His Destiny was Foreordained von mystique (♣ "Sein Schicksal war vorherbestimmt" RenxHorohoro) ================================================================================ Kapitel 10: Illusionen ---------------------- 10. Kapitel: Illusionen Ein einziger Augenblick der Liebe kann wichtiger sein, als der ganze tägliche Trubel „Ren? He, Ren!" Wortfetzen drangen an seine Ohren, doch sein Geist war noch zu benebelt, um ihren Sinn zu erfassen. „Ren? Nicht schlafen - hey!" Nach und nach lichtete sich der Nebel um seinen Verstand und er war in der Lage, die Augen aufzuschlagen. Sie fühlten sich so schwer an wie Blei. Zunächst sah er alles verschwommen und er musste mehrmals blinzeln, doch schließlich nahm alles um ihn herum wieder scharfe Umrisse an. Die Erkenntnis, wo er war, ließ ihn allerdings erneut verwundert blinzeln. Ein großer Raum mit vielen Einzeltischen, samt Stühlen eine große Tafel? „He, Ren!" Er blickte nach rechts, in die Richtung, aus der die Stimme kam. „Horohoro?", fragte er noch immer leicht schläfrig. Der Ainu stand neben seinem Tisch auf dem er, wie er soeben leicht peinlich berührt feststellte, anscheinend geschlafen hatte, und trug eine ... Schuluniform? Schuluniform? Was zum -?! Er bemerkte, dass er ebenfalls eine solche Uniform trug. „Na endlich. Bist du auch mal wach, Dornröschen?", fragte der Stirnbandträger belustigt von oben auf ihn herabgrinsend und stützte sich lässig mit einer Hand von Rens Tisch ab, während er sich mit der anderen die Schultasche über die Schulter geworfen hatte, „ich dachte schon, ich muss dich wach küssen." Wach küssen? , schoss es Ren durch den Kopf und er konnte eben noch verhindern, dass ihm das Blut in den Kopf schoss. Interessiert beugte der Blauhaarige sich etwas zu Ren hinab, der sich nur ein Stück aufgesetzt hatte. „Sag mal, seit wann schläfst du in der Schule? Ich dachte, das wäre meine Macke!" Sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter. "Schule?", fragte Ren irritiert und setzte sich nun vollends auf. Der Ainu verdrehte die Augen. „Ja, Schule. Gott, du musst ja echt voll weg gewesen sein." Er griff nach Rens Tasche und zog den Chinesen am Arm von seinem Stuhl. „Na komm, Yoh und die anderen warten schon draußen auf uns." Protestlos ließ Ren sich von Horohoro aus dem Klassenzimmerraum bugsieren und durch die Gänge des Schulgebäudes hinter ihm herziehen. Nur langsam sickerte die Erkenntnis in seinen Geist. Er war in der Schule - diese Illusion ... Illusion? Sie verließen das Gebäude und Horohoro zog ihn nach links. „Wohin", setzte Ren schon an, da ihm schleierhaft war, wo Horohoro mit ihm hinwollte, doch dieser unterbrach ihn. „Zu den Fahrrädern, Idiot. Alter, hast du eben im Koma gelegen und alles vergessen?" „Nenn mich nicht Idiot, Idiot!", fauchte Ren zurück und er sah, wie auf Horohoros Gesicht ein Grinsen erschien. „Na bitte, das klingt doch schon viel eher nach dir." Sie bogen um eine Kurve und Ren erblickte vor ihnen die Fahrradständer. Dort warteten bereits die anderen auf sie. Yoh, Anna, Manta, Lyserg und Chocolove. Ja, dachte Ren und lächelte, während er sich von Horo weiter zu ihnen ziehen ließ, so sollte es eigentlich sein. „Da seid ihr ja endlich", kam es genervt von Anna, „wir wollten schon ohne euch fahren." „Wir konnten sie gerade dazu überreden noch zwei Minuten auf euch zu warten", raunte Chocolove Horohoro aus dem Mundwinkel zu. „Die ist mal wieder so was von schlecht drauf ..." „Das hab ich gehört!" „Verdammt." Ren stand stumm daneben, während die anderen ihre Fahrradschlösser aufschlossen. Unwohl sah er sich um. Habe ich auch eins? Wenn ja, welches ist es? „Mein Fahrrad", begann er zögernd. „Steht bei Yoh Zuhause und hat einen Platten", vollendete Horohoro seinen Satz und schwang