Das Leben liebt die Unsterblichkeit von abgemeldet (~'*Legolas & Aragorn*'~) ================================================================================ Kapitel 9: *~neder~* -------------------- ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* *~neder*~ - neun ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Aragorn: Selten war ich so regungslos gewesen, wie in dem Moment, an dem die Hoffnung zu uns zurückzukehren schien. Und nicht nur mich erfasste diese Ungläubigkeit. Ich sah mich flüchtig um, wollte nicht völlig unaufmerksam sein und doch scherte sich die Masse unserer Feinde nicht mehr um uns, die wir nur noch wenige waren. Alsbald bebte der Boden, schwer erzitterte die Erde unter den schnellen Hufschlägen der Pferde, allen voran Gandalf und unverkennbar folgten ihm die stolzen Pferde der Herren Rohans. Die Sonne begehrte auf, als sei sie von dem erhobenen Stabe des Zauberers gerufen worden und blendete die Augen der Ungetüme, auf dass ihnen für einen flüchtigen, doch umso fataleren Moment die Reaktion genommen wurde. Ich sah sie fallen... als würde eine Flut den Abhang ins Tal nehmen und alles unter sich begraben. Viele ächzende und wilde Laute ertönten aus der Richtung der Feinde, ungläubig waren auch sie, dass sich das Schicksal gegen sie wandte. Sie... die in ihrer Übermacht nicht siegreich sein würden. Ja, der Feind wussten es auch und noch ehe sie eine weitere Gegenwehr einzuschätzen wagten, ließen sie ab von uns... von der Klamm... von unseren Rettern und machten kehrt. Mir war nicht klar, ob ich darüber Freude empfand, ob ich sagen konnte, dass all das vorauszusehen war, noch ehe ich den König bat, gemeinsam unverzagt dem Feind entgegenzutreten. Nein, die Freude war noch fern. "Sieg!" Aus der Starre zurückgekehrt, hob König Théoden das Schwert in die Luft und als ich mich zu ihm umsah, erblickte ich ein frohgemutes Lächeln auf seinen Lippen. "Wir haben gesiegt!" Genau in diesem Moment fand ich zu meiner eigenen Beweglichkeit zurück, sah Gandalf die fliehenden Kreaturen verfolgen und lenkte Brégo um. "Noch nicht ganz." Erwiderte ich, viel mehr zu mir, als zu den Kriegern um mich herum und gab dem Pferd die Sporen, um den fliehenden Kreaturen an der Flucht zu hindern. Isengard sollte an seinen Handlangern hungern, so wenige, die zurückkehren würden! Ich galoppierte den schmalen Weg hinunter und folgte dem Feind dicht hinter Gandalf. Und noch während ich dies tat, wurden meine Gedanken von diesem Handeln abgelenkt. Ich hatte ihn gesehen... noch bevor ich, ohne auf eine Reaktion des Königs und seiner Gefolgsschaft, losgeritten war, hatte ich sein langes blondes Haar im Wind wehen sehen und die blauen Augen in ihrer alten Pracht leuchten. Für den Zeitpunkt, in dem ich Théoden Mut zugesprochen und ihm aus dem Raum gefolgt war, hatte ich es geschafft, die Angst um ihn zu unterdrücken, sie gar verschwinden zu lassen. Schnell erreichte ich den ersten Uruk-Hai und köpfte ihn, während ich Brégo zur Seite lenkte und einen weiteren unter seinen Hufschlägen niederrang. Ich hatte geglaubt, dass wir im Tode vereint sein würden, war dem so gewiss, dass ich es akzeptiert hätte, wenn er an meiner Seite starb. Jetzt aber... da Sieg und Rettung für uns alles war, hätte ich nicht gewusst, was ich getan hätte, müsste ich ihn zwischen all den leblosen Leibern suchen. "Nicht in den Wald hinein!" Laut erschallte die Stimme Gandalfs, ich brachte Brégo gehetzt zum Stehen und sah zu dem Zauberer. Weshalb? Weshalb ließen wir sie gehen? Fangorn war doch kein Hindernis für uns! "Haltet euch von den Bäumen fern!" Und ich ließ von ihm ab und besah mir das Grüne Geäst, dass sich vor uns aufgebaut hatte und in welchem die Feinde nun Rettung erhofften. Doch halt... hatte ich unbewusst ,aufgebaut' gedacht, so war dem wirklich so gewesen... näher noch an Isengard lag jener Wald, der sich nun vor Helms Klamm befand! Ich hob fragend eine Augenbraue und hielt fest an der Beobachtung, doch erkannte ich nicht weit von mir Legolas aus den Augenwinkeln. Voller Staunen weitete er die Augen als der letzte Uruk-Hai aus unserem Blickfeld verschwand. Der Verwunderung noch fern, hörte ich plötzlich ein schweres Grummeln, gar einem erbosten Grollen gleich. Die Bäume bewegten sich, ohne dass ein Wind sich hob und völlig verblüfft öffnete ich den Mund, als diese Bewegungen sich verschnellerten, annährend peitschend gen Boden gingen. Das raue Ächzen und die Schmerzenschreie der Uruk-Hai erreichten uns deutlich, die wir doch noch mindestens eine Meile entfernt waren. "Es ist vorbei." Gandalf ließ seinen Blick über die Männer wandern, die ihm bis hierher gefolgt waren, ein Trost spendendes Lächeln ruhte auf seinen Lippen und seine Augen gaben Glück und Hoffnung wieder. Ich glaubte, ein jeder dieser Männer nahm an dieser Glückseeligkeit teil. Doch sah man sich um... hinter sich zurück zum Schlachtfeld, blieb ein jedem wohl das Glück fern. Denn genau dies tat ich... erst noch zögerlich, ohne jedoch auf Gandalf zu achten, dann aber stellte ich mich diesem Anblick. Nun erst war das Resultat dieser Schlacht erkenntlich. Nun, da man von dieser höheren Ebene einen klaren Blick auf die Klamm hatte. Ich sah mir dies Elend an, dass sich nun unwidersetzlich vor uns auftat und ließ abwesend die Hand von den Zügeln gleiten und strich beruhigend über den Hals des Pferdes. "Mae carnen, Brégo." Flüsterte ich ihm leise zu und all meine Freude war gänzlich verschwunden und machte Platz für das Gefühl, welches ich nur allzu gut kannte. Die Trauer um Jene, die gefallen waren... um jene, die unnötig starben. Ich wagte nicht, erneut zu Gandalf zu schauen, konnte auch Legolas keinen Blick zuwerfen, als ich schließlich wieder losritt, langsam und ruhig. Einiges war noch zu erledigen... einiges, dass in Jedem, der diese Schlacht überlebte, ein Gefühl von Verzweiflung näher brachte. Man musste die Frauen und ihre Kinder aus den Höhlen holen, sie vielleicht noch von den Gebirgspfad zurückbringen, falls sie diesen bereits beschritten haben. Man musste ihnen berichten, dass ihre Männer gefallen... dass ihre Söhne nicht mehr am Leben waren. Allmählich häuften sich die toten Leiber an meinen Seiten, als ich der Klamm wieder nahe war, brachte Brégo zum Stehen und stieg ab. Leise flüsterte ich dem Hengst elbische Worte zu, wusste ich doch, wie seine Seele unter dem Krieg gelitten hatte und wie ich sie selbst weiter leiden ließ. Ich sah ihm in die tiefbraunen Augen und unerklärlich war für mich, ob er dies noch lang ertragen würde oder ob ich ein anderes Pferd wählen sollte. "Han i vangad i moe ben bango, Brégo..." Langsam ließ ich den Kopf sinken. "Man prestant i ardhon?" Sprach ich zu mir selbst und im selben Moment ließ auch Brégo seinen Kopf sinken und stieß mich mit der Schnauze an. Ein leises Wiehern ertönte, als er nach meinen Strähnen schnappte und näher zu mir trat und ich legte die Hand auf seine Nüstern und lächelte matt. "Han bâd nîn... hannon le, Brégo." Ich sah zurück zu Gandalf und den Männern, sah zu Legolas, der sich nicht an meiner Abweisung zu dem Geschehen im Fangornwald beteiligt hatte. Doch nur Gandalf erwiderte meinen Blick und er war kühl und emotionslos, so lange er auf dem meinen ruhte. Die alte Zwist existierte noch... Doch eine Auffälligkeit lenkte mich von diesem Wissen ab. Erneut ließ ich den Blick zu dem Elb schweifen... er ritt distanziert von Gandalf, doch war es nicht dass, was mich ablenkte... die Trauer, die ich einst in seinen Augen gesehen hatte, an jenem Tag, an dem wir Gandalf tot geglaubt hatten, war zurückgekehrt. Weit konnte sein elbisches Auge sehen und noch viel schmerzhafter musste es sein, was er erblickte, als ich ersehen konnte. Unsterbliches Volk, aus einem alten Treuebündnis zu uns gekommen, fand hier die Grenzen ihrer Lebensdauer. Ein unverdientes Schicksal. Haldir... "Aragorn, komm..." Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich sah auf, hatte nicht einmal gemerkt, wie der weiße Zauberer direkt auf mich zugeritten war und mich eindringlich anblickte. "... wir haben...", er richtete die Augen auf seine andere Hand, die auf seinem Mantel ruhte. Doch unter ihm war deutlich eine Form zu erkennen, als ob er verdeckt vor neugierigen Blicken eine Kugel mit sich trug. "... noch einiges zu besprechen." Er ließ ab von meiner Schulter und warf einen Blick über die seine und ich tat es ihm gleich. Noch weiter hinten als zuvor, ritt Legolas mit seinem weißen Pferd der Truppe nach und ich sah ihn schwer schlucken, als seine Augen fest und furchtsam an jenes rätselhafte Objekt des Zauberers gebannt schienen. Es lag etwas in der Luft... Legolas: Den Sieg hatten wir errungen und doch schmerzte es so sehr, die grausamen Ausmaße des Krieges zu sehen, dass das Glück mir fernblieb und ich hinabdriftete in bekümmertes Trauern. Schweigend ritt ich mit den anderen zurück zur Feste, vorsichtig mussten die Pferde treten, um freie Stellen auf dem Schlachtfeld zu finden. Von ihnen gab es nur wenige... die schwarzen zerfetzten Leiber bedeckten den Boden und ein modriger Gestank hing in der Luft. Meine Trauer richtete sich nicht auf sie, nur flüchtige Blicke, die zeigten, dass jede Kreatur den Tod verdient hatte. Wer keine Gnade bewies, verdiente sie selbst nicht. Sie waren zu grausam, um auf dieser Welt bestehen zu dürfen. So näherten wir uns dem gebrochenen Wall und ich ließ mein Pferd trotten, gönnte ihm die Ruhe, die ich ihm während des Kampfes nicht zukommen lassen konnte. Ich selbst richtete mein Augenmerk weit nach vorn, blickte zu Aragorn, der dort ritt. Nun war mir neue Zeit gegeben... Zeit, um dafür zu sorgen, dass ich, wenn mich der Tod wahrhaftig ereilte, keine Rätsel und Unklarheiten zurücklassen müsste. Ich sah ihn lange an und so sehr ich es mir auch gewünscht hatte, mich erneut in ein aufklärendes Gespräch mit ihm zu vertiefen... so sehr ich es auch gewollt hatte... nun fühlte ich mich in diesem Entschluss verunsichert. Und ich bezweifelte, dass ich die Gelegenheit, ihn alleine vorzufinden, nutzen würde. Ich wusste, wie er auf meine Fragen reagieren konnte... füchtete mich davor, seinen unberechenbaren Zorn erneut zu wecken und diesem selbst zu verfallen, mich mitreissen zu lassen und mich vor meiner schwindenden Beherrschung zu grauen. So belastend und zermarternd diese Ungewissheit zwischen uns auch war... lieber wollte ich sie so lassen, als die Situation weiterhin zu verschlechtern. Und das schien ich stetig zu tun... So wandte ich den Blick ab, setzte mich tiefer in den Sattel und schöpfte selbst neue Kräfte. Nur schleppend und müde bewegten sich die Überlebenden zwischen den Toten, mit kraftlosen Schritten, trauernd, klagend, mit Verletzungen kämpfend und nach Hilfe suchend. Und Hilfe benötigten alle... Ein Wehklagen lag in der Luft, das mir das Herz schwer machte. Bekümmert blickte ich um mich, als wir die Pferde im verwüsteten Hof zum Stehen brachten. Mit letzten Kräften stützten die Soldaten ihre Genossen, suchten nach Überlebenden. Erleichtert wurden die Männer willkommen geheißen. Nicht viele von ihnen waren gefallen, stark und unzerstörbar zeigte sich das Heer noch immer und hilfsbereit stiegen sie ab und eilten davon, unterstützten und halfen. Nach einem benommenen Zögern schob auch ich mich aus dem Sattel, stieg hinab auf den schlammigen Boden und ging davon. Vorbei an dem König, der mit Gandalfs rettendem Begleiter sprach. Vorbei an Gimli, der, noch immer der kämpferischen Hektik verfallen, umherlief. Vorbei auch an Gandalf, der seinen stolzen Hengst zum Stehen brachte und den weiten Ärmel seines Mantels um ein Gepäckstück legte... welches schon des öfteren meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Nur flüchtig und kurz hatte ich es bemerkt. Und dennoch... Ohne mein eigenes Zutun blieb mein Blick erneut an dem Verborgenen hängen, kurz betrachtete ich mir das dicke Tuch, in welches dieses selbst eingewickelt war. Unbeabsichtigt vergrößerte ich den Abstand zwischen mir und dem Pferd, ging einen Bogen und blickte jenem Gegenstand noch immer nach. Es war unerklärlich, er weckte mein Interesse. Ganz anders Aragorn, an dem ich stillschweigend und achtlos vorüberging. Überall lagen sie... verkrampft nach dem letzten Kampf, den sie verloren hatten. Was war schon die Unsterblichkeit... Was für eine Bedeutung hatte sie schon, wenn sie so einfach ausgemerzt werden konnte... Betrauernd schweifte mein Blick über ihre leblosen Körper, achtsam trat ich um sie herum, blickte ihnen nach, sah Blut und das Entsetzen, welches noch deutlich in ihren toten Augen glühte. Ich schluckte schwer, fand mich ungeschützt diesem Anblick ausgeliefert. "Hiro hyn îdh ab 'wanath." Leise vertiefte ich mich in ein elbisches Gebet, während ich langsam meiner Wege ging. Um mir selbst Mut zu machen, um den Toten den letzten Abschiedsgruß mitzugeben. Ich blinzelte, hob abwesend die Hand und betastete mein Gesicht. Nur nachlässig wischte ich den Schmutz von der Haut, stieg über einen elbischen Säbel hinweg und erreichte in lahmen Schritten die Stufen zum Wehrgang. Zögerlich bestieg ich ihre erste, hielt dort inne und drehte mich um, um mich dem vollen Ausmaß auszuliefern. Beschmutzt waren ihre feinen Mäntel, der Glanz ihrer kunstvollen Helme war im prasselnden Regen verblasst, schimmerte nur noch matt. Bleich waren ihre Gesichter, umso dunkler das Blut, welches ihre Haut und Kleidung säumte. Ich zog die Brauen zusammen, schüttelte in einer tiefen Trauer den Kopf und drehte mich um, weiterhin hinaufsteigend. Nur wenige standen noch auf dem Wehrgang. Verletzte lehnten keuchend an dem Gestein, kauerten zitternd auf dem Boden... Und die Sonne schien hell und hoffnungsspendend auf uns hernieder. Hatte sie uns soeben noch zum Vorteil gereicht, wünschte ich nun, sie würde versinken und mich meinem Kummer überlassen. Doch der Himmel lag blau und friedlich über uns, wirkte so kalt und einschneidend gegenüber der Erde, die übersäht war mit zertrümmerten Körpern. Nur kurz betrachtete ich mir den Horizont, auf dem noch leicht die Morgenröte lastete. Und ich empfand in diesem Augenblick