging es also weiter und durch diese kurze Begegnung mit den Gefährten und treuen Seelen, fühlte ich mich tatenkräftiger, meiner Aufgabe weiter nachzugehen. "So." Ich verschaffte mir einen Überblick und erspähte einige Fuß entfernt, den nächsten Aufgang zum dritten Ring. Ich tat einen Schritt, doch verebbten einen Augenblick die Bewegung, die ich jedoch sofort fortführte. Ich lief etwas vor Legolas, so dass es wohl nicht auffiel, wenn ich kurzweilen ein Auge zusammenkniff und die Luft anhielt, um das aufkommende Stechen in der Seite zu unterbinden. Wie unpassend das alles doch war! Flüchtig rieb ich mir die Seite, ehe ich meine Bewegungen verlangsamte, um meinen Körper nicht zu überfordern. Vieles wollte ich dem Elben noch zeigen und eine besondere Sache umso mehr. Doch bis dahin würden noch ein paar Stunden vergehen und diese Zeit musste mein Leib noch ausharren. Nach kurzer Zeit schon, fand mein Körper zur gewohnten Haltung zurück und ich konzentrierte mich wieder auf meinen Monolog. "Wenn wir diese Seitenstraße passieren, dann erreichen wir den dritten Ring." Grübelnd runzelte ich die Stirn und bog in die Straße ein, die hinaufführte. "Wie du weißt, liegt das große Stadttor genau unterhalb des Felskeils im ersten Mauerring. Die weiteren Stadttore befinden sich abwechselnd rechts und links des Felskeils, was zur Folge hat, dass man den Berg im zickzack erklimmt." Die Bewegung führte ich mit den Fingern nach und streckte danach den Arm, ehe ich seufzte. "Das heißt, der Bergsattel steigt nur bis zum fünften Ring hinauf und beherbergt dort die Grüfte. Auf der sechsten Ebene liegt Fen Hollen, der verschlossene Eingang zu den Grüften und den Häusern der Heilung." Eine ältere Frau kam uns entgegen und sie schaute auf, als sie meine Stimme hörte. Mich allerdings, nahm sie nicht so sehr wahr, wie den Elben, dessen Augen sie wohl Dank ihres kleinen Wuchses gut sah. Ihre Mimik zeigte Verblüffung, durchtränkt mit Furcht. "Guten Abend." Ich hob die Hand und lächelte schwach, damit sie schleunigst ihren Blick von ihm abließ. Sie sah mich an und zeigte offenes Misstrauen, erwiderte es aber dennoch murrend und verschwand rasch in ihrem Haus. Dann schwieg ich eine Weile, versuchte wieder zu meinem bewährten Text zurückzufinden, hielt dann aber abrupt inne. So in Gedanken versunken, war mir heimtückisch eine Säule in der Dunkelheit erschienen, die mich fast selbst zum Anhalten gezwungen hatte. "Dies..." Voller Verwunderung, jedoch in leise Skepsis verwickelt, trat ich um die Säule herum und blieb Kinn reibend neben ihr stehen. "Ja, dies weckt Erinnerungen." Murmelte ich leise und sah Legolas direkt an. "Oft bin ich diese Straße hinaufgerannt, meist vor jenem Bauer davon und jedes Mal...", ich biss mir auf die Unterlippe und lugte abwägend zur Säule, "... machte meine Stirn mit ihr Bekanntschaft." Skeptisch verharrte mein Blick auf ihr und auch wenn diese Erinnerung nicht von Herrlichkeit geprägt war, huschte das Lächeln erneut über meine Lippen, ehe ich mich abwandte. "Weiter." So schritt ich die Straße entlang, bedacht, dass Legolas mir folgen konnte. Mir war unklar, ob er dieses Mal meinen Worten lauschte, doch ich besann mich darauf, diesen Monolog fortzuführen, bis er einmal das Wort ergiffen hatte. Erklärend gab ich zu wenigen Mauern noch wenige Worte, passierte dann einen weiteren Durchgang und bestieg eine weitere Treppe zum nächsten Ring. "Die siebente Ebene erreicht man schließlich über einen beleuchteten Gang." Der einzige, der vollbeleuchtet und von Wachposten gehalten wurde. Erschöpft sahen sie aus, doch standhaft. Und ohne ein Wort an uns zu richten, ließen sie uns weiterziehen und der letzten Ebene entgegengehen. "Ein weiterer Aspekt, mein Freund...", hauchte ich leise und ich spürte die eigene Ehrfurcht, die mich packte, als wir das Ende des Ganges erreichten und die letzte Treppe zum höchsten Rang emporstiegen, "... weshalb ich dich durch Minas Tirith, die Stadt der Könige, führe." Ungewollt wurden meine Schritte langsamer, doch ich stieg hinauf und der kühle Wind verwehte mein Haar, auf dass ich es schnell aus meinem Blickfeld strich. "Auf dieser letzten Ebene stehen der Weiße Baum und der Weiße Turm, der den Thronsaal beherbergt." Eine weite Fläche offenbarte sich vor uns und ich öffnete den Mund ein weiteres Mal, jedoch ohne einen Ton von mir zu geben. Leer und doch anmutig füllten weiße Marmorplatten den Boden und ich überquerte sie gespannt und mit wild schlagendem Herzen. Trotz der Finsternis leuchtete der grüne Rasen durch die Fackeln der umstehenden Wachen und in der Mitte befand sich jener Baum, der eine Geschichte zur wahren Vergangenheit machte. "Der Weiße Baum Minas Tirith'." Erfürchtig hauchte ich diese Worte, trat über die Platten bis vor den Rasen und sah mit aller Hingabe zu dem Baum, der von Fremden wohl als tot bezeichnet wurde. Ich spannte meine Haltung, sog die Luft ein und schloss verinnerlichend für diesen Moment die Augen, ehe ich aufblickte. "Durch das Gedenken, das Isildur seinen Bruder widmete, wurde dies der einzige, weiße Baum östlich des großen Meeres." Ich trat um ihn herum, wollte ihn von allen Seiten anschauen, obgleich meine Sicht eingeschränkt durch diese Dunkelheit war. Am Tage würde ich es nicht wagen, hinaufzukommen, um ihn zu sehen. "Es heißt, dass sein Samen noch von Telperion, dem silbernen Baum aus ältester Zeit, stamme. Solange es Könige in Minas Tirith gab, gedieh auch der Weiße Baum... Könige vor langer Zeit und vergangenem Frieden." Erst hob ich die Hände, zaghaft um der Wagemütigkeit nachzugeben und ein einziges Mal einen Ast zu berühren... doch ich ließ sie wieder sinken, ehe mein Gemüt der Ehrfurcht entsagte und zur Ernsthaftigkeit zurückkehrte. "Doch die Könige starben aus und der Baum verdorrte." ~*~ Legolas: Kein Schatten legte sich über jenes freudige Wiedersehen und doch hangen all meine Fragen noch lange an ihrer Existenz und wurden mächtiger durch ihr Unwissen. Die Stimmen rissen mich aus einem Gedanken in den nächsten und schnell wurde die Aufmerksamkeit auf andere gelenkt. Gespräche erhoben sich und ich wohnte all dem weiterhin schweigend bei. Nur undeutlich lebte die Verwunderung in mir auf, nicht viel stärker war auch die Begierde, zu wissen, was Gimli so auffälliges an mir erblickt hatte. Es fiel mir schwer, zu geordnetem Sinnieren zu finden und so gab ich meine Konzentration her und richtete sie auf das Hier und Jetzt. Die Vergangenheit lag hinter uns, die Zukunft würde noch kommen und nun stand ich hier. Lange hatte ich den Blick auf Gandalf ruhen gelassen. Ohne mir dessen bewusst zu sein und als nun Aragorns Stimme ertönte, folgte ich ihrem Klang und erspähte ihn bei Merry. Wie er dorthin gelangt war, musste mir entgangen sein. "Also schlaf noch ein wenig, Merry." Er stellte den Becher auf ein kleines Tischchen und kurz verfolgte ich die unentschlossenen Handbewegungen des Hobbits, die auf die leicht spöttische Stimme folgten. Mir selbst schenkte man weniger Aufmerksamkeit und es kam mir gelegen. Herausforderungen wurden von mir