sich auf sein Fahrrad. „Sag bloß, das hast du auch vergessen?" Ren antwortete nicht, sondern seufzte nur leise. Das hieß dann, dass er zu Fuß gehen konnte. Großartig. Missmutig schulterte er die Schultasche, die Horohoro ihm noch in die Hand gedrückt hatte und machte sich auf den Weg. „He Ren, wo willst du hin?", rief Horohoro ihm hinterher und er und die anderen setzten sich mit ihren Fahrrädern in Bewegung. „Nach Hause, wohin sonst?", gab Ren verstimmt zurück. Horohoro fuhr dicht neben ihm und sah ihn verwundert an. „Zu Fuß?", fragte er konfus. Ren blieb stehen - Horohoro tat es ihm gleich - und der Chinese bekam aus den Augenwinkeln mit, dass die anderen ebenfalls anhielten und ihrem Gespräch interessiert folgten. Langsam drehte Ren sich zu dem Ainu um, der sich grinsend mit dem Ellbogen vom Lenker seines Rades abstützte und sein Gesicht auf seine Hände bettete. „Ja, zu Fuß. Wonach sieht es sonst für dich aus?" Horohoro zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht, ich meine ja nur, heute Morgen bist du immerhin auch bei mir mitgefahren und das Angebot steht noch. Aber wenn du lieber zu Fuß gehst", ein erneutes Schulterzucken folgte. Rens Augen weiteten sich leicht. „Ich bin mit dir ...?" „Ja, Mann!", sagte Horohoro und verdrehte theatralisch die Augen, „Mal ehrlich, hattest du während der letzten Stunde 'nen Blackout? Das ist ja fast schon nicht mehr normal." Verwirrt fasste Ren sich an den Kopf, versuchte sich zu erinnern, doch ohne Erfolg. „Ich weiß nicht. Ich fühle mich nicht so, aber", er schüttelte den Kopf, "“ergiss es, schon gut." Er drehte sich um und schritt weiter auf das Schultor zu. „Kommt ihr jetzt, oder wollt ihr da Wurzeln schlagen?", rief er den anderen, die ihm hinterher sahen, über die Schulter zu. Er hörte Chocolove etwas von wegen typisch Ren murmeln und sah, bevor er den Blick wieder nach vorne richtete, wie Anna und Manta nur stumm die Köpfe schüttelten. Doch es kümmerte ihn nicht. „Ren." Horohoro überholte ihn mühelos, bremste und blieb quer vor dem Chinesen mit seinem Fahrrad stehen. Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter auf seinen Gepäckträger. „Na los, steig auf. Wenn wir auf dich warten, kommen wir ja nie rechtzeitig Zuhause an." Von dieser direkten Aufforderung nun doch sichtlich überrumpelt starrte Ren ihn an. „Während ihr hier mal so mit euren Diskussionen die Zeit verplempert, fahren wir schon mal vor", entschied Anna und die vier anderen Jungs stimmten ihr zu. Sie fuhren allesamt los, an Ren und Horohoro vorbei. Kurz bevor sie das Schultor passierte, hörten sie Anna noch rufen: „Und wer als zuletzt ankommt, macht das Abendessen!" Dann verschwand auch sie um die Kurve. Knurrend sah Horohoro ihr hinterher. Dann drehte er sich wieder zu Ren um und seine Augen sprühten förmlich Funken. „Na komm schon, Ren, spring hinten drauf! Wir kommen nicht als Letzte an!" Bei so viel Eifer musste Ren schmunzeln, schüttelte aber dennoch den Kopf. „Lass nur, du kannst ruhig losfahren. Mit mir als Balast schaffst du es nie." „Wollen wir wetten?", fragte der Stirnbandträger angriffslustig. „Hm?" „Ich wette, ich schaffe es mit dir hinten auf meinem Gepäckträger, Ren!" „Ach ja?" „Ja!" „Das will ich sehen." „Dann steh da nicht so dumm rum, sondern steig endlich auf!" „Hör auf, mich rumzukommandieren, Schneemann!" Trotzdem steig er hinter Horohoro auf den Gepäckträger, seine Schultasche auf dem Rücken. Der Ainu grinste ihn über die Schulter breit an. „Halt dich fest!" Argwöhnisch sah Ren sich um. „Und wo bitte?", stellte er die Gegenfrage. Der Blauhaarige verdrehte die Augen. Er griff nach Rens Arm, zog ihn zu sich nach vorne und schlang ihn sich um den Bauch. „An mir, woran denn sonst, Idiot?" Ren spürte, das Blut in die Wangen