nur Hohn für ihn. Und gleichermaßen fühlte ich mich selbst verhöhnt durch diesen widersinnigen Sarkasmus. So richtete ich mein Augenmerk hinab und bevorzugte die Realität zu sehen, so, wie sie nun war. Ich sah einen Knaben dort liegen... tot und zusammengekrümmt, sah einen Mann, dessen Miene dämonisch verzerrt war. Und ich sah... Ich blieb stehen, fixierte mich auf nur einen Punkt, starrte hinab und sah doch nicht das, was vor mir lag. Der Anblick stieß mich in die Benommenheit und lange verharrte ich reglos. War er doch nur einer unter vielen... Waren es doch solche Massen... seinen Tod hätte ich nicht erwartet. Langsam ließ ich mich auf die Knie sinken, blieb neben ihm kauern. Haldir... Haldir war gefallen... Ausdruckslos war seine besonnene und gutmütige Miene... geschlossen seine Lider. Er lag ausgestreckt dort... dort zwischen all den toten Leibern und doch zollte ich nur ihm meine Aufmerksamkeit. Ungläubig betrachtete ich mir die leblose Hülle, seufzte schwer und lautlos und schloss kurz die Augen, um mich dieser Anblicke kurz zu erwehren. Nicht lange verharrte ich so, beugte mich vorsichtig über ihn und schob grob und unnachgiebig den schweren Leib eines Feindes von ihm. Und keuchend blickte ich wieder auf ihn hinab. "Legolas!" Drang da eine bekannte Stimme an meine Ohren und so wendete ich mich erneut von Haldir ab, blickte um mich und erspähte den Zwerg, der unten im Hof stand, beide Hände am Mund hielt und nach mir rief. "Legolas, nun komm doch! Der Kampf ist vorbei! Opfer bringt er immer, doch ist der Erfolg das, was bleibt!" Ich senkte die Lider, schüttelte in einem schwachen Widerspruch den Kopf. "Von kurzer Dauer ist der Erfolg, den du als so langanhaltend bezeichnest. Doch fallen werden noch Massen und deren Verlust wird auf uns lasten. Selbst in Friedenszeiten... falls diese irgendwann eintreffen." "Das werden sie schon!" Der Zwerg ruderte mit den Armen. "Das werden sie ganz sicher, also verschwende keine Zeit mit Zweifeln! Und sitz nicht dort, herrje, du zeigst dich, als stünde dir der Tod bevor! Steh auf, komm her, wir haben anderes vor!" "Mein Vorhaben ist hier." Antwortete ich leise und senkte den Kopf, erneut auf Haldir herabblickend und der alten Trauer verfallend. "Ohh!" Der Zwerg ächzte. "Du zermürbst mich mehr als jeder Gegner! Gandalf bat mich, dich zu holen! Die Gefährten versammeln sich, viel gibt es zu berichten!" Somit drehte er sich um, so glaubte ich, denn ich wandte den Blick nicht ein erneutes Mal ab, blieb reglos kauern und bald ertönte die Stimme des Zwergen wieder. "Die Gefährten!" Rief er mir durchaus ungeduldiger zu. "Traf ein Hieb deinen Kopf? Ich glaube, du bist einer von ihnen, sollte mich mein Verstand seit geraumer Zeit nicht trügen!" Die wiederholte Bitte traf mich deutlich und so riss ich mich endlich los, richtete mich auf den Knien ab und senkte die Hand ein letztes Mal hinab zum toten Elben. Vorsichtig setzte ich die Fingerkuppen auf seine bleiche Stirn, spürte die Kälte, die bereits all die lebendige Wärme vertrieben hatte. "Navaer, Haldir o Lórien. Navaer... " Ich streifte seine Haut, wandte das Gesicht ab und kam auf die Beine. Ohne zurückzublicken stieg ich die Treppe hinab, begab mich zurück zum einem Ort des Grauens, den ich nur ungern betrat. Ich versuchte nicht hinunterzuschauen, als ich neben Gimli über den Hof ging, vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte und mich achtsam durch die Massen drängte, die sich bereits versammelt hatten. Nach einem kurzen Marsch, den Gimli mit zahlreichen Worten gefüllt hatte, traten wir hinein in die Feste, durchquerten einen Gang und erreichten so einen Raum, in dem die anderen, wie angekündigt, warteten. Neben den abscheulichen Anblicken des Krieges war es eine Wohltat für meine Augen, gleichermaßen für meine Seele, sie versammelt zu sehen. Gandalf, der bequem auf einem Stuhl saß, Merry und Pippin, die aus den Höhlen zurückgekehrt waren und ebenso gesellig auf wärmenden Fellen hockten. Ich betrachtete sie mir kurz, musterte sie alle und konnte mich nicht daran hindern, erneut auf jenes Gepäckstück zu achten, welches der Zauberer sorgsam auf seinem Schoß hielt. Mit Furcht betrachtete ich es mir, blieb stehen, ohne mich ihm zu nähern, hielt Abstand und versuchte dieses Stocken zu übertünchen, indem ich mich gegen einen der stützenden Pfeiler lehnte und die Arme vor dem Bauch verschränkte. Es war ungewiss, was sich unter diesem Tuch verbarg... ich vermochte es nicht zu erahnen und mit allen Mitteln würde ich mich wehren, es zu versuchen. Nur einer Tatsache war ich mir sicher... nichts Gutes trug Gandalf bei sich. Ja, annähernd fühlte ich mich bedroht durch die Anwesenheit des unbekannten Gegenstandes. Es breitete sich ein unangenehmes Gefühl aus, sah ich ihn an. Und näherte ich mich ihm, war es, als schneide sich eine eisige Kälte durch mein Fleisch. Es war besser... wenn ich hier stehen blieb... Nicht unnötig lang versuchte ich mich mit dieser Beobachtung aufzuhalten, gezwungen riss ich mein Augenmerk los und zufällig lenkte ich es zu Aragorn, der schweigend dort stand. Und erneut entfloh ich diesem Anblick, senkte meinen Kopf und starrte auf den Boden. Aragorn: In langsamen Schritten war ich Gandalf gefolgt und hatte auch alsbald den Blick von Legolas gelassen, der sich in einer weiterhin seltsamen Distanzierung über das Schlachtfeld bewegte. Lange Zeit, während ich dem weißen Zauberer nachging, hatte ich meinen Blick über die toten Körper schweifen lassen, doch hielt sich meine Trauer in Grenzen. Oh, ihres Verlustes war ich mir bewusst, sehr sogar und dankbar zugleich, dass sie für das Überleben der Menschen Rohans ihr eigenes Leben opferten. Aber viele sah ich schon in Schlachten fallen... viele sah ich unter Pfeilen und Klingen zu Boden gehen... und auch in tote, verzerrte Gesichter sah ich schon so oft, dass sie mich nun nicht mehr in Träumen verfolgten. Um jene, die mir nahgestanden hatten... Boromir... Haldir... an deren Verlust würde ich nun zerbrechen, wären mir auch solche Rückschläge unbekannt. Alles, was ich zu kennen geglaubt hatte, war um mich herum gestorben... und würde sterben, ehe ich selbst zu meinen Ahnen zurückkehrte. Abwesend sah ich um mich, die Geschäftigkeit der Überlebenden... ihre müden Augen, ihre Kraftlosigkeit, die Erschöpfung in all ihren Gliedern... ihre eigene Trauer, die nicht vom Sieg über ein mächtiges Heer vertrieben werden konnte. Gandalf brachte sein Ross zum Stehen und stieg ab. Sofort kam ein Mann geeilt, neigte leicht sein Haupt und nahm die Zügel Schattenfells entgegen. Leise flüsterte ich Brégo zu, fuhr flüchtig mit der Hand durch seine Mähne und konnte dem Pferdeherrn einen völlig ruhigen Hengst übergeben, um welchen er sich gewiss kümmern würde. Noch ehe er verschwand, bat Gandalf ihn, den Zwerg zu verständigen und auch Legolas zu uns zu bitten, gleichsam die Hobbits aus den Höhlen zu holen und aufzupassen, dass keine Frau, kein Kind ihnen heimlich folgte. Ein solcher Anblick, wie er sich uns hier bot, würden sie nicht verkraften und so schmerzhaft es für sie sein würde, dass sie ihre Männer und Söhne kein letztes Mal sehen durften, umso besser war es doch für ihre Seelen. Der Herr nickte und wir setzten unseren Weg fort. Ich schwieg, während wir einige Straßen hinter uns ließen, ebenso die Klageschreie und Leiden und einen Raum passierten. Ungenutzt und annähernd unbeschädigt war dieser. Eine lange Tafel stand dort, wenige Stühle und einige Felle, die am Boden und auf jenem Holz ausgebreitet waren. Trotz der klaren Sonne am Himmel war dieser Raum recht vom Licht, und beinah in einen Schatten gedrängt, so dass Kerzen auf der Tafel standen und in ihrem kargen Licht düstere Schatten warfen. Es grämte mich, mich nun hier mit den Gefährten zu versammeln, obgleich die aufkeimende Freude da war, um der Gefährten Willen. Schweigsam stand ich nun Gandalf gegenüber. Meine Gedanken waren zu wirsch, als dass ich ihn auf sein Verlassen in Edoras ansprechen könnte, auf den Hader, den wir beide noch im Stillen führten und so sah ich nur bewegungslos zu, wie er sich den Stuhl an der Tafel nahm, ihn drehte und sich mit einem leisen Seufzen niederließ. In langsamen Schritten setzte ich mich in Bewegung, nachdenklich und grübelnd, doch wusste ich nun nicht mehr, weshalb und lehnte mich absent an die Wand, den Blick trüb auf die Tür gerichtet. Einerseits war ich gespannt zu erfahren, was es zu erzählen gab, zugleich voller Neugier, in welchen Gebieten Gandalf Éomer und sein Heer getroffen hatte und was in der Zwischenzeit geschehen war, doch andererseits war es vielleicht nun auch umso schwerer, die Kluft zwischen Legolas und mir in seinem Beisein zu schließen. Ah, so vieles war noch zu tun... Ich lauschte der Stille um uns herum und allmählich begann sie mich zu erdrücken und so blickte ich wieder zu Gandalf, sah zu der kugelähnlichen Form, die er unter dem Stoff verbarg. "Nun..." Mir wurde die Möglichkeit genommen, ein Gespräch unter vier Augen zu beginnen, denn schwere Schritte ertönten, ein bekanntes Grummeln hörte man bereits durch die Mauern und kein Denken war von Nöten, um zu wissen, wer es war. Grob wurde die Tür aufgedrückt und leise fluchend trat der Zwerg hinein, sah erst zu Gandalf und dann zu mir. "Ja...", begann Gimli brummend, holte tief Luft und hielt sie an, ehe er rasch zur Seite sprang, da sich zwei kleine Männer an ihm vorbeidrängten und durch die Tür jagten. "Gandalf!" Riefen beide wie im Chor und ihre Freude über seine Wiederkehr war groß. Schnell und impulsiv sprachen sie auf ihn ein und der Zauberer lächelte gütig. Ich sah sie flüchtig an und zeigte einen Hauch von einem Lächeln, ehe der Zwerg mit einem weiteren Brummen erneut meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Träge ging er auf eines der Felle zu, die auf dem Boden ausgebreitet waren. "Der Elb war schwer zu finden, sag ich euch! Reglos, nichts als ein Strich in den Landen und auf den Mauern annähernd unauffindbar! Ein Wunder, dass der Wind ihn nicht davontrug!" Er nickte sich selbst zu und setzte sich schwerfällig, die Axt dicht neben sich legend und abwartend zu den Hobbits blickend. Ich stellte mich auf taub und konzentrierte meine Gedanken auf die Worte des Zwerges. Gewiss hatte er ihn gesehen... unter all den Toten hatte Legolas gewiss den einen entdeckt und selbst wenn dem nicht so war... so war sein Verlust all derer, die den Elben aus Düsterwald verwandt waren, eine sehr schwere Last... schmerzend. Kaum war der Gedanke gedacht, öffnete sich die Tür weiter und Legolas trat ein. In demselben Moment hob Gandalf die Hand und lächelte die Hobbits an. "Ich erzähle euch, was zu erzählen ist. Setzt euch." Nun, ich behielt meine Haltung vorerst ein, bewegte mich nicht vom Fleck und richtete auch nicht den Blick auf jemand anderen. Da war eine Bewegung gewesen, die mich stutzig machte... ja, ich sah es und kein Anderer schien es gesehen zu haben. Das Hadern in den Schritten des Elben war mir nicht entgangen, so belanglos es doch für ein jedes Auge sein sollte und erneut fiel mir auf, dass es Furcht sein musste, die ihm diese Unsicherheit aufdrängte. Ich sah sie in seinen Augen... schieres Unbehagen spiegelte sich in ihnen wieder und er konnte es nicht vor mir verbergen. So war nicht ich der Grund dafür... ich folgte seinem Blick und sah erneut zu dem vom Zauberer verdeckten Objekt. Dies musste das Erzeugnis seiner Beklommenheit sein. Was... "Sag, was verbirgst du eigentlich die ganze Zeit vor uns, Gandalf?" Voller Neugierde beugte sich Pippin zu dem Zauberer und seine Augen leuchteten vor Spannung. "Lass sehen!" Er hob schon die Hand, doch hob der Zauberer es aus seiner Reichweite und strafte den jungen Hobbit mit einem mahnenden Blick. "Das, närrischer Tuk, werde ich erzählen. Und nicht mehr als Erzählungen wirst du zu hören bekommen! Also, horche gut und zügle deine Neugier!" Mich ließ das vorangehende Geplänkel kalt und spätestens, als der Zwerg sich mit in ihm einreihte, wandte ich den Blick wieder ab und sah nun ganz auffällig zu Legolas. Er, der ruhigste von uns allen, behielt zwar seine Schweigsamkeit bei und man könnte meinen, er täte dies aus der langanhaltenden Trauer, die er für die Toten mit sich trug, doch war es... ohne Worte: Nicht die Trauer ließ ihn den schmutzigen Boden begutachten oder würde ihn daran hindern, sich zu seinen Gefährten zu setzen, die er im Kampf nicht an seiner Seite hatte. Fast reglos verharrte er so, selbst das weiche Haar, das jeden kleinen Windzug zum Tanz nutzte, rührte sich nur sachte durch die lautlosen, doch raschen Atemzüge des Elben. "Ich traf Éomer, Éomunds-Sohn schon früh und aus Zorn ritten sie gen Isengard, um Orthanc, den mächtigen Turm zu stürzen." Nur dumpf nahm ich die Worte des Zauberers wahr und ab und an sah ich auch zu ihm, so wie ein jeder es tat, bis auf Legolas. Und sie waren gespannt von dem Beginn der Geschichte, so hob Merry öfter die Brauen und tauschte vielsagende Blicke mit dem Zwerg, während Pippin keine Sekunde den Blick von Gandalf ließ. "Möge es ein glücklicher Zufall gewesen sein oder eine Fügung des Schicksals, die den Ritter der Mark zu jenem Zeitpunkt dazu veranlasste, diesen Weg einzuschlagen, denn an jenem Tag, an dem wir Isengard erreichten, konnte der Turm Saruman's nicht ungeschützter sein." Ich wandte mein Augenmerk wieder rasch von ihm ab, sah erneut zu Legolas und doch schien er wie ein festgenagelter Schatten zu sein, grau und reglos und umso mehr lag mir daran, zu erfahren, weshalb er so fern war... zitterte er? Ich stützte mich von der Wand ab und ließ mich übermannen von einer seltsamen Sorge, die ich bis dahin selbst nicht ganz verstand. Doch wäre ich wohl kurz davor gewesen, auf ihn zuzugehen und ihn aus dem Raum zu bitten, um ihn zu begleiten und zu erfahren, da spürte ich auch schon den Blick des Weißen auf mir und sein Wort richtete sich sogleich an mich... als ob er wahrhaftig einen jeden Kontakt unterbinden wollte. "Wie viele waren es, die sich Helms Klamm entgegenstellten, Aragorn?" Rasch festigte ich meine Haltung wieder