genommen und Fragen abgewendet, auf die auch ich keine Antwort kannte. Ich fand mich etwas außerhalb und konnte aus der Ferne betrachten, ohne mit eingezogen zu werden. ... so war es mir recht angenehm. "Dies spricht der rechte Mann!", meldete sich der Zwerg zu Wort und ich lugte zu ihm. Diese Stimme... so kraftvoll und robust... sie riss meine Beachtung mit einer Stärke zu sich, gegen die ich mich nicht wehren konnte. Ich fixierte mich weniger auf den Inhalt seiner Worte... vertiefte mich vielmehr in deren Ausdruck, der weite Einschätzungen erlaubte und wie bekanntlich, der Wahrheit wohlgesonnener war, als der Sinn, der nach Belieben gewählt werden konnte. Ich glaubte, ein leises Lachen zu vernehmen und während meine Hand stockend nach dem rechten Arm tastete, versuchte ich den Freudigen ausfindig zu machen. Doch ihrer schien es viele zu geben und Aragorn begann den Rückweg zur Tür, von der ich mich noch immer nicht viel weiter entfernt hatte. "Auch ich werde dies tun, Herr Zwerg." Er erreichte sein Ziel und sogleich drang das leise Kratzen des Türknaufs an meine Ohren. Er öffnete die niedrigen Pforten und noch immer hang mein Bewusstsein an der Einschätzung aller, die mich merklich überforderte. Langsam und durchaus zögerlich tastete ich nach dem Ärmel, zog ihn langsam tiefer und bekam ihn mit den Fingern zu fassen. "Begleite mich noch ein Stück, Legolas." Wenige Augenblicke verharrte ich noch reglos, bis ich mich entsann, meinen Namen gehört zu haben. So musste die Bitte an mich gerichtet sein und ich drehte mich um. Ich konnte es nicht beschreiben, doch es war ein wohliges Gefühl, zu ihm hinauszutreten, den Spaziergang fortzusetzen. Geprägt von keinerlei Ängsten... einfach nur Laufen und seine Stimme vernehmen. "Meinst du, du findest dein Zimmer und in diesem auch zu deinem Bett, Aragorn??", meldete sich wieder Gimli zu Wort, als ich bereits im steinernden Flur stand, die Handgelenke auf dem Rücken umfasste und auf die Feinarbeit aufmerksam wurde, mit der die Wände des Ganges geschaffen waren. Ich drehte mich auf den Ballen, erblickte auch Kerzen, die in einer Nische verborgen waren und der Gegend dennoch ihren geruhsamen Schein liehen. Sie flackerten, als sich ein leiser Windzug seinen Weg durch die Gänge bahnte. "Natürlich." Noch immer betrachtete ich mir die Kerzen, ließ den Blick sinken und besah mir auch das Wachs, das, wie Eiszapfen, von dem kunstvollen Kerzenständer hing. "Später." Somit schloss sich die Tür und ich riss mich los von meiner Beobachtung, erspähte noch flüchtig ein Grinsen auf Aragorns Lippen und dann ein Nicken, mit dem er mich auf die Richtung aufmerksam machte. Neugierig drehte ich das Gesicht ein letztes Mal zu den Kerzen, bevor ich ihm folgte. Beinahe entspannt lagen meine Hände vor meinem Steiß. Sie regten sich nur selten, wenn ich etwas außergewöhnliches erblickte. Viel schien es davon zu geben, allseits umgaben mich Bauten und Kunstwerke, Regale, Säulen, Türen, die aus beschnitztem Holz bestanden. Hie und da bedeckten Teppiche den Boden und durch ein großes Fenster erblickte ich erneut die Finsternis der Nacht. Viele Wege gingen meine Augen, sie suchten, musterten und betrachteten, öfter als ich dachte, ertappte ich mich gar dabei, wie ich die Schritte verlangsamte, um mich länger mit einem Gemälde oder anderem aufhalten zu können. Alsbald stiegen wir höher und ein schmaler Gang wirkte weniger interessant. So richtete ich den Blick nach vorn, ließ ihn flüchtig über die glatten Wände streifen und nahm eine ungewohnte Bewegung aus den Augenwinkeln wahr. Nur kurz konnte ich mich meiner Annahme vergewissern und ehe ich es mir verinnerlicht hatte, nahm Aragorns Körper jene Haltung an und seine Schritte wirkten mit der alten Sicherheit. Ich hätte meinen können, er hätte kurz inne gehalten... Und seine Hand ließ sich dabei erwischen, wie sie sich flüchtig auf die Rippen legte. Ich wandte den Blick ab. Auch er war verletzt... natürlich war er es. Ich war dabei gewesen, als man ihm jene Wunden zufügte. Und ich wusste nicht um deren Ausmaß, verließ mich zögernd auf den Eindruck meiner Augen und diese waren verschleiert... Meine Lippen bewegten sich stumm. Ich wollte nichts sagen und tat es auch nicht, ließ mich kurz dazu verleiten, mich auf das altbewährte Ziel zu konzentrieren und das Gesicht gesenkt zu halten. Doch vernahm ich seine Stimme kurz darauf erneut neben mir... wie sie sich erhob, als würde er abwesend mit sich selbst sprechen, als würden sich seine Worte nur dem Wind anvertrauen... "... dann erreichen wir den dritten Ring." Murmelte er leise, verschaffte sich raschen Überblick und betrat eine Straße. "Wie du weißt, liegt das große Stadttor genau unterhalb des Felskeils im Ersten Mauerring." Er hob den Arm und meine Augen erfassten die Bewegung, folgten ihr, wenn auch nicht aufmerksam und als er die Schritte erneut verlangsamte, hielt auch ich inne. Ein leises Seufzen drang an meine Ohren. "Das heißt, der Bergsattel steigt nur bis zum fünften Ring hinauf und beherbergt dort die Grüfte. Auf der sechsten Ebene liegen Fen Hollen, der verschlossene Eingang zu den Grüften, und die Häuser der Heilung." Ein leises Schlurfen erreichte uns und ein altes Weib kämpfte sich gebückt durch mein Blickfeld, blieb stehen und stützte sich auf ihren Stock, während sie zu mir aufblickte, mich mit annäherndem Entsetzen musterte. Und ich starrte auf eine Warze, die... doch, sie war recht groß... auf ihrer Nase saß. Ich war mir dieser Unhöflichkeit bewusst, doch begegnete mir solch ein Gebilde zum ersten Mal in meinem Leben. Kurz standen wir voreinander und starrten gemeinsam. "Guten Abend." Meldete sich da Aragorn höflich zur Wort und gleichsam wandten wir uns voneinander ab. Ich, der zur Seite blickte und sie, die kurz einer anderen Beobachtung nachging, den Gruß dann leise erwiderte und ihren Weg fortführte. Ich wollte es ihr gleichtun, begann abwesend eine Mauer aus geschliffenem Stein zu studieren und vernahm neben mir nichts als Schweigen. Aragorn blieb stehen und ich vertiefte mich in mein Vorhaben, bis er sich dennoch in Bewegung setzte, langsam schlendernd zur Seite trottete. Ich drehte mich ihm nach und wurde auf eine Säule aufmerksam, um die er gemächlich herumging, sie von allen Seiten beschaute. Kurz darauf erhob sich auch die Hand zu seinem Kinn und bearbeitete es sinnierend. "Dies...", murmelte er erneut und blieb stehen. Ernsthaftigkeit spiegelte sich in seinen feinen Zügen wieder und ich näherte mich um einen kleinen Schritt. "Ja, dies weckt Erinnerungen." Unerwartet blickte er auf und unsere Augen trafen einander. Ich schluckte, wartete dennoch geduldig und... "Oft bin ich diese Straße hinaufgerannt, meist vor jenem Bauer davon und jedes Mal...", seine Pupillen richteten sich versteckt zurück auf die Säule, "... machte meine Stirn mit ihr Bekanntschaft." Meine Lippen öffneten sich ein Spalt weit, verblüfft streckte ich den Kopf zurück und meinte sogar, eine Regung meines Gesichtes zu spüren. Gänzlich sprachlos stand ich seinen Worten gegenüber und gleichsam befiel