schoss. „An dir?!" „Du kannst es auch lassen, aber beschwer dich dann nicht bei mir, wenn du runter fällst." „Nein ... schon gut." Stockend schlang Ren nun auch den anderen Arm um Horohoros Bauch, als dieser in die Pedalen trat und losfuhr. „Denen zeigen wir, dass wir so was nicht mit uns machen lassen! Weder mit einem Horohoro noch mit einem Ren!" Er trat kräftiger in die Pedale, als sie das Schultor hinter sich ließen und bog nach rechts. „Wo willst du hin?", fragte Ren gegen den Fahrtwind. „Die anderen sind nach links abgebogen!" „Wir nehmen eine nette kleine Abkürzung!" „Eine Abkürzung?" „Ja!" „Wo genau führt die lang?", fragte Ren misstrauisch. „Durch den Park!" Der Ainu bog erneut um eine scharfe Kurve, diesmal jedoch nach links. Ren hielt sich instinktiv fester. „Geht das nicht etwas weniger waghalsig?", fragte er leicht empört. „Nicht, wenn wir noch vor den anderen da sein wollen!" Vor sich erkannten sie schon den Eingang zum Park und Horohoro schoss mit seinem Rad hindurch und über den Kiesweg. „Und jetzt?", fragte Ren und sah sich um. „Halt dich gut fest!", war die einzige Antwort, die Ren widerstandslos befolgte. Man wusste ja nie. Und bei Horohoro schon gar nicht. Er sollte Recht behalten, denn der Stirnbandträger riss unvermittelt den Lenker herum. Sie verließen den Kiesweg und überquerten die Wiese, fuhren direkt auf das kleine Wäldchen zu. Ren dämmerte, was der andere vorhatte. „Horohoro, nein! Lass das lieber, das geht schief!" „Wieso? Willst du etwa verlieren?" „Nein, aber -" Zu spät, denn sie hatten bereits die erste Baumreihe passiert. Rens Augen weiteten sich vor Schreck. Hier ging es bergab, trotzdem trat Horohoro wie ein Verrückter weiter in die Pedalen. Er musste aufpassen, dass sie nicht gegen den nächsten Baum prallten. Nein, er konnte nicht mehr hinsehen! Verzweifelnd und schon mit dem Leben abschließend presste Ren seine Stirn gegen Horohoros Rücken und schloss die Augen. Solange er es nicht sah, war es nur halb so schlimm. Der Boden unter ihnen war holperig, der Wind rauschte an ihnen vorbei, Horohoro war warm ... Unvermittelt hörte das Holpern auf und sie hatten wieder ebenen Boden unter den Rädern. „Du kannst die Augen jetzt wieder Aufmachen, Ren. Der Wald ist hinter uns und ja, wir leben noch." Ren tat kommentarlos wie ihm geheißen, öffnete die Augen, hob den Kopf und sah sich um. Ja, sie fuhren wieder auf der Straße. Horohoro bog rechts ab und Ren erkannte nur wenige hundert Meter vor ihnen das Asakuraanwesen. Von den anderen war weit und breit nichts zu sehen und auch ihre Fahrräder standen nicht vor der Tür. „Sieht ganz so aus, als hättest du es geschafft", stellte Ren lächelnd fest. „Ja, danach sieht es aus!", stimmte Horohoro ihm stolz zu. „Dank meines überragenden Fahrstils!" „Der uns fast das Leben gekostet hätte", bemerkte Ren trocken. „So schlimm war das doch gar nicht!", protestierte der Ainu. „Was kann ich dafür, dass es für deine zarten Nerven zuviel war?“ „Wie bitte?!", Ren wurde leicht blass, dann kehrte die Röte in sein Gesicht zurück. „Sag das noch mal!" „Du hast zarte Nerven, Ren.“ „Hab ich nicht!" „Doch, du klammerst dich nämlich noch immer wie ein Ertrinkender an mich.