und drehte mich zu ihm... als ob ich nie etwas anderes im Sinne hatte. "Ganz Isengard, wie du wissen müsstest, Gandalf." Antwortete ich ruhig und atmete tief ein. "Zehntausende und vielleicht gar mehr. Ein Meer aus schwarzen Leibern. Eine Übermacht gar... du siehst sie auf jeder Stufe in diesen Pässen, auf, vor und hinter den Mauern." Er nickte, wandte den Blick ab und auch ich wollte dies tun, doch richtete er abermals seine Stimme an mich. "Nun ist es eine Macht, die wir weniger fürchten müssen..." Und es begann eine Diskussion, von der ich mich unmittelbar mitreißen ließ, war ich doch der Ansicht, dass Isengard wieder Kreaturen erschaffen würde... "Saruman hat seinen Körper verlassen. Er fiel von seinem Turm und dies fiel mit ihm." Und er ließ die Augen zu dem Stoff wandern und gleichsam rückte Pippin näher. "Einer der sieben sehenden Steine. Der Palantir von Orthanc." Legolas: So sehr mich die Wiedersehensfreude auch für eine kurze Weile gepackt hatte... so entrann sie mir mit einem jedem Atemzug mehr, bis ich eisern auf meinem Fleck ausharrte, mich gar davor fürchtete, ihm zu nahe zu kommen. Ihm und somit dem Gegenstand, der dieses Unbehagen, ja, beinahe schon diese Angst in mir aufleben ließ. Die Angst vor dem Unbekannten war stark... stärker noch als die Furcht vor dem Gewissen und ich wollte all das nicht verschärfen, wollte dieser Zusammenkunft beiwohnen, so wie jeder andere auch. Ich hörte Pippin spaßen, vernahm auch ein mahnendes Murmeln aus Merrys Richtung und der Zauberer lächelte flüchtig, nahm dasselbe wahr. Doch ihn amüsierte es und ich tat es ab, ohne mich damit zu beschäftigen. Ich versuchte meine Unsicherheit zu verhüllen, indem ich schwieg und verbarg auch meine bestürzte Miene, indem ich das Gesicht gesenkt hielt und den Blick nicht von dem dunklen Gestein lösen wollte. Es war schlimm genug, wie es nun war. Mir war unwohl in meiner Haut, alles war mir unagenehm. Mein Aufenthalt, die Atmosphäre, die herzlich war und in meinen Augen doch vor Anspannung knisterte. Ich fror, körperlich wie auch seelisch und konnte mich nicht gegen das Zittern wehren, welches mich hin und wieder nur flüchtig übermannte. Es war unauffällig... sicher entging es den anderen und so setzte ich nicht meine letzte Kraft ein, um mich dagegen zu wehren. Nur einmal... Nur einmal hatte ich bisher solch grenzenlose Bösartigkeit gespürt. In den Mienen Morias, als sich die Kreatur aus den vergangenen Zeiten aus dem Schatten stahl und sich uns in ihrer erschütternden Macht offenbarte. Gezittert hatte ich auch damals und dennoch sah ich die jetzige Situation als noch bedrohlicher an. Gimli, die Hobbits... niemand von ihnen schien sich der Gefahr bewusst zu sein, die Bedeutung, die jenes Gepäckstück besitzen musste. Gandalf hielt es tief verborgen, schützte es vor Pippin´s neugierigen Augen und ermahnte ihn. Er hielt es bei sich und ich betete, er würde es auch weiterhin tun und mich alsbald aus dieser Lage befreien. Und Aragorn... Zaudernd löste ich den Blick vom Boden, umging Gandalfs Nähe weitläufig und blickte zu ihm. Seine ernste Miene gab sein Wissen preis, die Nachdenklichkeit in seinen Augen den Versuch, mit der Problematik umzugehen. Er wusste es... dessen war ich mir sicher. Nur wenig blieb ihm verborgen. Seine Haltung wirkte undefinierbar, ließ nicht entscheiden, ob er verspannt oder gelockert war. Schweigend sah er zu Gandalf, senkte die Lider und ich wandte mich dem Boden zu, bevor sich unsere Augen treffen, oder er mich in Versuchung führen könnte, mich seinen Beobachtungen anzuschließen. Neben Angst gab es auch Interesse... doch selbst ein Blinzeln in jene Richtung würde mir Schmerz zufügen. So gab ich mich auch weiter dem Stursinn hin, zwang mir selbst meine Kontrolle auf und lauschte Gandalfs Worten, als er die Stimme erhob, ruhig zu erzählen begann. Er berichtete von Isengard, dem Sturz Sarumans und Erleichterung befiel mich, als ich diese Nachricht in mir aufnahm, mir sicher sein konnte, dass der Feind nun um eine Bedrohung schwächer war und wir unser Augenmerk auf das eigentliche Ziel zu richten vermochten. Mordor... Auch von Eomer begann er zu erzählen und unter einem tiefgehenden Atemzug verschränkte ich die Arme erneut, räkelte mich kurz an der Säule und kreuzte die Beine. Eine ungeahnte Bewegung riss mich aus meiner absichtlichen Absenz und als ich von unten behutsam aufblickte, sah ich Aragorn. Mir gegenüber hatte er gestanden und ich wusste druchaus, was er tat, spürte deutlich, wie sein Blick mich zu oft streifte, wie er sich auf mich richtete und zu lange an mir haftete. Nun tat er einen Schritt, bewegte sich auf mich zu... näherte sich mir und bevor ich dieser Lage, die ich als noch unangenehmer empfand, ausgesetzt werden konnte, richtete sich Gandalf unerwartet an ihn. "Wie viele waren es, die sich Helms Klamm entgegenstellten, Aragorn?" Erkundigte er sich, ließ ihn stocken und in seinem Weg innehalten. Abgelenkt von anderen Dingen, die schwer auf mir lasteten, schweifte mein Blick achtsam zu dem Zauberer, der sich doch gerade noch mit den Hobbits beschäftigt hatte. Ruhig und doch mit einer spürbaren Ungeduld antwortete Aragorn und Gandalf dankte ihm mit einem merkwürdigen Nicken. Noch immer lastete mein Blick auf ihm... Bedenken überkam mich. Sobald Gandalf die Auskunst erhalten hatte, wandte sich Aragorn erneut zu mir, darauf aus, seinen Weg fortzusetzen... und als hätte ich es geahnt, verwunderte es mich nicht, dass der Zauberer sich erneut an ihn wandte, ihn erneut von seinem Vorhaben abhielt. "Nun ist es eine Macht, die wir weniger fürchten müssen..." Murmelte er nachdenklich und endlich schien es ihm zu gelingen, Aragorn abzulenken. Ich spähte zu ihm, sah eine vorsichtige Wut in seinen Augen, als er sich bremsen ließ und erneut Antwort gab, weshalb sich bald eine strategische Diskussion entwickelte, der ich mich unter keinen Umständen anschließen wollte. Langsam löste ich die Arme von meinem Leib, ließ sie unentschlossen sinken und überblickte nicht weniger beirrt die Umstände. Betrügten mich meine Augen? War das, was ich soeben erblickt hatte, wirklich geschehen? Versuchte Gandalf, Aragorn von mir fernzuhalten...? Hatte er soeben erfolgreich versucht, seine Sorge zu unterbinden? Sein Einschreiten war mir nützlich, war der Umgang zwischen Aragorn und mir doch geprägt von Unsicherheit und Zweifeln. Doch er konnte es nicht wissen...? Zwischen uns war es geschehen, nicht in seiner Anwesenheit. Auch nicht in der Anwesenheit anderer, die es zu ihm hätten tragen können. Woher besaß er dieses Wissen? Woher besaß er es? Vorrausgesetzt, er handelte aus den Gründen, die ich zu kennen glaubte. Ich wusste es nicht... war unsicher... verwirrt, annähernd perplex und für einen kurzen Moment wünschte ich mir, meinen Augen einfach keinen Glauben zu schenken und die Sache somit leichtfertig abzutun. Doch es war geschehen... und eine erschreckende Einsicht griff nach mir. Entsetzt blickte ich drein und schenkte dieser Auffälligkeit keine Beachtung. Wusste er das, was ich nicht wusste? War er dem versteckten Spiel beigetreten? Nahm auch er sich eines absurden Verhaltens an, ohne eine Erklärung zu liefern? Aragorn... die Männer Theodens... und nun auch er...? Alsbald verstummte Gandalf auf eine Frage Pippins hin, und unterbrach die Geschichte. Ein Schweigen kam über uns und die Atmosphäre wurde um ein Stück Beengtheit reicher, während die Hobbits, vor allem Pippin, ungeduldig auf die Antwort warteten. Und nicht lange hielt die Stille an, bis sich Gandalf wieder zu Wort meldete, scheinbar an Pippin gerichtet, der sich noch immer zu großer Neugierde hingab. "Saruman hat seinen Körper verlassen. Er fiel von seinem Turm und dies fiel mit ihm." Er senkte leicht den Kopf, hielt den Gegenstand achtsam zwischen den Händen und während ihm der kleinere Hobbits näherkam, wuchs meine Anspannung. "Einer, der sieben sehenden Steine. Der Palantir von Orthanc." "... die von weiten sehen." Hauchte ich ungläubig und Gandalf schickte mir einen knappen Blick. "Ihrer Kraft bediente sich Saruman." Sagte er und sah in die Runde. "Nicht nur ein waches Auge war ihm der Palantir, gleichsam eine Waffe und ein Mittel, Kontakt zu Sauron aufzunehmen." Ein kalter Schauer durchfuhr mich und ich löste mich von der Säule. Die Nervosität erlaubte es mir nicht, still zu stehen. "Er steckt voller Bosheit." Flüsterte ich annähernd lautlos, die Augen nun starr auf die Kugel gerichtet, die verborgen war und doch so kalt und deutlich vor mir lag. "Ein Werkzeug des Schreckens..." Mit großen Augen sahen die Hobbits mich an, während Gandalf langsam nickte und noch während er den Ärmel wieder darüberzog, wich ich um einen Schritt zurück. Stockend streiften meine Fingerkuppen das raue Gestein der Säule, bevor ich die Hand zu einer Faust ballte und mich dazu zwang, stehen zu bleiben. "Wage es nicht!" Erhob sich Gandalfs Stimme energisch in dem Raum und geduckt setzte sich Pippin zurück, hatte er doch soeben noch die Hand nach dem Gegenstand ausgestreckt. Streng mahnte ihn Gandalfs Blick und in der Runde kehrte Bewegung ein. Gimli räusperte sich, brummte und rückte auf dem Stuhl umher. Merry schüttelte über das Benehmen seines Freundes den Kopf und auch Aragorn sah sich flüchtig und stirnrunzelnd um. "Allein die Existenz dieses Werkzeuges lässt viele in Furcht geraten...", und er bedachte mich mit einem unauffälligen Blick, dem niemand folgte, "... verstärke seine Macht nicht auch noch durch deine Torheit und halte dich von ihm fern. In deinem eigenen Interesse rate ich dir dies, Peregrin Tuk! Lenk dich ab von Beobachtungen und scheue dich davor, dich ihm zu nähern, ihn gar zu berühren!" "Was würde geschehen?" Erkundigte sich Pippin durchaus etwas trotzig und Gandalf schloss kurz die Augen. "Zu furchtbar, um es zu beschreiben. Zu gefährlich, um es zu versuchen. Halte dich einfach an meinen Rat, sonst wird es dir schlecht ergehen. Viele sind dem Palantir unterlegen und du würdest gewiss keine Ausnahme sein." Pippin verzog vergrämt die Miene, schüttelte leicht den Kopf und kam auf die Beine. Entschlossenen Schrittes zog er an mir vorbei und verließ den Raum. "Pippin!" Rief Merry ihm noch nach, unterließ es jedoch, ihm zu folgen, als Gandalf beruhigend die Hand hob. Und ebenso ruhig traf sein Blick auf den meinen und er begann sich zu bewegen. Sorgsam hob er den Palantir von seinem Schoß, drehte sich im Stuhl und legte ihn hinter sich auf dem Tisch ab, schaffte ihn aus meiner Blicklinie und lehnte sich etwas entspannter zurück. Ich selbst konnte dies nicht von mir behaupten. Scheiterte ich auch an jeglichen Versuchen, ihn zu erspähen, spürte ich dennoch seine Anwesenheit und ich suchte Ruhe, indem ich langsam und gemach durch den Raum zu spazieren begann. Die Arme vor dem Bauch verschränkt, zog ich hindurch unter den Säulen, lehnte mich an sie und lauschte den weiteren Erzählungen des Zauberers. Aus sicherer Entfernung, stets eine Distanz einhaltend und diese nicht verringernd, betrachtete ich mir meine Gefährten. Die wenigen, die noch übrig waren... Nur, als Gandalf auf die rettende Hilfe der Ents zu sprechen kam, wurde mein Herz von einem großen Teil der Last befreit und flüchtig lächelte ich in Erinnerung an jene wundervollen Geschöpfe. Nicht lange dauerte es, da sah ich Pippin zurückkehren. Flink war er durch die Tür gelaufen und hatte sich um eine Säule geschlichen, bevor er zu Merry ging und sich neben ihn setzte. Weiter entfernt, so schien es mir... und ich wandte mich Gandalfs Erzählung zu. Heiterer wurden diese, ich empfing diese Tatsache mit offenen Armen und nur das dunkle Gefühl tief in meinem Inneren mahnte mich der Anwesenheit jenes Gegenstandes. Es war nicht schwer, ihn nicht zu beachten. Entfernt hielt ich mich an einer Säule, die zwischen mir und dem Palantir lag und meine Augen folgten Gandalf, der nun gleichermaßen im Raum spazieren ging und einen besonderen Ent namens Baumbart erwähnte. Lange musste er ihn schon kennen und auch mir war dieser Name ein Begriff. Ich nickte stumm, senkte den Kopf und vertiefte mich selbst in Gedanken. Ich driftete hinab und das Geschehen, welches ich außer Acht ließ, ging dennoch weiter. So viele Länder, so viele Täler und Wälder, Wiesen und Wunder der Natur wollte ich noch erblicken. Reisen, erkunden... genießen. Es war schwer, sich vorzustellen, dass man vielleicht nie dazu in der Lage wäre. Und noch furchterregender war der Gedanke, einmal kurz davor gewesen zu sein. "Pippin...!" Drang ein leises Flüstern an meine Ohren. Ich erkannte Merrys Stimme und sorgte mich nicht darum. Oft musste der Hobbit seinen tollpatschigen Freund ermahnen. Zu lange war man schon getrennt von der Heimat... zu ungewiss war unser Schicksal, als dass wir eine Vorfreude entwickeln sollten. Enden konnte es immer. "Pippin...!" Ertönte erneut das strenge Flüstern, ein Stuhl quietschte, darauf folgend Geräusche, die ich nicht einzuordnen wusste. Gandalf blieb stehen, ich hörte auch das Brummen des Zwergen und Aragorn löste sich langsam von der Kante eines kleinen Tisches, an dem er bequem gelehnt hatte. Den Blick auf einen Punkt fixiert, tat er einen Schritt. "Nicht!!" Erschreckend bäumte sich die mächtige Stimme des Zauberers auf und ich fuhr zusammen, kehrte in die Realität zurück und trat ebenso hinter der Säule hervor, die mir als perfektes Versteck gedient hatte. "Pippin!!" Auch Merry rief und der Zwerg sprang von seinem Stuhl. Ein leiser Schrei folgte und meine Augen weiteten sich, als ich stehen blieb, nicht mehr dazu fähig, mich zu bewegen. Die Abwesenheit der anderen hatte sich Pippin gekonnt zu Nutze gemacht... Wie war er an den Palantir gelangt?! Er kauerte neben dem Tisch, war bereits auf die Knie hinabgesunken und zuckte am gesamten Leib, während er mit schmerzverzerrter Miene die Kugel in den blanken Händen hielt! Längst war das Tuch ihnen entglitten und es verschlug mir den Atem, schnürte mir regelrecht den Hals zu, als ich das finstre und allesverzehrende Innenleben des Palantir erblickte. Grelle Flammen tobten, schwarze Schatten fraßen sich ihren Weg durch