mich ein unauffälliges Gefühl der Ungläubigkeit. Als wären seine vorherigen Worte nur Erinnerungen, die mir nun ins Gedächtnis kamen... Ein Obstdieb königlichen Blutes, dachte ich mir, als ich Aragorn auch weiterhin folgte und die Gedankengänge ließen sich kontrollierter führen, annähernd erwachten sie ohne fremdes Zutun zum Leben und es bereitete mir Behagen, mich mich ihnen zu befassen. "Die siebente Ebene erreicht man schließlich über einen beleuchteten Gang." Und sogleich sah ich ihn auch vor mir. Ich blickte auf, betrachtete mir die Fackeln, die diesem Ort Leben schenkten, und die Männer in stolzer Rüstung, unter der sich Schwäche verbarg, die es dennoch unauffällig tat, durch die aufrichtigen Mienen überboten, zu einer Banalität herabdanken. Und als wir den Gang betraten, war es, als käme ich der Realität mit einjedem meiner Schritte näher. Es war, als verließe mich der Traum, in dem ich zu befinden glaubte und der der Wahrheit doch so ebenbürtig und gleich war. Nur der Schmerz meines Armes und die Kälte meines Körpers mahnten mich, jene Gefühle nicht zu übereilig in die Vergessenheit zu drängen. Meine Augen fingen Bilder auf, deutlich spürte ich den Zugwind, der in dem Gang herrschte und aufrichtige Geräusche der Nacht umfingen mich. Als öffne sich in mir eine Tür, die kein Passieren, kein Betreten oder Verlassen geduldet hatte... Ich drehte das Gesicht zur Seite, erneut eine Strähne zurückstreifend und gleichsam näher zu ihm tretend. "Ein weiterer Aspekt... mein Freund...", erhob sich im selben Moment sein Flüstern und es war behutsam und leise, brachte zum Ausdruck, was mir fremd an ihm war. Seine Lippen erhaschten einen flüchtigen Blick, der nach Gewissheit suchte. Gewissheit, dass sie solch ehrfürchtige und ehrerbietende Worte über sich brachten. Gedankenlos waren seine Augen stattdessen nach vorn gerichtet und ich schloss mich seinen Beobachtungen an, stieg neben ihm eine kurze Treppe empor, "... weshalb ich dich durch Minas Tirith, die Stadt der Könige führe. Auf dieser letzten Ebene stehen der Weiße Baum und der Weiße Turm, der den Thronsaal beherbergt." Eine frische Brise stieß uns entgegen, als wir wohl das höchste Plateau erreichten und das anfängliche Hadern teilten. Ich kannte die Gründe seines kurzen Schweigens nichts, doch spürte ich Beklemmung in mir, als ich auf weiter Ebene etwas erblickte, das mich mehr an einen meiner Albträume erinnerte, als an ein stolzes Wahrzeichen einer königlichen Stadt. Der Baum... Nur undeutlich erblickte ich ihn in trostloser Dunkelheit, die ihm nichts nahm, was er sonst besaß. Düster ragte er in der Mitte des Plateaus auf, schien gespenstig mit den Schleiern zu harmonieren, die vor meinen Augen tanzten. Erneut verriet mir meine Miene eine gewisse Regung und fest fixierte ich mich auf jenes Bild, als ich Aragorn folgte und dennoch weniger hastig als er, darauf zu ging. Ungläubig tasteten meine Augen die kargen Äste ab, folgten dem Lauf der verdorrten Zweige, die sich wie Totenfinger krümmten und nur beiläufig vernahm ich Aragorns Worte, als dieser zur Sprache zurückfand. Jedoch weniger zur Ruhe, denn er ging um den Baum herum, musterte ihn aus allen Richtungen, spendete eine Ehrerbietung, die in fremden Augen als sinnlos verlacht worden wäre. Einem toten Geschöpft gegenüber... Wahrlich, noch nie zuvor erblickte ich solch ein wundervolles Wesen in solch verkommener Gestalt. So bedeutsam... Ich harrte aus auf meinem Fleck, legte den Kopf schief, blickte auf bis zu seinen höchsten Kronen und öffnete stumm den Mund. "Es heißt, dass sein Samen noch von Telperion, dem silbernen Baum aus ältester Zeit, stamme." Aragorn stand auf der anderen Seite, das Geäst anstarrend und mit den Sinnen doch woanders. Ruhig sprach er und ich sah ihn an. "Solange es Könige in Minas Tirith gab, gedieh auch der Weiße Baum... Könige vor langer Zeit und vergangenem Frieden." Seine Bewegungen verrieten Trauer, als er vor einer Berührung zurückschreckte, die Hand sinken ließ und mit ihr den Blick. Auch ich wandte mich ab, senkte von leichter Bekümmerung befallen, die Lider und dennoch fand ich bald zurück zu jenen Ästen. "Doch die Könige starben aus und der Baum verdorrte." Ich blinzelte, suchte Zusammenhänge zwischen den verworrenen Zweigen. Nachdenklich verzogen sich meine Brauen und während Aragorn Stille wahrte, neigte ich mich etwas vor, meine Hände lösten sich voneinander und es erschien mir so wichtig, deutlichere Sicht zu genießen, dass ich die Augen verengte und mich erneut in den schwierigen Kampf der verdorrten Äste verstrickte. Heimtückisch waren sie... stahlen mit Eifersucht einer weißen Blüte die Schönheit... So zierlich, glänzend in ihrer Einzigartigkeit... verborgen und verdeckt und doch so wunderschön. Mein Gesicht entspannte sich, als mir dieser Anblick zuteil wurde. Schweigend wurde ich mir seiner Realität bewusst und labte mich an ihm. Nichts dergleichen gebar der Tod, so etwas zu schaffen, war ihm ein Unmögliches. Und hilflos war er gegenüber der Lebendigkeit, welche solche Wunder zu vollbringen imstande war. Der Weiße Baum... gräulich und starr... doch nicht verloren. Gelobt mit unauffälliger Schönheit, die nur ein aufmerksames Auge zu finden vermochte. Schön und einzigartig, bedeutsam und doch so verwundbar... In schlimmer Zeit erdrückt von Schwäche und doch mit der Bestimmung, Stärke zu zeigen... So unauffällig und schlicht und doch dazu auserkoren, sich über alles zu erheben... ... wie so manch anderer... "Wo es Tod gibt, gibt es auch Leben", hauchte ich beinahe lautlos, tat einen leisen Schritt und hob die Hand. Ungläubigkeit spiegelte sich in meinen Augen, doch verlangte es der Hand nach tieferem Wissen und sie streckte sich empor, bis die zerbrechlichen Blütenblätter ihre Haut streiften, sie so sanft berührten und doch mit Duft und Zärtlichkeit ihre Lebendigkeit offenbarten. "Aragorn...", ich blinzelte und stockend entzog ich meine Hand der einzigartigen Sänfte, "... sieh nur." ~*~ Aragorn: Die Ehrfurcht griff nach mir, wie selten bei einem Feind, dem ich gegenüberstehen musste. Und doch war es eine andere Art von Ergebenheit, eine andere Weise von Demut. Über dreitausend Jahre verharrte er hier, obgleich einzig und allein vom Wind gestreichelt und von gleichgültigen Blicken betrachtet. Was für eine Schönheit trugen einst die dünnen Äste... helle Blüten, die die weiße Rinde zum Strahlen bringend und selbst in tiefster Finsternis noch leuchteten. Was für ein atemberaubender Anblick musste dies sein und welche Hoffnung hatte er wohl mit sich gebracht? Trauer und Glück... ich fürchtete, nie wieder würde er diese gepriesenen Erwartung erfüllen können und dennoch war es mir ein Segen, ihn anblicken und bewundern zu dürfen. "Wo Tod gibt, gibt es Leben." Meine Miene erstarrte. Meine Augen richteten sich nicht mehr auf den Weißen Baum. Ich öffnete den Mund, zwinkerte überrascht und blickte fortan zu Legolas. Hatte er gesprochen? Er tat einen Schritt und ich beobachtete ihn sprachlos, verwundert, wahrhaft perplex. Da war nicht nur eine Regung... ein