“ Augenblicklich ließ Ren den Ainu los, schien jedoch für einen Moment vergessen zu haben, dass er auf einem Fahrrad saß. Einem Fahrrad, welches mit ziemlicher Geschwindigkeit über den Asphalt jagte. Die Folge aus dieser Unbedachtheit war, dass er das Gleichgewicht verlor und drohte, nach hinten zu fallen. „Ren!" Geistesgegenwärtig ließ der Ainu das Lenkrad los und griff mit einer Hand nach dem Schwarzhaarigen. Allerdings geriet das Fahrrad nun gefährlich ins Schlingern und nach einigem Hin- und Herschlängeln auf der Straße machte es einen eleganten Bogen und fand sein Ziel in der Hecke vor dem Haus der Asakuras. Ren spürte, wie er nun gänzlich vom Gepäckträger flog, in hohem Bogen in hohem Bogen auf den Rasen fiel und hart landete. Stille kehrte ein. Man hörte das vereinzelte Zwitschern der Vögel, das Rauschen des Windes und das Hinterrad des verkehrt herum im Gebüsch steckenden Fahrrads, welches langsam zum Stillstand kam. Ren öffnete blinzelnd die Augen, sah den stechenden hellblauen Himmel über sich und die Sonne, die ihm ins Gesicht schien. Neben sich hörte er ein Stöhnen. „Ren ... lebst du noch?", fragte Horohoro keuchend und Ren sah aus den Augenwinkeln, wie der Ainu mühevoll versuchte sich aufzurappeln, dann jedoch leicht wimmernd wieder zurücksank. Der Chinese schloss die von der Sonne geblendeten Augen. „Nein." Er hörte, wie Horohoro näher robbte und leise lachte. „Echt nicht?" „Echt nicht." „Schade." Ren öffnete nach einigem Überlegen doch wieder die Augen und fixierte den Blauhaarigen, der sich halb über ihn gebeugt hatte und leicht schmerzverzerrt grinste. Ren verengte prüfend die Augen. „Und was ist mit dir? Hast du dir was getan?" Der Stirnbandträger schüttelte den Kopf. „Naa, bin nur etwas unglücklich gefallen." Ren hob den Kopf an und musterte den anderen misstrauisch. „Und deshalb wimmerst du hier so rum?", fragte er angesäuert. Horohoro sah ihn beleidigt an. „Ich wimmere nicht!" „Ach ja? Und was hab ich dann eben gehört?" „Das bildest du dir ein, Spitzkopf!" „Natürlich." Er setzte sich auf und sah sich um. Sie waren direkt im Vorgarten gelandet. Elegant und ... schmerzhaft. Langsam stand er auf, prüfte ob auch noch alles an ihm heile war, aber es war nichts, bis auf eine Schramme, die er am Oberarm hatte und die durch das Loch im Ärmel seiner Schuluniformjacke zu sehen war. Sie brannte etwas, aber es war so gut wie nichts. Er wandte sich dem Ainu zu, der noch immer halb auf dem Boden saß. Ren hob eine Augenbraue. „Was ist? Ist es da unten etwa so bequem? Soll ich dich da liegen lassen?" Horohoro schüttelte den Kopf, blieb aber trotzdem sitzen, starrte weiterhin stumm auf den Rasen. Rens Augenbraue begann leicht zu zucken. „Horohoro", knurrte er leise. „Du Ren", kam es schließlich von dem am Boden liegenden. „Was?!", fauchte der Angesprochene zurück. Horohoro hob den Blick und sah ihn leicht betreten an. „Ich glaub, ich hab mir den Fuß verknackst.“ Ren starrte ihn bewegungslos an. Rührte sich nicht. „Ren?", fragte Horo vorsichtig, rechnete schon mit einem Zornesausbruch. Schließlich kehrte Bewegung in Rens Körper zurück und er ging vor dem Ainu in die Hocke. Horohoro schluckte, als er Rens wütenden Gesichtsausdruck sah. Er wich dem Blick aus, bereits mit einer Tirade an Beleidigungen rechnend, doch nichts dergleichen kam. Überrascht blickte er auf. Ren starrte ihn noch immer durchdringend an, dann schloss der Schwarzhaarige unvermittelt seufzend die Augen und verpasste dem Stirnbandträger eine beinahe schon sanfte Kopfnuss. „Idiot, warum hab ich wohl gefragt, ob du dir was getan hast?" „Wie?", fragte Horohoro konfus. Rens Reaktion wollte nicht in sein Schema passen, doch Ren ignorierte das, griff nach einem Arm des Stirnbandträgers, legte ihn sich um die Schultern und schlang seinen eigenen Arm um Horohris Hüften und zog ihn hoch. „Dummer Schneemann", sagte er kopfschüttelnd. Horohoro erwiderte nichts, sondern lächelte nur. „Hey, ihr zwei!" Sie drehten sich um. Yoh und die anderen waren soeben um die Ecke gebogen. Quietschend hielten sie vor Ren und Horo, als sie den Kiesweg des Grundstücks, welcher bis kurz vor die Haustür ging, erreichten. Chocoloves Augen waren groß. „Wie habt ihr es vor uns geschafft?" „Abkürzung", war Rens knappe Antwort. Anna warf einen Blick auf das lädierte Fahrrad, das noch