sie und ein grausames Dröhnen erfüllte den gesamten Raum. Starr blieb ich stehen, bewegte nur die Lippen, verzweifelt nach Luft ringend und doch nicht dazu imstande, starrte ich auf das lidlose Auge, welches schneidig in der Mitte des Palantir flackerte. Hitze zog mir entgegen... das Dröhnen schmerzte in meinen Ohren und die Umwelt schien zu verschwimmen... war mit jedem Augenblick schwächer wahrzunehmen. Hastig machte sich Merry auf den Weg zu seinem Freund, als dieser sich nach vorn warf und mit letzter Kraft die Kugel von sich schleuderte. Dumpf schlug der Palantir auf dem Gestein auf und während sich Merry todesängstlich über Pippin beugte, eilte Gandalf fort, eilig und hastend auf den Mantel zu, der auf einem anderen Stuhl gebettet lag. "Nicht berühren!!" Schrie er aufgewühlt und Pippin ächzte noch immer. In dem ersten Moment raubte meine Furcht mir die Fähigkeit, zu realisieren. Reglos stand ich dort, mit geweiteten Augen auf die speihende Kugel starrend... ... polternd und flink, als würde ihr jemand stets neuen Schwung geben, rollte sie... auf mich zu... Zitternd atmete ich ein, blinzelte und bewegte mich instinktiv zurück. Übereilt und unbedacht waren meine ersten Bewegung, zu sehr getrieben von Panik, als dass ich sie hätte beherrschen können. Ich stolperte zurück, kämpfte um das Gleichgewicht und verlor die Kontrolle über mich. Mit einem lauten Aufschrei warf sich der Zwerg nach vorn, streckte die in festen Handschuhe gehüllten Hände nach der Kugel aus... doch sie entrann ihm und er blieb keuchend liegen. Eilig griff auch Gandalf nach seinem Mantel... So schnell ich konnte, wich ich zurück. Tödliche Angst durchzuckte mich, als sich der Palantir mir näherte. Allein seine Anwesenheit hatte mich zittern lassen! Aragorn: "Nicht!!" Die laute Stimme des Zauberers holte mich aus meiner eigenen Abwesenheit, in der ich mich von dem Tisch abgestützt hatte und nachdenken wollte, während ein jeder sprach. Doch ich sah auf, sah zu dem Zauberer und dann zu dem Tisch, neben dem der Hobbit zusammengesunken hockte, zitternd und bebend. Ich trat einen weiteren Schritt vor, erblickte die unheilvolle Kugel in seinen Händen und erstarrte völlig. Wie närrisch musste man nur sein, um solch einen Gegenstand zu fassen! Die hellen Flammen des Palantírs erhellten das schmerzverzerrte Gesicht Pippins und unfähig schien er, sich von dieser Grausamkeit zu lösen. Schnell wandte ich mich um, suchte gehetzt nach einem Tuch, um ihm zu helfen und nicht selbst noch in Gefahr zu geraten. Noch ehe ich jedoch die Gelegenheit dazu erlangte, ertönte ein dumpfer Aufprall und ich folgte dem Geräusch sofort mit den Augen und sah die Kugel schon durch den Raum rollen. "Nicht berühren!!" Schrie Gandalf und er eilte zu dem Stuhl, an dem der Mantel lag. Mir kam der Gedanke, dem Zauberer die Kugel zu überlassen, denn Pippin benötigte nun Hilfe und die Merrys würde nicht genügen. So tat ich erneut einen Schritt und erkannte dann doch die Bewegung des Elben. Sofort schweifte mein Blick zu ihm zurück und die blanke Angst war in seinem Gesicht zu erkennen. Furchtsam richteten sich die geweiteten Augen auf die Kugel und erst jetzt bemerkte ich, dass sie geradewegs auf ihn zurollte. Als würde die Dunkelheit von dem Licht angezogen... Gimli spurtete auf den Palantír zu, sprang und doch entglitt ihm das düstere Objekt. Es war keine Zeit... Keine Zeit um nach dem eigenem Befinden zu handeln! Keine Zeit um sich um andere zu sorgen! Andere, als um ihn! Ich tat erneut einen Schritt zurück, wandte mich von dem Hobbit ab und wartete nicht mehr auf den Mantel, nachdem Gandalf bereits griff. Rasch lief ich zu, bücke mich und erfasste die Kugel. Doch schien mich in dieser Bewegung jede Kraft zu verlassen und wie angewurzelt blieb ich stehen. Ich spürte das Beben, das meinen Körper durchzuckte, fest umklammerten meine Hände die dunkle Kugel, ob in Hitze glühend oder in Eis fröstelnd, konnte ich nicht ausmachen, doch war es eine Qual ohnegleichen! Ein teuflischer Schmerz erfasste meinen Körper und in einem kurzen Schrei sank ich auf die Knie und biss die Zähne aufeinander. Ich schloss die Augen, versuchte nach Luft zu schnappen, jedoch schienen all diese Fähigkeiten blockiert zu sein! Meine Lider brannten und meine Finger fühlten sich taub an, zu Eis erstarrt und doch konnte ich nicht loslassen! Und nein, ich durfte es auch nicht! Flammen... als seien sie der Hölle selbst entsprungen, erhoben sie sich vor meinem geistigen Auge und der Lärm um mich herum verblasste unter dem Zischen von Wasser, das durch heißes Eisen verdampfte. Grollen... Schreie... die Schreie von Menschen... das Gebrüll von Orks... Uruk-Hai... Trolle... Weit riss ich die Augen auf, presste ein ersticktes Keuchen hervor und spürte nur noch, wie ich zur Seite kippte. Alles war verschwommen und doch konnte ich die Hände endlich von dem Palantír reißen, viel mehr noch, war mir die Kugel aus den Händen entglitten und sie rollte weiter. Mein Körper gehorchte mir nicht, als ich erneut nach ihr greifen wollte, blieben die Arme reglos, zitterten lediglich unter dem, was ich gesehen und dem Schmerz, den ich soeben gespürt hatte... und der mir weiterhin die Sinne raubte. "Ha...", annähernd lautlos setzte ich zum Sprechen an, drehte mich dann unkontrolliert auf den Rücken und ließ den Kopf zur Seite fallen. Ich spürte einen leichten Windzug und versuchte die Augen auf die Richtung zu lenken, doch sah ich nur verschwommen den weißen Mantel auf den Boden liegen... die Kugel unter sich begraben. Ich öffnete den Mund weit und schnappte nach Luft, die mir bis dahin völlig fern geblieben war. Langsam schlossen sich erneut meine Lider. Es war dunkel... so still... "Legolas." Nur leise nannte ich den Namen und öffnete die Augen, versuchte trotz der Benommenheit aufzublicken. Doch war das einzige, was ich sah, Felle auf den Boden und alles was ich hörte, verzerrte Stimmen... "Legolas..." Ich sah ihn nicht. Meine Kraft blieb mir fern... Kraft, die es mir erlaubte, mich aufzurichten, selbst als ich mich zur Seite drehte und versuchte, mich vom Boden abzustützen. Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich wurde beinah schon zurückgedrängt. "Bleib liegen." Ruhig und doch streng hörte ich die Stimme des Zauberers. Er drehte mich zurück auf den Rücken, hinderte mich am Aufrichten und ich atmete tief durch. "Gimli, kümmer dich um ihn!" Was mit Pippin war, wusste ich nicht... wo Legolas war, war mir auch unbekannt, doch erneut gelang es Gandalf und dem Schicksal, als wären sie Verbündete, mich von einer Dringlichkeit fernzuhalten und mich zu entmächtigen. Nur schwach nahm ich eine grummelnde Erwiderung des Zwergen wahr und ich spürte die noch etwas hadernden Schritte des Zwergen, wie sie sich mir näherten. Und nur allein der Boden vermochte mir zu sagen, wohin Gandalf ging, denn so lautlos, wie er die Tür hinter sich schloss, nachdem er noch einmal flüchtig zu Pippin gegangen war, so intensiver und zielsicher durchschritt er den Türrahmen und ließ das Zimmer hinter sich. Was geschah nun...? Wohin waren beide gegangen? Legolas: Der Schrecken saß zu tief in meinen Gliedern verankert, als dass ich mir der plötzlichen Erleichterung bewusst sein konnte. Keuchend lehnte ich an der Wand und war nicht dazu fähig, mich zu bewegen. Mit geweiteten Augen verfolgte ich das Geschehen und blieb untätig. Untätig, als Aragorn zu Boden ging... als er sich leidend räkelte und ächzte. Grausame Qualen schienen ihn zu beherrschen, schmerzvoll war sein Gesicht verzerrt und ich stand nur dort, während der Palantir aufglühte, sich in seiner vollen Macht offenbarte. Ich konnte nicht im entferntesten erahnen, was in Aragorn vorging, was er in diesen Augenblicken fühlte. Und ich glaube, ich hätte alles lieber getan, als es zu versuchen. Noch immer brannte jene Angst in mir und nur schwerlich ertrug ich den Anblick. Nicht nur durch dessen Grausamkeit, nein, auch mein Zögern, mein Hadern... Die Furcht, mich ihm zu nähern. Ich schluckte schwer, das Treiben um mich herum entrann meinem Auge und mit letzter Kraft schob ich mich an der Wand entlang, tastete mich über das Gestein und versuchte zur Tür zu gelangen. In unsicheren Schritten bewerkstelligte ich es, eilte hinauf in den kühlen Gang, floh aus dem Zimmer und ließ Aragorn zurück. Ihn, der all dies nur wegen mir auf sich nahm... Nach einem kurzen Marsch erreichte ich ein offenes Steinplateau in großer Höhe, von dem man das gesamte Gebiet vor der Klamm sehen konnte. Zuerst blieb ich stehen, atmete im kalten Wind, der mich umspielte und kämpfte um Fassung. Zerstreut blickte ich um mich, ziellos und noch immer ergriffen von einer großen Unruhe. So konnte ich auch nicht lange stehen bleiben, begann mich zu bewegen und ging hinüber zur äußersten Kante. Verborgen und versteckt vor groben Blicken fühlte ich mich dort, hielt erneut inne und schloss die Augen. Das Geräusch leiser Schritte drang an meine Ohren und ich hob die Lider, betrachtete mir den düstren Himmel und wandte mich um, als sich mir die Schritte auch weiterhin näherten. Und ich sah Gandalf, der ruhigen Schrittes zu mir ins Freie trat, mich rasch erspähte und zu mir kam. Schweigend sah ich ihm entgegen, doch auch wenn still, sein Erscheinen erfüllte mich mit Erleichterung. Viel wollte ich ihm sagen, viel lastete schwer auf meiner Seele und niemand sollte besser dazu geeignet sein, mir Gehör und gleichermaßen Rat zu spenden. Sicher wüsste er um ihn, sicher würde er mir mit Verständnis begegnen und gewiss besaß er auch die Fähigkeit, mich zu beruhigen, was durchaus schwer sein mochte in diesen Zeiten, in denen ich ziellos und irritiert wandelte und mich von einem Geschehen nach dem anderen vom Weg abdrängen ließ. Ja, immer weiter würde ich mich von ihm entfernen, bis ich ihn im Ungewissen nicht mehr fand. Hilfe benötigte ich und er würde sie mir geben... Ein besorgter, gleichsam musternder Blick streifte mich und ich versuchte zu zeigen, was er sehen wollte, was auch er in diesen Zeiten benötigte. Zuversicht... und doch, so glaubte ich, war sein Blick zu wissend, als dass ihm meine wahre Verfassung entgehen könnte... und dennoch erkundigte er sich nach meinem Befinden. Tief atmete ich durch und unter einem beinahe lautlosen Seufzen wandte ich mich wieder zur weiten Ebene, konnte ihn beruhigen in einer Sache. Und in der anderen wollte ich ihm meine Zweifel und Ängste preisgeben, die ich verspürte, die mir Bedenken bescherten, die in diesen Zeiten nicht zu gebrauchen waren. "Unsicher ist unser Streben, schier unerreichbar deren Ziel." Ich sprach nicht über jenes Geschehen, welches sich soeben ereignet hatte. Ich wollte es nicht und gleichermaßen gab es Lasten, die schwerer auf mir lagen. Er trat neben mich, schloss sich meinen Beobachtungen an und ich umfasste das Handgelenk auf dem Rücken, senkte den Kopf und dennoch schweifte mein Blick flüchtig zu ihm. Wie rasch war er mir doch gefolgt... Bedeutete seine Eile, dass andere Dinge so gering an Wichtigkeit waren, dass sie seiner Beachtung nicht bedurften? War Aragorn wohl auf...? Ich schluckte und streifte dieses Sinnieren ab. War es doch gerade dieses Grübeln über jenen Gefährten, der all diese Gefahren mit sich brachte. "Leichter würde ich all dies ertragen, besäße ich einen festen Rückhalt. Einst besaß ich ihn, doch scheint er seit jener Zeit entschwunden, verdrängt durch Sorgen, denen ich mich nicht freiwillig ergebe." Er nickte langsam, antwortete jedoch nicht und sein Schweigen kam mir gelegen. "Mir scheint, ich hätte mich in Abwesenheit befunden, während einiges geschah, was wichtig ist, zu wichtig, um mir entgehen zu dürfen. Das Betragen der Menschen in meiner Umgebung weiß ich nicht zu deuten, nicht zu erklären und viele begegnen mir mit...", ich schüttelte den Kopf, es fehlte mir an Worten und ich sah zu ihm, erblickte seine Miene, die eine gewisse Entschlossenheit verriet. Ich suchte nach der Antwort in seinem Schweigen, doch blieb sie mir verschlossen und ich verzog die Miene. "Gandalf." Ich wandte den Blick ab, meine Hände ballten sich zu Fäusten. Nur zu einem war ich imstande. Meine Sorgen musste ich kurz fassen und ich sprach aus, worunter ich litt. "Es... ist Aragorn." Und er schien zu erwachen aus seiner grübelnden Absenz und kurz sah er zu mir. "Es ist Aragorn, der mich ängstigt. Es ist Aragorn, der mich verwirrt. Es ist...", ein Schlucken unterbrach mich, "... Aragorn, der mich erzürnt, der mich zwingt, zu jemandem zu werden, der ich nicht bin. Es ist Aragorn, der mich in Angst vor dem eigenen Wesen versetzt. Es ist Aragorn... der mir fremd geworden ist. Ohne mein Zutun, so glaube ich und dennoch scheint mir ein jeder vor Augen zu führen, wie schuldhaft auch ich an der Sache bin. Doch ist mir der Grund unbekannt." Meine Stimme nahm eine verzweifelte Anspannung an, die ich sogleich verdrängte, indem ich mich kurzem Schweigen hingab und neuen Atem schöpfte. "Wie kann es schwierig sein, mir die Gründe zu nennen." Flüsterte ich dann im pfeifenden Wind, der uns frisch umspielte. Und Gandalf begann sich zu regen, schüttelte den Kopf und wandte sich zu mir. Unsere Blicke trafen sich, erwartend, ja, beinahe flehend sah ich ihn an, doch fand ich auch in seiner Miene einen Ausdruck, der mir fremd an ihm war. Noch immer die zuvor bemerkte Entschlossenheit... die sich nun in eine gar merkwürdig Richtung lenkte... "Aragorn ist ein schwieriger Mensch." Meinte er und damit unterbreitete er mir beileibe keine Neuigkeit, doch antwortete ich mit einem zögerlichen jedoch zustimmenden Nicken und er senkte die Lider, als hadere auch er mit den nächsten Worten. "Legolas, nicht nur für dich würde es förderlich sein, wenn du in nächster Zeit eine gewisse Distanz zu ihm wahrst." Seine Worte überraschten mich, erfüllten mich regelrecht mit Entsetzen und ich sah ihn ungläubig an, hatte ich doch auf tröstende Worte gehofft. Annähernd war ich mir sicher gewesen, sie von ihm zu erhalten. Und nun bat er mich, mich von Aragorn fernzuhalten...? Was geschah hier...? Was versuchte er mit alldem zu erreichen?! Stockend wandte ich mich