Leuchten in seinen Augen, so leer und starr sie bisher wirkten, erkannte ich das Leben, das in ihnen verborgen war. Er hatte gesprochen... Wie ein Windhauch, der über die Stadt davongetragen werden konnte... wie eine Feder. Zu mir war es gedrungen, als hätte er es laut ausgesprochen. Langsam hob er die Hand und ich verzog die Brauen, sog die klare Luft ein und folgte seinen schlanken Fingern, bis sie inmitten der Zweige inne hielten. Ich erkannte in dieser Dunkelheit nichts und musste mich zu Beginn selbst zwingen, die Beine zu rühren... zu ihm zu gehen. "Aragorn..." Mein Name aus seinem Munde, begleitet durch ein Blinzeln... jede neue Gefühlsregung... in seiner Stimme, in seiner Bewegung... ließ mein Herz schneller schlagen und ich kam schließlich zu ihm... beinahe, als wäre ich gerannt, ohne es zu bemerken. "... sieh nur." Ich sah... doch nicht zu dem Baum der alten Zeit... sondern zu seinem Begleiter, der annähernd die selbige Zeit auf Mittelerde verbrachte. Ganz nahe war ich ihm wieder... und ich glaubte ihn wieder bei mir zu wissen... Ein sanftes Lächeln umspielte meine Lippen, ich fühlte es und sah schließlich auf, um zu erblicken, was ihn zum Sprechen brachte. Irrte ich mich...? Ich weitete die Augen und meine Verblüffung wurde größer... so groß und angenehm, dass ich es in diesen Zeiten nicht glauben konnte. Irrte ich...? Nein... als wäre nicht nur das Leuchten des hellen Wesen neben mir zurückgekehrt... als wäre das Erscheinen dieser Gestalt dafür verantwortlich, denn niemals sonst hätte ich diesen Anblick genießen dürfen. Abwesend hob ich die rechte Hand, fühlte keinen Schmerz und legte sie behutsam auf der Schulter des Elben ab. "Nimloth." Ungläubig wisperte ich den Namen. Eine weiße Blüte... so unscheinbar, als wäre sie eine Illusion. Doch Zweifel konnten mich von dieser Wahrheit nicht abbringen. Legolas hatte sie mit seinem elbischen Blick erhascht und so konnte es nicht meine Wunschvorstellung sein. Und ich wandte den Blick wieder ab, sah zu dem Elben und mein Lächeln wurde stärker. Es war Glück... ich war glücklich und ich konnte nicht sagen, wem ich dieses Glück zu verdanken hatte. Legolas, der mir einen Trugschluss widerlegte und mir ein wunderbares, neues Licht nach dieser Düsternis schenkte... oder dem weißen Baum, der mir ein wundervolles, altbekanntes Licht zurückgab? Altbekannt und doch so viel mehr wert, als alle Wunder dieser Welt. Ich schwieg und sah ihn an, musterte ihn, ohne ihn zu kontrollieren. Wir hatten einen großen Schritt getan, gemeinsam und das durch wenige zweifelhafte Stunden. Ich war dankbar. "Lass uns zurückgehen." Ich nickte ihm zu und mein Lächeln verblieb, selbst als ich mich abwandte und die Hand von seiner Schulter gleiten ließ. Ein Fortschritt, der größer nicht hätte sein können. Noch einmal sah ich zu dem Weißen Baum auf. Erhaben und mit jeglicher Freude würde er die Herzen der Menschen erfüllen... so lang er blühte und die schwarzen Wogen aus dem Osten nicht übergriffen. Auch von ihm wandte ich mich ab und lief geruhsam über den weißen Weg zurück. Welche Zuversicht spendete er mir und welche Kostbarkeit hatte er mir bereits entgolten? Nahezu schlendernd ging ich die wenigen Stufen hinab, wartete dort auf den Elben und betrat in argloser Gelassenheit den hellen Gang. Ich schwieg immerwährend, blickte ab und an zu Legolas und verblieb dennoch still... Keine unnützen Worte würde ich ihm nun noch aufbürden wollen und ich selbst ließ meine Gedanken wandern und umherziehen. Was hatte ich für eine bodenlose Furcht gespürt, als ich glaubte, der helle Stern an meiner Seite, wäre zu einem Geist geworden, der ziellos umherging und kalt in Mittelerde weilte? Doch nun würde es besser werden... Stumm gingen wir an den Wachen vorbei und ich sah mich um, folgte dem Weg. Dem Elb musste noch etwas Zeit gegeben werden, um seine volle Kraft zurückzuerlangen und flüchtig ertappte ich mich dabei, wie aus dem entspanntem Lächeln ein Grinsen wurde. Seine alte Stärke, seine Anmut und sein Würde wären wieder da und mein Herz würde tanzen bei jeder Begegnung, bei jedem Beisammensein... bei jedem flüchtigen Blick, den ich ihm offenherzig zusenden konnte. Ich schätzte ihn nicht als Mitkämpfer... und nicht als gewünschten Geliebten. Er war mir ein teurer Freund und Gefährte, mein Licht in den dunklen Tagen und mein Mut in der Verzweiflung. Ein ungeschliffener Diamant... Ich ließ die Gedanken ruhen und fand mich in der nächtlichen Wirklichkeit wieder, in der wir in gemeinsamer Stille bereits die Stufen des vierten Ringes hinabstiegen. Getrost nahm ich die letzten beiden Stufen mit einmal und kam mit dem Fuß auf dem Boden auf. Ein gnadenloses Stechen breitete sich in jenem Moment von meinem rechten Bein hinauf zu meinem Arm aus und ich verlagerte das Gewicht prompt auf dem anderen Fuß. Mein Atem stockte für einen Augenblick, doch ich überspielte es gekonnt mit einem Räuspern und ging einfach weiter. Da war er wieder, der bekannte Schmerz durch bekannte Leichtsinnigkeit. Alsbald baute sich mein geschwächtes Lächeln wieder auf, stärkte sich, als wir eine Halle betraten, die sich über viele Fuß entlangzog. Als wäre dies ein überdachter Durchgang, breit und hoch gebaut. Ich sah mich um und schluckte den sich aufbäumenden Schmerz hinunter. Viele Säulen hielten das seltsame Gebäude, Banner hangen an ihren Seiten und einige Nischen lagen im Schutze vor Unaufmerksamen an den spärlich beleuchteten Wänden. Hinterhälte wären gut geplant an diesem... Mein trockener Hals forderte mich zum Husten heraus und ich tat es so leise wie möglich, obgleich es wohl dennoch hörbar in der leeren Halle war. Dumpf war der Druck, der sich in meiner Seite aufbaute. Dumpf und bitter. Ich benötigte wohl alles an meiner Selbstbeherrschung, um dieses Leid zu verbergen und meine Haltung zu bewahren. Ich hoffte, der Schlaf würde Heilung bringen oder diese Verletzungen würden mir Aufschub gewähren, bis ich in meine Kammer zurückgefunden hatte. So lange musste ich an meine Beständigkeit glauben ... und an mein Geschick, meinen Schmerz zu verbergen und eine vollkommene Maske aufzusetzen. ~*~ Legolas: War es doch nichts, was mich sonst mit diesem Ort verband... War Minas Tirith meiner Heimat doch so fern... Und doch hielt mich mehr als Interesse hier und groß war meine Faszination, als ich die Augen einfach nicht von jener Rarität trennen konnte und ihren erfolgreichen Kampf mit ehrerbietigem Blick pries. So sanft und fragil, dass sie gar an einem zärtlichen Odem zerbrechen könnte... Und doch so robust in ihrer seltenen Art. Als wäre sie die Hoffnung selbst, durchdrang sie die Nebel, die nach mir gierten, mich tückisch umspielten und nun vor jener zierlichen Macht flohen. Nur kurz hielt ich meine Hand gesenkt, doch sehnte sie sich alsbald nach jener Zärtlichkeit und erneut berührte ich sie zaghaft und mit Bedacht. Lange hatte Aragorn auf sich warten lassen und nun stand er neben mir, als ich dem leichten Kitzeln der weißen Blütenblätter mit Genuss begegnete. Ich vernahm seinen schnellen Atem neben mir, spürte noch mit