immer an derselben Stelle verkehrt herum im Gebüsch steckte. Sie schürzte missbilligend die Lippen. „Und wie ist das passiert?" „Unfall", gab Ren zurück. Yoh stieg vom Fahrrad. Er musterte Horohoro, den Ren noch immer stützte. „Und was soll das", fragte er grinsend. „Verletzung", knurrte Ren. Er drehte sich um und zog Horohoro mit sich. „Und was habt ihr jetzt vor?", fragte Chocolove interessiert. „Verarzten", kam es kurz angebunden von Ren und er betrat mit Horohoro das Haus. Kurz bevor die Tür sich hinter ihnen schloss, warf der Ainu noch einen Blick über die Schulter und sagte in einem triumphierenden Tonfall, unterstützt von einem selbstgefälligen Grinsen: „Ach so, da wir ja schon länger da sind, ist es nur fair, wenn ihr das Abendessen zubereitet.“ Das protestierende Murren der anderen Jungen ließ ihn nur noch breiter grinsen. Als die Tür hinter ihnen zufiel und er mit Ren den Flur zur Treppe humpelte, hörten sie Anna sagen: „Ihr habt ihn gehört. Also los, macht das Abendessen!" Das genervte Stöhnen der anderen war die Antwort auf ihre Worte. oOo „Socke aus!", befahl Ren, nachdem er Horohoro auf einen Stuhl im Badezimmer verfrachtet hatte. Die Schuhe hatten er und der Ainu bereits im Eingangsbereich des Hauses hinter sich gelassen. Horohoro tat wie ihm geheißen, besser gesagt, er versuchte so zu tun, alerdings mit wenig Erfolg. Ein Wimmern entwich seiner Kehle. Rens Blick war nun abschätzend. Er konnte es nicht mit ansehen, wie Horohoro übertrieb, denn so sehr konnte es unmöglich weh tun. „Stell dich doch nicht gleich so an." Horohoros Blick verfinsterte sich. „Es tut aber weh!", gab er gereizt zurück. „Dein Pech", kam es trocken von Ren. „Bitte, wenn der Herr es so befiehlt!", sagte Horohoro, dem der Geduldsfaden gerissen war, zornig und riss sich die Socke vom Fuß. Ein Fehler. Ein sehr großer Fehler. Ein äußerst schmerzhafter noch dazu, denn augenblicklich sandte der angeschlagene Fuß heftige Schmerzwellen durch seinen Körper an sein Gehirn. Er unterdrückte einen Schmerzensschrei und biss sich fest auf die Unterlippe. Seine Hand grub sich fest in seinen Oberschenkel und in seinen Augen brannten beinahe schon die Tränen, die er jedoch erfolgreich zurückdrängen konnte. Ren schüttelte den Kopf. „Dummkopf", sagte er resignierend und eine Spur von Mitgefühl schwang in seiner Stimme mit. Er kniete sich vor Horohoro auf die Fliesen und nahm den Fuß behutsam in die Hände. „Das kann aber auch nur dir passieren." „Du bist doch schuld, dass wir diesen Unfall überhaupt gehabt haben!", gab Horohoro knurrend zurück. Ren hob den Blich, sah den Stirnbandträger eindringlich an, beschloss dann jedoch, nichts zu sagen und betrachtete stattdessen aufmerksam den Fuß. „Sieht nach einer hübschen Verstauchung aus. Tut das weh?", er drückte leicht gegen den Knöchel und Horohoro schrie auf. „Au! Ja verdammt, das tut weh!", fuhr er den Chinesen an, der nur leicht spöttisch lächelte. „Ja wirklich", sagte er mit einer fachmännischen Mine, „eindeutig verstaucht." „Elender Sadist!", zischte Horohoro leise. „Ich dich auch", entgegnete Ren mit ungerührt, bevor er nach einem kleinen Arztkoffer unweit von ihm griff, ihn öffnete und nach einem Verband griff. „Ich mache dir jetzt einen Stützverband, damit kannst du dann wieder einigermaßen laufen. Du musst den Fuß aber trotzdem schonen und so weinig wie möglich belasten." „Ja, Muter", gab Horohoro genervt zurück. Rens Hand schnellte vor und schloss sich um das Handgelenk des Stirnbandträgers, welcher zusammenzuckte und den anderen perplex anstarrte. Ren sah ihn durchdringend an. „Ich meine es ernst Horohoro." Er begann, den Verband fest um Horohoros Fuß zu wickeln. Der Blauhaarige rechnete erneut mit einer unangenehmen Schmerzwelle angesichts dieser