ab. Hinderte er Aragorn daran, zu mir zu kommen? Und nun verlangte er von mir, dasselbe zu tun...? Pure Irritation befiel mich. Ich verstand es nicht... ja, in jedem Detail fehlte es an Verständnis und allmählich schienen sich die Fäden, die vor geraumer Zeit noch geregelt verliefen, ineinander zu verfitzen, undurchschaubar, unlösbar... "Gandalf...", verstört sah ich ihn an, suchte nach Worten und ein langes kaltes Schweigen brach über uns herein, bevor ich erneut den Kopf schüttelte, ihn bittend ansah, " ... nein." Verwunderung befiel seine Miene und ein Nicken folgte, welches alles andere als Zufriedenheit zeigte. "Gandalf, ist dir bewusst, was du von mir verlangst? Zwinge mich nicht, wortbrüchig zu werden. Einmal schon tat ich es und es war zu grausam, als dass ich es je wiederholen will. Frodo und Sam ließ ich ziehen... ich entzog sie meinem Schutz." Ich blinzelte, hob die Hände und erblickte seine Miene, die mit jedem Moment, mit jedem Wort, welches ich sprach, mehr zu versteinern schien. "Nicht nur Frodo schwor ich meine Treue, nein, ich schwor sie jedem meiner Gefährten. So auch Aragorn." "Nicht nur Gemeinsamkeit führt zum Erfolg und dem zielgerichteten Befolgen des Auftrages." Beinahe unterbrach er mich und seine Stimme war streng, erlaubte nicht, dass ich es ihm gleichtat. Und ich war kurz davor. "Jedes Mittel ist recht, um den Überblick zu bewahren und das, was geschieht, ist durchaus dazu fähig, diesen Überblick zu gefährden, ebenso die gesamte Mission." "Was geschieht?" Flüsterte ich leise. "Gandalf... was ist es? Was geschieht denn hier? Ich weiß es nicht." Er hob die Hand, führte eine Geste aus, mit der er meine Worte einfach wegzustreichen schien. Ungläubig folgten meine Augen ihr... als würde er meine Meinung mutwillig verdrängen, als interessiere sie ihn gänzlich nicht. "Nur eines musst du wissen, Legolas." Nun wurde deutlich, dass diese Bitte vielmehr ein Befehl war, er meine Antwort nicht benötigte, nur meine Einwilligung. "Es wird sich bessern, wenn du meinen Rat befolgst." Es erschütterte mich, als er sich plötzlich umdrehte, als er gehen... und mich zurücklassen wollte! "Gandalf!" Ich trat ihm kurz nach. "Ich kann doch nicht..." "Hör auf meine Worte!" Er drehte sich ruppig um und sein zorniger Blick ließ mich innehalten, ja, beinahe stockte mir der Atem bei der unerklärlichen Wut, die er mir plötzlich ebenso entgegenbrachte, wie Aragorn es tat. Die Reizbarkeit, die gar nicht seinem Gemüt entsprach... Entsetzt starrte ich ihn an und sein Zorn schien sich nicht zu lindern, als er zwei Schritte zu mir zurückkehrte und ich nach hinten wich... überfordert mit allem, was sich mir bot. "Nimm nicht an Aragorns Sturheit teil, eine genügt schon! Und von dir, Legolas, erwarte ich besondere Einsicht in solchen Angelegenheiten!" Und somit ging er ruppig davon, zeigte sein Desinteresse, ja, beinahe schon sein Verbot, eine Antwort zu erbringen. Und ich wagte es nicht, ihm zu folgen, mein Wort erneut gegen das seine zu stellen. Der Gräuel vieler war ausreichend. Ich benötigte keinen weiteren und ebenso wenig besaß ich den Mut, mich gegen ihn behaupten zu wollen. Zu viel Respekt hegte ich für ihn und ein Grausames wäre es, auch seinen Gram auf mich zu ziehen. Ich blieb also stehen, versteinert und verkrampft sah ich ihm nach. Und er drehte sich wirklich nicht um... er ging! "Du erleichterst die Sache nicht mit deiner strengen Bitte, zögerst ihren Ausgang lediglich heraus!" Mit letzter Entschlossenheit rief ich ihm dies nach und er hielt nicht inne, bog um die Ecke. "Und so lässt du ihn umso grausamer werden!" Er verschwand... und hatte ich soeben noch darum gekämpft, standhaft zu sein, entrann mir diese Fähigkeit gänzlich und nichts hatte sich durch sein Erscheinen gebessert. Nein, viel eher hatte es mir weitere Verunsicherung gebracht. Sie war schmerzhaft und saß tief... Zaudernd und beinahe bewegungsunfähig wandte ich mich der nächtlichen Umgebung zu, starrte ungläubig und hadernd zu Boden, versuchte Gedanken zu bilden, zu ordnen, mich zu fassen, meine Kontrolle zurückzuerlangen und alles scheiterte. Bekümmerung befiel mich, Verzweiflung und die Hoffnung, all dies je zu verstehen, versiegte. Noch länger würde man mich dieser Qual aussetzen... noch länger und ich befürchtete, nein, ich war mir sicher, bald daran zu zerbrechen. Auch Gimli schien in jene ominöse Vorgänge nicht eingeweiht zu sein, doch sah man ihm nicht an, dass er auch nur ein wenig darunter litt, sich gewisse Dinge gar zu Herzen nahm. Die eigene Unwissenheit, sollte er sich ihrer bewusst sein, schien ihn nicht zu betrüben... wenn man es recht bedachte, standen wir in derselben Rolle, doch war ich es, der es bemerkte, dem es selbst widerfuhr... War es also verwunderlich, dass ich fühlte, wie ich doch eine gewisse Rolle spielte? Es spitzte sich zu und ich wusste nicht damit umzugehen. Wie ein brennender Stein saß es mir im Herzen und ich senkte den Kopf tiefer, senkte auch meinen Oberkörper und ging stockend hinab in die Knie. Zusammengesunken blieb ich kauern, legte das Kinn auf der Brust ab und schob beide Hände um meinen Nacken, umklammerte mich selbst. Hilfe von anderen schien ich nicht erwarten zu können... Mit geschlossenen Augen und schnellem Atem verweilte ich dort, blieb hocken und mit jedem Augenblick wurde mir die Einsamkeit der Nacht liebenswürdiger. Ließ sie die Bekümmerung auch umso deutlicher werden, etwas anderes konnte ich nicht tun... Störend wirkten die schweren Schritte, die bald darauf wieder ertönten und ich beachtete sie nicht, hoffte, dass sie vorbeiziehen würden, ohne mich in meinem Kummer zu stören. Doch traf das Gegenteil ein, gewiss so, als wäre sogar das Schicksal gegen mich, näherten sie sich mir und verstummten in nicht all zu weiter Entfernung. Doch wurde mir die Stille der Nacht noch länger zuteil, bevor sich eine Stimme erhob. "Was ist mit dir?" Es war der Zwerg, der mich aufgesucht hatte. Und in seiner rauen Stimme verbarg sich eine gewisse Besorgnis, die ich nicht über mich ergehen lassen wollte. Zuerst in dem Entschluss sicher, nicht auf ihn einzugehen, löste ich doch bald eine Hand von meinem Nacken, hob sie schwach und winkte ihn fort, zeigte ihm deutlich, dass mir seine Gesellschaft nicht gefiel. So wie die aller anderen... Und er schien es zu akzeptieren. Er ging nicht weiterhin darauf ein, so meinte ich. Ob Desinteresse der Grund war... ich wusste es nicht. "Nun gut." Er räusperte sich. "Kummer ist nicht gut nach einem Kampf... noch weniger nach einem Gewonnenen. Was auch immer der Grund dafür ist... werde ihn doch los, dein Anblick gefällt hier niemandem. Ein Siegesfest beginnt, unten in den großen Hallen. Sag der Einsamkeit der Nacht Lebewohl und misch dich unter die Kämpfer, die an deiner Seite standen. Sicher freuen sie sich über deine Anwesenheit und... bei den Tiefen der Erde! Erhebe dich, das erträgt man kaum!" Ich winkte erneut, diesmal noch auffälliger, annähernd ruppig. Die Sturheit der Zwerge war hier fehl am Platz. Wieder hörte ich sein Räuspern und nach einem ungewissen Murmeln, ertönten wieder seine Schritte und ein leises Brummen. "Nun gut, dann trinke und schmause ich eben allein. Es ist kein Wunder, dass du so freudlos bist, wenn du dich diesen Freuden nie hingibst...", er murmelte etwas unverständliches, "... diese Elben..." Und somit verschwand er, ließ mich zurück und tauschte seine Anwesenheit mit jemandem, den ich noch weniger ertrug. Noch weniger als Gandalfs Worte... Noch weniger als Gandalfs Zorn... Seine Schritte waren leise und unter meinem schweren Keuchen vernahm ich sie nicht sofort. Umso erschrockener blickte ich auf, ließ die Hände sinken, starrte mit geweiteten Augen in die Dunkelheit, die plötzlich erschreckend und kalt auf mich wirkte. Ebenso erschreckend wie das Wissen, wer mich gefunden hatte. Ich verblieb reglos und die Geräusche hinter mir verstummten und dennoch spürte ich seine Präsenz, als stünde er direkt vor mir. Annähernd wusste ich, wie er dreinblickte, welche Gefühle seine Miene preisgab und umso verschlossener zeigte ich mich, wollte mich erneut ducken, um ihm irgendwie zu entgehen und dennoch war es seine Stimme, die mich wachrief. "Legolas...", mit einem undefinierbaren Ausdruck nannte er meinen Namen und ich kehrte in das Leben zurück, kam geschwind, jedoch nicht übereilt auf die Beine, hielt verspannt meine Hände zu Fäusten geballt und atmete zitternd ein, bevor ich mich langsam zu ihm umdrehte. Ich zögerte, bevor ich in seine Augen blickte, starrte übertrieben lang auf den Boden und streifte seinen Blick nur flüchtig. Und beinahe in derselben Bewegung drehte ich mich auch wieder um, wandte mich ab und ging. Nur kurz hob ich die Hand, streckte sie ihm flüchtig entgegen, bat ihn, stehen zu bleiben, mir nicht zu folgen... die Sache nicht noch schlimmer zu machen, als sie ohnehin schon war... Vielleicht hatte Gandalf recht... Und ich ging. Aragorn: Ich spürte die warme Hand des Zwergen auf meiner Stirn, doch hatte ich die Augen wieder geschlossen und genug damit zu tun, nach Luft zu schnappen. Als hätte ich einen endlosen Spurt hinter mir gelassen, als hätte ich nun gewaltiges Seitenstechen von einer kraftfördernden Kampf. "Komm zu dir, Aragorn!" Weithin erklang die Stimme, aber umso intensiver spürte ich die klumpige Hand auf meiner Wange... jedes Mal, wenn er versuchte, mich so wachzubekommen. Nun, auch wenn ich diesen Schmerz nicht wahrnahm, kam ich allmählich zur Besinnung, war ich vornherein schon wach gewesen, nur noch bewegungsunfähig. Wahrlich eine Begegnung, die ich unterbindet hätte, wenn es die Umstände nicht verlangten... oder aber mein Wunsch ihn zu beschützen, nicht zu groß gewesen wär, als dass ich hätte auf Gandalfs Reaktion vertrauen können. "Lass...", murmelte ich leise und wies die Hand auf meinem Gesicht von mir und ein unverständliches Brummen kam als Erwiderung. Missmutig winkte ich ihn fort. Er sollte mich allein und zur Besinnung finden lassen. Er sollte sich um den Hobbit kümmern, dessen Befinden mir noch unerklärlich war. Träge öffnete ich die Augen und blinzelte... die Benommenheit klomm allmählich ab und ich versuchte mich endlich aufzurichten. Mein Schädel brummte... schlimmer noch, als Gimli's leise Flüche, während er aus dem Raum trat. Matt stützte ich mich mit den Armen ab und setzte mich also auf, ehe ich annähernd verschlafen den Kopf schüttelte. Ich fasste mir an die Stirn und blickte zur Seite. Pippin schien schon wesentlich schneller zur Besinnung gekommen zu sein, als ich... flüsternd unterhielt er sich mit Merry und selbst dessen besorgte Miene war verschwunden. Ich schüttelte erneut den Kopf und kam allmählich auf die Beine, eher noch wackelig und unsicher... jedoch schon wieder bei einem wachen Gedanke. Legolas war nicht hier... ich wusste es schon, als Gandalf mich am Aufsetzen gehindert hatte. Ja, und auch er war nicht da. War er ihm gefolgt? Eine Ahnung kam auf und sie war düster. Ich drehte mich zur Tür und während ich langsam aber zielsicher auf sie zuging, hörte ich schon die tapsigen Schritte der beiden Hobbits. "Gandalf sagte, du sollst dich ausruhen, Aragorn!" Ihre Stimmen waren voller Besorgnis und als ich ihnen flüchtig einen Blick zuwarf, war diese Sorge auch in ihren Gesichtern zu lesen. Nur ein schwaches Lächeln gelang mir, als ich ihre Schöpfe tätschelte und ohne Worte das Zimmer verließ. Der Zwerg kreuzte meinen Weg, sogleich, als ich die Tür hinter mir schloss und er fluchte noch mehr als zuvor und nur durch Aufmerksamkeit hörte ich den Namen des Elben darunter. Ich nahm mir keine Zeit, ihn zu befragen, erfasste mich erneut die Sorge... nein, noch intensiver, als zuvor und ich ging so rasch, wie es mir in meinem Zustand möglich war, in die Richtung, aus der Gimli gekommen war. Die Dunkelheit hatte wieder das Land eingenommen, tiefer, als ich es erwartet hatte. Unruhig taste ich mich an der Wand entlang und gelangte zu einer steinernen Ebene. Leise trat ich hinaus und sah ihn dort. Ein Schwert schien sich direkt in mein Herz zu jagen, als ich ihn erblickte. Er kauerte am Boden, zusammengesunken und dunkel... so unauffällig, wie es eine solche Lichtgestalt nur sein konnte... so unwirklich, wie eine längst vergangene Legende, in der Elben noch Trauer und Angst, Zorn und Verzweiflung zeigen konnten. "Legolas..." Solch einen Schmerz hatte ich noch nicht gespürt... es tat mir weh, ihn so zu sehen, ich fürchtete um ihn. Und dieser Anblick gab mir den Anstoß, das alles endlich zu beenden. Ja... ich musste es zuende bringen.... Schnell richtete sich Legolas auf und ich trat aus der Dunkelheit, begab mich in's karge Mondlicht und wartete ab. Ich sah, wie er zittrig einatmete. Seine Lippen bebten und kein anderer würde es mitbekommen außer mir. Er streifte meinen Blick und ich erwiderte ihn mutlos, doch war meine Entscheidung bindend. Ich musste... Legolas wandte sich um! Er drehte mir einfach den Rücken zu und ließ mich stehen! Verständnislos verzog ich die Brauen, war bereit einen Schritt zu tun und ihm zu folgen, doch streckte er mir in Voraussicht die Hand entgegen. Ich erkannte die Botschaft und erstarrte zu Stein. Regungslos sah ich zu, wie er aus meinem Blickfeld verschwand. Was... was war dies? Er floh? Er floh vor mir... ein undefinierbare Abweisung hatte er mir nun entgegengebracht und mich in all meiner Entschlossenheit gebrochen. Ich wollte es beenden. Und er ging, ohne Wort, ohne festen Blick. Er ging einfach! Gerade noch hatte ich starr dort gestanden und im nächsten Moment biss ich schon die Zähne zusammen und schlug mit aller Macht gegen die Wand hinter mir. Ein Schrei! Ein Schrei entglitt mir, voller Wut und Hoffnungslosigkeit. Ich war mir sicher, dass niemand ihm lauschen konnte, denn alle waren bei dem Fest, das angekündigt und nun in vollem Gange war. Ich stand noch einige Zeit dort, lauschte dem gedämpften Freudengebrüll der Männer in den großen Hallen und dem pfeifenden Wind, der mir durch das Haar wehte und die Hitze in meinem Gesicht kühlte. Ich musste nachdenken... nachdenken, wieso diese Ablehnung gekommen