jeder Faser meines Leibes, dass er mir nahe war. Und er schwieg, geblendet durch jene Schönheit und durch den Unglauben selbst, ihr zu begegnen. In solchen Zeiten, in denen alles Schöne etwas unerwartetes war... Ein warmer Druck legte sich auf meine Schulter, doch schrak ich unter der Berührung meines Gefährten nicht zusammen. Zu behutsam und bedacht hatte er seine Hand auf dem Stoff meines Gewandes gebettet und gleichsam spürte ich die Wärme seines Körpers, wie sie sich sanft auf die Kälte meiner Glieder legte und diesen durch eine einzige Geste etwas mehr Behaglichkeit verschaffte. Es war eine angenehme Empfindung und gern wollte ich ihr ein Stück Ewigkeit schenken und hier ausharren. "Nimloth", hauchte er und war dabei so überwältigt und in seiner ganzen unbeirrbaren Art so fassungslos, dass ich seine liebenswürdige Reaktion belächeln wollte. Doch hielt ich inne in meinem Vorhaben, berührte ein letztes Mal den zierlichen Zweig und ließ die Hand unter einem stillen Seufzen hinabsinken, um die Gebrechlichkeit jener Blüte nicht auf einem anderen Weg zu erfahren, ihr gar den wichtigsten Teil ihrer Reinheit zu nehmen, den ihr heller Schein symbolisierte. "Lass uns zurückgehen", sagte er. Und er tat es zu frühzeitig und gleichsam verließ seine Hand meine Schulter und die Stelle, die seine Wärme labend in sich aufgenommen hatte, musste diese nun hilflos entlassen. Der behaglichen Stimmung entrissen, blickte ich zu ihm und wahrhaftig gelang es mir, das Lächeln zu erhaschen, welches sein Angesicht selbst in dieser dunklen Nacht zu erhellen schien. Dunkel war sie wirklich, doch nicht trostlos... Zu viele schöne Anblicke hatten die Kraft gefunden, zu mir zu dringen. Ein letztes Mal spähte ich zurück zu einem von ihnen, kehrte dem weißen Baum dann den Rücken und folgte Aragorn geruhsam. Als wäre mein Leib nur eine Hülle, die nichts an Unbedeutsamkeit übertraf. Als entspräche sie mit keiner Faser meinem inneren Empfinden. So kalt und blass sie auch war... ich war es nicht. Ich fühlte mich gut und der Einsamkeit, nach der ich mich verzehrt hatte, so fern, wie noch nie zuvor. Die plagende Kälte verblich in dem Genuss des Beisammenseins, dessen Wohlgefallen annähernd nur eine düstre Erinnerung zurückgelassen hätte, an die ich nur mit Schmerz und Klage hätte denken können. Doch war ich auch gefallen, tief, weiter hinab, bis es kein Ende mehr zu geben schien... Nun fühlte ich mich gehalten, gar gestützt. Und das durch einen Menschen, der dies nicht weniger benötigte. Schweigend führten wir unseren ziellosen Weg fort, schritten behäbig nebeneinander und als hätten sich etwaige Schranken aufgelöst, als wären Mauern gebrochen und versperrende Türen zerborsten, durchstoben mich Gedanken, Erinnerungen, Empfindungen und gleichsam Emotionen. Doch... Hier brauchte ich nicht um Stille zu bitten, nicht nach einem Moment zu verlangen, den ich nutzen könnte, in mich zu gehen. Ich musste nicht darum anhalten, denn alles, was ich brauchte, gab man mir, als hätte ich mein Begehren mit Worten ausgedrückt. Das Handgelenk erneut vor dem Steiß umfasst, den Blick nach vorn gerichtet und ziellos umherschweifend, ging ich neben ihm meines Weges und eine eher noch zurückhaltende Freude erfasste mein Gemüt, als mir tiefes Sinnieren gelang und ich nur selten abdriftete in kurze Augenblicke der Absenz. Und zwanglos, gar neugierig, gab ich mich jener Frage hin... Oft schon, hatte sie über mich geherrscht und stetig war sie verflogen, ohne den Hauch einer Lösung. Beharrlich sah ich ihn aus den Augenwinkeln an, atmete ruhig und gleichmäßig und überließ meinen Beinen die Arbeit, die nebensächlich, gar unwichtig erschien. Woher nur, nahm er dergleichen Fähigkeiten? War sein engster Kumpan doch die Einsamkeit, mit der er viele Jahre seines Lebens geteilt hatte. Woher nur, nahm er jenes Wissen über Mitmenschen? Woher das Gespür, ihre Empfindungen zu erahnen und woher die Kentniss von den erforderlichen Reaktionen? Zu langwierig war die Abkapselung von der Öffentlichkeit gewesen, als dass sich diese Ahnungen von selbst verstehen könnten. Als hätte er die Eigenarten eines jeden studiert, sie verinnerlicht und stets ergänzt. Doch entsprach all dies nicht seinem Leben... seinem Leben, welches erfüllt war von Alleinsein, weniger von Freude und Triumph. Er irritierte mich erneut, doch merklich auf andere Art und Weise, als die, die Furcht und Hader, ja, gar Befangenheit mit sich brachte. Es war Verblüffung und Erstaunen, mit dem ich ihn mir betrachtete und mich alsbald dem Boden zuwandte, um noch tiefer zu gehen. Und wie bereitwillig ließ er seinem Wissen Taten folgen, welch eine Resolution legte er an den Tag, um dem nachzukommen, wozu er imstande war? So lange kämpfte ich schon an seiner Seite, so lange beschritten wir schon gemeinsame Wege, teilten dasselbe Leid der Kriegszeiten und kosteten von Momenten, die die letzten hätten sein können... die Einsichten entsetzten mich und konzentriert ging ich weiter, um nicht inne zu halten. Als wären seine Besonderheiten pure Sünden, vor denen man mich schonen wollte... Wie dezent sich die Anspannung eingeschlichen hatte, als er mich in Lothlorien aufspürte und sich meiner annahm. Wie heimtückisch und besitzergreifend sie meine Konzentration von seiner einfühlsamen Behandlung ferngehalten hatte. Furcht hatte sie mir gegeben, Furcht vor dem fremden Leid, neben dem ich jegliche Berührungen und sein aufwendiges Bestreben, all die Pein zu lindern, gänzlich versäumt hatte. Wie unscheinbar hatte sich auch der Schmerz zwischen uns gedrängt und meine Wahrnehmung betäubt, als ich darniederlag, kämpfend mit Fieber und Schmerz. Wie sehr hatte mich die Qual nur vor ihm verschlossen, dass ich seinem Beistand, seinem stärkenden Rückhalt mit zu geringer Würdigung begegnet war. Viel zu viel hatte er geopfert... und viel zu wenig Dank dafür erfahren. Und dennoch war er der gelieben, der er war. Nicht weniger hilfsbereit, nicht weniger freundlich, den Blick bestrebt und zielbewusst nach vorn gerichtet und stets mit einem Erscheinen, welches nur körperliche Schwächen und Leiden offenbarte und andere hingegen gänzlich verleugnete... als wären sie nicht von Belang. Und immerfort gab er anderen das, was er nicht hatte. Und was er nicht hatte, verlangte er von niemandem. Erneut drängte sich Torheit gegen liebenswürdige Selbstlosigkeit, doch erschien selbst die Torheit nun in einem wohlwollenden Licht und ich hielt mich wachsam fern von Vorwürfen, die ich nicht würdig war, an ihn zu richten. Vielmehr sollte ich mich grämen und mit Scham beladen, dass ihm nicht das gab, was er verdiente, dass ich ihn nicht das spüren ließ, was er mir schenkte. Was hatte ich ihm denn beschert? Auf seine Fürsorge folgte meine Wut, auf seine Distanz folgten Unverständnis, gar taktloses Misstrauen. Und doch war er es, der sie sich verdient gemacht hatte, der auf sie angewiesen war. Er hatte sich mit der Distanz zufrieden gebeben, wäre ich ihm doch dieselbe Aufmerksamkeit schuldig gewesen. Und ich hatte seine Entschlossenheit angezweifelt, seine