Berührung, allerdings blieb diese zu seiner Verwunderung aus. Misstrauisch und nachdenklich blickte er auf den Ren hinab, der weiterhin vor ihm auf dem Boden kniete und so ein ganzes Stück kleiner war, als er momentan. Seufzend lehnte Horohoro sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah an die Decke des Bades. „Ich versteh dich echt nicht", sagte er kopfschüttelnd. „Hm?" Ren hielt in seiner Tätigkeit inne und sah auf. Noch immer starrte Horohoro an die Decke. „Was verstehst du nicht?", fragte Ren und neigte den Kopf. Horohoro wandte den Blick von der Badezimmerdecke ab und fixierte Ren Er grinste, als er dem fragenden Blick begegnete. „Vieles." „Sehr aufschlussreich", brummte Ren und verdrehte die Augen. „Aber vor allem", fuhr Horohoro, den Einwand Rens nicht beachtend, brach jedoch ab. „Vor allem was?", harkte Ren nach. Horohoro starrte einen Moment stumm in die Luft, schüttelte dann den Kopf und grinste Ren erneut an. „Jetzt hab ich es vergessen." „Bitte?!" Ren verspürte das dringende Bedürfnis seine Hände um Horohoros Hals zu legen und langsam zuzudrücken. Er verdrängte den Gedanken. Jetzt brachte der Ainu ihn sogar schon so weit, sich zu wünschen, Gewalt auszuüben. Knurrend fuhr er fort, den Verband um Horohoros Fuß zu wickeln. „Genau das verstehe ich nicht!", sagte Horohoro unvermittelt. Ren wäre durch die unerwarteten Worte des Stirnbandträgers beinahe zusammengezuckt. Innerlich darüber fluchend sah er erneut auf. „Was verstehst du nicht?", fragte er eindringlich. „Und wehe, du vergisst es jetzt wieder, Schneemann!" Horohoro schüttelte den Kopf. „Nein, tue ich nicht." „..." „..." „Ren?" „Nun sag schon.“ „Normalerweise hättest du mich nach dem Zwischenfall die Leviten gelesen, oder mich so lange beleidigt, bis ich meinen eigenen Namen vergesse, aber du hast nichts gesagt und mir einfach weiter den Fuß verbunden." Ren hob die Augenbraue. „Ach ja?" „Ja!" Der Chinese zuckte die Schultern. „Wenn du das sagst. Mir war einfach nicht danach." „Jetzt tu doch nicht so!" „Tze.“ Horohoro verschränkte die Arme vor der Brust und kam dem Gesicht des Schwarzhaarigen mit seinem eigenen sehr nahe, als er sich provozierend vorbeugte. „Ich merke es schon, Ren, du hast dich verändert." „Habe ich das?", fragte der Angesprochene desinteressiert und unterdrückte ein Seufzen. Als ob ihm das nicht selbst aufgefallen wäre. Ja, er hatte sich verändert. Und? Nun grinste Horohoro wieder und kam noch ein Stück naher. Ihre Gesichter trennten nur noch wenige Zentimeter. „Du bist menschlicher geworden. Du lächelst auch mal ab und zu." „Hn." Ren hörte nur halb zu. Viel zu sehr fesselten ihn die Augen des Ainus, die ihn durchdringend ansahen. So intensiv ... Das Grinsen des Größeren wurde noch eine Spur breiter. „Weißt du was?", murmelte er. „Was?", entgegnete Ren genauso leise. Er spürte den Atem des Ainus auf seinem Gesicht. „Ich", flüsterte der Ainu und verringerte die Distanz, die sie noch von einander trennte, „denke, das wir genug Zeit vertrödelt haben“ Mit diesen Worten hob er die Hand und fuhr dem Chinesen neckisch durch die Haare. Dieser viel durch den plötzlichen Stimmungsschwung regelrecht aus allen Wolken. Perplex starrte er Horohoro an, der sich wieder nach hinten gelehnt hatte und ihn belustigt angrinste. Langsam sickerte die Erkenntnis in das Bewusstsein den Chinesen. Nur ein Scherz ... Und er hatte sich auch noch Hoffnungen gemach, hatte sich derart vorführen lassen! Er spürte zu seiner Verbitterung, wie sich Röte auf seinen Wangen ausbreitete. Ruckartig erhob er sich, ließ den Rest Verband einfach auf den Boden fallen. „Idiot", zischte er noch, wobei unklar war, ob er damit sich selbst oder Horohoro meinte, dann verließ er ohne einen Blick zurück, den Raum. „Ren?", hörte