war... weshalb... Nein, mit einem Schlag war mir die Antwort klar... die Wut verflog. Zumindest jene, die ich auf mich selbst hegte und auf meine eigene Dummheit. Doch nun war mir eine Gewissheit unter die Finger gekommen... es gab nur einen, der dafür sorgen konnte, dass ein solches Geschehen einging, es gab nur einen, der über alles Bescheid wusste. Ja, es gab nur einen, der genug Vertrauen bei dem Elben sicher hatte und genügend Wissen über mein tiefstes Inneres hatte. Ich kehrte um, durchschritt den Flur und ballte die Hände zu festen Fäusten. Rasch folgte ich dem Gebrüll der Musik, dem Klirren der Krüge und alsbald erreichte ich die große Halle, in der all dies stattfand. Schwer war es, eine gute Miene zu dem allzu bösen Spiel zu machen und den Leuten ein siegesfrohes und heiteres Lächeln zu zeigen, auf dass sie noch glücklicher über ihren Sieg sein konnten. Suchend streifte mein Blick umher, war ich mir noch nicht sicher, wen ich nun genau zu finden versuchte. War es Legolas... wollte ich ihn zurückzerren und gegen seinen Willen zum Reden auffordern, auch wenn er mich bat, es nicht zu tun? Wen suchte ich? War es Gandalf, den ich für all das Zuspitzen des ganzen Übels auserkoren hatte und zur Rechenschaft ziehen wollte? Wen suchte ich...? Mit einem Mal blieb ich stehen. Viel mehr das dezente Parfüm, als die Gestalt selbst hatte mich zur Aufmerksamkeit gerufen und ich schluckte, als die Schildmaid Rohans vor mir stand. Schön war sie eingekleidet, wenig Schmuck auf ihrem goldenen Haar und an ihrem Handgelenk förderte ihre zierliche Gestalt und ich verbeugte mich leicht. Einen goldenen Kelch hielt sie in ihren Händen und ein warmes und glückerfülltes Lächeln zeigte sich auf ihren Lippen. "Westu Aragorn hál." Sie sprach elbisch und für wahr, war dies eine Überraschung, bei der sie mir selbst ein leichtes Lächeln entlocken konnte, das nicht gespielt war. Sie war ein gutherziger Mensch und ihr wollte ich nichts vorspielen... ebenso, wie ich Legolas von all den Lügen befreien wollte. Ich nickte stumm und dankbar, nahm den Kelch und berührte ihre Hände dabei. Sie zitterten... leicht und aufgeregt. Eine freudige Aufregung... Ruhig nahm ich einen Schluck und sah sie dabei aufmerksam an, ehe ich den Kelch wieder absetzte und ihn ihr zurückreichte. Oft war sie bei mir... so oft, wie es die Zeit erlaubte und stets lächelte sie... Legolas: Ich vernahm kein Geräusch, als ich mich fliehend davonstahl, mich verbarg in der Dunkelheit und meine einsame Ruhe suchte. Es erfüllte mich mit einer leichten, von Trauer erfüllten Erleichterung, dass er mir nicht folgte, dass er sich nach mir richtete, wenn es auch nur das Entsetzen war, welches ihn zurückhielt. In langsamen, nun jedoch sicheren Schritten ging ich die schmale Brüstung entlang, hielt mich nahe am steinernen Gebäude, neben mir die schwindelnde Tiefe, die erfüllt war von gespenstischer Finsternis. Nur flüchtig betrachtete ich sie mir, sah tief unten Lichter flackern. Sie erleichterten den letzten Helfern die Arbeit. Die Leichen zu bergen, die stinkenden Kadaver zu vernichten. Nach einem kurzen Weg erreichte ich so die Rückwand des großes Gebäudes, nicht weit von ihr erstreckte sich das raue Gestein bis in große Höhen und eine lange Zeit blieb ich stehen und betrachtete mir geistesabwesend die feinen Strukturen. Und leise drangen Geräusche an meine Ohren, holten mich aus der Absenz und ließen mich auflauschen. Das leise Donner von Bierkrügen, die auf die Tische niedergingen, lauter Gesang, Jubeln, Lachen... die Feier der Sieger. Und als ich all das hörte, verlangte es mir nach Ablenkung. Restlos würde der Tumult meine Sinne fordern... Restlos das Gedränge die Sicht... Würde ich unter anderen sein, so hoffte ich, würde ich keine Zeit finden, nach den Sorgen zu greifen und sie zu mir zu ziehen, um mich mit ihnen zu beschäftigen. Und sie würden mich nicht finden... denn ich wäre für sie nicht offen, würde sie ausschließen und mich voll und ganz den Einflüssen der Masse hingeben. Es graute mir davor, weitreichende Gedanken zu entwickeln, mich auf den tragischen Verlauf der Geschichte zu fixieren... es graute mir davor, meiner Trauer zu erliegen. Und das würde ich. Sogleich, wenn ich ihr nachgäbe... So stieg ich eine schmale Treppe hinab und erreichte einen Gang, in dem sich die Menschen tummelten. Weniger in Eile und Hast vertieft, gingen sie ihrer Wege, blieben stehen und unterhielten sich miteinander. Sie lachten und schlugen sich auf die Schultern, genossen die unbeschwerte Zeit. Sie würde nur von kurzer Dauer sein und so gaben sie sich der Freude beinahe übertrieben hin. Mir lagen die Feste der Menschen nicht und dennoch ging ich weiter, zielstrebig zur großen Halle, in die und aus der sie strömten. Die Feste waren mir zu rauschend, gingen zu unkontrolliert vonstatten. Es fiel schwer, die Übersicht zu bewahren und nur mit Radau vermochten sie ihre Freude zu zeigen. War ihnen der Krawall denn nicht unangenehm...? Der Lärm schallte in meinen Ohren, als ich mein Ziel erreichte und oft musste ich zur Seite weichen, um einem stolpernden Betrunkenen zu entgehen. Irritiert blickte ich einjedem von ihnen nach, sinnierte über die Gründe ihres animalischen Verhaltens, konnte mir nicht vorstellen, dass sie sich ihm freiwillig hingaben. Alles in dieser Halle irritierte mich. Großes Gedränge herrschte, Grölen zog aus jeder Ecke und es wurde getanzt. Aus weiter Entfernung vernahm ich auch die Melodie eines heiteren Trinkliedes und ich stahl mich davon, suchte einen Ort, an dem man gefahrlos treten konnte, an dem kein Geschrei den letzten Hörnerv raubte. Oft verzog ich die Miene, die Menschen schrieen mir in die Ohren. Waren sie sich der Tatsache bewusst, dass dieses Fest keine Entspannung mit sich brachte? Und war dies nicht der Zweck einer Feier? Gewiss tat es ihren Körpern nicht gut, wenn sie sich anrempelten, ihre Mägen mit schweren Speisen füllten und mit noch ganz anderen Sachen... Am darauffolgenden Tag musste es ihnen bestimmt schlecht gehen. Ich schüttelte über ihr merkwürdiges Verhalten den Kopf. "Seht da! Schaut an, wer lässt sich blicken?!" Ertönte da eine bekannte Stimme nicht weit von mir entfernt. Ich drehte mich zur Seite, erblickte den Zwerg, der an einer kleinen Tafel saß, grollend lachte und mit einem leeren Bierkrug winkte. Ich zögerte nicht, bevor ich mich zu ihm gesellte. Die Anwesenheit des Zwergen war unangenehm, wenn man seine Konzentration auf etwas Bestimmtes lenken wollte. Doch war sie brilliant und förderlich, wenn man Ablenkung suchte. Und gerne würde ich mich groben Gesprächen hingeben, um dieses Ziel zu erreichen. So trat ich neben ihn, nickte ihm zu und erblickte auch Eomer, der seine Männer zu unserer Rettung geführt hatte. Entspannt und heiter wirkte auch er. Vermutlich hatte er gerade mit dem Zwerg gesprochen und dieser wandte sich sogleich an mich. "Das ist doch eine gelungene Überraschung!" Rief er und biss in ein Stück saftigen Braten. Verlassen von jeglicher Begeisterung, verfolgte ich seine Bewegungen und er bemerkte meine Beobachtung, reichte mir die Keule und verdrehte die Augen, als ich abdankte. "Nun gut!" Er rülpste. "Wenigstens hockst du nicht mehr draußen in der Kälte! Stell dir vor ein Wind wäre aufgezogen! All deine Freuden über den gewonnenen Krieg gingen verloren, würde er dich gegen die Klippen wehen!" Er schüttelte den Kopf und Eomer lachte, lenkte meine Aufmerksamkeit kurz auf sich. Doch letztendlich antwortete ich mit einem ungewissen Kopfwackeln. Was sollte ich sagen? Gimli nahm mir die Worte gern ab. "Immer verwunderlicher werden diese Zeiten!" Rief er und wischte sich ruppig über den Bart. Er schmierte das gesamte Fett daran ab und ich schluckte. "Nun feiern Elben schon gemeinsam mit Menschen rauschende Feste!" "Zwergen sah man auch nicht oft an ihrer Seite." Sagte ich und der Zwerg begann zu husten. "Sei´s wie es sei." Eomer schlug mir auf die Schulter. "In unseren Reihen ist einjeder willkommen." "Und jeder, der gegen mich anzutreten wagt, ist noch willkommener!" Verkündete der Zwerg. "Nun, da du schon da bist! Trink mit mir! Schlechter kann die Nacht dadurch nicht werden!" "Trinken?" Ich konnte mich nur als überrascht bezeichnen, als ich seine Herausforderung hörte. Und bevor ich mich versah, zog Eomer an mir vorbei und wandte sich der Tafel zu. Laut lachte der Zwerg und viele Augen richteten sich auf das Geschehen. Alsbald drehte er sich wieder zu mir, hielt mir einen gefüllten Bierkrug hin und ich griff nach ihm. Noch immer etwas zögerlich, jedoch nicht weniger neugierig auf diese Sitte, die die Zwergen augenscheinlich mit den Menschen zu teilen schienen. "Kein Absetzen, kein Verschütten." Eomer trat zurück und während der Zwerg seinen Krug bereits zum Mund hob, runzelte ich die Stirn, versuchte auf den Inhalt dieser Herausforderung zu kommen. "Und währenddessen kein Gespeie!" Verkündete Gimli noch und nachdenklich verfolgte ich, wie rasch weitere Krüge gefüllt und bereitgestellt wurden. Und endlich kam ich auf des Rätsels Lösung. "Dann ist es also ein Trinkspiel." Schloss ich grübelnd und amüsiertes Gelächter zog durch die Reihen. Unsicher sah ich mich um. "Wer als Letzter steht, hat gewonnen!" Und somit setzte der Zwerg den Krug wirklich an den Mund und begann zu trinken, dass ihm das Bier über den Bart perlte. Ich rümpfte die Nase, hob meinen eigenen und roch. Verdorbener Weizen... ich zögerte. Was die Menschen nicht alles als Getränk ansahen...? "Trinken wir auf den Sieg!" Brüllte ein Mann, der hinter mir stand. Laut stimmten andere ein und auch Eomer hob einen Humpen. "Auf den Sieg!!" Ich räusperte mich, schöpfte tief Atem und begann zu trinken. Der Geschmack war nicht unangenehm, erlaubte jedoch ebenso wenig den Genuss. Ich verzog die Miene, als ich in gleichmäßigen Schlucken trank und erneut erhob sich das heitere Lachen der Feiernden, die um mich herum standen. Und ich selbst glaubte nicht, was ich hier tat. Wie teuer war mir mein Streben nach Ablenkung, dass ich mich dieser fremdartigen Erfahrung hingab. Neben mir ertönte lautes Glucksen und Rülpsen und während ich noch immer trank, ging ein leerer Krug auf den Tisch nieder und die plumpige Hand des Zwergen umgriff den nächsten. Ich benötigte weitaus mehr Zeit als er, bis ich den ersten Humpen geleert hatte. Ich stieß einen langen Atem aus, runzelte die Stirn und stellte ihn ab. Anspornend und lachend drückte mir Eomer den nächsten in die Hand und wieder ertönte ein lautes Rülpsen, bevor der zweite leere Krug seinen Platz auf dem Tisch fand. Begeistert von den Fähigkeiten des Zwergen, lachten die Zuschauer auch weiterhin und ich blieb der Hast doch lieber fern. Nur flüchtig blickte ich mich um, bevor ich tief einatmete und erneut zu trinken begann. Es ließ sich gut hinunterschlucken und ich griff immer wieder nach neuen Krügen, setzte sie an die Lippen und blieb ruhig stehen. Gemächlich trank ich, entspannt blickte ich mich um und der Zwerg begann zu grölen, ächzte laut und stapelte den nächsten leeren Krug auf dem Tisch. "Jawohl!" Rief er mit merkwürdig leiernder Stimme. "Es ist des Zwergen Eigenart, dass er die Frauen mag behaart!" Wieder drang ein lautes Rülpsen an meine Ohren, bevor die Krüge schepperten und er nach einem neuen griff. Ich linste zu ihm, während ich langsam schluckte, den Krug sinken ließ und die Nase rümpfte. Auch, wenn ich den Sinn dieses Trinkspieles noch nicht verstanden hatte... Er benahm sich doch immer absonderlicher. Zielsicher und sauber stellte ich den Krug ab, war verblüfft, als ich seiner acht sah. Wieviel von ihnen hatte ich nur schon geleert? Die Zeit schien schneller zu verfliegen, als sonst... Ich hob die Augenbrauen und fasste den nächsten. Weitaus schwerer fiel dies Gimli, der zweimal zugreifen musste, bevor er ihn zu fassen bekam. Und schlingernd und unsicher hob er ihn und begann glucksend und schnaufend zu trinken. Ich jedoch, hielt nach wenigen Schlucken inne, ließ den Humpen sinken und starrte nachdenklich auf den Tisch, bevor ich ihn darauf abstellte, die Brauen verzog und mich flüchtig umsah. Erwartungsvoll waren viele Blicke auf mich gerichtet und auch Eomer sah mich an, während Gimli schmatzte und rülpste. "Ich spüre etwas." Langsam hob ich meine Hand, betrachtete sie mir verwundert und drehte sie. "Ein leichtes Kribbeln in den Fingern." Ich blickte auf, sah Eomer überrascht an. "Ich glaube, es zeigt Wirkung bei mir." Er nickte anerkennend, jedoch auch mit einem Hauch von Ironie und ein belustigtes Murmeln ging durch die Reihen. "Was habe ich gesagt?" Meldete sich der Zwerg lallend zu Wort. "Der verträgt einfaaach... nichtssss..." Und er verdrehte ganz merkwürdig die Augen, kippte nach hinten und stürzte vom Stuhl. Ein lautes Brüllen erhob sich in der Menge und Eomer wendete sich lachend ab, während mir einige lobend auf die Schultern schlugen. Überrascht sah ich den Zwerg dort liegen, schnarchend und grunzend und die Masse lachte noch immer. Ich runzelte die Stirn, legte den Kopf schief und hob die Brauen, bevor ich mich wieder zu Eomer wandte. "Spiel vorbei." Er nickte, wandte sich lachend ab und ging kopfschüttelnd davon. Und auch mich hielt nichts mehr an diesem Ort. Ich drängte mich durch die heitere Menge, oft trafen anerkennende Schläge meine Schulter und nach wenigen Schritten wurde mir diese Art der Ablenkung zu einer zu großen Belastung. Unablässig dröhnte der Lärm in meinen Ohren und ich beschloss, mich kurz zurückzuziehen, neue Kraft zu tanken, um anschließend einen Ausweg zu suchen, der weniger schmerzhaft war. Es wurde immer schwerer, sich einen Weg zu bahnen. Oft wurde ich angerempelt und rettend war der schmale Durchgang, den ich an einer Seite der Halle erspähte. So drängelte ich mich weiter, erreichte ihn endlich und verließ so die Halle. Auf einen schmalen türlosen Flur folgte eine Treppe, durch die ich einen belaufenen Gang erreichte. Auch dort gingen einige Menschen ihrer Wege. Lachend und scherzend zogen sie an mir vorbei, als ich kurz stehen blieb. Manche von ihnen hatten sich auf einer kleinen Bank niedergelassen und waren in ein Gespräch