Aufrichtigkeit, gar seinen Entschluss. Auf seine Bescheidenheit folgte also Argwohn... Wie spät kam nur dieses Schuldbewusstsein, wie spät kam diese Reue. Ich hatte mich begründet gefühlt, bestätigt in meinen Annahmen und ich hatte über ihn geurteilt und das Resultat stets als berechtigt und wahr angesehen. Wie sehr hatte ich mich nur verirrt zwischen Blindheit und Unwissen. Wie sehr hatte ich mich nur mitreissen lassen von ersten Eindrücken und der Anspannung, in der sie in einem falschen Licht erschienen. Ich hatte ihm Unrecht getan und mein Herz wurde mir schwer, als ich nun neben ihm schritt, als würden wir uns nichts schulden, gerade so, als würden wir uns ergänzen und dem anderen nur zum Vorteil gereichen. Doch entsprach nur einer von uns diesen Gegebenheiten... und ich war es nicht. Tief atmete ich ein, wollte gegen die schmerzhafte Last ankämpfen und mich auf der anderen Seite nur weiterhin mit ihr belasten, bis die Qual allein Sühne genug war. Wie fehlgeleitet war mein Glaube gewesen, der Unschuldige zu sein. Jemand, der unbeteiligt in ein Spiel gedrängt wurde. Aber ich war es nicht. Ich war nicht unbeteiligt... untätig wohl eher. Gleichgültig hatte ich seine Liebe abgetan und mich viel lieber seinen Fehlern gewidmet, zu denen ihn seine Empfindungen getrieben hatten. Und selbst sie hatte ich nicht ergründet, mich nicht einmal annähernd mit der Art beschäftigt, wie die Menschen liebten. Wie närrisch war es nur, etwas Unbekanntes mit einem Bekannten zu vergleichen, welches dem Fall nicht entsprach? Unsere Liebe verleitete uns nicht zu Fehlern, schürfte auch nicht an unserer Wahrnehmung und veränderte nicht unser Handeln. Die peinvollen Erkentnisse ließen mich innerlich hadern und es schmerzte wirklich, als auch weitere Erinnerungen nach mir griffen. Wenn die Liebe der Menschen so kompliziert und riskant war, so musste ihr auch Stärke innewohnen und den Verstand des Leidenden vernebeln. So viel hatte er getan... und war dabei doch so gefasst und zurückhaltend geblieben. All die langen Monate, in denen uns nicht viel voneinander getrennt hatte. So unscheinbar und diskret, dass man nur noch mehr Träume dafür opfern, und stattdessen Entschlossenheit erbringen musste... So schwer... Und erst jetzt wurde ich mir dessen bewusst. Jetzt, da er sich meiner erneut annahm, sich selbstlos mit mir beschäftigte, mich umherführte, mir berichtete und die letzten Kräfte für diese Tortur opferte, unter der sein geschundener Leib wahrlich zittern musste. Und ich hatte ihm nichts gegeben als Schweigen und Desinteresse. Wenn auch ungewollt, hatte ich ihn erneut von jener Abweisung kosten gelassen und dennoch... Erneut driftete mein Blick zu ihm. Aufmerksamer als je zuvor betrachtete ich ihn mir, sah seinen Kampf, der mir das Herz noch schwerer machte, der doch so unnötig war und ihn nicht weniger quälte, als mich. Sein Hinken, seine Mimik, die verbissen nach Gelassenheit suchte und sie stets nur um haaresbreite verfehlte. Die Hand, die sich stützend auf die Seite legte. ... und dennoch war er bei mir, hielt dem stand, was ihn an seinem Vorhaben hindern wollte. Er war bei mir, doch ich wollte nicht, dass er diesen Preis für seine Fürsorge zahlte, war sie doch etwas so Edles, dass keine Strafe verdient hatte. Ich fühlte, wie sich meine Miene verzog, wie sich meine Schritte verlangsamten und ich alsbald stehen blieb. Bewusst und entschieden verharrte ich auf meinem Fleck, sah auch ihn bald innehalten und atmete tief und geräuschvoll durch. "Aragorn...", geduldig näherte ich mich ihm, schüttelte dezent den Kopf und senkte die Lider, als ich ihn erreichte. Nur kurz blickte ich auf und sah ihn an, belächelte seine Strapazen schuldbewusst und matt. Er schenkte mir eine Genesung, zu der keine Heilerhände imstande wären... gab mir so viel anderes, was mir niemand sonst geben könnte. Und ich fühlte mich besser, allein niedergedrückt durch die Fehler, die nicht die seinen, oder die meinen waren... und das seit langer Zeit. Kurz verlangte es mir danach, nach Worten zu suchen... ihm zu sagen, dass er nichts dergleichen für mich tun musste, doch blieben meine Lippen stumm, als ich die Hand hob, sie behutsam an seinen Arm legte und diesen hinabstrich, bis er abließ von der verkrampften Haltung und hinuntersank. Ebenso wortlos bettete ich die Hand dann auf seiner Schulter, fühlte den rauhen, gar zerschlissenen Stoff unter meinen Fingern und gab ihm den Weg zu einer bequemen Sitzbank frei, die dort im Schatten einer verborgenen Nische an der Wand stand, erhellt einzig und allein durch die Flammen der Kerzen, die sich zahlreich auf einem steinernen Podest reihten. Bestimmt tat Ruhe seinem Körper die angemessenen Dienste. Zu viel dachte er nach, viel zu viel... nur nicht über sich selbst. Und wenn es ihm schwer fiel... so würde ich dies übernehmen. Er folgte meiner stummen Bitte, trat, wenn auch mit Zögern, an mir vorbei und ließ sich nieder auf das weiche Polster. Deutlich erhellte die Erleichterung seine Miene und weniger Kampf war nötig, um die Schmerzen aus ihr zu verbannen. Ich sah es genau... denn ich musterte ihn aufmerksam, als er sich setzte. Mich selbst erfasste leichte Unentschlossenheit, als ich vor ihm stehen blieb, mich sachte zur Seite lehnte und mir seinen Leib betrachtete. War es die Natürlichkeit der Schmerzen, die sich so immens zeigte? Oder stimmte gar etwas nicht mit den Verbänden? Nein... sein Körper schien sich wohlwollend der Entspannung zu ergeben und viel ruhiger wirkte er, als er so vor mir saß. Dennoch nahm ich es gern auf mich, mich selbst und sicher davon zu überzeugen, bevor ich kurz abschweifte, mir die stille Halle besah und meine Augen rieb. Ungewöhnlich ruhig war es um uns herum, nahezu gespenstig wirkte die Geräuschlosigkeit, in der sich nicht einmal das leise Pfeifen des Windes verriet, der doch so unablässig seinen Pfad durch die unzähligen Flure und Hallen nahm. Hin und hergerissen zwischen Faszination und der alten Wehmut, ließ ich dann den Kopf sinken, blinzelte mehrmals und nahm vorsichtig neben ihm Platz. Auch mein Körper sehnte sich in diesen Augenblicken nach Ruhe und lange Zeit saßen wir schweigsam nebeneinander und ich streckte die Beine etwas von mir, faltete die Hände auf meinem Bauch und hielt die Lider kurz gesenkt. Meine Augen sahen nicht das, was sie sehen wollten... Ich öffnete sie, blickte gedankenverloren und still hinüber zu einem kleinen hölzernen Tisch, den ich durch die Lücke zweier Säulen ungehindert betrachten konnte. Nun saßen wir hier und der friedliebenden Nacht zum Trotze, spürte ich noch immer jene Unruhe in mir. Ein leises Gefühl des Unbehagens, welches unauffällig an mir zupfte, sich penetrant in mein Gedächtnis kämpfte und dort alsbald seinen festen Platz fand. Ich schluckte, als ich mich dem aussichtslosen Unterfangen hingab, mich von jenem Brennen zu befreien, welches mir beharrlich auf der Zunge lag, mich drängte, es in Worte zu fassen und in seiner ganzen Art nicht verstand, wie schwer mir dies fiel. Keine Zusammenhänge bestanden zu den Grübeleien, die