er Horohoro rufen, doch er reagierte nicht. „Warte Ren, was ist?" Er antwortete nicht, zog ruckartig die Tür hinter sich zu und stapfte wütend den Gang entlang. Als er die nächste Flurecke hinter sich gebracht hatte, blieb er stehen. Er lehnte sich an die Wand hinter sich, da mit einem Mal alles um ihn herum begann zu schwanken. Oder schwankte er selbst? Er schloss die Augen, versuchte sich zu sammeln. Er legte eine Hand auf seine linke Wange. Sie war warm, er war also immer noch rot. Verdammt, womit hatte er das verdient? Diese Blamage ... Er hörte, wie sich die Tür des Bades erneut öffnete. „Ren?" Ich bin nicht da. Geh nach unten zu den anderen. Er hörte unregelmäßige Schritte, die sich seinem Standort langsam näherten. Offensichtlich humpelte Horohoro noch immer. Heftig schüttelte Ren den Kopf. Was machte er sich hier Gedanken, ob dieser Idiot von einem Ainu humpelte oder nicht? „Ren", die Stimme des Ainus klang beschwichtigend, „ich weiß das du noch da bist." „Na und“, entgegnete er kalt und presste sich trotz allem dichter an die Wand, als ob sie ihm Schutz spendete. Er hörte den Andern Luft holen: „Es tut mir leid.“ Rn schloss die Augen. „Was tut dir leid, Dummkopf?“, höhnte er abweisend. Er hörte, wie Horohoro immer näher kam, doch kurz bevor er um die Ecke sehen konnte, fand Ren seine Stimme wieder. „Bleib stehen." Er selbst stand im Schatten, konnte jedoch auf dem Holzboden den Schatten des Ainus erkennen, welcher sich nicht mehr rührte. Anscheinend war Horohoro wirklich stehen geblieben war, bevor er einen Blick auf Ren erhaschen konnte. Langsam ließ der Chinese sich an der Wand auf den Boden hinabsinken und hörte, wie Horohoro es ihm gleichtat. Da saßen sie nun, nicht einmal ein Meter Distanz lag zwischen ihnen und doch trennte sie die Biegung des Flures voneinander. Ren fiel es so wesentlich leichter, als wenn er dem Ainu ins Gesicht, oder noch schlimmer, in die Augen hätte sehen müssen. „Du benimmst dich heute seltsam, Ren." Der Angesprochene schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. „Ich weiß." „Was ist los mit dir?" Ren antwortete nicht. „Liegt es an mir?" Ren schwieg. Ja, es lag an Horohoro, aber das wusste er doch schon längst. Außerdem konnte Horohoro nichts dafür, dass Ren alles was mit ihm zu tun hatte, derart ernst nahm. „Also liegt es an mir", gab der Stirnbandträger resigniert von sich. „Hn." „Warum so plötzlich?" Ren öffnete die Augen und starrte nachdenklich an die gegenüberliegende Wand. Plötzlich? Das kam nicht plötzlich. „Du willst nicht darüber reden", stellte Horohoro nüchtern fest. Ren zog es vor, nichts zu erwidern. Was sollte er auch sagen? Es stimmte, er wollte nicht darüber reden. „Was kann ich denn tun?" „Mich in Ruhe lassen", gab Ren kühl zurück. Er hörte ein humorloses Lachen. „Denkst du wirklich, ich würde es dir so einfach machen, Ren?" „Nein", gab er ehrlich zu und spürte gegen seinen Willen, dass seine Mundwinkel flüchtig nach oben zuckten. Das war typisch Horohoro. „Jetzt sag schon." „Was soll ich sagen?", fragte er genervt und schloss wieder die Augen. „Na was dich zu so einer Veränderung gebracht hat? Was hab ich gemacht?" „..." „Ren, ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht sagst, was ich falsch gemacht habe." Seit wann war Horohoro so zuvorkommend? Das war doch sonst auch nicht seine Art. Woher kam der plötzliche Sinneswandel? Ren antwortete dem Ainu nicht, war viel zu sehr mit den Fragen beschäftigt, die er sich selbst stellte. „Ren", wiederholte Horohoro gereizt, da es ihm anscheinend auf die Nerven ging, keine Antworten auf seine Fragen zu bekommen. „Du hast nichts falsch gemacht", fauchte der Chinese nicht minder verstimmt, da er es nicht schaffte, die von ihm selbst gestellten Fragen