vertieft. Doch war die Lautstärke hier wesentlich angenehmer und ich nahm mir vor, einen Ort zu suchen, an dem ich wieder Stille genießen konnte. So bog ich nach rechts und ging. Aragorn: Lange sah sie mich an und ich tat es ihr gleich... Diese Wärme, die sie ausstrahlte, ihr Wohlwollen mir gegenüber übertraf allmählich die Menschenfreundlichkeit ihrem Volke gegenüber. Ich glaubte, dass es nun gefährlich war, wie sie mich anlächelte, denn würde ihr Herz meinetwegen schneller schlagen, müsste ich ihr wehtun und es ihr brechen. Der Gedanke war mir zuwider. Ich verneigte mich wortlos und wandte mich ab, versuchte ihrem Blickfeld zu entkommen und schlängelte mich durch die Massen der heiteren Krieger und jener, die schon ihren Verstand durch das Bier und den Wein vernebelt hatten. Erneut lag die Aufgabe vor mir, es ihnen gleichzutun, mich mit ihnen zu freuen und ich tat mein Bestes, ihnen dieses Gefühl zu geben. Doch während sie schunkelten und sich gegenseitig fröhlich auf die Schultern klopften, spürte ich hinter ihrer Trunkenheit den Respekt, den sie mir zollten und mich unbewusst zu einem Außenseiter degradierten. Ja, wären die Umstände anders, so hätte ich sie wohl aufgefordert, ihre Heiterkeit mit mir zu teilen. Gelacht hätte ich... sicher, gelacht, wie lange nicht mehr. Doch dies waren beinahe schon Traumvorstellungen, denen ich nachgehen konnte. Es gab Sorgen, die belastender waren, als dass ich sie hätte in Weinseligkeit ertränken können. Ich ging weiter, fernab von dem großen Gedrängel und sah mich um, meine alte Suche fortsetzend. "Kein Absetzen, kein Verschütten." Laut und erklärend hörte ich die Stimme Éomers und ich blieb stehen und versuchte ihn in der Menge zu finden. Sicher wusste er, wo sich wer aufhielt, falls er sich von dem, was er tat, gerade losreißen konnte. "Und währenddessen kein Gespeie!" Erschallte die Stimme des Zwergen und spätestens in dem Augenblick war ich doch ein wenig von Neugier gepackt und folgte ihr. Es dauerte nicht lange, da sah ich Gimli auf einem Stuhl sitzen, an einem langen Tisch, umgeben von neugierigen und erwartenden Blicken der Rohirim. "Dann ist es also ein Trinkspiel." Ich blieb stehen, sobald ich dies hörte, war voller Verwunderung und suchte mir flugs einen anderen Weg. Unbemerkt wollte ich dem Geschehen folgen... Legolas hatte ich also gefunden. Gedankenlos drängte ich mich durch die Reihen und blieb an einem Pfeiler stehen, bei welchem ich einen guten Überblick auch Dank meiner eigenen Größe zu jenem Tisch hatte. Und dort sah ich ihn stehen... mit einem Bierkrug in der Hand. Nahm er etwa an diesem Trinkspiel teil? Ich konnte nicht sagen, ob ich entsetzt oder ganz einfach überrascht darüber war, doch spürte ich diese Trauer bei diesem Anblick. Annäherndes Mitleid und die alte Besorgnis. Ach, wären es andere Umstände... würde ich grinsend neben ihm stehen und ihm zuschauen. Ich würde mir eingestehen, dass ich es einem Elben niemals zugetraut hätte, dass er sich solch einem Spiel, geschweige denn, solch einem Gebräu hingab. Doch der, der da den Humpen zu den Lippen führte und begann zu trinken, war kein Elb. Wer war es, der sich diesem Gift hingab? Erst verschränkte ich die Arme vor der Brust und sah ihm zu. Als er dann aber zum zweiten Krug griff, wendete ich den Blick ab, rieb mir voller Schuldgefühle die Stirn und schloss die Augen. Trieb ich ihn dazu? War all dies meine Schuld? Wie konnte ich ihn mit etwas quälen, von dem er nicht wusste und was war geschehen, dass genau diese Ungewissheit ihn eine Sünde nach der Anderen begehen ließ? Verzweiflung, in der er seine eigene Grenzen wahrnahm, Wut, in der er seinen Säbel zog und verfluchtes Bier, dass ihm die Sinne vernebeln könnte, wie es kein anderer Elb je in Erfahrung gebracht hatte! Was war das für ein Wesen, dass sich dem Gelage nur so hingab? Ich sah wieder auf und in der Zeit, in der ich diesen grausamen Gedanken gefolgt war, hatten vier weitere, leere Krüge den Weg zum Tisch zurückgefunden und im selben Augenblick reichte Éomer Legolas den Nächsten. Er sollte aufhören... es schmerzte mich so sehr, ihm dabei zuzusehen und doch konnte ich den Blick nicht abwenden. Ich wollte schreien! Ihn aus diesem Spiel zerren, ihn bitten, alles zu vergessen und wieder der zu werden, der er zu Beginn der Reise war. Ich wollte seine Unschuld nicht töten... ich hatte nie gewollt, dass er unter mir litt... Ein lautes Gepolter holte mich zurück in die Realität, der ich erneut entflohen war und ich blickte gen Boden, wo der Zwerg lag und in einem Trunkschlaf gefallen war. Nach... ach, wie vielen Krügen auch immer. "Spiel vorbei." Meine Entschlossenheit war nun eisern. Der Mut war da. Lieber noch quälte ich mich mein Leben lang selbst durch die Gewissheit, dass er mich meiner Gefühle wegen hasste, als dass ich weiter zusah, wie er zerbrach. "Oh, ihr könnt suchen das ganze Jahr, zwei Gläser hier, drei Gläser da. Doch nirgendwo schmeckt das Bier so gut, wie's bei uns im Grünen Drachen tut!" Wildes Klopfen erschallte an den Tischen weiter hinten und die Stimmen der Hobbits erklangen in einem munteren Lied. Nicht weit entfernt fand ich sie auf einem Tisch tanzen und viele Männer bejubelten sie. Sie klatschten, während die kleinen Herren tanzten und juchzten, doch fiel mein Augenmerk auf eine einzige Person, die sich diesem Klatschen hingab. Für einen Augenblick war meine Aufmerksamkeit auf sie gelenkt... ein wichtiger Augenblick... Meine Wut brodelte tief und schwer in meinem Inneren und wüsste ich nicht, dass nicht nur er es war, der für all diese Missverständnisse und Ereignisse eine immense Schuld trug, so hätte ich wohl versucht, ihn vor einjedem Auge umzubringen! Zielsicher ging ich nun durch die Reihen, näherte mich der applaudierenden Meute und zeigte keine äußerliche Anspannung. "Doch nirgendwo schmeckt das Bier so gut, wie's bei uns im Grünen Drachen tut. Ein Korken auf dem Wein, verschließt euch nicht diesem Tropfen." Merry und Pippin johlten weiter und der Begeisterung wegen, fiel mein Erscheinen nicht sonderlich auf. Doch Gandalf bemerkte mich sofort. Wer wusste schon, ob er ahnte, weswegen ich zu ihm kam... "Noch keine Nachricht von Frodo?" Fragte ich ihn ruhig, erstaunt über mich selbst, dass ich gar freundlich wirkte mit dieser Frage. Langsam und den Blick auf die Hobbits gerichtet, schüttelte er den Kopf. "Kein Wort, gar nichts." Ich nickte langsam, sah zu Pippin, wie er in purer Heiterkeit nach dem Arm Merrys griff und den Bierkrug schunkelte. "Wir haben Zeit. Jeden Tag gelangt Frodo näher nach Mordor." Ich wusste nicht, wieso ich dies sagte und versuchte den Zauberer zu beruhigen. Vielleicht wollte ich mir sicher sein. "Ja, aber wissen wir das?" Ich nickte leicht und sah ihn nun eindringlich an. "Was sagt dein Herz dir?" Stellte ich die Gegenfrage, woraufhin er zu mir sah und ich das alte, gütige und frohe Lächeln wiedererkannte. "Dass Frodo am Leben ist. Ja ... ja er ist am Leben." Er nickte sich selbst zu und behielt das Lächeln bei. Doch meine Entspannung löste sich merklich und ich holte tief Luft. "Warum..." Leise und annähernd zischend begann ich wieder zu sprechen, doch ich merkte, wie der Gesang verebbte und ich sah auf, Pippins verdutzten Blick auf mich gerichtet. Zu meinem Glücke wohl, holte ihn Merry aus dieser Beobachtung. Ich musste die Worte aussprechen, sonst würde ich wirklich eines Tages mein Schwert sprechen lassen. "Pippin!" Der junge Hobbit sah zu dem Anderen und sie sangen weiter. "Die wahre Zier, dass sag ich hier... ist der Grünen Drachen Hopfen!" Daraufhin stießen die beiden an und die Menge tobte regelrecht, so dass ich meinen Worten freien Lauf lassen konnte. "Warum vermag dein Herz dir solche Dinge zu offenbaren, wenn du blind für alles andere bist, weißer Zauberer?" Starr waren meine Augen auf ihn gerichtet und die Erleichterung, die er zuvor erlebte, war verschwunden und ein annähernd zorniger Blick traf auf den meinen. Er wandte sich direkt an mich und öffnete den Mund, um mir zu antworten. Flüchtig schweifte mein Blick von der einen zur anderen Pupille, dann schüttelte ich widerstrebend den Kopf, hob erbitternd die Hand und gab ihm keine Gelegenheit mir eine Antwort zu liefern. "Du kannst mich nicht von ihm fernhalten. Und du wirst es nie mehr wagen!" Meine Stimme hatte sich erhoben, doch war sie sicher unter dem Gebrüll der Menschen untergegangen. Doch war ich mir gewiss, dass Gandalf sie verstanden hatte. Ich sah mich dennoch einmal kontrollierend um und ja, im selben Moment sah ich den Einen durch die Reihen drängen, sich an die Trunkenen winden. Da war eine Gelegenheit... nichts mehr würde mich hindern. "Aragorn!" Gandalf rief mich und ich wusste, dass er Legolas auch gesehen hatte. Ich ignorierte den alten, stoischen Mann und folgte dem Blonden. Meine Worte hatte ich mir lange schon bereitgelegt. Zu oft schon hatte ich erhofft, sie an ihn zu richten und nun, da es keinen Weg mehr daran vorbeigab, würde ich es wagen. Auf dass seine Qual endete... Nach einer quälenden Rangelei durch die Menge, erreichte ich den Ausgang der Halle und sah mich um. Ich folgte dem schmalen Durchgang rasch, folgte meiner Intuition und stieg die Treppe hinauf, erreichte einen Flur und ging in den linken Gang, durch welchen ich den Anderen laufen sah. "Legolas!" Ich beschleunigte meine Schritte und ich bemerkte, wie er die seinigen in einem Hadern verlangsamte. Er drehte sich nicht um... und dann setzte er erneut zum raschen Gehen an. "Legolas!" Rief ich ihn noch einmal und die Menschen, die in diesem Flure beieinander saßen, wurden auf uns aufmerksam. Endlich blieb er stehen und ich gelangte zu ihm. Nur langsam drehte er sich zu mir und während ich sofort versuchte einen Blick in sein Gesicht zu erhaschen, wich er diesem aus. "Ich muss mit dir reden..." Ich schluckte schwer, als ich dies sagte, denn damit ließ sich all das nicht mehr unterbinden. Mein Entschluss stand... und die Gewissheit war da. Einige Sekunden wartete ich, in denen er weder Antwort gab, noch Anzeichen erbrachte, mir dieses Gehör zu schenken. Dann erst hob er langsam den Kopf und schüttelte diesen. Von einer Abneigung erfasst, blickte er mir nur kurz in die Augen. "Aber ich muss es nicht." Das war alles. Mehr brachte er mir nicht entgegen und drehte sich auf dem Absatz um, um seinen Weg fortzusetzen. Ich dachte... das war es nun. Es hatte geendet, unkontrolliert und scharf, wie ich es in Träumen gesehen hatte. Gleichgültigkeit, in der ich ihn ziehen lassen sollte. Auf dass wir im Kampfe einander eine kleine Stütze sein würden, doch als Gefährten jeglichen Zusammenhalt verloren hatten. Ich hatte ihn verloren... seine Nähe rann mir wie Sand durch die Finger und ich war hilflos. Seine Gutmütigkeit war verstorben... seine Freundschaft war in den dichten Nebel getaucht, den ich stets durchschritt und doch keinen rechten Weg fand. Ein Ende, das keines sein sollte... Ich ballte die Hände zu Fäuste und sah ihm nach. Mein Körper bebte vor Anspannung, vor Angst.. doch meine Entschlossenheit blieb. Er wollte sich vor mir verschließen, wollte mich hassen?! Dann sollte er dies tun, wenn ich ausgesprochen hatte, was mir auf der Seele lastete! Schnell setzte ich mich in Bewegung, folgte ihm unnachgiebig und holte ihn ebenso rasch ein. Worte brachten nichts, so würden Taten sprechen. Ich kannte keine Rücksicht, als ich ihn gedankenlos am Oberarm griff und ihn festhielt. Doch blieb ich gewiss nicht stehen, zog ihn weiter und achtete nicht auf seine Reaktion. Sollte er wüten, sollte er toben! Ich ließ ihn nicht eher ziehen, bis es zu Ende war! Eine Tür offenbarte sich an den Mauern und ich dachte nicht nach, als ich nach der Klinge griff und sie aufstieß. Es brauchte nicht viel Kraft um ihn dahinein zu ziehen und unbarmherzig schloss ich die Tür hinter dem Elb. Keine Fluchtmöglichkeit durfte es nun geben! Weder für mich, noch für ihn! Er musste mich anhören. Doch... ich stemmte mich schwer atmend gegen das Holz hinter mir, sah ihn an und... war sprachlos. Ich sah das Unverständnis in seinen Augen und spürte die peinigende Aufregung in all meinen Gliedern. Wo war Wort und Satz, tief durchdacht und sorgsam ausgewählt? Wo waren meine Aussagen hin, die ich jahrelang mit mir trug? Nachdenklich und zögerlich wandte ich den Blick ab und schluckte einen tiefsitzenden Klos in meinem Hals hinunter. Ich fuhr mir grübelnd übers Gesicht, stemmte mich von der Tür ab und begann nach meiner Ruhe zu suchen, gleichermaßen nach den verloren gegangenen Zeugnissen, die ich zur Sprache bringen wollte. Sie kamen nicht wieder. Ich bewegte die Hände, gestikulierte gar stumm mit ihnen und strich mir zerstreut eine Strähne aus dem Blickfeld. Es musste wohl durchdacht sein... es musste... klar werden... so klar, dass die Wahrheit wie ein Spiegel der Vergangenheit die Sicht preisgab, die ihm bislang verborgen geblieben war... Legolas: "Legolas!" So laut auch das Lachen der Menschen um mich schallte, so geräuschvoll dieser Ort auch war, seine Stimme hob sich empor wie eisiges Klirren in toter Stille. Und ebenso frostig fraß sich die Empörung durch meinen Leib und mein Körper erlag angenehm meinem Empfinden. Jegliche Höflichkeit, stehen zu bleiben, warf er nach einem kurzen Hadern ab und ich ging weiter, jedoch nicht eiliger als zuvor. Wie lästig war mir seine Penetranz in diesem Augenblick... Als wie störend empfand ich sein Erscheinen. Als hätte er seinen Genuss an der Gnadenlosigkeit gefunden! Als bediene er sich ihrer gern! Deutlich hatte ich ihn von mir gewiesen, ihm nachdrücklich meine Verweigerung vor Augen geführt und nun, keine lange Zeit war vergangen, suchte er mich erneut auf! Gar aufdringlich folgte er mir und genau wusste ich, was geschehen würde, würde ich ihm mein Gehör gewähren, wenn auch nur befristet und unwillig... Unser letztes Gespräch war recht konstruktiv verlaufen. Angeschrieen hatten wir uns und ich hatte ihn mit meiner Waffe bedrohen müssen, um seiner entfliehen zu können. Ich war so aufgewühlt, ich bediente mich des Sarkamus' und als ich mir einmal mehr der eigenen Wahrheit bewusst