mich die Welt aus einer anderen Sicht sehen ließen, nichts verband dieses Begehren mit meinem Nachsinnen und dennoch war es von jener Wichtigkeit. Ich presste die Lippen aufeinander, meine Finger wurden unruhig und mit einem tiefen beherrschenden Atemzug zwang ich sie zur Ruhe, saß still und richtete mich dennoch sogleich auf. Ein unschlüssiges Räuspern entrann mir, meine Hände lösten sich voneinander und hadernd drehte ich mich zur Seite... richtete mich an ihn. Was dem Zwerg in seiner direkten Art so unüberlegt entsprungen war, erhoffte ich mir durch Aragorn vollständig zu erfahren. Wenn er auch dasselbe bekunden wurde, so würde er es überlegt tun. Überlegt, nicht aufgrund der Suche nach tröstenden Ausflüchten, nein, überlegt auf eine andere Weise, die ich hoch an ihm schätzte. So wollte ich die Frage nun aussprechen... und ich würde sie an ihn richten... und überhaupt, nur einmal. Doch lange blieben mir die gewünschten Worte fern und entgegen meiner vorherigen Entschlossenheit, hielt ich die Lider noch gesenkt, saß ihm schweigend zugewandt und erneut holte ich tief Luft... wenn auch nur zur Überbrückung meines Zögerns. Mit unangenehmer Anspannung betrachtete ich mir meine Finger, wie sie mir selbst widersprachen, sich gegensätzlich entspannt und ruhig auf dem bequemen Polster bewegten und... "Die Sicht...", hob ich flüsternd an, den Blick entschieden auf jene Hand gerichtet, "... bleibt mir versperrt. Finsternis umgibt mich... sie wird ihre Existenz gar am hellichten Tag finden." Erneut vertiefte ich mich in Schweigen und lauschte in die Stille, die Aragorn nicht brach. "Aragorn." Ich schluckte, blickte auf und suchte seine Augen, auf die ich mich gezwungen fixierte. "Ich selbst vermag es nicht wahrzunehmen... doch du tust es." Und ich suchte schon jetzt nach der Antwort, gab mich erneut aussichtslosen Vorhaben hin und fand dennoch keinen Gräuel gegen die letzte Möglichkeit, die mir blieb. Wenn man es recht bedachte... es machte wahrhaftig keinen Unterschied, ob ich die Lösung des Rätsels selbst fand oder ob er sie mir offenbarte. Wenn es mir auch leise Furcht bereitete, an seine Aufrichtigkeit zu appellieren... "Was siehst du?" ~*~ Aragorn: Zeitweise hatte ich mir erhofft, die Schmerzen würden verschwinden, würde ich nicht an sie denken, würde ich ihnen keine Beachtung zuschreiben und das tun, wonach mir der Sinn stand. Seit meinem Erwachen wollte ich nichts anderes, als mich um den Elb sorgen, der eine Last auf der Seele trug und gezeichnet war durch seinen Leib. Ich wollte, dass er mehr Regung zeigte und wieder zu sich zurückfand... er tat es, nach bedeutsamen und wundersameren Anblicken und Begegnungen und dies mit der alten Besonderheit, die ich gern verdrängt hätte. Die Sorge um mich... Ich hielt inne, als ich bemerkte, wie Legolas stehen blieb. Hatte er es bemerkt? Wortlos drehte ich mich um und sah ihn an. Ebenso erwiderte er meinen Blick, mein Mustern. Lautlos erschien die Halle um uns in ihrer Leere, nur hauchdünne Winde durchstreiften die weiten Wände und schlängelten sich um die Säulen. Wir waren allein. Zweisamkeit auf eine andere Weise als zuvor und er begann diese Stille zu durchbrechen, tief und hörbar durchzuatmen... als versuche er sich zu festigen. "Aragorn." So leise, wie er zu mir sprach, so hätte auch der Wind zu mir sprechen können. Ich verblieb reglos und wartete. Er kam auf mich zu, langsam und geruhsam... Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich konnte nicht abschätzen, weshalb. Meiner Aufmerksamkeit muss es entgangen sein, denn es hatte sich etwas verändert... Ja, er schien ein anderer zu sein und doch blieb er gleich. Ein anderer Ausdruck durch seine Haltung... Mimik... ich wusste es beileibe nicht und verblieb schweigsam, als ich zusah, wie er sachte den Kopf schüttelte, vor mir zum Stehen kam und den Blick abwendete. War es schon allein diese Nähe, die mich in leise Verzückung brachte...? Seine Sorgsamkeit, die ich fühlte, obgleich er sie in seine elbische Bescheidenheit tauchte, hinterließ ein seltsames Gefühl... als ob er seit Jahren keine so flüssige Reaktion tat. Meine Irritation wich und ich legte den Kopf etwas zur Seite und sah ihn an. Ich spürte, wie sich meine Mundwinkel etwas anhoben, tiefe Freude empfindend, einen warmen Hauch von seiner Haut erhaschen zu dürfen. Das bekannte Leuchten wollte wieder auferstehen. Doch rasch schwand diese Freude wieder und meine Miene verzog sich, erbost und gepeinigt unter dem Stechen an meiner Seite, das an Intensität zunahm und mich veranlasste, die Hand gegen die Rippen zu drücken. Doch wie sehr ich mein Können daran setzte, meine Maske aufzubehalten, die weder Sorge noch Schmerz kannte, umso achtsamer und gleichsam rätselhafter wurde das Lächeln auf Legolas' Lippen. Schwach und kraftlos. Was war dies für ein Lächeln? Ein wissendes vielleicht... er wusste doch um meine Art, meinen Sorgen Ausdruck zu verleihen. Eine Art, in der ich sie gänzlich für fremde Augen verschwinden lassen konnte. Doch vor ihm und seinen Augen war diese Fähigkeit nutzlos. Sowahr sie durch mich hindurchleuchteten, so leichter mochte er meine Absichten erkennen. Und ich war gebannt von diesem Blick, erhoffte mir, das Leben in den Augen zu erkennen und bemerkte erst durch eine sanfte Berührung auf meinen Oberarm, dass er sich regte. Ich ließ ab von seinem Gesicht und folgte seinem Arm, sorgsam und vorsichtig die Berührung seiner Hand auf dem Stoff meiner Kleidung. Wie ein Streicheln, das ich mir wünschte und voller Ehrfurcht wieder davonjagte. Er war mir so nah und ich hätte gern so vieles getan... doch blieb ich nahezu versteinert und abwartend. Seine Hand hielt inne und zwang die meine, sich aus der Haltung zu lösen, die Seite preiszugeben. Keiner Verlockung seines Handelns konnte ich widerstehen und so gab ich den Schutz auf und ließ den Arm locker sinken. In dem Moment, in dem ich ruhig stand, legten sich die Schmerzen, als wären sie nicht vorhanden. Das Ziehen in meinem rechten Bein vergaß ich annähernd... bisweilen würde es wohl die Routine bringen, in der ich mit diesem Fuß nicht zu fest auftrat. Legolas' Hand ließ ab von meinem Arm und legte sich stattdessen auf meine Schulter, während er einen Schritt zur Seite tat. Ich sah die Nische und die Bank darin, verborgen und dunkel, wie ich sie schon erst einmal begutachtet hatte... es entlockte mir ein schwaches Lächeln, als ich mich schließlich überwand, seiner stummen Bitte zu folgen. Nun, eine Zuwiderhandlung hätte der Elb nicht geduldet, dafür war er in seinem Handeln zu gründlich... und zumeist wusste er eher als ich, was wohl gut für mich war. Nun, mein Lächeln wurde flüchtig breiter; die erholsamste Medizin für meine Seele, für meinen Leib... war seine Anwesenheit. Doch schnell verebbte das Lächeln, denn die Schmerzen kehrten zurück, erhoben sich durch die zögernden Schritte und ließen meinen Atem durch jenes qualvolle Zerren schneller fallen. Umso dankbarer war ich dann, als ich mich setzen konnte. Ein gedrungenes Keuchen entrann mir und ich schloss fest die Augen, während