sinnvoll zu beantworten. Schweigen folgte seinen Worten und Ren knurrte unwillig. „Nein, du hast nichts falsch gemacht. Wenn jemand hier etwas falsch macht, dann ich." „Ich", Horohoro schluckte, „im Badezimmer gerade“, Ren zuckte zusammen, „da ... hättest du ... ich meine hätten wir uns ... wenn ich nicht ... hättest du mich ...", er brach ab. Ren lächelte bitter, was der Horohoro dank der Wand, die sie voneinander abschirmte, nicht sehen konnte. Er wusste auch so, was der Stirnbandträger versuchte zu sagen. „Ich fürchte, ja", bemerkte er trocken. Er hörte, wie Horohoro bei seinen Worten scharf die Luft ausstieß. „Das ist krass.“ „Ja", bestätigte er. „Das ist es allerdings." Und das wäre es noch mehr gewesen, wenn es tatsächlich geschehen wäre, fügte er in Gedanken hinzu. „Warum?", fragte der Stirnbandträger und Ren hörte aus dessen Stimme, dass er das ganze noch nicht recht glauben konnte. Oder nicht wollte. Er zuckte die Schultern, obgleich Horohoro diese Geste nicht sehen konnte. „Ich weiß es nicht." „Du weißt beunruhigend wenig, Ren", stellte Horohoro fest. Sie schwiegen und jeder hing seinen Gedanken nach. „Du Ren?", fragte der Blauhaarige nach einer Weile. „Hm?" „Was würdest du sagen, wenn ich dir gestehe, dass es mich ... na ja ... nicht wirklich gestört hätte, wenn wir uns eben im Bad ... also ... du weißt schon." Der Blick des Chinesen, der bis eben noch leicht verschwommen ins Nichts vor sich ging, wurde schlagartig wieder klar und seine Augen weiteten sich. „Ist -", er schluckte, da sich seine Kehle mit einem Mal unnatürlich trocken anfühlte, „ist das dein Ernst?!" Er sah, wie der Schatten des Ainus sich bewegte und deutete diese Bewegung als ein Nicken. „Horohoro", begann er, doch seine Stimme versagte ihm. Was sollte er jetzt sagen? ‚Großartig, dass du nichts dagegen hast, wenn wir also anfangen könnten?’ Nein, alles erschien momentan falsch. „Ren." Er wandte den Kopf und erblickte die Hand des Ainus, die dieser ausgestreckt hatte, so dass Ren sie nun auch sehen konnte. Er zögerte, streckte dann jedoch die eigene Hand aus und legte sie auf die des Ainus, festigte den Griff. „Danke." Ein einziges Wort, mehr nicht, und trotzdem war es das, was im Augenblick wohl am ehesten beschrieb, was in ihm vor sich ging. Er spürte, wie der Druck seiner Hand erwidert wurde. Danke. *~* Flatternd öffnete er die Augen. Was war los? Wo war er? Nachdem er mehrmals geblinzelt hatte, richtete er sich zögernd auf und sah sich um. Er lag in seinem Zelt. Die Erkenntnis übermannte ihn. Sein Zelt. Hao. Das Schamanenturnier. Die vermeintliche Kontrolle. Das Treffen mit dem Schamanenkönig. Ihr Gespräch. Sein Ausbruch. Die Illusion. Wie bei einer Diashow zogen die Bilder an seinem inneren Auge vorbei. Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. Er und Horohoro, das alles war nur eine Illusion gewesen. Eine Illusion, die er sich gewünscht hatte. Mühsam erhob er sich. Nach zwei Tagen des Liegens fühlten sich seine Beine schwach an, doch er schaffte es aufrecht stehen zu bleiben. Wankend fasste er sich an die Stirn und schloss die Augen, bis die Umgebung sich endlich dazu entschloss, sich nicht mehr vor seinen Augen zu drehen. Träge schüttelte er den Kopf und eine Welle der Traurigkeit erfasste ihn, als er an die Illusion zurückdachte. Sie war schön gewesen. Ein entschlossener Ausdruck trat in seine Augen, als er seine Schultern ein letztes Mal straffte. Er würde dafür sorgen müssen, dass diese Illusion irgendwann in Erfüllung gehen würde. Mit allen Mitteln, ohne Rücksicht auf Verluste. Mit diesem Gedanken schob er den Stoff am Eingang seines Zeltes beiseite und trat nach draußen, in das Licht der bereits untergehenden Sonne. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)