wurde, verfinsterte sich meine Miene und Aragorn besäße nur die Fähigkeit, mich noch höher zu treiben, bis ich jeden und alles vergaß. Unerklärlich war mir das Rätsel, welches ihn trieb. Nichts konnte von so immenser Bedeutung sein, um sein Verhalten zu untermauern, gar zu entschuldigen. Er lebte mit Geheimnissen und mich benötigte er nicht, hatte er von ihnen doch so viele, dass sie eine Mauer bildeten, die niemanden zu ihm durchdringen ließ. Weshalb, also, sollte ich flehend und bettelnd darauf warten, dass er sie von innen durchbrach und endlich zugänglich war für meine Worte. Oft hatte ich es versucht... und ebenso oft endeten die Versuche im kläglichen Scheitern. Ich war es leid, mich ihm zu öffnen, wenn er dazu bereit war, meine Zustimmung jedoch nicht einmal erfragte! "Legolas!" Er rief mich erneut, energischer und lauter, so dass die Aufmerksamkeit der Anwesenden sich auf uns lenken musste. Viele Blicke spürte ich und kämpfte mit einem tiefen Atemzug gegen das kalte Beben meines Körpers an. Sein Entschluss, welcher auch immer es war, schien ihn so profund zu beherrschen, dass er sich durch Nichtbeachtung nicht erneut aufhalten, gar abweisen lassen würde. Sein Zwang war gewiss nicht der Meine... was nicht in meinem Interesse lag, würde ich nicht tun und niemals würde er sich die Macht aneignen, mir sein Wollen aufzudrängen. Eine Konfrontation mit ihm betrachtete ich mir nicht mit Furcht und so blieb ich endlich stehen, um ihm mehr als Nichtbeachtung zu bieten, um sein Verständnis auf deutlichere Art und Weise zu wecken. Konzentriert schützte ich mich davor, von der Wut übermannt zu werden, atmete stark und regelmäßig und hörte die Schritte, die sich mir eilig näherten. Ich hatte ihn nicht gerne in meinem Rücken, wollte ihn auch nicht um mich herumschleichen lassen, ihm noch weniger mit Unsicherheit begegnen. So wandte ich mich um, drehte mich zu ihm, als er mich erreichte. Und so offen ich ihm auch gegenüberstand... mutwillig verschloss ich die Augen vor ihm, ließ mich nicht betrachten, wich seinem Blick provokant aus und lenkte ihn auf eine unbedeutende Stelle. Und dennoch sah er mich an und ich senkte beiläufig das Gesicht, um ihm auch diesen Musterung zu verwehren... und ich hörte sein Keuchen, aus dem sich eine nervöse, gar unsichere Stimme erhob. "Ich muss mit dir sprechen." Sagte er mit einer unbeschreiblichen Dringlichkeit, schluckte das schnelle Atmen hinab verstummte. Den Blick noch immer zu Boden gesenkt, antwortete ich mit demselben Schweigen. Ich tat es nicht, um ihn zu quälen... seine Anspannung gar zu verschlimmern... Vielmehr Bilder waren es, die mich Teilnahmslosigkeit zum Ausdruck bringen ließen. Bekannte Situationen führten sie mir vor Augen... vergangene, die auch ewiglich vergangen bleiben sollten. Erinnerungen befielen mich... deutlich sah ich den Zorn in seinen Augen... die Wut in seinen Gesten... die unkontrollierbare Raserei in seinen Worten. Seit geraumer Zeit... brachten uns Gespräche das Gegenteil vom Ziel, mit dem wir sie begannen. Langsam schüttelte ich den Kopf. Sicher war auch mein Entschluss und ich fühlte mich nicht bereit dazu, seine Stimme länger zu hören, als wenn sie laute Befehle brüllte. Er wollte... nein, er musste mit mir sprechen? Ja, das konnte ich mir wahrlich vorstellen... Ich schüttelte den Kopf lange, untermauerte die Geste mit einem Blick, der diese Deutlichkeit nicht weniger zum Ausdruck brachte. Nur kurz sah ich in seine Augen, sah das schiere Entsetzen in ihnen und fühlte mich dadurch nicht gestört. "Aber ich muss es nicht." Mehr musste ich nicht sagen, mehr musste er nicht hören, um sich meines Standpunktes bewusst zu werden. Und ich war sicher, dass er es tun würde, wendete mich ab, um ihm die Abweisung entgegenzubringen, mit der er mir in den unsichersten Zeiten begegnet war. Allein die Gleichgültig, mit der er mich im Ungewissen ließ, wie ein einsamer Wanderer, der sich allein auf dunklem Pfad vortastete, während die große Schaar in gleißendem Licht reiste und den Weg deutlich vor sich liegen sah. Ich schätzte mich seiner sicher, nun endlich gelöst und verschont vor seinen Worten. Er sollte es nicht wagen, sich einem weiteren Versuch zu nähern. Er sollte es nicht... er würde es nicht! Seine Unverforenheit schätzte ich gering ein. Geringer... als sie in Wirklichkeit war. Ich ging nicht weit, bis mich rasche Schritte einholten, mir seine Schnelligkeit keine Zeit zur Reaktion gab und sich seine Hand schmerzhaft um meinen Oberarm klammerte. Entschlossenheit hatte ich in seinen Augen erkannt, doch nicht die Bereitschaft, sein Vorhaben auf diesem Wege umzusetzen, so weit zu gehen, um darin erfolgreich zu sein! Wie falsch war sein Verhalten... wie fremd war es mir, so unbekannt wie der Mensch, der den Namen meines treuen Freundes trug! Ich stolperte, er raubte mir das Gleichgewicht und ebenso zwang er mir seine Kraft auf, zog mich wortlos, gar ruppig zur Seite und ließ mir keine Gelegenheit, mich zu wehren, was meine Wut wahrlich zugelassen hätte. Nur kurz versuchte ich mich aus seinem Griff zu winden, da stieß er mich schon durch die offene Tür hinein in eine verlassene Kammer. Endlich spürte ich auch seine Hand nicht mehr, blieb mir selbst überlassen und fand festen Halt auf meinen Beinen. Erschrocken keuchte ich, als ich mich so zu ihm umdrehte, einen Schritt tat, diesen Raum zu verlassen, mich seiner, wenn nötig, mit Gewalt zu erwehren. Doch hielt ich inne in meinen Bewegungen, als die Tür dumpf in das Schloss zurückgestoßen wurde und er keuchend sich mit dem Rücken gegen sie lehnte, mir beinahe schon krampfhaft und übertrieben etwaige Fluchtmöglichkeit raubte. Fremd war mir sein Verhalten natürlich... doch unverständlich besonders in dieser Richtung, die so gar keinen Sinn zu ergeben schien. Es war mir unerklärlich und nichts hinderte mich daran, ihm meine Gefühle zu offenbaren. Einer von uns musste es ja tun... wieder einmal nach langer Zeit. Ich verengte die Augen, stumm flüsterten meine Lippen mir unbekannte Worte und in purem Unverständnis, welches beinahe schon an Verachtung gegenüber seines Verhaltens grenzte, schüttelte ich den Kopf. Er gab mir Rätsel auf, die mir lästig waren... an denen meine Geduld erschöpft zugrunde ging. Und er starrte mich an... mit einem Entsetzen, welches er nicht verdiente. Und war er doch soeben noch so feurig in die Durchführung seines Entschlusses vertieft gewesen, provozierte er mich nun mit seinem Schweigen, gab mir das Gefühl, dass sein Grund plötzlich an Bedeutung verloren hatte. Ein Zögern befiel ihn, welches ihn gleichermaßen fast des Atems beraubte. Als wäre er von sich selbst erschüttert... vielleicht war er es, ich fühlte dasselbe seiner Person gegenüber. Und er entfloh meinem Blick, als würde ich selbst ihn am Sprechen hindern und ein schweres Schlucken schien ihn dennoch nicht aus der verdrießlichen Lage zu retten. Nervös schweiften seine Augen umher, ebenso unkontrolliert hob er die Hand und rieb sich das Gesicht. Und in der gleichen Bewegung löste er sich von der Tür, die er soeben noch mit beinahe belustigender Verbitterung bewacht hatte. Alles schien seinen Händen zu entgleiten. Einmal mehr... es war nicht Neues. Ich trat um ihn herum, als er sich mir näherte, achtete strikt auf die Distanz, die nicht groß genug sein konnte. Fest den Blick auf ihn fixiert, schlich ich um ihn herum, trat zurück, als er kurz stehen blieb, in jeglichen Bewegungen inne hielt und die Hände zu verworrenen Gesten hob. Annähernd bot er einen kläglichen Anblick, so hilflos und unsicher, wie ich es gewesen war... unwissend in das Spiel gedrängt, um das einjeder wusste. Ich verzog die Miene, suchte nicht nach Mitleid und brachte ihm auch alles andere als das entgegen. Wieder schüttelte ich den Kopf, als er sich fahrig durch das Haar fuhr und weiter trat ich zurück, nicht darauf bedacht, mich in Sicherheit zu bringen, vielmehr darauf aus, mich von ihm zu entfernen. Ungläubig sah ich ihn auch weiterhin an, hörte nichts... Keine Entschuldigung, nicht einmal den Versuch, Gründe zu nennen, die ihm in seinem debilen Verhalten Unterstützung gaben. Ich stieß einen leisen Atemzug aus, mir war nach einem Lachen zumute, doch blieb dies aus und ich war mir für meine Fassung dankbar. Kopfschüttelnd senkte auch ich den Kopf, betrachtete mir den Boden. Und ich tat es spöttisch, um der Wut um ein Stück nachzugeben. "Wie treffend." Murmelte ich in scharfem Ton, den Blick verstohlen aus den Augenwinkeln auf ihn richtend. "Dein Schweigen ist mir eine ebenso große Hilfe, wie die Erklärungen, die du mir so wortgewandt lieferst!" Aragorn: Wie konnte das sein...? Ich hatte gewusst, was ich tat, wusste, was darauf folgen würde! Und nun war mir das Wort zur Aufklärung einfach entfallen. Annähernd zerfetzt und unleserlich lagen die Sätze in meinem Kopf und unfähig war ich nun, sie wieder zusammenzusetzen! Dies musste ein Schreckgespenst sein, dass mich meiner Sinne beraubte! Immer noch verblieb ich still und stumm, ratlos... hilflos. Es war wie einer dieser Träume, in denen ich es ihm sagte, in denen ich nahezu philosophieren konnte über meine Gefühle zu ihm. Und jedes Mal war das Bild von ihm erloschen, wie die Flamme des Dochts, der im Wachs ertrank. Nie hatte ich eine Gelegenheit gehabt, eine Reaktion von ihm zu erhaschen... nicht einmal beglückt wurde ich durch Illusionen. Selbst da wollte man mir keinen Frieden gönnen.. und in den letzten Nächten waren sie eher noch grausamer als die Realität gewesen. Nun ja... fast... "Wie treffend." Ich blieb stehen und erwachte zur alten Besinnung. Der Ton war so schneidend gewesen, dass er die Luft hätte spalten können. So schien es jedenfalls, denn ich stoppte das Atmen. Dieser Spott... ich ertrug es nicht. Nur langsam und scheu wandte ich mich zu ihm und sah ihn an, meine eigene Miene wohl von Verblüffen und Fassungslosigkeit getrübt. "Dein Schweigen ist mir eine ebenso große Hilfe, wie die Erklärungen, die du mir so wortgewandt liefertest!" Dieser Hohn... viel leidvoller trafen mich diese Worte, als es seine Klinge hätte tun können. In einer Unsicherheit, die ich nicht von mir kannte, verzog ich die Brauen und blickte auf den Boden. Ich ließ meine Hände sinken und kraftlos an den Seiten hängen. Er wusste keinen Grund... er wusste gar nichts. Wo kam die Sicherheit her, in der er mir diesen Zynismus entgegenbrachte? Er hatte keine Ahnung, welche Gier und gleichermaßen Enthaltsamkeit in mir tobte. Er verstand nichts... Es war... noch nie vorgekommen, dass man mich bis ins Tiefste verletzte. Doch heute war der Tag gekommen, an dem es jemand geschafft hatte. Jemand, der Zeitalter hinter sich ließ und etliche Dinge gesehen hatte. "Du bist...", schwer holte ich Luft und versuchte wieder Kraft in meine Stimme zu holen, als ich aufsah und meine Enttäuschung offen zeigte. Ich schüttelte den Kopf, lächelte gequält und voller Ironie, sah mich unwirsch um und blickte erneut zu ihm, "... ein oberflächliger Narr, Legolas." Ich war hier... und hatte die Entscheidung getroffen. Es war egal, wie ich sie ihm erläuterte und gleichgültig, was ich damit verursachte. Hörbar schnappte ich erneut nach Luft und ich kämpfte darum, klar zu sprechen. Klar und laut. "Welche Erklärungen sollte ich dir liefern?" Für einen Moment schloss ich die Augen, aufgebracht und verzweifelt. Als etwas anderes konnte ich mich nicht bezeichnen. "Sollte ich berichten, wie ich das Vertrauen König Théodens mit Füßen trat, indem ich nächst ein duzend seiner Männer opferte, um dein Leben zu schützen?!" Zügellos folgten meine Worte, meine Stimme hob sich und es wunderte mich, dass sie nicht brach. "Sollte ich dir erzählen, wie gleichgültig mir das Überleben der Hobbits war, als ich dich im Arm hielt?!" Zitternd stieß ich die Luft aus meinen Lungen und sog sie ebenso bebend wieder ein, nicht davor zurückschreckend, die Wahrheit ans Licht kommen zu lassen. "Verlangtest du zu wissen, dass einjedes Wort der Gefährten und Verbündete an Wichtigkeit verlor, sobald der Gedanke an dich in meinem Kopf tobte und mir nächtelang im Schlaf auflauerte?!" Ich läutete es ein, das Ende aller Dinge, aller Freundschaft, aller Bündnisse... "Strebtest du danach, zu erfahren, wie sehr ich mich in einem Netz voller Kabale verstrickte, in dem ich Gandalf Mut zusprach und ihm im nächsten Moment deinetwegen drohte?!" Ich hob fieberhaft die Hand, ließ den Kopf sinken und verdeckte meine Augen. Meine Trostlosigkeit hatte die Grenzen erreicht und ich fühlte mich seltsam leer. "Wolltest du wissen, wie sehr ich unter dir leide und wie sehr ich es dennoch will? Welche Bedeutung Mittelerde noch für mich tragen würde, wenn ich in deiner Nähe bin?" Matt ließ ich die Hand sinken und verstummte. Ich fürchtete mich davor, aufzublicken und erneut auf diesen Hohn zu treffen. Ich fürchtete mich, seiner Stimme zu erliegen, wenn sie begann mich erneut zu verletzen. "Ich..." Eines war noch zu sagen... und ich schluckte schwer und versuchte wieder ruhiger zu atmen, ruhiger zu gehen. Mit einem Male öffnete sich die Tür hinter mir und ich drehte mich gehetzt um. Ein Krieger spähte durch den Türspalt, öffnete die Tür dann weiter und verbeugte sich. "Verzeiht, Herr Aragorn." Ich seufzte schwer und nickte, wieder einmal hinter der komödiantischen Maske verkrochen und von Schmerz und Leid kein Anzeichen offenbarend. Der Mann erhob sich und blickte kurz an mir vorbei, nickte dem Elb hinter mir flüchtig zu und wandte sich wieder an mich. "Der König verlangt nach Euch, Herr." Ich nickte erneut, erst langsam dann verständlicher. War dies nun der richtige Zeitpunkt, an dem man mich aus der Armseligkeit riss oder der falsche? "Legolas...", hauchte ich leise, ging auf die Tür zu und griff nach der Klinke, ehe ich mich umwandte und den Blick erneut gen Boden hielt. "... lle naa ilya ten... gen aníron..." Ja... nun, nun war alles gesagt und mit diesem letzten Flüstern drehte ich mich, ohne noch einmal sein Gesicht zu sehen, um und schloss die Tür hinter mir, um Befehlen zu folgen. Ja. Es war alles gesagt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)