ich den Kopf in den Nacken legte und mich zurücklehnte. Das Sitzen sorgte schleppend für Schonung. Ich legte den Arm erneut um den Bauch und versuchte den Schmerz zu verarbeiten, um Legolas zu zeigen, dass es besser wurde. Doch... was nur, sorgte ich mich um meine Maskerade, wenn der, der nicht erblicken durfte, wodurch ich litt, doch durch alles sehen konnte und durch seine Feinfühligkeit wusste, wie er darauf zu reagieren hatte? Es nötigte mich in Wahrheit niemand, den Unverwundbaren zu spielen. Vor allem nicht er, der mich schon so oft schwach und von jeglichen Kräfte verlassen, vorgefunden hatte. Ja, vor allem nicht er, der mir näher und wichtiger war, als alle anderen. Mein Körper entspannte sich allmählich, zeigte endlich Wohlgefallen an dem bequemen Sitzen ohne Regung und ich öffnete die Augen wieder. Legolas stand noch immer vor mir, sah sich um und ich wartete wortlos darauf, dass er sich ebenfalls setzte. Nach einigen Augenblicken ließ er von seiner Beobachtung ab und senkte den Blick. Er zwinkerte mehrmals, gar, als ob er etwas aus seinen Augen vertreiben wollte. Und ich sah es gut, wusste darum, denn ich erblickte es jedes Mal, wenn ich ihm ins Gesicht sah. Schließlich setzte er sich zu mir, lehnte sich ebenso zurück und blickte gerade aus. Er wirkte, als brenne ihm ein Gedanke auf der Zunge, den er aussprechen wollte und doch haderte. Und ich folgte seinem Blick, sah einen Tisch, der trostlos und verlassen dort stand. Ich glaubte... Legolas musste sich ebenso gefühlt haben. Verlassen und trostlos, und eben diese Gefühlsregung, die seine Unaufmerksamkeit, sein Desinteresse an allem zum Vorschein brachte, hatte mich das Fürchten gelehrt. Wäre Gimli nicht gewesen, so hätte ich sehr viel länger um sein Augenmerk kämpfen müssen. Sobald das Stechen in meinen Gliedern vollends nachgab, setzte ich mich wieder gerade hin, seufzte leise und teilte die Beobachtung an dem einen Gegenstand gedankenlos. Doch war ich mir gewiss, dass etwas folgen würde. Ein belangloses Gespräch vielleicht, damit wir nicht weiter dieser Schweigsamkeit erlagen, obgleich sie weder drückend noch belastend auf mich wirkte. Es war mir eine schiere Freude, neben ihm zu sitzen und ihn in aller Heimlichkeit zu begutachten... er war unruhig... stumme Bewegungen seiner Lippen, die davon ausgehen ließen, dass er mir etwas zu berichten hatte. Vielleicht jedoch, wollte er auch seine Sinne auf sich selbst konzentrieren und je nachdem... ich wartete voller Geduld und Zuversicht. Minuten vergingen im Nichtstun und mein Körper dankte mir durch das letzte unangenehme Ziehen, das zu ignorieren ein leichtes war. Meine Füße erspürten Bewegungen, fernab, am Ende dieser Halle, hektische und beschäftigte Beine mehrerer Menschen waren es und ich verlor das Interesse an ihnen. Im Gegensatz dazu, drehte sich Legolas aus seiner Sitzhaltung und wandte sich an mich. Flüchtig streiften seine Augen die meinen, doch wandte er ebenso den Blick wieder ab und schwieg. Achtsam beließ ich mein Augenmerk auf ihm und wartete. Ich würde ihn nicht drängen, mit mir zu reden. Diese innere Unruhe, die ich erkannte, zeigte sich nun äußerlich, während sich sein Ausdruck veränderte und mit ihm seine Körperhaltung. Seine Hände waren zu seinen Seiten auf den Polstern gebettet und verharrten ruhelos. "Die Sicht...", leise flüsternd begann er und ich lauschte seiner Stimme, so leise und zögerlich sie hervortrat. Ich erblickte das Zaudern in seiner Mimik, obwohl er den Blick auf seinen Hände beließ. Als fürchtete er etwas, wenn er mich anblickte, "... bleibt mir versperrt. Finsternis umgibt mich... Sie wird ihre Existenz gar am helllichten Tag finden." Ah, da war die Erkenntnis, das Wissen, weshalb er zögerte und unsicher war. Für einen Moment hob ich die Brauen und nickte leicht, wartete jedoch, ehe ich gedachte, das Wort zu ergreifen. Legolas ließ die Stille zurückkehren und ich seufzte lautlos. Gimli war ein kleiner Tor, wenn es um Diskretion und Schonung ging, doch es war nun einmal seine Art und ihm nicht zu verübeln. Doch was würde nun folgen, was erwartete Legolas nun, dass er mir dies berichtete? "Aragorn." Ach, wären dies andere Umstände, so würde mein Körper erschaudern, jedes Mal, wenn er meinen Namen mit solchem Gefühl aussprach. Dennoch oblag meine Umsicht allein seinem Belangen... ein weinerliches Unterfangen wäre dies, würde ich den Träumen nachgeben und närrische Gedanken hegen. Er schluckte schwer, erlag erneut dem Unbehagen fortzufahren, doch dann hob er wider Erwartens den Kopf und sah mir direkt und ohne Umschweife in die Augen. "Ich selbst vermag es nicht wahrzunehmen... doch du tust es." Wie wahr, wie wahr. Ich tat es und was ich sah, würde ihm schmerzen, wenn er es selbst erblicken könnte. Eisern und doch nicht starr behielt ich den Blickkontakt aufrecht. Es hatte sich wirklich etwas verändert. Wirkten die Augen zwar immer noch, wie zu Beginn, für Fremde tot... offenbarten sie mir schon einen Hauch dieser Ewigkeit, die ich in dem tiefen Blau des Meeres gesehen hatte. Doch kein Trost war dies... nur ein Schleier meiner Hoffnung. "Was siehst du?" Beinahe tonlos hatte er mir dies zugeflüstert und ich brach den Blickkontakt ab. Was wunderte mich diese Frage? Ich blickte kurz danach wieder auf und sah mir diese Augen an... und schwieg. Eine verschönerte Erzählung seines Zustandes würde ihm nicht gerecht sein und das Gewissen würde an mir nagen, wie es die Schmerzen selbst nicht konnten. "Ich..." Wispernd erhob ich die Stimme, ernst und musternd war meine Miene. Ganz offen durfte ich ihn nun mustern... sein Gesicht, die schmalen Lippen... und seine Augen. Zaghaft schüttelte ich den Kopf, hob die Schultern unter einem schweren Seufzen, ehe ich die Hand hob, um sie flüchtig an seinen Augen vorbeischweifen zu lassen. "Ich sehe nichts." Ich verengte die Augen und lehnte mich etwas vor. Er suchte bei mir eine Antwort, die schmerzhaft war. Warum nur bei mir? War ich denn der Richtige für grausame Worte? Erneut schüttelte ich leicht den Kopf, zog die Luft ein und legte den Kopf schief. "Ich kann mich nicht in ihnen spiegeln. Alles was ich sehe... sind graue Schatten, die vor blinden Augen tanzen." Es tat mir selbst weh, ihm dies zu sagen und ich zwang mich nur diese Worte an ihn zu richten und hätte es wohl nie getan, hätte er mich nicht darum gebeten. "So kalt und starr." Langsam ließ ich den Kopf sinken und gleichsam den Blick. Ich sah auf seine Hand, die Finger, die sich in die Polster drängten. Es tat mir leid... und zu gern hätte ich nach dieser Hand gegriffen und sie gehalten. Doch ich sah nur wieder auf und begegnete erneut dieser Kälte. War es mir zuvor beinahe gelungen, diese Nebenwirkungen zu ignorieren, schienen sie mich nun umso mehr zu durchbohren. Es graute mir davor, wie es seine Augen vermochten, durch mich hindurchzublicken, obwohl er doch genau mich ansah. Mich mit Misstrauen und Unwissen zu ertränken, obgleich ich wusste, dass er mir vertraute. "Ich fürchte mich vor ihnen." ~*tbc*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)